Zurzeit sind 464 Biographien in Arbeit und davon 255 Biographien veröffentlicht.
Vollendete Autobiographien: 146




Mein Leben war und ist geprägt durch eine psychische Krankheit. Sowohl ich als auch meine einzige Schwester Ruth bekamen das mit den Genen unserer schwer psychisch kranken Mutter vererbt. Haupt-Diagnose: narzisstische Persönlichkeitsstörung.
Gerade mal 0,4 % der Bevölkerung leiden an Narzissmus. Jeder 10. davon beendet sein Leben vorzeitig durch Suizid. Die Krankheit ist noch wenig erforscht und gilt als schwer bzw. überhaupt nicht therapierbar. Es wird empfohlen, sich den Narzissten fern zu halten. Wir werden also gemieden, sind nicht bindungsfähig und ein Leben lang mit uns selber beschäftigt.
Ich habe diese Autobiographie nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Alles aus meiner Sicht, wie ich es erlebt habe. Und der wichtigste Mensch in meinem Leben, eigentlich die einzige mir fundamental erscheinende Beziehung ist und bleibt diejenige zu meiner Tochter Siti.
Es kann durchaus sein, dass sie gewisse Dinge völlig anders gesehen hat als ich. Wenn dem so ist, so wäre ich dankbar, wenn dies noch zu meinen Lebzeiten geklärt werden könnte.
Ich möchte, dass sie mich in guter Erinnerung behält und Verständnis aufbringen kann für meine Unzulänglichkeiten, die doch zu jedem Menschen gehören. Ja, ihn erst interessant machen. Nobody is perfect!
Sollte ich jemanden brüskieren oder beleidigen mit diesen Aufzeichnungen, so war das nicht meine Absicht. Ich bin nicht nachtragend und habe die vielen z.T. negativen Ereignisse in meinem Leben verarbeitet. Schlussendlich haben sie "Action" gebracht und langweilig war es mir tatsächlich nie!
Ich möchte auch dazu beitragen, dass die Stigmatisierung psychischer Krankheiten endlich verschwindet. Niemand kann etwas für seine Erkrankungen. Leute mit z.B. Herzkrankheit oder sonstigen somatischen Leiden werden auch nicht ständig dazu aufgefordert, sich endlich zusammenzureissen. Es tut weh, ausgegrenzt zu werden!

Ich wurde am 12. Juni im Jahr 1944 geboren und meine Mutter war mit mir schwanger während diverser kriegerischer Ereignisse rund um unser Land. Jedenfalls musste sie scheinbar mehrfach in einen Luftschutzkeller flüchten und ihre damaligen Aengste wurden wohl auf mich ungeborenes Kind übertragen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich auch heute noch über Knallgeräusche oder Sirenengeheul solchermassen erschrecke, dass ich Feuerwerk nicht ertrage. Besuchten wir in meiner Kindheit mal Zirkus-Vorstellungen oder die Eisrevue, wo Clowns mit Spielzeugpistolen Schussgeräusche verursachten, mussten meine Eltern jeweils fluchtartig die Vorstellung verlassen, da ich dermassen laut geschrien hatte. Meine Schreckhaftigkeit wurde ich leider niemals los.
Aus Erzählungen und aufgrund weniger noch vorhandener Fotos, die meinen Vater in Offiziersuniform zeigen, weiss ich, dass er Aktivdienst leisten musste und nur selten nach Hause kam.
Wir wohnten in Zofingen im Erdgeschoss eines Zweifamilienhauses mit grossem Garten. Es gab dort einen geheimnisvollen Platz, umgeben von hohen Thuja-Hecken, an welchen ich mich irgendwie erinnere. Der Osterhase hatte dort jeweils seine Eier versteckt, aber ich wagte nie, den Ort allein zu betreten. Auf der anderen Seite im Garten gab es einen Sandkasten, in dem ich oft und gerne spielte. Ich hatte eine um 13 Jahre ältere Schwester, die über meine Geburt nicht sonderlich erfreut war. Ich kann mich daran erinnern, dass ich ein eigenes Zimmer hatte und jeden Nachmittag zum Mittagsschlaf gezwungen wurde. Dieses Ritual wurde eisern durchgezogen bis zu meinem Schuleintritt. Ich hasste es, im verdunkelten Zimmer liegen zu müssen, da ich eigentlich gar nie müde war.
In einem Mansardenzimmer des Hauses ging mein Vater seinem Hobby nach. Er war leidenschaftlicher Entomologe und besass schon damals über hundert Schaukästen mit auf Nadeln aufgespiessten Schmetterlingen. Exotische kaufte er sich an der entsprechenden Börse oder tauschte sie mit anderen Entomologen. Einheimische züchtete er selber von der Raupe über die Puppe bis zum vollendeten Falter.
In einem dicken grossen Buch konnte man alle notwendigen Informationen über die Europäischen Tag- und Nachtfalter sowie deren Raupen nachlesen. Die Namen figurierten auch in Latein. Es wurde beschrieben, auf welcher Pflanze die Raupe zu leben pflegt und wo man solche allenfalls findet. Ich selber musste nie Futter für die Raupen besorgen gehen. Meine ältere Schwester in ihrer Kindheit allerdings schon. Sie hat sich noch Jahre später darüber beklagt.
Einzelne Schweizer Exemplare fing er mit einem schwarzen Netz, das sie nicht sehen konnten. Waren sie mal drin, war ihr Leben besiegelt. Sie landeten im Giftglas, welches in Zyankali getränkte Watte enthielt. Danach legte er sie in eine Metallbox, wo geschnetzelte Lorbeerblätter die toten Falter so lange frisch hielten, bis er Zeit dazu fand, sie auf dem Spannbrett für deren weitere Verwendung in einem Schmetterlings-Schaukasten vorzubereiten. Schon als Dreikäsehoch musste ich mal so einen Kasten, der wertvolle blau schillernde Exoten enthielt, von der Mansarde zu unserer Wohnung runtertragen. Prompt stolperte ich und der Kasten samt Inhalt lag in tausend Einzelteilen herum. Es war ein Drama. Ein Riesenverlust für meinen Vater. Aber es war sicher unvernünftig zu glauben, dass ich für so einen Transport die geeignete Person war.
Jahre später erbte ich viele dieser Schaukästen. Meine Schwester nahm v.a. die grosse Sammlung der Europäischen Schmetterlinge in den Libanon mit. Eine Weile hingen die dekorativen Kästen in meinen Wohnungen oder Häusern. Beim Umzug nach Wädenswil ins Terrassenhaus trennte ich mich endgültig davon. Dafür schaffte ich mir für teures Geld nochmals 4 dicke grosse Fach-Bücher über die Schmetterlingswelt zu. Leider sind inzwischen viele Exemplare der unvergleichbar schönen Insekten ausgestorben. Auf meiner Terrasse pflanzte ich extra Schmetterlingsflieder an. Da sind im Sommer jeweils einzelne Schwalbenschwänze, der kleine Fuchs, Taubenschwänzchen oder Hummelschwärmer zu bewundern. Weisslinge gibt es immer noch reichlich. Es ist eine Tragik, wie die Welt sich verändert hat seit meiner Jugend.
Meine Mutter schien eine verwöhnte Frau zu sein. Sie kleidete sich elegant und trug meistens Hüte. Schon damals - wie auch später - kam eine Putzfrau einmal wöchentlich zu uns. Diese Putzfrau durfte ihr eigenes Kind mit zu uns nehmen und ich wurde genötigt, mit ihm zu spielen, was ich nicht mochte und ihm das auch zu verstehen gab. Ich war anscheinend ungezogen und schwer erziehbar, so hörte ich es später immer wieder. Man erzählte mir später, dass ich kleine Blumensträusse aus Wildblumen zusammenband und dieselben in der Nachbarschaft zu verkaufen versuchte. Den Leuten erzählte, ich bräuchte das Geld, da ich zuhause nichts zu essen bekäme. Ob das tatsächlich der Wahrheit entsprach, weiss ich nicht.
(1) Meine Eltern waren stets Hut-Träger. Wer wohl heute AG 404 als Nummernschild am Auto montiert haben mag?
Was ich hingegen noch ganz genau weiss ist die Tatsache, dass meine Mutter und meine Schwester mich sehr oft während Stunden in den dunkeln Keller sperrten und mir erklärten, die Ratten würden mich auffressen kommen. Ich konnte schreien, so lange ich wollte, sie holten mich nicht rauf. Ich stieg dann zuoberst auf die Gemüse-Regale, um vor den Ratten sicher zu sein. Ebenso kann ich mich daran erinnern, dass meine Mutter, die depressiv war, mich als Kleinkind oft tagelang allein zuhause liess. Sie ging dann fort und kam erst gegen Abend wieder zurück. Meine Schwester war da jedenfalls auch nicht zuhause. Keine Ahnung, wie das genau war. Bemerkt hat das offenbar nie jemand oder man mischte sich damals nicht ein in die Familienangelegenheiten anderer Leute.
Ein anderes Ereignis ist mir leider bis heute noch präsent. Eine Katze hatte in unserem Garten unterhalb unserer Terrasse Junge bekommen. Mein Vater hat mich genötigt, zuzuschauen, wie er der Katze die Jungen wegnahm, sie in einen Jutesack stopfte und danach zu einem kleinen Bach fuhr und diesen Sack vor meinen Augen in das Gewässer warf.
Zärtlichkeiten gab es nie, ich wurde auch nie in den Arm genommen. Meine Mutter und meine Schwester lehnten mich deutlich ab, und das von Anfang an. Den Vater bekam ich höchst selten zu sehen. Ich war ein „Urlauberli“, also in einem Dienst-Urlaub meines Vaters gezeugt und nie geplant.
Schon früh bekam ich zu hören, dass meine Schwester, die auf ihr Erstgeburtsrecht pochte, viel lieber wäre und ich ein absolut unmögliches Kind sei. Sie erzählten mir, dass ich noch einen Bruder namens „Eggenbollen“ hätte, der im Kastell Zuoz sein Leben friste. Würde ich nicht endlich ein liebes Kind, so würde man diesen Bruder zurückholen und mich dafür dort einsperren. Getan hatten sie es nie, da es diesen Bruder schlicht und einfach nicht gegeben hat!
(2) Das war mein Vater Edwin Häcki, geb. 25.8.1897.
(3) Mein Vater als einer der ersten Militärpiloten der Schweiz
(4) Jugendfoto meiner Mutter Marie Häcki-Bischoff, geb. 18.3.1905
(5) Meine elegante Mutter, die meistens Hüte trug. Auf ihren Armen ich als Säugling.
(6) Meine einzige Schwester Ruth Häcki, spätere El Alaili, geb. 12.4.1931
(7) Auf den Armen mein Teddybär. Ich mochte keine Puppen. Man beachte den grässlichen Hut, immerhin war er passend zum Mantel. Das Outfit war blau.

Mit 5 Jahren kam ich zu Tante Margrit, so nannte man die Kindergärtnerin, in den ersten Kindergarten im Römerbad. Dort lernte ich meine erste Freundin kennen, die Nelli Schütz, Tochter eines reichen Kiesgrubenbesitzers. Sie wohnten ganz in der Nähe von uns in einer grossen Villa und hatten Dienstpersonal. Sehr oft durfte ich zu Nelli zum Spielen gehen und das waren immer schöne Zeiten für mich. Für den zweiten Kindergarten musste ich dann in die Zofinger Altstadt gehen und hatte einen weiten Weg dorthin zurückzulegen. An diese Zeit habe ich praktisch keine Erinnerungen mehr. Einzig an ein Kindergarten-Reisli, wo wir alle zum benachbarten Wiggenschlössli pilgerten und durch einen schönen Wald liefen. Mit meiner Familie wurde nie so etwas gemacht. Die meiste Freizeit verbrachten meine Eltern wie auch meine Schwester auf dem Tennisplatz. Daher zeigte ich selber nie Interesse für Tennis.
Oberhalb unseres Quartiers, fussläufig zu erreichen, waren der Heiternplatz und der grosse Hirschpark. Dort fand alljährlich im Sommer das Kinderfest statt. An diesem Tag trug man jeweils ein schönes weisses Kleid und nahm an einem Kinderumzug zusammen mit den Zünften durch die Altstadt teil. Anschliessend gab es für die Kinder auf dem Heiternplatz unter den Lindenbäumen Lindenblüten-Tee und eine Bratwurst. Das Highlight des Jahres. Ganz selten spazierte meine Mutter mit mir zu diesem Hirschpark, wo wir uns dann auf eine Bank setzten, wo es am Boden Buchennüsse aufzulesen gab. Diese Buchennüsse liebte ich sehr.
Eingeschult wurde ich kurz vor meinem 7. Geburtstag. Meine Lehrerin war eine Jugendfreundin meiner Schwester, die Evi Stettler. Meine Schwester absolvierte eine Lehre in der Posamenten-Fabrik. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sich meine Schwester jemals um mich gekümmert hatte, sie war schlicht inexistent für mich und ich wohl auch für sie.
Leider musste ich die Schule im ersten Schuljahr im Herbst verlassen, da wir unseren Wohnsitz in Zofingen aufgaben und nach Dübendorf zogen. Wohl aus beruflichen Gründen meines Vaters. Zum Abschied durfte ich im Kreise meiner Schulkameraden und unter Aufsicht der Lehrerin im kleinen Park ausserhalb der Stadtmauer einen Baum pflanzen. Der steht wohl heute noch dort. Ach ja, in der Stadtmauer befand sich das Zofinger Gefängnis. Meiner Mutter schien es ab und zu Spass zu bereiten, mit mir an diesem Gefängnis vorbeizugehen und mir Angst einzujagen, weil die dort inhaftierten Verbrecher zu uns runter schauten. Es war für mich immer schlimm, dorthin geschleppt zu werden. Das Gefängnis befand sich ausserdem ganz in der Nähe des Schulhauses, in dem ich täglich verkehrte.
(1) Im ersten Kindergartenjahr, Römerbad, Zofingen
(2) Teufelsmütze in Rot, Schürze und Wollkleid, alles von Mutter selbst angefertigt. In der Hand mein Znünisack. Meistens ein bunter Farbenmix. Sie hatte einen sonderbaren Geschmack.

Mein Vater brachte mal einige Raupenaufzuchtkästen zu uns ins Klassenzimmer. Die Kinder konnten dann während einigen Wochen beobachten, wie sich die Raupen entwickelten und allmählich zum Verpuppungs-Stadium kamen. Für interessierte Kinder - es waren v.a. Buben - zeigte er abends, wie er zu neuen Eiern für die Weiterzucht kam. Er besass einen sog. Anflugs-Kasten. Darin hockte ein Schmetterlingsweibchen und sandte Duftbotschaften in den Nachthimmel. Es kamen Männchen angeflogen und befruchteten die wartende Schmetterlings-Dame. Diese bescherte meinem Vater später den gewünschten Nachwuchs an Raupen. Ich selber war nie dabei, kenne es nur aus Erzählungen!
Mein vielseitig interessierter Vater kannte sich auch aus in Sternkunde. Vergeblich versuchte er, mir die Materie schmackhaft zu machen. Einige Buben liessen sich allerdings gerne bei nächtlichen kleinen Ausflügen zu einem geeigneten Platz führen, wo man die ganze Pracht am Himmel sehen konnte, und sie dort die Namen der ganzen Sterne erklärt bekamen.
Ab der vierten Klasse bis zur sechsten Klasse kam ich zu Lehrer Hettich, einem sehr strengen Lehrer, der mit dem Meerrohrstock noch sogenannte Tatzen austeilte. Er war bereits etwas älter und furchteinflössend. Insbesondere kann ich mich noch an seine Ehefrau erinnern, die sich sehr stark schminkte und mir immer vorkam wie ein Papagei. Ich habe diese Frau jeweils persönlich gesehen am Tag des Schulsilvesters, also am letzten Schultag vor Weihnachten. Da führten wir ein kleines Theaterstück auf, bei dem ich immer die komische Rolle übernahm und anscheinend sehr lustig rüberkam. Wir sammelten Geld für einen Geschenkkorb für den Lehrer und zwei der Lieblingsschüler von Herrn Hettich, zu denen ich gehörte, durften diesen Präsentkorb zu seiner Frau nach Hause tragen. Sie gab uns ein paar Bonbons und wir staunten immer über die komischen Farben in ihrem Gesicht. Irgendwie konnten wir uns nie so richtig zusammenreimen, wie dieser strenge alte Mann zu so einer exotisch aussehenden Frau kam.
Im Haus am Rechweg, wo wir wohnten, lebte im Erdgeschoss eine Familie mit drei Jungs. Einer davon, der Röbi Lips, ging ebenfalls zu Lehrer Hettich zur Schule. Einmal mussten wir als Hausaufgabe einen Aufsatz schreiben und der Röbi hatte einfach keine Idee, was er schreiben könnte. Da in unserem Haushalt noch die Schulunterlagen meiner Schwester vorhanden waren, durfte Röbi sich was aussuchen zum Abschreiben. Dummerweise wählte er ein Diktat, dessen Text dem Lehrer Hettich wohl bekannt war, obschon die Unterlagen ja reichlich alt waren. Röbi kassierte dafür im Nebenzimmer unseres Klassenraums schlimme Tatzen und wir hörten ihn schreien vor Schmerz.
Ansonsten unternahm ich mit Röbi viele Streifzüge in den Dietliker Wald, wo wir Sauerkleeblätter verzehrten und Räuberlis spielten. Der Wald war ungefähr 20 Minuten von unserem Wohnort entfernt und damals hatte man keinerlei Skrupel, uns Kinder dort stundenlang spielen zu lassen. Dies zu Zeiten, wo es unaufgeklärte Kindermorde gab, die viel Gesprächsstoff brachten. Ich kann mich daran erinnern, dass wir mal einer Pappel-Allee entlangfuhren, wo man am Fusse eines solchen Baumes die Leiche eines Hansli Eichenberger fand. Das jagte mir damals kalte Schauer den Rücken runter. Aber dass uns selber mal so etwas passieren könnte, dachte nie jemand, auch wir nicht.
Es gab noch andere Kinder, die mit uns spielten und während der Sommerferien im Garten Zelte aus Tüchern aufstellten. Das war immer spannend. Zu jener Zeit war es nicht unüblich, dass man auf dem Schulweg durch andere Kinder verdrescht worden ist. So hatte es eine Buben-Bande regelmässig auf mich abgesehen, als ich von der Bahnhofunterführung herkommend die Ueberlandstrasse überquerte und sie mir an der Ecke der Wangenstrasse auflauerten. Sie schlugen mit den Fäusten auf mich ein und der Anführer war Ernst Buschor, ein ca. zwei Jahre älterer Bub, der ebenfalls am Rechweg wohnte. Irgendwann war dann meine Mutter endlich bereit, zu dieser Familie Buschor zu gehen und sich zu beschweren. Danach hatte ich Ruhe. Der Ernst Buschor wurde dann sogar Teil unserer Kinder-Clique und kam auch regelmässig im Sommer zu unseren selbstgebastelten Zelten im Garten.
Meine Schwester war kurz nach unserem Umzug nach Dübendorf eine Weile im Welschland in einem Tochterunternehmen von Jelmoli tätig, um Französisch zu lernen. Die Stelle hatte ihr mein Vater vermitteln können, indem er zum damaligen Direktor von Jelmoli Zürich ging, den er persönlich kannte. Anlässlich dieses Welschlandaufenthaltes lernte Ruth in der Pension Sassi, wo die Essen eingenommen wurden, ihren späteren Mann, den Karim el Alaili kennen. Der kam aus einer reichen libanesischen Familie und studierte in Lausanne Medizin. Sie verliebten sich und wollten heiraten. Sie brachte also diesen Karim mal nach Hause und mein Vater war scheinbar eisern gegen so eine Ehe. Es war ein Drama an jenem Wochenende und an den tränenreichen Abschied kann ich mich irgendwie noch erinnern. Als Ruth absolut untröstlich schien, kontaktierten meine Eltern noch meinen Onkel Hormoz Gharib, Ehemann von Emmeli, der 16 Jahre jüngeren Schwester meiner Mutter. Hormoz war damals iranischer Botschafter in Bern und er setzte sich dafür ein, dass mein strenger Vater schliesslich doch noch das Einverständnis zu dieser Ehe gab.
Sie heirateten dann zivil und meine Schwester mietete ein Brautkleid für diesen Anlass. Anschliessend gingen wir in einem Restaurant essen und Ruth und Karim fuhren in die Flitterwochen nach St. Moritz. Kurze Zeit später musste Karim, der inzwischen sein Medizinstudium abgeschlossen hatte, zur Weiterbildung nach Liège in Belgien und Ruth lebte wieder bei uns. Allerdings in einem angemieteten Mansardenzimmer im Estrichabteil unseres Wohnblocks.
Karim kam mal für Ferien eine Weile zu uns bzw. zu Ruth. Er bereitete libanesische Spezialitäten für uns zu, u.a. Tabule. Gerne mochte ich das nie, es hatte mir zu viele Zwiebeln drin. Meine Mutter war aber froh, nicht selber kochen zu müssen. Er versuchte jeweils, vom Mansardenzimmer aus, wo er mit Ruth wohnte, Tauben zu fangen zum Kochen. Es gelang ihm zum Glück nie. Einmal nahm er mich mit in die Badi Dübendorf. Er war die Attraktion für die Kinder, denn er war dicht behaart mit schwarzen Kräuselhaaren auf seiner Brust und teilweise sogar am Rücken. So etwas hatten die Kinder noch nie gesehen. Er kaufte mir am Kiosk massenhaft Schleckereien und alle beneideten mich.
Ruth arbeitete als Fakturistin bei einem Unternehmen, das später durch Siemens aufgekauft worden ist. Die Kinder nannten sie von da an „Frau Doktor“ und sie liess sich das gerne gefallen. Sie fuhr immer in der 1. Klasse per Bahn nach Zürich zur Arbeit. Irgendwann wurde sie schwanger und am 1. September 1955 kam ihr erstes Kind zur Welt, der Riad. Ich war mit 11 Jahren also bereits Tante! Das Kind wurde reichlich verwöhnt und es bereitete mir Spass, es ab und zu zu erschrecken, wenn es niemand sah. Das war meine kleine Rache dafür, dass mich Ruth gerne erschreckte und nachts in mein Zimmer schlich und den Bölimann spielte. Ich glaubte lange daran, dass sich unter meinem Bett ein böser Mann versteckt und oft wagte ich kaum, mein Zimmer abends zu betreten.
Meine Eltern, die mir auch zu dieser Zeit nie ihre Zuneigung zeigten, hatten Grosses mit mir vor. Mein Vater, der Opernliebhaber war und auf unserem Plattenspieler, den wir damals bereits besassen, stundenlang La Traviata oder Bajazzo mit dem Sänger Caruso hörte, wollte aus mir unbedingt eine Pianistin werden lassen. Also kauften sie - ohne mich zu fragen - einen Mahagoni-Bechstein-Flügel, der aus einem Adelshaus in Montreux zu verkaufen war. Tante Emmeli kannte diese Adeligen und hat den Kauf vermittelt. Emmeli, die in der Botschaft in Bern wie eine Königin residierte, trug teure Pelzmäntel, die sie ab und zu ersetzte und die alten Stücke meiner Mutter abgab. So lief denn auch meine Mutter in teuren Pelzmänteln herum.
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie der Flügel durch das enge Treppenhaus zu uns in den ersten Stock geliefert worden ist. Eines Tages stand er in unserem Wohnzimmer und ich wurde von da an in die Klavierstunde geschickt zu Frau Dr. Bär. Einer angsteinflössenden Frau mit grauem Stoppelbart und bodenlanger Tracht. Sie wohnte in einem Einfamilienhaus zuoberst im Sonnenberg-Quartier. Ich musste bei jedem Wetter mit dem viel zu grossen Fahrrad meiner Mutter diesen Berg hinauf pedalen und dann die mir so verhasste Klavierstunde absolvieren. Sie gab mir stets Aufgaben mit, die ich bis zum nächsten Mal üben sollte. Um dem ein Ende zu setzen, übte ich zwar täglich, jedoch niemals das, was sie mir aufgegeben hatte. Leider ging es drei volle Jahre, bis Frau Dr. Bär der Geduldsfaden riss und sie endlich meine Eltern dahingehend informierte, dass ich ein hoffnungsloser Fall wäre und das Klavierspiel wohl niemals lernen würde. Meine Eltern waren enttäuscht und wütend und verschenkten den Flügel an meinen ehemaligen Lehrer, den Herrn Gerhard. Der Deal war, dass der Flügel ins Primarschulhaus zu stehen kam und dass die Schule den Transport übernehmen musste.
Ich wäre viel lieber in die Pfadi gegangen oder ins Ballett. Beides wurde mir verweigert. Dafür sollte ich nun Eiskunstläuferin werden, da mein Vater ein guter Eiskunstläufer war. Ich wurde jeweils mittwochs und samstags in die Privatstunde zur Dolder-Eisbahn gebracht. Doch mehr als den Dreiersprung brachte ich nie zustande, da ich auch da völlig untalentiert war. Ich war also die totale Enttäuschung für meine Eltern, auch in dieser Hinsicht.
Während meiner Primarschuljahre wurde ich durch meine Mutter sehr oft mit dem Teppichklopfer geschlagen. Sie hatte keinerlei Geduld mit mir und nannte mich immer schwer erziehbar. Sie war oft depressiv und einmal drohte sie mit Selbstmord und verliess im Nachthemd die Wohnung und wollte sich an der Wangenstrasse unter ein Auto werfen. Heulend blieb ich allein zurück, wusste mir nicht zu helfen. Schliesslich ging ich zu unseren Nachbarn unterhalb unserer Wohnung und berichtete darüber. Die Frau rief meine Schwester an, die in Zürich am Arbeiten war. Ruth setzte sich dann in ein Taxi und kam nach Hause. Meine Mutter wurde gefunden und alles war wieder in Ordnung. Psychiatrische Behandlungen waren damals noch tabu bzw. nicht üblich.
Auch meine Schwester war psychisch sicher nicht ganz normal. Sie hatte teilweise Wahnvorstellungen und riss sich einmal vor meinen Augen büschelweise Haare aus und warf sie vor meine Füsse. Es hiess immer, ich sei an allem schuld. Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, dass ich solchermassen ungezogen war, um solche Reaktionen hervorzurufen. Klar reklamierte ich ab und zu über das schlechte Essen, denn meine Mutter konnte überhaupt nicht kochen. Sie lobte sich selber zwar ständig, aber was sie zustande brachte, war meistens ungeniessbar. Es ärgerte mich auch sehr, dass z.B. die Bratpfannen nie abgewaschen wurden, sondern immer mit dem gebrauchten Bratfett stehen gelassen wurden, um bei der nächsten Zubereitung von Gebratenem wieder verwendet zu werden.
Aehnlich verhielt es sich mit dem Badewasser. Es wurde einmal in der Woche, jeweils am Samstagabend, gebadet, für alle im selben Wasser. Da ich das schlimm fand, durfte ich immer als Erste baden, wo das Wasser sozusagen noch jungfräulich war. Danach badeten die Mutter und der Vater im selben Wasser. Wäsche wurde höchst selten gewechselt, denn der Waschtag fand einmal im Monat statt. Da gab es immer Ravioli aus der Büchse zum Mittagessen. Meine Mutter trug stets die selben Klamotten an diesem Tag, einen alten Rock und einen Plüschpullover. Sie stand dann den ganzen Tag in der Waschküche, um mit einer Holzkelle im Kupferkessel die Wäsche umzurühren.
Ich kann mich daran erinnern, dass ich mich weigerte, eine Zahnspange zu tragen und meinen Willen durchsetzte, die Zähne nicht regulieren zu lassen. Heute ärgere ich mich natürlich über die schiefe untere Zahnreihe und würde mir wünschen, die Eltern hätten sich damals durchsetzen können. Aber sonst bin ich mir keiner grösseren Vergehen bewusst.
Einmal hatte ich bei der Familie oberhalb von uns, mit deren Tochter ich spielen durfte, Neujahrsgrusskarten gestohlen und in meinen Kleidern versteckt. Ich war neidisch, dass die so viele Karten zugeschickt bekommen hatten. Zuhause nahm ich sie aus meinen Kleidern hervor und musste sie dann prompt zurückbringen. Das war eine grosse Schmach für mich und ich habe diesen Gang nach Kanossa bis heute nicht vergessen.
Je älter ich wurde, desto schwieriger wurde es für meine Mutter, mich mit dem Teppichklopfer zu schlagen. Ich rollte mich blitzschnell in den Teppichläufer ein, der im Korridor lag, und sie musste mich samt Teppich hochheben, was ihr zu schwer war. Auch dem Vater, den ich gerne foppte, gelang es selten, mich für Schläge zu erwischen. Ich rannte davon und schloss mich in mein Zimmer ein. Mein alter Vater trug nachts immer ein bodenlanges Nachthemd, ass jede Nacht eine Tafel Schokolade und benutzte einen Nachttopf. Am Morgen sah ich ihn mit besagtem Topf in der Hand jeweils aus dem Schlafzimmer kommen. Ein Bild wie aus Wilhelm-Busch-Büchern! Ich rief ihm da manchmal den Uebernamen "Chemise flottante" zu. Wenn er in langer Unterhose daherkam, nannte ich ihn "Setzholz". Meine Schwester nannte in "Wini", weil er Edwin hiess. Aber nie direkt, sondern nur, wenn sie über ihn sprach.
Da ich schon seit frühester Kindheit immer wieder zu hören bekam, dass ich weder erwünscht noch geplant gewesen sei, behauptete ich eines Tages, ich wäre ja gar nicht ihr Kind. Sie hätten mich nur angenommen. Von da an nannte ich meinen Vater offiziell "Edi" und meine Mutter "Märy". V.a. meine Mutter schämte sich deswegen, insbesondere vor ihren sogenannten Freundinnen auf dem Tennisplatz. Das war meine Rache! Niemand brachte mich davon ab. Meinem Vater schien es egal zu sein, durch mich mit einer Abkürzung seines Vornamens betitelt zu werden.
Auch in Dübendorf beschäftigte meine Mutter immer eine Putzfrau, die Frau Ruppen. Die bekam zum Zvieri jeweils ein Stück altes Brot, angeblich von ihr so gewünscht. Ich weiss noch, wie meine Mutter diese Frau Ruppen in der dunkeln Küche ihr hartes Brot verspeisen liess und sagte „sie finden ihr Maul ja sicher auch ohne Licht“.
Vom Frühling bis zum Herbst verbrachte meine Mutter ihre Tage zusammen mit Freundinnen auf dem Tennisplatz. An den Wochenenden sowieso. Bei den Schulaufgaben hat mir nie jemand geholfen, ich war meistens allein. Ab und zu ging ich auch zum Tennisplatz, weil es dort ein kleines Wäldchen gab. Von dort aus konnte ich die nicht gerade Tennis spielenden Frauen belauschen. So sprachen sie z.B. über die skandalträchtige schwarze Unterwäsche der einen Frau, die man in der Umkleidegarderobe gesehen hatte. Sie war Oesterreicherin und die Schweizerinnen fanden das total anrüchig.
Dann machten sie sich über den Mantel meiner Mutter her, den diese als Kamelhaarmantel ausgab. Die Freundinnen suchten nach der Etikette im Mantel und stellten fest, dass es eben doch kein Kamelhaarmantel war. Was für ein Triumph für die Frauen! Ein scheinheiliges Trüppchen. Meistens sassen sie bei Kaffee und Kuchen. Meine Mutter brachte ab und zu ihre Zitronenrolle mit, ihrem Paradestück und in meinen Augen einzigen Back-Produkt, das sie wirklich beherrschte. Die Füllung bestand aus einer Art Lemon Curd, was man heute als Fertigprodukt im Laden kaufen kann. Damals brauchte es für deren Zubereitung noch Stunden.
Wenn meine Mutter nicht zum Tennisspielen ging, dann im Sommer ab und zu in die Badi. Ich ging jeweils über Mittag, direkt aus der Schule kommend, zu ihr. Sie hatte ihr Badetuch immer am selben Ort abgelegt und ich fand sie dort vor mit unserem Picknick. Selten mal durfte ich mir am Badi-Kiosk für 10 Rappen eine Limonaden-Brausetablette kaufen. Als ich mal das Papier einer solchen Süssigkeit auf den Boden warf, ertappte mich dabei der Bademeister. Herr Jaberg hiess der. Er verknurrte mich dazu, während mindestens einer vollen Stunde Unrat vom Boden aufzulesen. Das war wahrscheinlich eine gerechte Strafe. Jedenfalls tat ich sowas nie wieder ab diesem Moment.
Meine Mutter war gelernte Weissnäherin, aber wohl völlig untalentiert. Sie bestand darauf, alle meine Kleider selber zu nähen, was man auch sah. Es kam selten mehr als ein Schnurpf zustande und ich kann mich gut daran erinnern, dass ich Zeit meines Primarschullebens deswegen zum Gespött der anderen Kinder wurde. Ich musste auch oft Selbstgestricktes tragen und die zu kurz gewordenen Strumpfhosenbeine wurden jährlich ergänzt, meistens stimmte dann die Farbe der Wolle nicht und man sah den Unterschied immer deutlich. Ich musste noch Strumpfhosen tragen, als die anderen Kinder längst in Kniesocken herumliefen. Die Unterwäsche war auch selbstgestrickt und juckte entsprechend. Eine Schmach war für mich die selber produzierte Badehose. Sie bestand nämlich nur aus einem blauen Stoff, der gerade mal für das Unterteil einer Badehose reichte. Also quasi für Buben gedacht. Alle Mädchen trugen bereits tolle ganze Badeanzüge aus einer Art Kräuselstoff. Und weil meine Mutter auch mit meinen Haaren nicht zurecht kam, schickte sie mich zu Coiffeur Bütler an der Wangenstrasse und liess mir eine Dauerwelle verpassen! Was für eine Schmach für mich. Kein anderes Kind trug Dauerwelle. Das war ja völlig daneben.
Ab der 4. Primarschulklasse hatte ich eine Sitznachbarin, mit der ich mich anfreundete. Die Heidi Müller. Ihre Familie war katholisch und man kaufte strikte nur bei einem katholischen Bäcker das Brot. Da wir reformiert waren und das Brot beim protestantischen Bäcker Kälin einkauften, bedeute dies eine damals natürlich scheinende, unüberwindbare Distanz. Als Dritte im Bunde kam noch Monika Schwob dazu, die in der Nähe des Tennisplatzes wohnte und somit näher bei Heidi lebte als ich, die ennet der Ueberlandstrasse beim Flughafen zuhause war.
Ich kann mich noch an ein einschneidendes Erlebnis erinnern, das wir drei Mädchen zusammen hatten. Jede von uns bekam einen Fünfliber und wir durften an einem Mittwoch-Nachmittag zusammen per Bahn in die Stadt Zürich fahren. Wenn ich heute so daran zurückdenke, war das mehr als ein Abenteuer. Keine Ahnung, wie wir z.B. das Warenhaus Jelmoli gefunden haben. Aber wir fanden tatsächlich abends wieder zurück nach Hause und hatten vom Fünfliber sogar noch etwas übrig für das Kässeli.
Meine unorganisierte Mutter hatte oft vergessen, Brot einzukaufen und ich wurde praktisch immer nach Feierabend noch schnell zum Bäcker geschickt und musste dort an das Kellerfenster poltern, wo die Backstube lag. Auf dem Heimweg knabberte ich zum Aerger meiner Mutter immer das Brot bereits an, das war mein Ritual und meine Belohnung.
Einer der Bäcker, der bei Kälin beschäftigt war, wohnte in unserem Block. Der Herr Jaggi. Meine Mutter nannte ihn nur „Marsmensch“, denn Herr Jaggi ging mal als Marsbewohner verkleidet an die Fasnacht. Er war nebenamtlich Hauswart in unserem Block und meine Mutter hat bei dieser Gelegenheit mal gesehen, dass die Brust dieses Mannes ziemlich behaart war. Eines Tages fand meine Mutter im Brot drin ein Haar, das sie sofort Herrn Jaggi zuordnete. Sie rief prompt die Inhaberin der Bäckerei an und erklärte ihr, dass sie aus diesen Gründen nie wieder Brot dort kaufen würde. Das bedeutete, dass es inskünftig am Sonntag auch keinen Russenzopf mehr für uns gab. Denn der Laden wurde tatsächlich gemieden.
Eine weitere Schulfreundin aus der Primarschule war noch die Ursula Brändli. Die wohnte ganz in der Nähe von mir an der Wangenstrasse. Ihre Eltern waren beide berufstätig in der Zigarettenfabrik Memphis und somit hatten wir nach der Schule bei ihr immer sturmfrei. Dort hatten wir die ersten frühkindlichen Sexual-Erlebnisse, indem wir uns mit Doktorspielen abgaben. Wir fanden die solchermassen interessant, dass wir uns schworen, auch später immer ganz in der Nähe voneinander zu leben, selbst wenn wir mal verheiratet wären.
Eine andere Freundin war die Vre Genner, die ebenfalls an der Wangenstrasse lebte. Ihr Vater war Militärpilot und stürzte leider auch ab, was sehr tragisch war. Die Vre besass ein rotes Kinderfahrrad und genau deshalb war sie so interessant für mich. Meine Mutter unternahm nämlich jährlich während der Schulferien eine Fahrradtour mit mir rund um den Greifensee und ich musste das immer auf dem zweiten Erwachsenen-Fahrrad meiner Mutter mitmachen, also stehend die lange Strecke pedalen. So überredete ich die Vre Genner, da mitzumachen und weil wir auf dieser Tour meistens in ein Garten-Restaurant einkehrten für einen Süssmost, willigte die Vre ein, mir dafür ihr rotes Kinderfahrrad zu leihen. Sie mühte sich dann auf dem viel zu grossen Zweitfahrrad meiner Mutter ab.
An einen weiteren Fahrradausflug mit meiner Mutter kann ich mich noch vage erinnern. Wir fuhren zu zweit mit den beiden Damen-Fahrrädern von Dübendorf via Wallisellen auf der Landstrasse nach Oerlikon. Dort gab es eine Epa. Das Eau de Cologne, welches meine Mutter benutzte, hiess "Chypre" und war in Glascontainern via Zapfsäule in diesem Warenhaus zu bekommen. Sie liess sich eine Flasche damit nachfüllen und ich bekam eine Wasserpistole sowie ein Softice vom Automaten, der draussen stand. Dort, wo wir unsere Fahrräder deponiert hatten.
An einzelnen Sonntagen fuhren wir nach Alpnach. Da wohnte die "Erb"-Tante meines Vaters, sie hiess Mathilde. Sie wohnte in einem Einfamilienhaus und erzählte immer wieder davon, dass sie für meinen Vater ein Sparheft angelegt habe, das er nach ihrem Ableben dann bekommen sollte. Daher luden wir sie anlässlich unserer Besuche immer in ein Restaurant zum Mittagessen ein. Als sie dann starb, stellten wir fest, dass sie all ihre Habseligkeiten der Kirche vermacht hatte. Das Sparheft wurde nie gefunden.
Während der Sommerferien gingen wir meistens mal zum Zoo. Für die Schimpansen, die damals noch in engen Käfigen gehalten wurden, nahm meine Mutter einen Sack voll Zwiebeln mit. Das war damals noch erlaubt. Die Tiere stürzten sich kreischend auf das gereichte Gemüse und stritten sich darum. Sie konnten die Zwiebeln selber schälen. Es schien sich für sie um einen Leckerbissen zu handeln.
Zum jährlich wiederkehrenden Ritual während meiner Sommerferien gehörte eine Dampfschiff-Fahrt auf dem Zürichsee. Von Zürich nach Rapperswil und wieder zurück. Ich erinnere mich gerne daran, denn sonst erlebte ich ja nicht wirklich viel.
Weitere Kontakte hatte ich noch zu zwei anderen Mädchen. Die eine war Evelyn Cassis, deren Eltern ebenfalls berufstätig waren und aus dem Tessin kamen. Sie bewohnten ein selbstgebautes Haus und das kam mir immer ziemlich exotisch vor. Dann hatte ich noch sporadisch Kontakte zu Vroni Riesen, die ich aber nur wenige Male zuhause besuchte, da sie zu weit entfernt wohnte. Lustigerweise ist sie die Einzige aus meiner Kindheit, die mich mal über Facebook kontaktierte. Sie wohnt heute in Kalifornien in den USA.
Während meiner Primarschulzeit hatten wir meine erste Katze, es war ein Kater, grau mit weiss. Er war uns zugelaufen, gehörte aber nie ganz zu uns. Er kam einfach, wenn er gefüttert werden wollte. Meine Mutter kaufte ihm ab und zu in der Metzgerei ein Stück Lunge oder er durfte das Oel einer leeren Sardinenbüchse auslecken. Katzenfutter gab es damals noch nicht. Ich habe ihn geliebt und er war immer bei mir im Bett, wenn ich an einer der vielen Kinderkrankheiten litt.
Eines Tages verlangte der Hausverwalter, der böse Herr Exer, dass diese Katze entsorgt werden müsse, da sie in der Nachbarschaft Kaninchen jage und töte, was natürlich an den Haaren herbeigezogen war. Ich war todunglücklich, aber wir mussten handeln. Mein Vater beschloss, den Miggel zum Zürcher Tierschutz zu bringen, der damals in der Nähe des Zoos in Zürich beherbergt war. Vre Genner und ich fuhren also zusammen mit meinem Vater und Miggel auf meinem Schoss nach Zürich. Leider war man beim Tierschutz nicht bereit, den Kater aufzunehmen und mein Vater brachte ihn anschliessend zu einem Schlachthof, wo er erschossen wurde. Wir beiden Mädchen sassen draussen im Auto und hörten den Schuss. Es war grausam. Ich nahm das meinem Vater sehr übel. Er hätte sicher eine andere Lösung finden können. Seit dann war mein Verhältnis zu ihm ziemlich getrübt.
Meine Eltern, also v.a. mein Vater, brachten mir übertriebene Manieren bei. So musste ich wohl zur Belustigung anderer Leute auf dem Tennisplatz den einen Freund meiner Eltern mit Herrn Oberstbrigadier Burkhardt begrüssen. Oder einen anderen Herrn aus unserem Bekanntenkreis mit Herrn Ingenieur sowieso, an dessen Namen erinnere ich mich nicht mehr. Egal, diese Erziehungsmethode sass dermassen tief, dass ich mich später auch noch ziemlich lächerlich machte, als ich meinen ersten Chef mit Herrn Direktor ansprach, und dies so lange, bis mich eines Tages die anderen Mitarbeiter darauf aufmerksam machten, dass sowas völlig daneben sei.
Mein Vater, der sich damit brüstete, Mitbegründer des Tennisclubs Dübendorf zu sein, setzte sich während Tennisturnieren des Clubs immer auf den Schiedsrichterstuhl und gab die Resultate strikte in Englisch durch. Keine Ahnung, wie das angekommen ist. Wahrscheinlich machte man sich über ihn lustig, aber bemerkt hatte ich sowas eigentlich nie.
Ferien verbrachten wir damals immer in der Schweiz. Im Sommer fuhren wir ins Tessin, z.B. Castagnola. Meistens zu Zeiten, wo auch meine Tante Emmeli aus Bern mit ihren Töchtern in einem Nobel-Hotel in Cassarate logierte. Einmal fuhren wir abends dann dort hin und ich bekam auf der Hotelterrasse draussen ein Zitroneneis spendiert. Ich weiss noch, wie ich auf einem Stuhl balancierte und Kopf voran auf den Steinboden knallte. Selbstverständlich ging man damals wegen so einer Lappalie nicht zum Arzt. Tatsache ist, dass ich heute noch im vorderen Stirnbereich eine tiefe Schädelspalte habe!
Ein anderes Mal fuhren wir während so eines Tessin-Aufenthalts nach Maroggia. In einem grossen Wald mussten wir uns zu Fuss durch das Dickicht kämpfen zu einem geheimnisumwitterten Haus, das mittendrin stand. Dort wohnte ein wissenschaftlich tätiger Bekannter meines Vaters. Ueberall gab es Schädel und Skelette in Vitrinen. Er kam mir vor wie ein Zauberer, jedenfalls kein normaler Mensch in meinen Augen. Ich glaube Herr Quien war Entomologe, wie mein Vater. Sie tauschten Raupen und Schmetterlingspuppen aus oder exotische Falter, die sie an der Schmetterlingsbörse erstanden hatten.
Die Winterferien verbrachten wir immer in St. Moritz, obschon meine Eltern gar nicht Skifahren konnten. Da diese Sportferien, wie sie es nannten, immer zwei Wochen dauern sollten, beschafften sie alljährlich für mich ein ärztliches Zeugnis, um zu dieser zusätzlichen zweiten Woche zu kommen. Grund war jeweils mein Milchschorf oder mein Asthma. Geklappt hat es immer. Wir fuhren per Bahn nach St. Moritz und meine Mutter gab einen schweren alten Davoser-Schlitten sowie einen schweren Ueberseekoffer per Bahnfracht auf. In St. Moritz angekommen, wurde der Koffer auf den Schlitten gepackt und dann durch uns nach St. Moritz-Bad gezogen. Dort befand sich unsere jeweils gemietete Ferienwohnung im Hause eines entfernten Verwandten, dem Alberto Ponti. Ein Bruder meiner Mutter, der Onkel Emil, der war verheiratet mit einer Elvira Ponti, also einer Schwester dieses Hausbesitzers.
Ein weiterer Bruder, der „Tingel“ Ponti, besass im Erdgeschoss jenes Hauses ein Restaurant mit dazugehörigem Tanzsaal. Am Samstagabend wurde dort jeweils Tanzmusik veranstaltet und dazu spielte der „Tingel“ mit seiner Band auf. Mein Vater tanzte mit meiner Mutter Tango und legte grossen Wert darauf, stilvoll zu erscheinen. Er war früher einmal Turniertänzer. Sie unterschieden sich deutlich von den anderen Tanzenden. Ich durfte zusehen und fühlte mich stolz.
Vielfach sassen wir abends stundenlang in der rauchigen Beiz unten, ich bei einem Fläschli Comella und meine Eltern bei einem Glas Valpolicella. Es gab in diesem Restaurant noch eine Musik-Box und das war für mich recht interessant.
Mein Vater war meistens nur am Wochenende zusammen mit uns. Meine Mutter fuhr jeden Morgen mit dem Postauto mit mir zusammen nach St. Moritz-Dorf und von dort aus mit der Chantarella-Bahn nach oben ins Ski-Gebiet. Von der ersten Bahnstation aus, also Chantarella, ging es zu Fuss bis zur Testa-Hütte, einem Restaurant mit Liegestühlen draussen, die man ganztags mieten konnte. Meine Mutter mietete dort jeden Tag einen solchen Liegestuhl und bräunte sich mit Sonnenöl. Ich selber wurde in die Skischule geschickt.
Meine Eltern kannten in St. Moritz-Bad noch diverse Leute, da sie dort früher mal zwei Zigarren-Geschäfte besassen. Kurz nach der Heirat wurde meine Mutter nämlich herzkrank und musste in die Höhe ziehen. In Samedan hat sie 1931 meine Schwester Ruth geboren und es war eine so schwere Geburt, dass sie eigentlich nie wieder Kinder kriegen wollte.
In jener Zeit hielt sich wohl auch meine Tante Emmeli eine Zeitlang in St. Moritz auf. Sie war 16 Jahre jünger als meine Mutter und eine blonde Schönheit vom Typ Marilyn Monroe. Der Vico Torriani hatte ein Auge auf sie geworfen und sie umworben. Doch es kam anders, sie lernte den persischen Diplomaten Hormoz Gharib kennen, heiratete ihn und folgte ihm nach Istanbul, wo er als Diplomat tätig war. Auf dem Schiffsweg nach Istanbul erkrankte Emmeli an Pocken und hatte seither ein leicht narbiges Gesicht, war aber immer noch eine wahre Schönheit. Sie bekam den persischen Vornamen Parvaneh nach der Heirat. Die Schweizer Illustrierte hat mal eine ausführliche Reportage über die Familie gebracht. Da sich Emmeli jedoch wegen ihrer Herkunft schämte, gab sie an, aus St. Gallen zu stammen. Dabei kam sie aus Neuhausen am Rheinfall aus der Familie Bischoff. Die Familie Bischoff hatte insgesamt fünf Kinder und meine Mutter erzählte, dass es jedesmal, wenn der Vater seine Hose an der Bettstatt aufgehängt hatte, danach ein neues Geschwister gab.
Mein Vater war früher einer der ersten Militärpiloten und flog mit offenen Doppeldecker-Flugzeugen herum. Ich habe noch eindrückliche Fotos von ihm aus dieser Zeit. Damals lernte er einen der allerersten Piloten, den Walter Mittelholzer kennen. Der wohnte auch in St. Moritz. Warum er den Pilotenberuf bzw. seine Militär-Karriere aufgab, ist mir nicht bekannt.
Später war er Reisevertreter für die Zigarrenfabrik Villiger und während Schulferien nahm er mich oft mit auf die Reise. Ich durfte dann mit zu den Kunden und ebenfalls auf einem Bestellblock die Bestellungen entgegennehmen. Zu den Kunden gehörten auch Restaurants und ich kann mich gut daran erinnern, dass ich dort immer für mich einen Eierlikör bestellen durfte. Unglaublich, aber wahr! Den anderen Kunden kaufte er teilweise verfallene Schokolade ab, die sie nicht mehr hätten verkaufen dürfen. Meistens waren sie wurmstichig und mussten nach dem Kauf entsorgt werden. Er war deswegen wohl sehr beliebt bei den Kunden und machte gute Umsätze.
Einmal vereinbarte er mit einem Kunden Nähe Rheinfall Neuhausen, dass ich eine Ferienwoche dort auf dem Hof verbringen durfte. Leider hatte der Kunde andere Absichten mit mir und hat mich unsittlich begrapscht. Es gab damals noch keine öffentlichen Telefone und ich schrieb eine verzweifelte Postkarte nach Hause. Nach einigen Tagen holte mich mein Vater dann ab. Konsequenzen oder gar eine Anzeige gab es m.W. nicht.
Eine weitere, unvergessliche Ferienwoche verbrachte ich bei Onkel Hormoz und Tante Emmeli auf der persischen Botschaft in Bern. Das war ein kleiner Palast, eine mehrstöckige Villa mit grossem Garten. Es gab ein Kindermädchen, eine Dienstmagd, einen Butler und einen Chauffeur. Der Speisesaal war riesig und meine Tante besprach jeden Morgen mit dem Koch, der auch noch vorhanden war, die Menüs. Man sass dann an einer langen festlichen Tafel und der Butler servierte in weissen Handschuhen erlesene Speisen.
(1) Mein Onkel Hormoz Gharib
(2) Tante Emmeli, Onkel Hormoz, Cousinen Shirin und Simin
Meine Cousinen Shirin und Simin waren in ähnlichem Alter wie ich. Eine jüngere Cousine Scheherazade, Shari genannt, war meistens nicht dabei, wenn wir uns in der Luxus-Limousine vom Chauffeur in die Stadt ins Kino fahren liessen. Es fanden festliche Empfänge mit vielen Gästen in der Botschaft statt und wir Kinder durften von den oberen Stockwerken aus runter schauen. Emmeli besass einen grossen Katalog eines Versandhauses aus den USA und ich durfte mir dort einige Kleider auslesen, die sie dann für mich bestellte. Es war alles wie im Märchen.
Leider wurde Onkel Hormoz dann irgendwann zurück nach Teheran berufen, um als Protokollchef beim Shah von Persien zu dienen. Noch während der Zeit in Bern gebar Emmeli nochmals zwei Kinder, ein Zwillingspaar, diesmal Buben. Tirdad und Ardeshir. Wie es mit der Shah-Dynastie weiterging, wissen wir ja. Auch die Gharibs mussten flüchten und konnten nicht viele Sachen retten. Immerhin kauften sie sich an der Côte d’Azur eine Wohnung, später eine zweite in Lausanne und wurden anscheinend vom Roten Kreuz unterstützt. Zu meinem Entsetzen erzählte mir Emmeli mal, dass das Geld vom Roten Kreuz gerade mal dazu ausreiche, um die Zigarren für Onkel Hormoz zu kaufen…..Skandalös.
Hormoz hatte schon während der Berner Zeit ein Verhältnis zum Kindermädchen der Familie und später, also nach der Flucht aus dem Iran, trennte er sich von Emmeli um mit diesem Kindermädchen zusammenzubleiben. Sie pflegte ihn anscheinend bis zu seinem Tod. Inzwischen ist auch Emmeli gestorben und zu meinen Cousinen und Cousins habe ich keinerlei Verbindung mehr. Sie lebten eine Zeitlang in den USA, möglicherweise teilweise noch heute.
Weitere Verwandten-Beziehungen hatten wir sporadisch zur einzigen Schwester meines Vaters, der Tante Betty, die mit Onkel Jean in Montreux lebte. Sie hatten ein Ferienhaus in Caux oberhalb Montreux und dort verbrachten wir 1-2x unsere Ferien. D.h. wir übernachteten eigentlich in der Jugendstilwohnung der Lüdeckes in Montreux und fuhren tagsüber nach Caux, wo wir im Garten des Ferienhauses picknickten. Jeden Frühling schickte uns Betty eine Schachtel Narzissen, daran kann ich mich noch heute sehr gut erinnern. Sie hatten zwei Kinder, Marie-Claire und Jean-Michel. Engeren Kontakt zu dieser Verwandtschaft pflegten wir allerdings nicht.
Mein Vater war ja als Waisenkind aufgewachsen. Sein Vater war früh gestorben und seiner Mutter, die ihn ausschliesslich mit Biskuits ernährte, hat man ihn weggenommen. Er wuchs auf bei einem Onkel, einem Hotelier in Interlaken. Das Hotel Simplon sollte mein Vater eigentlich mal erben, aber daraus ist wohl nichts geworden. Ich kann mich einzig daran erinnern, dass wir einige Suppenteller besassen, auf denen der Name "Hotel Simplon" zu lesen war. Auch an vereinzeltes Silber-Besteck aus dem Hotel Simplon kann ich mich erinnern. Später absolvierte er die Handelsschule in Lausanne und sprach daher perfekt Französisch. Wie er Militärpilot wurde, ist mir nicht bekannt.

Der Lehrer König hatte ein Auge auf mich geworfen und er behielt mich oft nach dem Schulunterricht zurück, nahm mein Gesicht in seine Hände und blickte mir lange in die Augen. Er faselte etwas von „eingewachsener Wimper“, was aber gar nicht stimmte. Eines Tages hiess es, dass sich Herr König erhängt habe.
Zu jener Zeit hatte ich meinen ersten Schulschatz, den Renzo G. Es war eine absolut harmlose Sache, aber wir gingen jeweils Hand in Hand auf dem Heimweg. Das passte dem Lehrer König nicht und er hat uns das verboten. Wir liessen uns einschüchtern und trafen uns nur noch heimlich abends bei unserem Hauseingang. Renzo kam oft nach dem Nachtessen noch zu mir und wir knipsten die Hauseingangs-Beleuchtung aus und plauderten dort stundenlang über Gott und die Welt.
Renzo kam aus reichem Hause. Sie besassen am Ufer der Glatt eine grosse Villa mit Personal. Der Vater war Inhaber eines Comestibles-Geschäfts in Zürich. Er schien ein Despot zu sein und behandelte Personal und Familie wie Sklaven. Kam er jeweils per Auto nach Hause, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, hupte er. Jemand musste dann hinausrennen und für ihn das Garagentor öffnen. Niemand von uns Kindern hat die Villa jemals von innen gesehen.
(1) Renzo und ich anlässlich einer Klassenzusammenkunft, ca. 50-jährig
Irgendwann ging die Freundschaft mit Renzo zu Ende. Renzo verliebte sich in ein pummeliges blondhaariges Mädchen mit wasserblauen Augen. Sie hatte Pausbacken, die stets knallrot waren. Im Prinzip das pure Gegenteil von mir. Sie hiess Silvia, wir nannten sie jedoch nur "das Pfludi". Sie war neu zugezogen in Dübendorf und ihre Eltern waren Wirtsleute. Die meisten von uns lehnten diese Familie ab, weiss der Geier weshalb. Renzo hat das Pfludi tatsächlich geheiratet und lebt heute noch mit dieser Frau zusammen.
Es folgte für mich der Werner Wirth, der Wirthli, wie ihn meine Mutter nannte, da er so klein war. Mit ihm ging ich im Winter jeweils zur Eisbahn im Hallenstadion. Wir drehten dort unsere Runden und ausserhalb, auf der um das Eisfeld herum verlaufenden Radrennbahn, fuhren die Amateur-Rennfahrer ihre Trainingsrunden. Einer von ihnen hatte es mir besonders angetan, es war ein dunkelhaariger Typ in lilafarbenem Trainingsanzug.
Ich weiss nicht, wie ich seinen Namen ausfindig machen konnte, aber es gelang mir offenbar, er hiess Marcel Kohli und wohnte glaube ich in Glattbrugg. Ich schrieb ihn an und wünschte ein Autogramm. Prompt antwortete er mir und wir trafen uns einige Male. Wirthli war nicht mehr von Interesse für mich. Meine Eltern waren natürlich höchst beunruhigt. Mein Vater sprach mit diesem Marcel Kohli ein ernstes Wort und der hat sich anscheinend beeindrucken lassen. Jedenfalls hat er mein jugendliches Alter und meinen jungfräulichen Zustand respektiert und zu mehr als Petting ist es nie gekommen. Das war ihm natürlich auf die Dauer zu wenig und so ging auch diese Beziehung irgendwann zu Ende.
(2)
Ansonsten durfte ich zusammen mit zwei Schulkameradinnen, der Brigitte Altmeyer und der Rosmarie Fasler bei Atteslander in Zürich einen Tanzkurs besuchen. Ich hatte damals wahnsinnige Probleme mit Erröten und ich legte immer dicke weisse Puderschichten auf. Trotzdem interessierte sich einer der Tanzschüler für mich, was mich noch unsicherer machte. Ich verliess den Unterricht dann fluchtartig und sagte diesem Tanzschüler, dass ich soeben wieder einen Herzinfarkt erlitten hätte. Dummerweise war seine Mutter Aerztin und die hat ihm dann klargemacht, dass diese Aussage absoluter Blödsinn sei, was auch stimmte. Richtig tanzen gelernt habe ich dort eigentlich nicht. Aber abenteuerlich war es allemal.
Eine meiner besten Freundinnen während Sekundarschulzeit war die Lotte Gossweiler. Sie war die Tochter des Gemeindepräsidenten und sie wohnten in einem schönen Einfamilienhaus. Auf dem Schulweg fuhr ich jeweils mit meinem immer noch viel zu grossen Damenfahrrad zu Lotte, stellte mein Rad ab und von dort aus gingen wir zusammen zu Fuss zur Schule. Nach der Schule gab es immer ein tolles Zvieri, meistens ein Fleischkäsebrot. So etwas bekam ich zuhause leider nie. Lotte hatte ein schönes eigenes Zimmer und ihre Eltern waren zusammen mit dem Lehrer-Ehepaar Gerhard auch Freunde meiner Eltern.
Lotte bekam reichlich Sackgeld. Einmal bot sie mir im Winter CHF 2.-- an, wenn ich dafür für sie im Tiefschnee den "Engel" machen würde. Ich willigte ein, legte mich rücklings in den Schnee und ruderte mit Beinen und Armen nach links und rechts. Nach dem Aufstehen sah man dann die entsprechenden Abdrücke. Ich kann mich daran erinnern, dass ich danach eine schlimme Erkältung bekam und mit Fieber zuhause liegen musste. Das Geld hat sie mir natürlich gegeben!
Wir hatten auch sonst viel Blödsinn im Kopf. Ab Gossweiler's Telefonanschluss rief ich zur Ergötzung von Lotte die Auskunft, damals glaube ich die Nr. 11 an. In perfekt imitiertem Hochdeutsch stellte ich denen unmögliche Fragen, die dann m.W. auch prompt beantwortet worden sind.
Ebenso rief ich ab deren Telefonanschluss meine Mutter an und behauptete, ich sei vom Telegrafenamt. Der Text wichtiger Telegramme konnte seinerzeit vor der Zustellung an den Kunden telefonisch durchgegeben werden. Ich las einen erfundenen Text vor, wonach Ruth samt Sohn Riad soeben in Zürich-Kloten gelandet sei und man sie dort gefälligst abholen soll. Meine Mutter glaubte das und war hell entzückt. Wie es tatsächlich weiterging, daran kann ich mich leider nicht mehr erinnern.
(3) Lotte und ich im Partner-Look. Sie war ein Jahr älter als ich.
Ich kann mich aber noch gut an eine sehr peinliche andere Situation erinnern. Meine Mutter war ja der Meinung, sie wäre eine phantastische Köchin und hat das auch immer wiederholt. Obschon sie wusste, dass weder Gossweiler’s noch Gerhard’s Schaf- oder Lammfleisch assen, lud sie die beiden Paare zu uns ein auf einen Lamm-Gigot, ihrem vermeintlichen Paradestück. Sie bereitete den immer blutig zu und ich weigerte mich hartnäckig, auch nur zu probieren davon. Sie erklärte den Leuten, das müssten sie unbedingt essen, da schlicht unübertrefflich gut. Wie der Abend effektiv verlaufen ist, entzieht sich meiner Kenntnis, aber ich kann es mir lebhaft vorstellen. Zu weiteren Einladungen kam es jedenfalls nicht!
Aehnlich war es mit dem Weihnachtsbraten, dem Truthahn. Absolut zäh und ungeniessbar. Einzig die Rüebli und Erbsli aus der Büchse sowie die Ananas aus der Büchse retteten jeweils das Weihnachtsfest.
An unserem Weihnachtsbaum gab es nebst Glaskugeln und Aufhängern aus Schokolade immer echte Kerzen. Die liessen wir auch nach Weihnachten noch brennen, bis sie ganz erloschen. Ich durfte dann immer raten, welche wohl als nächstes ihren Geist aufgeben würde. Lag ich richtig, bekam ich von meinem Vater dafür 20 Rappen.
Soweit ich mich erinnern kann, war ich eigentlich immer eine gute Schülerin und brachte gute Zeugnisse nach Hause. Mein Vater gab mir für jeden Sechser einen bestimmten Betrag, ebenso für jeden 5-6er oder 5er. So füllte sich mein Kässeli und entsprechend wuchs der gesparte Betrag in meinem Sparheft an. Damals wurde der jeweils noch von Hand nachgeführt auf der Bank.
Meine Schwester war inzwischen längstens in den Libanon zu ihrem Ehemann ausgewandert und Karim hatte in Beirut eine eigene gutgehende Praxis. Als ich in der 3. Sekundarschulklasse war, beschlossen meine Eltern, für einen Sommerurlaub zusammen mit mir in den Libanon zu fliegen. Damals ein sehr teures Unternehmen und irgendwie auch abenteuerlich.
Als Kleinkind hatte ich schon mal erste Flug-Erlebnisse, nämlich als ich Keuchhusten hatte. Da wurde es noch ärztlich empfohlen, einen Alpenrundflug zu unternehmen und anschliessend sollte der Keuchhusten auskuriert sein. Das wurde dann bei mir ausprobiert. Ob es funktioniert hat, weiss ich nicht mehr. Ich kann mich allerdings daran erinnern, dass unser Hausarzt bei mir mal einen Schatten auf der Lunge diagnostizierte und ich deswegen längere Zeit zur Auskurierung in die Höhe, also nach St. Moritz geschickt wurde. Ev. war dieser sogenannte Schatten auch die Folge einer Lungenentzündung, an der ich als Kind erkrankt war. An Details kann ich mich nicht erinnern.
Somit war der Flug in den Libanon mein zweiter Flug. Für gutbetuchte Libanesen war es während der Sommermonate üblich, in den nahe der Hauptstadt liegenden Berggemeinden, z.B. Bhamdoun, eine Sommerresidenz zu mieten. Ruth lebte mit ihren inzwischen zwei Söhnen in dieser Jahreszeit daher meistens in Bhamdoun oben und Karim fuhr täglich per Auto zu seiner Praxis in die Stadt runter und abends wieder rauf.
Wir verbrachten während unseres Libanon-Aufenthalts die meiste Zeit in den Bergen oben bei angenehmen Temperaturen. Mein Vater, der Hobby-Entomologe war, ging auf Schmetterlingsjagd, unterhielt sich mit armen Hirten, schenkte denen seine Schuhe. Ruth, die Buben – meine Neffen - sowie meine Mutter und ich unternahmen kleinere Ausflüge per Taxi.
Karim betreute als Hausarzt auch die Damen eines Harems ganz in der Nähe. Der Harems-Besitzer war ein reicher Saudi und wir waren mehrmals dort eingeladen, aber natürlich Männer und Frauen immer strikt getrennt. Und fuhren wir mit den Haremsdamen in deren Luxus-Limousinen herum, so waren die Fenster verdunkelt, wir konnten rausschauen, aber niemand konnte reinschauen. Wir fuhren meistens zu phantastischen Sommerresidenzen und traumhaft schönen Gärten, wo gepicknickt worden ist. Die Frauen lebten in purem Luxus und trugen teure Kleider aus Pariser Modehäusern. Zuhause in ihrem Harem trugen sie keinen schwarzen Umhang und verschleierten sich nur, wenn sie raus gingen. Jede Frau lebte auf einem eigenen Stockwerk und hatte exakt die selbe Einrichtung wie die anderen auch.
Der reiche Saudi zeigte ein gewisses Interesse an mir, gedacht für einen seiner Söhne. Jedenfalls ging es eines Tages auf Besichtigung eines Hauses, das er für einen seiner heiratswilligen Söhne hat erbauen lassen und er versuchte, mir dieses schmackhaft zu machen. Karim und Ruth meinten, wir sollten gute Miene zum bösen Spiel machen, denn da würde zumindest ev. noch ein schönes Geschenk für uns rausspringen. Tatsächlich bekamen wir eines Tages einen Check, der eigentlich für mich gedacht war, aber der dann aufgeteilt wurde für Ruth, meine Mutter und mich. Ich kaufte mir davon ein schönes Goldarmband mit Goldmünze als Anhänger. Dem Saudi-Scheich erteilte ich allerdings eine Absage, also ich ging ja noch zur Schule und heiraten wollte ich noch nicht. Ausserdem wollte ich nicht als Haremsdame enden. Das war mir dann doch zu monoton.
Während unseres 4-wöchigen Libanon-Aufenthalts zeigte uns Karim viele schöne Landschaften, so auch die Zedernwälder in den Libanon-Bergen, wo man sogar Skifahren konnte. Wir fuhren oft sonntags nach Zahlé, einem libanesischen Ferienort, wo wir viele Stunden beim Essen in Spezialitäten-Restaurants verbrachten. Ich kann mich an eine Einladung erinnern, wo uns zu Ehren ein gefülltes Lamm offeriert worden ist. Die Leute griffen mit der Hand in dieses Lamm rein und holten sich das Essen raus. Ich weigerte mich, ihnen das gleichzutun und meine Mutter auch. Als besondere Ehre wurden meinem Vater die Schafs-Hoden serviert und er hat das tapfer runter gewürgt.
Einmal machten wir sogar einen Ausflug nach Damaskus, der syrischen Hauptstadt. Dort wollte irgendeiner meinem Vater seine Filmkamera aus der Hand schlagen, was aber zum Glück nicht gelungen ist. Sonst kann ich mich nicht an Einzelheiten in Syrien erinnern. Auf dem Rückweg besuchten wir noch Baalbek, wo es interessante Ausgrabungen aus der Römer Zeit gab. Damals gab es erst die Schwarz-Weiss-Fotografie und unsere Fotos waren alles andere als spektakulär. Doch musste ich nach meiner Rückkehr in der Schule einen Vortrag halten und diese Fotos zeigen. Ich weiss noch gut, wie schwer mir das gefallen ist.
Während meiner Sekundarschulzeit hatte ich natürlich auch eine allerbeste Freundin. Nennen wir sie Hedwig. Sie war leicht mollig und wurde deswegen viel gehänselt und ich glaube sie hatte bei den Buben den Uebernamen Dumbo. Wir hatten uns immer sehr viel zu erzählen. Dort, wo sie wohnte, gab es einen jungen Mann, der Elvis Presley glich und für den ich schwärmte. Stundenlang konnte ich bei Hedwig am Fenster hocken um nach Möglichkeit einen kurzen Blick auf diesen "Elvis" zu werfen, sollte er dann zufällig vorbeilaufen. Kaum wieder daheim angekommen, griff ich zum Wandtelefon, das im Korridor unserer Mietswohnung hing. Wickelte die lange Hörerschnur ab und setzte mich in die leere Badewanne im Badezimmer, das um die Ecke lag. Von dort aus telefonierte ich mit Hedwig meistens noch stundenlang, um weiter über irgendwelche uns damals wichtig erscheinenden Themen zu plaudern. Unsere Mütter hatten das stets geduldet und der Lokaltarif betrug damals nur 20 Rappen, egal wie lange man telefonierte.
Hedwig hatte ihrerseits erste Berührungspunkte mit dem anderen Geschlecht. In einem Mansardenzimmer in ihrem Wohnblock lebte nämlich ein Mann, mit dem sie erste Zungenküsse austauschte, eine kleinere Sensation damals. Denn sowas war z.B. für mich mit meinen Schulschätzen absolut undenkbar. Dieser „Zimmerherr“, wie wir ihn nannten, liess der Familie von Hedwig auch mal anonym eine Torte zukommen. Später outete er sich als „Tortenspender“. Ich nannte ihn ab dann nur noch den Tortenspender, wenn wir über ihn sprachen.
Eine weitere Freundschaft pflegte ich zu einem Mädchen namens Brigit K. und sie kam zusammen mit einer Schwester und ihrer Mutter nach deren Scheidung aus Basel, wo sie ursprünglich wohnten. Die Mutter kam aus einer reichen Dübendorfer Bauunternehmer-Dynastie und hatte ein grosses altes Haus in der Nähe von uns geerbt. Das Haus wurde futuristisch umgebaut und Fotos des verrückten Umbaus wurden sogar in einschlägigen Architekturzeitschriften veröffentlicht. Brigit, die begnadete Ballett-Tänzerin war, bekam im oberen Stockwerk des Hauses ihren eigenen Ballett-Saal, was mich sehr beeindruckt hatte. Viele Stunden verbrachte ich dort mit meiner Freundin und sie brachte mir etwas Ballett bei. Einige Male durfte ich sogar zum Abendessen dortbleiben und es wurde ein richtig gutes Käse-Fondue offeriert. Frisch zubereitet, was es bei uns zuhause natürlich nie gab. Denn kochte man bei uns mal diese von mir so geliebte Speise, war es immer ein Gerber-Fertig-Fondue aus der Aluschachtel.
(4) Brigit K.

Gegen Ende der Sekundarschulzeit musste man sich dann entscheiden, wie man sich die Zukunft vorstellt. Mein Vater wünschte, dass ich bei der ZKB, wo er den Direktor kannte, den Zwahlen Eduärdel, wie er ihn nannte, eine kaufmännische Lehre absolviere. Dafür konnte ich mich allerdings ganz und gar nicht begeistern.
Um zu beweisen, dass ich es kann, absolvierte ich die Aufnahmeprüfung an der Töchterhandelsschule Zürich und bestand sie mit Bravour. Da ich allerdings mehr als schulmüde war und mir nicht vorstellen wollte, nochmals drei volle Jahre die Schulbank zu drücken, erzwang ich bei meinen Eltern das Einverständnis, eine private, zweijährige Handelsschule, nämlich die Handelsschule Oerlikon, zu absolvieren. Ich wollte möglichst schnell Geld verdienen und unabhängig werden. Irgendwie konnte ich meine Eltern dazu bringen, mir das zu bewilligen. Mein Durchsetzungsvermögen war schon damals sehr gross und ist es heute noch. Nicht immer zum Guten. Heute bereue ich es, dass ich weder meine Zähne richten liess noch die Töchterhandelsschule besucht hatte noch das Klavierspiel beherrsche.
Am liebsten hätte ich damals zwar die Kunstgewerbeschule besucht und wäre gerne Innenarchitektin geworden. Allerdings hätte es dazu auch noch eine handwerkliche Ausbildung als Polsterer und Tapezierer erfordert, was mir schlussendlich nicht passte. Also blieb es bei der privaten Handelsschule.
Viel Komfort gab es damals eigentlich nicht. Wir hatten auch keinen eigenen Fernseher. Man ging jeweils am Samstagabend ins nahe gelegene Café Flugstübli an der Wangenstrasse und schaute sich die Mäni Weber oder Heidi Abel Show an. Es gab ein Stück Patisserie und einen Sirup und meine Eltern tranken eine Tasse Kaffee. Später zog in die Wohnung unterhalb von uns eine ältere deutsche Dame ein zusammen mit ihrem Neffen Erwin und die hatten einen TV-Apparat. Von da an durften wir am Samstag-Abend zu Heizmann’s und der Erwin machte mir schöne Augen und Komplimente. Daraus ist aber nie etwas geworden, denn ich zeigte kein Interesse an ihm. Er war mir zu schmierig und hatte feuchte Hände.
Ausserdem badete er seine fette alte Tante und schrubbte ihr den Rücken. Das kam mir ziemlich suspekt vor.
Mit dem Abschluss der Sekundarschule wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Von nun an fuhr ich per Bahn jeden Tag nach Oerlikon und erlernte dort die Grundbegriffe des kaufmännischen Berufs. Der Inhaber der Schule, der Camille Bise, griff während des Schreibmaschinen-Unterrichts regelmässig an meine kleinen aufspriessenden Brüste. Ich empfand es eigentlich nicht als unangenehm und habe somit nie mit jemand darüber gesprochen. Mehr ist auch nicht passiert.
Während der Handelsschulzeit hatte ich eine Freundin in der selben Klasse, die Marianne Holdener. Sie kam aus reichem Hause, die Eltern waren Inhaber eines gutgehenden Elektrofachgeschäfts in Oerlikon und sie besassen in Seebach eine grosse Villa mit Personal. Ferner hatten sie ein Ferienhaus im Tessin, in Ronco. Ich verbrachte viel Zeit mit Marianne und sie nahm mich oft mit nach Hause. Einmal durfte ich mit ihr für ein Wochenende nach Arosa fahren. Sie hatte nämlich einen etwas älteren Freund, der Musiker in einer Band war und er spielte damals im Casino in Arosa. Es war ein toller Event und ich genoss es, dabei sein zu dürfen.
(1) Marianne Holdener
Während dieser Handelsschulzeit brachte ich meine Eltern dazu, mir meine abstehenden Ohren bei einem plastischen Chirurgen operieren zu lassen. Ich kann mich gut daran erinnern, dass das CHF 400.- kostete, damals ein kleines Vermögen. Der Eingriff wurde ambulant durchgeführt und meine Mutter hat mich begleitet. Da sie das viele Blut, das geflossen ist, nicht sehen konnte, verliess sie die Praxis und holte mich erst später wieder ab. Als wir dann im Zug sassen für die Heimfahrt, machte uns jemand aus einem Abteil im Zug im Gleis neben uns Zeichen und schliesslich sah meine Mutter dann, dass auf beiden Seiten meines Kopfes Blut runter floss. Wir tupften es ab und die Sache war vom Tisch. Endlich hatte ich keine abstehenden Ohren mehr.
Gegen Ende des zweiten Handelsschuljahrs begannen wir damit, Bewerbungen zu schreiben. Ich bewarb mich um einen Sekretärinnen-Posten beim Albiswerk Zürich, später Siemens-Albis. Der Personalchef dort meinte, ich wäre am ehesten geeignet für die Stelle der Sekretärin eines Abteilungs-Direktors. Ich kann mich gut daran erinnern, wie nervös ich war und auch wieder knallrot. Eigentlich rechnete ich niemals damit, für den Job in Frage zu kommen. Aber scheinbar hat diesen Direktor mein schüchternes Wesen nicht gestört und ich wurde eingestellt. Als erste unserer Klasse hatte ich einen Vertrag in der Tasche. Mein Schritt ins Erwachsenenleben und in die Unabhängigkeit war getan!
Ich hätte garantiert Voraussetzungen gehabt für eine bessere Ausbildung, ich war ganz einfach zu faul und wollte möglichst schnell unabhängig werden.
Meine beste Freundin Hedwig absolvierte die Töchterhandelsschule und ging danach noch als Au-pair nach England. Prompt wurde sie dort geschwängert und kam hochschwanger, noch keine 20 Jahre alt, zurück aus London. Ihr Vater war wahnsinnig wütend, sprach über Monate kein Wort mehr mit der Familie und fuhr schlussendlich selber nach London, um den Mann, der Hedwig geschwängert hatte, zur Rede zu stellen. Sie arbeitete noch eine Weile lang irgendwo in einem Büro und wir gingen ab und zu zusammen mit dem Kinderwagen und dem leicht dunkelhäutigen Baby spazieren. Der Vater des Kindes war nämlich aus British Guyana. Allen Unkenrufen zum Trotz heirateten die Beiden dann und Hedwig zog nach London. Seither lebt sie dort glücklich mit ihrem Mann und bekam später noch einen Sohn. Sie sind inzwischen sicher gute 57 Jahre verheiratet und sie war ihm immer treu. Verpasst hat sie damit absolut rein gar nichts!! Das kann ich aus voller Ueberzeugung sagen. Wir haben heute noch fast täglich Kontakt miteinander per Whats app.
An einen Sommerurlaub zusammen mit meinem Vater kann ich mich noch gut erinnern. Meine Mutter kam aus irgendwelchen Gründen, wahrscheinlich krankheitsbedingt, nicht mit. Per Bahn fuhren wir zu zweit an die italienische Riviera nach Varazze. Wir hatten ein Hotel gebucht, wo wir das Jahr zuvor schon mal zusammen mit der Mutter waren. Niemand störte sich daran, dass ich mit meinem Vater ein Doppelzimmer belegte. Es war tatsächlich auch eine harmlose Sache. Der Hotel-Inhaber, ein attraktiver dunkelhaariger knapp dreissigjähriger Mann schien mich interessant zu finden. Er bat meinen Vater darum, mich abends ausführen zu dürfen. Das wurde dann auch bewilligt. Wir fuhren in seinem Sport-Cabrio zu einem Dancing, das auf einem Felsvorsprung direkt über dem Mittelmeer lag. Es war atemberaubend schön. Wir tanzten den ganzen Abend bei Mondschein und der Mann, voll Gentleman, brachte mich unversehrt wieder zurück ins Hotel!
Am nächsten Tag ging ich mit meinem Vater ans Meer. Er selber konnte nicht schwimmen, da er als Jugendlicher zuschauen musste, wie ein Freund von ihm direkt vor seinen Augen ertrunken ist. Ich selber war auch keine besonders gute Schwimmerin. Wir mieteten zwei Liegestühle und einen Sonnenschirm. Schon bald kamen die ersten jungen Italiener daher, die mich kennenlernen wollten. Insbesondere war da einer aus Monza sowie sein Freund aus Milano. Letzterer war Künstler, nämlich Dichter und Maler. Carlo Piola Caselli hiess er. Er bat meinen Vater, mich malen zu dürfen. Das wurde dann auch bewilligt. Stundenlang sass ich ihm Modell in seinem kleinen Atelier in Varazze. Schlussendlich kam ein sehr schönes Portrait von mir heraus, das er allerdings behalten wollte. Wir flirteten noch während der letzten Tage meiner Ferienwoche in Varazze und tauschten die Adressen aus.
Anschliessend ergab sich ein reger Briefverkehr zwischen uns. Ich glaube mich daran zu erinnern, dass es in Französisch war, denn Italienisch beherrschte ich damals noch nicht. Carlo kam uns dann sogar mal besuchen und durfte auf einer Couch im Esszimmer übernachten. Wir holten ihn am Hauptbahnhof in Zürich ab. Selbstverständlich durfte er mich während seines Aufenthalts bei uns auch mal in meinem Zimmer besuchen. Er wollte meine aufspriessenden Brüste sehen und ich weiss noch, wie er gezittert und geflüstert hat vor Entzücken. Köstlich, wenn man sich heute solche Details vor Augen führt. Wir unternahmen mit ihm einen Ausflug an den Bodensee und nahmen in einem hübschen Schlosshotel das Mittagessen ein. Bald schon musste er jedoch wieder zurückreisen nach Milano und unsere Korrespondenz stoppte eines Tages ganz. Leider haben wir uns total aus den Augen verloren. Wenn ich ihn heute google, so finde ich seinen Namen und er wohnt glaube ich immer noch in der Region Mailand.
Zu meinen Teenager-Jahren gehört leider auch die erste psychische Entgleisung, wenn man einen Suizid-Versuch so benennen kann oder darf. Ich wollte eigentlich weg aus meinem unbefriedigenden Leben in meinem Elternhaus und schrieb Bewerbungen auf Heirats-Inserate in diversen Zeitungen. So interessierte sich ein Unternehmer aus dem Bernbiet und er war höchst erfreut darüber, dass ich noch eine unberührte Jungfrau war. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, diese Jungfräulichkeit bis zum 20. Altersjahr aufzuheben bzw. für meinen späteren Ehemann. Er kam also angereist und wir fuhren zusammen in irgendein Café und besprachen die Situation. Er war durchaus interessiert an mir und reiste wieder zurück ins Bernbiet. Leider kam dann irgendwann eine Absage, wonach er zu seiner ersten von ihm geschiedenen Frau zurückkehren wollte und mir für die Zukunft nur das Beste wünschte. Damit kam ich nicht klar und beschloss, meinem unbefriedigenden Leben, das mir so perspektivlos erschien, ein Ende zu setzen. In einer Kommoden-Schublade im Korridor befanden sich viele Valium 5mg Tabletten, die eigentlich meine Mutter regelmässig einnahm. Ich schnappte mir da also eine Grosspackung und warf mir die Tabletten ein. Meine Eltern fanden mich dann später im Tiefschlaf und mit Abschiedsbrief. Ein Arzt kam, spritze mir was und ich wachte wieder auf. Das war’s. Man fand es nicht nötig, die Sache weiter abzuklären. Wir gingen über zum normalen Alltag.
Während der Handelsschulzeit - oder ev. auch etwas später, ich erinnere mich leider nicht genau - fuhr ich regelmässig am Samstag-Nachmittag nach Zürich. Am Zähringer-Platz befand sich das Africana, ein Jazz-Lokal. Da spielten immer Live-Jazz-Bands und das Lokal war gerappelt voll. Ich sass den ganzen Nachmittag lang vor einem Fläschli Comella und lauschte der mich faszinierenden Musik. Scheinbar fiel ich damals einem Physik-Studenten auf, der sich aber nicht getraute, mich anzusprechen. Der selbe Student hielt sich im Sommer jeweils auch im Dolder-Wellenbad auf. Auch dort verkehrte ich regelmässig und dort kam es dann zum ersten Gespräch zwischen uns. Er war anscheinend ein begnadeter Physiker, der Beste seines Jahrgangs. Er hatte bereits eine eigene Wohnung und ein kleines Auto. Er hatte sich in mich verguckt und machte mir den Hof. Bald brachte er es soweit, dass ich ihn meinen Eltern vorstellte. Meine Mutter war begeistert, denn er brachte ihr einen Rosenstrauss und sein Benehmen war tadellos. Je mehr sie mich bedrängte, ihn als meinen Auserwählten zu betrachten, desto widerspenstiger wurde ich. Als ich dann noch sah, dass sich auf seinem Balkon Wanderschuhe befanden, für mich damals der absolute Horror, da bei uns niemand wanderte und das in meinen Augen nur für ärmere Leute gedacht war, war mein Urteil gefallen. Auch eine Schiffahrt auf dem Zürichsee unter dem Sternenhimmel, wo er mir seine Liebe bezeugte und die Sterne erklärte, brachte mich nicht von meinem Entscheid weg: das war kein Mann für mich!
In jene Zeit fallen auch Besuche von Tanzabenden im Petit Palais des Hotels Baur au Lac. Da spielte im Hotelgarten immer am Samstag ein Orchester Live-Musik. Es ergaben sich daraus einige lockere Männerbekanntschaften, die keinen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen haben. Unter ihnen war ein Berufs-Jockey, winzig klein und stets auf sein Gewicht achtend, denn das war scheinbar Vorschrift zur Ausübung seines Berufs. War er wenige Gramm zu schwer, durfte er an keinem Pferderennen teilnehmen.
(2) Das Foto zeigt mich im Alter von knapp 16 Jahren

Nach Schulabschluss trat ich meine erste Stelle an und fuhr täglich nach Zürich-Altstetten. Damals gab es noch keine Schreibmaschine mit Korrektur-Band. Vertippte man sich, musste man mühsam mit Ormig, einer violetten Folie, den Fehler ausmerzen. Ich kann mich gut an die violetten Finger und Flecken auf meinen Kleidern erinnern. Ich schrieb für den technischen Abteilungs-Direktor und erledigte nebenbei noch die Militär-Korrespondenz eines höheren Angestellten in der selben Abteilung. Für die vielen dort beschäftigten Abend-Techniker schrieb ich freiwillig deren Diplom-Arbeiten und bekam dafür jeweils Pralinen oder Parfums. Es gab natürlich auch Flirts mit dem einen oder anderen. Ich kann mich noch vage an einen Ruedi Köpfer erinnern. Wir gingen ein paar Mal aus, mehr nicht.
Ein anderer, ich glaube er hiess Arzethauser, suchte mal für Kollegen von ihm Tanzpartnerinnen für den Poly-Ball. Ich meldete mich sofort, denn es war schon immer mein Wunsch gewesen, mal an so einen Ball gehen zu dürfen. Ich hörte nichts Verbindliches in dieser Beziehung, machte mich allerdings am Abend des Polyballs trotzdem zuhause zurecht und glaubte felsenfest daran, im allerletzten Moment noch angerufen zu werden von einem Tänzer, der mich brauchte für den Anlass. Das geschah dann natürlich nicht! Mein Vater fand mich in Tränen aufgelöst im Badezimmer und rief hierauf den Arzethauser an, um abzuklären, ob es ev. doch noch eine Möglichkeit geben würde, mich am Ball teilnehmen zu lassen. Seine Anfrage verlief negativ! Ich war in diesem Moment untröstlich.
Mein erstes Salär war für damalige Verhältnisse fürstlich, nämlich etwas über CHF 1000 im Monat. Ausbezahlt in bar in einem Couvert, das man auf dem Personalbüro abholen musste. Einmal ist mir passiert, dass ich das volle Lohncouvert im HB Zürich aus Versehen an einem Automaten kurz deponierte und dann prompt liegen gelassen hatte. Ein Drama. Doch Wunder geschahen noch zu jenen Zeiten. Jemand gab es im Fundbüro ab und ich durfte es am nächsten Tag dort abholen.
Ich konnte mir nun meine ersten Fahrstunden leisten, die kosteten um die CHF 18 pro Stunde und der Fahrlehrer war ganz in der Nähe meines Arbeitsorts. Nach wenigen Monaten meldete er mich zur Fahrprüfung an. Enthusiastisch, wie ich damals war, fuhr ich gleich los wie eine Rakete. Der Experte neben mir befahl, augenblicklich anzuhalten und in ein paar Monaten wieder zu kommen, wenn ich anständig fahren würde. Das war’s dann erst mal.
Es war Winter und ich fuhr - wie immer zu dieser Jahreszeit – mit meinen Eltern nach St. Moritz in die Skiferien. Dort lernte ich auf der Piste bzw. auf dem Skilift zwei tolle Studenten aus Zürich kennen, die mich am Abend in die Chesa Veglia einluden, wo man tanzen konnte. Es war herrlich. Am nächsten Tag verabredeten wir uns auf der schwarzen Piste der oberen Bergstation Corviglia. Ich wollte denen zeigen, was ich drauf hatte und fuhr los wie der Teufel. Es ging nicht lange gut. Ein schwerer Sturz beendete das Abenteuer und ich landete in der Klinik Gut.
Dort stellte man einen Bänderriss im Knie fest und ich bekam einen Gips verpasst vom Fussgelenk bis zum Oberschenkel. Während des Eingipsens fragte ich noch, ob man den auch farbig haben könnte. Man konnte, er wurde knallblau! Nach kurzer Zeit befanden sich darauf zig Unterschriften aus meinem gesamten Bekanntenkreis. Dieser Gips schränkte mich im Alltagsleben stark ein. Im Zug musste ich einen Platz bekommen, wo ich das gestreckte Gipsbein im Gang deponieren konnte. Ebenso im Kino. Es war mühsam, aber zu überleben. Nach ca. 2-3 Monaten kam der Gips endlich weg und ich lernte wieder normal zu laufen. Beim zweiten Anlauf zur Fahrprüfung fuhr ich wie ein Lamm und bestand dann auch endlich. Hierauf schenkten mir meine Eltern ihren alten VW Käfer und kauften sich auf mein Anraten hin einen Ford Taunus.
Mit der frisch gewonnenen Möglichkeit, nun selber per Auto herumzureisen, buchte ich für den Sommer meine ersten Solo-Ferien, nämlich in einem Hotel garni in Lugano, direkt in der Altstadt. Meine Haupt-Mahlzeiten wollte ich aus finanziellen Gründen durch Diät-Biskuits ersetzen, Frühstück gab es im Hotel.
Ich fuhr in Erwartung grosser Dinge los mit meinem VW und wurde bereits auf der Anfahrt auf dem Monte Ceneri von einem hupenden Alfa Romeo Sportwagen zum Anhalten gebracht. Es stieg ein kleiner attraktiver Mann aus, der mich zu einem Drink einladen wollte. Warum nicht, dachte ich mir. Wir fuhren zu einem tollen Aussichtspunkt und er schlug mir vor, doch einen Campari Soda zu bestellen. Ich trank bis dahin eigentlich keinen Alkohol, aber es hörte sich verlockend an. Seither ist doch tatsächlich dieser Campari Soda noch heute eines meiner Lieblingsgetränke und ich denke immer wieder an diese Episode zurück, wenn ich so einen Drink bestelle. Wir tauschten die Telefonnummern aus und er rief mich nach meinen Ferien einige Male aus dem Tessin an. Mehr wurde daraus nicht.
Ich fuhr danach weiter zum Hotel und freute mich der Dinge, die da kommen sollten. Am Abend ging ich im Park beim Lido spazieren und es folgte mir ein gut aussehender Mann. Wir kamen ins Gespräch und verbrachten einen netten Abend zusammen. Danach traf ich ihn täglich. Er arbeitete als Goldschmied bei Bucherer und hatte eine eigene Wohnung. Dort landeten wir denn auch eines Abends. Zu mehr als Petting kam es nicht, denn ich war ja noch nicht 20 und wollte bis dahin Jungfrau bleiben. Er schenkte mir einen Gold-Zitrin, den ich mal zu einem Schmuckstück fassen lassen sollte. Tat ich dann aber doch nie und ich weiss nicht, was mit dem Zitrin passiert ist, ich finde ihn jedenfalls nicht mehr. Auch hatte ich keinen weiteren Kontakt zu diesem Mann nach meinen Ferien.
Mein Vorzimmerbüro teilte ich mit einer schrulligen älteren Frau, der Senta Mäusel. Sie machte mir ab und zu das Leben schwer und hatte komische Gemütsausbrüche. Sie versuchte mich oft zu schikanieren, was ihr aber nicht immer gelang.
Ich hatte im Albiswerk diverse Verehrer. So auch einen ca. 20 Jahre älteren Abteilungsleiter, den Karl-Heinz W. Der erklärte mir seine Zuneigung und Bewunderung und das schmeichelte mir irgendwie. In Stenographen-Schrift sandten wir uns täglich Liebesbotschaften und liessen die per interner Post hin und her gehen. Einmal suchte ich ihn in seinem Büro in einem anderen Gebäude auf und wir küssten uns. Er öffnete seine Hose und zeige mir seinen erigierten Penis und erklärte „der ist für dich“. Ich war irritiert, da ja immer noch Jungfrau. Wusste nicht so recht, wie ich mit der Situation umgehen sollte.
Es lebte sich dann auseinander und ich konzentrierte mich auf einen jungen blonden Mann, der in der Buchhaltungsabteilung arbeitete. Ich machte ausfindig, wann genau er jeweils abends auf’s Tram wartete und richtete es so ein, dass wir uns somit fast täglich begegneten. Irgendwann klappte es und er wurde auch auf mich aufmerksam. Ein paar Mal traf ich mich mit diesem Jean-Claude Maure und er lud mich u.a. mal zu einer Party ein, wo wir im Elternschlafzimmer des Einladenden landeten. Zu mehr als heissen Küssen kam es allerdings nicht und wir trennten uns nach einiger Zeit wieder.
Später fiel mein Interesse auf einen dunkelhaarigen jungen Techniker, der einen grünen Sunbeam-Cabriolet-Sportwagen besass. Er lief täglich an meinem Büro vorbei, nachdem er seinen Wagen in der Nähe parkiert hatte. Ich selber fuhr zu jener Zeit einen Triumph-Spitfire Sportwagen, feuerrot. Den hatte ich meinen Eltern abgetrotzt, nachdem mir der alte VW Käfer nicht mehr so recht gefallen wollte. Wohl dank meinem Sportwagen, den ich in der Nähe des Sportwagens meines Schwarms parkierte, fiel ich jenem dann endlich auch mal auf. Es kam zu ersten Kontakten. Er wohnte in einer Studenten-WG im Universitäts-Viertel der Stadt Zürich zusammen mit zwei Studenten aus dem Bündnerland. Den einen davon nannte er "Agri", weil er Agronomie studierte.
Auch er, der Willy Ryffel, kam aus dem Bündnerland. Er fuhr jedes Wochenende nach Hause zu Mama und daran änderte er auch nichts, als wir zusammen waren. Ich näherte mich meinem 20. Geburtstag und war wild entschlossen, kurz danach meine Jungfräulichkeit zu verlieren. Diesem Wunsch kam der Willy dann auch nach, aber es war ein eher enttäuschendes Ereignis. Es änderte rein gar nichts an unserer lockeren Beziehung. Er schien sich einfach nicht in mich zu verlieben. Ich war zwar noch irgendwann zu einem Weekend bei ihm, seiner Mutter und seiner Schwester im Bündnerland eingeladen. Aber das Einzige, woran ich mich erinnern kann: ich holte mir an meinem schönen Sportflitzer einen erheblichen Blechschaden, als ich mit einem Pfosten auf einem Parkplatz kollidierte. Kurz danach trennten wir uns und auch aus dieser Liaison ist nichts geworden.
Ich wusste damals noch nicht, dass ich psychisch krank bin und gar nicht bindungsfähig. Ich glaube, dass es kaum jemanden gibt, der mehr amouröse Erlebnisse hatte als ich. Ich kann mich schlicht und einfach gar nicht mehr an alle erinnern. Ich war nicht etwa sexsüchtig. Nein, ich suchte nach Zärtlichkeit und Zuneigung. Die bekam ich aber höchst selten.
Eine kurze Affäre hatte ich im Albiswerk noch mit einem älteren Angestellten, der Porsche-Fahrer war. Es ging mir mehr um den Porsche und nicht um diesen Mann. Der sah das aber anders und wurde solchermassen zudringlich, dass ich den Personalchef um Hilfe bitten musste. Ich durfte dann eine Weile lang meinen Sportwagen direkt unter dem Bürofenster des Personalchefs parkieren, in einem abgeschlossenen Innenhof. Von dort aus konnte ich sicher nach Hause fahren, ohne belästigt zu werden.

Irgendwie wurde mir das Leben allmählich zu eintönig und ich schrieb erneut auf eine Bekanntschafts-Annonce in einer Zeitschrift. Der Verfasser war ein angehender Architekt aus Luzern, Autonarr wie ich selber auch. Wir trafen uns und verliebten uns. Von da an fuhr ich jedes Wochenende nach Luzern, um diesen Alex Zemp zu treffen. Seine Eltern liessen mich jeweils in deren Wohnzimmer übernachten und die Mutter kochte am Sonntag immer ein gutes Mittagessen. Der Vater war Viehhändler und kaufte nur erstklassiges Fleisch ein.
(1) Im Atelier am Metzgerrainle, Luzern
(2) Fasnacht im Kunsthaus Luzern
Nach einigen Monaten bedrängte mich Alex, doch nach Luzern zu ziehen und mir eine eigene Wohnung zu nehmen. Ich suchte mir also eine Stelle, was damals als reformierte Person im katholischen Luzern ziemlich schwierig war. Die Arbeitgeber legten grossen Wert auf katholisches Personal. Glücklicherweise klappte es dann doch eines Tages und ich wurde Chef-Sekretärin des Automobil- und Reisebüro-Unternehmers Josef G. Ich teilte mit ihm sein Büro und sass ihm mehr oder weniger den ganzen Tag gegenüber. Zur selben Zeit beschaffte sich mein inzwischen Verlobter ein Atelier in der Luzerner Altstadt, wo wir ganze Nächte zusammen verbrachten, weil er dort an Architektur-Wettbewerben mitmachte und Pläne zeichnete und Modelle baute.
Wir waren zu jener Zeit Bestandteil der Bohème-Guggenmusig, die durch Pöldi Häfliger gegründet worden ist. Das Foto zur Dokumentation finde ich leider nicht mehr. Habe es wohl anlässlich einer meiner immer akut auftretenden Aufräum-Aktionen "entsorgt".
(3) Haare noch nicht Rüeblirot, aber immerhin Tizianrot
(4) Die Bildqualität ist leider sehr schlecht :-(
An der noblen Rigistrasse fand ich in einem Block eine 1-Zimmerwohnung im Untergeschoss. Die Liegenschaft befand sich in einem Villenquartier oberhalb des Palace-Hotels. Fussläufig waren auch das Luxushotel National sowie der Kursaal zu erreichen. Am Alpenquai, also direkt unterhalb, befanden sich Souvenirgeschäfte und die Seepromenade war gleich gegenüber.
Wir verkehrten in interessanten Künstlerkreisen, also weitgehend Architekten, Grafiker und Fotografen. Es war eine phantastische Welt. Ich färbte mein Haar rüeblirot und kleidete mich existentialistisch und mauserte mich zu einer interessanten Persönlichkeit. Ich zog die Männerwelt an wie Motten das Licht. An jedem Finger hatte ich mindestens einen Verehrer. Das änderte sich erst recht nicht, als sich mein Verlobter dazu entschloss, noch ein paar Semester Architektur an der Kunstakademie in Wien zu studieren.
Vorher unternahmen wir noch einige interessante Reisen im Deux-Chevaux durch Ungarn, die Tschechoslovakei, das damalige Jugoslawien und durch Griechenland. Immer mit Benzinkanister dabei, denn Tankstellen gab es damals noch praktisch keine in diesen Ländern. Es waren abenteuerliche Reisen und unvergesslich.
Ich schrieb meinem nunmehr in Wien lebenden Alex täglich einen Liebesbrief und fuhr auch selber mal mit meinem kleinen Citroën, den ich nach dem Verkauf meines Sportwagens hatte, die 1000 km nach Wien. Ich musste meinen roten Flitzer verkaufen, um aus dem Erlös die Möblierung für meine erste Wohnung zu finanzieren. Die bestand aus Designer-Stücken wie Bugholz-Schaukelstuhl, Kienzle Leder-Safari-Stühlen etc. Bücher-Regale hatte Alex selber designt. Ich besass damals auch das heute unter Sammlern gesuchte Ericofon. Einzelne Stücke fand ich im Brockenhaus. U.a. ein "Gehäuse", in welchem ich mein Radio versteckte. Auch meinen Kleiderschrank fand ich im Brockenhaus, malte ihn knallgelb an. Damals wurde der Grundstein gelegt für meine spätere Leidenschaft, das Interior Design.
Wir hatten uns jedoch allmählich auseinandergelebt und ich war enttäuscht, dass er mich allein in Luzern zurückgelassen hatte.
In Luzern erlebte ich leider auch Negatives. So gab es in der Altstadt zweimal sexuelle Uebergriffe auf mich. Einmal wurde mir von einem unbekannten Absender Reizwäsche geschickt und im Rollladen meiner UG-Wohnung gab es eingebohrte Löcher eines Voyeurs, der mich wahrscheinlich heimlich beobachtet hat. Ich erschrak während dieser Zeit oft über meinen eigenen Schatten, ging ich mal abends allein ins Theater oder Kongresshaus. Auf die Idee, Anzeige zu erstatten, kam ich nicht. Hätte wohl auch nichts genützt.
Als positives Erlebnis in Erinnerung bleiben die Besuche von Live-Jazzkonzerten. Sie fanden im Dachgeschoss des Hotels Astoria regelmässig am Sonntagmorgen statt. Auch Cabaret-Besuche mit Auftritten von Emil Steinberger gehörten dazu. Ich genoss das Sonntagabend-Buffet im Palace Hotel und dergleichen mehr.
Ich war damals noch sehr jung und die Antibaby-Pille war erst gerade auf den Markt gekommen. Als unverheiratete Frau bekam man die jedenfalls nicht. Als Verlobte und nach langem Betteln erhielt ich die Pille dann doch von meiner Frauenärztin verschrieben und mein wildes Leben konnte jetzt beginnen.
Im Winter fuhr ich an den Weekends nach Engelberg zum Skifahren und danach zum vielbesuchten Après-Ski in einem Café in Dorfmitte. Dort lernte ich regelmässig interessante Männer kennen, so auch den Otto I., den späteren Gründer einer Discount-Kette. Mit dem hatte ich eine Zeitlang eine Affäre, musste ihm auch grosse Auftritte in elegantem Kleid und grossem Hut bescheren, indem ich ihn so im Tennisclub Lido abholte und danach ging es meistens in eines der Nobelhotels am Ufer des Vierwaldstädtersees zum Apéro.
Er lud mich dann mal in sein Elternhaus in Sursee ein und da kam es zu ersten sexuellen Kontakten. Sein Penis war solchermassen winzig klein, dass ich mir eine weitere Zukunft mit diesem Mann nicht vorstellen konnte. Wie ich später der Presse entnehmen konnte, fand er doch noch eine Frau, die ihn heiratete und er konnte auch Kinder zeugen. Da zeigte sich doch, dass Grösse nicht entscheidend war......
Eine kurze Liaison hatte ich mit seinem damaligen Begleiter, einem älteren Banker, der mich sehr verehrte. Als es zum ersten Kuss kam, stellte ich allerdings fest, dass er wohl eine Plastik-Zahnprothese trug und das war ein Grund für mich, mich augenblicklich von ihm zu distanzieren.
Weitere Liaisons kürzerer oder längerer Dauer hatte ich mit diversen Verehrern, an die alle ich mich schlicht nicht mehr erinnern kann. Einer, der in die engere Wahl kam, war der Ivo Musar, Inhaber eines bekannten Architekturbüros. Ebenso Walter W., späterer Stararchitekt in Zürich und Stefan Scarpat, auch Architekt aus Zürich. Ich erinnere mich an ein Weekend im Camping-Bus mit Walter W.. Wir fuhren nach Stein am Rhein und übernachteten im Wohnwagen. Walter nötigte mich, endlich mal Haschisch zu versuchen und er zündete mir eine entsprechende Zigarette an. Ich konnte nicht inhalieren, gab mir allerdings alle Mühe. Es wollte sich einfach kein Rauschgefühl einstellen bei mir. Irgendetwas machte ich wohl falsch. Das war jedenfalls mein erster und letzter Versuch mit Drogen!
Eine fast lebenslängliche Frauen-Freundschaft fand ebenfalls in Luzern ihren Ursprung. Nämlich mit Monika F., damals Müller. Sie arbeitete kurz beim selben Unternehmen wie ich. Wechselte jedoch bald zu Serz-Weisswaren. Sie lernte ihren späteren Ehemann, den H.P. F. kennen. Der arbeitete damals beim Schweizer Fernsehen. Wir erlebten viel zusammen, sehr viel. Schwangerschafts-Abbrüche bei Monika, ihre Heirat und vieles mehr. Es war immer spannend.
Allmählich kristallisierte sich heraus, dass mein Chef, der Josef G., ein Auge auf mich geworfen hatte. Er war zwar verheiratet, hatte bereits einen kleinen Sohn und seine Frau war gerade wieder schwanger. Sie war aber scheinbar frigide, bzw. achtete mehr darauf, dass ihre Frisur immer tadellos gesessen hat und im Bett war sie wohl eher ziemlich langweilig.
Nach einem Geschäfts-Event brachte mich mein Chef nach Hause und ich erklärte ihm, dass ich die Pille nehmen würde und einem Abenteuer mit ihm nicht abgeneigt. Das war ohnehin sein Plan, als er mich nach Hause brachte. Von dieser Nacht an war ich seine Geliebte. Ich durfte seinen Daimler-Luxuswagen fahren, über Mittag sausten wir mit seinem Motorboot über den Vierwaldstädtersee und ich fuhr nackt Wasserski. Wir gingen irgendwo Mittagessen oder wir fuhren abends in ein tolles Hotel, z.B. in St. Niklausen, direkt am See, wo man nach dem Nachtessen noch tanzen konnte. Ich erinnere mich an Dinners im Château Gütsch, wo ein Pianospieler aufspielte und auch dort konnte man nach dem Essen tanzen. Seine Frau schien nichts zu bemerken. Ich hütete nach wie vor ab und zu ihr Kleinkind Bruno und fuhr sie jeden Freitag in die Altstadt zum Coiffeur. Josef besuchte mich jeden Samstagmorgen in meiner kleinen Wohnung und brachte mir einen herrlichen Blumenstrauss.
Während der Woche gingen wir viel aus und er nahm nie Rücksicht darauf, ev. erkannt zu werden in Begleitung einer anderen als seiner eigenen Ehefrau. Er kaufte mir Schmuck und teure Kleider in einer Boutique, wo normalerweise seine Frau einkaufte. Wir flogen zusammen nach London an die Motor-Show und der Angestellte seines Reisebüros musste auf mich das Ticket ausstellen. Irgendwie wusste jedermann Bescheid, ausser seiner Frau. Oder die wollte es nicht wahrhaben. Mittlerweile war sie allerdings mit dem dritten Kind schwanger und die Versprechungen von Josef, sich scheiden zu lassen, verliefen immer wieder im Sande.
(5) Josef G., meine grosse Liebe
(6) Das schrieb er auf die Rückseite des Fotos
Schliesslich stellte ich ihn vor ein Ultimatum und brach meine Zelte in Luzern ab. Ich wollte für eine Weile in den Libanon auswandern, wo bereits meine Eltern bei meiner Schwester lebten. Mein Vater war kurz nach seiner Pensionierung schwer krebskrank geworden, musste den Kehlkopf entfernen lassen und wurde künstlich über eine Sonde ernährt. Sie gaben ihr Leben in der Schweiz auf und er hatte nicht mehr lange zu leben.
Meine Eltern hatten vor ihrer Auswanderung ihren Haushalt aufgelöst bis auf einzelne wenige Stücke, die sie in ein Lagerhaus zur Aufbewahrung brachten. Seine wertvolle Briefmarkensammlung brachte mein Vater zu deren Auflösung bzw. Vermarktung an den damaligen Posthalter der Post Wangen bei Dübendorf. Wie ich erfahren hatte, hat der sich die wertvollsten Marken unter den Nagel gerissen bzw. gestohlen. Zu einer Polizei-Anzeige kam es nicht, wir hatten ja keinerlei Beweisstücke in Händen. Ich musste ihm später Drohbriefe schreiben und er hat mir tatsächlich etwas Geld überwiesen. Wahrscheinlich weit weniger als erforderlich gewesen wäre.
Vor Abreise löste auch ich meinen Haushalt auf und brachte einige mir wichtig erscheinende Gegenstände zu Tante Maria und Onkel Hans, die in Aarau lebten und ein Einfamilienhaus besassen. Scheinbar hatten auch meine Eltern noch eine Mappe enthaltend wertvolle Lithographien des Tessiner Künstlers Chiesa zur Aufbewahrung nach Aarau gebracht. Maria legte die Mappe unter ihr Ehebett. Seither bleibt sie verschollen. Meine Mutter bezichtigte Maria des Diebstahls :-).
Am Tag meines Abflugs fand die Heirat von Monika statt, zu der ich noch kurz zum Apéro ging und mich dann bis auf weiteres verabschiedete.
Josef kaufte mir das Flugticket und versprach, mich zurückzuholen, sobald seine Scheidung in die Wege geleitet worden sei. Er rief mich mehrmals wöchentlich an und ich schrieb ihm Liebesbriefe an eine Postfachadresse. Unsere Sehnsucht nacheinander war riesengross und nach zwei Monaten erklärte er mir, er wäre nun soweit und er schickte mir ein Rückflug-Ticket.

Ich kam also aus dem Libanon zurück, guter Hoffnung, nun mit meinem Liebsten zusammen zu kommen. Ich suchte mir eine Wohnung in Zürich, schrieb in der Zweigniederlassung seines Reisebüros am Limmatquai in Zürich Bewerbungen und fand auch sofort einen neuen Job. Chefsekretärin des obersten Bosses von Aldepha, einer Pharma-Unternehmung am Zürichberg.
Dieser Dr. Paul S. hatte zwar bereits jemand eingestellt, liess mich aufgrund des mit der Bewerbung eingereichten Fotos allerdings trotzdem zum Vorstellungsgespräch kommen und engagierte mich vom Fleck weg. Die anderen Mitarbeiter waren zunächst entsetzt darüber und traten mir mit Misstrauen entgegen. Ich wusste ja anfänglich nichts davon, dass ich einer anderen Dame sozusagen die bereits zugesagte Stelle weggeschnappt hatte.
Auch Dr. S., der ebenfalls verheiratet war, hatte sich in mich verguckt. Ich sah blendend aus, braungebrannt von der libanesischen Sonne, Top-Figur und ausgeruht und entspannt. Josef G. besuchte mich regelmässig, aber von der versprochenen Scheidung keine Spur. Wir trafen uns wieder oft, flogen zusammen ins Ausland und er hielt mich hin mit leeren Versprechungen.
An Weihnachten war ich mausallein, da nützte auch das TV-Gerät nichts, das er mir gekauft hatte. Ich fuhr in die Stadt und kaufte in diversen Apotheken rezeptfreie Schlafmittel, insgesamt rund 250 Tabletten, die ich alle zusammen einnahm. Scheinbar hatte einer der Apotheker meine Absichten erkannt und unter die Schlafmittel ein Brechmittel gemischt. Ich musste mich nach ca. einem Tag übergeben und lag in meinem Erbrochenen, als jemand die Türe aufbrach und mich ins Krankenhaus brachte. Josef G. hatte versucht, mich zu erreichen und war dann beunruhigt und hat die „Rettung“ in die Wege geleitet.
Wenige Monate vorher hatte ich noch einen Brief aus dem Libanon erhalten, in welchem mir meine Mutter mitteilte, dass mein Vater gestorben sei und am selben Tag noch eingeäschert worden ist, da ihn sonst die Ameisen aufgefressen hätten. Mein Leben war irgendwie tragisch zu jenem Zeitpunkt. Im Spital pumpte man mir den Magen aus und liess mich nach 1-2 Tagen wieder gehen. In der Aldepha achtete man mit Argusaugen darauf, dass ich keinen Kontakt mehr pflegte zu Josef und die Telefonate von ihm wurden nie zu mir durchgestellt.
Dr. S., mein Chef, war depressiv und ich hörte jeweils stundenlang in seinem Büro seinem Gejammer zu. Aber ich hatte auch Mitleid mit ihm und begleitete ihn ab und zu über Mittag zu einem Badesee, wo er versuchte, mir näher zu kommen und mich streicheln durfte. Aber mehr liess ich nicht zu, ich verabscheute ihn als Heulsuse und Psychowrack.
Zur Aldepha-Zeit kam meine Mutter wieder aus dem Libanon in die Schweiz zurück. Sie nahm den Austin-Mini mit auf das Kreuzfahrtschiff, mit dem sie reiste. Das Auto, das seinerzeit für mich gekauft worden ist, als ich mich kurz im Libanon aufhielt. Sie hatte alle ihre Habseligkeiten, auch das Familiensilber, ihren Schmuck etc. im Auto verstaut. Der Mini wurde während der Ueberfahrt geknackt und ausgeraubt und wir kamen nicht auf die Idee, denn Fall einer Versicherung zu melden. Das Auto trug arabische Nummernschilder.
Ich holte sie in Genua ab und anfänglich wohnte sie bei mir. Ich hatte inzwischen meine kleine Wohnung in Zürich aufgegeben und mir eine grössere Neubauwohnung in Dübendorf genommen. Fortan fuhr ich mit diesem Mini samt arabischen Nummernschildern nach Zürich zur Arbeit und wurde überall bestaunt dafür.
Einer meiner damaligen Freunde war der in Künstlerkreisen bekannte Grafiker und Designer Jupe H. Er wohnte in Herrliberg, hatte sein Atelier allerdings in Zürich. Ich fand ihn wahnsinnig spannend, konnte ihn aber nie ganz für mich gewinnen. Wir gingen einige Male miteinander aus, ich war auch bei ihm zuhause und einmal verbrachten wir ein tolles Weekend in einem romantischen Hotel in Greyerz. Er war impotent! Später erfuhr ich, dass er an MS erkrankt war und sogar im Rollstuhl landete. Trotzdem hat er geheiratet, blieb aber kinderlos.
Seine Impotenz bzw. Krankheit hätten mich nicht gestört. Hätte er mich gefragt, ich hätte ihn noch so gerne geheiratet!
(1) Jupe H.
Als wir noch zusammen waren, lud er mich über Weihnachten in sein Elternhaus nach Basel ein. Meine Eltern lebten damals schon im Libanon und ich wäre sonst allein gewesen an den Festtagen. Seine Mutter wohnte in einer noblen, riesengrossen Prachtvilla direkt am Rhein. Es war ein Anwesen der Basler Grossfinanz. Die Mutter nahm mich freundlich auf und wir verbrachten ein paar unvergesslich schöne Tage in Basel. Jupe wünschte von mir, dass ich mir ein grosses Kissen um den Bauch binde, was mich so unter dem darüber liegenden Mantel hochschwanger aussehen liess. In diesem Zustand gingen wir dann im Nobelquartier spazieren und Jupe bereitete es Spass, dadurch seinen Bekanntenkreis bzw. die noble Gesellschaft zu schockieren, was uns offenbar auch gelungen ist. Lustiger Weise machte seine Mutter bei diesem Scherz mit. Aus der Beziehung ist aber leider nichts geworden und wir trennten uns.
Meine Mutter machte mir ständig Vorwürfe, dass ich mit meinen bald 26 Jahren noch unverheiratet sei und es sich wieder mal zeige, dass meine Schwester, die sich einen Arzt geangelt hatte, eben doch hundertmal besser wäre als ich es sei. Das liess ich mir eine Zeitlang gefallen, machte mich allerdings auf die Suche nach einem Arzt. Am besten per Inserat.
Ich hatte zwar einige Liaisons mit diversen Männern, auch z.B. dem Architekten der Neubauwohnung in Dübendorf. Er war leider verheiratet und wir trafen uns für Sex regelmässig in einem Hotelzimmer in Zürich.
Es gab noch viele andere Männer, die damals mein Leben kreuzten. Ich beschloss nun allerdings eisern, es meiner Mutter zu beweisen, dass auch ich dazu in der Lage war, mir einen Arzt zu angeln.

Ich stiess auf das Inserat eines Arztes mit eigener Praxis in Wädenswil, er war noch jung und schien mir passend. Ich schrieb und er lud mich hierauf zu einem Nachtessen in einem guten Restaurant Nähe Dübendorf ein. Anschliessend kam es - wie damals üblich - zum Sex und ich spielte ihm eine grosse Nummer vor, quasi die einer liebestollen femme fatale.
Bald darauf lud er mich zu sich nach Wädenswil ein. Er hatte eine grosse Praxis im alten Postgebäude und durch Wendeltreppe verbunden mit einer ebenso grossen darüber liegenden Altbauwohnung. Per Zufall fand ich dort eine Liste all jener Frauen, die auf sein Inserat geantwortet hatten. Er hatte diverse Eigenschaften dieser Frauen in einer Tabelle mit Kreuzen markiert, also schlecht war ein Kreuz, gut waren mehrere Kreuze. So figurierte die Rubrik Sex u.a. auf jener Liste und bei mir fand ich dort drei Kreuze.
Es waren allerdings rund 15 Frauen im Rennen und ich setzte alles daran, schliesslich als Siegerin aus dieser Konkurrenz hervorzugehen. Das war dann auch der Fall. Er bat mich, meinen Job bei Aldepha aufzugeben, ebenso meine Wohnung in Dübendorf. Meine Mutter war inzwischen wegen ewiger Streitereien in eine eigene kleine Wohnung direkt im Block nebenan gezogen. Ich nahm das Angebot von Alex an, kündigte Stelle und Wohnung und zog mit Hab und Gut nach Wädenswil.
Alex war ein sehr schlechter Kaufmann, vergass ständig, erbrachte Leistungen in die Krankengeschichten einzutragen oder gab teure Medikamente ab, ohne sie zu notieren. Ich war wie ein Sperber hinterher und brachte innert kurzer Zeit die Praxis aus den roten Zahlen. Er verdiente gutes Geld, war aber nach wie vor hinter jedem Rock her. Er belog mich nach Strich und Faden, war niemals treu und hatte x andere Beziehungen nebenher.
Er behandelte mich schlecht, nutzte mich aus, demütigte mich. Aber ich wollte mein Ziel erreichen. Er sollte mich heiraten. Auch als ich das Scheidungsurteil seiner ersten Ehe fand und darin las, dass er seiner Frau diverse Zähne ausgeschlagen hatte, Alkoholiker war und streitsüchtig, hielt mich das nicht von meinem Plan ab. Meine Mutter war inzwischen in unsere Nähe gezogen, nämlich in eine kleine Wohnung in einen Vorort von Wädenswil. Niemand hatte sie darum gebeten, aber sie wollte mich weiterhin drangsalieren und unter Kontrolle halten.
(1) Alex, mein erster Mann und Peiniger. Ein toxischer Narzisst!

Beim Autofahren hat er ständig andere Autofahrer kritisiert. Hupte, überholte sie und gab ihnen Zeichen, tippte sich dabei an seine Stirn und dergleichen mehr. Liess sein Fenster runter und spuckte auf die Strasse. Ich schämte mich meistens solchermassen, dass ich nur in geduckter Stellung neben ihm sass, so dass mich niemand erkennen konnte.
Auf Flugreisen erklärte er der Stewardess, die uns das Essen bringen wollte, wir würden nur eine Portion benötigen. Die nahm er dann und ich durfte die Resten essen. Getränke gab es auch nicht für mich. Als es in den Flugzeugen noch Raucher- und Nichtraucher-Abteile gab, sass in einem NR-Abteil direkt neben mir einer, der trotzdem nonstop geraucht hat. Mit meinem Asthma war das unerträglich und ich wagte, zu reklamieren. Alex fuhr mir über’s Maul und entschuldigte sich für mein Verhalten beim Rauchenden. Wagte es der vor ihm sitzende Passagier, seine Rücklehne zu früh nach hinten zu bewegen und Alex war z.B. noch am Essen oder Lesen, begann er augenblicklich laute Streitereien mit diesem Passagier, die schliesslich zur Ergötzung aller Mitpassagiere durch die Flight-Attendant geschlichtet werden mussten. Vor jedem Flug hatte ich ein unangenehmes Gefühl, denn man wusste nie, was kommen würde.
Ich musste Notfalldienst leisten und das Labor, das Röntgen, die Wundversorgungen etc. erledigen, während die Arztgehilfin immer frei bekam. Gelernt hatte ich solche Dinge nie, ich hasste es, sie zu tun, aber es blieb mir keine Wahl. Er lud viele Jassfreunde ein und sie spielten nächtelang „Sidi Barrani“ und dergleichen mehr. Ich musste die Männer bewirten, ihre Raucherei ertragen und durfte nicht ins Bett gehen. Auch Aerzteeinladungen von bis zu 30 Leuten fanden bei uns statt. Ich musste bei solchen Events eine durchsichtige Bluse tragen und sexy wirken, obschon das nicht meine Art war. Es war mir peinlich, doch tat ich immer, was er verlangte.Er hatte mich in dieser Zeit zweimal vergewaltigt, obschon ich mich während mindestens zwei Stunden im Badezimmer eingeschlossen hatte. Weil dieses ungeheizt war im alten Haus, trat ich nach langer Zeit raus und er empfing mich mit Teufelsfratze und machte sich über mich her. Ein Graus. Doch die Uebermacht und die ständigen Forderungen meiner Mutter brachten mich dazu, auszuharren. Ich brach zwischenzeitlich zwar einige Male aus, wollte mich mit dem Auto in den See stürzen, kehrte aber doch immer wieder unverrichteter Dinge zurück.
Alex spielte Tennis im Tennisclub Wädenswil. Traumatisiert von den vielen auf Tennisplätzen verbrachten Stunden während meiner Kindheit wollte ich eigentlich gar nie Tennisspielen lernen. Jetzt war es eine Voraussetzung, um mit Alex zusammenbleiben zu dürfen. Der Tennisclub war nicht bereit, mich als Mitglied aufzunehmen, da wir nicht verheiratet waren. Da nahm er mich einige Male als Gast mit und später erklärte er denen einfach, dass wir inzwischen verheiratet wären und ich seine Frau sei. Dann klappte es, dort Mitglied zu werden. Fortan nannte ich mich also Frau H. und musste auch meine Krankenkasse entsprechend umschreiben lassen. Eine unserer Patientinnen betreute ausgerechnet jene Versicherungsgesellschaft, bei welcher ich meine Autoversicherung hatte. Sie fragte mich, ob sie die Namens-Aenderung dort vornehmen solle, dazu bräuchte sie allerdings die amtlichen Dokumente der Motorfahrzeugkontrolle, die ich natürlich nicht liefern konnte. Ich war schwer in der Bredouille und fand schliesslich eine Ausrede, dass ich das Auto weiterhin unter meinem ledigen Namen fahren möchte, was sie schliesslich akzeptierte.
Da mich Alex während meines Umzugs von Dübendorf nach Wädenswil sehr schwere Lasten tragen liess, erlitt ich wohl eine Diskushernie. Ich hatte extreme Rückenschmerzen, konnte mich später teilweise gar nicht mehr aufrichten und ging nur noch gebückt wie eine alte Frau umher. Er nannte mich Hypochonder, gab mir Schmerzmittel während Monaten, ohne auf meine Gesundheit zu achten. Meine heute eingeschränkte Nierenfunktion ist darauf zurückzuführen.
Weil ich mich schämte, in so gebückter Haltung aus dem Haus zu gehen, ging zu jener Zeit unsere Arztgehilfin für uns einkaufen. Sie machte unsere Betten, da ich die aufgehängten Leintücher gar nicht mehr ausbreiten konnte. Ich versteckte mich im Büro in der Praxis und erledigte dort die Abrechnungs- und Schreibarbeiten.
Eines Tages kam ein Jugendfreund und ebenfalls als Arzt in Wädenswil tätiger Kollege zum Schachspiel. Er hat mich gesehen und war entsetzt. Er redete auf mich ein, am nächsten Tag zu ihm in die Sprechstunde zu kommen, was ich dann auch tat. Er wies mich sofort ins Spital Richterswil ein, wo man mich auf ein Streckbett legte und versuchte, meinen krummen Rücken wieder gerade zu biegen. Sie waren bald der Ueberzeugung, dass nur noch eine Operation, und zwar schnell, helfen würde. Alex kam wutentbrannt zum Spital, holte mich trotz Protest der Aerzte ab und befahl, sofort mit ihm in die Ferien nach Kroatien zu fliegen. Es sei absoluter Blödsinn, mich zu operieren, das sei viel zu gefährlich.
Ich weiss noch, wie man mich am Flughafen im Rollstuhl herum karrte und im Hotel lag ich tagelang allein nur im Zimmer, da ich nicht in der Lage war, in den Speisesaal runterzugehen. Um meine Schmerzen überhaupt noch einigermassen in den Griff zu bekommen, war ich inzwischen schwer Morphium-abhängig und andere Medikamente, die meine Nieren bereits stark beschädigt hatten, wirkten auch gar nicht mehr. Ich wog gerade mal noch 47 kg und war nur noch Haut und Knochen.
Als wir aus den Ferien zurück waren, bestand der Kollege von Alex darauf, mich doch im Triemli-Spital zu hospitalisieren. Da meine Krankenkasse nun auf den Namen „H.“ lautete, wurde ich unter diesem eigentlichen Falschnamen registriert. Sie operierten meinen Rücken in einer 6-stündiogen Operation und erklärten mir, dass ich wenige Tage später wohl definitiv gelähmt gewesen wäre, hätte man das Problem nicht behoben.
Der Operateur war der bekannte Dr. Hacohen und weil ich in seinen Augen die Gattin eines Kollegen war, machte er diese OP gratis. Ziemlich peinlich für mich. Wir schickten ihm am Ende einen Karton Wein als Dank. Alex war zwar nicht begeistert von der Idee, hatte ich doch eine Krankenkasse, die die Kosten der OP locker übernommen hätte. Aber schliesslich war er ja schuld an der Situation mit dem Falschnamen.
Nach der mehrstündigen Vollnarkose war mein Hirn nicht sofort wieder funktionsfähig. Ich brauchte Monate, bis ich wieder einigermassen Kopfrechnen konnte. Die Namen der eigenen Verwandtschaft fielen mir nicht mehr ein, es war schlimm. Dabei war ich erst 28 Jahre alt. Gemäss Aerzten hätte ich zur Erholung gehen müssen und mindestens 4 Wochen befreit von Arbeit. Zuhause erwartete mich das blanke Chaos. Ich musste sitzend kochen, war nicht in der Lage, einen Kochtopf anzuheben. Die Arztgehilfin half, wo es möglich war. Meistens hat ihr dies mein Partner verboten. Er hat von der Versicherung Lohnausfall-Entschädigung kassiert, arbeiten musste ich trotzdem sofort. Es war alles liegengeblieben und ich musste Riesenberge abarbeiten. Hatte keine andere Wahl.
Irgendwann war ich wieder mal so weit, dass mir mein Leben gründlich verleidet war. Ich nutzte die Möglichkeit, mich in die Wohnung meiner Mutter zurückzuziehen, da sie für einige Tage verreist war und mir den Schlüssel zur Betreuung ihrer Pflanzen gegeben hatte. Ich nahm einige Ampullen Insulin aus der Praxis Apotheke, injizierte mir die und wartete auf meinen Tod. Sicherheitshalber sagte ich niemandem, wo ich war. Liess auch den Schlüssel von innen stecken. Keine Ahnung, was passiert ist. Aus irgendwelchen Gründen stand wohl plötzlich der Hauswart jener Ueberbauung in der Wohnung meiner Mutter und fand mich bewusstlos samt Abschiedsbrief. Wieder einmal hat es nicht geklappt.
Es änderte sich rein gar nichts. Er betrog mich weiter, trank fast jeden Abend eine Flasche Whisky, war brutal, gewalttätig und betrog mich nach Strich und Faden. Er ging regelmässig ins Bordell. Das tat er auch immer auf unseren gemeinsamen Ferienreisen ins Ausland. Da wurde ich jeweils ins Hotel-Zimmer gesperrt und er ging ins Puff. Sei es in Kenya, in Thailand oder sonst irgendwo auf der Welt. Es machte ihm Spass, mich zu demütigen.
Einmal gar musste ich in Pattaya zusammen mit ihm in einem Fünfsterne-Hotel, zu dem ein Bordell gehörte - so etwas gab es damals tatsächlich - im Schaufenster eine Frau für ihn auslesen. Für mich selber musste ich auch eine Masseuse wählen, die mich dann ziemlich brutal behandelt hatte. Ich glaube, jede andere Frau wäre da abgereist. Ich war ihm irgendwie hörig und verfolgte immer noch das Ziel, von ihm geheiratet zu werden.
Es muss mit meiner Psyche zusammenhängen, dass ich mir das alles überhaupt gefallen liess. Er hat mir mein ganzes Selbstwertgefühl genommen, ich war nichts wert und fühlte mich auch so. Bei seinen Patienten war er sehr beliebt, war einfühlsam und bot sogar Psychotherapie an. Seine Patienten liebten ihn und keiner hätte geglaubt, was für ein schlechter Mensch er tatsächlich war. Das hing wohl auch mit seiner Herkunft zusammen. Er kam aus einer siebenköpfigen Arbeiterfamilie, die ihm das Studium niemals hätte finanzieren können. Er absolvierte eine Eisenbetonzeichner-Lehre, heiratete dann seine erste Frau Maja, eine Kioskverkäuferin. Sie finanzierte ihm den zweiten Bildungsweg und das Medizinstudium. Auch jene Frau hat er schamlos ausgenutzt und gequält. Sie hat den Absprung geschafft, ich war dazu nicht in der Lage.

Alex war irgendwie grössenwahnsinnig, sagte oft, er wolle den anderen Leuten zeigen, wo Gott hockt. Er lebte meistens über seine Verhältnisse. Trotzdem hatten wir es geschafft, etwas Geld anzusparen, um uns ev. eine Eigentumswohnung oder ein kleines Grundstück zu erwerben. In Wädenswil gab es zu jener Zeit kein Bauland und auch keine geeignete Immobilie. Wir schauten uns in Wollerau ein Stück Land an. Damals noch eine Bauernwiese mit weidenden Schafen. Es wurde als Bauland angeboten und wir kauften uns ein 1000 m2 grosses Stück Land mit unverbaubarer Aussicht auf den Zürichsee und in die Alpen.
Sich selbst und unsere finanziellen Möglichkeiten überschätzend, wie er war, wollte er darauf eine überdimensionierte Villa stellen mit Indoor-Pool. Das grösste aller Häuser der Wädenswiler Aerzte. Denen wollte er es zeigen. Während der Bauphase kündigte uns die Bank den Baukredit und der Geldhahn war zu. Das führte dazu, dass wir sämtliche Malerarbeiten selber ausführen mussten, ebenso die Umgebungsarbeiten und vieles mehr. Ich schuftete neben der Arbeit in der Praxis von nun an in meiner gesamten Freizeit Tag und Nacht und auch am Wochenende auf dieser Baustelle. Schleppte 30 kg Zementsäcke herum, hantierte mit dem Betonmischer, baute eine 30 Meter lange Stützmauer und vieles mehr.
Alex selber hatte keine grosse Lust zum Arbeiten dort. Er ging lieber unseren gemeinsamen Bekannten bei der Renovierung deren Hauses helfen, da es dort auch immer noch eine Party mit reichlich Alkohol und Frauen gab, die sich für ihn interessierten. Es handelte sich um die F's. Ich kannte die Monika von meinen Luzerner Zeiten her und hatte immer noch Kontakt zu ihr. Sie war wohl neidisch, dass ich jetzt mit einem Arzt zusammen war und brachte Alex durch Intrigen und gezieltes Vorgehen stets dazu, dass er bei ihr entweder arbeiten ging oder aber eine ihrer Freundinnen in tolle Restaurants oder Hotels ausführte.
Einmal hatte sie dies auch gemacht, als er eigentlich Notfalldienst hatte und ich zu Hause das Telefon hütete und die Notfälle von dort aus koordinieren musste. Alex hätte eigentlich ab 18 Uhr zuhause und abrufbar sein müssen. Damals gab es noch keine Natels. Sie wusste das genau, hat ihm eine attraktive Freundin vermittelt, mit der er die Nacht in einem Hotel in Zürich verbrachte. Ich sass wie auf Nadeln, konnte ihn nicht erreichen und rief Polizei und Spitäler an, um nach seinem Verbleib zu forschen. Ich wusste nicht, was ich mit den Notfällen tun sollte, da er ja unauffindbar war.
So rief ich in meiner Verzweiflung auch die Monika an. Sie spielte die Unwissende und versuchte mich zu trösten und zu beruhigen. Dabei wusste sie ganz genau, wo er sich tatsächlich aufhielt. Seiter hatte ich meine Beziehung zu ihr abgebrochen. Ich fand das heraus weil Alex in seiner Vestontasche eine Liebesbezeugung einer Freundin von Monika trug und er alles zugegeben hat. Dass er den Notfalldienst nicht geleistet hat, brachte eine Verwarnung herbei und war eigentlich Anlass für einen kleineren Skandal.
Im grossen Haus integrierten wir noch eine Zweizimmer-Einliegerwohnung mit Küche und Badezimmer. Da sollte meine Mutter einziehen, um uns mit dem abzuliefernden Mietzins etwas zu unterstützen. So geschah es dann auch. Leider hat sie das als Einladung betrachtet, sich in unser Leben einzumischen. Sie hat unsere Schubladen und die Post durchwühlt, ging zur Bank, wo Alex seine Hypotheken hatte und hat dort erzählt, was für ein Trunkenbold und Gewalttäter er eigentlich sei. Ein Wunder, hat uns die Bank nicht die Darlehen gekündigt.
Seitdem wir in Wollerau wohnten, spielten wir Tennis im Tenniscenter Roos in Wollerau. Als ich da mal zusammen mit Carol Hakios Bälle drosch, schaute uns ein hübscher junger Mann mit Lockenkopf zu. Wir kamen anschliessend ins Gespräch. Er gab mir zu verstehen, dass er mich attraktiv fand und wir vereinbarten ein Treffen. Er war reizend, überbrachte mir ein selbstgepflücktes Blumensträusschen und wir unternahmen einen langen Spaziergang. Es kam zu einem Kuss-Austausch.
Er war nun mal einige Jahre jünger als ich und verkehrte bei den rebellierenden Jugendlichen in Zürich. Auch verkehrte er regelmässig im AJZ, dem autonomen Jugendzentrum. Das war damals der In-Place und ich begleitete ihn dorthin, entsprechend gekleidet in hautengen Jeans, popiger Frisur und man merkte nicht, dass ich eigentlich aus einer ganz anderen Welt kam. Er hiess Ulysses Piunti und wohnte in Thalwil. Er war in sexuellen Dingen noch ziemlich unerfahren und war auch nicht gross interessiert an solchen. Möglicherweise war er sogar schwul, anders konnte ich es mir nicht erklären.
Eines Tages beschloss ich, meinen Job bei Alex zu kündigen und mich wieder um eine Stelle andernorts zu bewerben. Ich wollte einen Teil meiner Unabhängigkeit zurückbekommen. Er hat mich zwar stets niedergemacht und erklärt, ich würde niemals wieder eine Anstellung finden, da völlig unbrauchbar und dumm. Es hat allerdings auf den ersten Anlauf hin geklappt, und zwar wieder in einer Pharma-Firma, der Firma Hommel in Adliswil. Das war damals eine Tochtergesellschaft eines grossen Basler Pharma-Konzerns. Ich wurde die persönliche Sekretärin des ärztlichen Leiters der Firma, er hiess Reto B..
Der damalige Personalchef hat mich beschworen, um Himmels Willen doch den Job anzunehmen, da sich bereits x Damen bei Herrn B. vorgestellt hätten und ihm keine gepasst hätte. Nun, ich sagte zu und fuhr von da an täglich zur Arbeit nach Adliswil. Es gefiel mir sehr gut dort und ich konnte vieles über die Zusammenhänge in der Medizin lernen, da der Arzt vorwiegend wissenschaftlich arbeitete. Ich konnte mir viel Wissen für meinen späteren, noch viel interessanteren Job in der Rückversicherung aneignen. Mein Selbstwertgefühl kam zurück und eine ältere Kollegin bei Hommel hat auf mich eingeredet, mir doch wieder eine eigene Wohnung zu nehmen und aus der unmöglichen Situation auszubrechen. Das tat ich dann auch und zog in eine hübsche Zweizimmerwohnung in Wädenswil.
Meine Mutter blieb zunächst in der Einliegerwohnung und betreute weiterhin die uns zugelaufene Katze Joggeli. Sie musste anfänglich im Keller leben, da mir Alex nicht erlaubte, die Katze tatsächlich aufzunehmen. Nach einigen Monaten liess er es dann doch zu, aber eine Katzenschleuse durfte nicht installiert werden. Joggeli musste sich verbal bemerkbar machen, wenn er rein oder raus wollte. Meine Mutter machte sich einen Spass daraus, mir regelmässig zu berichten, was für Frauen Alex nach Hause schleppte und was sich alles an Skandalen abspielte. Ich wollte es nicht hören und verbot es ihr. Sie tat es genüsslich doch immer wieder.
Nach einigen Monaten in Wädenswil zog es mich dann doch wieder zu Alex nach Wollerau zurück. Meine Mutter war zwischenzeitlich mit Joggeli ausgezogen, doch auch sie kam wieder in das grosse Haus zurück.
Anfänglich ging es recht gut. Aber bald fühlte sich Alex seiner Sache wieder sicher und es wurden wieder ständig, d.h. eigentlich jedes Wochenende Leute eingeladen, die mir nicht sympathisch waren und für die ich kochen musste. Zu Gegeneinladungen kam es nie, denn es waren meistens Leute, die nicht über den selben sozialen Status verfügten und nicht in ähnlichen Häusern wohnten.
Mehrmals im Jahr wurden auch zwischen 40 – 50 Personen eingeladen und ich musste neben meiner 100 % Berufstätigkeit, der Besorgung des Haushalts und Gartens und Mitfinanzierung der monatlich anfallenden Kosten - ohne Anspruch auf das Eigentum am Haus – auch die Vorbereitung für solche Einladungen und anschliessend den ganzen zurückbleibenden Dreck bewältigen. Meistens endeten solche Festivitäten im Hallenbad und der Sauna und die ganzen Fenster, sanitären Einrichten und vieles mehr mussten durch mich allein gereinigt und wieder in Ordnung gebracht werden. Ich hasste mit der Zeit jeglichen Besuch und insbesondere solche Parties. Alex bot Tenniskollegen samt Familie aus Düsseldorf an, bei uns zu logieren. Sie kamen für ein Freundschaftsturnier mit dem Tennisclub Richterswil angereist. Wir hatten also zeitweise bis zu 8 Uebernachtungsgäste, die von mir den vollen Service erwarteten und auch bekamen.
Trotz allem blieb ich nun dort, ertrotzte aber immerhin eine Putzfrau, die einmal wöchentlich kommen sollte um das Allernötigste zu erledigen. Bezahlen musste ich sie natürlich!
Wir waren befreundet mit den Nachbarn Thys und Agnes H. Sie nannte ihn "Böbeli" und er sie liebevoll "Bäbeli". Sie kamen ab und zu zu uns in die Sauna und dann sassen wir zusammen bei einem Glas Wein. Alex schäkerte mit Agnes, trug sie am Schluss jeweils sogar auf seinen Armen die Treppe runter. Und Thys fingerte heimlich an mir herum. Mehr geschah da allerdings nicht. Denn v.a. Agnes hatte einen Liebhaber, den ich den Dienstags-Freund nannte. Immer am Dienstag, wo Agnes nicht arbeitete, stand jeweils der Jaguar dieses Freundes dort vor der Garage.
Später einmal erfuhr ich von einem anderen Mann, mit dem ich selber ebenfalls eine Affäre hatte in späteren Jahren, dass auch er damals ein Hausfreund dieser Agnes war. Er hat mir erzählt, dass Agnes manchmal direkt während sexuellen Handlungen mit ihm, rittlings auf ihm sitzend, gleichzeitig mit ihrem ahnungslosen Ehemann telefonierte. Man stelle sich das mal vor! Dieser zweite Liebhaber von Agnes war Valentin G.
Als Agnes noch nicht in der Firma ihres Mannes arbeitete, sondern in der City-Bank in Zürich-Enge, fuhren wir meistens täglich zusammen per Bahn zur Arbeit. Sie kam immer in allerletzter Minute angerannt und hatte ihr ganzes Schminkzeug dabei. Ihr Make-up legte sie dann plaudernd wie ein Wasserfall während der Zugfahrt auf. Hierauf kämmte sie ihr Haar und arrangierte ihre blonden Locken zu einer Hochsteckfrisur. Anschliessend breitete sie ihr mitgebrachtes Frühstück aus und nahm dies, immerzu weiter plaudernd, zu sich. Ihre Stimme war kindlich und ihre Erzählungen untermalte sie ab und zu mit gekonnt eingesetzten Augenaufschlägen. Sie wirkte wie ein kleines unschuldiges Mädchen, hatte es jedoch faustdick hinter den Ohren. Männer, die auf den Typ "hilfloses Püppchen" standen, waren ihr augenblicklich verfallen. So eben auch Valentin G., der vielfach im selben Zugabteil fuhr.
Er stieg jeweils in Horgen ins 1. Klasse-Abteil. Mir fiel er zu dieser Zeit auf, weil er an seinem Aktenkoffer Etiketten seiner Geschäfts-Flüge hängen liess, die darauf schliessen liessen, dass er auch im Flugzeug immer erster Klasse flog. Ein geheimnisumwitterter Mann. Agnes liess sich nie anmerken, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits eine Affäre mit ihm hatte!
Man kannte uns im Zug und einige Dauerpassagiere waren irritiert, andere eher belustigt. Langweilig waren die Fahrten zur Arbeit jedenfalls nie. Agnes betrat mit mir zusammen in Richterswil den Zug mit zerzaustem Haar und ungeschminkt. Verlassen hat sie denselben in Zürich-Enge als kleiner Vamp. Mich hat das nie gestört.
Neben dem Ehepaar H. waren wir noch mit dem Ehepaar Mark befreundet. Nette Leute. Er ehemals einer der besten Eisschnellläufer der Schweiz, sie erfolgreiche Bankerin. Sie versuchten während Jahren vergeblich, ein Kind zu bekommen und adoptierten schlussendlich ein Mädchen aus Indonesien.
Da ich auf keinen Fall schwanger von Alex werden wollte, setzte ich mir während Jahren die Drei-Monats-Spritze selber. Wegen der dauernden Belastung durch Hormone wollte ich mal umstellen auf Verhütung mit einer Spirale. Das Einsetzen einer solchen war allerdings wegen meiner Schmerzhaftigkeit nicht möglich und der Arzt schlug vor, dies unter Vollnarkose zu machen, oder aber gleich eine Unterbindung vorzunehmen, da ich ja bereits 36-jährig war. Ich entschied mich für Letzteres, aber wollte das heimlich tun, da es mir Alex wahrscheinlich verboten hätte.
Also vereinbarte ich an einem meiner freien Donnerstage einen OP-Termin im Spital Kilchberg und musste am frühen Morgen dort antraben. Dem Alex sagte ich, ich würde nach Zürich gehen auf einen Einkaufsbummel. Gegen Mittag wachte ich aus der Narkose auf und hätte eigentlich noch bis zum Abend bleiben müssen. Für den Eingriff wurden lediglich zwei kleine Einschnitte oberhalb der Schamhaargrenze und Nähe Bauchnabel gemacht. Die waren durch Pflaster zu überdecken. Ich wachte aus der Narkose auf, rappelte mich hoch und schlich mich taumelnd zu meinem Auto und verliess unerlaubter Weise das Spital und fuhr mehr tot als lebendig über die Autobahn nach Hause. Dem Alex sagte ich, es wäre mir übel, da ich in Zürich was Schlechtes gegessen hätte. Ich legte mich ins Bett und am nächsten Tag ging ich normal zur Arbeit, als wäre nichts gewesen. Nun war ich also sozusagen unfruchtbar bzw. nicht mehr in der Lage, schwanger zu werden. Aber das wollte ich sowieso nicht. Jedenfalls nicht mit diesem Mann an meiner Seite. Ich wusste damals noch rein gar nichts über unsere psychiatrischen Diagnosen. Alex ein toxischer Narzisst und Sadist. Ich mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung und schizoider Wesensveränderung. Eins war mir allerdings immer klar: wir durften keine gemeinsamen Kinder in die Welt stellen. Mehr als ein Verbrecher wäre da nicht rausgekommen!
Als dann das Baby bei Marks ankam, war ich wie verzaubert über dieses reizende kleine Wesen. Ich begann, mir darüber Gedanken zu machen, wie es wäre, wenn auch wir so ein Kind hätten. Vielleicht würde dann, wenn wir eine glückliche Familie wären, alles besser. Auch Alex fand Geschmack an der Idee, wollte aber, dass wir es zunächst selber probieren. Da war nun der Zeitpunkt gekommen, ihm zu beichten, dass ich mich heimlich hatte unterbinden lassen. Seine Wut war grenzenlos. Er sprach während Wochen kein Wort mehr mit mir. Wir hatten seitdem auch nie wieder Sex miteinander, er rührte mich nie wieder an. Dafür onanierte er jede Nacht neben mir. Hatte Sex-Heftchen abonniert und er ging weiterhin regelmässig ins Bordell bzw. hatte dort vermutlich sogar eine Dauerpartnerin.
Jedenfalls fand ich unten in unserer Garage regelmässig Papier von Blumensträussen, die er für diese Frauen bzw. Frau kaufte. Er kaufte sich einen Hausanzug und Pantoffeln, die er mitnahm und dort wohl deponierte. Ich akzeptierte es so, wie es war. War eigentlich froh, dass wir keinen Sex mehr hatten. Ich hatte inzwischen ein Verhältnis mit Reto B., meinem Chef bei Hommel. Da Reto aber mit einer anderen Frau zusammenlebte und deren beiden Kindern eine Art Vater-Ersatz war, gab ich diese Beziehung auf. Gleichzeitig schaute ich mich nach einem neuen Job um.

Die Union Rückversicherung suchte eine medizinisch ausgebildete Person als „Life-Underwriter“. Es ging darum, in der Lebens-Rückversicherung Anträge bzw. medizinische Unterlagen von gesundheitlich erhöhten Risiken von Leuten zu begutachten, die trotz verminderter Lebenserwartung gegen Bezahlung einer Zusatzprämie doch noch zu einer Lebensversicherung kommen wollten. Meistens kamen solche sogenannten Antragspapiere von ausländischen Erst-Versicherungs-Gesellschaften, die so ein Risiko nicht allein tragen wollten und der Rückversicherung dann einen Teil des erhobenen Zuschlags abgaben. Eine höchst anspruchsvolle und interessante Aufgabe, zumal sie in vielen Fremdsprachen (Englisch, Spanisch, Italienisch, Französisch, Flämisch) kamen.
Ich nahm die Herausforderung an und bekam den Job. Es stand mir ein Arzt für besonders schwierige Fälle sowie die Interpretation von EKG’s etc. zur Seite. Er kam täglich vorbei und begutachtete die von mir vorbereiteten Unterlagen. Ich las ständig Fachzeitschriften, besuchte Weiterbildungskongresse und wurde mit der Zeit eine grosse Spezialistin. Ich liebte es ausserdem, komplexe Schadenfälle zu untersuchen und versuchten Versicherungsbetrug aufzudecken. Ich war ziemlich begabt im Studium von reichhaltigen Unterlagen. Ich hatte die Kompetenz, Zusatzuntersuchungen anzufordern, wenn es mir notwendig erschien, um einen endgültigen Entscheid zu fällen.
Wir waren beliebte Partner von anderen grossen Rückversicherungs-Gesellschaften, vorwiegend aus den USA. Dort ging es darum, das Risiko von riesigen Versicherungssummen von meistens zweistelligen Millionen-Beträgen untereinander aufzuteilen. Da kamen dann durch Kuriere Dossiers, die mehrere hundert Seiten umfassten und es ging um die Versicherung von prominenten Leuten wie Madonna oder Michael Jackson. Es waren viele bekannte Profi-Sportler dabei, Boxer, Basketballspieler etc. Ich bekam Einblick in interessante medizinische Dossiers und lernte dadurch seltene Krankheiten kennen, von denen z.B. Alex noch nie etwas gehört hatte. Ich liebte meinen Job und ging voll darin auf.
Als Grundlage hatte ich von der Schweizer Rück sowie von anderen bekannten grossen Rückversicherungs-Gesellschaften sogenannte Underwriting-Manuals. Dort wurden Krankheiten, die eine Lebenserwartung verringern konnten, eingehend beschrieben und bis ins letzte Detail berechnet, wie gross die Uebersterblichkeit bzw. wie gross die verringerte Lebenserwartung sein könnte, alles in Kombination mit Körpergrösse, Gewicht und anderen vorliegenden Anomalien oder Krankheiten. Sehr anspruchsvoll, aber ich beherrschte mit der Zeit die Materie meisterhaft und war bei unseren Versicherungspartnern im Ausland sehr beliebt.
Sie schickten eigene Leute zu mir zur Weiterbildung und ich machte mich mit der Zeit schier unentbehrlich. War in den Ferien immer erreichbar und man konnte mir ganz dringende Fälle per Fax zuschicken. Natürlich musste ich Stellvertretungen von mir ausbilden. Dazu waren die Versicherungs-Mathematiker verknurrt. Es gab Begabtere und weniger Begabte darunter. Der eine hiess Claude Chèvre (ich nannte ihn "Goaty"), ein anderer war Rolf Steiner ("Stoney"). Zu beiden hatte ich ein tolles Verhältnis. Ein Dritter war Dr.Dr. Daniel Surchat ("Old Spice"), ein skurriler Typ, promoviert in Mathematik und Physik. Irgendwie nicht alltagstauglich in meinen Augen. An ihm biss ich mir die Zähne aus. Während der Ausbildung zu meiner Stellvertretung konnte ich ihn z.B. fragen, ob er begriffen hätte, was ich soeben versucht hatte zu erklären. Seine Antwort konnte dann lauten "der Himmel ist blau". Er war viel mit dem Delta-Segler unterwegs oder unternahm mehrwöchige Expeditionen auf den Mount Everest oder ins Himalaya-Gebirge. Er starb dann auch tatsächlich im ewigen Eis. Er wurde keine 36 Jahre alt. Die Mathematiker nannten mich "naughty girl".
Ich hatte ein tolles und grosses Einzelbüro, in der selben Grösse wie unser Abteilungsdirektor. Ansehen und Privilegien waren mir sicher. Endlich akzeptierte mich auch Alex etwas mehr und unsere Beziehung wurde allmählich besser.

Die Adoptions-Agentur in der Schweiz, welche mit Indonesien zusammenarbeitete, verlangte allerdings, dass wir heiraten sollten vor Inangriffnahme der ganzen Vorbereitungs-Arbeiten und Beschaffen der vielen erforderlichen Dokumente. Das taten wir dann auch. Es war ein kleiner standesamtlicher Anlass und ich arbeitete am Vormittag des 7. März l983 noch und am Nachmittag fand dann auf dem Zivilstandsamt Wollerau die Trauung statt.
Trauzeugen waren glaube ich die F's, soweit ich mich erinnern kann. Am Abend luden wir einige Gäste in den Löwen Sihlbrugg ein, so z.B. unsere Nachbarn, die Marks und die H.'s, meine Mutter, den Vater von Alex und dessen Freundin sowie einen alten Freund von Alex aus Jugendzeiten, den Dani Fricker. Anschliessend waren wir noch bei F's zu einem Trunk eingeladen. Dort warteten weitere Gäste von F's auf uns und der Abend endete ziemlich spät.

(1) Hochzeit mit Alex am 7. März 1983. Ich knapp 39-jährig, er 4 Jahre älter
(2) Die ersten Hochzeitsgäste treffen ein zum Apéro. Links Peter und Vreni Mark. Rechts Thys und Agnes H.
Wir unternahmen eine Hochzeitsreise, aber eigentlich war es eher einer unserer legendären Ski-Urlaube mit dem Club-Med. Da herrschte immer Ramba-Zamba, tolles Ambiente, feines Essen, tolle Skilehrer, sogenannte Gentil-Organisateurs und natürlich Gäste, Gentil Membres, aus der ganzen Welt. Ausser Sommerferien mit dem Club an vielen Orten der Welt zogen wir für den Winterurlaub jeweils Orte in der Schweiz vor, wo es einen CM gab.
In St. Moritz, Villars, Engelberg und Wengen waren wir bereits. Es fehlte noch Valbella. Also buchten wir Valbella. Alex versuchte es trotz früherem Fiasko erneut in der Rennklasse, wo sie wie die Haudegen im Tiefschnee ausserhalb der Pisten halsbrecherische Fahrten unternahmen. Ich reihte mich ein in eine Klasse der sehr guten Skifahrer und war gut damit bedient. Es gab in meiner Klasse einen charmanten Franzosen, den Christophe Huber aus Mulhouse. Er war zwar sicher einige Jahre jünger als ich, höchstens Anfang dreissig, aber wir flirteten zusammen auf Teufel komm raus. Da ich mit Alex keinen Sex mehr hatte und er ausserdem ständig fremd ging, hatte ich keine Skrupel, mich auf ein Abenteuer mit diesem Christophe einzulassen.
Es war prickelnd und aufregend, denn so hoch offiziell wollten wir es denn doch nicht machen, schliesslich war ich auf Hochzeitsreise. Die Liaison zog sich auch nach unserem Skiurlaub weiter. Ich rief ihn oft an im Peugeot-Werk in Mulhouse, wo er arbeitete und wir vereinbarten schliesslich ein Treffen in der Schweiz. Ich lud ihn sogar zu uns nach Wollerau ein und Alex hatte nichts dagegen. Alex ging tagsüber zur Arbeit und ich konnte mit Christophe im Haus tun, was ich wollte. Für ein nächstes Treffen schlug ich dann allerdings einen anderen Ort vor und wir übernachteten in einem Hotel Nähe Zofingen, wo ich mich noch von meiner Kindheit her auskannte. Wir hatten guten Sex doch auf die Dauer war es denn doch nichts mit dieser Distanz. Ausserdem war ich bald Mutter und wollte inskünftig auf solche Abenteuer verzichten. Er war traurig, ich anfänglich auch. Aber für mich war das Thema abgeschlossen.
Im Spätsommer teilte uns die Adoptions-Agentur mit, man hätte uns ein Mädchen namens Rustinah zugeteilt und wir müssten innert zwei Wochen bereit sein, nach Jakarta zu fliegen. Wir bekamen eine Liste, was wir alles mitbringen sollten und wie wir uns zum Gerichtstermin zu kleiden hätten. Mein Mann in Anzug und Krawatte. Ich selber in langem Kleid und mit langen Aermeln. Man würde uns einen Uebersetzer zur Seite stellen und wir mussten während einer Woche in Jakarta in einer ausgewählten Pension verbringen in Nähe des Heims, wo das kleine Baby auf uns wartete.
Wir gaben zwei Tage vor Abreise noch eine grosse Einladung bei uns für die Wädenswiler Aerzte, alle mit ihren Ehefrauen. Es waren gegen 50 Personen. Eines der Paare brachte uns einen Stubenwagen für das Kind und die Marks, unsere Nachbarn, stellten uns viele Babysachen ihrer Ivana zur Verfügung. Ihr Adoptivtöchterlein war inzwischen jährig geworden und benötigte die Sachen nicht mehr. Zur erhaltenen Erst-Ausrüstung gehörten auch eine knallgrüne Baby-Tragtasche und ein Uralt-Kinderwagen. Zuhause war alles vorbereitet, Wickelkissen, Baby-Badewanne, Kinderbettchen, Schoppen etc. Einen Säuglingskurs besuchte ich nicht. Ich traute mir zu, das schon richtig zu machen. So war es denn auch. Es ist keine Kunst, ein Kleinkind zu wickeln und zu füttern.
Der Flug mit Garuda Airlines war lang und unbequem. Aber überglücklich kamen wir in Jakarta an, wo die Leute von der indonesischen Agentur auf uns warteten. Die Pension war bescheiden, doch wir hatten ja Grosses vor. Am nächsten Tag wollte man uns unser Kind erstmals zeigen. Es war allerdings nicht Rustinah, die war leider in der Zwischenzeit verstorben.
Man führte uns zu einem Kinderbettchen, wo drei Säuglinge quer nebeneinandergelegt lagen. Das vorderste Baby war unser Kind. Auf dem am Bettchen angehefteten Papier standen dessen Namen und Geburtsdatum: Siti-Rosiam, geboren am 12. Juni 1983 war da zu lesen. Mich traf schier der Schlag. Der 12. Juni war auch mein Geburtstag, allerdings 39 Jahre früher, nämlich 1944. Das musste doch Schicksal sein! Ueberglücklich nahm ich Siti in meine Arme und es war vom allerersten Augenblick an MEIN Kind. Alex sprach zwar noch etwas von „fliehendem Kinn“. Aber ich fuhr ihn gleich an und sagte, ich würde es wunderschön finden, und so war es auch. Es war zwar kahlrasiert, weil alle Kinder dort scheinbar Läuse hatten. Das spielte in jenem Moment absolut keine Rolle. Mein Glück war unermesslich gross.
Leider konnten wir Siti nicht gleich mitnehmen, denn nun kamen die vielen indonesischen Formalitäten. Der Gerichtstermin am nächsten Tag stand an und wir mussten Siti bis zum definitiven Entscheid, der ca. eine Woche in Anspruch nahm, noch im Kinderheim lassen. Diesen Umstand nutzten wir und reisten zwischenzeitlich noch eine Woche nach Bali.
Dieses Mal hatte ich genügend Geld dabei, um balinesische Kunst einzukaufen. Eine wunderbare Miniatur-Malerei von einem der begabten Künstler sowie eine dreidimensionale Holzschnitzerei. Beim ersten Besuch auf Bali 1976 reichten unsere Finanzen nicht, so etwas zu kaufen und ich hatte lange davon geträumt.
Es war abenteuerlich, mit dem grossen Bild, v.a. dem geschnitzten dazu passenden Bilderrahmen herumzureisen. Abenteuerlich war auch der Einkauf des Bildes. Man führte uns zum Künstler nach Hause und er brachte uns an seiner Familie vorbei durch den Schweinestall zu seinem Atelier, wo wir dann besagtes Bild auslesen konnten. Er hatte 6 Monate daran gearbeitet und hatte für kleinere Details wie Bäume oder Blumen noch Hilfsmaler beschäftigt. Ich hatte 1200 US- Dollars dabei, damals etwa dreimal so viel wert wie heute. Der Maler traute dem Geld nicht und wir mussten mit dem Taxi zu einer Bank fahren, um die Dollars in indonesische Rupien umzutauschen. Es gab ungefähr zwei grosse Papier-Tragtaschen voller Geld, entsprechend einem Dreijahres-Einkommen für den Künstler. Die ganze am Boden hockende Familie des Künstlers war mit dem Zählen der Geldscheine beschäftigt, bis wir endlich nach einer gefühlten Ewigkeit die Oertlichkeit verlassen durften. Der Bilderrahmen in vier Einzelteilen wurde mit Schnüren aussen am Taxi befestigt. Das Bild zusammengerollt. So fuhren wir zurück zum Hotel.
(3) Teilansicht des Bildes. Hier hängt es im alten Heim an der Altenbachstrasse.
(4) Bildausschnitt. Das Bild war 2x3 m gross. Ich wollte es Siti schenken. Sie lehnte leider ab. Zum Spottpreis verkaufte ich es via Tutti an einen Deutschen.
Auch der Einkauf der Holschnitzerei war nicht auf die Schnelle zu erledigen. Ich wählte ein dreidimensionales Bild, das noch nicht braun eingefärbt war, sondern noch im weissen Mangoholz zur Verfügung stand. Wir einigten uns darauf, dass der Künstler es noch mit Schuh-Crème braun einfärben würde und zusätzlich zum vereinbarten Preis von rund 750.- US-Dollars noch die Turnschuhe von Alex dazugelegt werden mussten, wenn er uns am nächsten Tag das Kunstwerk zum Hotel bringen würde.
(5) Die Schnitzerei. Auch diese wollte Siti nicht bekommen. Sie ging für wenig Geld via Ricardo an einen Asiatica-Liebhaber.
Als wir anschliessend an unseren schönen Bali-Aufenthalt nach Jakarta zurückflogen, deponierten wir die gekauften Werke am Flughafen und wollten sie erst bei Antritt des Rückflugs wieder mitnehmen, und zwar als Handgepäck. So etwas ging damals noch!!
Mit der Adoption war alles rund gelaufen und wir durften Siti im Kinderheim abholen. Ich fühlte mich vom ersten Augenblick an als Mutter und Siti brachte grosses Glück in unsere Familie. Wir hatten für den Rückflug die vordersten Plätze mit Beinfreiheit und Möglichkeit, ein Kinderbett aufzuhängen, gebucht. Das hatte hinten und vorne nicht geklappt und man wollte uns zunächst für den langen Flug auf zwei enge Sitze quetschen. Dies, obschon wir für den Rückflug auch für Siti ein Kinderticket gekauft hatten.
Das Personal zeigte dann ein Einsehen und gab uns schliesslich die durch die Agentur gebuchten Plätze und stellte auch das Kinderbett zur Verfügung. Das war auch dringend notwendig, denn ich musste Siti unterwegs mehrfach wickeln und füttern. Ausserdem hatte ich vermutlich bei den gereichten Sandwiches Salmonellen aufgelesen und musste quasi nonstop erbrechen. Es war kein angenehmer Flug, aber unser Glück war riesengross.
Zu unserer grossen Ueberraschung erwarteten uns am Flughafen in Zürich die Marks und wir waren mehr als froh darüber, denn unser Gepäck war umfangreicher als geplant. So kamen auch der Bilderrahmen, die Schnitzerei, unsere Koffer und wir selber wohlbehalten und todmüde in Wollerau an. Meine Mutter erwartete uns und nahm uns sogleich Siti ab. Sie war nun nochmals Oma geworden und hatte eine schöne Aufgabe.
(6) Ankunft am Flughafen in Zürich nach der Abholung unseres Kindes Siti in Jakarta/Indonesien
(7) Die stolzen Eltern und ihr Kind
(8) Mein Kind Siti in meinen Armen. Das Glück war vollkommen!
Bei der Union Rück war man natürlich nicht glücklich über meinen Abgang. Hatte ich denen doch bei Einstellung versichert, dass ich viele Jahre bleiben würde und keinerlei Absichten hätte zu heiraten, geschweige denn, Kinder zu kriegen. Immerhin hatte ich sie rechtzeitig informiert und auch dafür gesorgt, dass in Peggy Zimmermann eine würdige und kompetente Nachfolgerin gefunden wurde, die ich auch noch selber ausbilden konnte. Ferner hatte ich in Aussicht gestellt, bei Ferienabwesenheiten oder Krankheit meiner Nachfolgerin jeweils die Stellvertretung zu übernehmen. Ich hatte ja in meiner Mutter einen geeigneten Babysitter zuhause.
Nach indonesischem Gesetz war Siti jetzt unser Kind. Nach Schweizer Gesetz waren allerdings noch einige Hürden zu nehmen. Während der ersten beiden Jahre mussten wir uns als Pflege-Eltern bewähren und Siti bekam einen Vormund von Gesetzes wegen. Der hatte alle paar Monate bei uns zu prüfen, ob wir alles richtig machten und ob es Siti gut geht. Während dieser Zeit waren uns die Hände gebunden und wir konnten keine Auslandreisen unternehmen, da wir nicht über die erforderlichen Papiere für Siti verfügten. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es lediglich für Deutschland und Oesterreich eine Ausnahme, und die nutzten wir auch.
Nach Ablauf der zwei Jahre war es dann nur noch eine Formsache und Siti war endgültig eine H. und wurde auch entsprechend in unseren Pässen so eingetragen.
Siti war ein fröhliches Kind und völlig unproblematisch. Sie lachte oft und bereitete uns grosse Freude. Einzig ihr ständiger Durchfall bereitete uns Sorgen. Der Kinderarzt stellte eine Darminfektion mit Campylobakter fest, wollte dieselbe jedoch nicht behandeln. Ich brauchte Berge von Windeln und musste v.a. bei kleinen Kurzausflügen immer viele Windeln mitnehmen. Alex wurde es nach einigen Wochen zuviel und er sagte, dass diese Infektion nun behandelt würde, basta. Ohne den Kinderarzt nochmals zu befragen, wurde dem Schoppen ein Antibioticum beigemischt und der Spuk war tatsächlich vorüber.
Damals war für Babies noch Bauchlage angesagt. Also kaufte ich für ihr Bettchen ein Fixleintuch mit Reissverschluss und oben eine Art „Gschtältli“, wo ich ihren Oberkörper einführen konnte und sie dann bäuchlings reinlegte und den Reissverschluss zuzog. So lag sie sicher. Trotz allem fürchtete ich mich lange Zeit vor dem plötzlichen Kindstod, über den damals viele sprachen. Zum Glück ist nie etwas passiert und Joggeli, unser Katzenmädchen, verbrachte viele Stunden im Bettchen neben Siti und hat sie bewacht. So ist Siti schon als Kleinkind an Katzen gewöhnt worden und mag wohl daher heute noch alle Samtpfoten, wie ich selber übrigens auch. Ein Leben ohne Katze an meiner Seite kann ich mir schlicht nicht vorstellen.
Wenn ich mich zurückerinnere, so habe ich Siti eigentlich von Anfang an immer wie eine kleine Erwachsene behandelt. Eine sogenannte Babysprache gab es bei uns jedenfalls nicht und ich habe normal mit ihr gesprochen, obschon sie mich als Baby natürlich noch nicht verstanden hat. So erklärte ich ihr denn auch, dass ich nun schnell für eine halbe Stunde zum Einkaufen nach Wädenswil fahren würde und dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche, denn Joggeli war ja bei ihr. So ist es dann jeweils auch geschehen. Wenn ich vom Einkauf zurückkam, lag sie friedlich in ihrem Bettchen und hat mich angelächelt, als ich wieder zu ihr kam.
Haare hat sie sehr lange keine bekommen. Zähne auch nicht. Sie war ein echter Spätzünder. Ein Problem war es denn auch, dass sie einfach nicht auf Windeln verzichten wollte. Und das zumindest hätten wir erreichen müssen vor Eintritt in den Kindergarten. Denn dort nehmen sie keine Kinder, die Windeln tragen. Aus verständlichen Gründen. Ich liess mir etwas einfallen. Als Siti mich wieder mal darum bat, eine Windel zu bekommen, da sie ihr grosses Geschäft verrichten wollte, erklärte ich ihr, dass ich leider über keine einzige Windel verfüge und dass es im Laden auch keine gegeben hätte. Da standen wir nun vor einem Problem, das allerdings zu lösen war. Endlich war sie bereit, sich aufs Klo setzen zu lassen und siehe da, es hat geklappt! Wir waren einen Riesenschritt weitergekommen.
(9) Ein paar Impressionen aus der frühen Kindheit von Siti
(10) Dieses Clown-Kostüm schenkte ihr Nachbarin Ilse Höflich. Siti bestand darauf, es während mehreren Wochen nicht mehr abzulegen! Wir gingen also in diesem Aufzug noch Wochen später so z.B. zum Einkaufen :-)
(11) Mit Freundin Nadja an der Fasnacht
(12) Taufe mit 4 Jahren durch Pfarrer Emge
Doch dazwischen lagen ja noch viele glückliche Kleinkinderjahre, die ich voll genossen hatte. Ich glaube, dass das intelligente Kind es verstanden hat, dass es voll dazu gehörte und man immer mit ihm sprach, als wäre es schon erwachsen. Es hat nie Probleme gegeben und wir hatten v.a. viele wunderbare Rituale. So war es immer für mich ein Highlight des Tages, wenn ich abends Siti vor dem Schlafengehen nochmals wickelte und liebkoste. Wir tauschten Zärtlichkeiten aus und sie liess es lächelnd und glücklich geschehen.
Schon früh stellte ich neben ihr Bettchen ein Kinder-Tonbandgerät und liess dort Kinderlieder laufen oder Kasperli-Hörspiele von Jörg Schneider. Die hat sie heiss geliebt. Ich zeigte ihr, wie sie das Band zurückspulen konnte, um den Text nochmals und nochmals zu hören. Oft tönte es noch weit gegen Mitternacht aus ihrem Zimmer „tra, tra, trallala“. Das war wohl auch mit ein Grund dafür, dass sie breitestes Zürichdeutsch sprach, als sie sprechen lernte. Jörg Schneiders Worte und sein Dialekt waren jedenfalls deutlich zu erkennen.
Wir unternahmen kleinere und grössere Reisli mit ihr, entsprechend den Möglichkeiten, die wir hatten ohne gültige Papiere für sie. So besuchten wir oft und gerne den Tessin, nahmen uns dort eine Ferienwohnung und konnten Tennis spielen und Siti höckelte einfach ruhig unter einem Sonnenschirm in der Nähe und begnügte sich mit kleinem Spielzeug, das wir mitgenommen hatten. Niemals hat sie reklamiert, sie war mehr als unkompliziert. Auch fuhren wir für Wanderungen in den Schwarzwald, wo ich sie auf einem Rücken-Traggestell mitgetragen hatte. Anfangs hatte ich eher eine sog. Känguruh-Bauchtragetasche, die ich vorneherum tragen konnte. Siti war immer und überall dabei. Als sie ca. einjährig war, verbrachten wir Tennisferien in Oesterreich. Dort machte sie nach einem Nachtessen spontan tatsächlich ihre ersten eigenen Schritte. Von da an konnte sie laufen!
Zuhause wäre es eigentlich etwas problematisch gewesen, da unser Haus von unten bis oben offen war, verbunden mit Treppen und Galerien. Jedermann erklärte uns, dass dies extrem gefährlich werde und dass wir überall Netze spannen müssten. Das taten wir allerdings nicht, sondern erklärten ihr, wie sie aufpassen sollte. Sie hatte ein kleines Wägeli mit Rädern, in welches ein Sitzli integriert war. Damit kurvte sie in unserem überdimensioniert grossen Wohnzimmer herum.
Eines Tages geschah dann doch etwas, das zum Glück glimpflich abgelaufen ist. Im Uebermut fuhr Siti etwas schnell herum und konnte vor dem Treppenabgang zu Oma’s Wohnung nicht mehr stoppen. Das Wägeli sauste die Treppe runter und landete bei Oma. Passiert ist nichts, aber meine Mutter machte mir deswegen sehr lange Vorwürfe. Vom Moment an, wo Siti laufen konnte, hatten wir eigentlich keine Bedenken mehr. Die Treppen hoch und runter robbte sie auf dem Hintern und ansonsten konnte sie ja gehen.
Sie liebte den Garten und wollte schon früh ihre eigenen Rüebli pflanzen. Ich kaufte ihr diverse Säcklein Gemüsesamen und sie bekam im oberen Teil unseres Gartens ein eigenes kleines Beet. Dort wurden dann Bahnen gezogen und die Rüebli angesät. Es sollte 25 kg geben! Geworden ist nichts daraus ausser einer Handvoll verkrüppelter Karotten. Wir wussten nicht, woran es gescheitert war. Vermutlich hätte man die Setzlinge ausdünnen müssen, aber das wusste niemand von uns. Wir hatten im selben Bereich auch einen Kirschbaum stehen und es bereitete Siti grosses Vergnügen, auf diesen Baum zu klettern und dort Stunden zu verbringen.
Vor dem Haus hatten wir ein grosses Biotop und ich hatte ihr eine Schaukel gekauft, die ich vor dem Hallenbad aufstellte. Die Schaukel nutzte sie eher selten, dafür interessierte sie sich für das Biotop, denn dort gab es Kröten und Bergmolche, Libellenlarven, Gelbrandkäfer und dergleichen mehr. Schon früh interessierte sich Siti für die Tierwelt und wollte von jedem Insekt wissen, wie es heisst. Sie wurde zur kleinen Biologin. Auch für Blumen, Kräuter und Pilze interessierte sie sich. Sie kannte die Namen ausgefallener Pflanzen und rief sogar aus dem Auto raus, was sie am Wegrand so alles sehen konnte.
Sie lernte sehr bald lesen und schreiben und blätterte gerne in Fachbüchern. Ebenso interessant fand sie die ganzen Dinosaurier und sie zeichnete zu unserem grossen Erstaunen aus der Paläontologie die ganze damalige Tierwelt mit richtigem Namen und in der richtigen Reihenfolge. Einmal etwas gelesen oder gesehen und es war wie eingebrannt in ihrem Hirn. Sie schien über ein fotografisches Gedächtnis zu verfügen. Natürlich machte das nicht nur mich, sondern insbesondere den Papa stolz. Anstatt sich jedoch darüber zu freuen, war er viel zu ehrgeizig und quälte Siti damit, sich noch viel zusätzliches Wissen anzueignen. So z.B. in Geographie.
Ich kann mich erinnern, dass er mich vor Siti’s Ankunft selber damit drangsaliert hat. Ich musste jeden Berg, jedes Kaff, jeden Fluss kennen. Das verlangte er nun von Siti und liess dafür mich in Ruhe. Leider war das mittlerweile fast ein täglicher Streitpunkt und ich wollte einfach erwirken, dass man Siti freien Lauf lassen sollte und sie doch noch ihre Kinderzeit etwas geniessen durfte. Aber der ehrgeizige Alex wollte im ganzen Bekanntenkreis damit prahlen, was für ein Wunderkind unsere Siti doch war. Es wurde zum unerträglichen Machtkampf zwischen uns.
Schlimm waren jeweils die Weihnachtsfeste, die wir gemeinsam mit meiner Mutter feiern wollten. Ich hatte Geschenke für Siti vorbereitet, den Baum geschmückt, den Tisch festlich gedeckt und ein Weihnachtsmenü vorbereitet. Alex vermieste uns dieses Fest jedoch konsequent jedesmal gründlich. Vor dem Anzünden der Kerzen am Baum und vor dem Essen oder Geschenke auspacken musste Siti Flötenlieder spielen, lange Gedichte aufsagen, endlos lang und Alex gab keine Ruhe bevor nicht meine Mutter, ich selber und auch Siti in Tränen aufgelöst auf die Terrasse rausgingen und den restlichen Abend nicht mehr geniessen konnten.
(13) Ein Weihnachtsfest - der Schein trügt!
(14) Siti beim Flötenspiel vor dem Weihnachtsbaum
(15) Der Samichlaus zu Besuch
Es war immer und immer wieder genau gleich. Er war ein Sadist und es bereitete ihm Befriedigung, auf solche Art und Weise Macht über uns auszuüben. Darunter haben wir alle sehr gelitten. Ich fürchte, dass sich Siti deswegen auch heute noch absolut nichts aus dem Weihnachtsfest macht. Ich übrigens auch nicht mehr, Weihnachten ist ein Tag wie jeder andere auch. Leider! Könnte ich das Rad der Zeit an dieser Stelle zurückdrehen, ich hätte einiges anders gemacht. Aber nachträglich ist man immer klüger. Er nannte mich auch nicht mehr bei meinem Vornamen, mein Name, mit dem er mich rief, war "Putzfrau". Wenn ich mit ihm sprechen wollte, hielt er demonstrativ die Zeitung vor seinen Kopf und gab einfach keine Antwort!
Damit Siti etwas Kontakt zu anderen Kleinkindern bekommen konnte, brachte ich sie an einigen Vormittagen der Woche zu einer Kita in Richterswil. Sie integrierte sich dort gut und es schien ihr zu gefallen. Ausserdem wurde in unmittelbarer Nachbarschaft ein neues Haus gebaut, in welches die Familie Stäubli einzog. Sie hatten eine Tochter namens Nadja und die war nur wenige Monate jünger als Siti. Die beiden Mädchen freundeten sich an und verbrachten viel Zeit miteinander.
Nadja kam gerne zu uns, da wir ein Hallenbad besassen. Die Kinder trugen dann Schwimm-Flügelchen und hatten aufblasbare Krokodile, Taucherbrillen, Schnorchel etc. zum Spielen. Uschi Stäubli spielte im Tennisclub Richterswil, wie ich inzwischen auch. Wir gingen oft zusammen spielen, obschon Uschi viel besser war. Wir nahmen Nadja und Siti mit und sie durften mit dem Tennissand sändele, während wir Mütter uns sportlich betätigten.
Im Winter fuhren wir zusammen in die Bennau zum Skifahren und da gab es am Schluss Pommes-frites mit Ketchup. Siti durfte mit den Stäubli‘s auch mal in die Ferien ins Berner Oberland, wo sie eine Ferienwohnung besitzen.
Für Siti organisierte ich alljährlich einen Kindergeburtstag, wo sie rund 10 Kinder einladen durfte und Spiele mit Preisen organisiert wurden. Für die Mütter gab es Kaffee und Kuchen. Mein eigener Geburtstag, der ja am selben Tag gewesen wäre, ging da meistens komplett unter. Das war mir allerdings egal, Hauptsache, Siti hatte ihren Spass. Denn solche Erinnerungen bleiben haften, ich hoffe ein Leben lang. Mir geht es jedenfalls so, die paar wenigen Kindergeburtstage, die für mich früher arrangiert worden sind, sind mir immer noch präsent. Ich wünschte mir als Mitbringsel meistens eine Tube gesüsste Kondensmilch und davon hatte ich stets reichlich erhalten!
(16) Eines der ersten Geburtstags-Feste für Siti. Rechts neben ihr Nadja Stäubli, hinten von links Töbeli Kellerhals, Ivana Mark, Nicole Kellerhals (ursprünglich aus Indien)
Dass bei Siti als geborene Asiatin eine Zöliakie oder Laktose-Intoleranz vorliegen könnte, realisierten wir leider lange Zeit nicht. Als sie nämlich ins Alter kam wo langsam zu fester Nahrung übergegangen werden konnte, weigerte sie sich konsequent, ihr Frühstücksbrot zusammen mit einer Tasse Ovo einzunehmen. Sie verlangte nach Reis oder Fisch. Aepfel wollten ihr lange auch nicht schmecken, dafür biss sie genüsslich in eine Zitrone rein. Zumindest Alex als Arzt hätte das auffallen müssen, tat es aber nicht. Ich als Mutter ging längere Zeit auf Siti’s Sonderwünsche ein. Alex fand dann jedoch eines Tages, dass jetzt Schluss damit wäre und «normal» gegessen werden sollte bei uns. Siti hat darunter gelitten, nahm es aber hin.
Leider hatten wir selber auch nie bemerkt, dass sie unter einer Sehschwäche litt. Wenn sie zeichnete oder schrieb, hielt sie ihren Kopf immer dicht über dem Heft unter ihr, damit sie sehen konnte, was sie zu Papier brachte. Auf diesen Umstand machte uns Frau Dr. Stedtnitz aufmerksam, bei der wir Siti wegen ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz abklären liessen. Sie war tatsächlich hochbegabt und hat sich in der normalen Schule gelangweilt, weil sie den meisten Schülern voraus war. Nun, eine Brille hat sie schliesslich bekommen. Als Eltern hatten wir da total versagt!
Siti’s asiatischen Gene brachen auch durch, als es darum ging, beim Essen Besteck zu verwenden. In grossen Teilen Asiens isst man ja ausschliesslich mit den Händen. So war auch Siti nicht dafür zu begeistern, ihr extra angeschafftes Kinderbesteck zu benutzen. Ich drohte ihr, der Samichlaus, welcher im Wald oberhalb uns wohnte, würde das sehen und in sein goldenes Buch notieren. Die Konsequenzen würde sie dann anlässlich seines nächsten Besuchs bei uns erfahren. Das glaubte sie zunächst, aber es war nicht von langer Dauer. Schliesslich füllte ich ihr Essen in Katzengeschirr ab und wenn sie mit den Händen essen wollte, so nur noch aus dem Katzengeschirr. Das war ihr denn doch nicht angenehm. Von da an klappte es mit dem Besteck.
Zu Kleinkinderzeiten von Siti gab es leider auch wieder einige Grosseinladungen, zu welchen ausschliesslich Bekannte von Alex eingeladen worden sind und im Hallenbad-Trakt wilde Parties veranstaltet wurden.
Auch Männereinladungen in die Sauna, zu der merkwürdige Frauen aus dem Milieu dazukamen. Ich war nie dabei, sondern blieb oben bei Siti und ging früh zu Bett. Als es wieder mal soweit war und unten rund 30 Leute nackt im Bad planschten und getrunken und gefeiert wurde, gab es ein starkes Gewitter mit Regen. Ich wollte nicht, dass Alex den Leuten für den Nachhauseweg meine Regenschirme abgab, die ich womöglich nie wieder zu Gesicht bekommen hätte. Also schlich ich zur Garderobe runter und entfernte alle Schirme und versteckte sie oben irgendwo.
Ich schloss mich im allerobersten Gästezimmer ein und legte mich schlafen. Mitten in der Nacht pochte es an die Türe. Alex verlangte, dass ich sofort öffne und die Schirme herausgebe. Ich stellte mich taub. Da schlug er die Türe ein und stürzte sich wie ein wildes Tier auf mich. Mit den Fäusten schlug er wahllos auf mich ein und hörte einfach nicht mehr auf. Inzwischen waren Siti und meine aufgeschreckte Mutter dazu gekommen. Nichts konnte Alex von mir abhalten.
Bewusstlos und blutüberströmt liess er mich liegen. Am nächsten Tag sah ich erbärmlich aus. Ueberall blutende Platzwunden, Riesenveilchen bei beiden Augen. Ueberall Blutergüsse. Meine Mutter verlangte, dass ich zur Polizei gehe und Anzeige erstatte. Das tat ich dann auch. Als Alex davon erfuhr, verlangte er, dass ich die Anzeige augenblicklich zurückziehe, andernfalls er uns alle töten würde. Eine Pistole sowie ein Gewehr besass er vom Militär her und ich traute ihm dies tatsächlich zu. Ich zog also zum Entsetzen des Polizisten die Anzeige zurück und ich packte kurz ein paar Sachen für Siti und mich zusammen und wir flüchteten ins Frauenhaus in Zürich.
Dort waren fast ausschliesslich ausländische Frauen aus sozial niedrigen Verhältnissen untergebracht. Wir mussten den Haushalt selber führen, in einem Massenlager schlafen und erst noch dafür bezahlen. Nach zwei Tagen gefiel es weder Siti noch mir dort und wir wechselten zum Panoramahotel in Feusisberg. Von dort aus kontaktierte ich einige Freunde, so auch Uschi Stäubli, die uns besuchen kam. Ungefähr nach einer Woche wollte Siti nach Hause zurück. Das taten wir dann auch. Alex riss sich eine Weile lang zusammen, fiel aber leider bald ins alte Schema zurück. Er verlangte dann die Scheidung und ich willigte ein. Voraussetzung war, dass ich keinen einzigen Rappen Abfindung bekommen sollte, andernfalls würde er uns umbringen. Das glaubte ich ihm und es ist dann auch so geschehen.
Ich suchte mir wieder Arbeit und eine Wohnung und wollte Siti in eine Kinderkrippe bringen. Der Job bei UnionRe war ja leider vergeben. So kam ich bei der Zürich-Versicherung als Underwriter unter. Leider ohne jegliche Kompetenzen und die Arbeit forderte mich nicht im Geringsten. Meine gefällten Entscheide mussten alle noch abgesegnet werden durch einen mir vorgesetzten anderen Mitarbeiter, der von der Materie weit weniger verstand als ich.
Es war frustrierend. Ausserdem wurden wir fast wie Leibeigene gehalten. Jeder Schritt wurde überwacht, private Telefonate verboten, ich war todunglücklich. Gefunden hatte ich in Wädenswil in einem schlossartigen Gebäude eine wunderschöne Jugendstilwohnung. Siti brachte ich jeweils am Morgen zur Kinderkrippe in Wädenswil, wo sie sich allerdings nicht wohlfühlte. Ihr behagte auch das Essen dort nicht und die strengen Vorschriften.
Es gab Tage, da weigerte sie sich einfach, zur Krippe zu gehen und zum Glück konnte ich meine Mutter dazu bewegen, zu uns nach Wädenswil zu kommen und Siti zu betreuen, während ich zur Arbeit nach Zürich ging. Es gab Zeiten, da war ich mit allem total überfordert, hätte mich am liebsten unter den nächsten Zug geworfen. In dieser Verzweiflung rief ich die Peggy, meine Nachfolgerin bei UnionRe an und sie versprach, sich umzuhören im Personalbüro.
Tatsächlich ging es nicht lange und ich bekam einen Anruf vom Personalchef. Er bot mir einen Sekretärinnenposten an für einen neuen Abteilungsdirektor, den Herrn Aeppli. Das war zwar nicht gerade mein Traumjob, aber ich bekam ein höheres Gehalt als bei der Zürich und ich war wieder bei UnionRe, einer Firma, die eine Philosophie pflegte, die es den Angestellten erlaubte, sich dort wohl und glücklich zu fühlen.
Nachdem ich mich bei UnionRe wieder eingelebt hatte und mir auch Peggy in Aussicht stellte, dass sie bald kündigen würde und ich dann wieder meinen alten Job als Life-Underwriter bekommen könnte, blühte ich wieder auf. Siti gefiel es im neuen Heim ganz und gar nicht. Die Situation mit der Kinderkrippe war schlimm für sie und sie wollte zurück nach Wollerau, ins schöne Haus, in den tollen Garten, wieder in der Nähe von Oma sein.
Alex nahm uns mit offenen Armen auf. Bald war alles wieder beim Alten. Siti wurde ganztägig durch Oma betreut und konnte das Mittagessen bei ihr einnehmen und ich konnte nach Zürich fahren zu meiner Arbeit. Nebenher musste ich allerdings noch den ganzen Garten und das Haus in Schuss halten, aber es war zu bewältigen. Ich war schon immer ein Arbeitstier. Um das Ganze allerdings zu stemmen, musste ich mir von nun an jeden Abend ein extrem starkes Schlafmittel einwerfen, nämlich Rohypnol. Sonst hätte ich keinen Schlaf gefunden und hätte nicht jeden Morgen so früh aufstehen und den anspruchsvollen Job ausüben können.
Da Siti hochbegabt war, sich durch TV-Sendungen am Sky-Channel selber perfektes Englisch angeeignet hatte und lesen und schreiben konnte, war klar, dass sie früh eingeschult werden sollte. Also mit 5 Jahren in den Kindergarten und mit 6 Jahren die erste Primarklasse absolvieren war unser Plan. Im Kanton Schwyz war man dazu nicht bereit. Da konnte Alex Behörden anschreiben, so viel er wollte. Es nützte nichts.
Da er als Praxis-Inhaber und Steuerzahler auch in Wädenswil gewisse Ansprüche hatte, war es dann möglich, Siti in Wädenswil einzuschulen, bzw. zum Kindergarten zu bringen. Er nahm sie jeweils im Auto mit nach Wädenswil und nach Schul-Schluss ging sie in die Praxis, wo sie im Labor am Tisch bei der Arztgehilfin zeichnen oder lesen konnte. Keine Ideallösung, aber machbar.
(17) Der erste Schultag, noch keine 6 Jahre alt
Soweit ich mich erinnern kann, begann ich mit meiner Arbeit in Zürich früh und konnte dann vielfach schon um 16 h Feierabend machen. Mein Auto hatte ich bei der Praxis parkiert und fuhr von dort aus per Bahn. So konnte ich Siti auf dem Heimweg mitnehmen und sie hat sich zum Glück nie beklagt. Sie wusste einfach, dass es keine andere Lösung gab. Ab dem zweiten Schuljahr war dann ein Uebertritt in die Primarschule Wollerau plötzlich möglich. Siti kam zu einer Lehrerin, der Frau Büsser. Die hat sie sehr gemocht und der Schulweg war nicht sehr weit. Von Wädenswil her sind ihr noch einige Freunde geblieben, z.B. der Sämi Blum oder die Patrizia Hofmann. Die wurden später dann auch zu Siti’s Geburtstagen eingeladen. Mit Patrizia Hofmann hat sie noch eine Weile Briefe ausgetauscht, geschrieben auf einem lustigen Kinder-PC-Programm, wo sie Figürchen in die Texte integrieren konnte. So lernte sie schon früh den Umgang mit dem PC.
Ab der vierten Klasse kam sie dann zu einem eigenwilligen Lehrer, dem Herrn Feusi. Der mochte Siti irgendwie nicht. Er gab ihr manchmal ungerechte Noten und hat Dinge, die sie korrekt geschrieben hatte, korrigiert. Er selber beherrschte Deutsch nämlich nicht. Natürlich haben wir protestiert und ihn dazu gezwungen, die Fehlentscheide rückgängig zu machen. Was er dann auch tun musste. Seinen Frust hat er aber leider an Siti ausgelassen. Unglücklicherweise hat sich Siti nie darüber beklagt, denn sonst hätten wir dafür gesorgt, dass sie zu einem anderen Lehrer gekommen wäre. Sie hat still vor sich hin gelitten, sich unverstanden gefühlt und hatte Angst vor Herrn Feusi. Das hat sie mir leider erst alles viel später erzählt. Hätte ich davon gewusst, es wäre ihr viel Leid erspart geblieben.

Leider kam es wieder zu schlimmen Gewalttätigkeiten. Siti und meine Mutter mussten zusehen, wie mich der betrunkene Alex verprügelte und erniedrigte. Siti sagte kein Wort, allerdings müssen solche Bilder unvergessliche Eindrücke bei ihr hinterlassen haben, es sei denn, sie konnte es total verdrängen. Meiner Mutter wurde es allmählich zuviel. Eines Abends, als ich von der Arbeit nach Hause kam, erklärte mir Siti, es hätte kein Mittagessen bei Oma gegeben und sie schlafe immer noch. Ich ahnte Böses, wagte nicht selber nachschauen zu gehen.
Alex ging dann und stellte fest, dass sie in suizidaler Absicht Schlaftabletten eingenommen hatte. In der Küche lag Geld für ihre Putzfrau sowie ein Essen nach der Urnenbeisetzung, sonst nichts. Man brachte sie noch im Koma liegend ins Krankenhaus Wädenswil. Ich packte ihre nötigsten Sachen in eine Tasche und lieferte das nach. Gegen Morgen rief mich ein Arzt an und fragte, ob ich sie nochmals sehen möchte, sie läge in der Leichenkammer. Schweren Herzens fuhr ich nach Wädenswil. Sie lag mit entspanntem Gesicht da, eigentlich mit ihren 86 Jahren immer noch eine schöne Frau. Man hatte ihr mit einem Stück Holz den Unterkiefer unterstützt, da der wohl sonst runtergekippt wäre. Ich nahm ihre Tasche in Empfang und fuhr nach Hause. Die Tränen kamen erst später.
Ich musste zur Gemeinde fahren und alles regeln. In ihren letzten Anordnungen stand noch, dass sie kein Grab wünschte, sondern in einem Massengrab begraben werden möchte. Ich musste einen Sarg auslesen, das Krematorium bestimmen sowie die Sache mit dem Massengrab regeln. Ferner musste ich mit dem Pfarrer sprechen, denn es wurde auch keine Abdankung gewünscht. Meine Schwester, die damals in Lausanne lebte, eigentlich seit dem Bürgerkrieg im Libanon, kam per Bahn angefahren. Es war eine triste Angelegenheit. Weil keine Abdankung gewünscht worden war, war irgend ein Mitarbeiter dort für die Urnenbeisetzung im Massengrab, ferner meine Schwester, Siti und ich und zu unserem Erstaunen kam noch die Monika F. Der Alex war nicht dabei.
Abends fuhren wir paar Leute dann noch auf ein Essen ins Restaurant Hahnegg in Horgen und Monika lud meine Schwester und mich anschliessend auf einen Drink zu sich in Samstagern ein. Ruth übernachtete bei uns und durfte sich am nächsten Tag alles auslesen, was sie wollte und was meine Mutter hinterlassen hat. Wir stopften es in mein Auto und ich brachte die Sachen samt Ruth nach Lausanne zurück. Der Rest wurde von einem Händler abgeholt. Alex war solchermassen dreist, dass er von mir noch 6 weitere Mietzinszahlungen für die Wohnung meiner Mutter verlangte. Ausserdem verweigerte er das Ausstellen eines Zeugnisses für die Krankenkasse, was noch etwas Geld gebracht hätte für Beteiligung der Kasse an die Putzfrauen-Dienstleistungen, da meine Mutter nicht mehr in der Lage gewesen war, den Haushalt alleine zu führen. Die Krankenkassenleiterin war entsetzt, denn sie sagte mir, dass meine Mutter durchaus Anrecht darauf gehabt hätte. Aber ohne Zeugnis war sie machtlos. Das war der Moment, wo ich den Entschluss fasste, diesem Elend definitiv ein Ende zu bereiten und mich auf ein neues Leben zu konzentrieren, unabhängig von Alex.
Siti wurde vor die Alternative gestellt, entweder mit mir mitzukommen oder aber im schönen Haus bei Papa zu bleiben. Ich selber hatte mir ein Reihen-Einfamilienhaus in Wollerau angeschaut, das ich finanziell stemmen konnte. Ich hatte es immerhin geschafft, etwas Geld beiseite zu bringen und hatte dies in Obligationen bei der Migros-Bank angelegt. Die Bank tat zwar dumm, die Obligationen per sofort aufzulösen. Aber mit einigem Verlust konnte ich es dann doch noch bewirken. Mein Arbeitgeber, die Union-Re, war bereit, mir die benötigte 1. und 2. Hypothek zu gewähren und aus den aufgelösten Obligationen konnte ich die Anzahlung leisten. Siti entschied sich für ein künftiges Leben bei mir, vorausgesetzt, sie würde am neuen Ort ein kleines Gartenbeet zur Bewirtschaftung bekommen. So ist es dann auch geschehen.
Alex stand anfänglich nach unserem Umzug an die Altenbachstrasse noch ab und zu am frühen Morgen mit Pistole in der Hand in der Nähe unseres neuen Heims und ich hatte oft Angst, die Strasse zu überqueren, um mein Auto aus der gegenüberliegenden Garage zu holen. Aber passiert ist nichts. Er wollte mich nur einschüchtern.
Kaum waren wir ausgezogen, sind gemäss Erzählungen meiner früheren Nachbarn diverse Brasilianerinnen in unser ehemaliges Heim eingezogen. Sie liessen alles vernachlässigen. Der Rasen wurde nicht mehr gemäht, es wurde nicht mehr geputzt und es hausten mindestens 10 Leute dort. Tagsüber, wenn Alex bei der Arbeit war, wurden anscheinend diverse Gegenstände aus dem Haus getragen durch diese Brasilianerinnen. Die Nachbarin Erika Köchler hat dann jeweils den Alex angerufen und informiert. Aber man weiss nicht, wie er reagiert hat. Es kam auch zu Schiessereien mit Verletzten. Alex lief längere Zeit mit einem Gips an der Hand herum. Es herrschten chaotische Zustände. Die Hausbewohnerinnen wechselten immer wieder.
Siti, die mal mit einer Freundin kurz dort zu Besuch war, hat mir berichtet, dass auf Spiegeln in den Badezimmern Liebesbezeugungen mit Lippenstift aufgemalt waren und dass Kassetten mit Pornofilmen herumlagen. Bordellähnliche Zustände. Ich empfahl Siti, nicht mehr dorthin zu gehen. Es war für sie natürlich eine äusserst schwierige Zeit. Probleme mit dem Lehrer in der Schule, ohne dass sie darüber mit jemandem sprechen konnte oder wollte. Die 100% berufstätige Mutter, die nicht über genügend Zeit für ihr Kind verfügte, keine Oma mehr, bei der das Mittagessen eingenommen werden konnte.
Siti musste sich ab diesem Zeitpunkt ihr Mittagessen selber zubereiten und war auch immer allein tagsüber. Ich hätte ihr ein anderes Leben gegönnt, war aber selber am Limit meiner Kräfte. Abends sassen wir zusammen in der Küche und ich brutzelte irgendwas Essbares für uns. Siti war bereits damals die bessere Köchin als ich und übernahm dann vielfach diesen Job auch noch abends. Anschliessend kam sie zu mir ins Schlafzimmer und wir guckten vom Bett aus noch „gute Zeiten schlechte Zeiten“ im Fernsehen. Meistens war ich so müde, dass ich kurz danach einschlief und Siti sich zurückzog in den oberen Stock, wo ihr zwei Zimmer und ein eigenes Badezimmer zur Verfügung standen. Sie war noch so klein, dass sie zum Zähneputzen auf einen Schemel steigen musste. Ihr plötzliches Wachstum kam erst später. Während der Primarschule war sie immer eine der Kleinsten. Später dann eine der Grössten. Sie wurde schlussendlich 175 cm gross, eine ungewöhnliche Grösse für eine gebürtige Asiatin!
Ab der 6. Klasse wäre ein Wechsel direkt zum Gymnasium Einsiedeln möglich gewesen. Doch wäre das Schulgeld extrem hoch gewesen und ich hätte das nicht stemmen können. Somit erfolgte der Wechsel zur Sekundarschule, wo sich Siti wohl fühlte. Nach dem 1. Sekundar-Schuljahr war dann der Wechsel nach Einsiedeln möglich, d.h. mit viel niedrigeren Schulgeldkosten verbunden. Siti musste keine Aufnahmeprüfung absolvieren. Ihre Noten waren solchermassen gut, dass der direkte Uebertritt möglich war. Es war wohl ein einschneidender Lebensabschnitt für Siti. Es handelte sich um eine Klosterschule, von Mönchen geführt und es herrschte eine strenge Disziplin. Für alle Schüler, also auch für Angehörige einer anderen als der katholischen Religion galt, vor Beginn eines neuen Schuljahres und am Ende eines solchen musste an einer Messe im Kloster teilgenommen werden.
Wir hatten Siti reformiert taufen lassen im Alter von 4 Jahren. Ich selber war schon vor dem 20. Lebensjahr aus der Kirche ausgetreten und Alex ist kurz, nachdem er mich kennengelernt hat, aus der katholischen Kirche ausgetreten. Wir wollten Siti selber entscheiden lassen, ob sie den Religionsunterricht besuchen wollte bzw. sich konfirmieren lassen wollte oder nicht. Dazu musste sie allerdings immerhin getauft sein. Zum Glück war Pfarrer Emge aus Wollerau seinerzeit bereit, unserem Wunsch nachzukommen. Siti hat sich dann dazu entschieden, unkonfirmiert zu bleiben.
Siti hat schon als Kleinkind Bekanntschaft mit Pferden machen dürfen. Unsere Nachbarn, die Köchlers, hatten neben ihrer Swissphone in Samstagern einen kleinen Privatstall für ihre Ponies gebaut. Als Beistellpferd wurde dann noch ein Kleinpony namens Nicole dazugekauft. Erika Köchler lud Siti mal ein, sich diese Pferde anzuschauen. Eine der Köchler-Töchter, die Corinna, war passionierte Reiterin. Siti war von Nicole sofort begeistert und sie durfte sich probehalber draufsetzen. Corinna anerbot sich, Siti das Reiten beizubringen und ich kaufte ihr hierauf die ersten Reitstiefel und einen Helm. Damit war der Grundstein für ihre Liebe zu Pferden gelegt.
(1) Mit Shetty Nicole, erste Reitversuche schon in früher Kindheit
(2) Keinerlei Angst vor dem grossen Pony!
(3) Siti, Corinna Köchler, Shetty Nicole. Der Name des Mädchens hinter Corinna ist mir entfallen. Es könnte Sändy Steiger sein, mit der sie bis heute befreundet ist.
Regelmässig gab es Ausritte und Siti durfte allmählich auf eines der grösseren Ponies wechseln. Talylin hiess die Pony-Stute. Es kam dann noch ein edles grosses Pferd dazu, der Ilay. Mit letzterem nahm Corinna an Springkonkurrenzen teil. Talylin wurde gedeckt und gebar Laky. Zusammen mit Corinna durfte Siti diese Laky zum Reitpony ausbilden.
Es gab noch andere Kinder im Stall, viele kleine Helfer beim Ausmisten und Füttern. In den Stall integriert war ein Reiterstübli, wo man sich ein warmes Getränk zubereiten konnte oder bei Regenwetter mit Brettspielen auf bessere Zeiten warten konnte. Ebenso gab es eine Toilette. Im Stall Köchler entstanden viele Mädchenfreundschaften. Einige davon dauern bis heute an. Eine der Dauerfreundinnen von Siti war bzw. ist die Sandra Steiger. Sie ist längst verheiratet und hat eigene Kinder, aber man trifft sich immer noch ab und zu. Siti hat viele ihrer Sorgen, die sie mit niemandem teilen konnte, mit den Pferden geteilt. Denen hatte sie ihr Leid geklagt und dort fühlte sie sich verstanden und glücklich.
Nachträglich ist mir bewusst, dass ich als Mutter einfach wegen Dauerstress und Doppelbelastung in manchen Dingen total versagt hatte. Was würde ich dafür geben, könnte ich nachholen, was ich versäumt hatte. Um kein Geld der Welt ist das leider möglich. Ich hatte Siti nebst der Ausbildung durch Corinna auch Reitstunden in der Reithalle in Einsiedeln ermöglicht sowie teilweise im Stall Korrodi oberhalb Wädenswil. Ferner gab es mal ein Reitlager für sie während der Sommerferien.
Nebst dem Pferdesport gab es aber auch noch das Tennis. Da bestand v.a. der Vater drauf. Siti durfte Tennis-Unterricht nehmen und hatte Spass an diesem Sport. Sie spielt heute besser, als ihre Eltern es jemals gekonnt hatten.
Alex legte Wert darauf, dass eine Musikausbildung zur Allgemeinbildung dazugehöre. Wir schickten sie demzufolge in die Klavierstunde zu einem Lehrer im Roos-Quartier in Wollerau. Alex liess uns eines Tages durch eine Firma aus Zürich ein relativ teures und grosses Keyboard liefern, auf dem man auch normal Klavier spielen konnte. Er bezahlte die erste Rate. Mehr nicht. Die Folgerechnungen kamen an mich und mir blieb keine Wahl, ich musste zahlen.
Siti gab das Klavier- bzw. Keyboard-Spiel eines Tages auf. Leider hatte sie mir nie erzählt, dass es zu kleinen sexuellen Uebergriffen durch den Klavierlehrer kam. Das bekam ich erst Jahre später zu hören. Das zeigt mir leider wieder, dass Siti mich nicht zusätzlich unnötig belasten wollte. Ist natürlich traurig und das sind Dinge, die mich heute schwer belasten. Ich hätte andere Prioritäten setzen müssen. Aber dann hätten wir ev. auf den Luxus eines eigenen kleinen Hauses verzichten müssen und wohl noch auf diverse andere Annehmlichkeiten. Wer schafft als alleinerziehende Mutter schon den Spagat zwischen Geldverdienen und der nötigen Zeit, für ein Kind immer im richtigen Moment da zu sein. Ein Ding, das schier unmöglich scheint bzw. ist.
Ich vergleiche in solchen Momenten der Selbstvorwürfe mit Familien, wo es noch weit schlimmer läuft. Aber das ist ein schwacher, bzw. gar kein Trost. Ich stehe ohnmächtig da und kann die Vorwürfe, die ich mir selber mache, nicht aus dem Weg räumen. Sie belasten mich, verfolgen mich, lassen mich nicht mehr los.
Soweit ich mich erinnern kann, durfte Siti immer Freundinnen und Freunde nach Hause bringen. Einige durften auch bei uns bzw. in ihrem Zimmer übernachten. Es ist klar, dass mir nicht immer alle gepasst hatten. Ich wollte ja nur das Beste für mein Kind. Siti macht mir heute Vorwürfe, dass ich KEINE ihrer Freundschaften toleriert hätte. Aber das stimmt einfach nicht. Ich habe es ihr gegönnt, aber wenn ich der Meinung war, dass jemand nicht der passende Umgang war, so habe ich das auch ausgesprochen.
Siti hat das Gymi Einsiedeln mit Bravour gemeistert und als eine der Jüngsten die Matura bestanden. Sie ist täglich ohne zu murren mit der Bahn nach Einsiedeln gefahren, hat sich ihr Essen selber zubereitet, ihre Schulaufgaben ohne Hilfe erledigt und erst noch gute Noten nach Hause gebracht. Beklagt hat sie sich nie. Sie hat alle Probleme selber gelöst. Wahrlich, was wünscht sich eine Mutter mehr. Tiefe Gefühle, Familienleben oder Zusammenhalt sind da leider auf der Strecke geblieben. Was gäbe ich darum, damals etwas mehr Zeit für Siti gehabt zu haben.

Siti hat sich dann für ein Studium der Biochemie an der ETH entschieden. Wenn ich mich richtig erinnere, war zwischen Schulende und Studienbeginn etwas Zeit und die hat sie genutzt, um im Call-Center der ZKB zu arbeiten. Ich hatte Siti ermöglicht, Fahrstunden zu nehmen und sie durfte sich ein eigenes kleines Auto aussuchen, das ich ihr dann auch kaufte. Mit diesem fuhr sie dann glaube ich zur Arbeit, bin mir aber nicht sicher, ob sie das täglich gemacht hat oder ob sie ev. doch ab und zu per Bahn nach Dübendorf fuhr.
Sie hat als Usher beim Cirque du Soleil gejobbt und noch an diversen anderen Orten. Da sie als junge Frau, die inzwischen 175 cm gross geworden ist und über eine Topf-Figur verfügte und ein wunderschönes Gesicht mit hohen Wangenknochen bekommen hatte, wurde sie als klassische Schönheit von einer Model-Agentur entdeckt. Sie hatte diverse kleinere und grössere Aufträge und wurde gerne gebucht. Sie strahlte Eleganz aus in Kombination mit reiner Schönheit, die auch ungeschminkt umwerfend wirkte.
Ausserdem brillierte sie mit perfekten Manieren, Bescheidenheit, Zurückhaltung und Klugheit. Ihr Charakter ist einmalig. Sie ist zuverlässig, gradlinig, konsequent. Sie ist v.a. nicht käuflich und hat ihre eigene Meinung. Alles Eigenschaften, die es braucht im Leben, um erfolgreich zu sein. Ich habe versucht, ihr klarzumachen, dass es wichtig ist, so weit zu kommen, dass man nie von anderen Leuten abhängig ist, v.a. nicht von einem Mann. Das hat sie sich zu Herzen genommen und findet dieses Motto gut. Wir sind beide selbstbewusste Frauen, die selber für sich sorgen können. Es macht mich heute stolz zu sehen, wie erfolgreich sie geworden ist.
Nach einem Semester Studium hat sich herauskristallisiert, dass Biochemie wohl doch zu Mathematik lastig ist und nicht zum künftigen Traumberuf führen kann. Dafür hatte ich volles Verständnis. Also wechselte Siti auf den nächstmöglichen Zeitpunkt über zur Uni Zürich, wo sie Volkswirtschaft studierte. Zum Glück bekam ich von der AHV seitens von Alex Unterstützungsbeiträge an die Semestergebühren und so kamen wir prima über die Runden. Siti hat das Studium im Rekordtempo hinter sich gebracht und hat bereits während des Schreibens der Diplomarbeit eine feste Stelle beim VZ als Finanzanalystin angenommen. Sie wohnte damals immer noch bei mir in Wollerau und reiste mit den OeV täglich nach Zürich, denn ein eigenes Zimmer in Zürich hätte ich leider nicht finanzieren können.
(1) Siti als begehrtes Model während Studienzeit
(2) Sie hat sich zu einer wunderschönen jungen Frau entwickelt

Noch in die Zeit ihres Studiums bzw. ihrer Mittelschulzeit fielen bei mir ernsthafte Veränderungen an. Im Alter von 56 Jahren fusionierte die UnionRe mit der SwissRe und kurz danach löste die SwissRe unsere Gesellschaft komplett auf. Die meisten Angestellten fanden zwar wieder eine Anstellung bei der SwissRe, aber es kamen harte Zeiten. Ich wurde als Life-Underwriter und mit dem selben Kader-Status übernommen, hatte aber anstelle der ganzen Welt nunmehr nur noch Belgien und die Schweiz zu betreuen. Ich kam in ein relativ grosses Team von Underwritern und man bekriegte sich gegenseitig. Ich fühlte mich nicht wohl und wurde gemobbt.
Man verlangte von mir, dass ich für eine Weile nach Belgien ziehen sollte, um dort ein neues Underwriting-Team aufzubauen. Da Siti während dieser Zeit noch am Gymnasium Einsiedeln zur Schule ging, lehnte ich das ab. Ich wollte nur im Back-Office arbeiten und auch sonst keine Geschäftsreisen unternehmen. Das hatten sie mir übelgenommen und als es dann nach einem Wechsel des CEO an der Spitze von SwissRe kam, gab es gnadenlos viele Entlassungen. Mich haben sie früh pensioniert und ich stand da, mit nur einer 50% Rente, die nie und nimmer ausgereicht hätte, um davon zu leben.
Meine Rente war so tief, weil ich seinerzeit, im Alter von 39 Jahren, als wir Siti adoptierten, mir das ganze Pensionskassengeld habe auszahlen lassen. Ich war der Ansicht, nun nur noch das Leben einer Hausfrau und Mutter zu führen und ich brauchte das Geld für Siti und für mich, da uns Alex praktisch kein Haushaltgeld gab, für Siti schon gar nichts. Weder die Kinderzimmermöblierung, noch Kleider oder Sonstiges. Ich musste alles von meinem Geld bezahlen. Als ich dann überraschend nach vier Jahren Hausfrauendasein doch wieder arbeiten ging, musste ich für die PK-Einzahlungen bei null anfangen. Ich hätte über CHF 100‘000.— einzahlen müssen, um auf ein normales Level zu kommen. Aber dieses Geld hatte ich nun mal nicht.
An dieser Frühpensionierung liess sich nicht rütteln und ich musste schauen, wie wir aus der unvorhergesehenen Notlage kommen. Ich suchte sofort einen neuen Job, denn mit der kleinen Rente konnte ich mir gleich die Kugel geben. Die 2. Hypothek musste abbezahlt werden, unser Lebensunterhalt, das spätere Studium von Siti und und und.
Zum Glück fand ich auch gleich anschliessend an die Pensionierung eine Stelle bei der Allianz in deren Leben-Abteilung. Wieder als sog. Underwriter. Aber was die darunter verstanden, war leider alles andere. Ich hatte dort einen Vorgesetzten, der von der Materie sehr viel weniger verstand als ich und die zu beurteilenden Fälle waren einfach lächerlich unkompliziert und hätten von jedem normalen, nicht speziell ausgebildeten Büroangestellten erledigt werden können. Ferner behandelte mich dieser Vorgesetzte sozusagen als Hilfskraft und ich musste tagelang Akten in IV-Dossiers sortieren, was eine Lehrtochter hätte erledigen können. Ich fuhr täglich todunglücklich nach Zürich-Altstetten und war wieder mal ähnlich weit wie vor Jahren bei der Zürich-Versicherung, wo ich total unterfordert gewesen bin.
Noch während der Probezeit suchte ich mir einen anderen Job und wurde auch fündig. Am Spital Horgen suchte der Radiologie-Chefarzt eine neue Chefarztsekretärin. Das war zwar nicht das Gelbe vom Ei, aber immerhin besser als die Stelle bei Allianz. Ich kündigte noch in der Probezeit und wechselte zum Spital Horgen, wo ich auch sofort die Zusage bekam. Was mich da dann allerdings erwartete, konnte man als Weg vom Regen in die Traufe bezeichnen. Ich musste einen Pager tragen und rund um die Uhr, also auch während Pausen oder der Mittagszeit erreichbar sein und den Terminkalender mitführen. Patienten, die sich für eine Röntgenuntersuchung anmelden wollten oder auch Arztpraxen, die Termine bei uns für ihre Patienten holen wollten, mussten dies immer über mich abwickeln. Ich war also nonstop Telefonistin, Receptionistin und kam nie zur Ruhe. Stunden verbrachte ich dabei noch im Keller des Spitals, wo Röntgenbilder sortiert werden mussten. Meine Aufgabe war es auch, aufgrund des Terminkalenders sämtliche im Archiv allenfalls vorhandenden Unterlagen der Patienten, die am nächsten Tag für Untersuchungen kamen, am Vorabend zusammenzusuchen und bereitzulegen. Also erstens eine Arbeit, die jeder Löli hätte erledigen können und zweitens etwas, für das man mindestens zwei Leute hätte anstellen müssen. Ich drehte am Rad und war mit den Nerven eines Tages so am Ende, dass ich am Abend nicht mehr wusste, wo ich eigentlich wohnte. Ich irrte an der Studenbühlstrasse, meinem früheren Wohnort herum, wohingegen wir ja bereits seit längerer Zeit an der Altenbachstrasse wohnten. Ich war einem Nervenzusammenbruch nahe.
Da ich ja nun mal eine Kämpferin und ein Stehaufmännchen bin, suchte ich erneut nach einem anderen Job. Eigentlich in meinem Alter ein schwieriges Unterfangen, aber ich hatte zum Glück noch meinen Kämpfergeist und den Willen, die passende Stelle noch zu finden.
In der Aeskulap-Klinik in Brunnen, eigentlich nicht gerade am Weg liegend, suchte man für einen demnächst neu dazukommenden Herrn Professor Ben P. aus den USA eine Chefarztsekretärin. Ich hatte mein Vorstellungsgespräch beim kaufmännischen Direktor der Klinik, da Prof. P. noch nicht in der Schweiz weilte. Ein Wunder ist geschehen, ich wurde eingestellt. Das Spital Horgen musste sich einen neuen Bimbo suchen!
Von nun an fuhr ich täglich über den Sattel in die Innerschweiz nach Brunnen und hatte dort ein winziges Büro, das ich noch teilen musste mit einer Arztsekretärin, die für die vielen anderen an der Klinik tätigen Aerzte zuständig war. Ich selber sollte nur für den Herrn Professor zur Verfügung stehen.
Im Sommer war es in diesem Büro teilweise weit über 30 Grad warm. Als Einzige im ganzen Haus bekam ich einen Computer und somit auch E-mail-Zugang. Denn dieser war nötig im Hinblick auf die Acquisition reicher amerikanischer Kundschaft, was inskünftig eine meiner Hauptaufgaben werden sollte. Ich legte mir ein Vierradantriebs-Auto zu, einen Kia sportive. Den Vierradantrieb musste ich jeweils im Winter von Hand zuschalten, was meistens am Anfang des Sattelpasses nötig wurde. Prof. P. war eine schillernde Persönlichkeit mit Charisma. Jeder glaubte ihm, was er versprach. Eigentlich war er Anästhesist, gab sich jedoch von nun an als Spezialist zur Bekämpfung der Prostatakrebs-Erkrankung aus und versprach Dutzenden, ja Hunderten von Männern Hilfe gegen deren Impotenz.
Er kam eigentlich aus den USA in die Schweiz, war allerdings gebürtiger Deutscher. Er war verheiratet mit einer amerikanischen Krankenschwester, die er „Baby“ nannte. Sehr bald kristallisierte sich heraus, dass er vorgab, sozusagen hoffnungslose Fälle von Krebskranken auf wundersame Weise wieder heilen zu können. Viele verzweifelte Patienten klammerten sich an diese letzte Hoffnung. Ihnen wurde das Blaue vom Himmel versprochen.
Sie mussten grosse Vorauszahlungen leisten, meistens ging es nicht unter CHF 30‘000.--. Sie reisten von weit her an, auch aus Alaska. Sie kamen alle zu Fuss in die Klink rein und verliessen dieselbe wieder im Sarg, so habe ich das jedenfalls in vielen, ja sehr vielen Fällen erlebt. Ich musste dafür sorgen, dass das Geld voraus überwiesen wurde und organisierte dann die Abholung am Flughafen, die Fahrt nach Brunnen und der Bezug des Zimmers in unserer Klinik.
Es wurden Darmreinigungen gemacht und Fieber-Therapien. Die Kranken sollten den Krebs sozusagen hinaus schwitzen. In den seltensten Fällen brachte es tatsächlich etwas. Einige der verzweifelten Patienten, die sich an diese letzte Hoffnung klammerten und den teuren Aufenthalt in unserer Klinik selber berappten bzw. in ihrem Bekanntenkreis zusammenkratzten, waren leider auch noch sehr jung. Es ging mir ziemlich nahe, aber was sollte ich. Jeder himmelte diesen Professor an.
Er machte auch vielen impotenten Männern Hoffnung, trat am Fernsehen in Talk-Shows auf und anschliessend wurde seine Telefon-Nummer bekanntgegeben. Es handelte sich dabei - leider - um die Direktwahl zu mir. Ich musste dann die Vorauszahlung eines bestimmten Betrages mit den Anrufenden vereinbaren und ihnen nach Eingang der Zahlung einen Telefontermin vermitteln, an welchem sie persönlich mit dem Herrn Professor sprechen durften und der sie dann kompetent beraten würde.
Ich wurde nach solchen TV-Ausstrahlungen vielfach regelrecht bombardiert und wurde schon am frühen Morgen, als ich die Klinik betrat, genötigt, die Telefonate anzunehmen. Am Telefon stellte er dann den Patienten in Aussicht, in unserer Klinik ein Potenzförderndes Mittel gegen Barzahlung bei mir abzuholen. Es handelte sich um eine in der Schweiz verbotene Substanz und die vielen deutschen Aerzte, die bei uns arbeiteten und am Wochenende jeweils nach Deutschland fuhren, mussten mir das Zeug über die Grenze schmuggeln und am Wochenstart jeweils zu mir ins Büro überbringen.
Trotz weniger wirklicher Erfolgserlebnisse wurde der Herr Professor angehimmelt und vergöttert. Patienten brachten mir als Vorzimmerdame Geschenke und ich musste sie annehmen. Ich hatte Kleidervorschriften. Stets trug ich elegante Kleider und eine gestylte Frisur. Es war eine heile Welt, die wir darstellen mussten.
Ich musste dann jeweils auch den Rücktransport der sterblichen Ueberreste der verstorbenen Patienten organisieren. Nach einigen Monaten belastete mich das ganze Theater enorm und ich hatte das Gefühl, der verlängerte Arm eines Scharlatans spielen zu müssen. Ausserdem schikanierte mich die Chefarztsekretärin, weil sie irgendwie neidisch war auf meine spezielle Position. Es kam wieder mal der Zeitpunkt, wo ich die Nase gestrichen voll hatte. Dies, obschon meine Uhr auf dem Arbeitsmarkt aufgrund meines Alters allmählich abzulaufen schien.
Dennoch sah ich mich erneut nach einem anderen Job um und wurde auch fündig. Die AIG Switzerland, eine Tochtergesellschaft der weltbekannten AIG International mit Sitz in Zürich Enge, wo ich mich sowieso zuhause fühlte, suchte einen Underwriter für die Abteilung Accident & Health. Ich bewarb mich und wurde zum ausschliesslich Englisch sprechenden Vorgesetzten, dem Ray Possamai, eingeladen. Das, was er mir schilderte von diesem Job, war eigentlich alles andere als ein Underwriter. Es handelte sich vielmehr um eine Position, wo man Kontakt zu den vielen Brokern und Versicherungsmaklern pflegen musste und versuchen musste, möglichst viele Verträge mit Kunden, die über diese Broker liefen, hereinzuholen.
Ray sprach mit mir über Gott und die Welt, wollte wissen, ob ich Fussballfan sei, was ich verneinte. Es ging darum, dass die AIG jedes Jahr für alle Angestellten aus allen Ländern irgendwo auf der Welt ein Firmen-Fussballspiel veranstaltete, zu dem die ganze Belegschaft jeweils reiste und entweder Fussball spielen sollte für ihr Land oder aber zumindest die eigenen Mannschaften anfeuern sollte. Ich war etwas irritiert und erklärte ihm, dass ich wohl nicht die richtige Person für diesen Job sein würde. Wir verabschiedeten uns dann und ich war eigentlich der Ansicht, dass sich der Fall dadurch erledigt hätte.
Ich staunte nicht schlecht, als ich einige Wochen später durch die Personalchefin von AIG Switzerland angerufen wurde und sie mich fragte, ob ich in zwei Wochen bei ihnen anfangen könnte. Der bisherige Stelleninhaber hatte gekündigt, wollte noch Ferien beziehen und man müsste mich noch einarbeiten. Ein tolles Salär, rund das Doppelte von dem, das ich in der Aeskulap-Klinik verdiente, wurde mir angeboten. Da ich bei Aeskulap selber noch nie Ferien bezogen hatte, war es mir möglich, sofort zu kündigen und tatsächlich zwei Wochen später bei AIG anzutraben.
Ich traf das blanke Chaos an. Mein Vorgänger hatte zwar ein blendendes Verhältnis zur Kundschaft, hatte jedoch nie Geld eingetrieben und es waren Prämienzahlungen von teilweise bis zu einem Jahr ausstehend. Es war nun vorwiegend nötig, dieses längst fällige Geld einzutreiben und weniger, neue Verträge an Land zu ziehen.
Es ist mir auch tatsächlich gelungen, sehr viel Geld einzutreiben. Beliebt bei den Brokern und Kunden machte ich mich damit natürlich nicht. Ich galt schnell als „harter Hund“ und v.a. die Broker aus dem Welschland, welche viele prominente Fussballclubs, Olympia-Komitees, die FIFA und dergleichen mehr vertraten, schuldeten hohe Summen. Sie hassten mich wegen meiner harten Methoden, das Geld einzutreiben und beschwerten sich bei der Direktion. Einerseits war man dort eigentlich froh über den unerwarteten plötzlichen Geldsegen, aber Reklamationen wollte man halt auch nicht entgegennehmen. Ich bekam also eine Verwarnung. Das war mir egal und ich verlangte eine persönliche Zusammenkunft mit diesen Leuten.
Leider konnte ich mich dann anlässlich eines solchen Meetings nicht beherrschen und insbesondere der eine Broker und ich gingen wie die Kampfhähne aufeinander los. Ray Possamai musste schlichten. Aber es wuchs Gras über die Sache und mit der Zeit pendelte sich ein normaler Zahlungsverkehr ein.
Da die AIG ein US-Unternehmen war, gab es plötzlich strenge Sparmassnahmen. Der in Paris ansässige europäische Hauptsitz sandte Revisoren, sogenannte Auditors, und die verlangten von jedem einzelnen von uns ein Arbeitsprotokoll, wo für jeden Arbeitsablauf die dafür benötigte Zeit notiert werden musste. Sie befanden dann schliesslich, dass man erhebliche Einsparungen machen könnte und dass in Zukunft auf die Hälfte des Personals verzichtet werden könne.
So hat man z.B. einen Kollegen aus unserer Abteilung hinausbefördert und ich musste sein bisheriges 100% Arbeitspensum zusätzlich übernehmen. Die ganze Abteilung wurde umgekrempelt und ich war plötzlich einer ganz anderen Abteilung unterstellt und musste ins untere Stockwerk ziehen. Wir schufteten pausenlos wie die Sklaven. Das früher lockere Ambiente mit gemeinsamen Mittagessen und reichlich Wein in unserer Kantine, die Pausen draussen im Gärtchen, das alles gab es nicht mehr. Selbst der Pausenapfel wurde gestrichen.
Es begann eine Ellböglerei unter den verbliebenen Angestellten und insbesondere eine Neiderin, die Francesca T., hat mich gemobbt. Sie hat im gemeinsam zugänglichen System für mich wichtige Daten und ganze Dateien gelöscht und die Arbeit von Tagen, ja Wochen, war schlicht und einfach weg. Im Gemeinschaftskühlschrank deponierte man riesige Plastikspinnen auf meinem dort abgelegten Mittagessen und richtete die Ventilatoren der kalten Klimaanlage heimlich direkt auf meinen Nacken. Es war gar nicht mehr lustig, dort arbeiten zu müssen. Aber ich war wild entschlossen, da nun zu bleiben bis zu meiner Pensionierung, die nur noch wenige Jahre vor mir lag.

Leider erkrankte ich vor lauter Stress und möglicherweise der Kombination von jahrelanger Hormon-Substitution (verschrieben von meinem Gynäkologen) sowie der Tatsache, nie ein Kind geboren zu haben, an Brustkrebs. Der wurde rein zufällig entdeckt, denn ich war seit mindestens 20 Jahren nie mehr bei einer Mammographie. Aus einer Laune heraus, bzw. weil ich gerade Zeit während meiner ungeplant zuhause verbrachten Herbstferien hatte und mich mein neuer Hausarzt zu einer Mammographie überredete, entdeckte man das im Triemli-Spital.
Siti war mit ihrem damaligen Freund Marco in Italien in den Ferien. Nach der Mammographie wollte ich mich wieder anziehen. Da kam eine Schwester rein und erklärte, ich müsste noch warten, man wolle noch eine Probe-Punktion machen. Schon da fiel bei mir der Groschen. Es kam wie ein Stich ins Herz. Ich wusste nur allzu genau, was das zu bedeuten hatte. Nicht bei mir, nein, das konnte und durfte einfach nicht wahr sein. Nun, sie machten die Probepunktion.
Es war Freitag. Man versprach mir frühestens Bescheid Anfang nächster Woche. Zuhause bei uns war ein Sanitär damit beschäftigt, Renovationsarbeiten im Gästebad durchzuführen. Wie in Trance ging ich zum Patientenparkplatz, stieg in mein Auto ein und überlegte auf der Heimfahrt, in den nächsten Baum reinzufahren. Ich tat es dann doch nicht. Ich taumelte in unsere Wohnküche und der Sanitär, der immer noch bei uns arbeitete, fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Ich antwortete ihm nicht und legte eine CD mit klassischer Musik in den Player und liess mich zudröhnen mit dieser Musik. Ich weiss nicht, wie ich das Wochenende überstanden habe. Am Sonntagabend kam Siti heim und ich sagte ihr, dass ich Krebskrank sei. Sie reagierte nicht mal gross, wahrscheinlich glaubte sie mir nicht. Denn ich neigte schon immer zu Uebertreibungen.
Am Montag wurde ich dann vom Hausarzt zu einem Gespräch aufgeboten. Ich wusste natürlich, was er mir zu sagen hatte. Er hatte auch schon einen Termin im Brustzentrum für mich vereinbart. Siti, die an der Uni war, war bereit, mich am Abend zu diesem Termin zu begleiten. Schon im Wartezimmer kriegte ich Schübe, als ich die vielen Prospekte von Perücken sah. Dann der mir als Ungeheuer vorkommende ältere Arzt, der mir anbot, mich schon am kommenden Donnerstag operieren zu wollen in der Hirslanden-Klinik. Er schlug vor, zunächst nur einen Teil meiner ohnehin kleinen Brüste herauszuoperieren und ev. in einem zweiten Anlauf, einige Monate später dann - wenn nötig - noch den Rest. Siti stützte mich beim Hinausgehen und wir sprachen kaum ein Wort auf dem Heimweg.
Am nächsten Tag ging ich wieder normal zur Arbeit. In der Mittagspause surfte ich im Internet herum und stiess auf einen Artikel, der darüber berichtete, dass es an der Pyramiden-Klinik in Zürich einen Arzt geben würde, der bei Brustkrebspatientinnen innerhalb der selben Operation gleich wieder einen Neuaufbau der Brust machen würde. Das wäre echt eine akzeptable Alternative für mich. Aus purer Verzweiflung schrieb ich ein E-mail an das Sekretariat dieses Arztes und die nette Dame rief mich tatsächlich noch am Nachmittag an. Sie erklärte mir, dass der plastische Chirurg, Herr Dr. Cedric George, mich noch am selben Abend empfangen würde für ein Gespräch. Noch so gerne nahm ich diese Einladung an.
Dr. George war sehr nett und erklärte mir, was für Möglichkeiten es geben würde. Es waren deren drei. Ganze Brust wegnehmen und inskünftig ohne Brust leben. Brust wegnehmen, einen Teilaufbau mit einem Stück Muskulatur entweder von meiner Bauchregion oder vom Rücken zu machen und für den Rest noch mit einem kleinen Implantat ergänzen. Oder ganze Brust wegnehmen und grosses Implantat platzieren. Ich entschied mich für die mittlere Variante und den Muskelteil musste man vom Rücken nehmen, da ich einen sehr flachen Bauch hatte. OP-Termin war ebenfalls am Donnerstag möglich, denn er war bereit, dafür eine geplante Schönheits-OP nach hinten zu verschieben. Ich sagte also dem „Ungeheuer“ vom Brustzentrum ab und musste mich deswegen noch von ihm beschimpfen lassen. Aber es war eine gute Wahl, die ich getroffen hatte.
Ich arbeitete noch bis Mittwoch und musste am selben Abend zur Bethanien-Klinik fahren, wo ein Radiologe eine Röntgenpraxis hatte. Dieser Arzt musste mir unter Röntgeneinsicht den herauszuoperierenden Tumor mit langen Nadeln eingrenzen. Es war eine ziemlich schmerzhafte Prozedur und die linke Brust sah aus wie ein Igel. Verwirrt, wie ich war, kam ich nicht auf die Idee, in diesem unmöglichen Zustand ein Taxi zu nehmen. Nein, ich Depp fuhr noch im Tram mit all diesen Nadeln, die jedermann sehen konnte, zur Klinik Pyramide. Dort durfte ich mein wunderschönes Zimmer mit direktem Blick auf den Zürichsee beziehen und eine nette Schwester betreute mich. Ich wollte unbedingt noch die Haare waschen, denn man wusste ja nicht, wann dies wieder möglich sein würde.
Die OP sollte am nächsten Morgen nüchtern stattfinden. So war es denn auch. Die OP dauerte ziemlich lange. Man entnahm gemäss Markierungen den Tumor, der mittels Kurier sofort zu einem Speziallabor gebracht wurde und machte auf der anderen Brustseite, wo man auch „etwas“ gesehen hatte, das jedoch lange nicht so verdächtig schien, eine Probe-Exzision. Inzwischen war auch schon das Resultat der Untersuchung da und es war klar, dass es sich um ein Comedo-Carzinom handelte, eine äusserst aggressive und schnell wachsende Tumor-Variante, die es erforderlich machte, die ganze Brust wegzunehmen. Hätte man dies nicht getan, hätte ich wohl nur wenige Monate überlebt. Gleichzeitig machte Dr. George den Wiederaufbau und man brachte mich zum Aufwachraum.
Als ich die Augen wieder öffnete, stand der Arzt neben mir und überbrachte mir die frohe Botschaft, dass man alles hätte entfernen können und dass ich sozusagen nun geheilt wäre. Schon klingelt auch das Telefon und Ray Possamai erkundigte sich nach meinem Ergehen. Eigentlich nett, aber typisch für ihn. Ich war es gewohnt, von ihm zu jeder Tages- und Nachtzeit, auch an Sonntagen, angerufen zu werden. Er war mit der Firma verheiratet und erwartete das auch von den anderen.
Ich musste insgesamt drei Wochen in der Klinik bleiben, wurde allerdings fürstlich betreut. Der Service, auch die Hotellerie in der Klinik Pyramide sind ja legendär und ausschliesslich Privatpatienten vorbehalten. Dieses Privileg hatte ich noch der SwissRe zu verdanken. Sie hat für alle Angestellten und Pensionierten einen Kollektivvertrag abgeschlossen für eine Privatpatienten-Versicherung! Siti kam oft über Mittag zu mir und ich überliess ihr gerne das Luxus-Essen der Klinik, denn ich kann unmöglich dreimal täglich so grossartig speisen und dazwischen noch Znüni und Zvieri vom Spezialwagen vertilgen. Sie hat es genossen, denn das war doch etwas anderes als das Mensa-Essen an der Uni.
Nach drei Wochen wurde ich entlassen und ich ging gleich wieder zur Arbeit. Es war vieles liegen geblieben und es wartete viel Unerledigtes auf mich, obschon ich vor Spital-Eintritt noch voraus gearbeitet hatte, soweit dies möglich gewesen ist. Der Nachverlauf war problemlos und ich hatte keinerlei Schmerzen. Die fehlende Brustwarze wollte der Chirurg in einer Zweit-Operation in Frühling machen. Dazu würde man ein Stück Haut vom Oberschenkel nehmen und zum Farbangleich an die andere Brustwarze würde man das tätowieren. Ich war also zuversichtlich, dass alles wieder ins Lot kommen würde.
Leider traten dann plötzlich starke Vaginalblutungen auf, obschon ich eigentlich längst im Klimakterium war. Der Gynäkologe schlug vor, meine Gebärmutter ganz zu entfernen. Er würde das mittels Knopfloch-Technik stückweise in kleinen Portionen besorgen und so machen, dass der Eileiter erhalten bliebe, damit keine Blasen-Inkontinenzprobleme auftauchen können. Das wäre sonst eine gefürchtete Komplikation einer Hysterektomie. Leider hatten sie in der Klinik Pyramide nicht die OP-Voraussetzungen, die der Arzt benötigte und ich musste dafür in die Klinik im Park gehen. Es handelte sich um einen Routine-Eingriff und nach drei Tagen war ich wieder draussen und auch bei der Arbeit.
Ich machte mir allerdings zu diesem Zeitpunkt Gedanken über den täglichen Stress und glaubte, diese beiden Ereignisse wären Zeichen meines Körpers, dass ich nun endlich etwas kürzertreten sollte. Ich suchte das Gespräch mit den Vorgesetzten und bat um Reduktion der Arbeitszeit auf 80% anstatt der bisherigen 100%. Leider sind die US-Firmen knallhart. Entweder ganz oder gar nicht. Meine Konsequenz: dann kündige ich halt! Ich war 60-jährig und hatte mit Ausnahme der 4-jährigen Kinderpause immer 100% voll gearbeitet. Ich wünschte Auszahlung des neu angesparten PK-Kapitals, denn ich hatte nicht die Absicht, mir nochmals einen Job zu suchen. Vielmehr hatte ich vor, jetzt mal die Arbeitslosenkasse zu beanspruchen, schliesslich hatte ich ein Leben lang dort einbezahlt. Die Personalchefin war nicht dazu bereit und überwies den Betrag auf ein ZKB-Sperrkonto.
Ich war seit meiner Kindheit Kundin bei der ZKB und die sahen das Ganze etwas lockerer. Sie zahlten mir das Geld aus und ich leistete mir hierauf für einen Teil davon eine kleine Luxusreise nach Myanmar und Thailand mit Businessclass-Flug, privatem Reiseleiter und Driver sowie Aufenthalt in Traumhotels in Thailand sowie Fahrt auf einer antiken Reisbarke mit wunderschönen Kabinen, zugehörig zur Gesellschaft des Eastern Oriental-Express. Es waren unvergessliche Ferien und ich genoss es in vollen Zügen. Zum Glück hatte ich Siti zuhause, die zu unserem Haus und unseren Katzen schaute.
(1) So sah ich aus kurz vor Alter 60, das Kleid, welches ich schon anlässlich der Taufe von Siti trug, passte immer noch!
(2) Kurz nach meiner Krebserkrankung

Seit unserem neuen Leben im eigenen Reihen-EFH gab es natürlich auch wieder Männergeschichten. Denn seit meiner Heirat mit Alex hatte ich ja nie wieder Sex und lebte ein keusches Leben als Mama. Irgendwie hatte ich ein Nachholbedürfnis und sah mit meinen 50 Jahren auch noch phantastisch aus und wurde immer viel jünger geschätzt.
Um Siti eine Freude zu bereiten, machten Alex und ich doch nochmals gemeinsame Ferien in Kenya, verbunden mit einer Wildtier-Safari. Anschliessend war ein Badeurlaub in Mombasa geplant. Dort gab es phantastisch aussehende Rastamänner, die am Strand Souvenirs verkauften. Ich verguckte mich in einen davon und bestellte bei ihm einen Brief-Oeffner sowie einen Schlüssel-Anhänger mit dem eingeschnitzten Namen „Hofmann“. Zu jenem Zeitpunkt wusste ich noch gar nichts von westlichen Frauen, die sich in Afrika so einen Gigolo angeln. Ich glaubte, ich wäre die erste weisse Frau, die sich für so einen Mann interessiert. Wie dumm von mir! Egal, wir kamen uns näher, unternahmen zusammen Spaziergänge dem Strand entlang und schliesslich zeigte er mir auch seine primitive Absteige, in der er lebte.
Er sprach ziemlich gut Hochdeutsch. Es kam, wie es kommen musste. Wir küssten uns und hatten danach auch Sex. Er war nicht überwältigend, doch fand ich diesen Mann so exotisch und wunderschön, dass ich für den nächsten Abend wieder mit ihm ein Rendez-vous vereinbarte. Er brachte mich zu einem schrecklichen Hotel wo wir ein stinkiges Zimmer mieteten und wo es eine sanitäre Anlage gab, die roch wie eine Kloake. Aber ich blieb trotzdem die ganze Nacht und ging danach zurück ins Hotel zu Siti und Alex und duschte mich dort. Die nächste Nacht verbrachte ich mit Thomas, so nannte er sich, in seiner Absteige und ging dann am nächsten Morgen den langen Weg allein zurück zum Hotel. Es wurde mir allmählich zu unwürdig und zu bemühend. Ich buchte für Thomas ein Zimmer in unserem Hotel und er durfte tatsächlich aus diesem Grund dann auch mitkommen zum Dinner am Abend.
Er hatte wohl in seinem Leben noch nie so etwas gesehen. Er füllte den Teller randvoll, glaubte wohl, er sei im Schlaraffenland. Alex schimpfte mit ihm und erklärte ihm, dass das so nicht gehen würde. Er war sich auch nicht gewohnt, zum Essen Besteck zu benutzen, aber irgendwie schaffte er es trotzdem. Mir war zu diesem Zeitpunkt egal, was die anderen Leute dachten.
Wie man das Badezimmer bzw. ein Klo benutzt, wusste er natürlich auch nicht. Er stellte sich auf den Rand der Badewanne und zielte seinen Urinstrahl Richtung Kloschüssel, eigentlich ein Bild des Grauens. Aber ich war blind vor Liebe und mir war das alles egal. Eine Badehose besass Thomas natürlich auch nicht. So zog er sich eine rote Unterhose an und setzte sich zu uns unter den Sonnenschirm. Ich war wild entschlossen, diesen Mann für mich in die Schweiz zu holen, koste es, was es wolle.
Wir gingen zum Schweizer Konsul und ich erklärte dort, dass ich diesen Mann heiraten möchte und wollte wissen, wie das anzustellen sei. Der Konsul nahm mich natürlich nicht ernst und erwähnte, dass Thomas zuerst mal einen Reisepass haben müsste, damit ich für ihn überhaupt ein Flugticket kaufen bzw. ein Touristen-Visum beantragen könnte. Einen Pass zu bekommen, war in Kenya eine Mammut-Aufgabe.
Immerhin hatte sein älterer Bruder das bereits geschafft und der hatte eine Freundin in der Schweiz, die ihm regelmässig Geld schickte. Ich bekam später die Adresse dieser Freundin und konnte mich mit ihr austauschen. Was die beiden Männer da erzählten, entsprach tatsächlich der Wahrheit. Ich hob mit meiner Kreditkarte Geld ab und wir fuhren von Pontius zu Pilatus, dies während mehreren Tagen. Ueberall mussten die Beamten mit Geld bestochen werden. Die Korruption lässt grüssen.
Tatsache war jedenfalls, dass die uns verbleibenden Tage nie und nimmer ausreichten, das benötigte Dokument zu beschaffen. Wir reisten nach Hause und ich war todunglücklich. Es gab in Mombasa ein Post-Office mit einem Telefon, das aus dem Ausland angerufen werden konnte. Die Einheimischen, die angerufen werden sollten, müssen dann dort zum vereinbarten Zeitpunkt erscheinen und können das Telefonat entgegennehmen. Ich rief ihn hierauf einmal wöchentlich an, dies von meinem Arbeitsplatz aus bei der UnionRe. Ich zahlte jedesmal um die CHF 30.- herum dafür, aber das war es mir wert. An eine Postfachadresse bei der gleichen Post konnte ich Briefe schreiben. Und das tat ich und er schrieb zurück und berichtete mir, wie weit er in Sachen Pass-Beschaffung inzwischen gekommen sei.
Jedesmal forderte er natürlich auch Geld, das ich ihm schicken musste. Dies, weil er immer wieder neue Leute bestechen musste. Eines Tages wurde mir alles zuviel und ich wollte kein Geld mehr schicken. Und siehe da, da klappte es endlich mit dem Pass. Ich konnte eine 3-monatige Versicherung für ihn abschliessen, ein Flugticket besorgen und er konnte kommen.
Wie durch ein Wunder hat das auch tatsächlich geklappt. Mit Siti zusammen fuhr ich am Tag seiner Reise zum Flughafen, um ihn abzuholen. Die Maschine aus Kenya war längst gelandet, er kam und kam nicht. Doch schliesslich war er endlich zu sehen und im Warteraum der Ankunftshalle ging ein Raunen durch das Publikum „schau mal, ein richtiger Rastamann“. Er winkte uns zu, mein Herz pochte wie verrückt und ich gab ihm Zeichen, dass er noch sein Gepäck beim Gepäckband abholen müsse. Er verstand nicht und kam direkt zum Ausgang. Ich fragte ihn, wo sein Gepäck wäre. Nun, er hatte keines dabei. Hier war es Winter und es war kalt. Er kam natürlich in Sommer-Montur mit Rasta-Hut. Zum Glück hatte ich schon eine dicke Winterjacke sowie Winterstiefel für ihn eingekauft. Die zog er sogleich an und wir fuhren per Auto zurück nach Wollerau.
Ich hatte mir ein paar Tage frei genommen, um Thomas die näheren Umstände etwas zu erklären. Er kannte ja weder Elektrizität noch sonstigen Komfort. Bemerkt habe ich sofort, dass er z.B. Angst vor dem Kochherd hatte. Somit brauchte ich ihm das Kochen schon gar nicht erst beizubringen. Siti hat dann täglich für ihn gekocht und dazu trank er meistens eine ganze Flasche Wein, was eigentlich nicht die Idee war. Aber schwierig, ihn davon zu überzeugen, dass eine Flasche mindestens 2-3 Tage halten sollte.
Ich zeigte ihm das ganze Haus, das Radio, den Fernseher, die Lichtschalter und alles, was ich so für nötig hielt. Er schien es begriffen zu haben und war hoch erfreut über unser schönes Zuhause. Er hat mir dann erklärt, dass er mit seiner Familie abgemacht hätte, zu einer bestimmten Zeit auf das Postbüro in Mombasa anzurufen und dass sie sich dort versammeln sollten, damit er ihnen die Ankunft hier bestätigen konnte. Das machten wir dann auch, doch wollte er ab sofort regelmässig zuhause anrufen, was mir mit der Zeit zu teuer wurde. Er begriff und teilte das seiner Familie auch so mit.
(1) Er freute sich über den Schnee!
(2) Fröhlich, wie immer :-)
Ich ging dann wieder zur Arbeit und war am ersten Abend, als ich heimkam, ziemlich erstaunt, dass im ganzen Haus, also vom Kellergeschoss über das Erdgeschoss, das erste Stockwerk bis hinauf zum Dachgeschoss überall sämtliche Lichter brannten und alles, was man sonst noch so in Gang setzen konnte durch Schalter oder Knopfdruck in Betrieb gesetzt worden war. Der blanke Horror. Ich musste ihm beibringen, dass das alles Geld kostet und dass ich keine Geldmaschine wäre. Er verstand, aber intelligent war er leider nicht wirklich. Auch die Haarkur, die ich ihm für seine Rastazöpfe brachte, drückte er aus der ganzen Tube in einem Zug auf sein Haupt. Dass man das nur in kleinen Portionen anwendet, musste ich ihm auch zuerst klarmachen.
Ich rief ihn täglich aus dem Büro an und fragte, wie es ihm so geht. Er war meistens fröhlich, lernte auch, dass er sich melden sollte mit „bei Hofmann“, denn es konnte durchaus sein, dass auch andere Leute mal anriefen und ich nicht wünschte, dass er sich nur mit „hallo“ meldet. Auch das klappte. Tagsüber unternahm er Spaziergänge und freute sich wie ein Kind über den Schnee. Einmal folgte ihm offenbar die Polizei und wollte wissen, woher er kommt, was er hier zu suchen hatte und er musste seine Schuhsohlen zeigen. Zum Glück sprach er Deutsch und die Sache hatte sich erledigt. Ich wollte, dass er sich etwas nützlich macht im Haus und zeigte ihm, wie man z.B. Staub wischt. Leider war er so ungeschickt, dass er vieles, das er anfasste, zerstörte. Ich nahm Abstand davon. Doch Schnee schaufeln und unsere Treppe freimachen, das sollte doch drinliegen. Aber auch das klappte nicht. Er schlug mit der Schneeschaufel wie mit einem Hammer auf die Treppe und zerstöre diese eher, als dass er den Schnee wegschaufelte. Ein hoffnungsloser Fall.
Trotz allem wollte er bei uns bleiben, mich heiraten und eine Stelle als Gärtner suchen. Schliesslich betreute er in Kenya das kleine Gemüsegärtlein seiner Mutter. Aber ich hatte da so meine Zweifel, dass er dazu in der Lage wäre, sich hier bei einem Gärtner nützlich zu machen. Wir hatten jeden Abend Sex, was mir allmählich zu viel wurde.
Ich erfüllte ihm noch den Wunsch, einen anderen Kenyaner, den er kannte und welcher mit einer Schweizerin verheiratet war, zu besuchen. Das Paar wohnte im Glarnerland und war einverstanden damit. Also fuhren wir hin und tatsächlich, sie schienen glücklich zu sein und der Mann hatte einen Hilfsjob bei Vögele Schuhe gefunden, wo er half beim Schuhe Einpacken für den Versand an Kunden. Thomas schwebte auch so etwas vor, aber ich glaubte nicht, dass er dafür geeignet war. Er war eigentlich für gar nichts geeignet, da es am Verstand und den einfachsten Talenten fehlte.
Mir wuchs die ganze Sache über den Kopf und ich wünschte mir nur noch seine Abreise herbei. Die lag allerdings noch einige Wochen entfernt. Das Ticket war zum Glück eines mit offenem Datum für den Rückflug. Ich rang nach Ausreden und Erklärungen, schlug ihm vor, kurz nach Hause zu reisen, um daheim alles für die Auswanderung zu regeln und danach würde ich ihn erneut einfliegen lassen.
Ich hatte ihm sehr viele Kleidung, eine Uhr, ein Radio und vieles mehr gekauft. Gekommen ist er ja völlig ohne Gepäck, nicht mal Handgepäck. Für die Rückreise waren inzwischen zwei grosse Reisekoffer voll. Wir fanden nach ca. 4 Wochen einen passenden Rückflug und ich brachte ihn zum Flughafen. Er wunderte sich zwar, dass er sämtliche Winterklamotten und Schuhe mitnehmen sollte, da er die doch dann wieder hier brauchte, wenn er wieder käme.
Doch schlussendlich konnte ich ihn davon überzeugen, dass er alles mitnimmt, was ich für ihn bereitgemacht hatte. Er hatte ziemlich Uebergepäck. Die Dame beim Check-in zeigte zum Glück Verständnis und ich erklärte ihr, dass er dafür beim Hinflug rein gar kein Gepäck dabei hatte. Sie drückte ein Auge zu und wie er sich dann beim Umsteigen in Nairobi für den Weiterflug nach Mombasa durchmausern sollte, war nicht mehr mein Problem.
Ich wunderte mich, dass die sonst so kritische Nachbarschaft nicht interveniert hat. Aber vielleicht taten sie das ja, doch hatte ich alles geregelt. Er hatte ein Visum für drei Monate und auch eine Krankenversicherung. Er glaubte im Uebrigen noch, dass ich ihn zu einem Zahnarzt schicken würde, da er noch nie im Leben einen solchen aufgesucht hatte und einige Zahnprobleme vorlagen. Da winkte ich aber ab, das hätte mich wohl ein kleineres Vermögen gekostet. Das ganze Abenteuer „Rastamann“ hat ohnehin eine grosse Lücke in meinem Geldbeutel verursacht.
Nach seiner Abreise atmete ich auf. Siti wahrscheinlich auch. Gesagt hat sie nie etwas. Sie war sehr grosszügig mir gegenüber in dieser Beziehung. Andere Töchter hätten da wohl rebelliert. Garantiert machte ich mich im ganzen Quartier zum Gespött der Leute. Es wohnten ja lauter Bünzlis dort. Ganz anders als vorher, im noblen Studenbühl-Quartier, das man auch den Millionärshügel nannte.
Ich war auf den Geschmack jüngerer Männer gekommen, sah selber noch sehr jung aus und konnte mit Männern meines Alters oder gar älter rein gar nichts anfangen. Alex nutzte die Gunst der Stunde und erzählte mir etwas von einem gutaussehenden, langhaarigen Brasilianer, den er kannte und der eine Schweizerin suchte zum Heiraten, denn er hielt sich illegal in der Schweiz auf. Spätestens in diesem Moment hätten bei mir alle Alarmglocken klingeln sollen. Aber nein, ich wollte mir den Typen mal ansehen. Schauen durfte man doch, das sollte noch gar nichts bedeuten. Ich traf den Kerl dann im Restaurant Schiffli in Richterswil. Er war 16 Jahre jünger als ich, sah ziemlich exotisch aus, denn er war Mischling. Seine Mutter Brasilianerin, sein Vater ein Japaner.
Er erzählte, dass er in Brasilien auf einer Bank gearbeitet hätte. Zeugnisse hatte er selbstverständlich keine dabei. Nachweise, jemals irgendwo gearbeitet zu haben natürlich auch nicht. Ich liess mich blenden und wollte zumindest ein kleines Abenteuer mit diesem Mann riskieren. Siti war alles andere als erfreut, als ich ihn ihr vorstellte. Sie hat wohl eine gute Menschenkenntnis und ahnte, was sich da anbahnte. Leider war ich wild entschlossen, nachzuholen, was ich die ganzen letzten Jahre in Sachen Männer vermisst bzw. verpasst hatte.
Er zeigte sich anfangs auch nur von seiner besten Seite, arbeitete illegal als Bodenleger bei einer Churer Parkett- und Bodenbelags-Firma und die waren anscheinend mit seinen Leistungen zufrieden. Er arbeitete gut und schnell, verdiente illegal auch nicht mal so schlecht. Allerdings drohte dem Arbeitgeber natürlich jederzeit Anzeige oder Strafe, sollte das auffliegen.
Ulysses Caires dos Santos, so hiess er, brauchte eine Niederlassungsbewilligung. Und das ging nur, wenn er z.B. eine Schweizerin heiraten würde. Er zog bei uns ein, machte sich überall nützlich und ich verliebte mich sogar in ihn. Auf Siti nahm ich leider keine Rücksicht und sie litt enorm unter der Situation. Er spielte sich langsam auch als Erzieher auf und glaubte, ihr sagen zu müssen, was sie darf und was sie nicht darf. Da habe ich zum Glück wenigstens interveniert. Ich kaufte ihm ein kleines altes Occasions-Auto, das zunächst auf meinen Namen lief, da er ja illegal hier war. So konnte er am Wochenende schneller zu uns kommen als mit den OeV, die von Chur aus ziemlich umständlich und zeitraubend waren. In Chur wohnte er während der Woche in einem kleinen Zimmer.
Er hatte sämtliche Papiere, die für eine Heirat erforderlich waren, dabei. Scheinbar ist er gezielt vorgegangen und konnte sich damit abfinden, eine ältere Frau zu heiraten und dafür die Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. In Brasilien hatte er ein uneheliches Kind, das er finanziell unterstütze sowie eine Mutter und Grossmutter, die auf sein Geld angewiesen waren. Er prahlte zwar immer, dass das Haus seiner Familie in Brasilien sozusagen identisch wäre mit meinem Haus und dass auch sie ein Pferd besitzen würden und er ein guter Reiter sei. Letzteres stimmte natürlich überhaupt nicht, denn er konnte nicht mit Pferden umgehen. Das stellten wir fest, als er mal mit uns zum Köchler Stall kam, wo Siti immer noch regelmässig Pferde betreute und zum Reiten ging. Ich besorgte dann meinerseits die Papiere für die Heirat und die standesamtliche Trauung fand in kleinem Rahmen statt.
(3) Meine 2. Heirat am 7.7.95
(4) Neben mir die Monikia F., sie ist einfach bei jeder Hundsverlochete dabei!
Siti weigerte sich, dabei zu sein und blieb unserem Hause an jenem Tag fern. Er hatte nicht mal einen Veston. Er bekam ein gelbes Sakko geliehen von einem Freund und dazu trug er weisse Jeans. Ich selber trug passend dazu ein gelbes Kleid. Trauzeugen waren zwei Brasilianerinnen, die nur wenig Deutsch sprachen. Aber der Standesbeamte war zum Glück nicht pingelig und verlangte nicht nach einem Uebersetzer. Die Trauzeuginnen hatten einen Caipirinha-Apéro für die Nachbarschaft bei uns zuhause offeriert und als wir vom Standesamt zurückkamen, hing über unserer Haustüre eine Girlande mit Glückwünschen. Wir spielten Lambada Diskomusik ab und reichten den Nachbarn die Getränke. Sogar die Monika Ferrari, die Wind von meiner Hochzeit bekommen hatte, vermutlich durch Alex, kam vorbei und brachte einen Blumenstrauss.
Anschliessend verlangten die Nachbarn die Girlande zurück, typisch Kleinbürgertum, aber ich hatte ohnehin keine Verwendung dafür. Die Trauzeugen, der Ulysses und ich fuhren zum Panoramahotel in Feusisberg und zu meiner Empörung erklärte er den Frauen, sie könnten bestellen was sie wollten. Bezahlen durfte ich den ganzen Spass, das war ja klar! Siti kam erst spät in der Nacht zurück. Vermutlich hat sie sich im Stall oben aufgehalten und den Pferden ihr Leid geklagt. Als wir beim Standesamt waren, sah ich sie noch von der Klavierstunde her kommen und ich rief ihr zu, sie solle doch herbei kommen. Aber sie reagierte nicht und versteckte sich irgendwo. Zeit, sie zu suchen, hatte ich da leider tatsächlich nicht.
Es ging eine Weile einigermassen gut. Ulysses musste mir für die Wochenenden bei mir auch etwas Geld abliefern und bald bekam er die Aufenthaltsbewilligung C und konnte somit fest angestellt werden. Während der Woche lebte er in Chur und das Auto konnte nun offiziell auf ihn überschrieben werden. Es kam immer öfter zu Streitigkeiten, er wurde gewalttätig und hat bei einem seiner Wutausbrüche einige Dinge in meinem Haus zerstört. Nach rund 2 Jahren Ehe reichte ich die Scheidung ein. Er war zwar extrem wütend darüber, denn er befürchtete, dass er die Bewilligung C dadurch wieder verlieren würde. Er hat mir auch gedroht. Aber ich hatte die Nase voll und wollte meine Freiheit zurück.
Anlässlich der Scheidung wollte er doch tatsächlich noch erwirken, dass ich künftig Unterhaltszahlungen an ihn leisten sollte, da er in Brasilien Kind und Familie unterstützen musste. Zum Glück ist der Richter nicht darauf eingegangen, denn ich hatte sofort dagegen protestiert. Er hat genug profitiert von mir und ich wollte nichts als meine Freiheit zurück. Somit war wieder mal ein Kapitel „falscher Mann“ abgeschlossen und ich konnte vorwärtsblicken.
Die tatsächlich wildeste Zeit meines Lebens stand erst vor mir. Zwischen 50 und 60 schien ich alles nachholen zu wollen, was ich vermeintlich verpasst hatte. Es war ein ewiges Suchen nach dem Glück, dem Mr. Right und endlich anzukommen. Da hätte ich eigentlich dringend psychologische Beratung gebraucht, aber so etwas war ja nicht opportun und kam mir auch nie in den Sinn.
Die Aera der Möglichkeiten, welche das Internet mit sich brachte, war erst gerade angekommen. Ich schrieb mich auf einer Partnervermittlungs-Plattform ein und stellte ein geheimnisvolles Foto von mir rein. Ein vielversprechendes, angedeutetes Lächeln, attraktive Gesichtszüge, schwarz gefärbtes Haar, Samtmasche, grüne Augen. Ich machte mich etwas jünger, als ich tatsächlich war, aber das merkte kein Mensch. Meine Figur war immer noch top und die hatte sich die letzten 25 Jahre auch nicht geändert. Ich kleidete mich elegant, fuhr Sportwagen wie Audi TT oder BMW Z4. Ich wurde bombardiert mit Zuschriften. Auf jede konnte ich nicht eingehen.
Aber 30 bis 40 Männer hatte ich sicher getroffen. Männer in all ihren Facetten und Couleurs. Meine Rendez-vous begannen meistens am Treffpunkt Pianobar des Fünfsternehotels am Central in Zürich. Trat ich dort ein in meinem eleganten schwarzen Outfit mit wenigen knalligen Farb-Akzenten in violett, royalblau oder rot, z.B. meine Samt-Haarmasche als Kontrast, waren viele Augenpaare auf mich gerichtet. Fand ich mein Blind-date nicht auf Anhieb, wartete ich draussen und unverzüglich kamen mehrere Männer mit Drink in der Hand in meine Nähe und suchten den Augenkontakt. Unter den vielen Anwärtern waren Männer wie Top-Manager, über Uni-Professoren, Chef-Aerzte, Pfarrer, hohe Militärs im Kampfanzug bis zum Handwerker. Letztere vielfach die einzigen Normalos unter den vielen Sonderlingen oder Perversen.
Einige davon erwarteten unter meiner Kleidung Strapse und Reizwäsche oder das Tragen von Stöckelschuhen im Bett. Das war nicht ganz meine Welt. Ich stellte fest, dass man in über 90 % darauf gehen konnte: je höher die berufliche Position bzw. akademische Ausbildung, desto perverser. Je tiefer der berufliche Status bzw. Handwerker, desto normaler. Allerdings mangelte es dort meistens an der guten Allgemeinbildung, an den Umgangsformen und dem Gesprächsstoff, weil zu banal. Auf mehr als ein Date hatte ich mich denn doch ab und zu eingelassen.
Ich sah von der Prunkvilla über das Loft bis hin zur lustigen Altstadtwohnung so ziemlich alles, was man sich so vorstellen kann. Ich erlebte auch brenzlige bis gefährliche Situationen. Bekam Vorschläge, gemeinsam einen Swinger-Club aufzusuchen bis hin zum Anheuern eines Polizisten als zusätzlichen Sex-Partner. Also nein danke, das war es nicht, was ich eigentlich suchte. Mr. Right war jedenfalls nicht darunter. Dennoch gab ich meine Hoffnung nicht auf.
Ungefähr Mitte 50 glaubte ich, dass es an der Zeit wäre, an ein erstes Face-Lifting zu denken. Die Eingriffe waren mir in der Schweiz zu teuer, auch im benachbarten Ausland. Also nahm ich Kontakt auf zur Gesellschaftsärztin der Thai-Life-Versicherungsgesellschaft und sie sandte mir die Adresse eines für diesen Eingriff geeigneten Spitals in Bangkok. Ich hatte ja schon meine Zahnärzte in Thailand und die arbeiteten phantastisch gut und etwa ein Drittel so teuer wie in der Schweiz. Also warum nicht auch mein Gesicht einem thailändischen Schönheitschirurgen anvertrauen. Das Geld nahm ich in bar mit. Dafür musste aber ein günstiger Flug her.
Die Pakistan-International war da gerade das Richtige für mich. Ziemlich abenteuerlich, aber schlussendlich hat es dann doch noch geklappt. Es gab eine Zwischenlandung in Islamabad. Dort hätte ein Flugzeug auf uns warten sollen für den Weiterflug nach Bangkok. Da war aber kein einziges zu sehen. Wir mussten die Pässe abgeben und wurden in einen speziellen Warteraum geführt, bekamen etwas zu trinken sowie ein Sandwich. Man konnte es nicht sagen, wann und wie es weitergeht.
Während des Wartens freundete ich mich an mit einem jungen Studenten aus der Schweiz und erzählte ihm, was ich vorhatte in Bangkok. Er war begeistert und fand, dass ich das doch gar noch nicht nötig hätte. Wir flirteten ein wenig und beschlossen dann, für den Weiterflug zwei Plätze nebeneinander zu beantragen. Das hat dann auch geklappt, ganz zuhinterst im klapperigen Flugzeug. Wir kamen uns näher und es endete sogar im Petting. Der Student wollte eigentlich weiterfliegen nach Indien und machte nur einen 2-tägigen Zwischenstopp in BKK. Ich gab ihm meine Hoteladresse und er kam tatsächlich zu mir.
Ich lud ihn zum Dinner ein und anschliessend verbrachten wir eine tolle Liebesnacht in meinem Zimmer. Am nächsten Morgen musste ich nüchtern um 8 h im Spital antraben. Er blieb noch etwas liegen im Zimmer und ich verabschiedete mich von ihm. Nach der OP, also ca. zwei Tage später, wollte ich in das selbe Hotel zurückkehren. Auf meiner Rechnung stand dann eine Flasche Cognac, die vermutlich dieser Student aus der Minibar mitgenommen hat. Nicht gerade die feine Art!
Bei Spitalaustritt war mein ganzer Kopf eingewickelt in Bandagen. Es waren nur noch Augen, Mund und Nase zu sehen. Trotzdem suchte ich noch meinen Schneider auf, wo ich Massanzüge in Cashmere anfertigen liess und besuchte natürlich den obligaten Chatuchak-Weekendmarkt, wo es jeweils zu und herging wie in einem Taubenschlag. Wurde ich gefragt, was passiert sei, erklärte ich, dass ich einen Motorradunfall erlitten hätte. Nach einer Woche kamen die Verbände weg und zurück blieben riesige blauschwarze Hämatome links und rechts an meinen Schläfen. Die sollten sich allerdings nach ca. 14 Tagen verflüchtigt haben, was auch zutraf.
Auf dem Heimflug sah ich immer noch aus, als wäre ich das Opfer einer Schlägerei geworden. Das war mir aber egal. Sollten die Leute doch denken, was sie wollten. Die Pakistan-International musste in Athen einen unvorhergesehenen Zwischenstopp einlegen, da während des Rückflugs in der ersten Klasse ein Fenster davongeflogen war. Es dauerte lange, bis ein Ersatzflugzeug organisiert werden konnte und so kam ich mit grosser Verspätung erst in Zürich an. Da mich ohnehin niemand abholte, spielte das keine Rolle. Zum Fädenziehen musste ich dann in der Schweiz in eine Arztpraxis gehen. Das Endresultat war phantastisch. Ich sah um Jahre jünger aus, also mindestens 10 – 15 Jahre waren mir auf diese Weise geschenkt worden. Somit konnte es weitergehen mit der Suche nach Mr. Right!
Von nun an konzentrierte ich mich eher auf die Suche nach einem jüngeren bis sehr viel jüngeren Partner. Die waren garantiert noch nicht so verdorben und anormal wie die Aelteren. Ich ging ab sofort locker als End-Dreissigerin/Anfang Vierzigerin durch und hatte auch gute Dates. Leider war einer dabei, der sich später als übler Stalker herauskristallisierte. Er bombardierte mich während Jahren vorwiegend nachts mit seinen unsittlichen Anrufen, riss mich aus dem Tiefschlaf und ärgerte mich, denn ich wollte ihn partout nicht mehr treffen. Er sandte mir unsittliche Pornos zu oder gar Fotos seines erigierten Penis. Der reinste Horror. Abstellen des Telefons während der Nacht, Nichteingehen auf das mir Zugesandte, es nützte alles nichts. Eher kamen dann wüste Beschimpfungen und Beleidigungen. Ich ging mal zur Polizei deswegen, die waren aber auch ratlos. Solange es nicht zu Tätlichkeiten kam, konnten sie nichts ausrichten. Sie empfahlen das Schreiben eines Drohbriefes ansonsten Anzeige erfolgen würde. Das half dann ein wenig, aber nicht zu 100%. Seitdem ich meinen Festnetzanschluss abgeschafft habe und ihn auf meinem Handy blockieren konnte, habe ich endlich Ruhe.
Endlich fand sich auch die Nadel im Heuhaufen: Andreas I., erfolgreicher Derivathändler an der Börse mit Riesenverantwortung, denn er jonglierte täglich mit Millionen. Er war 30 Jahre jünger als ich!! Da er etwas älter ausschaute und bereits die ersten Kopfhaare verlor, passte es trotzdem. Ich hätte ja locker seine Mutter sein können, aber so wirkten wir nicht nach aussen. Ich konnte ihn formen und ihm das Savoir vivre beibringen. Er kam aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, war völlig unverdorben und hatte praktisch noch keine sexuellen Erfahrungen gemacht. Höchstens einige wenige Bordellbesuche hat er mir gebeichtet.
(5) Andi und ich, ganz am Anfang unserer Beziehung
Er war respektvoll zu Frauen, hatte einen sehr guten integren Charakter und bewunderte mich vorbehaltlos und nannte mich „Wildkatze“. Er verdiente bereits ein Salär, von dem viele Topmanager nur träumen konnten. Trotzdem war er bescheiden und hielt seine Schäflein im Trockenen. Er fand sofort einen guten Draht zu Siti, behandelte sie respektvoll und auf Augenhöhe. Er lud Siti auch vielfach mit ein, wenn wir an einem Samstagabend mal in ein gutes Restaurant zum Dinner gingen. Einmal war sie mit von der Partie bei Ferien auf der thailändischen Insel Phuket. Auch reisten wir zu Dritt nach Bangkok und logierten im Luxushotel ShangriLa. Siti wollte sich im Bumrungrad-Hospital die Augen lasern lassen, damit sie endgültig auf das Brillentragen verzichten konnte. Siti hat ihn jedenfalls gemocht und die Welt war für sie damit wohl endlich wieder in Ordnung. Das verrückte Leben ihrer Mutter hatte endlich ein Ende und Ruhe kehrte ein.
Andi, wie wir ihn nannten, hatte anfänglich eine Wohnung in Winterthur, später dann in Glattbrugg und noch etwas später kaufte er sich sein Terrassenhaus in Pfäffikon SZ, also zu Fuss 30 Minuten von uns entfernt. Wir verbrachten die meisten Wochenenden bei mir in Wollerau und auch mittwochs übernachtete er immer bei uns. Es war stets harmonisch, obschon er von seinen Interessen her sehr finanzlastig war. Aber das nahm ich inkauf, denn sonst stimmte alles.
Sehr bald stellte er mich auch zu meiner grossen Verwunderung seinen Eltern in Stammheim vor und etwas später seinen Jugendfreunden. Niemand nahm Anstoss am Altersunterschied, denn es wusste keiner, wie gross der in Tat und Wahrheit war. Zurückblickend kann ich sagen, dass es in Sachen Männer die besten 7 Jahre meines Lebens waren. Da ich selber nebst der Pension auch ein gutes Salär nach Hause brachte, konnten wir uns phantastische Luxusreisen gönnen. Die hatten wir beide bei unserem beruflichen Stress auch nötig.
Wir stiegen auf Bali wie auch in Thailand in Luxusresorts ab oder in Bangkok im Peninsula oder ShangriLa. Abends hatten wir dort jeweils unseren grossen Auftritt: Andi im dunklen massgeschneiderten Anzug und Schuhen nach Mass. Ich in massgeschneiderter langer Seidenrobe im asiatischen Stil. Wir erregten Aufsehen und wurden königlich bedient und bewundert. Einmal gönnten wir uns eine Fahrt im legendären Eastern Oriental-Express von Bangkok nach Singapore mit Uebernachtungen vor Antritt der Reise und am Schluss derselben im sagenumwobenen Oriental-Hotel.
Im Orientexpress hatten wir eine wunderbare ganz in Edelhölzern ausgestattete Kabine mit schönem Badezimmer. Zum Service gehörte ein eigener Butler, der das Frühstück sowie den Nachmittagstee auf die Kabine brachte. Es gab einen Panorama-Wagen zuhinterst, von welchem aus man den herrlichen Ausblick in die wunderschönen Landschaften, die pittoresken Dörfer und die Menschen unterwegs geniessen konnte.
Es gab einen Barwagen mit Piano, wo abends ein Pianist spielte und dann gab es auch noch einen Bibliothekswagen sowie diverse äusserst luxuriöse Speisewagen. Es wurden dort Sterne-Menüs serviert vom Feinsten und die Klientel an Bord des Zuges war gelinde gesagt distinguiert. Abends trug man Anzug, wenn nicht gar Smoking und die Dame kam mindestens im Cocktailkleid, eigentlich eher in langer Abendrobe. Es war eine völlig andere Welt, aber unvergesslich.
Die Fahrt dauerte leider nur 4 Tage und 3 Nächte, kam uns jedoch viel länger vor. Unterwegs wurden diverse Halte eingeschaltet zur Besichtigung z.B. der River-Kwai Brücke. Ebenso wurde in Kuala Kangsar, der alten Königsstadt in Malaysia ein Halt eingelegt, wo man mit einer Fahrrad-Rikscha herum transportiert wurde. Es war eine der schönsten Reisen in meinem Leben und ich hatte die absolut ideale Begleitung an meiner Seite. Kein anderer der vielen Männer, die mein Leben kreuzten, hätte da besser gepasst. Es hätte unser Honeymoon sein können!
Von da an reisten wir regelmässig nach Thailand, auch in den schönen Norden, wo wir im Four-Seasons-Resort verweilten, einem paradiesischen Ort mit riesengrossem tropischem Park, in welchem kleine Seen und Reisterrassen integriert waren und wo man zur Vervollkommnung der Authentizität einige dort arbeitende Reisbauern inkl. Wasserbüffel beschäftigte. Tagsüber legte man sich an einen der diversen Pools mit Aussicht in den Tropengarten und liess sich vom Personal bedienen und verwöhnen. Nachts brannten überall Fackeln und man lauschte den tropischen Klängen und Geräuschen von Ochsenfröschen und anderem Getier. Zur Auswahl standen diverse grossartige Restaurants und Bars. Andi nahm an einem Kochkurs teil währenddessen ich im Park herumschlenderte. Er war im Gegensatz zu mir ein meisterhafter Koch und brachte herrliche Essen zustande, was eine zusätzlich positive Eigenschaft war, die ich sehr schätzte.
Eine der vielen Thailand-Reisen mit Andi bleibt mir ebenfalls noch in guter Erinnerung und bestätigt mir immer wieder, wie grosszügig er doch mir gegenüber war. Nach ein paar Tagen im ShangriLa mit Besuchen des Zahnarzts und Schneiders in Bangkok sowie Einkauf von Antiquitäten und Anpassen lassen von Massschuhen - für mich passend in der Farbe violett eines Thaiseiden-Hosenanzugs - verreisten wir auf dem Phao Praia River auf einer antiken Reisbarke Richtung Ayutthaya, einer Stadt 80 km nördlich von Bangkok und ehemalige Hauptstadt des Königreichs Siam. Es war nur noch ein einziger anderer Gast an Bord und abends setzte das Schiff seine Anker vor einem grossen alten Kloster. Wir nahmen mit dem anderen Gast zusammen das Nachtessen draussen auf Deck ein und zogen uns anschliessend in unsere Kajüte zurück.
Die Betten lagen übereinander und ich wählte das obere Bett. Die Decke war ziemlich nah und ich konnte mich im Bett kaum aufrichten, aber irgendwie ging es schon für mich. Allerdings zog in der Nacht ein heftiges Gewitter auf. Regen peitschte an unser Kabinenfenster und die Fensterläden schepperten hin und her. Ich bekam Platzangst, ja eine richtige Panik-Attacke. Andi handelte sofort. Er wusste, wir mussten das Schiff augenblicklich verlassen, sonst war nicht abzusehen, was noch in meinem Zustand passieren konnte.
Wir waren sozusagen „in the middle of nowhere“. Funktelefone oder Natels gab es damals noch nicht. Das Kloster hatte kein Fahrzeug und im Dorf gab es auch kein Taxi. Andi setzte alle Hebel in Bewegung, eine Lösung herbeizuführen. Nach Stunden gelang es ihm, Kontakt zum ShangriLa-Hotel in Bangkok aufzunehmen. Die schickten uns ihre Limousine und holten uns ab. Im Hotel erwartete uns ein herrliches Zimmer, eine Suite, und Lichter und Kerzen brannten bei unserer Ankunft. Mir fiel ein Stein, ja gar ein Fels vom Herzen. Andi hat für alles bezahlt und dafür war ich ihm ewig dankbar. Ayutthaya haben wir somit nicht kennengelernt und eine Rückerstattung für die abgebrochene Reise gab es natürlich auch nicht.
Es folgten noch viele weitere tolle Reisen mit Andi. Das war aber nebst Freude an gutem Essen und guten Weinen im Prinzip schon unsere fast einzige Gemeinsamkeit. Andi beschäftigte sich ausschliesslich mit Fachliteratur, hatte die „Finanz und Wirtschaft“ abonniert und für andere Dinge zeigte er keinerlei Interesse. Wir unternahmen zwar einige Wanderungen zusammen, so auch regelmässig ab Rapperswil zum Ende des Obersees und dann wieder zurück per Bahn, wobei wir unterwegs jeweils in ein Restaurant mit Terrasse zum See einkehrten für Fisch-Knusperli und Salat, begleitet durch feinen Weisswein. Mit der Zeit kam er mir vor wie eine Schlaftablette, denn tief in meinem Herzen war ich halt eine Bohemienne und vermisste die anregenden Diskussionen in Künstlerkreisen. Mein Traummann wäre nach wie vor entweder ein Pianist, Komponist, Schriftsteller oder Fotograf, Innenarchitekt oder Architekt gewesen.
Nach fünf Jahren schlug ich Andi eine kurze Trennung vor, um ev. danach die Beziehung wieder aufleben zu lassen. Er war einverstanden damit. Ein letztes Mal verreisten wir noch zusammen nach Koh Samui, wo ich dann feststellte, dass er erstmals in meinem Beisein mit anderen Frauen flirtete. Aber ich war ja selber schuld, es war ja MEIN Vorschlag, mich vorübergehend von ihm zu trennen.
Wild entschlossen machte ich mich wieder auf die Suche. Mr. Right war immer noch nicht zu finden. Die guten Männer waren alle glücklich verheiratet und unter den Singles waren die meisten nur an Sex interessiert. Trotzdem hatte ich während einigen Monaten einen Sex-Partner aus dem Luzernbiet, mit dem ich den besten Sex meines Lebens hatte. Es war der Edi R., ca. 20 Jahre jünger als ich und er begehrte mich sehr. Er kam regelmässig einmal wöchentlich zu mir, lebte aber mit einer Partnerin zusammen. Ich verliebte mich in ihn und das beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Daher trennte ich mich dann doch wieder von ihm.
Nach einigen unbefriedigenden weiteren Abenteuern sehnte ich mich nach Andi zurück. Er war dann auch bereit, es nochmals zu versuchen, allerdings „auf Zeit“, wie er meinte. Denn meine Uhr als adäquate Partnerin an seiner Seite lief langsam ab. Damit konnte ich leben. Wir hatten nochmals zwei gute Jahre zusammen und er wollte dann für einen Sabbatical für 2-3 Monate nach Japan reisen. Geplant war, dass ich ihn im Herbst während meiner Ferien dort besuchen sollte.
Es kam anders. Die Ferien hatte ich eingegeben bei AIG und konnte das auch nicht mehr ändern. Wollte eigentlich jetzt den Flug buchen und da kam ein E-mail aus Tokyo. Andi hatte sich in seine Japanisch-Lehrerin verliebt und wünschte nicht, dass ich nach Japan komme. Ein Stich ins Herz. Später erfuhr ich dann, dass sie auch einige Jahre älter war als er, sozusagen für japanische Verhältnisse ein „Restposten“ und sie war hässlich und hatte ein Pferdegebiss. Er hat sie schlussendlich sogar geheiratet!! Wie ich erfahren habe, ging die Ehe nach rund 10 Jahren wieder in die Brüche und diese Yuki lebt wieder in Japan. Nun, ich hatte also Herbstferien und wusste nicht, was ich nun plötzlich allein unternehmen sollte.
Ich nutzte die Gelegenheit, mich bei meinem Hausarzt zu melden, der mir eine kleine Hautwucherung, die mich schon lange störte, entfernen sollte. Es stellte sich heraus, dass es meinen Hausarzt nicht mehr gab, denn er hatte wegen Erreichen des Pensionierungsalters seine Praxis an einen jungen Kollegen verkauft. Ich fragte also den Nachfolger, ob er sowas auch machen würde. Klar, wurde mir bestätigt.
Der ambitionierte junge Arzt nahm es gründlich. Fragte mich auch, wann ich zum letzten Mal bei einer Mammographie gewesen sei. Ich winkte ab und erklärte ihm, dass ich wegen schlechten Erfahrungen bzw. schmerzhaften Untersuchungsmethoden nie wieder eine solche über mich ergehen lassen wollte. Ausserdem hatte ich ja sehr kleine Brüste und war sicher kein Fall für Brustkrebs. Er pochte allerdings darauf und meldete mich im Triemli an. Was dann passierte, habe ich ja früher in diesen Aufzeichnungen schon beschrieben.
Es war also sozusagen meine Lebensrettung, dass die Beziehung zu Andi in die Brüche gegangen war. Ansonsten wäre ich noch sehr lange nicht wieder zu einem Arzt gegangen, da ich während Berufstätigkeit dazu schlicht und einfach nie Zeit hatte! Ich wäre also längst nicht mehr unter den Lebenden!!
(6) In der Horizon-Bar des ShangriLa Hotels in Bangkok, wo ich zusammen mit Andi war

Ich konnte ja nicht von einem Tag auf den anderen einfach nur noch zuhause herum hocken und nichts tun. Ich besprach mich mit Siti und wir kamen zum Schluss, dass ich einen kleinen Dienstleistungsbetrieb gründen sollte, nämlich Betreuung von Häusern und Haustieren während Abwesenheiten der Besitzer. Wir nannten die Unternehmung „Cats and House“ und Siti half mir beim Konstruieren einer Website. Wir liessen durch die Post Flyer verteilen in Wollerau, Richterswil, Schindellegi und Bäch. Die Resonanz war nicht schlecht und ich hatte schnell einige Dauer-Kunden. Unter dem Strich schaute natürlich rein gar nichts heraus. Ich musste froh sein, wenn ich nicht noch drauflegte. Aber so war ich wenigstens beschäftigt und hatte eine Aufgabe.
Parallel zu dieser neuen Aufgabe dachte ich auch daran, für Siti und mich ein eigenes Pferd anzuschaffen. Ich selber wollte allerdings nicht mehr reiten lernen, aber wenigstens Bodenarbeit mit dem Pferd machen sowie mit ihm täglich Spaziergänge unternehmen. Ich schwärmte schon immer für die grossen schwarzen Friesen. Siti meinte allerdings, die wären für uns viel zu gross und es käme eher ein Spanier in Frage. Nun, wir kauften uns einschlägige Zeitschriften mit Annoncen für Pferde, die zum Verkauf standen.
An einem Sonntag fuhren wir los, um zunächst doch einen Friesen anzuschauen. Der stellte sich für Siti, die etwas von Pferden verstand, als ungeeignet heraus, da er lahmte und an einer unheilbaren Hufrehe zu leiden schien. Wir fuhren weiter zu einem Stall in der Ostschweiz, wo man uns zu zwei dort stehenden Pferden führte. Beim einen davon war ich wie vom Blitz getroffen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ein Andalusier mit wunderschöner Mähne und dunklen Augen, die mich irgendwie traurig anblickten. Der Händler hatte ihn eingetauscht gegen ein anderes Pferd. Siti sollte ihn probereiten, so wünschte ich es mir und sie kam auch einigermassen zurecht mit Aladin, so hiess der Traumprinz. Siti wusste, dass grosser Widerspruch nichts bringen würde, denn sie kannte mich. Ich kaufte Aladin, handelte noch einen Sattel und den Transport nach Samstagern aus.
Dass wir im Stall Köchler für Aladin einen Platz bekommen sollten, hatte ich nicht abgeklärt, war mir aber sicher, dass ich auch das noch regeln konnte. So war es denn auch. Aladin bekam die hinterste Box und wurde leider wie ein Aschenputtel behandelt. Die Köchler-Ponies und Ilay durften frei herumlaufen und hatten auch Zugang zur Weide. Aladin durfte das leider lange nicht. Aber irgendwann kam es dann doch zu klappen, dass er etwas mehr Freiheit bekam. Wir liessen eine Sattlerin kommen, die für Aladin den geeigneten Sattel anbieten konnte und somit war alles in trockenen Tüchern. Siti bekam Freude an ihrem Pferd und auch ich besuchte Aladin regelmässig und gab mich mit ihm ab.
(1) Aladin und ich, damals noch im Stall Köchler in Samstagern
Als Siti mal im Winter in Thailand in den Ferien war, durfte eine Stallkollegin mit Aladin ausreiten während dieser Zeit. Es war tiefer Winter, viele Strassen waren nicht befahrbar und z.B. auch der Zugang zu meiner Garage zugeschneit. Das Mädchen begab sich trotz widerlicher Umstände auf einen Ausritt, hatte offenbar nicht nachgegurtet und der Sattel sass viel zu locker. Auf einem zugeschneiten Weg, wo links und rechts hohe Schneemauern standen, kamen ihnen Hunde entgegen. Aladin erschrak und brannte durch. Das Mädchen wurde abgeworfen und Aladin machte sich aus dem Staub. Der Sattel drehte sich an den Bauch und Aladin verhedderte sich auf der Flucht in einen Steigbügel.
Trotzdem rannte er weiter und fand auch den Stall, der jedoch verschlossen war. Aladin pochte gegen die Holztüren, zerstörte diese und die ganzen Wände und der Boden waren voller Blut. Das aufgeregte Mädchen kehrte zu Fuss schliesslich auch zum Stall zurück und fand ein Chaos vor. Sie rief mich an, auch einen Tierarzt und die Familie Köchler, die Stallbesitzer. Ich konnte mein Auto nicht aus der Garage ausbuddeln, rannte zu Fuss nach Richterswil runter und machte von dort aus Autostopp mit einem Auto, das noch fahrtüchtig war und mich zum Stall nach Samstagern brachte. Der Tierarzt war inzwischen auch eingetroffen und die Köchlers auch. Dr. Schnewlin erklärte, dass er den am Oberschenkel von Aladin festsitzenden Steigbügel nur unter Vollnarkose aufschneiden könne. Das sei eine gefährliche Sache, denn Aladin würde zu Boden plumpsen bei Narkoseeinleitung und dabei könne ev. passieren, dass er sich noch schlimmere Verletzungen zuziehen könnte und schlussendlich eingeschläfert werden müsse. Ich bekam Schreikrämpfe und heulte hemmungslos los.
Alle standen ratlos herum. Aber schliesslich hatten wir keine andere Wahl, das Risiko musste eingegangen werden. Es war grausam, zu sehen, wie Aladin krachend zu Boden ging. Ich konnte es kaum mitansehen. Blitzschnell durchtrennte der Tierarzt das Eisenstück und es kam eine klaffende Wunde zum Vorschein. Ein grausamer Anblick. Wie durch ein Wunder stand Aladin wieder auf. Aber von diesem Moment an liess er keinen mehr an sich ran, auch den Tierarzt nicht und mich natürlich auch nicht. Die Wunde hätte täglich gereinigt werden müssen. Keiner wagte sich in seine Box. Auch der Tierarzt nicht mehr. Er erklärte, er sei Familienvater und könne keinerlei Risiken eingehen. Das Pferd sei unberechenbar. Mir blieb keine andere Wahl, ich musste Aladin wenigstens oral Medikamente, also Schmerzmittel und Antibiotika zuführen, ohne dass ich seine Box betreten musste. Ich versteckte die Medis in Karotten und Aepfeln und verfütterte ihm diese über die Boxentüre. Trotz Temperaturen im tiefen Unternull-Bereich verbrachte ich täglich viele Stunden bei Aladin. Schlotternd und zitternd vor Kälte und tieftraurig, ihm nicht besser helfen zu können.
Siti kam aus den Ferien heim und sie wusste von nichts. Ich hatte ihr nicht berichtet, um ihr nicht die Ferien zu verderben. Nun musste ich alles beichten. Sie fuhr unverzüglich zu Aladin rauf und betrat als Erste nach dem Unfall wieder seine Box. Er liess es geschehen und liess sich auch von ihr die Wunde reinigen. Es dauerte sehr lange, bis Aladin dieses Trauma überwunden hatte. Wir sahen uns deswegen nach einem anderen Stall um, denn wir dachten, dass es dadurch Aladin eventuell leichter fallen könnte, die Sache zu vergessen. Wir wurden fündig im Burkethof beim Fuchs Hänsel in Wollerau. Der hatte zufällig eine Box frei und war bereit, uns als neue Pensionäre aufzunehmen. Ein neues Kapitel begann. Später komme ich wieder zurück auf das Thema „Aladin“.
Nun zurück zu „Cats and House“.
Einmal hatte ich Kundschaft in Richterswil. Eine Katze, die im obersten Stockwerk eines alten Häuserblocks lebte, musste besucht und gefüttert werden. Dazu gehörte das Anlegen einer Leine und das kurze Spazierenführen unten im Garten der Ueberbauung. Die Nacht zuvor hatte es geregnet und der Rasen war glitschig. Ich passte auf. Allerdings erblickte die Katze plötzlich einen Schmetterling und raste los wie eine Rakete. Sie zog mich samt Leine hinter sich her, ich rutschte aus und verdrehte dabei dermassen unglücklich den Fuss, dass ich laut aufschreiend am Boden liegen blieb. In der Hand hatte ich nur noch die Leine. Die Katze war weg. Ich konnte nicht mehr aufstehen. Ein paar Leute, die sich auf den Balkonen aufhielten, schauten belustigt zu uns runter. Ich hingegen fand das alles andere als lustig.
Mein Fuss schwoll innert Sekunden an und an ein Aufstehen war nicht mehr zu denken. Ich bat dann jemand von diesen Leuten, mir doch zu Hilfe zu kommen. Denn einerseits musste die Katze eingefangen werden und andererseits lag oben in der Wohnung meine Handtasche mit dem Handy, mit dem ich meine Tochter anrufen wollte. Sie sollte mich ins Spital bringen. Das geschah dann auch. Siti war am Reiten in Wollerau oben und es dauerte ca. eine halbe Stunde, bis sie da war. Mein Auto wurde durch ihren Freund Marco geholt und nach Hause zurückgebracht. Im Spital wurde geröntgt und eine dreifache Fraktur des Sprunggelenks diagnostiziert. Ohne mich zu fragen boten sie einen Orthopäden aus Zürich auf, der mich operieren sollte.
Es war Sonntag und in Richterswil hatten sie keinen Chirurgen, der sowas machen konnte. Eigentlich hatte ich ja eine Privatversicherung und man hätte mich fragen sollen, was für Wünsche ich bezüglich Arzt und Unterkunft habe. Dem war leider nicht so. Man führte mich umgehend in den Operationssaal und leitete die Narkose ein. Der sogenannte Orthopäde war alt und hatte merkwürdige OP-Methoden. Er bastelte irgendwas mit Drähten und machte die Aussennaht zu mit Klammern. Die Innennaht wurde durch einen Assistenten normal zugenäht. Sie brachten mich zunächst in ein Zweierzimmer, was ich angesichts meines Versicherungsstatus‘ nicht akzeptierte. Nach langem Hin und Her bekam ich dann mein Einzelzimmer, aber die Betreuung war lausig und der Komfort weniger als mittelmässig. Es war Sommer und die Sonne brannte gnadenlos rein. Keine Klimaanlage, keine Fensterläden.
Nach einer Woche wurde ich entlassen und humpelte von nun an an Krücken. Die mit Klammern versorgte Aussennaht wollte nicht verheilen. Es gab Infektionen, immer wieder Hospitalisationen in Richterswil mit „Spezialbehandlungen“. Es brachte keine Fortschritte, im Gegenteil. Schliesslich wucherte die Infektion bis auf die Knochen runter und man sprach davon, eventuell den Fuss amputieren zu müssen.
Da war für mich der Zeitpunkt gekommen, den Arzt zu wechseln. Da konnten sie mich bombardieren mit Drohungen und Beschwörungen so lange sie wollten. Ich ging nicht mehr nach Richterswil zur Behandlung. Von da an fuhr ich täglich zu PD Dr. Oberholzer, einem neu an der Klink Pyramide in Zürich etablierten Sportchirurgen, spezialisiert auf untere Extremitäten. Er reinigte gewissenhaft immer und immer wieder die infizierte Wunde und wartete darauf, dass sich neue Haut bilden würde, damit er die Naht neu nähen konnte. Es war eine Sisyphus-Arbeit und dauerte Wochen bis Monate. Es gab auch dort deswegen diverse Hospitalisationen und Eingriffe. Aber diesmal natürlich mit allem Komfort. Nach weiteren ca. 4 Monaten sah man endlich Licht am Ende des Tunnels und konnte hoffen, dass ich eines Tages wieder normal gehen konnte.
Durch das lange Gehen an Krücken und Dauerbelastung bzw. Ueberbelastung des Knies auf der anderen Seite, an welchem ich schon zweimal einen Unfall erlitten hatte, einmal sogar mit Kreuz- und Seitenbandriss, waren die Voraussetzungen denkbar schlecht. Nachdem der linke Fuss endlich wieder einigermassen brauchbar war, kam jetzt das Knie dran. Dr. Oberholzer fand schwere Arthrose vor und degenerative Veränderungen der Knorpel bzw. gab es gar keine abfedernde Knorpelmasse mehr, sondern ich lief sozusagen „auf dem Knochen“. Die genaue Untersuchung fand arthroskopisch unter Vollnarkose statt.
Ich war inzwischen Dauergast an der Klinik Pyramide und erhielt die sogenannte „Gold-Card“ und bekam immer eines der schönsten Zimmer mit Seeblick und Sonder-Service. Ein schwacher Trost, denn es gab keine andere Möglichkeit als das Einsetzen einer Kniegelenks-Prothese. Ich vertraute Dr. Oberholzer voll und gab die Zustimmung zum erneuten Eingriff.
Er hatte die Praxis erst kürzlich übernommen und zur finanziellen Unterstützung seiner neuen Praxis hatte er mit dem Prothesen-Fabrikanten Mathis einen Vertrag abgeschlossen. Er setzte nichts anderes als Mathis-Prothesen ein. Damit ich mich noch vollends entscheiden konnte, den Eingriff machen zu lassen, empfahl er mir den Besuch einer Info-Veranstaltung im Kongresshaus, wo Dr. Oberholzer einen Vortrag zum Thema hielt und die Firma Mathis für Beantwortung allfälliger Fragen zur Verfügung stand.
Bei dieser Gelegenheit realisierte ich, dass die Mathis-Prothesen einen Anteil an Nickel hatten, also nicht voll nur aus Titan bestanden, wie dies bei anderen Anbietern der Fall war. Nun, ich litt seit ewigen Zeiten schon an einer Nickel-Allergie und sagte das denen auch. Sie erklärten mir, der Nickelanteil ihrer Prothesen sei so gering, dass ich mir deswegen nun wirklich keine Gedanken machen müsste. Leider war es damals noch nicht üblich, bei einem so schwierigen Entscheid eine zweite Meinung einzuholen. Hätte ich das doch nur getan. Tat ich aber nicht und die völlig für mich ungeeignete Prothese wurde eingesetzt.
Nach ein paar Wochen durfte ich erneut an Krücken gehend nach Hause. Fuhr zum Entsetzen des Arztes auch noch selber heim, aber inzwischen hatte ich ja ein Auto mit Automatik-Getriebe gekauft und es ging einigermassen. In eine Verkehrskontrolle kam ich zum Glück nicht. Denn hätten die meine Krücken gesehen, die hätten mir augenblicklich den Fahrausweis entzogen.
Bei der geringsten Reibung, also wenn ich mich körperlich betätigte und z.B. im Pferdestall ein paar Karetten voller Mist zum Misthaufen brachte, setzte sich Nickel frei und im Gelenk entstanden grosse Ergüsse, die mir schmerzhafte Bewegungseinschränkungen und groteskes Anschwellen des Kniegelenks brachten. Der Operateur selber war nicht bereit, das Knie zu punktieren, da zu gefährlich. Denn wurde nicht zu 100% steril gearbeitet, konnten durch das Eindringen von Keimen schlimme Folgen erwartet werden.
Ich fand schliesslich einen Arzt in Wädenswil, der mir die Ergüsse absaugte und ich konnte wieder gehen. Aber meistens nicht von langer Dauer. Das Knie musste unter Narkose durchgespült werden. Komplikationen noch und nöcher. Ein Elend. Mein Zuhause ging insgesamt vom Keller bis zum Dachgeschoss über vier Stockwerke und auf die Dauer nicht mehr geeignet in meinem Zustand. Sportwagen ade, Haus ade. Es musste ein vernünftiges und besser geeignetes Umfeld her.

Nach längerer Suche wurde ich fündig im Internet! Am linken Zürichsee waren Terrassenhäuser geplant bzw. bereits im Bau, die einen Grundriss und Nebenräumlichkeiten anboten, wie es meinen Vorstellungen entsprach. Ausserdem an phantastischer Lage mit unverbaubarer, direkter Seesicht und Blick in die Schweizer Alpen. Man hatte noch die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen auf Veränderungen und konnte den gesamten Innenausbau sowie Grundriss selber bestimmen. Der Preis stimmte auch einigermassen, obschon natürlich schon rund 1/3 teurer als mein Reihen-EFH in Wollerau. Ich könnte dort alle meine Träume bezüglich Innenausstattung realisieren, was bisher in meinem Leben ja nie der Fall gewesen war. Entweder entschieden andere Leute oder das Objekt war bereits komplett bestehend und Aenderungen waren kaum möglich.
Ich liess die Unterlagen kommen und bewarb mich um eine der noch wenigen zur Verfügung stehenden Wohnungen. Es sollte die mittlere Wohnung der mittleren Reihe werden, 175 m2 gross und mit über 50 m2 grosser Terrasse sowie vielen Nebenräumen und Felsenkeller. Da Siti in die neue Liegenschaft mitkommen würde, waren mir 4 ½ Zimmer zu wenig und ich machte das vorgesehene 75 m2 grosse Wohnzimmer etwas kleiner, dafür sollte es noch für mich ein kleines Büro à 12 m2 geben.
Ich lief zu diesem Zeitpunkt noch an Krücken herum und weitere Hospitalisationen und Re-Operationen standen bevor. Somit hatte ich nur gerade Zeit, ein einziges Mal zum Küchenbauer, zum Badezimmer-Anbieter und zum Plättli-Center zu fahren, um meine Auswahl zu treffen. Die Planung der gewünschten Steckdosen, Downlights etc. konnte ich aufgrund der Pläne entweder vom Krankenbett aus oder von zuhause aus in den Plänen einzeichnen. Leider hat schlussendlich nicht alles geklappt, denn v.a. der Elektro-Ingenieur hatte gepfuscht.
Als ich endlich mal eine Rohbaubesichtigung vornehmen konnte, stellte ich fest, dass die Decken bereits betoniert waren, aber es fehlten Dutzende von Downlights, die nachträglich nicht mehr eingebaut werden konnten. Der Elektroingenieur behauptete, er habe mir die Elektropläne zur Unterschrift mal in den Briefkasten in Wollerau geworfen und ich hätte alles unterschrieben und bewilligt. Das war eine glatte Lüge. Er konnte es auch nicht nachweisen, denn er hatte meine Unterschrift nirgendwo! Es fand sich schliesslich eine Lösung, indem man auf die Decken dekorative Gipskränze aufsetzte, in welche die Deckenspots dann doch noch integriert werden konnten. Es sah im Nachhinein sogar noch viel besser aus als ohne dieselben. Bezahlen musste das der unfähige Elektro-Ingenieur!
Ich trennte mich beim Umzug von vielen Dingen, die nicht mehr meinem Geschmack entsprachen und nahm nur Jenes mit, das wirklich stylisch war und auch passte. Eingeplant waren sehr viele Einbauschränke, insgesamt 50 an der Zahl! Allesamt in Mattschwarz und sehr gut passend zum hellbeigen Versace-Feinsteinzeug-Bodenbelag. Auch die Küche war in elegantem Hochglanzschwarz, in Verbindung mit Chromstahl-Elementen und sehr spezieller Glasrückwand. Ein Meisterwerk. Ich hörte mehrfach, dass meine Wohnung die schönste aller 32 vorhandenen Wohnungen war.
(1) Blick vom Esstisch aus auf den See
Meine vielen schwarzen Chinamöbel, die chinesischen Seidenteppiche auf dem hellen Boden und die goldenen Antiquitäten aus Myanmar kamen voll zur Geltung. Dazu schöne Bilder eines bekannten thailändischen Kunstmalers. Endlich konnte ich mein Flair für Interior Design voll ausleben. Jeder, der kam, machte mir Komplimente. Einzelne sagten, noch niemals eine so schöne Wohnung gesehen zu haben. Dazu kommt, dass ich von nun an komplette Seesicht nicht nur aus Küche und Wohnzimmer hatte, nein auch direkt von meinem Bett aus. Die Sonnenaufgänge sind sagenhaft vor der Kulisse des Bonsai-Baums im vorderen Erker der grossen Terrasse. Ich hatte nun endlich das Zuhause, das meinem Geschmack voll entsprach.
Gleichzeitig mit diesem Umzug in mein neues Zuhause brach ich auch viele frühere Kontakte ab, so auch zu diversen früheren Liebhabern, die gerne mal vorbeigekommen wären. Es begann von nun an ein völlig neuer Lebensabschnitt. Ich genoss es, auf meiner Terrasse zu sitzen bei einem Glas Wein. Meine Gedanken schweifen zu lassen und dazu eine unvergleichbar schöne Aussicht auf den See geniessen zu dürfen.
Leider lebte Siti nicht sehr lange mit mir im neuen Heim. Sie war definitiv flügge geworden und suchte sich bereits nach drei Monaten eine eigene Wohnung und fand auch eine hübsche Altbauwohnung in Horgen in See- und Bahnhofsnähe. Es fiel mir zwar schwer, diese Tatsache hinzunehmen, hatte aber Verständnis dafür. Wir trafen uns ja weiterhin regelmässig im Stall bei Aladin und auch sonst, wenn es ihre Zeit erlaubte.
(2) Diese herrliche Aussicht darf ich von meinem Terrassenhaus aus jeden Tag geniessen

Aladin kam gut an im neuen Stall, war aber nach dem Unfall nicht mehr reitbar. Siti wollte das nicht so ohne weiteres hinnehmen. Sie bastelte eine fast lebensgrosse Stoffpuppe und zusammen versuchten wir während vielen, extrem vielen Stunden, Aladin diese Puppe auf den Rücken zu setzen. Im Burketstall gab es ein grosses Sand-Viereck, auf dem man die Pferde trainieren konnte. Nach mehreren Wochen, ja eigentlich eher Monaten wagte es Siti dann, sich wieder mal auf Aladin drauf zu setzen. Es ging, er warf sie nicht ab. Vorsichtig drehte sie auf ihm einige Runden und es klappte immer noch. Zu einem späteren Zeitpunkt wagte sie es dann, auf dem Rücken von Aladin und wieder mit Sattel, das Gelände des Hofs für einen kleinen Ausritt zu verlassen. Hänsel begleitete die Beiden in gebührendem Abstand per Auto. Ein Wunder ist geschehen, Aladin war wieder reitbar! Sie unternahm mit ihm sogar Distanzritte bis auf den Gottschalkenberg. Ich fuhr per Auto rauf und wartete auf die Beiden in der Gartenbeiz. Aladin war so wohlerzogen, dass er sich zu unserem Tisch gesellen durfte zur Freude der anderen Gäste.
(1) Aladin auf dem Gottschalkenberg, Siti machte mit ihm diesen Distanzritt und ich erwartete die Beiden oben, wo ich per Auto hingefahren bin
Von da an ging ich des öfteren zum Stall, auch wenn Siti in Zürich am Arbeiten war. Ich machte mit Aladin Bodenarbeit auf dem Viereck und er war sehr willig und begabt. Dann begannen wir auch, zusammen kleinere oder grössere Spaziergänge zu unternehmen. Ich führte ihn am Strick und er trottete neben mir her. Ich sprach mit ihm, als wäre er ein Mensch. Ich erzählte ihm von kleineren Sorgen oder redete auch sonst über Gott und die Welt. Er hörte mir aufmerksam zu, denn ich sah, wie er seine Ohren bewegte, während ich mit ihm sprach. Zu dieser Zeit entstand zwischen uns eine grosse Freundschaft.
Da wir nicht mit allem in diesem Pensionsstall zufrieden waren, v.a. auch weil die Pferde im heissen Sommer stundenlang ohne Unterstand oder Schattenmöglichkeit in der brütenden Hitze ausharren mussten und von Bremsen und anderen Stechinsekten geplagt wurden, suchten wir nach einem anderen Stall. Ferner hatte inzwischen eine unsympathische Tochter von Hänsel das Regiment übernommen und war ziemlich stur und wollte keinerlei Vorschläge entgegennehmen. Es blieb so, wie es war, basta. Wem es nicht passte, der sollte halt gehen.
Wir fanden schliesslich im Stall Eichmühle in Wädenswil einen kleinen neuen Pensionsplatz für Aladin. Von da an ging ich täglich zu ihm und wir drehten regelmässig in der näheren oder weiteren Umgebung unsere Runden. Meistens 2-3 Stunden. Viele Leute kannten uns bereits, denn ich liess Aladin an gewissen Wegrändern grasen und wir wurden oft in Gespräche verwickelt. Ganz ideal war es leider aber auch in diesem Stall nicht. Aladin hatte sehr oft Koliken, seine Box war dem Wind und der Kälte ausgesetzt und sein kleiner Auslaufplatz - es gab dort keine Gruppenhaltung - war voller Plaques, einem Unkraut, das Pferden nicht bekömmlich ist.
Zufällig eröffnete Luci, die Reitlehrerin die schon im Burkethof einige ihrer Pferde stehen hatte und dort Reitstunden erteilte, einen eigenen Reitstall in Feusisberg. Sie bot Pensionsplätze im Offenstall und Gruppenhaltung mit grossem Auslauf an, also ein kleines Pferdparadies.
(2) Unser erstes Pferd Aladin in Feusisberg
Da der erst knapp 12-jährige Aladin leider an unheilbarem Schimmelkrebs erkrankt war, wussten wir, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Wir gönnten ihm demzufolge noch den Umzug nach Feusisberg, wo er nochmals aufblühte und herumtoben konnte mit den anderen Pferden, die er teilweise schon von Wollerau her kannte. Leider war seine Erkrankung jedoch nicht zu stoppen und eines Tages war der Tag x gekommen, vor dem wir schon lange wahnsinnige Angst hatten. Er konnte nicht mehr fressen, stand verzweifelt unter einem Baum und versuchte, den Kopf zu bewegen, was einfach nicht mehr ging. Die Krebswucherungen waren inzwischen überall. Ich rief Siti an und orientierte sie. Sie wollte es zunächst nicht glauben. Doch hat ihr Luci, die Stallinhaberin die Tatsache bestätigt. Siti informierte den Tierarzt, der schon Bescheid wusste und sie machte sich auf den schweren Weg zu uns.
Ich streichelte Aladin, sprach leise auf ihn ein. Bedankte mich bei ihm für die wunderbaren Jahre, die er uns geschenkt hatte. Für die vielen, unvergesslichen Momente, die wir zusammen hatten. Er schien zu verstehen. Siti und die Tierärztin kamen. Wir führten ihn hinter den Stall zu einer Wiese. Die anderen Pferde schienen zu merken, worum es ging, so empfand ich es jedenfalls. Ein letztes Streicheln, ein paar liebe Worte und die Tierärztin setzte die Todesspritze. Ich konnte es nicht mitansehen, wie er zusammensackte, sondern ging schon vorher weg. Siti blieb bei ihm bis zum allerletzten Seufzer und Atemzug. Sie deckten ihn zu mit einer Plastikblache und am nächsten Tag wurde er dann abgeholt. Ich ging lange, sehr lange nicht mehr zum Stall. Ein für mich wichtiger Lebensabschnitt ging zu Ende. Ein mir sehr lieb und ans Herz gewachsene Tier hat uns verlassen. Es war tragisch.
Schon sehr lange vor diesem Moment machten Siti und ich uns Gedanken, ob wir jemals wieder ein eigenes Pferd haben möchte, oder aber, ob wir nie wieder eines besitzen wollten. Wir hatten mal gelesen, dass im ersteren Falle man das neue Pferd noch zu Lebzeiten des bald Sterbenden anschaffen sollte. So hatten wir uns seit längerem für ein solches umgesehen. Es sollte auf jeden Fall wieder ein Spanier werden, das war sicher.
Ich wurde fündig. Im Inserat wurde ein ca. 3-4 jähriger Spanier angeboten, der noch nicht ausgebildet war aber über einen vorzüglichen und liebenswerten Charakter sowie gute Gene verfügte. Er stand zur Zeit auf einer Ganzjahresweide im benachbarten Deutschland, Nähe Schweizer Grenze. Siti glaubte, dass der sicher viel zu teuer für uns wäre, wollte ihn aber trotzdem mal anschauen gehen. Wir fuhren gemeinsam hin und nebst uns waren noch einige andere Interessenten aus Deutschland dort. Eine Familie sogar schon mit Bereiter dabei, der Amante, so hiess das Pferd, zu einem Spitzenpferd ausbilden wollte. Den nehmen wir, hörten wir sie sagen. Siti war sehr traurig, denn sie hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Mir gefiel er ehrlich gesagt gar nicht. Kein Vergleich zum eleganten Aladin.
Dieser Amante wirkte in seinem falbfarbenen Winterpelz schwerfällig und eher wie ein Teddybär. Aber vielleicht war es besser, nicht nach einem Doppelgänger von Aladin zu suchen, sondern zu etwas wirklich Konträrem zu wechseln. Die Besitzerin fand uns offensichtlich sympathisch. Ihr war Platz vor Preis wichtiger und schliesslich bekamen wir überraschenderweise den Zuschlag. Siti und ich brachen in Tränen aus, denn das Unglaubliche ist geschehen. Amante gehörte also bald uns. Es stellte sich dann heraus, dass er im Gegensatz zum unterwürfigen und rangniedrigen Aladin ein Macho und geborener Herdenchef war. Schliesslich hatte er einen preisgekrönten Vater und kam aus einer exzellenten iberischen Pferdzucht im Burgund. Sehr schnell wurde er in Wollerau zum Herdenchef und wie sich herausstellte zu einem sehr guten sogar. Es gab wenig Machtkämpfe und er brauchte nur den Kopf in eine bestimmte Richtung zu wenden, und der Rest der Herde kuschte!
(3) Aladin kurz vor seinem Tod. An seiner Seite Nachfolger Amante
(4) Aladin mit Amante
(5) Amante und ich in Feusisberg. Er liebt es, Dinge die man wirft, zu apportieren (auf diesem Foto ein Teddybär, den ich warf)
Nach einiger Zeit begann Siti damit, ihn zuzureiten und auszubilden. Er war motiviert, willig und begabt. Sowohl für Dressur, Zirkus-Showtricks wie auch für das Springen über Hürden. Auch schien er furchtlos, denn einmal, als wir zum Beispiel mit ihm unterwegs waren und ein Hängegleiter wenige Meter vor uns am Boden landete, zuckte er mit keiner Wimper. Die meisten anderen Pferde wären da voll durchgebrannt. Auch tief fliegende Helikopter vom nahegelegenen Helikopter Landeplatz in Schindellegi machten ihm rein gar nichts aus.
Er war so etwas wie ein Sechser im Lotto! Wir hatten mit ihm das grosse Los gezogen. Mit der Zeit konnte ich den Verlust von Aladin, zu dem ich doch eine sehr spezielle Beziehung hatte, zeitweise sogar funktionierende lautlose Kommunikation betrieben hatte, überwinden. Amante war mir zwar niemals so sehr ans Herz gewachsen, doch auch ich begann ihn allmählich zu lieben. Er war unkompliziert, zuverlässig und man konnte in jeder Situation auf ihn zählen. Siti war wieder glücklich und ich war es somit auch.
(6) Siti mit Amante, inzwischen war er weiss geworden
Leider gab es auch in diesem Stall - wie in den meisten Ställen - Negatives. Die Pferde wurden nicht regelmässig gefüttert. Luci steckte in finanziellen Schwierigkeiten und es wurde an allen Ecken und Enden gespart. Amante als Herdenchef kam zwar immer zu seinem Futter, aber es gab viele Kündigungen und Abgänge bei den Pensionären und am Schluss war eigentlich Amante so ziemlich der letzte Pensionär nebst den immer zahlreicher werdenden Reitschulpferden von Luci. Siti schaute sich wieder einmal nach einem neuen Pensionsstall um.
Amante zog um nach Wolfhausen, auf der anderen Seeseite. Die Anfahrt war für uns weiter, aber immer noch machbar. Es gab nette andere Pensionäre und wir fühlten uns glücklich dort. Es gab ein überdimensionales Viereck und sehr schöne Reitmöglichkeiten für Siti. Sehr viel bessere als in Feusisberg. Oft trafen wir uns über Mittag dort und unternahmen in der herrlichen ländlichen Gegend Spaziergänge mit Amante. Das sollte aber nicht seine letzte Bleibe sein. Mehr darüber später.

Nachdem ich mich in Wädenswil gut eingelebt hatte, fehlte mir eigentlich wieder einmal ein männlicher Partner. Zwei bis drei Versuche endeten im Fiasko, kamen überhaupt nicht in Frage und es gab groteske Begebenheiten. Einer der viel zu dick und viel zu selbstbewusst auftrat, mir beim ersten Treffen im Restaurant der Halbinsel Au gleich 5 Kreditkarten auf den Tisch legte, die mir zur Verfügung stehen würden, wäre ich denn bereit, in sein Anwesen in Feusisberg zu ziehen. Er glaubte, er hätte Sonderrechte und stellte seine Karre nicht auf dem Parkplatz des Hotels ab, nein er liess seinen teuren Mercedes direkt vor dem Eingang stehen, was eigentlich verboten war. An Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten!
Später lernte ich dann doch noch einen mir als geeignet scheinenden Mann kennen. Bernard Lacoste. Franzose und CEO einer weltweit tätigen Schweizer Unternehmung. Auch ihn traf ich in der Halbinsel Au, allerdings lud er mich nicht nur auf eine Tasse Kaffee ein, sondern zu einem Dinner. Wir unterhielten uns gut und vereinbarten ein weiteres Treffen. Er war weltgewandt, interessant und für sein Alter – zwei Jahre jünger als ich - geistig noch sehr beweglich und wirkte nicht so uninteressant wie andere Männer seines Alters. Er war viel auf Reisen, weltweit. Er stellte mir in Aussicht, mich ab und zu auf seine Reisen mitnehmen zu können und auch sonst ein interessantes Leben zu bieten. Seinen Hauptwohnsitz hatte er im Elsass, angeblich bei seiner Schwester. Er war geschieden und hatte eine Tochter und einen Sohn.
Mit der Zeit entwickelte sich eine gute Beziehung. Wir trafen uns regelmässig und er zog schliesslich bei mir ein in mein Gästezimmer. Allerdings war er wie eingangs erwähnt, viel im Ausland auf Geschäftsreisen und er hatte nie Zeit für mich an Wochenenden und auch nie an Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten. Meine Alarmglocken hätten spätestens dann eigentlich klingeln sollen.
Ebenso nahm er mich nicht mit zum jährlichen Event des Corvette-Clubs Frankreich, der diesmal in Budapest stattfand. Er hätte schon mit Deutschen Freunden abgemacht, erzählte er mir. Und ich Depp glaubte das auch. Er rief mich täglich an, aber das war nur eine Masche. Ich war nämlich nicht die Einzige, die er täglich anrief. Ich erlebte so ein Telefonat mal, als ich mit ihm im Auto unterwegs war. Er sprach Französisch mit der Anrufenden, erklärte ihr „je t’aime“ oder „je t’embrasse“. Wollte mir dann weismachen, das wäre ein Telefonat mit seiner Schwester gewesen. Er hatte einfach immer die passende Ausrede parat.
Ich durfte zwar einmal mit ihm nach London reisen und auch einmal nach Las Vegas. War dann aber doch immer mir selber überlassen, denn zum Dinner ging er jeweils mit Geschäftsfreunden, wohin er mich angeblich nicht mitnehmen konnte. In London besuchten wir zwar ein Musical nach meiner Wahl, das war aber auch schon alles.
Ein einziges Mal verbrachte er eine Woche Ferien mit mir in der Provence und er lud mich für Uebernachtungen in sehr teure Schlosshotels ein. Die Fahrt im knallgelben Cabriolet war toll und ich war geschmeichelt. Viel Zeit verbrachte er aber auch am Laptop und war doch immer mit geschäftlichen Dingen beschäftigt. Abends, wenn ich auf dem Zimmer war, ging er immer nochmals raus zum Auto. Von dort aus rief er wahrscheinlich täglich seine tatsächliche Lebenspartnerin an, mit der er wohl auch die Weekends und Feiertage im Elsass verbrachte. Als wieder mal Weihnachten vor der Tür stand und er leider im letzten Moment absagte, zu mir kommen zu können, verreiste er nach Hongkong.
Dort lebte sein Sohn mit Familie. Der Sohn war Airline Pilot bei der Cathay Pacific. Ich googelte die Familie und fand einen Blog der Schwiegertochter von Bernard. Sie berichtete dort ausführlich vom Besuch von Bernard und seiner ihn begleitenden Lebenspartnerin und es waren auch entsprechende Fotos zu sehen. Voilà, endlich hatte ich Tatsachen vor Augen, die ich immer wieder verdrängt hatte! Was war ich doch für eine dumme Kuh. Ich machte augenblicklich Schluss mit ihm.
Der Blog wurde zwar gelöscht, aber gesehen hatte ich ihn eben doch. Bernard, dieser verlogene Kerl, hatte nicht den Mut, sich zu entschuldigen. Stritt alles ab und belog mich weiterhin. Er hatte auch nicht den Mut, seine Sachen persönlich bei mir abzuholen. Ich sollte alles in Schachteln packen und unten in die Garage stellen, er würde es dann abholen. So geschah es auch und den Hausschlüssel und die Garage-Fernbedienung warf er mir kommentarlos in den Briefkasten. So ein mieser Mistkerl!
Das gab mir den Gong und den definitiven Entschluss, mich niemals, tatsächlich niemals mehr auf einen Mann einzulassen. Es möge kommen, wer will. Ich traue keinem einzigen Mann mehr über den Weg.
Seither komme ich absolut prima zurecht. Reise sehr viel und es macht mir rein gar nichts aus, allein zu verreisen. Im Gegenteil, da muss ich auf niemanden Rücksicht nehmen. Mein Tempo bei Besichtigungen unterwegs hält sowieso keiner mit! Selbst nach Langstreckenflügen deponiere ich nur kurz das Gepäck im Hotel und sause gleich los. Ich sauge alle neuen Eindrücke auf wie ein Schwamm. Ausruhen kann ich mich dann wieder zuhause......
Die einzige Person auf dieser Welt, mit der ich gerne verreise und mit der ich es immer ausserordentlich geniesse, das ist meine Tochter. Wir ergänzen uns gut, haben es immer abwechslungsreich und lustig und Spass an den selben Dingen. So verbrachten wir z.B. zusammen eine Woche in der Provence, ein verlängertes Weekend im Burgund, im Elsass, in Marrakech bereits zweimal, in Lissabon, Nähe Salzburg mit Besuch von Gut Aiderbichl, Santorini und noch einigen anderen Destinationen.
Allein bin ich in die Provence gereist, nach Südengland, auf eine Flusskreuzfahrt von Moskau nach St. Petersburg, einmal St. Petersburg mitten im Winter, nach Rajasthan, zweimal nach Myanmar, mehrmals nach Bangkok oder Nordthailand, nach Laos, Kambodscha, Vietnam, Marokko-Rundreise, Amalfiküste, Griechenlandrundreise, Istanbul, Dresden.

An ihrem 30. Geburtstag hat Siti ihre grosse Liebe geheiratet, den Frank D. Sie hatten davor eine schwere Zeit, weil Frank an einem eigentlich damals fast unheilbaren Krebs erkrankt war. Wie durch ein Wunder konnte er dann nach einer Stammzellen-Therapie doch noch gerettet werden und somit war ihr Glück vollkommen. Die Hochzeit in Murten mit Feier im Vieux Manoir war ein unvergesslich schönes Ereignis. Seine Familie aus den USA kam angereist und ansonsten war nur der engste Familienkreis dabei. Alex natürlich nicht. Eine Woche später gab es dann noch für Freunde und Bekannte inkl. Alex ein Dinner im Leutschenhaus, einem alten Patrizier-Riegelhaus mitten in den Rebbergen von Freienbach.
(1) Siti als wunderschöne Braut!
(2) Eine Woche später, zur Feier der Hochzeit im Leutschenhaus, trug ich wieder das selbe Kleid wie anlässlich der Taufe von Siti. 26 Jahre später passte es immer noch :-)
Kennengelernt hat Siti den 13 Jahre älteren Frank anlässlich eines Geschäfts-Events im Weihnachtszirkus Conelli. Lombard-Odier, wo Frank als erfolgreicher Banker arbeitete, hatte den ganzen Zirkus gemietet und wichtige Kunden dort zum Dinner mit anschliessender Vorstellung eingeladen. Siti war eine äusserst attraktive junge Frau, klug, beruflich erfolgreich, gebildet und überall beliebt.
Viele Männer in ihrem Alter waren neidisch oder wagten es gar nicht, eine Beziehung mit ihr einzugehen, denn sie konnten ihr einfach nicht das Wasser reichen. Einige, die es doch gewagt hatten, versuchten sie nieder zu machen, denn sie stellte ihr Licht meistens unter den Scheffel und liess sich das anfänglich gefallen. Aber es endete meistens im Fiasko.
Nicht so mit Frank. Er bewunderte sie masslos und verehrte sie, sie waren auf Augenhöhe. Frank hatte noch einen älteren Bruder, den Manuel. Seine Mutter war Oesterreicherin und kam aus Innsbruck, war ursprünglich mit einem Schweizer verheiratet, der Franks und Manuels Vater war. Nach ihrer Scheidung lernte sie Bill aus den USA kennen und folgte ihm dorthin. Sie haben eine grosse Farm in Pagosa-Springs in Colorado. Dort ist Frank aufgewachsen und später kam noch ein Halbbruder dazu, ebenfalls namens Bill. Da er in seiner Kindheit viel helfen musste und auch den Umgang mit Pferden bestens kannte, war er bodenständig geblieben und war nicht so versnobt wie viele anderen erfolgreichen Banker.
Sie verliebten sich und suchten ziemlich bald eine Wohnung, um zusammen zu ziehen. Sie wurden zwar fündig, bekamen aber leider nie den Zuschlag. Grund war die durch den Vermieter eingezogene Finanzauskunft über Frank. Er verdiente zwar gut bis sehr gut, hatte aber eine schlechte Zahlungsmoral. Er öffnete seine Briefpost oft lange nicht, übersah so wohl vielfach die eine oder andere Mahnung und war bei vielen Rechnungsstellern, so auch der Steuerbehörde, erst bereit zu zahlen, wenn die Betreibung ins Haus flatterte.
Die Finanzauskunft war miserabel, zeigte Dutzende von Betreibungen. Siti war entsetzt, denn das entsprach so gar nicht ihrem korrekten Wesen. Die vielen anderen positiven Eigenschaften von Frank überwogen aber dennoch. Schliesslich entschieden sie sich dazu, eine Eigentumswohnung zu kaufen und wurden im steuergünstigen Lachen am oberen Zürichsee fündig. Mit der Bahn durchaus vom Arbeitsweg her nach Zürich noch machbar. Es war eine riesengrosse 6-Zimmerwohnung mit vielen Balkonen und Terrassen mit insgesamt drei Stockwerken. Sie bezogen die Wohnung ungefähr 1-2 Jahre vor ihrer Heirat.
Ich wurde dort viel eingeladen zu Raclette oder Fondue, denn sie wussten, dass ich das mag. Ansonsten kochten beide sehr gut, liebten aber exotische Menüs, die mir nicht so behagten und daher das dann eher ihren Freunden vorsetzten. Sie unternahmen viele Reisen und während diesen Zeiten betreute ich jeweils ihre beiden Rassekatzen Pandora und „Hündli“. Letztere wurde so genannt, weil sie es liebte, Sachen zu apportieren.
Ich fand meistens Berge von Altpapier, Petflaschen, Glas, Karton etc. vor. Beide nahmen es diesbezüglich nicht so genau und brachten die Sachen selten zur Entsorgung. Meinen Aufräum-Tick störte das natürlich. Ich entsorgte daher immer alles. Legte Wäsche zusammen und versorgte sie, brachte herumstehende leere Blumentöpfe und andere Dinge in den Keller. Leider hatte ich auch die unangenehme Gewohnheit, Möbel und Gegenstände so zu arrangieren, wie es meinem ästhetischen Auge und meinem Hang zum Perfektionismus entsprach. Natürlich eine unmögliche Sache, aber es war ein Zwang, der mich so handeln liess.
Solche Zwänge waren manchmal weniger, manchmal mehr dominant. Es war nicht mein einziges Fehlverhalten. Seit meiner Pensionierung war ich chronisch unterfordert und meine später durch einen Psychiater diagnostizierte narzisstische Persönlichkeitsstörung in Kombination mit einem Borderline Syndrom und schizoider Wesensveränderung, verliefen in Wellenform. Mal lief es eine Zeitlang völlig normal und plötzlich kam wieder die grosse Rastlosigkeit. Das alles zeigte sich während meiner Berufstätigkeit eigentlich nicht, denn da war ich immer am Limit mit meiner Doppelbelastung als 100% Berufstätige in anspruchsvoller Position und alleinerziehende Mutter, die alles perfekt machen wollte und ihrem Kind eine möglichst breite Ausbildung ermöglichen wollte.
Zum Psychiater ging ich eigentlich erst auf massiven Druck seitens von Siti. Sie verlangte das, ansonsten sie die Beziehung zu mir abbrechen würde. Ich war da gerade in einer Phase extremer Hyper-Aktivität. Auf der ständigen Suche nach dem Kick, dem Adrenalinschub, was letztendlich nur durch teilweise äusserst riskantes Verhalten zu erzielen war. Ich war kaufsüchtig, bestellte international Ware, die ich eigentlich gar nicht wirklich brauchte. So konnte ich mich mit den Zollbehörden herumschlagen, den Verlauf der Sendungen verfolgen und immer wieder auftauchende Probleme lösen.
Wechselte die Autos fast wie andere Leute das Hemd. Ging dabei natürlich jedesmal hohe Verluste ein, denn die einzutauschenden Autos waren immer noch praktisch neu und hatten nur wenige gefahrene Kilometer auf dem Tacho. Auch ein Konzertflügel musste her, denn jetzt hatte ich ja Zeit, das Versäumte nachzuholen. Leider war ich immer noch unfähig, das Klavierspiel zu erlernen und so verkaufte ich den mit Verlust wieder, wie es mit vielen anderen unnötig angeschafften Dingen auch passierte. Mehrfach schaffte ich mir da z.B. eine Corbusier-Liege oder Leder-Safaristühle, Designer-Lampen etc. an und trennte mich nach kurzer Zeit wieder davon.
Aber das machte das Leben einigermassen spannend. Viele Artikel verkaufte ich über Ebay oder Ricardo und konnte dann verfolgen, wer das von mir Angebotene angeschaut hatte im Internet und musste dann auch manchmal dem Geld nachjagen. Ich suchte Streit mit Nachbarn, machte mich durch boshafte und übereilig abgeschickte E-mails unbeliebt. Fuhr äusserst riskant Auto. Schrieb boshafte Leserbriefe oder gab schlechte Bewertungen von Firmen im Internet ab.
Kleptomanie, die ja schon im Kindesalter mit den gestohlenen Neujahrskarten erstmals auftrat, zeigte sich wieder. Ich brauchte den Kick, bei Migros z.B. einen Lippenstift im Einkaufswagen hinter meiner Handtasche zu deponieren und dann an der Kasse einfach nicht auf das Förderband zu legen. Damit liess ich immer die Option offen, sollte ich erwischt werden, zu erklären, dass ich den übersehen hatte. Es klappte immer, ich wurde nie erwischt. Die ganze Sache eskalierte dann während dieser Phase, als ich eine Katze aussetzte. Ich hatte sie unnötigerweise zu meinen langjährig bei mir lebenden Katern Polo und Teddy dazugeholt und es gab danach nichts als Probleme. Also musste diese Katze wieder weg. Ich habe natürlich die Katze gesucht und auch wieder gefunden. Auch habe ich für sie ein gutes neues Plätzchen gefunden.
Die Bekannten, die Nachbarschaft und auch Siti waren entsetzt, als sie davon hörten. Es war strafbar, ein Tier auszusetzen. Jetzt war also der Zeitpunkt da, wo ich definitiv zum Psychiater gehörte. Unter Druck gab ich dann nach und vereinbarte bei Dr. Neynaber in Wädenswil einen Termin. Der fand mich höchst interessant und belustigend. Wir lachten viel zusammen und er war der Ansicht, dass mein einziges Problem wohl darin lag, dass ich seit Aufgabe meiner Berufstätigkeit unterbeschäftigt war. Ich war rastlos und ständig auf Hundert. Das Leben normaler Leute verlief scheinbar wellenförmig. Meines hingegen nicht, ich kam niemals wirklich runter, sondern bewegte mich immer ganz oben, wie er sich auszudrücken pflegte. Daher hatte ich auch massive Schlafstörungen. Er meinte, ich sollte mir unbedingt wieder eine Arbeit suchen oder sonst ein anspruchsvolles Hobby. Jedenfalls etwas, was mir regelmässig Beschäftigung brachte und meinem rastlosen Suchen ein Ende bereiten würde.
Nach einigen Sitzungen sahen wir dann, dass wir nicht wirklich weiterkamen. Er meinte, ich solle es immer wieder versuchen, Kunstausstellungen besuchen, zu Vorträgen gehen. Ins Theater, in Konzerte etc. Er verschrieb mir ein Psychopharmacum in Tropfenform, das mir etwas Ausgleich bringen sollte.
Ich hatte keine grosse Lust, mein Leben massgeblich zu ändern. Nochmals einer Arbeit nachgehen wollte ich unter keinen Umständen. Ich genoss die Freiheiten und Möglichkeiten, die ich nach einem langen Arbeitsleben nun hatte. Immerhin konnte ich mich selber am Riemen reissen, bemühte mich, die Streitigkeiten mit der Nachbarschaft zu klären, vernünftig Auto zu fahren, nichts Unnötiges mehr über Internet zu bestellen und auch nicht mehr Kleinigkeiten zu stehlen. Es klappte tatsächlich und es war wieder mal eine schlimme Phase gemeistert.
Siti war froh darüber und wir trafen uns wieder regelmässig über Mittag im Stall. Mittlerweile hatte Amante noch zweimal den Stall wechseln müssen, war aber jetzt endlich in einem wunderschönen grossen Freilaufstall mit grossen, jederzeit zugänglichen Weiden untergebracht. Zwar in Oetwil am See, also sozusagen direkt gegenüber von Wädenswil, aber auf der anderen Seeseite, aber doch innert 30-40 Minuten Fahrzeit mit dem Auto erreichbar. Wir unternahmen über Mittag ca. einmal wöchentlich mit ihm lange Spaziergänge über Feld und Wald und ich genoss es immer wahnsinnig. Amante war ein tolles Pferd und der regelmässige Austausch mit Siti machte mich glücklich. Wir besuchten zusammen gelegentlich Ballett-Aufführungen, Tango- und Breakdance-Events oder Musicals. Gingen zusammen auch mal in Thai-Restaurants essen und vieles mehr. Kurz, mein Leben verlief in geordneten Bahnen und ich fühlte mich rundum glücklich.
Allmählich kristallisierte sich heraus, dass ich am glücklichsten war, wenn ich überhaupt keine sozialen Kontakte mehr pflegte. Eine Zeitlang machte ich noch mit in einer Rentner-Walking-Gruppe. Die Leute dort nervten mich leider mehrheitlich. Obschon die meisten jünger waren als ich, waren sie geistig träge. Fragten jede Woche erneut nach meinem Namen und die Unterhaltung mit ihnen war gelinde gesagt banal. Ich hatte auch wegen meinem Asthma Probleme, beim angeschlagenen Tempo mitzuhalten. Ich brach noch bestehende oder sich neu anbahnende Kontakte nach kurzer Zeit immer wieder ab und stellte fest, dass es mir wohler war, gar niemanden zu treffen. Ich war sozusagen unnahbar und meine Bindungsunfähigkeit kam wieder voll zu Tage.

Im Jahr 2018 wurde ich auf Instagram, wo ich zwei Accounts mehr oder weniger täglich mit meinen Fotos ergänzte, eines Tages angeschrieben. Es kam von einem Yanni aus USA. Er schrieb lediglich „hello“. Ich reagierte zunächst überhaupt nicht darauf. Nach einigen Tagen schaute ich dann mal nach, was das überhaupt für einer war. Nun, es handelte sich um einen in den USA und auch in anderen Ländern dieser Welt sehr bekannten Künstler, einen Komponisten und Pianisten. Er war gebürtiger Grieche. Ich war beeindruckt und schrieb ein paar Worte zurück. Prompt kam die Antwort worin er sich bedankte, dass ich sein Fan wäre. Ich schrieb zurück, dass dem nicht so sei, ich würde ihn nämlich überhaupt nicht kennen! Daraus ergab sich bald eine rege Korrespondenz. Er wollte wissen, ob ich verheiratet wäre oder ob ich Kinder hätte. Als er erfuhr, dass ich Single war, ging es erst recht los.
Er war auch Single und auf der Suche nach der Mrs. Right. In den USA wurde er belästigt von den vielen weiblichen Fans, die alle nur seinem Geld und seinem Ruhm nachjagten. Bei mir war er sich sicher, dass dem nicht so wäre. Er war zwar 10 Jahre jünger als ich, aber er fand, ich wäre genau die Frau, die er immer gesucht hätte. Nach einiger Zeit fragte er mich an, ob ich bereit wäre, ihm einen kleinen Gefallen zu erweisen. Es handle sich um einen Aktenkoffer, enthaltend wichtige Dokumente und Beweisstücke, die ihm erlauben würden, sich endlich von seinem Management zu trennen, das ihn mehr oder weniger ständig überwachte und bevormundete. Ausserdem waren 1 Mio. US-Dollars in Noten in diesem Koffer. Er wollte das Geld vor den Steuerbehörden und vor Zugriff des Managements vorbeischmuggeln.
Meine einzige Aufgabe wäre es, diesen Koffer, der durch einen diplomatischen Kurier in die Schweiz gebracht würde, zu übernehmen und in einem Schliessfach zu deponieren. Er selber käme dann im Herbst, nach seiner Tournee durch die USA zu mir und wir würden zusammen nach Frankreich fahren und dort für uns ein romantisches Haus kaufen. Ich überlegte kurz, fragte noch Frank nach seiner Meinung wegen der illegalen Einfuhr von Geld. Er war entsetzt, riet mir dringend davon ab und meinte, ich sei einem Verbrecher auf den Leim gekrochen. Da ich mich aber inzwischen in diesen Yanni verliebt hatte, war er doch ein phantastisch aussehender Traummann und erst noch endlich wieder mal ein Künstler, beschloss ich, nicht auf Frank zu hören. Von diesem Tag an sprach ich überhaupt mit niemandem mehr über meinen Kontakt zu Yanni. Wenn Siti oder Frank nachfragten, erklärte ich, der Fall habe sich erledigt.
Weiterhin war ich fast Tag und Nacht auf Draht und chattete viele Stunden mit Yanni. Ich gab ihm schliesslich das ok für diese Transaktion. Kurz danach kamen von einem Kurierdienstleistungs-Unternehmen, welches hier völlig unbekannt ist und gemäss Aussage von Yanni in den USA wegen Problemen mit der Steuerbehörde auch nur noch aus dem Untergrund arbeitete, genaue Anweisungen. Die waren sehr umfangreich und beanspruchten für den ganzen Text zwei volle A4-Seiten. Hauptanliegen war die Weisung, sofort eine Anzahlung von USD 4‘000.- für den Kurierdienst auf ein Konto eines privaten Mittelsmanns in den USA zu überweisen. Das bevorschusste Geld konnte ich dann nach Entgegennahme des Aktenkoffers dort wieder rausnehmen. Den dazu erforderlichen Code bekam ich gleichzeitig in den selben Anweisungen. Ich war irritiert. Wieso sollte ich zahlen und nicht Yanni? Ich war doch schliesslich diejenige, die das Risiko illegaler Geldeinfuhr einging und nicht er. Er hatte natürlich sofort eine Erklärung.
Er selber verfüge über kein Bargeld und auch nicht über eine Kreditkarte. Alle seine Besorgungen würde das Management erledigen und reguliere auch den ganzen Zahlungsverkehr, seine Einkäufe etc. Wenn er Kleider oder sonstwas brauche, so besorge das immer der Buchhalter. Und sein Management dürfe ja nun mal gar nichts wissen von dieser Transaktion.
Ich versuchte daher, die Zahlung auszulösen, aber es funktionierte nicht, da der angegebene Mittelsmann, ein amerikanischer Schönheitschirurg, über kein Bankkonto für internationalen Zahlungsverkehr verfügte. Yanni war wütend, beschimpfte mich und meinte, ich würde ihn bloss hinhalten und sei gar nicht bereit, ihm zu helfen. Er war psychologisch äusserst geschickt, was sich aber für mich dadurch erklären liess, dass der echte Yanni vor seiner Musiker-Karriere tatsächlich Psychologie studiert hatte.
Ich hatte die ganze Sache auch selber mehrmals versucht zu prüfen, indem ich geschickte Fangfragen stellte. Z.B. über die griechische Küche, viele andere Griechenland bezogene Details, auf welche eigentlich auch nur ein echter Grieche antworten konnte. Er hat immer prompt und ohne Verzögerung geantwortet und alle meine Zweifel aus dem Weg räumen können.
Somit startete ich einen zweiten Versuch, ihm das Geld zukommen zu lassen. Diesmal über Paypal, wo ich selber eine Zahlung auslösen konnte. Nun wurde mir die Privatadresse einer Frau, die in Florida lebte, angegeben. An einem Sonntag gab ich den Zahlungsauftrag ein und bekam umgehend eine Bestätigung. Die Frau habe das Geld bekommen und den Erhalt bestätigt. Hierauf sandte mir Exxon, wie sich der Kurierdienst nannte, die Tracking-Nummer und ich konnte die Sendung verfolgen. Der Aktenkoffer sollte zunächst nach England gebracht werden, wo ihn ein englischer Diplomat übernahm und hierauf persönlich zu mir bringen sollte. Bis dahin lief alles, wie geplant. Der besagte Diplomat sollte den Koffer mit einer Etikette versehen, die es den Zollbehörden nicht erlaubte, den Koffer zu öffnen und als diplomatischen Inhalt problemlos durchgehen lassen sollte.
Ich verfolgte den Trackingverlauf weiter und stellte zu meinem Entsetzen plötzlich fest, dass der Koffer nicht direkt aus London in die Schweiz befördert worden ist, sondern über Wien kam, wo er am Zoll beschlagnahmt wurde und hängen geblieben ist. Dies, weil die Gültigkeit der Etikette für den sog. freien diplomatischen Transfers abgelaufen wäre. Yanni und Exxon schrieben mir hierauf, dass ich alleine die Schuld dafür trage, da ich so lange mit der Geldüberweisung gezögert hätte. Exxon verlangte unverzüglich die Ueberweisung von weiteren USD 15‘000.- für Bestechung der Beamten in Wien. Das kam mir dann doch plötzlich reichlich merkwürdig vor.
Ich schrieb die Flughafenbehörden und das dortige Zollamt an per E-mail und fragte nach, ob sich tatsächlich so ein Koffer bei ihnen befinden würde, ich hatte ja die genaue Tracking-Nummer, die ich angeben konnte. Sie schrieben prompt zurück und warnten mich davor, ev. einem Betrüger auf den Leim gekrochen zu sein. Ich wurde noch kritischer, schrieb dem Yanni, dass ich der Sache nicht mehr trauen würde und lieber selber nach Wien fliegen möchte und das verlangte Geld gegen Aushändigung des Koffers abliefern wollte. Er war leider wieder clever genug, mich eines Besseren zu belehren. Die Sache wäre streng geheim und auch die Beamten in Wien dürften nicht mir, sondern ausschliesslich nur dem englischen Diplomaten den Koffer aushändigen.
Es war geplant, dass der Diplomat denselben gut getarnt durch eine ihn begleitende Frau mit Kind auf dem Landweg in einem Mietwagen bei Nacht und Nebel bei einer kleinen Grenzstation über die Landesgrenze bringen sollte. Er hatte einfach für alles eine Erklärung. Ich selber war auf keinen Fall bereit, so viel Geld zu schicken, da ich das als masslos übertrieben für diese Dienste empfand. Ich wollte den Kontakt zu Yanni aber dennoch aufrechterhalten, schliesslich hatte ich mich in ihn verliebt und freute mich auf das Zusammentreffen im Herbst. Hatte auch bereits wieder einen Konzertflügel angeschafft, denn er sollte doch hier Klavierspielen können, wenn er dann käme.
Ich schrieb ihm, dass ich nicht liquid sei und alles Geld in meine Immobilie investiert hätte. Er verlangte, ein Darlehen aufzunehmen oder Freunde bzw. Siti um eine Bevorschussung zu bitten. Als ich ihm aber immer wieder schrieb, ich könnte allerhöchstens USD 8‘000.- auf die Schnelle organisieren, gab sich Exxon plötzlich „grosszügigerweise“ damit zufrieden. Dafür sollte ich dem Diplomaten dann nach Uebergabe des Koffers ein reichliches Trinkgeld übergeben, das ich dem Koffer entnehmen dürfte.
Sie schickten mir hierauf Adressen weiterer Zahlungsempfänger in den USA, die alle nicht funktionierten, weil unbekannt oder nicht über ein entsprechendes Bankkonto verfügten. Yanni war ausser sich vor Wut. Beschimpfte mich und verlangte, dass ich persönlich an den Bankschalter gehe, um die Zahlung endlich auszulösen. Sie sollten nach Möglichkeiten suchen, das Geld zu überweisen.
Die Dame am Schalter wurde misstrauisch, verwickelte mich in ein Gespräch und schliesslich brach ich dort in Tränen aus. Sie nahm mich in ein Hinterzimmer, redete auf mich ein und warnte mich. Denn sie selber hatte mit ihrer Mutter ähnliche Erfahrungen machen müssen und wusste, dass es sich mit ziemlicher Sicherheit um einen Betrugsversuch handelte.
Sie schlug mir vor, zusammen mit einer Person meines Vertrauens, z.B. einem Freund oder Nachbarn, oder halt mit meiner Tochter, zu einem Gespräch mit dem für mich zuständigen Bankberater zu kommen. Ich hatte niemanden ausser Siti, und ihr hatte ich ja erklärt, der Fall Yanni wäre vom Tisch. Sie war entsetzt, als ich sie dann um diesen Gefallen bat. Selbstverständlich war sie bereit, mich zur Bank zu begleiten.
Vorher kam sie zusammen mit Frank nochmals zu mir heim und beide redeten mir ernsthaft ins Gewissen und versuchten, mich endlich davon zu überzeugen, dass ich nicht mit Yanni, sondern mit einem Romance Scammer in Kontakt war. Ich tat so, als würde ich es einsehen, innerlich war ich aber wild entschlossen, doch noch zu meinem Yanni zu kommen.
Siti und ich gingen also zur Bank und dort redeten sie mir ins Gewissen. Schliesslich war ich dann bereit, zum Selbstschutz die mir direkt möglichen Zahlungsaufträge via E-Banking auf eine Maximalsumme von CHF 5‘000.- zu beschränken. Alles was darüber war, musste zuerst durch meinen Bankberater und nach Rücksprache mit mir und Siti abgesegnet werden. Siti erhielt im Uebrigen die Vollmacht über mein Konto.
Siti nahm sich die ganze Angelegenheit sehr zu Herzen. Fühlte sich ohnmächtig und machtlos, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Sie wurde depressiv und Frank beschloss, mit ihr kurzfristig nach Thailand in die Ferien zu fliegen, damit sie wieder auf andere Gedanken kommen konnte. Ich erkannte den Ernst der Lage nicht wirklich und dachte mir, dass für Siti somit wieder alles ins Lot kommen würde.
Den Yanni informierte ich über die Vorgänge und dass mir ab sofort die Hände gebunden wären, grössere Zahlungen via E-banking selber vorzunehmen. Er war natürlich auch auf eine solche Situation bestens vorbereitet. Bombardierte mich mit Chat-Nachrichten, die mich massiv in die Enge trieben. Er verlangte, dass ich Bargeld abhebe, wo ich ein tägliches Limit von CHF 3‘000.- hatte und ich sollte das mehrmals hintereinander tun, da würde die Bank nichts bemerken.
Eine andere Möglichkeit war via Kreditkarte eine Western-Union-Zahlung vorzunehmen. Dazu war ich dann bereit. Ich bekam den Namen einer Frau in Mexiko mitgeteilt, der ich via Western-Union USD 5‘000.-, entsprechend meiner monatlichen Kreditkarten-Limite, überweisen sollte. Das tat ich dann auch. Zu meiner Ueberraschung rief mich Mastercard an und fragte mich aus, was es mit diesem Western-Union-Auftrag auf sich hätte. Fragte nochmals nach dem Namen der Empfängerin, den ich natürlich so auf die Schnelle am Telefon gar nicht präsent hatte. Der Herr von Mastercard wurde misstrauisch und erklärte mir, er könne die Ueberweisung nicht ausführen, da zu dubios und vermutlich mit betrügerischen Absichten verbunden. Yanni wollte mir das nicht glauben, beschimpfte mich wieder mal massiv und erklärte, ich würde ihn absichtlich hängen lassen, liebe ihn gar nicht und er traue mir nicht mehr. Immerhin hatte er aber ja meine erste Zahlung erhalten und das stimmte ihn dann wieder versöhnlich.
Er wollte nun, dass ich mit Bargeld Bitcoins kaufen würde und die auf ein Bitcoin-Konto von Exxon überweisen sollte. Es folgten Abklärungen, wie ich überhaupt zu Bitcoins kommen würde und schliesslich fand ich einen Händler in Zürich, der mir an einem vereinbarten Treffpunkt am Zürichberg gegen bar Bitcoins in Höhe von CHF 4‘000.- übergeben sollte. Es kam mir vor wie ein konspiratives Treffen. Der Händler kam auf Rollschuhen mit Rucksack angesaust, setzte sich zu mir ins Auto und wollte mir die Bitcoins gegen bar übergeben.
Ich fragte ihn dann, ob er dieselben ev. für mich direkt auf ein Konto in den USA weiterverschieben könne. Er machte mich darauf aufmerksam, dass ihm das seltsam vorkomme, ob ich denn den Empfänger kennen würde und was genau der Zahlungsgrund eigentlich sei. Ich brach dann wieder mal in Tränen aus und erzählte etwas über die Geschichte. Er meinte, da stecke sicher ein Betrüger dahinter und ich solle doch gescheiter diese Bitcoins für mich behalten, denn das wäre eine gute Geldanlage. Das wollte ich dann aber auch wieder nicht. Mit dieser Kryptowährung konnte ich selber so gar nichts anfangen.
Der Händler war etwas verärgert, hatte er doch für nichts seine Zeit verplempert und der nächste Kunde wartete bereits an einem anderen Ort auf ihn. Ich fragte, ob er zufrieden wäre, wenn ich ihm CHF 10.- geben würde für den Aufwand. Das war ihm denn doch etwas zu wenig und schliesslich einigten wir uns auf CHF 30.--. Ich fuhr erleichtert zurück und zahlte das am Morgen abgehobene Geld wieder am Automaten der Bank ein. Kaum zuhause, wurde ich bombardiert mit Chatnachrichten von Yanni. Der wollte wissen, ob es geklappt hätte. Als ich verneinte, explodierte er förmlich vor Wut. Er betitelte mich als Lügnerin und behauptete, ich hätte gar nie Bitcoins kaufen wollen und sei gar nicht nach Zürich gefahren. Ich konnte ihn schlussendlich dann wieder beruhigen.
Ich machte ihm den Vorschlag, es nochmals via Paypal zu versuchen und fragte, ob ich es an die gleiche Frau in Florida schicken sollte wie beim ersten Mal. Er verneinte und nach Rückfrage mit Exxon wurde mir dann ein anderer Empfänger genannt, von dem ich nur eine E-mail-Adresse bzw. dessen Zahlungsadresse bei Paypal bekam. Es war wieder mal ein Sonntag und ich erledigte die Paypalzahlung. Als die Rückbestätigung kam, sah ich zu meinem Entsetzen den vollen Empfängernamen, es war irgend ein afrikanischer Name, wahrscheinlich gehörte er einem Angehörigen der Nigeria-Connection. Ich rief unverzüglich Paypal an und wollte die Ueberweisung stoppen, doch es war zu spät. Sie erklärten, dies wäre nur noch möglich von einem Polizeiposten aus und ich müsste Anzeige erstatten. Ansonsten wäre das Geld verloren. Immerhin erfuhr ich von Yanni, dass Mr. Babatunde das Geld nicht abheben konnte, da Paypal vorübergehend seinen Account blockiert hatte. Er schäumte vor Wut.
Am nächsten Tag ging ich gleich zum Polizeiposten nach Wädenswil und hatte es dort mit einem sehr netten Polizisten zu tun. Er nahm sich viele Stunden Zeit für mich. Erzählte mir auch von einer anderen Frau aus Wädenswil, die im Gefängnis sitzen würde, weil sie durch einen geschickt agierenden Afrikanischen Drogenhändler ungewollt als Drogenkurierin missbraucht worden ist. Er hatte ihr bei einem persönlichen Treffen in Afrika heimlich Drogen in ihr Gepäck geschmuggelt und sie wurde erwischt und sitzt nun quasi unschuldig für Jahre im Knast.
Der Polizist versuchte mich davon zu überzeugen, dass ich einem Verbrecher in die Fänge geraten sei und es gar nie mit dem echten Yanni zu tun gehabt hätte. Er wollte noch zusammen mit einer Kollegin zu mir nach Hause kommen und sich den ganzen Mailverkehr mit Yanni von meinem PC auf einen USB-Stick laden und danach mit Interpol nachforschen, woher die Mails überhaupt gekommen seien. Er schrieb, wie von mir gewünscht, an Paypal und die schrieben mir tatsächlich die zuletzt gemachte Ueberweisung an diesen Afrikaner wieder gut.
Einige Zeit später wurde ich von einem Amt in Zürich dahingehend informiert, dass man herausgefunden hätte, dass alle Mails direkt aus Nigeria gekommen waren und somit klar war, dass es niemals der echte Yanni gewesen sein konnte. Das war der Moment, wo ich endlich endgültig das Thema Yanni abschliessen konnte.
Was die erste Zahlung vor Monaten an die Frau in Florida anbetraf, konnte mir der Polizist leider nicht helfen. Ich startete aber selber den Versuch via Mastercard. Denn alle Zahlungen, die über Paypal gingen, wurden meiner Mastercard belastet. Tatsächlich konnte Mastercard erwirken, dass mir auch ein grosser Teil der ersten Zahlung, die natürlich längstens ausgeführt worden war, von Paypal rückerstattet worden ist. Den Flügel habe ich auch wieder via Ricardo verkauft. Somit war ich mit einem blauen Auge aus der Affäre rausgekommen.
Ich löschte hierauf alle Instagram-Accounts, beantragte Löschung meiner Identitätskarte, die ich ja ungeschickterweise an Exxon in Kopie geschickt hatte. Denn sie verlangten damals diese Info von mir, damit ihr diplomatischer Kurier prüfen konnte, dass er den Koffer der richtigen Empfängerin übergeben würde.
Ich hatte übrigens auch von Yanni ganz am Anfang eine Kopie seines amerikanischen Führerausweises bekommen, weil ich sicher sein wollte, dass ich es tatsächlich mit dem Musiker zu tun hatte. Auch einen anderen Beweis konnte er mir vor der zweiten Zahlung liefern. Ich wollte ihn nämlich endlich persönlich am Video-Telefon sehen.
Die Gauner liessen sich etwas einfallen. Er schrieb mir, dass er seinen Bodyguard zum Kaffeeholen schicken würde und dabei kurz dessen Handy bekommen wollte, um darauf Fotos der Kinder des Bodyguards anzuschauen. Von diesem Handy aus wollte er mich anrufen und würde kurz davor eine Chatnachricht schicken, damit ich vorbereitet sei. Sein eigenes Handy wurde angeblich immer durch sein Management überwacht und deswegen konnte er mich damit nie anrufen. Kurz vor Mitternacht kam dann tatsächlich die Chatmeldung und ich nahm den Anruf entgegen. Ich sah darauf den echten Yanni gestikulierend, hatte aber keinerlei Ton. Entnervt beendete ich das kurze Telefonat und hatte so meine Zweifel, ob das wirklich echt gewesen war. Ev. hatten sie auch nur ein Video vom echten Yanni genommen, wo es so aussah, als würde er mit mir sprechen. Anschliessend wollte mir Yanni dann klarmachen, dass technische Probleme aufgetreten wären und ich ihn deswegen nicht hören konnte.
Klar ist, dass ich es mit einer professionellen Scammer-Bande zu tun hatte. Ich war wohl eines der ersten Opfer dieser neuen Masche, sich als Prominenz auszugeben. Denn im Internet hatte ich mehrmals recherchiert und fand keinerlei Hinweise, sowohl nicht aufgrund der durch „Yanni“ verwendeten E-mail-Adresse und auch nicht des sogenannten Privat-Accounts von Yanni auf Instagram. Die meisten bisher gemeldeten Fälle von Scammern kamen von gefakten Militär-Personen oder Offshore-Ingenieuren. Sie stahlen Fotos, die sie im Internet fanden und stellten dann falsche neue Profile her, von denen aus sie Hunderte meistens ältere einsame Frauen anschrieben und um ihr Geld betrogen. Es handelt sich um ein Millionengeschäft und die Polizei ist machtlos. Meistens ist das Geld endgültig verloren.
Siti hat zur Kenntnis genommen, dass ich endlich losgekommen bin von diesem Scammer. Aber das genügte ihr nicht. Sie verlangte erneut, dass ich mich in psychiatrische Behandlung begebe, ansonsten sie definitiv nichts mehr mit mir zu tun haben wollte. Sie könne es sich aus gesundheitlichen Gründen einfach nicht mehr leisten.
Dr. Neynaber amüsierte sich wieder mal köstlich, als ich ihm darüber berichtete, was passiert war. Er betrachtete es als Husarenstück, das mir da gelungen war. Flirt über Monate, Action und am Schluss erst noch das Geld zurück. Einfach phantastisch. Behandlungsbedürftig fand er das jedenfalls nicht, im Gegenteil. Er fand mich gerissen und originell.
Siti gab sich damit nicht zufrieden. Sie wollte, dass ich noch eine Psychologin aufsuche. Ihr zuliebe tat ich es denn auch, denn ich wollte den Kontakt zu ihr nicht missen. Ich hoffte, dass mir die Psychologin durch Hypnose helfen könnte, aber das war natürlich nicht der Fall. Ich war einige Male bei ihr, einmal sogar im Beisein von Siti. Aber sie wusste nicht, in welcher Hinsicht sie mir gross helfen könnte. Ich schien ja ausgeglichen und zufrieden, hatte mein Leben im Griff und war nicht depressiv.

Einige Zeit lief es wieder „normal“ zwischen Siti und mir. Siti und Frank fuhren wieder in die Ferien und ich betreute ihre Katzen und Wohnung. Fand das selbe Chaos vor wie meistens und stellte ihre Möbel um. Schrieb anschliessend noch ein empörtes E-mail an Siti, weil Frank, der inzwischen arbeitslos geworden war, nicht mal die Kartons oder die leeren Flaschen entsorgt hatte und sich auch nicht bemühte, endlich richtig Deutsch zu lernen. Schriftlich konnte er sich nämlich in Deutsch nicht ohne massenhaft auftretende Fehler ausdrücken. Das war meiner Meinung nach der Hauptgrund für seine Arbeitslosigkeit.
Ich verlangte gleichzeitig, dass Frank unter diesen Umständen auch den ihm während Jahren gratis zur Verfügung gestellten Platz in unserer Tiefgarage für seinen Porsche nicht mehr behalten dürfe. Sie kamen dann eines Tages das Auto holen, warfen mir kommentarlos meinen Hausschlüssel und die Garage-Fernbedienung in den Briefkasten. Ich schickte ihnen anschliessend ihren Hausschlüssel zurück und seither herrschte absolute Funkstille zwischen uns.
Zaghafte Versuche, wieder Kontakt zu Siti aufzunehmen, scheiterten am Anfang kläglich. Sie nannte mich nicht mehr „Mami“. Für sie war ich jetzt die „Bea“ und sie konnte sich den Verkehr mit mir aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr leisten, ich war nur noch eine Belastung für sie.
Ich durfte dann auch erfahren, dass ich sie schon früher schlecht behandelt hätte. Aber als sie noch im Jugend- und früheren Erwachsenenalter war, wagte sie nicht, sich zu wehren. Jetzt hingegen war sie erwachsen, hatte ihr eigenes Leben und musste für sich und Frank schauen. Für mich war da kein Platz mehr, denn ich stiftete nur Unfrieden und Unheil. Und das wollte sie sich vom Leib halten.
Es stimmte mich sehr nachdenklich. All die vielen gemeinsamen Erlebnisse im Stall, Besuche von Events, gemeinsame Ferien oder verlängerte Weekends, das soll alles nur enttäuschend für sie gewesen sein? Ich wollte und konnte es nicht glauben. Ich klaubte Fotos von gemeinsamen Unternehmungen hervor, die uns lachend und mit fröhlicher Miene zeigten. Wir hatten es eigentlich immer gut, hatten viel zu lachen und verstanden uns meiner Meinung nach prächtig. Zu keinem Menschen hatte ich eigentlich jemals so einen guten Draht wie zu ihr. Vielfach passierte es auch, dass wir gleichzeitig die exakt gleichen Gedanken und Ideen hatten und dann immer sehr darüber lachen mussten, als wir das jeweils feststellten. Aber wie gesagt, Siti scheint das nie so empfunden zu haben.
War ich wirklich so schlecht? Hat sich Siti in meiner Gesellschaft tatsächlich nie wohl gefühlt? War ich eine so miserable Mutter? Ich hatte ihr doch so vieles ermöglicht und mehr lag einfach nicht drin. Warum nur hat sie mir nie gesagt, was sie störte? Alles Fragen, auf die es keine Antwort zu geben schien.
Leider kam sie nie mit persönlichen Problemen zu mir. Allzu gerne wäre ich für sie da gewesen. Es kann doch nicht sein, dass es sie nie gestört hatte, dass Frank fast drei Jahre arbeitslos zuhause hockte. Für sie als kluge Frau und Karriere-Bankerin muss das doch enttäuschend gewesen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es spurlos an ihr vorbeigegangen ist.
Seine Ueberheblichkeit, viele anderen schlecht zu machen. Er hat in meiner Gesellschaft ja oft Worte fallen lassen wie „der hat es nur zum Filialleiter der Bank gebracht“, oder „die haben nur einen Audi-TT“. Das ist nun mal ganz und gar nicht der Stil von Siti. Sie hat niemals geprahlt, obschon sie viel eher Anlass dazu gehabt hätte. Sie ist und bleibt immer bescheiden, egal was für Erfolge sie in Beruf und Privatleben hat. Das ist es auch, was sie so besonders macht und worauf ich so stolz bin. Eine bessere Tochter hat wohl niemand auf der Welt, doch ist es nun aber leider nicht mehr meine Tochter, will es nicht mehr sein.
Ein letztes Mal feierten wir zusammen Geburtstag im Jahr 2020. Da lud sie mich ein auf ein Treffen im Stall und ich durfte Amante, den ich so sehr liebe, wieder mal sehen. Sie hat mir den Wunsch nach einem Spaziergang mit ihm erfüllt und anschliessend durfte ich sie zum Mittagessen im Pfannstihl–Restaurant einladen, einer Landbeiz wo es feine währschafte Wiener Küche zu bestellen gibt. Sie hat mir dort im Gartenrestaurant ein Glas selbstgemachte Konfitüre überreicht und dazu den Kommentar abgegeben, dass es sich um einen ganz teuren Inhalt handle, der mit Verstand verzehrt werden müsse, denn in Anbetracht der vielen Stunden, die sie für deren Zubereitung aufgewendet hatte, wäre diese Konfi unbezahlbar teuer! Ungewohnte Worte aus ihrem Mund.
Später hat sie mich noch befragt, weswegen ich den Eltern von Frank zu Weihnachten einen Brief geschrieben hätte, worin ich mich über Frank beklagt hätte. Das sei völlig daneben und sie würde mir das niemals verzeihen. Mir blieb das Essen in diesem Moment im Halse stecken. Auch bekam ich bei dieser Gelegenheit wieder mal zu hören, dass es eigentlich immer nur schwierig mit mir gewesen sei und sie solche belastenden Momente in Zukunft lieber vermeiden würde.
Ich fuhr enttäuscht nach Hause, kramte Fotos hervor von früheren glücklichen gemeinsamen Momenten und beschloss, ein Fotoalbum daraus herzustellen. Als es fertig war, fragte ich sie an, ob ich es ihr schicken dürfe. Ich durfte nicht. Also behielt ich es hier.
Viele Monate später startete ich nochmals einen Versuch. Ich hatte Peggy Zimmermann zu mir zum Mittagessen eingeladen und bereitete während Stunden ein marokkanisches Gericht zu, das Siti früher so liebte. Eine Tajine „Poulet au Citron“. Ich fragte Siti an, ob sie dazukommen möchte. Zu meinem grossen Erstaunen kam sie tatsächlich und bei dieser Gelegenheit überreichte ich ihr dann auch persönlich den kleinen Fotoband. Ihre Reaktion war nur „warum ?“. Sie steckte es ein und es gab niemals einen Kommentar dazu.
Das Essen verlief harmonisch. Peggy fand meine Tochter reizend und Siti ging wieder zurück zur Arbeit. Nahm noch einen Teil des mir gut gelungenen Mittagessens in einer Tupperware Dose mit. Einige Tage später fand ich das abgewaschene Geschirr kommentarlos in meinem Milchkasten. Viel später einmal erfuhr ich, dass sie es nie gegessen hat, bzw. es sei immer noch in ihrem Tiefkühler.
Mir schien überhaupt, dass sie sich seit einigen Jahren einen Spass daraus machte, mich zu brüskieren durch bösartige Kommentare oder Sticheleien. Schon als es noch ziemlich harmonisch zwischen uns schien, hat sie mich jeweils auf den mittäglichen Spaziergängen mit Amante mit relativ strengen Worten kritisiert. Ich machte in ihren Augen so ziemlich alles falsch mit Amante. Uebrigens auch an unserem Geburtstag im Jahr 2020, wo sie mich ja auf einen Spaziergang mit dem Pferd eingeladen hatte.
Ich hatte vorher angefragt, ob ich Amante ein paar Karotten bringen dürfe, denn sie hat mich oft gemassregelt, ich würde ihm heimlich Goodies zustecken, was gar nicht zutraf. Sie hat es mir erlaubt und ich hatte exakt zwei Karotten gekauft und diese in kleine Portionen-Rädli geschnitten, damit sie Amante nicht in einem Zug auffressen konnte. Ich erschien pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt im Stall. Siti war noch nicht dort. Zu meiner grossen Freude hat mich Amante trotz der Tatsache, dass ich ihn schon über ein Jahr nicht mehr gesehen hatte, sofort erkannt. Er wieherte, als ich aus dem Auto ausstieg und wandte den Kopf erwartungsvoll in meine Richtung und blickte mich an. Ich ging also schon mal zu ihm und gab ihm ein paar Rädli Rüebli.
Siti kam dann daher und anstelle einer Begrüssung hat sie mich angeschnauzt und geschimpft, weil ich Amante wieder mal masslos verwöhnen würde. Da halte ich mich an die Regeln, bringe exakt die mir zwei erlaubten Karotten und dann gibt es trotzdem gleich wieder Schelte. Entweder wollte sie mich einfach für etwas bestrafen, das längst nicht mehr aktuell war oder sie reagierte an mir ihre schlechte Laune ab. Ich kam mir jedenfalls schon seit Jahren immer nur noch als Sündenbock und alles falsch machende Mutter vor. Auf Augenhöhe begegneten wir uns schon lange nicht mehr.
Die Weihnachtsfeste „feiern“ wir nun schon seit Jahren getrennt. Die Geburtstage sowieso. Es wird auch nie wieder solche gemeinsamen kleinen Familienfeste geben, das hat sie mir so bestätigt. Ich kann damit leben.
Als ich für Anfang 2020 noch einen Thailand-Urlaub für mich geplant hatte und wieder mal eine Woche im Four-Seasons in Chiangmai verbringen wollte, trat plötzlich auch in der Schweiz der Corona-Virus auf. Ich hatte Anfang Jahr die Flüge und Hotelaufenthalte gebucht, als es diesen Virus erst in China offiziell gab. Mein Abflug war für den 19. März geplant und trotz allmählich auftretender Restriktionen war ich wild entschlossen, trotzdem zu fliegen. In Thailand schien die Lage noch sicher zu sein. Ich wollte ebenso in Bangkok mit dem vollgestopften Skytrain zum Chatuchak-Weekendmarkt fahren und dazu dann einfach eine Gesichtsmaske tragen, die ich mir mühsam im Ausland noch beschafft hatte.
Ich schrieb Siti vor Abreise noch ein E-mail und machte sie darauf aufmerksam, dass ich für den Fall der Fälle hier alles geregelt hätte. Sollte ich nicht mehr zurückkehren, weil ich ev. halt doch diesen Virus im Menschengedränge auf dem Markt auflesen könnte und daran sterben würde, sei ein Ordner im Büro zu finden mit Testament und Anweisungen für diesen Fall. Ihre einzige Reaktion und Antwort: VIEL SPASS BEIM STERBEN!
Die Reise fand dann schliesslich doch nicht statt. Thailand hatte kurzfristig die Einreisebestimmungen für Anreisende aus der Schweiz drastisch erschwert, ja gar unmöglich gemacht.
Ich suche immer und immer wieder Erklärungen für den plötzlichen Wandel meiner Tochter. So war sie früher mir gegenüber nie. Unser herzliches Verhältnis zueinander ist nicht nur verloren gegangen, nein, ich erkenne Siti manchmal schlicht nicht wieder. So ein schweres Verbrechen ist meine Kritik an Frank in meinen Augen einfach wirklich nicht. Klar war ich nie die geborene Diplomatin, hätte mich besser etwas gewählter ausdrücken müssen oder tatsächlich ganz auf jegliche Kritik verzichten sollen. Aber so bin ich nun einfach mal nicht. Ich war schon immer direkt und sprach aus, was mich gestört hat. Ich bin nicht der Mensch, der alles in sich reinfrisst. Ich bin direkt, aber dafür weiss jedermann, der mit mir zu tun hat, woran er ist. Ich spiele niemandem was vor, bin immer ehrlich. Es kristallisiert sich allerdings allmählich heraus, entweder man mag mich, oder man lehnt mich halt total ab. Letzteres scheint nun leider auch auf die Beziehung zu Siti und Frank zuzutreffen.
Siti verlangt nach wie vor, dass ich mich psychiatrisch behandeln lassen solle und dass bei etwas gutem Willen meine Krankheit therapierbar wäre. So ist es aber nun mal einfach nicht. Ich kann mich mit meinen 77 Jahren nicht komplett ändern und ein anderer Mensch werden. Die schlechten Gene wurden mir durch meine Mutter vererbt, und auch meine Schwester war psychisch krank. Bei der bei mir vorliegenden Diagnose sind keine Wunder zu erwarten.
Es gibt immer wieder gute und dann wieder schlechtere Phasen. Auf die kann kein Psychiater dieser Welt Einfluss nehmen. Ich selber habe an mir gearbeitet, bin nicht mehr kaufsüchtig, suche keinen Streit mehr, halte mich zurück mit Reklamationen, stehle keine Kleinigkeiten mehr. Ich fahre auch vernünftig Auto und versuche ständig, bei niemandem anzuecken. Mehr liegt nicht drin, nicht beim allerbesten Willen. Mein Charakter hat damit nichts zu tun. Ich versuche, ein guter Mensch zu sein und so schlecht, wie Siti mich sieht, so miserabel bin ich einfach nicht!
Ich führe hier mit meiner jetzigen Katze Shayla ein zufriedenes Leben. Kapsle mich ab und brauche keine sozialen Kontakte. Ich habe ein schönes Zuhause, leiste mir täglich mein Gläschen Wein und lebe ansonsten bescheiden. Siti sowie die von mir bestimmten vier Tierschutz-Organisationen erben eines Tages ein beträchtliches Vermögen, denn ich gebe das Geld nicht mit vollen Händen aus. Ich könnte im Luxus leben und alles verprassen, mache ich aber nicht.
Mein grösster Wunsch wäre es, in den paar Jahren, die mir vielleicht noch bleiben, wieder Frieden mit Siti zu finden. Unser Verhältnis etwas zu verbessern, denn ein Kapitalverbrechen an ihr habe ich nicht wissentlich begangen. Ich habe sie vom ersten Augenblick, in welchem sie in mein Leben getreten ist, geliebt. Und genauso innig liebe und bewundere ich sie heute noch. Sie ist und bleibt der wichtigste Mensch in meinem Leben. Sie hat mich davor bewahrt, weitere Suizidversuche zu unternehmen. Sie hat mir die Freude am Leben zurückgebracht und dafür bin ich ihr ewig dankbar. Hätte ich nicht das Glück gehabt, dass das Schicksal uns zusammengebracht hat, mein Leben wäre wohl längst in fataler völlig anderer Richtung verlaufen. So aber habe ich auf das Alter hin Frieden gefunden und kann heute nur noch staunen über die wilden Zeiten, die ich doch erlebte.
Es hat noch viel mehr einschneidende Ereignisse und auch schwere Krankheiten und Unfälle gegeben, die ich hier in meinen Aufzeichnungen gar nicht alle beschrieben habe. Aus jedem Schicksalsschlag, negativen Erlebnis oder schwerer Krankheit bin ich gestärkt hervorgegangen und kann heute sagen, dass ich fast nichts ändern würde, könnte ich nochmals von vorne beginnen. Ich hatte mehrere Operationen an den Fussgelenken, zig Operationen am Knie, Schultern, OP an der Hand, erlitt einen lebensbedrohlichen, nicht sofort erkannten Blinddarmdurchbruch, eine Lungen-Embolie, schwer verlaufende Erkrankung an Scharlach im Erwachsenen-Alter, zig Schönheitsoperationen, insgesamt sicher rund 30 Vollnarkosen. Aber ich habe alles hingenommen und bin immer noch topfit.
Im Moment verzichte ich auf weitere Aufzeichnungen, denn ich fühle mich wohl und zufrieden. Im Oktober will Siti sogar mit mir zum Afternoon-Tea in die Lobby des Baur-au-Lac gehen und auf diesen Anlass freue ich mich heute bereits. Es gibt also immer wieder kleinere oder grössere Hoffnungsschimmer. Und vielleicht zeigt Siti eines Tages ein Einsehen und bietet Hand zu einer Aussöhnung. Das ist und bleibt mein grösster Wunsch. Ansonsten bin ich eigentlich wunschlos glücklich!
"Fertig Schnätz", würde ein mir lieb gewordener Kollege aus AIG-Zeiten sagen, der Martin-Pascal Pieren.
(1) Ein paar Impressionen aus diversen Lebensabschnitten
(2) So sehe ich heute aus mit 77 Jahren
(3) Ebenfalls aktuell
(4) :-)

Willi Ryffel
Der Mann, der mir als junge Frau auf meinen Wunsch hin die Jungräulichkeit genommen hatte, zog später ins Bündnerland. Wie ich dem Internet entnehmen konnte, führte er in der Bündner Herrschaft ein eigenes Weingut. Er ist längstens gestorben, ich fand seine Todesanzeige via Google.
Alex Zemp
Mein erster und einziger Verlobter zog nach Absolvierung des Zusatzstudiums in Wien wieder nach Luzern. Dort gründete er mehrmals ein Architekturbüro. Er war allerdings mehr Künstler denn Kaufmann. Er brachte es nie zu etwas, obschon er Tag und Nacht schuftete. Er war mal kurz verheiratet, hat eine Tochter. Später lebte er mit einer Frau zusammen.
Wir trafen uns nochmals, hatten eine kurze Affäre. Als er dann eine Bürgschaft von mir wünschte, um wieder mal ein Architekturbüro zu gründen, winkte ich ab und beendete die erneute Beziehung. Seither ist er verschollen. Ich weiss nicht, ob er noch lebt. Im Internet findet sich nichts über ihn.
Ivo Musar
Hat ein grosses Architekturbüro in Luzern. Als ich noch im Nobelquartier in Wollerau wohnte, betreute Ivo an der selben Strasse den Bau einer neuen Villa. Persönlich gesehen habe ich ihn nie wieder.
Ich denke immer wieder gerne an ihn zurück. Er war der perfekte Gentleman und Romantiker. Leider damals verheiratet. In seinem Atelier spielte er für mich Gitarre und sang dazu. Das war zu Luzerner Zeiten.
Später traf ich ihn noch einmal in Zürich, als ich nach dem Libanon-Intermezzo wieder in Dübendorf wohnte. Er lud mich ein zu einem Dinner in der Bodega española. Auf seine Empfehlung hin bestellte ich Calamares. Ich würgte sie runter und hatte dabei das Gefühl, ihre Widerhaken würden sich in meinem Halse festkrallen. Er brachte mich danach noch nach Hause und ich verabschiedete mich ziemlich schnell von ihm. Denn kaum oben in der Wohnung angekommen, kamen die ganzen Tintenfische wieder hoch und landeten im Klo. Seither esse ich nie wieder Calamares.
Stefan Scarpat
Heiratete, bekam Kinder und liess sich wieder scheiden. Er lebt heute im Säuliamt. Das sah ich via Google. Kontakt gab es nie wieder.
Walter W.
Wurde Stararchitekt in Zürich. Er gewann viele Architektur-Wettbewerbe. Und wohl nicht nur in Zürich stehen viele prominente Gebäude, die er geplant und ausgeführt hat. Ich las höchstens mal noch in der Zeitung über seine Erfolge. Gesehen habe ich ihn nie wieder.
Josef G.
War weiterhin erfolgreicher Geschäftsmann in Luzern. Insgesamt hatte er drei Söhne. Bis zu seinem Tod blieb er mit seiner Frau zusammen. In seiner Todesanzeige, die ich im Internet fand, stand „er liebte das Leben in vollen Zügen“. Das trifft zu! Er wurde etwas über 80 Jahre alt.
Jupe H.
Wurde sehr bekannt als Cartoonist. Man sah ihn ab und zu im Fernsehen und las über ihn und seine Erfolge in der Presse. Er heiratete und starb, an den Rollstuhl gefesselt wegen seiner fortschreitenden MS, erst kürzlich. Ich las darüber in der Presse. Früher erklärte er mir immer, er wolle eines Tages in einem „Güselsack“ entsorgt werden. Diesem Wunsch ist garantiert nicht entsprochen worden.
Alex H.
Nachdem ihn Siti und ich verlassen hatten blieb er nicht lange allein zurück. In seinem grossen Haus ging es zu wie in einem Taubenschlag. Exotische Frauen zogen samt Freundinnen und Verwandtschaft ein, zogen wieder aus und hinterliessen nichts als Dreck und nahmen Dinge mit, die ihnen nicht gehörten. Es verkehrten dort Leute aus dem Milieu, so z.B. Zuhälter, Prostituierte etc. Es kam oft zu Schiessereien, wie ich von der Nachbarschaft hörte. Unter seinen Favoritinnen war eine sicher noch minderjährige Prostituierte aus der Dominikanischen Republik. Sie kam mit gefälschten Papieren in die Schweiz.
Sie wurde eines Tages schwanger und behauptete, Alex sei der Vater ihres ungeborenen Kindes. Daran hatte ich so meine Zweifel. Denn wir waren mal gemeinsam bei Freunden eingeladen und ihr damals halbwüchsiger einziger Sohn schnappte sich die Kathi. Fuhr mit ihr zusammen mit seinem Moped weg und sie kamen erst nach Stunden zurück. Nun, Alex war über ihre Schwangerschaft geschmeichelt. Glaubte er doch, er hätte das Anrecht, auch selber noch ein Kind zu zeugen. Er war fast 40 Jahre älter als sie. Sie heirateten, das Kind kam zur Welt und sehr bald glich es in meinen Augen dem Sohn dieser Freunde…..
Alex musste seine Villa zu einem Spottpreis verkaufen und zog in ein kleineres Doppel-EFH zwei Quartierstrassen weiter unten. Die Kathi war faul, lag meistens bis Mittag im Bett und lud ständig viele Freundinnen zu sich ein. Sie war wohl auch alkoholsüchtig.
Alex musste seine Praxis in Wädenswil aufgeben, da ihm allmählich die Patienten die Treue kündigten. Es sprach sich herum, was für einer er wirklich war. Er fand eine Praxis in Buchs SG, die zum Verkauf stand. Mit Kathi und Kind zogen sie nach Buchs. Seine Frau verkehrte von da an wieder im Milieu, ging nächtelang in Clubs und kam meistens betrunken nach Hause. Dort feierte sie weiter lautstarke Parties und es wurde ihnen die Wohnung gekündigt. Sie stand nie vor dem Mittag auf. Alex musste den Haushalt nebst seiner Tätigkeit in der Praxis erledigen.
Alex kaufte sich mit dem PK-Geld eine Wohnung, bzw. bekam er dafür eine Hypothek. Als er Kathi wieder zur Arbeit schicken wollte, liess sie sich schwängern, diesmal mit Sicherheit durch Alex. Der Bub sah Alex sehr ähnlich.
Beide Knaben machten in der Schule Probleme. Der Jüngere entwickelte sich bald zum Kleinkriminellen und Drögeler. Kathi trennte sich von Alex und liess die Kinder zurück. Alex war mit der Situation heillos überfordert. Und es kam, wie es kommen musste, er gab die Praxis auf. Besorgte den Haushalt mehr schlecht als recht und glaubte immer noch, den Kindern würde schon noch der Knopf aufgehen. Weit gefehlt, sie stahlen ihm Geld, fuhren seine Autos zu Schrott, kamen teilweise ins Gefängnis. Der Aeltere schaffte zwar irgendwann den Absprung und absolvierte eine Kochlehre. Der Jüngere machte nichts als Schwierigkeiten. Ist heute noch kriminell und drogensüchtig. Macht Alex, bei dem er wohnt, das Leben zur Hölle. Gearbeitet hat er bis heute nie.
Alex, der wie früher schon, von sog. Freunden finanziell ausgenutzt wurde, steht heute an der Armutsgrenze. Läuft in ungepflegten, schmuddeligen Kleidern herum, fährt immer noch betrunken Auto und hat einige Unfälle mit glimpflichem Ausgang erlebt, was an ein Wunder grenzt. Er versuchte, via Annoncen z.B. in Rumänien, eine neue Frau für sich zu finden. Erfolglos. Hätte er sich seinerzeit am Riemen gerissen, wäre er heute ein gemachter Mann. Die Liegenschaft in Wollerau hat inzwischen den Wert in zweistelliger Millionenhöhe, und das allein für das Grundstück. Ich habe den Kontakt zu ihm komplett abgebrochen, ich ertrage es einfach nicht mehr.
Er hört fast nichts mehr. Kathi hat mehrmals seine Hörapparate das Klo runtergespült! Er sieht fast nichts mehr, doch fehlt ihm das Geld dazu, den grauen Star operieren zu lassen. Tragisch.
Ulisses Cayres dos Santos
Gemäss Internet wohnt er in Chur immer noch am selben Ort. Hat sich wohl in der Schweiz integriert, denn er gehört zu einer Laien-Theatergruppe. Ferner hat er ein eigenes Parkettverleger-Geschäft gegründet. Kontakt hatte ich nie wieder zu ihm.
Andreas I.
Hat wie früher bereits erwähnt eine um ca. 12 Jahre ältere Japanerin geheiratet. Während der Ehe, die nach 10 Jahren in die Brüche ging, gab er seine Tätigkeit als Börsenhändler auf und schrieb sich an der Uni Zürich ein für ein Studium der Wirtschaft. Ehrgeizig, wie er ist, doktorierte er am Schluss sogar. Er hatte danach diverse Kader-Jobs bei der UBS inne. Heute ist er selbständiger Berater für Verwaltungsräte und Top-Kader aus der Finanzbranche. Er beschäftigt eine Personal-Trainerin und hat rund 20 kg abgespeckt. Er ist m.W. zur Zeit auf der Suche nach einer neuen Lebenspartnerin.
Bernard Lacoste
Ist mit knapp 65 Jahren gestorben. Ich fand die Todesanzeige im Internet. Ihm weinte ich nie wieder eine Träne nach. Den übrigen Männern auch nicht!

Er ist knapp nach seiner Pensionierung an Kehlkopfkrebs, der zu spät diagnostiziert wurde, erkrankt. Nach Entfernung des Kehlkopfs konnte er nicht mehr sprechen und wurde mittels Sonde künstlich ernährt. Er wanderte mit meiner Mutter in den Libanon aus und starb im Alter von ca. 66 Jahren.
Mutter
Sie kehrte in die Schweiz zurück. Musste im Alter von 85 Jahren nochmals die Autofahrprüfung absolvieren, da sie bei riskanter Fahrerei erwischt worden ist. Prompt bestand sie die Prüfung!
Sie hat sich im Alter von 86 Jahren das Leben genommen.
Ruth
Ist während des Bürgerkriegs mit zwei ihrer drei Söhne in die Schweiz zurückgekehrt nach Lausanne. Sie arbeitete dort als Schuhverkäuferin und Hauswartin. Karim musste im Libanon zurückbleiben, sonst wären ihnen ev. ihre Liegenschaften enteignet worden. Er konnte Ruth nicht viel Geld schicken, da das libanesische Pfund praktisch nichts mehr wert war.
Nach ihrer Pensionierung kehrte Ruth zu Karim in den Libanon zurück
Sie starb kürzlich, knapp nach ihrem 90. Geburtstag.
Gesehen hatte ich sie noch ein einziges Mal, als ich mit Siti zusammen zum Besuch der Verwandtschaft nach Beirut geflogen war.
Karim
Starb im Alter von rund 94 Jahren. Er war ein guter Mensch. Er lebte die letzten Jahre seines Lebens getrennt von Ruth im EG seines Mehrfamilienhauses. Sie lebte weiterhin einsam zuoberst. Karim ist bis zum letzten Atemzug Arzt für seine Patienten gewesen.
Riad, der erste Sohn von Ruth
Wurde kurz nach Absolvierung der Matura in die Schweiz geschickt zum Medizin-Studium. Er durfte während seiner Kindheit keine Freunde haben. Er durfte auch seine Zukunft nicht selber bestimmen.
Für ihn wurde eine Ehe arrangiert. Kurz nach Abschluss seines Studiums schickte man ihm eines Tages ein Mädchen aus reicher Familie aus dem Libanon. Sie kannten sich nicht und mussten die Situation akzeptieren.
Ruth mietete für die beiden ein Hotelzimmer, wo sie sich erstmals näherkamen. Lina wurde schwanger und gebar ihren ersten Sohn. Zu Ehren des Grossvaters nannte man ihn Karim. Später kam noch Tochter Roanne hinzu.
Heute leben sie in Dubai, wo Riad eine Chefarztstelle am US-Hospital innehat. Er hat sich auf Chirurgie spezialisiert.
Riad ist im Alter von 66 Jahren am 6. Juni 2022 an Prostatakrebs gestorben.
Walid, der zweite Sohn von Ruth
Lebte nach seiner Kindheit im Libanon später mit Ruth in Lausanne. Er war ein verwöhnter Taugenichts, der drogenabhängig wurde und meiner Schwester ständig auf der Tasche lag. Sie kaufte ihm einen Sportwagen und bezahlte seine Drogen. Oft wurde dafür auch meine Mutter angebettelt und schickte Ruth regelmässig Geld. Ich hatte kein Musikgehör, als ich auch Geld schicken sollte.
Walid hat m.W. nie gearbeitet. Heiratete eine Schweizerin und ging zurück in den Libanon. Dazwischen besuchte er noch eine Schauspielschule in Hollywood. Im Libanon wurde er ein beliebter und bekannter Filmschauspieler. Er liess sich von der Schweizerin scheiden und heiratete eine Libanesin. Von der ist er aber auch schon wieder geschieden. Ich habe keinerlei Kontakt mehr zu ihm.
Mazen, der dritte Sohn von Ruth
Er studierte Archäologie in Lausanne, wurde später Mittelschul-Lehrer. Er hat geheiratet und lebt mit seiner Familie Nähe Lausanne in einem Haus auf dem Land. Ich habe sporadisch Kontakt zu ihm über Facebook. Er ist in der Region Lausanne ein beliebter und bekannter Disk-Jockey, DJ Maze nennt er sich.
Familie Gharib
Hormoz und Emmeli sind längst gestorben.
Was mit meinen Cousins und Cousinen passiert ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Familie Lüdecke
Ich hatte nie wieder Kontakt zu ihnen. Weiss nicht, wie ihr Leben verlaufen ist.
Onkel Hans und Ehefrau Maria Bischoff
Sie besassen in Aarau ein Haus. Wir besuchten sie selten, da meine Mutter die Maria nicht mochte, weil sie eine Deutsche war. Ihre einzige Tochter Rosemarie wurde glaube ich durch einen Italiener geschwängert, einen Rocco Groppetti. Sie mussten heiraten. Ihr einziges Kind Gabriella erbte das Haus in Aarau. Mehr weiss ich nicht über die Familie.
Onkel Emil und Tante Elvira Bischoff
Die Elvira wurde ebenfalls gemieden durch meine Mutter, weil sie italienischer Herkunft war. Sie hatten einen einzigen Sohn, den Aldo.
Onkel Emil, der von meiner Mutter "Fahli" genannt wurde, arbeitete in Feuerthalen bei der Bindfadenfabrik. Sie hatten ein kleines Einfamilienhaus in diesem Ort. Wir besuchten sie ab und zu. Wenn die Bischoffs jeweils nach Dübendorf zu uns kommen wollten, liess meine Mutter die Rollläden runter und tat so, als wären wir nicht zuhause. Durch Spalten in den Läden guckten wir raus und waren erst wieder erreichbar für andere Leute, als wir die Bischoffs wieder zurückreisen sahen.
Aldo heiratete früh eine blonde Coiffeuse. Ich sollte Trauzeugin sein und für die Kosten des Brautstrausses aufkommen. Auf dem Standesamt stellte man fest, dass ich die Unterschrift gar nicht leisten durfte, weil noch minderjährig. Irgendein Büro-Angestellter des Standesamts tat dann diesen Dienst.
Onkel Karl und Tante Lini Bischoff
Onkel Karl war der Aelteste aus der Familie. Er erbte das Haus der Eltern, welches in Neuhausen am Andersen-Gässchen stand. Als meine Oma mütterlicherseits noch in jenem Haus wohnte, traf ich ab und zu meinen Onkel und die Tante. Meine Mutter mied jeglichen Kontakt zu ihnen. Lini passte ihr nicht und damit basta.
Die Oma kam dann in ein Altersheim. Besuchten wir sie mal, brachte ihr meine Mutter stets eine Banane mit. Die konnte sie ohne Zähne noch verdrücken.
Den Opa lernte ich nie kennen, weil schon tot.
Die Grosseltern väterlicherseits waren ebenfalls längst tot, als ich auf die Welt kam.

Während des Schreibens bzw. nach dem Durchlesen meines Textes ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen: der wahre Grund meiner lebenslänglichen Suche nach Glück, Nähe und Geborgenheit, die sich niemals erfüllen wird, ist meine psychische Erkrankung. Ich leide an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Die wurde erst spät erkannt und nie behandelt.
Ich ging ja nicht freiwillig vor wenigen Jahren erstmals zum Psychiater. Nein, meine Tochter hat mich vor ein Ultimatum gestellt. Entweder zum Psychiater oder unsere Wege trennen sich. Die Diagnose hatte ich dann mal erfragt und gleich weit von mir gewiesen. Ich soll eine Narzisstin sein, niemals!! Der Psychiater hat dann auch nicht insistiert oder widersprochen.
Es konnte ja gar nie gut kommen. Wie auch? Und was würde es bringen, wenn ich heute, mit 77 Jahren, noch eine Therapie anfangen sollte? Die Aussicht auf Erfolg ist sowieso minimal klein.
Ich habe mir zwei Bücher bestellt und nun gelesen:
- Elinor Greenberg «Borderline und Narzissmus». Wie Menschen nach Liebe und Bewunderung streben.
- Charlotte Sommer «Die narzisstische Mutter» Wie Sie der Narzisse die Macht entreissen, alte Wunden heilen und Ihr neues Leben selbst bestimmen
Mein Leben ist eigentlich gelaufen, sozusagen besiegelt. Soll ich nun in eine tiefe Depression verfallen oder aber, einfach das Beste daraus machen, was mir noch bleibt? Ich hatte eigentlich im Unterbewusstsein schon immer die Tendenz dazu, aufzugeben und allem ein Ende zu bereiten. Früher hielt mich meine Tochter am Leben. Heute sind es die Katzen, die ich nicht im Stich lassen möchte. Daher schaffte ich mir nach dem Tod von Polo und Teddy diesen Frühling auch gleich wieder eine Katze an. Bewusst eine, die sonst keine Chance gehabt hätte, da ehemals Streunerin und ein echter Problemfall. Sie hält mich am Leben, ist meine einzige Aufgabe. Sie wäre verloren, wäre ich nicht mehr da.
Das zweite, oben erwähnte Buch, werde ich wider alle Vernunft meiner Tochter überreichen. Ob sie es lesen wird, weiss ich nicht. Tut sie es, wird sie wahrscheinlich den Rat befolgen und auf immer und ewig jeglichen Kontakt zu mir abbrechen. Das muss ich dann akzeptieren.
Immerhin bleiben mir dann viele, enorm viele schöne Erinnerungen. Viele Momente des Glücks, die sie mir geschenkt hat. Was war sie doch grosszügig zu mir, als sie erwachsen geworden ist und beruflich erfolgreich. Sie hat mich an grossartige Orte eingeladen. Von diesen Erinnerungen lebe ich jetzt. Ich hoffe aus tiefster Seele, dass sie die Schmerzen, die ich ihr unbewusst zugefügt hatte, überwinden konnte/kann. Sie ist eine starke Persönlichkeit und ich hoffe von Herzen, dass sie es schafft, mich trotz allem in guter Erinnerung zu bewahren.
Mit dem Tod meiner Eltern sind sie auch aus meinem Leben verschwunden. Ich hatte weder zum Vater noch zur Mutter eine engere Bindung. Den Vater sah ich letztmals im Alter von rund 20 Jahren. Er war wegen seiner Krebserkrankung zum Skelett abgemagert und konnte nicht mehr sprechen. Er hatte so ein kleines Ding, wo er etwas niederschreiben konnte und danach, wenn es das Gegenüber gelesen hat, durch hin und her schieben wieder löschte. Als ich mich im Libanon definitiv von ihm verabschiedete, um wieder in die Schweiz zurück zu fliegen, schrieb er mir auf «ich hoffe, du behältst mich in guter Erinnerung, das habe ich verdient». Ich wies das zurück und verliess den Raum. Herzlos und hart, aber in meinen Augen zutreffend.
Von meiner Mutter konnte ich mich nicht verabschieden. Sie ist durch Suizid gegangen. Emotionslos in allerkleinstem Rahmen wurde ihre Asche in einem Massengrab beigesetzt. Das Grab habe ich nie wieder aufgesucht. Aus den Augen, aus dem Sinn. Auch das brutal. Aber anders nicht möglich.
Meine Schwester, ebenfalls Narzisstin, starb kürzlich im Alter von knapp über 90 Jahren. Ich habe sie nie geliebt und sie auch mich nicht. Zurück bleibt nicht viel. Eigentlich nichts Positives.
Ein Scherbenhaufen. Wir alle hätten nie geboren werden sollen. Nicht mit dieser Krankheit. Für Aussenstehende absolut nicht nachvollziehbar. Nicht mal die Psychiater können wirksam Hilfe leisten. Wir sind nichts als eine Belastung.
Ist das jetzt der Anfang einer Depression? Nachdem ich endlich Klarheit darüber bekommen habe, weswegen mein Leben so wild verlaufen ist? Weswegen ich jetzt einsam und allein bin? Wofür werde ich eigentlich bestraft? Fragen, auf die es niemals eine Antwort geben wird.

Es sollte eigentlich ein Hilferuf sein. Denn ich schickte nach Einnahme der Tabletten meinem Nachbarn noch eine Whats app Nachricht und legte einen Hausschlüssel vor meine Türe.
Er alarmierte den Notfall-Transport, der mich zur Notaufnahme im Spital Horgen brachte. Die wiesen mich weiter ans Sanatorium Kilchberg. Dort begann das Trauma meines Lebens!
Akut-Station, lauter Suchtkranke und schwer psychisch kranke Sozialfälle, die meisten ohne festen Wohnsitz und seit Jahren IV-Rentner oder von der Sozialhilfe lebend. Obschon ich privat versichert bin, wollte man mich in ein Zweierzimmer bringen, wo sich eine randalierende, wohnsitzlose Asiatin aufhielt, die hohes Fieber hatte und hustete. Ich fragte den Pfleger, ob die Frau geimpft wäre oder Covid-negativ getestet worden ist. Das wusste er nicht. Die Frau selbst sagte dann, sie sei nicht geimpft.
Ich weigerte mich, das Zimmer mit einer möglicherweise Covid-Kranken teilen zu müssen. Immerhin war ich dreimal geimpft (also auch geboostert) und zwei Jahre darauf achtend, die sozialen Kontakte runterzufahren.
Der Pfleger erklärte, dass ich unter diesen Umständen die Nacht auf einem Stuhl zu verbringen hätte. Er schickte mich ins UG, wo sich der Raucherraum befand. Dort stürzten sich sogleich drei Wahnsinnige auf mich, alle ungeimpft. Sie fassten mich an und erklärten mir, hier würde man mehrfach vergewaltigt und bestohlen. Die Patienten würden sich gegenseitig bestehlen und würde man das Portemonnaie im Patientenbüro abgeben, würde das Personal alles Bargeld raus stehlen und die Kreditkarten belasten. Sie wollten mir einen Anwalt aufschwatzen, der mich garantiert innert 5 Tagen hier rausholen würde. Ich fuhr wieder hoch in den 2. Stock und man schickte mich in die Cafeteria, wo ich die Nacht auf einem Stuhl verbringen sollte. Auch dort wurde ich sogleich durch Patienten bedroht und beschimpft. Sie fassten mich überall an und redeten nonsens auf mich ein.
Erneut ging ich zum Patientenbüro und bat um einen verdunkelten Raum mit Luftmatratze. Schliesslich brachte man mich in ein sog. Isolations-Zimmer mit Pritsche und Metallklo ohne Klobrille. Abschliessen konnte man das Zimmer nicht. Im Vorraum befand sich ein Lavabo, wo allerdings das Wasser abgestellt war. Als ich fragte, ob ich irgendwo die Hände waschen oder mir die Zähne putzen könnte, verwies man mich auf die einzige Möglichkeit im Zimmer bei der vermutlich Covid-Kranken. Kaum im Iso-Zimmer angekommen, kam aus dem zweiten Iso-Zimmer nebenan eine Verrückte, die sich 50 cm von mir entfernt vor mich hinstellte und mich anstarrte. Hierauf kamen Schimpf-Tiraden wie: Sauschlampe, Dreckshure, elende Diebin, alles gestohlen, was du bei dir trägst. Zur Hölle mit dir. Der Pfleger wies sie zurück in ihre Zelle. Kaum war der gegangen, ging es wieder los. Nonstop Beschimpfungen durch den Türspalt. Ich hatte Panik, dass die mich umbringen würde und verbrachte die Nacht sitzend und mit Schüttelfrost. Irgendwann klingelte ich und bat darum, eingeschlossen zu werden, um vor dieser Frau sicher zu sein. Wurde nicht erlaubt. Ich bekam die erste Panik-Attacke meines Lebens.
Morgens um 6h ging ich in die Cafeteria, um iPad und iPhone aufzuladen. Die Frau wollte mir beides entreissen. Ging aber nicht, da ich etwas stärker war. Als ich in die Iso-Zelle zurückkehrte, hatte sie meine Zelle verwüstet. Meine Wasserflasche über meine Kleider geleert und die zertrampelte Flasche vor meine Türe geworfen.
Am nächsten Tag kam ich in ein Zweierzimmer zu einer manisch depressiven Frau, die sehr unruhig war und nachts laut schnarchte. Ich konnte kein Auge zutun. Die Notfallklingeln funktionierten weder im Zimmer noch im Bad.
Im Patientenbüro hatte niemand Zeit, abzuklären, ob meine Privatversicherung zahlen würde. Selber dort anrufen durfte ich nicht. Einzelzimmer hatten sie sowieso nicht auf der Akutstation. Meine Blutdruckwerte waren jenseits von der Normalität, nämlich meistens um 200/115, Puls 120. Meine dringend benötigten Blutdruck-Medis sowie den Blutverdünner bekam ich nicht. Das sei nicht wichtig, schliesslich sei man hier keine somatische Klinik, sondern auf psychisch Kranke ausgerichtet. Man jagte mich in diverse Beschäftigungs-Therapien, die mir von meinen körperlichen Voraussetzungen her mehr schadeten als nützten (Kraft-Training auf Maschinen, die eigentlich wegen meiner lockeren Kniegelenks-Prothese verboten gewesen wären, Spaziergänge in grossem Tempo den Hang hinauf, die ich wegen meinem Asthma kaum schaffen konnte und vieles mehr). Immer und immer wieder bettelte ich um meine dringend notwendigen Medis. Ich kam körperlich in gesundem Zustand an, wurde aber von Tag zu Tag kränker.
Plötzlich kamen zwei Pfleger im Schutzanzug, verlangten, dass ich sofort eine FFP2-Maske anziehe und mit ihnen komme. Sie brachten mich in ein Quarantäne-Zimmer, da sie bei mir Covid vermuteten. Sagten mir dies aber nicht. Das Zimmer war dreckig, volle Aschenbecher, schmutziges Geschirr, kein Zugang zum Schrank. Und nunmehr eingeschlossen. Jeder, der kam, behandelte mich wie eine Aussätzige. Am NM wurde ich zu einem Covid-Test vergewaltigt, bekam einen Erstickungsanfall und danach eine zweite Panik-Attacke. Nach einigen Stunden kam ein Hüne von Mann in mein Zimmer, stellte sich ganz nah vor mich hin und fixierte mich mit stechendem Blick. Er sprach kein Wort, kam immer näher. Ich rechnete damit, nun wohl vergewaltigt zu werden. Nach einer Ewigkeit schrie er: NEGATIV, sofort packen und zurück ins vorherige Zimmer.
Im Patientenbüro bekam ich ein Gespräch mit, wonach man jetzt eine erste Covid-Kranke auf der Station hätte. Vermutlich jene Frau, mit der ich zuerst hätte das Zimmer teilen müssen.
Hier wird bei Eintritt kein einziger Patient gefragt, wie sein Impf-Status ist oder ob er jemals getestet worden ist. Auch können diverse Patienten am Weekend nach Hause und sie werden nie befragt oder getestet nach Rückkehr. Früher oder später wird an dieser Klinik eine Epidemie ausbrechen.
Inzwischen hatte ich nunmehr 5 Nächte ohne eine einzige Minute Schlaf verbracht. Es schrien Patienten herum, polterten gegen die Wände. Wollte ich mir mal beim Kaffeeautomaten einen Tee rauslassen, hockte dort ein Wahnsinniger im Rollstuhl und drohte mit einem Messer. Traf ich ihn auf den Gängen an, fuhr er in grossem Tempo auf mich los. Keiner half.
Am Freitag dann kam eine Aerztin und erklärte mir, dass ich ab sofort nicht mehr dem Status "FU", (fürsorgliche Unterbringung) entsprechen würde und heute in die private Abteilung übertreten könne, man wisse aber immer noch nicht, ob die Privatversicherung bezahlen würde. Schliesslich rief ich meine Versicherung selber an und es wurde mir bestätigt, dass die Kostengutsprache längstens abgeschickt worden sei. In der Administration der Klinik irgendwie untergegangen.
Auf der Privat-Station wollte man mich zunächst wieder in ein Zweier-Zimmer bringen in die halbprivate Abteilung. Da ich nicht nochmals umplatziert werden wollte, bestand ich darauf, ein Einzelzimmer zu bekommen. Das gab man mir dann auf Zusehen hin bis Montagmorgen. Somit hätte ich auch das Anrecht gehabt, Menü-Aenderungen anzubringen. Da ich z.B. kein Lammfleisch essen kann, wünschte ich für Montag zum Lunch einen Gemüsesalat im Wert von CHF 15.50, für die Abende der kommenden Woche jeweils einen kleinen Salat oder ein Birchermüesli. Am Sonntagmittag zitierte mich die Hotellerie-Angestellte in die Küche und erklärte laut, so dass es alle Mit-Patienten hören konnten, dass ich den Gemüsesalat am Montag nicht bekommen würde, da nur allgemein versichert. Selber bezahlen durfte ich die CHF 15.50 auch nicht.
Später am Montag dann endlich die Erlösung, jetzt war plötzlich alles geregelt. Aber in Freiheit befand ich mich noch lange nicht. Mein Blutdruck war weit entfernt von Norm-Werten und es setzte einen täglichen Kampf ab um die Medis. Immerhin hatte es hier lauter nette Patienten, die sich nicht auffällig verhielten. Habe mich mit einigen sogar angefreundet. Auch hier funktionierten im Zimmer die Notfallklingeln nicht. Es stellte sich dann heraus, dass man ganz einfach die Batterien hätte auswechseln müssen.
Mein Therapie-Programm war immer noch nicht meinen Bedürfnissen angepasst. So zwang man mich ins Qi Gong, wo ich mir prompt meinen seit Jahren lädierten Rücken verletzte. Im Minuten-Takt schossen Pfeile in meinen Rücken (Hexenschuss) und ich konnte kaum noch gehen. Es dauerte Stunden, bis ich ein Hot-Pack bekam sowie ein erbsgrosses Stück Tigerbalsam. Man wollte mich sogar nötigen, es ein zweites Mal mit Qi Gong zu versuchen. Ich war übrigens nicht die einzige Verletzte. Bei einem jungen Mann gab es einen lauten Knall im Schultergelenk und er hatte sich etwas gerissen und musste ins Spital gebracht werden.....
Am Mittwochabend hatte ich plötzlich einen ganz tiefen Blutzuckerwert, kurz vor dem diabetischen Koma. Eine Heisshunger-Attacke, Tremor und Schwindel. Ich schaufelte Essen in mich rein und schwankte zum Patientenbüro. Die brachten mich zu zweit zurück zum Zimmer, boten die diensthabende Aerztin auf und die wies mich per Notfall ins USZ, Verdachts-Diagnose: Stroke. Erneut eine Nacht sitzend in der überfüllten Notaufnahme des Unispitals, zwischendurch Schädel-CT. Schliesslich vergewaltigte man mich nochmals zu einem Covid-Test, diesmal durch die Nase. Da ich wegen Blutverdünnung, trockenen Schleimhäuten und Polypen in der Nase panische Angst davor hatte, musste ich ein Temesta schlucken, das mir eigentlich die Psychiatrie dringend verboten hatte. Ich war mittlerweile nur noch hilflos, leistete keinen Widerstand mehr. Schliesslich brachte man mich in ein 2er-Zimmer in der Neuro-Chirurgie. Hatte rein gar nichts dabei, keine Zahnbürste, kein Handy, kein Taschentuch, einfach nix.
Am nächsten Tag Verlegung in ein Einzelzimmer in der Neurologie. Dann MRI Schädel, EEG (sie vermuteten noch Epilepsie) und Sonografie der Halsgefässe, Augen etc.
Der Verdacht auf Stroke erhärtete sich zum Glück nicht. Anzeichen einer leichten "Streifung" sowie früherer CO-Intoxikation. Keine Ahnung, wann letztere sich ereignet haben soll......
Nun, nach drei Tagen per Rollstuhl-Taxi zurück nach Kilchberg. Die starren mich konsterniert an. Für sie sei ich vor drei Tagen offiziell ausgetreten. Mein Zimmer sei anderweitig vergeben worden und ich soll gefälligst sofort abreisen.
Die von mir bestellten 3 Päckli bei Galaxus (Body-Butter, Trainings-Anzug, lange Hose) haben sie einfach retourniert. Bei Galaxus bisher nicht angekommen.
Egal, ich bin zurück in der Freiheit. Bin traumatisiert auf ewig. Möchte niemals mehr so etwas erleben müssen und wünsche das nicht dem allergrössten Feind. Meine Ressourcen sind aufgebraucht und ich muss mich jetzt zuerst mal erholen und neu orientieren.
Von Mit-Patienten habe ich übrigens gehört, dass Kilchberg noch die angenehmste aller Psychokliniken im Kanton Zürich wäre. Z.B. Burghölzli sei der blanke Horror. Schlimm muss auch die Hohenegg sein. Ebenso das Schlössli.
Also am besten dafür sorgen, dass man nie an so einen Ort gebracht wird, v.a. nicht zwangsinterniert wird.


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mein erstes Bild
(2) mein zweites Bild
(3) mein drittes Bild
(4) mein viertes Bild
(5) mein fünftes Bild
(6) mein sechstes Bild
(7) mein siebtes Bild
(8) mein achtes Bild
Morgen geht es weiter mit der Malerei! Es beschäftigt mich und für einmal störe ich mich "noch" nicht an der riesen Sauerei, die ich im neu eingerichteten Atelier in meinem Keller veranstalte. Schränke, Böden etc. sind vollgespritzt. Meine Kleider sind getupft und meine Arme und Hände ebenso :-( Verwendung habe ich für die Bilder keine, da ich ja asiatisch eingerichtet bin. Es geht um reine Beschäftigungs-Therapie.
(9) mein neuntes Bild
(10) mein zehntes Bild
(11) mein elftes Bild
(12) mein zwölftes Bild
(13) mein dreizehntes Bild