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Von Maja Brenner Meine "grosse" Welt, Teil 2 und das Jahr 2018
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Zurzeit sind 520 Biographien in Arbeit und davon 291 Biographien veröffentlicht.
Vollendete Autobiographien: 176
 
Maja Brenner
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Vorwort
1.1.
Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule
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2.
Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt
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Teil zwei: Oberseminar
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Teil zwei: Oberseminar
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Teil zwei: Oberseminar
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Teil zwei: Oberseminar
Vorwort
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  Vorwort
Sehr geehrte Lesende, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und gute Gespräche. Mein Dank geht weiter an Herrn Professor A. Messerli für die Leitung der Begleitgruppe und an Herrn Erich Bohli für die technische Betreuung der Cloude.

Ich schreibe meine Lebensgeschichte als Teil des kulturellen Erbes für spätere Generationen. Ende November 2017 hatte ich den ersten Teil, die Beschreibung meiner ersten Lebensjahre bis zur Prüfung in die Sekundarschule abgeschlossen. Am 12. Februar 2018 erhielt ich für diese Arbeit den zweiten Preis des erstmals verliehen Schweizer Autobiographie-Award. Diese Zäsur gab mir ein gutes Gefühl und Mut, weiter zu schreiben. Den zweiten Teil widmete ich einerseites meiner Zeit in der Sekundarschule, der Kantonschule und am Oberseminar, und andererseits fügte ich neu Gegebenheit aus meiner 2018 weiter laufenden Lebensgeschichte ein. Diese Abschnitte sind klar mit "2018" gekennzeichnet und können gerne übersprungen werden. - Meine Lesenden, da ich Ihnen einen 1 zu 1 Einblick in meinen steinigen Schreibweg im Jahr 2018 geben möchte, dürfen die Umtriebe mit der meet-my-life.net Cloude nicht fehlen. Ich bedanke mich bei allen, die mich dabei unterstützt haben.

Wichtig waren mir zusätzlich die monatlichen Treffen mit der Begleitgruppe. Sie halfen mir, an der Arbeit zu bleiben. Ich fügte nachträglich die Hausaufgaben für diese Gruppe in meinen Text ein. So folgt nun die Hausaufgabe für den 13. Juli 2018 mit dem Titel: "Architektur meiner Lebensgeschichte". Kein Inhaltsverzeichnis, kein Mind Map, sondern der Bauplan, die Idee, das Modell der Autobiographie war auf einem Blatt Papier 50/70 darzustellen. Zu verwendende Mittel waren: Schreiben, zeichnen, kleben usw. Diese Hausaufgabe fiel mir leicht, denn ich hatte bereits anfangs 2018 meine Lebensgeschichte in sieben Abschnitte unterteilt. Ich plant nicht, sieben Mal 250 Seiten zu schreiben, ich möchte auch nicht noch sieben Jahre tippen, aber ich will jeden Teil abschliessen und mich erst dann, dem nächsten zuwenden. Alles als einen Wurf zu schreiben, hätte mir Angst gemacht. Unterteilt und den Jahren zugewiesen, hoffte ich, die mir gestellte Aufgabe Schritt für Schritt erfüllen zu können. Nun folgt die Hausaufgabe vom 13. Juli 2018:

Zeitplan

Thema

Familie

Alltag

Gedanken

Grenzen, A

Welt

 

B, C

Teil 1

2016

2917

Kleinkind

Unterstufe

Mittelstufe

Alfi

Tod Grossvater

Dorf

Kochen

Feldarbeit

Preis MML

 

Teil 21

2018

Sek

Kanti

Obersem.

 

Ide,Führer-

Schein

Neftenbach

Winterthur

Zürich

Konfir-

mation

 

 

Teil 3

2019

Schwamendingen

Ausland, EU Holderbach

USA

Trennung

von Familie

Jadoon

 

 

 

Teil 4

2020

Studium

Sozialarbeit

Praktika

Rauha

allein

Partner

Pfrundhaus

 

 

Teil 5

2021

Gericht SH

Arbeitslos

Grossfamilie

Ehe

Sohn

Adop.T

Oberstadt

Hauental

Hauskauf

TV, Auto

Taufe

 

Teil 6

2022

Steuerverwaltung

Mexiko, Indien

Kongo

Neid

Tod Vater

Prozess Tochter

 

 

 

Teil 72

2023

Pensionnierung 2009

Kongo bis 2017

Tod Mutter

9 Reisen

Enkelinnen

Renovationen

Mieter

 

 

Teil 83

2024

Alter,

Kongo

 

 

 

 

 

A = Philosophie, Religion, Ziele, konstante Linien, Alfi, die andern und ich,
B = Politik, Staatskunde, Nachkriegszeit, Entkolonialisierung, 1968, Migration, "die Energiewende"
C = technische Entwicklungen, Mobilität und Konsumgesellschaft

Fussnoten:
1Ab 2018 werden die laufenden Ereignisse parallel aufgeführt. Ich hoffe pro Jahr mehr als einen Teil zu tippen und so schneller fertig zu werden.
2Ende des Lebensrückblickes
3Ab 2024 nur noch laufende Lebensgeschichte, Rückblenden und Gedanken zum Lebensende

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei Lesen. Überspringen Sie Stellen, die für Sie langweilig oder schwer verständliche sind, grosszügig. Das Leben lässt sich für mich nicht erfassen, es gleicht den Wolken, die Tag und Nacht an meinem Fenster vorbeiziehen. 

Wie war das mit der Oberstufe früher ?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie war das mit der Oberstufe früher ?
Ich wusste: "Acht Jahre, aber Mama und ihre beiden Geschwister hatten freiwillig die dritte Sekundarschulklasse besucht. "Alle Kinder gehen acht Jahre in die Schule, aber euere Mutter musste natürlich etwas besseres sein," stichelte Grössi und fuhr weiter: "Schon zu meiner Zeit musste jedes Dorf ein Schulhaus und einen Schulmeister haben, der lesen, schreiben und singen konnte und die Bibel kannte. Im Sommer gingen wir bei Regen, im Winter täglich in die Schule. Der Lehrer war nicht zu beneiden. Mit einer Rute und einem Stock musste er sich Gehör verschaffen, und die Rasselbande zähmen. Er musste darauf achten, dass alle Kinder acht Jahre lang ins Schulzimmer kamen. Es gab acht Klassen und jeden Frühling ein Examen. Viele blieben sitzen. Für die meisten waren die acht Schuljahre nach der fünften oder der sechsten Klasse fertig. Nicht wenigsten erreichten die achte Klasse." Sie schimpfte: " Die Siebente und Achte, das waren zwei verlorene Jahre. Sechs Jahre würden für Mädchen genügen," war Grössis Meinung. Die Eltern hätten die Strafen des Schulmeister gefürchtet und darum auch die Mädchen regelmässig in die Schule geschickt. Viele hätten die Schulzeit einfach abgesessen und sich von der Feldarbeit ausgeruht. Im Winter, da verhielten sich alle ruhig, niemand wollte hinaus in die Kälte gejagt werden. Im Schulzimmer war es warm. Die Dörfler sammelten Holz, denn ein guter Lehrer heizte schon am frühen Morgen ein. Niemand sagte es, aber die Eltern brachten viel, sehr viel Holz, denn sie wollten, dass die Kinder etwas lernten. Laut Befehl von oben, aus der Stadt wurde bereits nach dem ersten Reif (= erste Nacht mit einer unter Null) Holz verbrannt und dann wurde weiter geheizt. Es durfte nicht auf den ersten Schnee gewartet werden, wie dies üblich war. Glaube mir, alle freuten sich auf das warme Schulzimmer. "Grössi, das ist nun anders," unterbrach ich ihre Träumerei: "Wir haben eine Kohlenheizung im Keller und zwei Heizkörper,  einer rechts und der andere links hinten in der Ecke. -  Drei Jahre Unterstufe mit Schiefertafel, drei Jahre Mittelstufe mit viel Hausaufgaben und dann, wenn man die Aufnahmeprüfung besteht, zwei Jahre Sekundarschule oder für die Schwachen die Siebente- und Achte und in der Stadt - das Gymnasium".
Einschub  Wir gingen sechs Tage zur Schule, am Sonntag besuchten alle Kinder die Sonntagsschule und später die Kinderlehre. Jeder Kantone hatte Schulen und Schulbücher nach seiner Art. Bergkinder wie Heidi hatten den ganzen Sommer Ferien.  
Meine Lesenden, wie sah die Schule in Ihrer Jugend aus? 
Wie war der Abschied von der Primarschule ?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie war der Abschied von der Primarschule ?
Gemischte Gefühle ...
"Die Sekundarschulprüfung bestehe ich mit Bravour," mit diesem Bewusstsein stand ich in jenen Frühlingstagen 1957 vom Frühstücktstisch auf, packte den Tornister, marschierte über die Strasse und setzte mich links hinten in meine Schulbank. Im Rhythmus der Schritte penddelten meine Arme vor und zurück und die gestreckten Hände schoben - wie kleine Flossen - meine wehmütige Gedanken weg, weg, weg. Die Tage solcher Gewohnheiten waren gezählt. Papa sang: "Der Winter ist vergangen, ... " und Mama erholte sich von der Wintergrippe.
Gemischte Gefühle hatte wohl auch unser Lehrer. Mein letzter Tag in der Primarschule war nach 47 Jahren sein letzter Arbeitstag. Bereits seit drei Jahren wohnten er und seine Frau nicht mehr in der Lehrerwohnung über dem Schulzimmer sondern in einem Einfamilienhäuschen mit Sicht auf die Felder, eingerichtet für den Ruhstand mit geschütztem Sitzplatz, moderner Küche, Badwanne, Bibliothek und Zentralheizung.
Ich war für seinen letzten Tag vorbereitet. Ich hatte etwas, das ich ihm am frühen Morgen in den Briefkasten stellen konnte. - Als Weihnachtsgeschenk hatten die Mutter und ich in der Stadt eine Laubsäge-Vorlage für Fortgeschrittene ausgewählt. Der Verkäufer schlug dafür ein Stück besonders schönes Stück Holz vor. Dem Christkind schien der Preis arg hoch, aber es drückte ein Auge zu. Im Januar sägte, schlief und lackierte ich. Schon vor der Fasnachtzeit, vor der Grippewelle, verpackte ich den wohl geratenen, kleinen Briefständer und versteckte mein Geschenk mit einer Glückwunschskarte hinten im Kastenfuss.
Der letzte Schultag: "Ich weiss nicht, aber ich meinte, es hätte sich gehört, dass das Dorf seinem Lehrer ein Abschiedsgeschenk vorbereitet hätte." Mein Vorschlag - diesen zu äussern, hatte mich einiges an Mut gekostet - fand kein Gefallen, er wurde abgelehnt und verlacht. Die Dorfbewohner brachten ihrem Lehrer gemischte Gefühle entgegen. Waren sie vielleicht etwas neidisch, dass er nun nicht nur zwölf Wochen, sondern das ganze Jahr Ferien hatte?
Meine Lesenden, was bedeutete für Sie der Wechsel von der Primarschule in die Oberstufe?
Was brauchte es zusätzlich für die Schule im grossen Dorf?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Was brauchte es zusätzlich für die Schule im grossen Dorf?
Ein Fahrrad, einen Regenschutz und eine Mappe. Wie kam ich zu diesen Dingen? Einschübchen 2017: Warum schrieb ich nicht "Velo", das Wort, das ich umgangsprachlich selbstverständlich brauchte? "Velo", ja, aber nicht in einem schriftlichen Text. Das widerstrebte mir. Was meinte Google dazu? Neben vielen Websteiten von Velo-Geschäften entdeckte ich eine Umschreibung, die lautete: "Fahrrad, kurz Rad, in der Schweiz Velo genannt, ist ein mindestens zweirädriges Landfahrzeug, das ausschließlich durch die Muskelkraft der auf ihm befindlichen Person durch das Treten von Pedalen angetrieben wird." Das Wort "Velo" verstanden in den 50er Jahre alle, Fahrrad hätte gekünstelt, gestelzt getönt. Wie dem auch sei, 2017 wollte ich in der Schriftsprache ausschliesslich das Wort Fahrrad verwenden. Einschub Ende.
Ein Fahrrad, einen Regenschutz und eine Mappe, das brauchte es zusätzlich für die Schule im grossen Dorf. Lasst uns mit einer Zusammenfassung aus Fetzen von verschiedenen Bettgesprächen - ich hatte diese zufällig aufgeschnappt - der Eltern beginnen: "Unsere beiden Mädchen brauchen dringend beide ein Velo, damit wir am Sonntag bequem gemeinsam Ausfahren können." Wir hatten Grössis Velo mit Rücktrittbremse und das Velo, das Mama in die Ehe mitgebracht hatte. Mit der Kleinen hinten auf dem Gepäckträger fiel Papa das Treten immer schwerer, darum hatte er sich bereits umgeschaut. Eine passende Occasion hatte er nicht gefunden, aber von einem ehemaligen Dienstkameraden lag ein gutes Angebot für ein fabrikneues Fahrrad vor: Zwei hundert Franken und zusätzlich fünf mal zehn Kilo Frühkartoffeln. Ich schätzte solche umsichtige Planungen meiner Eltern. Es brauchte mir niemand zu sagen, dass Mamas Fahrrad dann das meine wurde.
Für die Fahrten bei Wind und Wetter, erhielt ich Mamas Regelmantel und von meiner wenig geliebten Patin ein winziges Plastikmützchen. Es steckte in einer Plastikhülle, in der nur eine Daumenkuppe bequem Platz gefunden hätte. So klein konnte es zusammengefaltetet werden und doch bedeckte es ausgespannt den Kopf vom Nacken bis zur Stirn. Ein wenig nach vorne gezogen, schützte es die Augen und hinten reichte es über den hochgestellten Kragen. Unter dem Kinn gebunden, trotzte es dem Wind. Wir waren begeistert und alle probierten es. Papa kaufte eines für Mama, für Grössi und die Kleine. Er über legte, ob er sich auch eines kaufen sollte. Nein, das nicht! Männer trugen Hüte, die der Wind wegblasen konnte.
Die Mappe lag unter dem Weihnachtsbaum bereit. Wir hatten sie nicht in der Stadt gekauft, sondern bei Sattler Müller, dem Dienstkamerad von Papa, der einen mongoloiden Sohn in meinem Alter hatte. Ich fand das gut, obwohl ich vor dem Behinderten zurückscheute, wenn er meine Hand zum Gruss fasste und nicht mehr los liess, bis wir die Sattlerwerkstatt verliessen.
Meine Lesenden, wie wurden Sie für die Oberstufe ausgerüstet? Was hätten Sie Sich zusätzlich gewünscht?
Wo war die Sekundarschule?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wo war die Sekundarschule?
Es gehörte zu jedem Besuch auf dem "neuen" Friedhof, dass wir uns kurz auf das Bänkli vor dem schmiedeisenen Eingangstor setzten und das Dorf anschauten. Aus Platzgründen war Friedhof ausserhalb des Dorfes, südlich an den Rand eines bewaldeten Hügelzuges verlegt worden. Dort war es ruhiger als in der Dorfmitte, wo Ross und Wagen und zunehmend mehr Traktoren und Autos vorbeifahren. Es gab breite Kieswege, einen geschützten, gedeckten Platz, zwei Brunnen, mehrere Bänkli und hinten die ersten Gräber. Der Gemeinde war es wichtig, dass der Klang der Kirchenglocken die Ruhestätten bei jeder Wetterlage erreichten konnte. Mit Papa mussten wir als klein die grosse Turmuhr bestaunen, bevor wir trotz Sonntagskleidern eine Weile im Wald verschwinden durften.
Gewohnheitsmässig setzte ich mich auch auf diese Bank, wenn ich für Grössi einen Strauss auf Chueris Grab brachte. Es war selbstverständlich, dass der Kirchturm alle Häuser, die Kirche und das Pfarrhaus weit überragte. Nicht zu übersehen waren zudem das Schulhaus und der Kamin von der Maschinenfabrik Graber & Wening. In den Häusern dazwischen wohnten etwa vierzig Kinder, die im Frühling wie ich in die Oberstufe wechselten. Viele hatten bereits mit mir den wenig geliebten Kindergarten besucht. Sie hatten mich ausgelacht, weil ich mit drei Knaben unterwegs war. Die Nähschullehrerin kannte ich, denn sie hatte uns in der dritten und vierten Klasse unterrichtet. Der Lehrer für die mathematisch-natuwissenschaftlichen Fächer wird wechseln, hiess es. Nach dem schlechten Wahlergebnis im Herbst hätte sich der Stelleninhaber nach einer andern Aufgabe umgesehen. Es hiess, der Sohn des Gemeindeschreibers habe das Studium abgeschlossen, und er sei der Nachfolger. Ein unscheinbarer älterer Mann unterrichter die sprachlich-historischen Fächer. Neu hatten wir nun jeden Sonntag die Kinderlehre in der Kirche zubesuchen, und zusätzlich unterrichtete der Pfarrer in allen Oberstufenklassen wöchentlich zwei Stunden in Biblische Geschicht und Sittenlehre. In unserem Dorf in der Mitte kannte ich alle Bewohner. Selbst mit jeder der alten Frauen, die wie Schatten den Wegen entlang huschten, hatte ich ein paar Worte gewechselt. Früher sah ich durch die Schulzimmerfenster, das Elternhaus und bei Westwind hörten wir die Kirchenglocken. Diese werden mich ins Sekudarschulhaus begleiten. Zu Beginn fühlte ich eine grosse Fremdheit, obwohl ich die asphaltierte Strasse und die vielen Nebenwege im Dorf mit unserer Kirche doch gut kannte.
Wie waren diese Jahre für dich ganz allgemein, unabhängig von der Schule?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie waren diese Jahre für dich ganz allgemein, unabhängig von der Schule?
Eine grosse Ernüchterung, denn neben der Schule ging alles weiter wie vorher. "Das hättest du dir doch denken können," schimpfte ich mit mir. Unterwegs beim Radeln, stellte ich mir oft die prächtige Wolljacke vor, die mir Mama damals für den Kindergarten hatte stricken lassen. Diesen weiten Weg hatten meine Beine mit fünf Jahren jeden Tag bewältigt, ich staunte. Die drei Buben von damals saussten an mir vorbei ins grosse Dorf. Gelegentlich fuhren wir gemeinsam. Sie plaudereten gerne über die Zeit im Kindergarten . Primarschule, Feldarbeit und Hausaufgaben waren keine Themen. "Warum begegnet man dir so selten auf dem Schulweg", wollten sie wissen, "Kochst du immer noch ?" Dass die mich so was fragten, das freute mich.

Der Primarlehrer fehlte mir. Nachdem Susi und ihre Mutter in die Stadt gezogen waren, teilte niemand mehr meine Interessen. Mama verlangte von ihrer grossen Tochter mehr Einsatz, die Schule sei nicht so wichtig. Freundlich bat sie mich um die Erledigung einer zusätzlichen und noch einer weitern zusätzlichen Arbeit, zuerst als Ausnahme, dann ein zweites Mal und bald für immer. Zusatzaufgaben im grossen Dorf, damit ich den Schulweg nicht mit den andern teilen konnte, hasste ich. Machte sie das absichtlich? Wollte sie verhindern, dass ich ein wenig mit den andern Schülerinnen verweilte?  Meine Lesenden, wir hatten daheim noch keinen Kühlschrank. Wir hatten aber zwei öffentliche Gefierfächer im Gemeindehaus neben der Kirche gemietet. Die Familie war sich einig, ich könne mit Leichtigkeit am Morgen vor sieben Uhr in der Schnelle etwas ins Kühlfach bringen. Doch wo war der Schlüssel? Wie plazierte ich Sachen neben der Mappe auf den Gepäckträger? Hoffentlich fiel nichts hinunter! Unsere Fächer waren ganz oben. Die Leiter war besetzt. Ich musste warten. Der Schlüssel klemmte. Die Säcklein sacht hineinschieben und weg. Ausser Atem huschte ich im letzten Moment ins Schulzimmer und wurde ermahnt, etwas früher aufzustehen. - "Mein lieber Lehrer, ich mache am Morgen Hausaufgaben, weil ich am Abend nach der Feld- und der Hausarbeit zu müde bin!" ich schimpfte innerlich trotzig. "Verstehen sie doch bitte, früher unterbrechen, heisst weniger Zeit für ihre Hausaufgaben, verbunden mit dem Risiko, eine Zusatzaufgabe zu fassen, es tönt dann von Mama: "Machst du dich so früh auf den Weg? Könntest du mir bitte mir schnell helfen, ... " oder "hol doch schnell, ..." oder "geh noch schnell ..." . Erklären sie mir mein Lehrer, was nützt es da, wenn ich früher unterbreche?" Reklamierte ich am Familientisch, weil mich der Lehrer ermahnt hatte, hiess es, auch du wirst noch lernen, etwas schneller zu machen.

Am Abend nach der Schule war häufig noch etwas Kleines aus meinem geliebten Gefrierfach zu holen: Schwierig, schwierig, welch ein Durcheinander. Sorgfältig beigte ich die eisigen Päckli hinaus auf die unpraktische Leiter, bis ich das Gewünschte gefunden hatte. Häufig fielen einige auf den Boden. An einem heissen Tag meldete ich meinen Ärger oben im Gemeindebüro. Ich hätte Glück, hiess es, das Problem sei bekannt und der Handwerker, der im Treppenhaus etwas zu erledigen hatte, wurde mit mir nach unten geschickt. "Herrlich kühl ist es hier unten" freute sich der fremde Mann. Flink holte ich die Leiter und begann wieder Päckli herauszubeigen. "Stopp! Das geht nicht. Es muss eine andere Rolleiter her und zwar sofort. Du bist wendig, aber eine schwergewichtige älter Frau könnte hinunterfallen. Holst du gerne Sachen?" wir plauderten eine Weile. Er hasste es, etwas im Gefrierfach zu suchen. Weil er diese Pflicht regelmässig mit ein Bierchen verband, schickte ihn seine Frau nicht mehr. Zwei Tage später stand eine Rolltreppe da. Nun ging ich gerne zum Gefrierfach, denn dann ich konnte meine Rolltreppe benutzen. Sie wurde von allen geschätzt.

Natürlich lobten mich die Dorfbewohner und winkten mir zu, wenn ich wie die Kaben die Strasse durchs Dorf hochfuhr und nicht wie die Mädchen das Fahrrad schob, stillstand und plauderte. Ich musste doch kochen und wollte rechtzeitig bereit sein. Die Grossmutter unterstützte mich dabei gegen Mamas Wille. Das wusste niemand. Alle freuten sich, wenn das Essen bereit war. In der zweiten Sek hatten wir wöchentlich zwei Stunden Kochunterricht. 70 Rappen standen uns pro Schülerin und Woche zur Verfügung. Das reichte kaum und die Lehrerin erkundigte sich nach Gratisgemüse aus den Gärten. Ich durfte grosszügig sein, wir hatten reichlich. Ich lernte vieles und durfte es tagsdarauf für die Familie nachkochen. Die Gemüsesalate wie Bohnen-, Sellerie- und Gurkensaltat oder Rüben-, Erbsen, Tomaten- und Randensalat, die waren neu für mich und die mochten wir alle sehr. Praktisch war, dass wir lernten, aus Essig, Öl, Senf und Milch einen Liter Salatsauce auf Vorrat zuzubereiten. Hinter Sachen, die mich freuten, lauerten leider neue Verpflichtungen. Das interessierte mich nicht mehr. Ich schaffte es ohnehin nicht, alle Aufgaben zu erfüllen. - Ich fühlte mich vom Rest der Welt abgehängt. Die Minuten und Stunden flossen wie Wasser dahin und schwemmten mangelhaft erfüllte Pflichten weg. Tag um Tag, und um Stunde um Stunde, immer hatte jemand einen Grund, mich zu ermahnen: Die Hausaufgaben für die Schule waren wieder nicht fertig, im Laden neben der Kirche hatte ich wieder nicht alles eingekauft, wieder war ich Bett verschwunden ohne das Geschirr abzutrocknen. Ich liess mich im Strom der Zeit treiben. Ich, die Nichtschwimmerin "schwamm" und ich genoss dieses Schwimmen sogar, bis meine Mitschüler von der Berufswahl zu sprechen begannen. Dann horchte ich auf. Wo waren meine Pläne geblieben? Was konnte ich tun? Ich wollte nicht zuhause eine Arbeitskraft werden. Ich begann mich täglich mehrmals zu wecken, indem ich an eine eisklate Dusche dachte.

Meine Lesenden,  wie waren diese Jahre für Sie ganz allgemein, unabhängig von der Schule? Was hatten Sie für besondere Erlebnisse? Mit was für Hindernissen kämpften Sie?

2018, Juni, eine Momentaufnahme: Ihr Ehemann meldete, Roger Federer sei wieder Nummer 1 und an der Fussball-Weltmeisterschaft in Russland hätten sich Island Argentinien untenschieden getrennt. Sie dachte auch an die 70 Mio Flüchtliche, unzählige gefolterte Gefangenen und an das per Abstimmung genehmigte Luxusgefängnis für unsere Stadt..

Welche Erinnerungen hast du an deinen ersten Schultag in der Sekundarschule ?
Seite 6
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Welche Erinnerungen hast du an deinen ersten Schultag in der Sekundarschule ?
MML: Welche Erwartungen hattest du im Vorfeld?
Ich wollte mich freuen, ich wollte vergessen, wie schwer mir die Schule fiel. Das gelang mir jeden Abend und jede Nacht. Ich schlief glücklich und tief. Am Morgen holten mich meine Sorgen wieder ein. Doch, wie dem auch sei: "Ich werde mein bestes tun." Wir wussten, der junge neue Lehrer wird unser Klassenlehrer sein, und wir hatten am Dienstag nach Ostern kurz vor sieben Uhr im Gang im dritten Stock einzutreffen.
Um Viertel nach sechs drückte mich Mama kurz und wünschte mir alles gute. Grössi, die Kleinen, Papa und der Lehrling, alle winkten. Voller Freude winkte ich vom Strassenrand zurück, ich werde mein bestes tun. Die leere Mappe auf den Gepäckträger gespannt, fuhr ich dann los: Die bekannten Kurven durchs Dörfchen, dann neben den beiden hohen Pappeln hinunter. Ich folgte weiter der Asphaltstrasse, zwischen Feldern und Wiesen immer leicht bergab bis zum Anstieg in den Kurven neben dem Feuerwehrlokal im grossen Dorf mit unserer Kirche. Dann gerade aus zum Dorfplatz, weiter an einer Bäckerei vorbei bis zur breiten Einfahrt auf den Schulhausplatz. Es schien mir eine lange Fahrt. Wohl bekannt, doch irgendwie fremd das erste Mal kurz vor sieben Uhr unterwegs.  Links neben der Turnhalle waren die gedeckten Veloständer für die Schüler aus den kleinen Dörfern und von den umliegenden Höfen. Dort zeigte uns der Schulabwart, wie wir die Lenkstangen einhängen und das Fahrrad nach hinten schieben konnten. Ich war früh und der Abwart begrüsste mich freundlich. Er reichte mir die Mappe und wünschte mir einen guten Anfang: "Keine Sorge, ich bin um elf Uhr da, und zeige euch, wie ihr die Velos aushängt." Mehr und mehr Kinder trafen ein. Wahrscheinlich wollten alle, wie ich ihr bestes tun. Ich überquerte den riesigen Pausenplatz. Die Haupttreppe und der dritte Stock waren mein Ziel. Unten an der Treppe standen schon viele Kinder. Sie liessen mich nicht durch. "Was willst du? Du musst warten wie wir!" schimpften sie unfreundlich und schoben mich nach hinten. Das begann ja gut. Nun, der Klang einer schrillen Glocke. Alle stürmten zur Treppe. Hastig drehte ich mich, zum Glück konnte ich das Treppengeländer fassen, ich wäre fast hingefallen. Es machte den grossen Buben sichtlich Freude, mich auf die Seite zu stossen. Nach dem ersten Gedränge konnte ich ruhig die Aussentreppe hinauf, zur Eingangstüre, durch die Eingangshalle zur breiten Treppe, die mich hinauf in den dritten Stock führte. 
Ein unscheinbarer älterer Lehrer begrüsste die Schüler vor dem linken Schulzimmer und liess sie eintreten. Ich durchquerte die Vorhalle und stand bei den Fenstern. Unten lag der grosse Kiessplatz und daneben die Spielwiese, weiter hinten die Turngeräte. Ich drehte mich: Links die Toiletten, davor ein Lavabo, dann ein Schulzimmer und irgendso ein kleiner Raum. Rechts das Nähschulzimmer, nochmals ein Schulzimmer und an der Gegenseite das Treppenhaus, nach einer Schranke eine Holztreppe nach oben, daneben die Steintreppe nach unten. Nun öffnete sich das Schulzimmer rechts auch und ein junger Mann winkte uns freundlich zu: "Sucht euch einen Platz, die Mädchen in den beiden Reihen links, die Knaben rechts." An der Wandtafel stand sein Name. "Ihr wisst ja, ich bin der Sohn der Gemeindeschreibers. Als erstes trage eure Namen in den Klassenspiegel ein. Bitte merkt euch eure Plätze und setzt euch immer an den selben Ort." Auf dem Weg in die erste Pause durften wir den Klassenspiegel anschauen.
Die zweite Hälfte des Morgens verbrachten wir im Zimmer links. Beim Eintreten fiel mein Blick auf den Kirchturm mit der grossen Uhr. Der unscheinbare Lehrer erstellte auch einen Klassenspiegel. Mir wurde die Zeit lange und ich drehte mich um. Ich soll dies wieder und wieder getan haben, jedenfalls war der Unscheinbare bald aufgebracht und drohnte mir an, mich nach Hause zu schicken. "Entschuldigung, ich will mein bestes tun," sagte ich leise und legte den Kopf auf die verschränkten Arme auf den Pultdeckel. Auch das passte nicht. Gott sei dank, schaffte ich es, nicht zu weinen.
Wie waren Ihre ersten Tag in der Oberstufe? Was bereitete Ihnen Spass, was war besonders schwierig?
Wie ging es dann weiter? Singunterricht
Seite 7
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie ging es dann weiter? Singunterricht
Am zweiten Tag hatten die erste bis dritte Sekundarklasse im Parterrezimmer links gemeinsam Singen. Alle freuten sich. Der Singlehrer, er unterrichtete die siebente und achte Klasse, hatte einen guten Ruf. "Nun will der Lenz uns grüssen, von Mittag weht es lau ... " singend und dirigierend betrat er das Zimmer. Er hielt inne: "Das tönt nicht gerade überzeugend. Entschuldigung, hier fehlen ja die guten Stimmen der letzten zweiten Sek. Wir haben viele Neue und nicht genügend Stühle. Ihr dürft die Stühle hinten von der Wand holen. Wichtig ist, dass ihr sie am Ende der Stunde wieder zurückstellt. Sonst ärgert sich der Schulhausabwart." Als alle sassen, fuhr er weiter: "Die Kinder jeder Familie gleichen sich. Als Singlehrer kenne ich viele. Ich möchte eure Familiennamen erraten. Nickt, wenn ich recht habe." Er war wirklich gut. Erstaunlicherweise konnte auch ich nicken, aber sogleich schüttelte ich den Kopf. "Nein, nein, ich gehöre zu einer andern Familie," wehrte ich mich. "Ich kenne deine Schwesten und Verwandten, erspare dir die Mühe mit der Prüfung. Ich weiss, dass ihr alle schön singen könnt, doch das genügt nicht." Ich schüttelte den Kopf. Nochmals: "Erspare dir die Mühe mit der Prüfung." Ich schüttelte den Kopf, "Ich spreche mit deinem Lehrer und alles kommt in Ordnung." Ich schüttelte den Kopf. Ich spürte, wie meine Augen zu glänzen begannen. Beim Hinausgehen sagte ich nochmals: "Ich komme aus einer andern Familie. Ich falle nicht durch die Prüfung.""Mach, was du nicht lassen kann. Du bist auch in vier Wochen noch herzlich willkommen bei mir." Er schaute, dass wir alle Stühle ordentlich zurückstellten und schloss die Türe ab.
Wie viele verschiedene Lehrpersonen hattet Ihr, oder hattet Ihr wie ich einfach Lehrer? Wie war das mit der Genderfrage?

 
Ja, wie ging es weiter? Die ersten Prüfungen.
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Ja, wie ging es weiter? Die ersten Prüfungen.
Wir bekamen einen Stundenplan und viele dicke Bücher. Bereits in der ersten Woche hatten wir eine Sprach- und eine Rechnungsprüfung. Alle Plätze waren besetzt, wir waren 32 Schüler. Welch ein Glück, 16 Knaben und 16 Mädchen. So gab es kein Gerangel. Die Frage, welches Mädchen und welcher Knabe das Pult teilen sollten, stellte sich nicht. Ich sass neben meiner entfernten Verwandten, die Gilberte de Courgenay singen konnte und in der Reihe daneben die beiden "Unzertrennlichen". Wir hatten keine Zeit, uns gegenseitig kennen zu lernen. Mama und Papa meinten, das komme schon mit der Zeit. Der junge Klassenlehrer verwies mich auf seine eigene Lage, auch er versuche uns nun kennenzulernen, das komme mit der Zeit. Nach den Prüfungen und nach der Probezeit werde es besser. Einzig der Pfarrer verstand meine Unsicherheit ein wenig. Er stellte sich vor und erzählte aus seinem Leben. Ich war glücklich. Ich liebte den alten Mann wie vorher den alten Primarlehrer. Er schrieb keinen Klassenspiegel, sondern prägte sich unsere Namen ein. Er bat eines nach dem andern kurz aufzustehen und Vor-, Nachname und Adresse zu sagen. Dann fragte er nach den Geschwistern, den Eltern und Grosselten. Er kannte die meisten Leute, denn er war seit Jahren  Dorfpfarrer. Er taufte, konfirmierete, traute, taufte wieder und beerdigte. Er tauchte an allen Veranstaltungen auf und hatte immer ein offenes Ohr. Zu mir sagte er, deine Eltern habe ich mitten im Krieg getraut, dich habe ich kurz vor dem Waffenstillstand getauft und deinen Grossvater 1950 beerdigt. Ich war glücklich. Er fragte auch nach Mama. "Trage sorge zu dir!" wiederholten seine Augen, als sie die meinen trafen. Dann wandte er sich an das nächste Kind. Er schloss die Stunde mit einem kurzen Segenswort.
Jede der einzelnen Prüfungen wurde im ganzen Kanton in allen Schulhäusern am gleichen Tag zur gleichen Zeit durchgeführt. Alle Sekundarlehrer waren instruiert worden und die Aufgabenblätter wurden ihnen am Tag vor der Prüfung per Post zugestellt. Das Erziehungsdepartement wollte die immer wieder auftauchenden Gerüchte von Vetternwirtschaft im voraus vermeiden. Parallel fand der übliche Unterricht statt. Bevor die Prüfung begann, hatten wir alles Schulmaterial ausser dem Federhalter mit Feder und einem sauberen Fliesblatt in der Mappe zu versorgen und diese in der Eingangshalle zu deponieren. Zunächst verteilte uns der Lehrer leere Blätter. Oben links hatten wir unseren Namen, die Ortschaft und das Datum zu schreiben. Dann waren unsere Stühle kolonnenweise, stramm hinter einander in die linke oder in die rechte Bankhälte zu schieben. Damit sollte vermieden werden, dass sich die beiden Schüler, die das Pult teilten, gegenseitig stiessen oder behinderten. Stand der Lehrer vor der Klasse, so erhielten aus der Sicht des Lehrers alle Schüler in der linken Kolonne die Blätter "A" und diejenigen in der rechten Kolonne die Blätter "B". Nun schaute der Lehrer auf die Uhr. "Warten wir noch ein wenig. Wenn es soweit ist, geb ich das Kommando: Achtung, fertig und dann "los". Auf los dürft ihr die Prüfungsblätter drehen und mit der Lösung beginnen. Ich wünsche euch bereits jetzt guten Erfolg. Achtung ... fertig - die Spannung wuchs - los." Hastig drehten wir die Blätter. Zum Glück hatten wir versenkte Tintenfässchen.  Zunächst war es ganz ruhig, dann begann emsiges Arbeiten. Fünfzig Minuten standen uns zur Verfügung. Ich atmete ruhig, bemühte mich sorgfältig zu lesen, überlegte und schrieb. Wie lautete die Frage? Was war bekannt? Ich notierte die Lösung übersichtlich. All das hatte Papa mir erklärt. Ich dachte an Papa, und warum eigentlich nicht an den Lehrer? Ich schweifte ab. Ich schweifte immer wieder ab und kam doch gut vorwärts. Ich war rechtzeitig fertig und konnte den Federhalter weglegen, als der Lehrer uns aufforderte, die Arbeit abzuschliessen.
Meine Lesenden, wie ging das mit Ihrem Übertritt? Prüfunfsfrei oder eine Mischung zwischen Erfahrungsnoten und Prüfungsresultat?
Wie ging es weiter? Es gab viel ungewohntes.
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie ging es weiter? Es gab viel ungewohntes.
Ich wollte mein bestes tun. - Ich sass am Stubentisch und schaute all die vielen dicken Bücher an, die uns die beiden Lehrer in der ersten Woche verteilt hatten, und die über das Wochenende mit Packpapier einzubinden waren. Es war schon Sonntagabend. Sekundarschüler täten dies selbständig, hatte der junge Klassenlehrer so nebenbei bemerkt. Ich wollte mein bestes tun, aber ich schaffte es nur mit Mamas Hilfe. Sie schob meine Bedenken beiseite: "Den andern hilft auch jemand, vielleicht macht es die Grossmutter. Ich bin froh, dass du am Samstagnachmittag beim Stecken der Kartoffeln geholfen hast. Heute Morgen warst du zudem das erste Mal in der Kinderlehre. Jeden Tag, manchmal sogar zwei Mal mit dem Fahrrad zur Schule und zurück, das ist viel. Du musst dich erst an all das Neue gewöhnen!" Mamas Verständnis tat mir wohl. Ich war müde und verschwand nach dem Nachtessen im Bett. Ich wollte mein bestes tun. Ich träumte vom blauen Buch mit den beiden Reitern. Geschichte stand darauf.
Einschub 1: Im Dezember 2017 hatte ich genau jenes Buch in der Zentralbibliothek in Zürich ausgeliehen. Die Recherchenhilfe hatte mir die Signatur auf ein Blatt geschrieben und mich angewissen: "FN 7422", mit dem gläseren Lift fahren sie ins dritte Untergeschoss." Den Plan neben dem Lift entdeckte ich sofort und mit etwas Einsatz fand ich "FN 7422". Ich öffnete das Buch und erkannte den Druck. Es sah ganz anders aus, als erwartet. Natürlich der braune Packpapaiereinband fehlte: WELT- UND SCHWEIZERGESCHICHTE, Zweite Auflage 1956. Verbindliches Lehrmittel für die Sekundasschulen des Kantons Zürich. Auf der Innenseite des Frotdeckels auf dem Benützerverzeichnis standen vier Namen. Zwei Zeilen waren nach frei. Dann folgte ein kleingedruckter Text, den sie nie gelesen hatte.
Ich erinnerte mich an den Dreissigjährigen Krieg, 1618-1648. Den hatte ich damals, entsprechend meinen eigenen Vorstellungen, sorgfältig gelernt. Ich mussten den Text selbständig lesen und mir einprägen. Der Lehrer gab uns zwei Wochen Zeit, wir hatten keine weiteren Hausaufgaben im Fach Geschichte. Nach der ersten Woche konnten wir Fragen stellen. In meiner Erinnerung war der Text sehr, sehr lange. Hastig suchte ich im Inhaltsverzeichnis: Neuzeit, B. Reformation und Gegenreformation, III. Der Dreissigjährig Krieg, 1618-1648, Seite 225-232. Nur sieben Seiten. Ich wunderte mich. Ich lachte, ich hatte vergessen, dass ich später z.B. als junge Lehrerin immer wieder überrascht feststellte, wie sich mein Lesetempo steigerte. Ich konnte meinen kleinen Schülern sogar unvorbereitet eine zusätzliche Seite vorlesen. Waren die Kinder weg, las ich weiter und weiter. Ja, all das hatte ich vergessen. Damals als Sekundarschülerin hatte ich es nicht geschafft, das Buch auch nur einmal in Musse durchzublättern. Einschub 1 Ende.
Einschub 2: 2017 30. Dezember: Vor dem Frückstück hatte ich die Seiten 225-232 gelesen. Ich konnte mich gut erinnern. Für die Geographie war jedem Schüler ein Atlas zugeteilt worden und darin hatte ich mit Papa die Städte und Länder gesucht, die im Text zum Dreisssigjährigen Krieg erwähnt wurden. Einschub 2 Ende.
Einschub 3:Herbst 2018: Der Söldner Peter Hagendorf (ca. 1602 - 1679) hinterließ ein umfangreiches Tagebuch, das als einziges Zeugnis des Söldnerlebens im Dreißigjährigen Krieg gilt. In Wikipedia kann einiges zu diesem Tagebuch nachgelesen werden. Wir sahen dessen Verfilmung am Fernsehen. Einschub 3 Ende.
Den Stundenplan hatten wir mit Reissnäglen an die Innenseite der kleinen, oberen, linken Buffettüre befestigt und die Bücher durfte ich ins offene Zwischenfach legen. Alle hatten wir sorgfältig mit dem gleichen Packpapier eingebunden. Papa hatte zwei Rollen davon gekauft, denn er wollte nicht, dass wir gebrauchtes Papier nahmen. Dann begann die zweite Woche. Mir war schwindlig.
Geschichte? Meine Lesenden, was lernten Ihre Kinder oder was hatte Ihre Mutter im Geschichtsunterricht gelernt? Wissen sie etwas davon?
Wie ging es weiter? Ich wurde krank.
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Wie ging es weiter? Ich wurde krank.
Ich wurde krank. Es war bereits warm, und doch hätte ich gerne für die Fahrt in die Schule am Morgen die Jacke oder gar den Regenmantel angezogen. Richtig, niemand trug eine Jacke. Doch war das ein Grund, um zu frieren? "Lasst mich doch, sonst werde ich krank," der Familientisch war dagegen. Ich wollte mein bestes geben, deshalb fuhr ich wie die andern in kurzen Ärmeln. Mir war schwindlig - und - ich wurde krank. Ich schaffte es noch bis in die Schule. Die beiden ersten Stunden gingen vorbei. In der Pause versteckte ich mich in der Toilette. Dann kam die französisch Stunde. Mir wurde schwindlig. Ich legte den Kopf auf das Pult und der Lehrer schickte mich deshalb heim. "Einpacken. Verschwinde. Ich habe dir das verboten ... ," ich hörte seine Stimme nur noch aus der Ferne und schwankte aus dem Zimmer. Ich schlich durch das Treppenhaus nach unten zum Veloständer. War das mein bestes?
Daheim legte ich mich ins Bett. Mama erschrak. Ich mochte nichts essen. Alle kamen vorbei und wünschten mir gute Besserung. Selbst Grössi war enttäuscht. Ich dachte an ihre Prophezeiung: "Mädchen, wenn du in die Sekundarschule gehst, wirst du krank." Ich atmete tief durch. Ich weinte nicht. Ich staunte, dass ich nicht weinte. Folglich war ich eine Sekundarschülerin, hatte doch der Primarlehrer zu mir gesagt, Sekundarschülerinnen weinen nicht. Ich legte das französisch Buch neben mich auf das Kissen und schlief ein. Am Abend bekam ich einen grossen Teller Birchermüesli. Papa verzichtete auf seine Portion und begnügte sich mit Kaffee-Mocken, denn die Käse war ausgegangen. 
Mama rief im Schulhaus an. Am nächsten Morgen weckte sie mich nicht. Es war schön, im warmen Bett zu liegen. Wieder kamen alle vorbei und wünschten mir gute Besserung. Die Eltern waren besorgt wegen der Prüfung, deshalb ging Mama einen Tag später vor sieben Uhr in der Sekundarschule vorbei. Zufällig traf sie unterwegs die Nähschullehrerin und die beiden Frau betraten plaudernd das Schulhaus. Am Mittagstisch erzählte Mama von ihrem Glück: "Selbstverständlich hat mich die Nähschullehrerin dem neuen Sekundarlehrer vorgestellt." Die beiden hätten gelacht, das könne passieren. Ich solle mich gut erholen, und dann könne ich die Prüfungen nachholen. Dem Lehrer gefalle es gut in seiner Heimatgemeinde. Dann zerstreute Mama meine Zweifel und Sorgen: "Die beiden sind sicher, dass du die Prüfung bestehest."
Wie ging es weiter? Französisch Unterricht
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie ging es weiter? Französisch Unterricht
"Ihr habt den Hösli wie wir damals. Lass mich darin blätteren. Ja, es ist das selbe Buch. Lektion 1: La clef, la plume, ... " mama lachte, "würdest du noch schnell die Geranien giessen und Scheiter holen? Ich schaue das Buch heute Abend an. Hier ist die Giesskanne." "Mama, 15 Wörter muss ich lernen." "Gehe, du hast noch den ganzen Abend Zeit". Ich war müde. Wie sollte ich da mein bestes geben können? Wie ging es meinen Kameradinnen? Warum fanden sie Französisch leicht? Erstaunlich, wie sie die Wörter gut konnten? Warum schaffte ich das nicht? Mama verstand meine Schwierigkeiten nicht. Die Geranien und den Garten giessen, Scheiter holen und noch schnell die Wäsche abhängen. Wie sollte ich da noch mein bestes geben können? 
 
"ÉLÉMENTS DE LANGUE FRANÇAISE" obligatorisches Lehrmittel für die Sekundarschulen des Kantons Zürichs, bearbeitet von Hans Hoesli, ELFTE AUFLAGE, Zürich 1947 - Verlag der Erziehungsdirektion, zu beziehen beim kantonalen Lehrmittelverlag" ich sah viele Buchstaben. Ich wollte das Buch gar nicht aufmachen. Ich konnte es nicht aufmachen. Durch meine Krankheit hatte ich den Anschluss verpasst. Der unscheinbare Lehrer teilte dies meiner Mutter per Telefon mit: "Nein, nein, sie braucht keine Nachhilfestunden. Ich war vor zwanig Jahren in Genf. Non, non ce n'est pas nécessaire." Ich hatte mitgehört. Mama nahm mich in den Arm. Ich schüttelte den Kopf und flüsterte: "Bitte, bitte, Nachhilfestunden von jemandem fremden, bitte." "Non, non. Merci monsieur," der Hörer wurde aufgelegt. Mama verlangte das französisch Buch, schrieb die Wörter von Leçon ein auf einen alten Briefumschlag und steckte diesen in die Tasche der Arbeitsschürze: "Mache du das auch so, und wir lernen die Wörter bei der Arbeit, beim Essen, immer und immer." Das schafften wir locker. Ich konnte die einzelnen Wörter, aber es genügte doch nicht. Ich sollte die Wöter lesen, schreiben und in Lückentexte einsetzten können. Ich hatte Angst. Ich wusste: Nur gute und viele Nachhilfestunden bei einem andern Lehrer würden mir helfen. Ich wäre bereit gewesen, diese mit Geld von meinem Sparbüchlein zu bezahlen. Die Eltern wollten das nicht, denn selbst der unscheinbare Lehrer war überzeugt, dass ich es mit Hilfe meiner Mutter schaffen würde. Das Resultat: Eine knapp genügende Note.

2018 überflog sie das von Dr. Hans Hoesli im Frühjahr 1935 in Zürich verfasste Vorwort. Ich konnte es nicht lassen, den Anfang des letzten Abschnittes des Vorwortes abzuschreiben: "So sucht die Organisation unseres Unterrichtsverfahrens von Anfang an nicht nur dem Unterrichtsgegenstand, der Fremdsprache, gerecht zu werden, sondern auch, dem Wesen der neuen Schule entsprechend, auf dem unmittelbaren Erleben sinnlicher oder geistiger Natur aufzubauen. "Unser Erlebnisunterricht nimmt die kleinen Begebenheiten, die das Leben des Schülers ausmachen, zum Ausgangspunkt seines Wirkens. Die Lebensnähe unseres Unterrichts stellt den Schüler vor Konkreta, an denen er seine Kraft erproben soll, eine Grundbedingung für einen produktiven, nicht bloss rezeptiven Sprachunterricht." Das Vorwort schliesst mit den Worten: "Möge die Erlernung unserer zweiten Landessprache an unseren Sekundarschulen, der Bildungsstätte der Elite unseres werktätigen Volkes, durch die Neubearbeitung der vor mehr als 25 Jahren entstandenen "Eléments" neue Förderung erfahren, damit sich Ost und West unseres vielsprachigen Landes immer besser verstehen lernen." Noch etwas Bemerkenwertes, etwas Erstaunliches: "Die von Prof. Thudichum, Genf gesprochenen Schallplatten wurden 1935 durch die Fachpresse  als "das modernste und lautlich beste Plattenwerk, das zur Zeit existiert" gelobt.
1935 ... meine Lesenden, was wissen Sie aus jenen Jahren? Was haben Sie von den Grosseltern oder Eltern gehört? Sie sind Jahrzehnte später geboren? Sie haben ein Smartphon in den Händen und leben in der globalisieerten Welt. Im Inernet finden Sie alles. Los, googeln Sie einmal 1935, Deutschland! Hier französisch, dort Hitler.


Was erzählte die Mutter vom französich Unterricht nach Hoesli? Lernen ist anstrengend!
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Was erzählte die Mutter vom französich Unterricht nach Hoesli? Lernen ist anstrengend!
Vieles, vieles hatte sie mir erzählt. Wir hatten ja Zeit bei der Feldarbeit. Sie erklärte mir, Lernen sei anstrengend, doch nach drei Jahren Sekundarschule könnten begabte, interessierte Schüler ganz passabel französisch sprechen. Sie erwähnte immer wieder die Geschicht von den Mohrenköpfen, "les choux à la crème" (= gemäss Übersetzung im Hoesli Rahmpastetchen). Wir hatten diese in meinem Buch auch gefunden. Mama lass sie wieder und ich schaute das wunderbare Bild an: Der Mond schaute rund und schön durchs Fenster. Er wusste, was der Knabe getan hatte. - Das Nachthemdchen des Knaben, der sich einen Mohrenkopf nach dem andern genehmigt und sich schliesslich des letzten erbramt hatte, war in der Schranktüre eingeklemmt. Der Knabe zerrte, ich hörte ihn schreien. Er hatte die ganze Familie geweckt. Mit einer Kerze in der Hand tauchten sie, der Vater zu vorderst und dahinter alle Familienmitglieder im Türrahmen auf. Einschübchen: 2018 machte sie eine Realitätsüberprüfung: Die quadratische, weiss-schwarze Skizze hatte eine Seitenlängs von 5.2 Centimertern. Sie schmunzelte. Auf der gegenüberliegenden Seite eine weitere selbstsprechende Skizze: 3 auf 3 Centimeter, ein Kellner erklärt seinem Gast die Menukarte. Und nun noch eine Eslesbrücke "Poisson sans boisson est poison"  und ein Rätsel "Quand les petits poissons sont-ils les meilleurs?" Lösung, wenn es keine grossen Fische gibt. Meine Lesenden haben Sie sich auch schon derart getäuscht wie ich?
Nochmals 2018: Nun können meine Lesenden noch die französisch Kenntnisse auffrischen, falls sie Sich nicht entschlossen hatten, alle Bezüge zur aktuellen Zeit zu überspringen. Den Sprachkenntnissen der Schreiberin tat dies jedenfalls gut. So tippte sie:
Les chous à la crème Lektions 71, Seite 138
Il est tard, tout le monde est couché. Mais Poum ne peut pas dormir. Il songe aux choux à la crème. Il en a vu six dans le buffet de la salle à manger. ... Et la crème est si parfumés! Poum se lève, ouvre la porte doucement et descend l'escalier. Il a bien un peu peur parce qu'il fait nuit. Mais les choux à la crème sont là-bas. Ils l'attendent. ... Voilà le buffet ... les choux y sont. ... Il les touche. Dieu! Quelle odeur! Ils doivent être délicieux. Il peut bien en manger un, un seul, le plus petit. Et Paum mange le plus gros des choux à la créme. Il n'a même pas eu le temps de le goûter. Poum l'a avalé trop vite. Il prend un autre, puis un autre, puis un autre. ... Il n'en reste plus qu'un, le sixième: il est si petit.  C'est le dernier, un orphelin. ... Pitié pour lui, Poum! ... Il a mangé tous les choux.
A ce moment, un bruit se fait entendre. Poum a peur d'ètre surpris. Il veut fuir. Mais la porte du buffet s'est fermée doucement et a pincé la longue chemise flottante. Poum se croit retenu par une grosse main. Il pousse des hurlement terribles. Toute la maison s'éveille. On accourt avec des lumières: Papa, maman, toute la famille. Devant tous, Poum est là, près de l'assiette de choux à la crème vide, hélas!
- Quelle honte! (Disque Columbia DZ 29). Nun aber genug des Französisch!
2018 hatte ich den Hoesli einem Maturanden gezeigt und der staunte: "So ein Buch fehlt uns heute. Soviele Informatonen auf einer Seite, da werden ja die Lehrer arbeitslos. Lernen ist anstrengend! Was nützen viele Bilder? Was nützen viele Freiräume? Was nützen viele Bücher, wenn eines genügt? Lernen bleibt anstrengen! - Lernen ist anstrengen!"
Meine Lesend, welche Erfahrungen machten Sie mit Fremdsprachen?
Wie ging es weiter? Eine Deutschstunde
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie ging es weiter? Eine Deutschstunde
Zehn Wortarten hatten wir in der Primarschule gelernt. Die konnte ich husch husch aufzählen. Hauptwort, Geschlechtswort, Eigenschaftswort, Fürwörter, Umstandswörter, Tätigkeitswörter, Mittelwörter , Zahlwörter, Ausrufe, Bindewörter. Doch dann begann es ja erst: Hauptwort, Einzahl, Mehrzahl, verkleinert, zusammengesetzt, Wer-,  Wes-, Wem-, Wenfall,... und zum Eigenschaftswort oder zum Tätigkeitswort ganz andere Rattenschwänze. Sätze zu bestimmen machte mir Spass, aber es nahm viel Zeit. Weiter gab es nach etwas ganz anderes, das hatte auch mit Wörtern zu tun. Ich konnte das nur erklären, indem ich es tat: "Die Frau = Satzgegenstand, flickt = Satzaussage, am Abend = Umstandwort der Zeit, alte = Beschreibung, Socken = Ergänzung im Wenfall." "Das sind die Satz??," der Lehrer holte ein Stück einer Kette hervor und fasste diese an einem Glied. Er fragte nochamls: "Das sind die Satzg... ??" Viele Stimmen flüsterten: "Das ist eine Satzkette." "Nein, nein, hört genau zu, das sind die ... Satzglieder." Wie war ich jeweils über mich selber verärgert, wenn ich es wieder nicht wusste!
Nun vorwärts in die Zeit der Sekundarschulprüfung. An eine meiner seltenen Glanzleistung erinnerte mich immer wieder. An der Wandtafel standen zwei Wortgruppen: "das rote Haus" und "das Haus ist rot"? Die Frage lautete: Was ist er Unterschied zwischen den beiden Zeilen. Wir waren uns einig, die Rede war immer von einem "roten Haus". Der unscheinbar Lehrer wiederholte sein Frage ruhig und freundlich. Mein Hinweis: "Ein Buchstabe, das "e" unterscheidet die beiden Wortgruppen," löste Gelächter aus, doch der Lehrer schien angetan, und ich fuhr ich weiter: "Das eine Mal gehört es zum Satzgegenstand und bildet einen Satzanfang. Das zweite Beispiel ist ein kurzer vollständiger Satz, das Eigenschaftswort "rot" ist es Teil der Satzaussage." Der Unscheinbare war erstaunt, zögerte - und stellte trocken fest: "Prüfung bestanden". Umformuliert für die Sekundarschule hiess es dann: Das Adjektiv "rot" kann in attributiver oder prädikativer Stellung stehen." Der Lehrer schrieb den Satz auf die Wandtafel und wir lasen ihn im Chor. Dann sollte ich den Satz allein lesen. Ich schaffte es nicht. Er quälte mich mit dem Lesen und Sprechen dieser beiden Fremdwörter, bis sich mein Kopf wieder auf den Pultdeckel legen wollte. Schnell fasste ich die Ohren und stützte die Ellbogen auf. Ob der Lehrer verstanden hatte? Zum Glück lasen andere Schüler den Satz laut und deutlich. Ich war glimpflich davon gekommen.
Meine Lesenden, woran erinnern Sie Sich, wenn Sie das Wort "Grammatik" hören?
Das Deutsche Sprachbuch für Sekundarschulen, einst und jetzt. Kann man diese vergleichen?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Das Deutsche Sprachbuch für Sekundarschulen, einst und jetzt. Kann man diese vergleichen?
Es war gross und dick und unübersichtlich, doch ich liebte es. Ich zog das Buch, das vom Unscheinbaren "Vögeli" genannt wurde, dem Lesebuch und den Bibliothekbüchern vor. Es diente der Sprachlehre - was immer das auch war - . Ich verstand darin alle Sätze. Kam es hoch, bildeten diese Sätze einen kurzen Text, der von Grössis Welt erzählte. Das freute mich. Las ich einen Sätz mehrmals, füllte er sich mit farbigen Bildern, mit Gefühlen und Gedanken. Das war nicht immer gut, denn ich hatte viel zu erledigen. Leider war es mir nicht möglich, das ganze Buch zu lesen. Manchmal hatte ich immerhin Zeit, das zu bedauern.
Mai 2018: Mit etwas Umtrieb hatte sie es geschaffte, das dicke Buch von damals bei der Zentralbibliothek Zürich auszuleihen. Kaspar Voegeli war der Autor, dritte Auflabe 1952. Ah, in Anlehnung an den Namen des Autors hatte es der Unscheinbare immer "Voegeli" genannt. Sein Exemplar war ohne Hülle. Ich verstand nun. Das Buch in grauer Leine gebunden, war ein gewöhnliches Buch, zirka A5 Format. Es hatte 355 Seiten, wahrlich nicht riesig wie in meinen Erinnerungen. Unübersichtlich? Nein, auf Seite 347 folgte ein detailiertes, sehr übersichtliches Inhaltsverzeichnis.
Ich hatte beobachtet, wie im Laufe der Jahrzehnte die Sprachbücher immer grösser wurden. Deshalb holte ich am 2. Mai auf dem Heimweg nach einer Beerdigung das aktuelle Sprachbuch für das siebente Schuljahr im Didaktikzentrum. Die neue Leiterin half mir, denn es war nicht einfach, im umfangreichen Sortiment "Deutsch" das entsprechende Buch zu finden. Wir entschieden uns für drei wunderbare Bände, Format A4. Alle drei trugen auf dem identisch durchgestylten Cover den Titel "Sprachwelt Deutsch" - Ich machte ein Photo. Ob ich wohl technisch in der Lage war, es hochzustellen? Der dickste der Bände, mit der Spezifikation "Sachbuch" hatte 273 Seiten, davon keine in weiss, alle kunstvoll gestaltet, sieben Autorinnen und Autoren, vier beratend Mitwirkende, eine inhaltliche Projektleitung, eine Projektleitung Verlag, zwei Firmen für die Gestaltung. Erwähnt wurden weiter die ilz interkantonale Lehrmittelzentrale, © 2012 Lehrmittelverlag Zürich, Schulverlag plus AG, nochmals der Lehrmittelverlag Zürich mit einer ISBN und einer Art.-Nr., nochmals die Schulverlag AG mit einer andern ISBN und einer andern Art.-Nr., dann Verweise auf vier Webseiten, und das alles auf Papier aus verantwortungsvollen Quellen. Auf dem ersten Blatt war all das akurat angeführt. Da ich es kaum glauben konnte, schrieb ich es ab und schloss das Buch. Auf der Rückseite des Deckels neben einem Strichcode nochmals die Angaben der Verleger und gut sichtbar der Hinweis "FAIR KOPIEREN! URHEBERRECHT ACHTEN" und ganz klein die Webseite www.fair-kopieren.ch. Ich staunte. Ich schaltete den Computer aus. Ich setzte sich mit den drei Bänden an den Esstisch und begann das dickste der Bücher anzusehen: Undatiert das "Vorwort: Sprachwelt Deutsch - eine Entdeckungsreise durch die Welt der Sprache" Es begann mit - Liebe Leserin, lieber Leser,  ... Wir stellen uns vor, dass du eine Schülerin mit einem Forscher-Gen, ein neugieriger Leser, eine kritische Lehrerin oder ein Buchkäufer mit Flär für die unglaubliche Vielfalt der menschlichen Sprache bist. ... Das Vorwort schliesst mit dem Satz: " Wir hoffen, dass wir etwas von unserer Begeisterung für die Sprache weitergeben können," es folgen sechs Namen. Wir sind von Beruf  Sprachwissenschafterin, Lehrerbildner, Lehrmittelautorin, Real- und Sekundarlehrerin, Unterrichtsfachmann und Verleger. Die einen von uns gleich mehreres davon zugleich." Die liebe Leserin und der liebe Leser werden gedutzt. Das Werk schliesst mit dem Quellenverzeichnis, ca. 322 Text- und Bildquellen werden erwähnt. Mein Mann hatte diese Zahl freundlicheweise berechnet. Ich hätte es nicht erklären können, aber spontan fiel mir das Adjektiv "überkandidelt" ein.
Mit Freude vertiefte ich mich das ganze Wochenende in das Buch "Sprachwelt Deutsch". Ich konnte vergessenes Wissen aus den verschiedensten Sachgebieten auffrischen und stauenen. Nun ein Beipiel für meine späteren Lesenden. Im Abschnitt SCHREIBEN finden Sie folgende Untertitel: Geschichtlicher Überblick .......  Mein Ziel, mich in Rechtschreibung und Zeichensetzung ein wenig zu verbessern, verlor ich immer wieder aus den Augen. Doch dann nach vier Seiten zum Thema "Dadaismus", kam der Abschnitt "Sprache recht schreiben". Die interessanten Überlegungen dazu schlossen mit vier Seiten  Rechtschreiberegeln und einer Seite zur Zeichensetzung. Die Neuregelung in den 1990er-Jahren hatten mich noch zusätzlich verunsichert. Schreiben wollte und konnte ich nur noch mit dem Computer in einem rechtschreibe gestützten Programm. "Sprachwelt Deutsch" sehr schöne, einladende und fesselnde Bücher für eine pensionierte Frau. Der Einfluss und das Risiko des Faktors Mensch - lies Lehrperson - kann dadurch verringert werden. 

Meine Lesenden, ich lade Sie nun ein, mit mir in die 50er Jahre zurück zutauchen, um das von mir geliebte Sprachbuch endlich etwas genauer anzusehen. Im Vorwort zur dritten Auflage hatte der Autor, Kaspar Voegeli am 15. März 1952 in Zürich u.a. geschrieben (Zitat): "Das in weiten Teilen umgearbeitete Buch ersetzt das 1947 gedruckte Sprachbuch. ... Der Doppelaufgabe des Unterrichts entsprechend, zerfällt es in zwei Teile: Der systematische Teil führt in straff geleiteten Unterrichtsgängen in die sprachlichen Ordnungsbegriffe und Grundgesetze ein. Die funktionelle Auffassung der Wortarten ermöglichte die schon längst gewünschte Angleichung der deutschen, französischen und italienischen Grammatik. ... Der zweite Teil enthält eine praktische Sprachschule. Hier liegt das Hauptgewicht auf den Übungen, die den Aufsatz- und Leseunterricht begleiten. ... Sie sind für den freien, sporadichen Gebrauch bestimmt. ... . Der Verfasser wollte nicht um jeden Preis originell sein, und es ist wohl möglich, dass von andern Geschaffenes sich da und dort widerspiegelt. Wertvolle Anregungen verdankt er der "Neuen Schulpraxis" (Verlag: Kornhausstrasse 28, St. Gallen; Redaktor: Albert Züst, Davos-Platz)."(Ende Zitat) Anschliessend folgt ein zweiseitiges Register der Gramatik (Seiten 17 - 89) ergänzt mit Übungen. Der Rechtschreibelehre - Orthographie sind die Seiten 202- 247 gewidmet. Es folgen Stillehre, Aufsatzlehre und einiges aus der Poetik, und am Ende steht das bereits erwähnte Inhaltsverzeichnis. Illustrationen fehlen. Quellennachweise fehlen. Kopiergeräte gab es noch nicht.
Wie "tönte" das Buch der 50er Jahre?
Seite 15
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie "tönte" das Buch der 50er Jahre?
1957, der Krieg war vorbei. Die Soldaten marschierten und sangen nicht mehr. Am Freitagabend probte der Männerchor und am Dienstag der Töchterchor. Die Gesangsbücher wurden ausgeteilt und der Dirigent bestimmte die Lieder. - "Geordnet, in Reih und Glied stehen sie und singen, und das ist schön so, aber ohne mich," der freche Papa machte sich lustig, wenn es niemand hörte. - Man probte für Weihnachten, Ostern, Pfingsten und den Bettag. Natürlich auch für den ersten August und für andere festliche Anlässe. An diesen Vorführungen nahm das ganze Dorf teil, das gehörte sich. Mitte der 50er Jahre wurde Oesterreich wieder frei, Deutschland begann mit dem Wiederaufbau einer Armee und in Ungarn wurde der Aufstand niedergeschlagen. Die kleinen und die grossen Kinder gingen in die Schule, halfen bei der Feldarbeit und machten Hausaufgaben. Mir war eng. Weite gab mir nur die Sonntagschule - von der Schöpfung der Welt bis zu deren Untergang - und meine Fantasiegeschichten. Das Wirtschaftswunder! Es lag in der Luft. Alle, auch die Kinder und die alten Leute arbeiteten emsig. Mir - war -  eng.
Alle Sekundarschüler hatten das gleiche Sprachbuch. Aus seinen Sätze tönte Dankbarkeit, Angepasstheit und Rechtsschaffenheit. Es lernte uns, was sich gehörte und was sich nicht gehörte. Das war wichtig, denn Welt wollte ja eine besser werden. Gemäss Sprachbuch gehörten Armut und Hunger, Seuchen und Krieg der Vergangenheit an. Stimmte das? Auf entsprechende Fragen stellte der unscheinbare Lehrer fest: "Wir sind zu Beginn des dritten Abschnittes." Er sagte mir damit indirekt: "Bleib bei der Sache! Schweife nicht ab. Bitte, keine unpassenden Fragen!" Ruth las: "Über dem Dorfe liegt starr und kalt die Lawine. Hoch türmen sich die hartgepressten Schneemassen." Sucht die Verben und bestimmt Zahl, Person und Zeit! lautete der Titel der Übung 32, Seite 115. Wurde der Text vorgelesen, so fielen mir solche Übungen leicht. Die Nachrichtensendung von Radio Beomünster blieben Teil des Mittagessens. Was tun mit entsprechende Fragen? Ich war allein, enttäuscht und verärgert. Als ich den Primarlehrer einmal ansprach und fragte, hatte er mir erklärt: "Ich bin pensionniert," und schritt schneidig weiter.
Alles war auf Wohlanständigkeit und Lebenstüchtigkeit und Wohlstand ausgerichtet! Wie konnte ich das 2018 der Nachwelt veranschaulichen? - Wie? - Im Sprachbuch wurden siebzehn Texte als Diktate vorgeschlagen. Ich entschloss mich, die beiden ersten als Beispiele abzutippen. Sie gaben etwas vom Geist der 50er Jahre wieder.
1. Vom Fuchs und vom Hahn
a, ah, ä, äh
Ein hungriger Fuch kam an einen Hühnerhof und spähte vergebens nach einer Gelegenheit, sich aus der Hühnerschar einen Braten zu verschaffen. Da entdeckte er auf dem nahen Hag einen Hahn und dachte: Das gibt ein willkommenes Mahl. "Guten Tag, Herr Hahn", rief er ihm zu, "war nicht dein Vater der beste Sänger im Tal? Das Schicksal schenkte gewiss auch dir die Gabe des Gesangs!" Vom Wahn geblendet, krähte der stolze Hahn. Der Fuchs sprang, packte ihn und trug ihn in den nahen Wald. Als das der Bauer gewahr wurde, schrie er: "Der Fuchs trägt unseren Hahn!" Da der Hahn das hörte, sprach er zum Räuber: "Sage ihm doch: Ich trage meinen Hahn, nicht den euren!" Der Fuchs tat, wie ihm der Hahn geraten, und liess die Beute aus dem Maul. Der Hahn sprang auf den nächsten Hag und rief: "Das lügst du, Fuchs, ich gehöre dem Bauern und nicht dir!" Der Fuchs sah, dass ihm der Braten entgangen war, und floh voll Scham in den Wald.
2. Ehret die Mutter
Die Dehnung
Eine arme Witwe hatte einen tüchtigen Sohn. Sie wehrte sich tapfer und ruhte nicht, bis sein Studium beendet war. Ihre Aufopferung wurde belohnt. Ein gütiges Schiksal bescherte ihrem Sohn eine glänzende Laufbahn. Er wurde ein gesuchter Arzt und verkehrte viel in vornehmer Gesllschaft.
Eines Tages lud er Gäste zu einem Gastmahl ein. Dabei gewahrte eine Dame einige seltsame Dinge. Unter einem Spiegel mit kostbarem Rahmen hing eine Rute, und daneben stand ein alter Lehnstuhl mit hoher Lehne. Der Hausherr gewahrte den scheelen Blick der vornehmen Dame und sprach: "Mit dieser Rute züchtigte mich meine Mutter, wenn ich faul war. In diesem Stuhl endete ihr mühseliges Leben. Voll Demut stehe ich Tag für Tag vor diesem Denkmal der Liebe. Ein Tor ist, wer seine Mutter nicht ehrt."
Kannst du deine Schulkameraden noch charakterisieren und beschreiben? Erinnerst du dich an die Sitzordnung bzw. wo du jeweils sassest?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Kannst du deine Schulkameraden noch charakterisieren und beschreiben? Erinnerst du dich an die Sitzordnung bzw. wo du jeweils sassest?
MML: Welche waren besonders wichtig für dich?
Während der Primarschulzeit hatte ich eine Freundin vermisst. Mama hatte mich getröstet: "In der Sekundarschule sind die Klassen grösser, da wirst du jemanden finden." Schon am ersten Tag fiel mir ein Mädchen auf. Sie sass in der gleichen Bankreihe wie ich, zu vorderst. Seine Zöpfe waren mit einem schwarzen Band zusammengebunden. Ratlos und verlegen erwähnte ich sein spezielles Band in der Pause. Zwei grosse, überraschte Augen schauten mich an und nach einer Weile sagte der Mund: "Papa ist im Februar gestorben." und eine Weile später: "Danke, dass du fragst." Da - die schrille Glocke! Alle drängten ins Schulzimmer. Am Ende der Stunde, es war die letzte an diesem Tag, packte ich die ungewohnt vielen Bücher in meine neue Mappe. Das Mädchen mit dem schwarzen Band, der Lehrer nannte sie Susi, war verschwunden. Am nächsten Tag, während der grossen Pause teilte Susi ihr Znünibrot mit mir. Hatte ich vielleicht eine Freundin gefunden? Wir hatten wenig gemeinsame Zeit. Susi wohnte in der Gegenrichtung. Ein paar Tage später lud sie mich nach Hause ein, denn sie wollte, dass wir die Hausaufgaben gemeinsam machen. Wollte Susi meine Freundin werden? Wir hatten jeden Tag viele Hausaufgaben und Susis Mutter wünschte und hoffte, dass wir diese regelmässig gemeinsam erledigen könnten. Ich war glücklich, wie in der Zeit als der Grossvater noch lebte. Susi erzählte mir von ihrem Vater und ich erzählte ihr von meinem Grossvater. Einmal gingen wir gemeinsam auf den Friedhof. Auf dem Heimweg beschlossen wir, Freundinnen zu sein.  
Meine Mutter war von Susi nicht angetan. Sie wollte, dass ich mich nach der Schule sofort und zügig auf den Heimweg machte. Ich durfte Susi nicht zum Mittagessen einladen. Sie wollte nicht, dass wir am freien Nachmittag mit Susis Mutter gemeinsam assen und diese anschliessend die Hausaufgaben überwachte. Gelegentlich, wenn es regnete ja, bei schönen Wetter wurde ich daheim gebraucht. Nach der Schule hatte ich einzukaufen, etwas beim Sattler oder Schuhmacher abzugeben und wieder abzuholen. Am Dienstag ging ich zu Susi, selbst wenn Mama beim Mittagessen bereits über viel Arbeit und Kopfweh geklagt hatte. Ich erklärte Susi die Rechnungen und ihre Mutter übte mit mir frazösisch. Das war sehr gut. Warum durfte ich nicht häufiger gehen? Noch vor den Sommerferien zogen Susi und ihre Mutter in die Stadt.
Meine Lesenden haben sich aus ihrer Zeit der Oberstufe noch Freundschaften erhalten? Sind Sie bei Face-Book?
Wie war euer Schulalltag?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie war euer Schulalltag?
MML: Beschreibe z.B. das Schulzimmer
Während den Sommerferien träumte ich oft von der Aufnahmeprüfung und den vier Wochen Probezeit: So wäre Schule schön! Ich musst nur ganz, ganz wenig daheim helfen, und dies nur, wenn ich mich anerbot. Ich durfte in der Stube die Hausaufgaben machen und niemand störte mich. Die Eltern hatten das so bestimmt, und Mama überwachte die Einhaltung dieser Regel. Ich galt als müde, da ich mich erst an die neue Schulstufe zu gewöhnen hatte. Der lange Schulweg, die schwere Mappe, mehrere Lehrer, ein fester Stundenplan, keine Uhr an der Wand,  und ... und die vielen kleinen Pausen. 
Erst nach dem freudigen Ereignis, der gut bestandenen Prüfung begann der richtige Schulalltag. Ich wünschte häufiger mit meiner Freundin Hausaufgeben zu machen. Ich wollte Nachhilfestunden in französisch. Ich verlangte ein neues Badekleid und einen Kork, um schwimmen zu lernen. Wieder etwas mehr helfen ja, aber erst wenn die Hausaufgaben gemacht waren. Die Sommerferien begannen, und ich hatte keines meiner Ziele erreicht. Wieder hiess es zuerst Feld- und Hausarbeit und dann Hausaufgaben. Die Badehose von früher sei noch gross genug, hiess es, aber zu hässlich, stellte ich fest. Die französisch Wörter lernte ich mit Mama nach der alt bewahrten Methode, genannt "Nebenbei", aber das genügte nicht. Meine Freundin war in die Stadt gezogen. Nun durfte ich sie einladen. Nach telefonischer Absprache brachte sie ihr älterer Bruder an einem Sonntagmorgen mit dem Auto. Dies war das Geburtstagsgeschenk des grossen Bruders an die kleine Schwester.  - Ich durfte ihr Haus und Hof zeigen. Wir verweilten lange bei den Kälbchen. Nach dem Mittagessen - wir waren beide Mamas Gäste - spazierten wir durch den Gemüsegarten und schnitten für ihre Mutter einen grossen Blumenstrauss. Auf dem Weg zum Bahnhof zeigte ich ihr einen Teil der Felder. Dann stieg sie in den Zug und fuhr weg. - Ein langer, schöner Tag voller wunderbarer Träume war vorbei.- Später begegneten wir uns noch hie und da in der Stadt. Nach Abschluss der kaufmännischen Lehre heiratete sie ins Welschland und war bald Mutter von Zwiellingen.
Zurück zum Schulalltag. Er gestaltete sich nicht, wie  i c h  wollte. Ich ging unter. An ein vernünftiges Gespräch mit einem der Lehrer war nicht zu denken. Der Singlehrer hatte vollmundig erklärt, in der Schule liesse sich leicht vieles besser organisieren. Doch angesprochen, war er nicht für die Sekundarschule zuständig. Er gebe uns nur singen. Der Unscheinbare, verwies mich an den Klassenlehrer und dieser erklärte freundlich, er unterrichte kein französisch, ich wisse doch, wer dafür zuständig sei. Noch bevor ich etwas sagte konnte, kam vom Unscheinbaren wieder die Antwort: Nein, nein, gehe zum Klassenlehrer. Dann "Grosse Pause", Bücher zu und ab auf den Pausenplatz. Wer verweilte, wurde vom Abwart barsch hinuntergejagt.
Was tun? Beim Radeln träumte ich wieder von Alfi. Ich war sicher, sie war nun daheim bei ihrer Mutter im Hüttendorf. Sie war glücklich und wünschte sich eigene Kinder. Eines Tages, als mich ein kräftiger Rückenwind freundlich zur Schule schob, fasste ich einen kecken Plan: Beide Lehrer gemeinsam ansprechen, damit es kein Ausweichen gab. Der gute Moment liess auf sich warten. Endlich, die beiden Lehrer unterhielten sich im Gang mit der Nähschullehrerin. Ich näherte mich vorsichtig den drei erwachsenen Personen: "Siehst du nicht, wir unterhalten uns?" Ich nickte und wich zurück. Die Nählehrerin kam zur Seite: "Heute Nachmittag ist deine Klasse bei mir. Warte, bis alle gegangen sind, dann habe ich Zeit." Wir kannten uns von früher. Die Mädchen verräumten ihre Sachen und verschwanden. Ich holte den Besen. Die Nählehrerin lachte wohlwollend: "Wie früher! Du schaust verwundert! Ich verstehe, aber ich muss dir sagen, du gehst nicht mehr in die Primarschule, und in diesem Schulhaus herrschen andere Sitten. Du weisst, wo der Besen zu finden ist und schon hast du ihn geholt. Doch das darfst du in diesem Haus nicht. Nur die Lehrer und der Abwart dürfen jenen Raum betreten. Das ist für Schüler verboten. Du darfst gelegentlich mit mir plaudern, weil ich deine Mutter kenne, aber sonst darfst du die Lehrer nicht immer ansprechen." Ich hatte verstanden, trug den Besen an seinen Ort zurück und verschand. Ich hatte seit Ende der Probezeit mit keinem der vielen Lehrer ein die Sache betreffendes Wort gewechselt und das hiess nun "immer". Mein Kopf hatte verstanden. Wo war ich?
Einschub: Meine Lesenden, können Sie erraten, was ich damals wollte ? Warum hatte ich als Sekundarschülerin mit einem Lehrer sprechen wollen? - Das Rätsel löste sich im dritten Jahr. Der Sonderklassenlehrer übernahm vorübergehend die Stellvertretung für einige englisch Stunden. Sein Ziel war, uns zum Sprechen zu bringen. Deshalb stellte er uns in jeder Lektion eine Frage und wir bereiteten gemeinsam einfache Antworten vor. Zu Beginn der kommenden Stunde hatte jeder Schüler spontan eine kurze Antwort auf jene Frage zu geben. Eine Frage lautete: Was wünsche ich mir neues in der Schule? Alles war erlaubt, Bedingung war nur auf  "englisch". Jetzt bekam ich meine Chance. Ich hatte mich mit dem Wörterbuch abgemüht, doch niemand verstand mein Anliegen, meinen Wunsch nach einer Sprechstunde. Ich durfte mein Begehren auf Deutsch erkären: "Beim Arzt gibt es täglich Sprechstunden für alle, in der Schule sollte "eine" Sprechstunde pro Monat für Schüler und Eltern eingeführt werden." Die Mitschüler lachten: "Wir sind doch nicht krank!" "Why not," der Lehrer. Er lobte meinen Wunsch, und brachte mein Anliegen im Lehrerzimmer vor. Eine Woche später erklärte er uns, die Kollegen hätten gelacht, die Schüler könnten doch jederzeit alles fragen. Wir schüttelten beide den Kopf. Der Sonderklassenlehrer trat im Herbst vom Schuldienst zurück und studierte Musik. Wo blieb ich? Einschub Ende.
Zurück zum Schulalltag, in die erste Sek.: Ich ging unter. Ich wusste, dass wir das Schulzimmer während dem Unterricht nicht verlassen durften. In Notfällen hätten wir uns zu melden. Der Lehrer stand Richtung Türe. Tags darauf hastete ich trotzdem unabgemeldet hinaus. Der Lehrer und alle Schüler schrien stopp. Ich hatte es geschafft. Alles blieb sauber. Ich drückte die Spülung. Puu, der bitter Geschmack im Mund. Eine Kameradin stand neben mir und rapportierte sofort dem Lehrer. Ich ging zum Wasserhahn und zurück ins Schulzimmer: "Entschuldigung." Wir rechneten weiter. Eine Weile später sagte der Lehrer: "Gut, dass du das Zimmer rechtzeitig verlassen hast. Wie geht es dir?" "Gut, danke für ihr Verständnis." Wir rechneten weiter. Am kommenden Morgen forderte er uns auf, in Notfällen das Zimmer ohne Erlaubnis zu verlassen.   
Ich existierte als Rolle, wir waren alle Statisten. Während den Religionsstunden wurde ich zur Schülerin. In der Nähschule half ich freiwillig langsamen Kameradinnen, Ich weinte nicht mehr. Nach den Weihnachtsferien musste auch ich nicht mehr hinausspringen.
Ich ging im kalten Wasser unter. Meine Stimme wurde schwach. Die Erwachsenen behaupteten, ich sei wegen einer, wegen einer zweiten, dann wegen einer dritten, vierten Erkältungen heiser. Meine Lesenden, bitte vestehen Sie, wer untergeht und dauernd im kalten Wasser schwimmen muss, dem vergeht das Lachen, der wird heiser, der verliert die Stimme. Meine Schulkameraden quitschten mich lustig an. Manchmal zwitscherte ich zurück. Ohne es zu merken, schlug ich mich gut. Als mein kleinwüchsiger Bruder die Sekundarschule begann, begrüssten ihn die ältern Schüler: "Aufgepasst, da kommt der kleine Heisere!" Er war bei den Lehrern und Schülern sofort beliebt, und er war stolz auf mich. Er begann zu wachsen und "der kleine Heisere" war bald so gross wie seine Kameraden.
Nun meine Lesenden, wie gestaltete sich ihr Übertritt in die Oberstufe? Hatten Sie einen Klassenchef? Konnten Sie diesen zu Beginn des Schuljahres wählen, oder wurde er von den Lehrern bestimmt? Wir hatten ein Wahlverfahren, wie für einen Gemeinderat. Der Klassenlehrer informierte uns von der bevorstehenden Wahl. Deshalb war in der Pause ein Werweisen und ein Beraten: Wer? Wer auf keinen Fall. Am folgenden Tag konnte jeder Schüler auf zwei kleinen Blätter je einen Vorschlag machen. Diese wurden gefaltet, in einer Tüte eingesammelt und von den Lehreren und zwei Schülern ausgezählt. Der Klasse wurden einen Tag später vier Kanditen zur Wahl vorgestellt. Diese waren wie folgt bestimmt worden: Zunächst das Mädchen mit den meisten geheimen Stimmen - das war ich - und der Knabe mit den meisten Stimmen und die beiden weitern entsprechend ihrer Stimmenzahl. Drei Knaben und ein Mädchen standen zur Wahl. Wir stellten uns alle zur Verfügung. Ein Knabe wurde durch offenes Handmehr gewählt. Ich gratulierte dem Sieger sofort. Papa und ich hatten am Vorabend beim Kartoffeln sortieren über die bevorstehende Wahl gesprochen und er hatte mir erklärt, der Unterlege müsse dem Sieger gratulieren. In der Pause bedauerte der Klassenlehrer meine Niederlage. Viele Schülder waren der Überzeugung, ein Knabe ist besser geeignet als ein Mädchen.
2018 - Wie sah mein Alltag im Mai aus?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

2018 - Wie sah mein Alltag im Mai aus?
Ich schwankte auf hohem Niveau zwischen unzufrieden und zufrieden. Manchmal dankte ich fast euphorisch für meine Gesundheit und meine glücklichen Lebensumstände und manchmal verfluchte ich das Prinzip "follow the money" und die Konsumgesellschaft mit all ihren Annehmlichkeiten. Wenn das Wetter es erlaubte, schaukelte ich täglich ein paar Minuten in der Hängmatte und beobachtete die Singvögel. Aus den Nester hörte man sie pipesen. Drei kleine Spätzchen waren bereits flügge. Unsicher flattern sie von Ast zu Ast und dann aufs Hausdach. Zwischen durch tauchte ich ab und sah überall nur junge Leute mit Kopfhörern und flink über das Smartphon gleitenden Fingern. Dann flogen meine Gedanken in die Freihandbibliothek des Didaktikzentrum in der grossen Stadt. Was war da für fantastisches Unterrichtsmaterial zu sehen! Die Lehrer waren genderneutral zu Lehrpersonen geworden. Es hiess, trotz grossen Bemühungen bleibe der Primarlehrerberuf ein Frauenberuf. In ihrer Kindheit waren die Lehrpersonen Männer und wurden Lehrer genannt.

Meine Lesenden, interessieren Sie sich für meine Welt vor 60 Jahren, d.h. 1958? Von 1957 bis 1960 besuchte ich die Sekundarschule (1960 war die Sommerolympiade in Rom).  In der Primarschüler im kleinen Dorf sassen wir in festen Schulbänken, gedacht für zwei, aber es hatten bequem auch drei, bei Bedarf auch vier Kinder Platz. Die Erstklässler streckten sich, zogen die Schiefertafel an den untern Rand der Pultklappe und schrieben doch fast mit der Nase. Die Sechtklässler, teils schon hochgeschossen, schoben das Heft nach oben und krümmten den Rücken. Die Bestuhlung im Sekundarschulschulzimmer waren bereits modernisiert: Doppelpulte mit Klappen und versenktem Tintenfässchen dazu Stühlen. Alle Plätze waren besetzt. Zweite und dritte Sek. konnten als Doppelklasse geführt werden, da ein paar Schüler die erste wiederholen oder in die Abschlussklasse wechseln mussten, und nur wenige die dritte besuchten. Von Radio-Beromünster wurden weiterhin zur gewohnten Zeit die Mittags- und die Abendnachrichten  gesendet. Doch regelmässig musste ich diese aus irgend einem fadenscheinigen Grunde verpassen. Es passiere sicher nichts aussergewöhnliches, entschuldigte die Mutter ihr Drängen und Jammern. "Doch, doch liebe Mama, es wird erwähnt, dass viele Länder die Unabhängikeit erklären und ich, ich verstehe nicht, was das heisst, ich kenne deren Namen nicht und ich weiss nicht, wo sie liegen," schimpfte ich leise in mich hinein. Ich wollte eine gute Tochter sein, und ich war entschlossen, die Kantonsschule zu besuchen. Die Lehrer hatten die NZZ nicht abonniet, und zu fragen, gab es da ohnehin nichts. Der Pfarrer erwähnte immer wieder die Menschenrechte und betonte deren Wichtigkeit. Doch diese bedeuteten mir damals wenig. An jenem 10. Mai 2018 sass ich am Computer, suchte nach Wörtern und Formulierungen  und liess mich immer wieder durch romantisierte Erinnerungen ablenken. Ein Mail traf ein, die Einladung zu einem ungewöhnlichen Jubiläum: 50 Jahre Organistin in der selben Gemeinde, das wollt gefeiert werden.
Doch stopp. 2018 - Vor der Globalisierung, vor dem Zerfall der Sojetunion war die Phase des kalten Krieges. Da war das berühmte Jahr 1968 -  Rosa Wolken am Himmel? Alles wird besser! - 2018 war jedenfalls vieles  anders: - ein sich ausbreitender, radikaler Islamismus  - eine Autokratie in Russland - China, die neue Wirtschaftmacht - Wer stand für die Menschenrechte ein, die Menschenrechtskonvention von 1948, die grosse Errungenschaft? Der sogenannte Westen schien zu dösen? Auch ich hätte mich 2018 bequem eingerichtet. Das war mir zu wenig. Um zufrieden sein zu können, musste ich etwas dazu beitragen, wie Grössi selig es immer gesagt hatte. Ich verlangte von mir selber, die Menschenrechte zu verteidigen und erwähnte diese immer wieder. Während ich so mit diesem Text kämpfte, fasste sie den Entschluss, eine Umfrage zum Thema Menschenrechte zu beginnen. Ich wurde fast euphorisch, auf  hohem Niveau zufrieden und bald wieder auf hohem Niveau unzufrieden, weil ich fast nichts zur Verbesserung der Welt beitragen konnte. 
Meine Lesenden,  wo und wann begegnen Sie dem Thema Menschenrechte im Alltag? Haben Sie schon einmal die Menschenrechts-Charta durchgelesen? Warum? Warum nicht?
Seien Sie doch bitte modern und konsultieren Sie das Internet. In Papierform kann die Menschrechts-Charta bei Amnesty International, CH 3001 Bern bestellt werden.
Und der Religionsunterricht?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Und der Religionsunterricht?
Ein alter Herr, der ein bewegtes Leben hinter sich hatte, erteilte uns den Religionsunterricht Er war das vierte Mal verheiratet und scheute auf Anfrage hin nicht, aus seinen vergangenen Tag und Jahren und von seinen Ehen zu erzählen. Er war Vater von vier Kindern, das jüngest, die Tochter war zwei Jahre älter als ich. Er war unser Herr Pfarrer. Er konnte auf über siebzig Lenze zurückblicken und wir nützen sein vorgerücktes Alter oft aus. Doch blieb jemand dem Unterricht fern, meldete er dies sofort und ordnungemäss dem Klassenlehrer. -  "Meine Herrschaften, jede im Unterricht verpasste Stunde trage ich als unentschuldigte Absenz in euer Zeugnis ein. Entschuldigungen nehme nur ich persönlich entgegen," mahnte uns der Klassenlehrer, "ihr könnt träumen und dösen, aber ihr verhält euch ruhig. Die Hausaufgaben löst ihr daheim. Ihr habt an meinem freien Nachmittag Unterricht. Eure Hefte kann ich ungestört im Vorbereitungszimmer daneben korrigieren." Das war eine Mitteilung des Klassenlehrers, und es gab nichts zu diskutieren. Fertig. Unfair, unfair! Der Klassenlehrer spürte unseren Widerstand und ergänzte: "Ja, der Religionsunterricht ist freiwillig. Bringt mir ein schriftliches Gesuch für ein Dispens von eure Eltern, und ich besorge euch die erforderlichen Antragsformulare bei der Kirchgemeindeverwaltung. Ohne den regelmässigen und geordneten Besuch des Unterrichtes, könnt ihr euch nicht konfirmieren lassen." Unfair, unfair. Die Konfirmation, das grosse Familienfest. Das erste Kleid wie eine Frau, der erste dunkle Anzug wie ein Mann. Viele Glückswunschkarten: Einfache Kärtchen mit einem vorgedruckten Spruch und unbeholfener Unterschrift,  Karten und persönliche Briefe teils in gefütternten Couverts. Die erste Uhr vom Götti und Gotte zusammen. Vielleicht ein Fingerring, vielleicht eine Halskette, viele Socken, Taschentücher, eine Schokolade, und nach dem Krieg ein Fünfliber, denn die Zeit war gut und die Kinder hatten alles. Auf die Geschenke wollte niemand verzichten. Grössi schimpfte, das mit den Geschenken werde übertrieben. Ich wollte Geld, um Alfi in Afrika zu besuchen. Noch liebte ich das Spiel mit Alfi, denn mein Schulweg war weit.
Schlafen und dösen waren erlaubt, also hatte ich nichts zu befürchten. Der im Untericht zu behandelnde Stoff war allen bekannt, denn alle Dorfbewohner, ausser einer Italienerin im Hinterdorf waren konfirmiert und viele schimpften und leiherten: Bibel, nochmals Bibel, Kirchengeschichte, Kirchengesangbuch. Was bringt das? Was hatte das mit dem Leben zu tun? Für mich war der Unterricht schön und interessant. Meine Lesenden, schön und interessant zu sein, das ist doch viel, nicht wahr? Wir sangen und sollten Liedstrophen auswenig lernen: "Als Schatz für schwere und alte Tage, wenn ihr nicht mehr gut seht, nachts aufstehen solltet, aber die Beine nicht mehr wollen. In euerm Alter verstand ich das auch nicht, aber bei meinen vielen Besuchen von kranken und alten Leuten habe ich erfahren, wie sie in Liedtexten, die sie aus ihrer Kindheit erinneren, Kraft und Trost finden," erklärte uns der alte Herr. Wir pflügten die ganze Bibel durch. Er brachte die Glaubenswahrheiten und die Wahrheiten der modernen Wissenschaft in Einklang. Ich begann zu erahnen, dass es viele Völker vor uns gegeben hatte. Völker ohne Spuren in der Zeit. Lange bevor es Lastwagen und Kräne gab, wurden die Pyramiden gebaut. Ich bestaunte unsere unendliche Vergangenheit und vergass, wie oft ich eine einzige Schulstunde als nicht enden wollend erlebte. Der alte Herr wusste nicht, wie lange die Welt noch bestehen würde. Er wusste nicht, ob wir zu Beginn, in der Mitte oder in der Endzeit leben. Jeder Mensch habe ein bemessenes Leben auf dieser Welt, und es sei uns aufgetragen, sorgsam mit dem uns anvertrauten Gut umzugehen und an das Wohl des nächsten und der nächsten Generationen zu denken.
Dieser Pfarrer lass uns viele Bücher vor. Das erste Buch hiess "die Moorsoldaten". Dann folgten Anne Frank, die weisse Rose, Texte von Bonhoeffer, Reiseberichte von Livingstone und Standly, Missionsbericht aus China und dem fernen Osten. Um uns einen Überblick über die Ausbreitung des Christentums zu vermitteln, hatte er nach dem Krieg eine Bücherserie anschaffen lassen. Leider durften wir keines nach Hause nehmen, da er es für alle Klassen brauchte. Einmal durfte das Buch jedoch unbemerkt bei mir Ferien machen, d.h. ich versteckte eines vor den Sommerferien in meiner Mappe und stellte es nach den Ferien zurück. Hätte ich doch besser lesen können! Hätte es doch häufiger geregnet! Hätten wir doch eine Aushilfe gefunden! Ich konnte wenig lesen. Für mich allein waren die Texte schwer verständlich. Das Buch schilderte in kurzen Abschnitten die Missionierung in den ersten Jahrhunderten, die im vermeintlichen Auftrage Gottes geführten Krieg, die Reformation, wieder eine Welle von Missionierung und die Vermischung von Religion und wirtschaftlicher Ausbeutung. Ich staunte und wollte nicht glauben, was ich las. Die Eltern wussten wenig. Sie waren dankbar, dass die Waffen bei uns schwiegen. Wir arbeiteten viel, sparten und kauften Land. 
Für mich gehörte der Religionsuntericht weder zur Schule noch zu meinen familiären Verpflichtungen. Diese Stunden gehörten mir. Ich hatte am Sonntag das Recht in die Kinderlehre und später in die Kirche zu gehen. Selbstverständlich konnte ich gleichzeitig noch etwas in die öffentliche Tiefkühllanlage bringen oder dort abholen.
Wie entwickelte sich dieser Alltag weiter? Berufswahl?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie entwickelte sich dieser Alltag weiter? Berufswahl?
Ich wurde von den mit gestellten Aufgaben überschwemmt. Ich ging unter und blieb lange unter Wasser. Das war mein Lebensgefühl. Eine kurze Freude bereitete mir das als unnötige geltende Wurzeln ziehen (Einschübchen: Gemäss Wikipedia ist das schriftliche Wurzelziehen ein Verfahren zur Berechnung der Quadratwurzel einer rationalen Zahl, das ohne Rechner durchgeführt werden kann. Es ähnelt der schriftlichen Division.). Die vielen Varianten von Zinsrechnung hätten wichtig sein sollen, sehr wichtig für Schüler, die an eine kaufmänische Lehre dachten. Davon träumten viele, ich nicht. Ziel einer solchen Lehre war u.a. im Zehnfingersystem 200 Anschläge pro Minute fehlerfrei zu tippen. Ich hatte verschiedene Schreibmaschinen in den Schaufenstern in der Stadt gesehen und hatte auf der Gemeindekanzlei mehrmals zugeschaut, wie darauf geschrieben wurde. Mir war klar, 200 Anschläge pro Minute, das schaffe ich nie.
Einschub Mai 2018: Wie entwickelten sich die verschiedenen "Alltage" der Menschen im Mai 2018? z.B.mein Alltag, die am Ende des zweiten Weltkrieges geborenen worden war? - Oder der Alltag der Studentin, der ich im Zug nach Basel begegnet war, und die am 9. November 1989, am Tag des Mauerfalls in der Schweiz das Licht der Welt erblickt hatte?- Dann ein Sprung in die Zukunft, wie wird sich wohl der Alltag eines Kindes entwickeln, dessen Geburt für die Zeit nach dem Abschluss der Ausbildung der beiden Elternteile, d.h. nach 2030 geplant ist.- Plötzlich war mir klar, ich musste mit den alltäglichen Internet-Diensten vertraut bleiben, um den Anschluss nicht zu verpassen. Einschub Ende.
Dann erwachte ich. Ich tauchte auf. Plötzlich war mir klar, ich besuchte das achte und letzte Schuljahr. Die Knaben suchten Lehrstellen. Dank den Beziehungen ihres Vaters, konnte Grete an einem Auswahlverfahren einer grossen Firma teilnehmen. Sie wurde ausgewählt. All war klar, dass die Bauernmädchen zunächst daheim halfen und vielleicht später, wenn kleinere Schwestern nachkamen, ein Welschlandjahr machten und noch später heirateten oder, wenn es nicht klappte, etwas lernten. Ich tauchte auf und blieb oben. Mir war nicht klar, was allen klar war. Zum Befremden meiner Umgebung, hauptsächlich meiner Mutter, meiner Patin und meiner Grossmutter suchte ich nach einem Besuch beim Zahnarzt das Büro der Berufsberatung. Resultat gut: Das Buch "dreissig Berufe für Mädchen" war als Vorbereitung für das erste Beratungsgespräch zu lesen. Nach einem mühsamen Beratungsgespräch und interessanten Eignungstests wurde Mama eingeladen. Resultat befriedigend - Beschluss der beiden Frauen: Besuch der zusätzlichen, der dritten Sekundarklasse, weil dies eine spätere Ausbildung erleichtern würde und die Behandlung meiner heiseren, schwachen Stimme.
Wie ging es mit der Geometrie weiter?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie ging es mit der Geometrie weiter?
In der Primarschule durfte ich die Knabengeometrie nicht besuchen, obwohl meine Eltern damit einverstanden gewesen wären und der Lehrer nichts dagegen hatte. "Ein schriftliches Gesuch bringe nichts," hiess es," Mädchen hätten nähen und stricken zu lernen." Mama wäre um zwei Stunden Schule weniger dankbar gewesen, - und - Handarbeiten brauchte ich nicht zu lernen. Das brachte sie mir bei, indem sie mich gewähren liess und mir im Bedaftsfall beistand.
In der zweiten Sekundarklasse gab es wieder Knabengeometrie. Mädchen, die einen technischen Beruf lernen oder in die Kantonschule wollten, konnten sich vom Klassenlehrer in eine Liste eintragen lassen. Ich tat dies. Doch mein guter Klassenlehrer nahm dies nicht ernst. Ich blieb in die Nähschule eingeteilt. Die Nähschullehrerin unterstütze meinen Plan: "Auch wenn du ab nächstem Jahr daheim hilfst, so schadet das nichts. Ich bin froh, dass du den Schwächern hilfst, aber in der Geometrie könntest du etwas dazu lernen. Wenn der Klassenlehrer nicht will, so spreche ich mit ihm." Am andern Tag gab er mir ein Geometriebuch. Ich zeigte, dass Geometrie mir lag. Es entstand ein Geschwätz. Kopfschüttelnd sagte eine alte Frau gegen Ende des Sommers zu mir, sie könne sich nicht vorstellen, dass ich ein "Bubenmädchen" (= ein leicht zu habendes Mädchen) sei. Sie war zu enttäuscht, um meine Erklärung zu verstehen. Sie riet mir zuerst gut lesen und schreiben zu lernen, für "das andere" bleibe mir noch genug Zeit.
Der unscheinbare Französischlehrer war immer öfter müde. Er musste häufig zum Arzt. Der Singlehrer übernahm gerne all Turnstuden, denn seine Frau erwartete das dritte Kind und sie wünschten sich ein Auto. Er liess uns Schallplatten von Elvis Presley hören und  in der Turnhalle lernten wir Twist tanzen. Eine Praktikantin entlastete den Kranken. Sie führte seine Klassen mit Freude und Schneid selbständig. Sie blieb bis zu den Herbstferien. Er schaffte es nicht mehr allein. Kurz nach Weihnachten läuteten die Glocken zu seinem Abschied. Begleitet von Instrumentalisten sang der Lehrerchor wunderbare Lieder.
Mit Praktikanten, Studenten und freischaffenden Künstlern konnte der Schulbetrieb aufrecht erhalten bleiben. Sekundarlehrer waren "Mangelware" und Ausländer durften nicht eingestellt werden, höchstens Welsche, die ihre Deutschkenntnisse verbessern wollten. Für mich war jedes neue Gesicht eine neue Chance. Ich zeigte mich hilfsbereit, um mich so nebenbei nach der Kantonsschule erkundigen zu können. Es gab nur eine Antwort: "Mit Einsatz dahinter, auf jeden Fall probieren".  
2018 - Wie war der Alltag der Schreiberin z.B. der 19. Mai? Ein kleiner Schritt!
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2018 - Wie war der Alltag der Schreiberin z.B. der 19. Mai? Ein kleiner Schritt!
2018 - ich war auf hohem Niveau unzufrieden und gleichzeitig auf hohem Niveau zufrieden, manchmal fast euphorisch und dann wieder zutiefst betrübt. Seit ein paar Wochen mühte ich mich damit ab, in der Meet my live - Coude die Sekundarschulzeit zu beschreiben. Ich kämpfte täglich mit den Texten. Im Moment gingen mir die Schwierigkeiten rund um die Berufswahl durch den Kopf: Ich hätte damals nicht gewagt, von Berufen wie Schauspielerin oder Sängerin zu schwärmen. Ich hatte geschwiegen. Ich war unbegabt. Nie hatte ich beim Weihnachtsspiel eine Rolle übernommen. Berufe wie Modeschöpferin, Kunstmalerin oder Architektin für Wohngenossenschaften schob ich beiseite. - Doch nach der dritten Sekundarklasse hatte ich den Übertritt in die Kantonsschule, Abteilung Lehramt geschafft. Rückblickend ein kleiner Schritt, doch damals ein Labyrinth. 

Die Anmeldung zur Prüfung in die Kantonsschule war anfangs Dezember einzureichen. Ich hatte diesen Termin verpasst, weil Mama das Anmeldeformular Papa nicht zur Unterschrift vorgelegt hatte. Am letzten Tag bat ich den Vater persönlich. Er unterschrieb das Papier ohne zu zögern und - sie zerriss es ohne zu zögern genüsslich vor meinen Augen. Obwohl ich grosse Lust verspürte, gab ich ihr keine Ohrfeige. Ich beherrschte mich. - Was tun? -  Mama, ich räche mich! war mein Entschluss - Am Tag der Prüfung streikte ich - ich schwieg den ganzen Tag. Der Klassenlehrer erkundigte sich schliesslich. Spät am Abend fuhr er mit dem Auto bei meinen Eltern vor und liess das Formular persönlich vom Vater unterschreiben. Ich konnte zur Nachprüfung, die wegen der Grippewelle durchgeführt werden musste. Wie sollte ich den Prüfungsort finden? Trotz den genauen Erklärungen des Klassenlehrers fühlte ich mich unsicher. Deshalb besuchte ich am Sonntag die Kinderlehre nicht. Ich fuhr bei bissiger Kälte in die Stadt. Das stattliche Gebäude zu finden, war tatsächlich keine Hexerei. - Doch das Zimmer? Wer konnte mir helfen? Die Tochter des Pfarrers besuchte das Gymnasium in jenem grossen Haus. Ich musste mit dem alten Herr sprechen. Ich gestand ihm, wo ich am Sonntagmorgen gewesen war. Zu seinem Erstaunen kannte ich den Weg und den Nordeingang der Kantonsschule. Bei Schneegestöber empfing mich seine Tochter am Prüfungstag um 7.30 vor dem Haupteingang. Sie zeigte mir die Toilette und führte mich in die hinterste Baracke. Dank besten Noten in Rechnen, Geometrie und Sprache mündlich bestand ich die Prüfung trotz einem Aufsatz voller Fehler und miserablen Leistungen in französisch.

2018 Handies, Smartphones, Tablets, Readers, freier Internet Zugang
2018 Amazon, Google, Appel, Sillikon-Vally
2018 Facebook, Instagram, Twitter. 
2018 Ich konnte OLAT, das Hausaufgabenprogramm für MML bedienen.
Ich hatte Mühe, all diese Wörter zu schreiben. Am 19. Mai 2018 hatte ich diesen Text getippt, gekürzt und ergänzt. Am 21. Juni hatte ich nochmals Satz für Satz gekürzt und überflüssige Wörter gelöscht. Es blieb schliesslich weniger als ein Viertel des Textes vom 19. Mai. - Mein Gemüsegarten gab eine reiche Ernte. Ich verstand mich mit dem Potugiesen, der den Famliliengarten links und dem türkischen Ehepaar, das den Familiengarten rechts neben mir hatte, gut. Als Zeichen der Verbundenheit hatte ich ihnen ein paar Sonnenblumensetzlinge geschenkt und diese wuchsen nun der Strasse entlang. Schön wird es sein, wenn alle zu blühen!

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2018 - Die Hausaufgabe auf den 29. Juni Thema Staatskunde
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

2018 - Die Hausaufgabe auf den 29. Juni Thema Staatskunde

Die Hausaufgabe für Freitag den 29. Juni 2018 kam für mein Empfinden kurz und trocken daher. Der Professor sagte: "Per Ende Juni stelle ich ihnen eine zweiteilige Hausaufgabe: Erstellen Sie bitte einen Plan, der Ihre nächsten Arbeitsschritte aufzeigt, und für den zweiten Teil gebe ich Ihnen das Stichwort „Staatskunde“. Am 29. Juni 2018 fand in Bern die Jahreskonferenz der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit DEZA/SECO statt. Thema: Stadt und Land nachhaltig entwickeln, zwei Schweizer Schwerpunkte in Afrika (Tschad/Südafrika). Ich entschuldige mich hiermit für mein Fernbleiben von unserem Treffen am 29. Juni in Zürich.

Die Hausaufgabe löste ich trotzdem: (1)
Meine nächsten Arbeitsschritte: Meine "grosse" Welt, Teil eins, ca. 270 Seiten, bestehend aus den drei Teilen Vorschulzeit, Unterstufe und Mittelstufe, hatte ich zwischen November 2015 und November 2017 geschrieben. Mein neues Ziel war nun, Teil zwei bestehend aus Sekundarschule, Mittelschule und Lehrerseminar, bis Ende 2018 fertig zu schreiben. Trotz grossen Verzögerungen anfangs Jahr - durch den Swissward 2018, - durch meine regelmässige Kongoreise von 30 Tagen, - durch viel Gartenarbeit im Frühling und - durch die schwierige Einstimmung auf den zweiten Teil, hatte ich Ende Mai den Abschnitt Sekundarschule weitgehend fertig getippt und rechnete damit, mein Ziel zu erreichen.

(2) Staatskunde: Es war der zweite Juni 2018 - ein herrlicher Morgen und Gedanken zum Stichwort „Staatskunde“ liessen mich glücklich erwachen. Dies war der Moment, um den zweiten Teil meiner Hausaufgabe zu tippen. Ich hatte das Wort Staat lange nicht gekannt, aber punktuell war ich dem Staat früh in vielfacher Art begegnet. Der Staat hatte Papa das Gewehr gegeben. Unser Land war vom Krieg verschont geblieben, aber viele andere Länder hatten den Krieg gehabt, das heisst, die Leute durften sich gegenseitig töten. Der Staat hatte ihnen das erlaubt.

Früh konnte ich stolz erklären: "Wenn ein kleines Kinder auf die Welt kommt, muss der Vater seinen Namen auf der Gemeindekanzlei in ein Buch eintragen lassen. Der Vater muss darauf achten, dass der Name richtig eingeschrieben wird, denn dieser kann nachher nicht mehr geändert werden." Meinen Namen wollten sie damals auf der Gemeindekanzlei ändern, aber Papa liess das nicht zu. -  Den Stimmzettel erhielten wir auch von der Gemeindekanzlei. Wir füllten ihn gemeinsam aus, aber nur Papa durfte ihn einwerfen. Er nahm seine Kinder jeweils mit. Ein kleiner Spaziergang mit Papa allein! Grössi, Mama und alle Frauen, die ich kannte, sie wollten keinen Stimmzettel, aber ich, ich wollte einen. Deshalb erlaubt mir Papa einmal seinem Stimmzettel allein ins Stimmlokal zu tragen, obwohl Mama behauptete, das sei verboten. Wir waren uns einig, es war keine schwierige Aufgabe. Aber was es erlaubt? Ich hatte mich getäuscht. Es wäre völlig ungefährlich gewesen, den Stimmzettel durch die Spalte in die Urne zu werfen, aber die Männer verjagten mich und schimpften über meinen Vater. - Wir mussten Steuern bezahlen, Mama war bereit dazu, aber Papa wollte möglichst wenig bezahlen. Weil Mama für Grössi viele Formulare ausgefüllt hatte, brachte der Pöstler ihr nach dem Tod des Grossvaters jeden Monat Geld. Neben der Post sorgte sich der Staat auch um die Bahn und die Polizei.

Später, in der Primarschule forderte uns der Lehrer auf, die Eltern nach der Namen der Gemeinderäte, der Regierungsräte und der Bundesräte zu fragen. Wir schrieben diese gemeinsam auf die Wandtafel und besprachen deren Aufgaben. Am Familientisch sprachen wir über die Wahl des amerikanischen Präsidenten, über den Eisernen Vorhang und den Aufstand in Ungarn. Papa ging an die Gemeindeversammlung, in der über den Bau von Strassen, von Wasserleitungen, von einem neuen Schulhauses und über vieles mehr gesprochen wurde. Weil ich neugierig war, hörten wir am Radio die Übertragung der Landsgemeinde in Appenzell. Im Gelbenheft gab es Bilder dazu. All das war mein praktischer Staatskundeunterricht. Wo war der Staatskundeunterricht nach dem Wechsel in die Sekundarschule geblieben? Den gab es nicht?! - Zum Unterrichtsstoff der Kantonsschule zählte je ein Jahr in zwei Randstunden Stenographie, Buchhaltung, technisches Zeichen und schliesslich Staatskunde, erteilt durch einen Pfarrer, der vor dem Theologiestudium Jura studiert hatte. Mit dem Staatskundeunterricht bessere er sein Einkommen als Pfarrer auf, informierte es uns. Ich freute mich auf dieses Fach. Das erste Thema hiess: "Der Bundesstaat, seine Verwaltung und Gesetzte. Der Primarlehrer hatte uns die Bundesverfassung gezeigt, wir hatten ein wenig darüber gesprochen und uns auf später vertröstete. Jetzt war also "später". Der Pfarrer verteilte uns vielen Blätter. Niemand las sie, denn Staatskunde zählte nicht bei der Berechnung des Notendurchschnittes. Was tun? Es fehlte mir die Zeit, die vielen theoretischen Begiffe mit Bildern zu füllen. Statt Feldarbeit hätte ich kompetente Gesprächspartner gebraucht, denn ich ahnte, dass Staatskunde ein sehr, sehr wichtiges Fach ist, das lebenslängliche Weiterbildung verlangt.

Papa sagte, wir müssen vom Staat profitieren. Mama interessierte sich nur für den Aufbau einer Siedlung für ihren Sohn. Grössis Ziel war, dankbar zu sein, für das, was wir hatten und etwas zu unserem Glück beizutragen: „Schau, wie das Dorf schön aussieht, alle Häuser mit blühenden Geranien vor den Fenstern.“

 

Wie waren die Pausen und das Leben auf dem Pausenplatz?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie waren die Pausen und das Leben auf dem Pausenplatz?
Weit mehr als 300 Kinder und Jugendliche auf dem Kiessplatz. Die Spielwiese daneben durfte nur mit Erlaubnis des Hauswart betreten werden.
Dass in den Pausen, auf dem Pausenplatz nicht gespielt wurde, das konnte ich kaum fassen. Wir Sekschülerinnen spazierten in Reihen auf und nieder oder wir standen neben der Eingangstreppe und wiederholten die französisch Wörter. Das mochte ich. Ich hätte gerne wie bei der Feldarbeit über den Schulstoff und die Welt gesprochen: Was hatten wir in der vergangenen Stunde gelernt? Was kam wohl in der nächsten Stunde dran? Was denkt ihr über die Unruhen in Afrika? Was wächst auf euren Feldern gut? Was kochst du für das Mittagessen?  Zum Glück waren diese langweiligen Pausen kurz.
Welches war dein Lieblingsfach? Welche Fächer mochtest du gar nicht?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Welches war dein Lieblingsfach? Welche Fächer mochtest du gar nicht?
MML: Kannst du das begründen? Hat sich das später geändert?
Französisch, französisch ... das nahm viel Zeit. Trotz Abmühen schaffte es mein Kopf nicht, während einer Prüfung die Wörter im geforderten Tempo zu finden. Ganz langsam mit Mama auf dem Feld, ja, dann meinten wir beide, ich könnte sie -  und ich konnte sie, wenn Papa später eine kleine "Wörterprüfung" machte. Die Schule machte keine kleinen Wörterprüfungen. - Während den vielen langweiligen Stunden, was konnte ich tun, ausser "abtauchen" in meine Phantasiewelt. Zeit zum Lernen gab es bei der Feldarbeit immer wieder, und das war schön.
Rechnen war mein Lieblingsfach, obwohl ich es sträflich vernachlässigten musste. Es fehlte mir die Kraft. Das tat weh und traf mich hart. Da musste schnell untergetaucht werden. Das Wasser trug mich, ich konnte dahingleiten und selber Rechnungen erfinden. Ich hatte einsehen gelernt, dass ich nicht allem genügen konnte. Ich wusste, dass Gott mich geschaffen hatte und dass das gut war. Ich durfte rechnen vernachlässigen. Rechnen wäre ein sehr anstrengendes Fach gewesen wäre, das viel Konzentration und Aufmerksamkeit erforderte hätte, wenn jemand wie ich die Knacknüsse lösen wollte. Doch diese waren freiwillig, und mit so unnötigen Dingen konnte ich meine Zeit nicht vergeuden. Ich musste, ich wollte doch in Französich eine genügende Note. Meine tägliche Knacknuss war das Planen und Ordnen meiner vielen Aufgaben und Aufgäbelchen. Das begann bereits am Morgen vor der Schule: Punkt eins: Mama eine kleine Freude bereiten. Das war einfach. Am frühen Morgen in der Stube die Zeitungen und das Nähzeug vom Vorabend verräumen und erst dann die Hausaufgaben für die Schule fertig machen. Punkt zwei: Während Mama in der Stube den Frühstückstisch deckte, mich in der Küche ein wenig waschen. Punkt drei: Mich in meinem Zimmer anziehen und Ordnung schaffen. Punkt vier: Vor dem Frühstück die Mappe packen und das Fahrrad bereit stellen. - Wichtig war, immer freien Weg zu haben und unnötigen Gänge zu vermeiden. Das klappte gut, wenn die Tag dem gleichen Trott folgten. Doch, was hatte ich im grossen Dorf zu erledigen? Was brauchte ich für's Mittagessen? In solch alltäglichen Dingen waren doch viele schwierige Rechnungen versteckt. Wie schnell muss eine Schülerin mit dem Fahrrad fahren, um nach zehn Minuten in der Schule einzutreffen? Ihr Weg beträgt drei Kilometer, rechne! Wielange braucht sie, wenn sie auf dem Heimweg trödelt? Schätze! Wieviel Kraft braucht Leni, die oben auf den Berg wohnt, um in die Schule zu sausen? Wieviel Kraft braucht sie für den Heimweg, wenn sie das Fahrrad schieben muss? Wieviel Kraft braucht sie, wenn sie Glück hat, und ein Bauer ihr Fahrrad auf sein Fuhrwerk lädt? All diese wichtigen, alltäglichen Dinge interessierten die Schule nicht, doch sie verleiteten mich zu sanftem Abzutauchen. Da in der Tiefe wimmelte es nur so von weitern interessanten Fragen. Doch stopp, bald beginnt die Rechungsstunde im Schulzimmer. Was hatten wir für Hausaufgaben? Schnell, schnell unter der Bank nach Lösungen suchen. Zum Glück hatten wir nach der Prüfungszeit einen Füllferderhalter bekommen. Damit konnte ich leicht ohne zu schmieren schreiben.
Französisch, fanzösisch. Ich dachte an die Grossmutter, die in den 1890er Jahren eine Schülerin war. Sie hatte immer wieder erzählt, rechnen hätte sie nicht lernen müssen. Sie habe es einfach gekonnt. An Geld habe es ihr gefehlt.
Meine Lesenden, bitte beantworten Sie die Titelfragen: Was war Ihr Lieblingsfach? Welche Fächer mochten Sie gar nicht? Warum?
Hast du gerne Bücher gelesen? Welches waren deine Lieblingsbücher? Hast du dir Bücher in der Schulbibliothek ausgeliehen oder untereinander ausgetauscht?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Hast du gerne Bücher gelesen? Welches waren deine Lieblingsbücher? Hast du dir Bücher in der Schulbibliothek ausgeliehen oder untereinander ausgetauscht?
MML: Welche?
Ich hätte gerne Bücher gelesen, wenn mir das Leben die Musse dafür gegeben hätte. War ich allein, gönnte ich mir immer wieder eine kleine Pause, doch ich las nicht. Nein, nein, bei der Feldarabeit streckte mich auf einem schöner Plätzchen aus, bei der Hausarabeit legte ich mich bequem in der Stube auf das Sofa, während den Hausaufgaben schlüpfte ich einen Moment unter die Bettdeck - und - atmete - langsam - und - tief - durch. Die Luft strömte durch die Nase, durch den Rachenraum, durch die Luftröhre in die Lunge. Ich sog möglichst viel Luft ein, hielt kurz inne und presste sie dann kräftig durch den Mund hinaus. Das tat gut. - Doch was war da passiert? Schon stand das müde Mädchen wieder einsatzfreudig auf den Beinen. Französisch ja, Zeit zum Lesen nein.
Da mein Interesse für Afrika bekannte war, entlehnte die Frau des Unscheinbare für mich in der Stadtbibliothek ein Buch über Albert Schweitzer (*1875). Soviel Entgegenkommen! Da gab es keine Diskussion, ich musste dieses Buch lesen. Nein, Mama zuerst. Sie liess es sich geben und verschwand im Bett. Sie hatte seit mehrern Tagen über Rückenweh geklagt, und das Buch verhalf ihr nun zu einem ruhigen Abend. Sie las bis spät in die Nacht. Sie konnte erst einschlafen, als die letzte Seite verschlungen war. Ich durfte an vielen Abenden lesen. Dabei schlief ich schnell ein und war am kommenden Tag ausgeruht. Mein Ehrgeiz erwachte wieder. Es hiess, ich würde erneut egoistisch. Das stimmte, ich dachte wieder an meine eigene Zukunft. Staunend las ich das Buch über das Genie Albert Schweitzer, eine mir fremde Welt: Der Professor für Thologie und Philosophie, der phantatische Musiker studierte im Alter von dreissig Jahren Medizin und begann noch vor dem ersten Weltkrieg in Lambaréné ein Urwaldspital aufzubauen. Da er dort keine Orgel zum Üben hatte, zeichnete er die Tastatur auf das Fenstersims, und machte Trockenübungen. Nach zwei Weltkriegen bekam er 1953 den Friedensnobelpreis. Was bedeutete sein Satz: "Ehrfurcht vor dem Leben"?  All dies und noch viel mehr hatte uns der Pfarrer auch in der Kinderlehre erklärt und erzählt. Albert Schweitzer predigte nicht Wasser und trank Wein, sondern er handelte entsprechend seiner Überzeugun. Doch seine Welt war mir zu erhaben, zu weit weg. Ich bewunderte ihn. Sicher, es sollte sich jemand um die Kranken kümmern, aber nicht ich. Meine vom Grossvater übernomme Skepsis gegenüber dem Verhalten der Weissen Rasse in fernen Ländern war geblieben. In den Nachrichten wurden die blutigen Unabhängigkeitsbewegungen in Afrika erwähnt. Deshalb hielt ich an meinem in der Sonntagsschule gefassten Plan fest: "Wenn ich genügend Geld habe, werde ich  Afrika besuchen." Ich wollte wissen, ob tatsächlich kleine Kinder den schwarzen Müttern weggenommen und in Missionsschulen gesteckt wurden.-

Meine Lesenden: Danke, dass Sie meine Lebensgeschichte in den Händen haben. Wir sind beim Thema Bücher: Was lesen Sie im Moment? Wie heisst Ihr Lieblingsbuch? Lesen Sie im Internet oder im Reader?
Zurück zur Sekundarschülerin: Es gab da doch allerhand, das ich gerne las, das aber nicht zum Lesen zählte, z.B. den Ratgeber Lebens- und Ehefragen im Gelben Heft und - in Sinne einer Belohnung für die bestanden Prüfung legte mir Mama "ihre Schundromane" (= Trivialliteratur, hauptsächlich süsse Liebesgeschichten mit Happy End, in Heftform von ca. 100 Seiten) unter die Bettdecke. Wir wussten beide, wir sollten nicht, aber taten es doch. Es war zu schön! Mit den in der Stadt gesammelten Zeitungen kamen Zeitschriften und andere Frauen-Heftchen ins Haus. Interessant war, der Bilder wegen Paris Match. Einmal begenete mir ein PlayBoy. Ein paar Momente konnte ich darin blättern, dann wurde er mir entrissen: "Das darf niemand erfahren!" - Die Körper der Frauen waren schön, aber warum dachte ich an Tiere im Frühling?  Weiter waren Mama und ich uns einig, dass ihre fünf Broschuren "für die angehende Ehefrau" zu kompliziert zum Lesen waren. Sie hatte sie selber nicht gelesen. Neu erschien die Jugendzeitschrift "BRAVO".  Die Mädchen tuschelten darüber, tauschten sie aus, lasen manchmal heimlich in den Schulstunden darin und sicher nach der Schule, wenn ich irgend etwas "Verhasstes" zu erledigen hatte. Sie machten sich lustig über mich, wie ich Mama gehorchte und das Interessantes verpasste.
2018 fehlte mir weiterhin die Zeit zum Lesen. Sicher, ich verbesserte mit dem Lesen der Zeitung "Le Courrier" meine französich Kenntnisse, aber der grosse Zeitfresser war das Schreiben meiner Lebensgeschichte. Auf meine Antrag hin hatte die Bibliothek zwei Bücher bestellt (Theodore Zeldin: "Gut Leben, ein Kompass der Lebenskunst" und Pierre Stutz: "Verwundet bin ich und aufgehoben"), aber ich  fand die Zeit nicht, diese zu lesen. Später, wenn die Lebensgeschichte fertig getippt ist.
2018 - am 5. Juni hatte ich Glück ! Am 5. Juni hatte ich auch Pech!
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

2018 - am 5. Juni hatte ich Glück ! Am 5. Juni hatte ich auch Pech!
Ich hatte den Abschnitt rund um das Bücherlesen fertiggetippt. Fest gesessen vor dem Computer, hatte sich mein Kopf hin- und hergewiegt. Ich hatte lange auf den Kuss der Muse gewartete und mit dem Text gekämpft. Nun freute ich mich, denn nach vielen Stunden des Abmühens konnte ich sagen: "Der Text ist fertig."
Wie weiter? Das wusste ich nicht. Ich hatte noch 30 Minuten Zeit. Warum nicht jetzt, sofort die Hausaufgabe vom den 25. Mai ins System von meet-my-life hinübertragen? Dazu war ein zusätzlicher Titel einzufügen, doch der wollte nicht, wie er sollte. Ich hatte mehrmals das Symbol "save" angetippt, und schliesslilch schien es zu klappen. Ich lachte, denn nun erschien der Titel fünfmal. Kein Problem! Ich wusste, wie die überzählichen Titel zu löschen waren. Doch was war in der Spalte daneben passiert? Wo war der Text über das Bücherlesen? War der Text über das Bücherlesen unbemerkt verschwunden? Ich erschrak. Er war weg. - Was tun? Wie weiter?
Meine Lesenden: Mein Ehemann war Küchenchef und Hilfskraft im Gemüsegarten. Er pflückt sogar die kleinen Erdbeeren und rüstete diese. Er bereitet sich einen Salatteller vor und macht mir mit den Beeren und Joghurt eine Süssspeise zum Nachtessen. Er interessiert sich für technische Fragen, auch für Schwierigkeiten mit dem Computer. Ich schrieb in meet-my-life.net und organisiert die Renovationsarbeiten in einer von mir verwalteten Mietwohnungen. Von meiner Schreibereien im meet-my-life-Programm distanzierte er sich, und doch jammerte ich ihm an jenem Abend vor, der Text zum Thema Bücherlesen sei verschwunden! Ich könne es nicht fassen. Er sei nicht zu finden. Im Stillen ärgerte ich mich masslos! - Doch an jenem 5. Juni 2018 hatte ich Glück! Nach dem Nachtessen warteten wir gemeinsam geduldig, bis das System hochgefahren war. Wenn er daneben stand, schien es länger zu dauern als sonst. Ich fand die Frage und tippte sie an. Kein Text erschien! Wir schauten beide auf den Bildschirm: "Tippe auf Vorversion! Du findest Vorwersion nicht? Tue - nicht - sooo - unbeholfen - ! Oben rechts neben "alles lesen". Gut. Nun klicke auf "Backup-Version anschauen." und, da war der Text. "Tippe auf bestehender Text mit Backup-Version überschreiben" und, - da war der Text wieder neben seinem Titel auf der leeren Seite. - Meine Lesenden: "Ein lieber Ehemann ist doch viel wert." Haben Sie auch einen? Hatten sie einen? Wünschen sie sich einen? Entschuldigung, doch hier ist nicht die Stelle um Rätschläge zu geben, wie eine Ehe langlebig gemacht werden kann.
Wie weiter? Ich schaute sinnend aus dem Fenster und wartete auf Erinnerungen. Erinnerungen verhalten sich wie die in der Erde versteckten Samen. Sie passen auf einen günstigen Moment und schiessen dann wie Unkraut aus dem Boden. Im Garten, wie vor dem Computer lohnte es sich, sofort eine Triage zu machen, damit das Ausgewählte Platz hat. Schwierig, schwierig. Ich neigte zum Jammern. Ich hätte Ohren gebraucht, die mir zuhörten und nicht "böse Mäuler", die sagten: "Wozu, höre doch auf damit." Wie weiter, diese Frage stellte sich wieder und wieder. Nun unterbrach ich die Tipperei und ging in den Garten. Auch dort spazierten "böse Mäuler", die sagten: "Wozu, höre doch auf damit. Im Suppermarkt kannst du alles viel billiger kaufen."

Am 5. Juni hatte ich auch Pech, denn das war der Beginn einer langen Phase von Schwierigkeiten mit dem MML-Programm. Selbst am 9. Oktober fühlte ich mich noch unsicher, und doch "musste" ich nun meine Texte korrigieren, um am 4. Februar 2019 am zweite Autobiographie Award teilnehmen zu können.
Ist die Erzählung von Wilhelm Tell wahr?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Ist die Erzählung von Wilhelm Tell wahr?
Der Apfelschuss! Ich hatte im Schauspielhaus darauf gewartet und ihn dann verpasst. Der Grossvater hatte mir von Tell erzählt. Der Vater und die Mutter hatten Teile der Tell-Geschichte in der Schule gelesen. Und Sie, meine Lesenden, was wissen Sie von Tell? Bitte, überlegen Sie. In unsrem Lesebuch der fünften und sechsten Klasse gab es zur Gründung der Eidgenossenschaft viele Lesestücke, in denen von mutigen Männern die Rede war. Ich zählte sie gerne auf: Gertrud Stauffacher, Werner Stauffacher in Schwyz, Walther Fürst aus Uri, Arnold von Melchtal und der Freiheitskämpfer Wilhelm Tell aus dem Schächental. Am Familientisch über das karge, harte Leben in den Bergen zu sprechen, gehörte in der Primarschule zu unseren Hausaufgaben. Ein Aufsatzthema lautete: Wenn meine Familie vor 700 Jahren gelebt hätte.... Wir waren frei im Schreiben, denn niemand wusste genau, wie es gewesen war. Die Frage, ob die Erzählungen über Wilhelm Tell wahr seien, beantwortete der Lehrer mit Ja und Nein. Er zeigte uns Bilder aus den Urkantonen, vom Vierwaldstättersee, von den Bundesbriefen und von all den Leuten von damals. Ich war stolz auf unsere Vorfahren.
In der Sekundrschule lasen wir WILHELM TELL, das Schauspiel von Friedrich Schiller, ein kleines kartoniertes Buch mit ca. 140 Seiten. Für uns, die Schüler aus dem mittleren der drei kleinen Dörfer war das einfach, da wir viel Vorwissen aus der Primarschule mitbrachten. Endlich, nach vielen Stunden kam die Szene mit dem Apfelschuss. Ich war enttäuscht. Alle zwei Jahre machte die Sekundarschule einen Sonderausflug ins Schauspielhaus Zürich. Ein Gedränge und Geschiebe, der Zug überfüllt und verspätet, das Tram überfüllt, der Eingang zum Theater überfüllt, ein Gedränge und Geschiebe. Ich war begeistert. Jeder Schüler hatte eine Platzkarte und wir waren angewiesen, entsprechend unserer Nummer zu sitzen. Was war das für ein Theater! Ich war begeistert.
2018: Ich erinnerte mich immer noch mit Freude und Schmunzeln an jenen Besuch, jene Aufregung im Schauspielhaus. Ist die Erzählung von von Wilhelm Tell wahr? Die Frage blieb offen.
Wie würdest du den Lehrer bzw. die Lehrerin charakterisieren? War er/sie z. B. gerecht?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Wie würdest du den Lehrer bzw. die Lehrerin charakterisieren? War er/sie z. B. gerecht?
Gerecht? Ja, ich empfand unsere Lehrer als gerecht. Die Nähschullehrerin und Mama teilten diese Meinung. "Habt ihr ein Glück, dass der Meier nach dem schlechten Wahlergebnis im Februar die Stelle gekündigt hat und verschwunden ist," die Rede war vom Vorgänger unseres Klassenlehrers. Der soll die Schüler mit "Schön-Schreiben mit der Spitzfeder" gequält haben und nachher hätte keiner eine Lehrstelle gefunden! Die Nähschullehrerin und Mama teilten die Meinung des Dorfes. Die Schulpflege soll erleichtert gewesen sein, als er den Hut nahm (Er trug auch tatsächlich immer einen Hut). Papa und ich enthielten uns der Stimme, denn wir hatten ihn nicht gekannt.
Nach dem Tod des Unscheinbaren hatten wir unterschiedlichste Stellvertreter. Den Unscheinbaren hatten wir nie gesund erlebt. Sein Ruf war gut, aber als wir die Sekundrschule begannen, musste er oft bereits müde gewesen sein, müder als er selber wahr haben wollte. Zusätzlich bereiteten ihm sein behinderter Sohn und seine schwächelnde Frau Sorgen. Er, der kranke Mann hätte stark sein sollen. Vieles verstand ich erst im nachherein und es tat mir leid, wie wir mit ihm unser grausemes Spiel gespielten hatten. Er muss gemerkt haben, dass seine Unterschrift von uns gefälscht wurde, aber es fehlte ihm die Kraft für Auseinandersetzungen. Dann kam, wie schon erwähnt, die Zeit mit den unsterschiedlichsten Stellvertretern. Dies war mir eine Herausforderung, denn jede neue Lehrperson gab mir die Möglichkeit für einen Neustart. Ich, mit meinem geheimen Plan, musste jede Möglichkeit nützen, um mehr über die Kantonsschule herauszufinden und um Lücken in meinem Wissen zu schliessen. Oft erklärten mir diese Stellvertreter noch Dinge nach der Stunde. Es schien das Hauptziel unserer Klasse zu sein, den geordneten Unterricht dieser Stellvertreter zu erschweren oder sogar zu verhindern. Warum? Mein Versuch, etwas dagegen zu unternehmen, brachte mir nur Spott und Hohn. Ich verstand nicht, warum die andern über mich Tuschelten. Es stimmte, die rassigen jungen Männer gefielen mir, aber warum eigentlich nicht. Sollte dies ein Grund sein, um nicht möglichst viel zu lernen. Ich verriet ihnen jeweils mein Geheimnis, und sie waren bereit, mich zu unterstützen. Warum sollte mich das nicht freuen?
Meine Lesenden, was machten Sie für Erfahrungen mit den Ihren Lehrern auf der Oberstufe? Waren sie gerecht? Was für Eigenschaften hat ein gerechter Lehrer? Ist das Leben gerecht? Kann das Leben überhaupt gerecht sein?
Hast du ihn/sie wieder einmal gesehen? Was ist aus ihm/ihr geworden?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Hast du ihn/sie wieder einmal gesehen? Was ist aus ihm/ihr geworden?
Unser Klassenlehrer schied breits nach drei Jahren aus dem Schuldienst aus und studierte Geographie. Es sei mit einer vornehmen Frau liiert und der genüge ein Sekundarlehrer nicht. Er dokturierte später in Geographie und unterrichtete in der Hauptstadt.
Die vielen Stellvertreter tauchten auf und tauchten wieder unter. Nur der kleinen übergewichtigen Frau Doktor, die nach dem Tod ihres Mannes aus Argentinien in die Heimat zurückgekehrt war, begegnete ich Jahre später in der Stadt am See. Sie erinnerte unsere Klasse als sehr schwierig. Der Singlehrer und viele andere blieben dem Dorf noch lange Jahre treu. Der Pfarrer trat kurz nach meiner Konfirmation im Alter von 77 Jahren zurück. Die Nähschullehrerin heiratete einen Kunstmaler und unterrichte bis zu ihrer Pensionierung. Die Kochschullehrerin kündigte ihre Stelle, weil die Schulpflege ihr nach zehn Jahren Dienst nicht einmal einen kleinen Brief geschrieben hatte.
2018 Ich dachte gerne an meine damaligen Lehrpersonen zurück, die wir damals genderneutral, einfach Lehrer nannten.
Was tun mit Fragen ohne Antwort?
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1.1.  Sekundarschulzeit – Teil 2: Oberstufe, Sekundarschule.

Was tun mit Fragen ohne Antwort?
Meine Lesenden, ich schreibe meine Lebensgeschichte für Sie, die Sie zum Vergnügen lesen und für die Forschenden im nächsten Jahrhundert. Sie sollen alle von der Cloud "Meet-my-life.net" vorgeschlagen Fragen kennen auch wenn ich diese übersprungen habe. Fragen, die ich nicht bearbeitete, verschwinden nämlich. Deshalb habe ich diese für Sie aufgelistet. Strengen Sie sich bitte an, um Antworten zu finden. Es lohnt sich!
  • Wie waren deine Schulleistungen? Wie dein Verhältnis zu Hausaufgaben? Half die jemand?
  • Erinnerst du dich an Bestrafungsmethoden in dieser Schulstufe? Wie beeinflussten diese deine schulischen Leistungen?
  • Wir reagierten deine Eltern auf Zeugnisse?
  • War der Weg ins Gymnasium / zu einem Studium ein Thema? Inwiefern und für wen alles?
  • Ab wann war die spätere Berufswahl ein Thema?
  • Was tatst du in deiner Freizeit? In den Ferien? Mit wem verbrachtest du diese vorwiegend?
  • Gab es Gruppen, zu denen du gehört hast oder nicht?
  • Hattest du zu dieser Zeit schon einen Schulschatz?
  • Wie war dein Temperament in dieser Zeit? Machte dich etwas wütend oder traurig?
  • Was hättest du in dier Zeit lieber nicht erlebt? Hast du auch düstere, schlimme Erinnerungen an die Schulzeit?
  • Hast du jemals ein Tagebuch geführt? Falls ja, ab wann, wie regelmässig? Später auch noch?
  • Warst du ein guter Schüler? Gab es Rivalitäten unter den besten Schülern?
Ich hatte hier unterbrochen, denn meine für die Sekundarschule eingeplante Schreibzeit war abgelaufen.
Erinnerst du dich an den Entscheid, ob Sekundarschule oder Gymnasium?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Erinnerst du dich an den Entscheid, ob Sekundarschule oder Gymnasium?
MML: Wie habt ihr entschieden, und was waren die Gründe für deine Wahl? Hat dich jemand beeinflusst?
Schon in der Primarschule war mein Berufsziel: "Etwas von der Universität". Folglich sollte ich ins Gymnasium. Doch bereits in der fünften Klasse hatte ich aufgehört, davon zu sprechen. Mein geliebter, weisshaariger Primarlehrer lachte: "Mach keine solch abwegigen Pläne," und die Mutter gab mir mehr Arbeit. In der sechsten Klasse hatte ich ein Vorbereitungsblatt für die Aufnahmeprüfung ins Gymnasium fast fehlerfrei gelöst. Ich streckte dem Lehrer das Blatt mit seinem Vermerk "ausgezeichnet" entgegen und schaute ihn mit grossen Augen an. Er schüttelte nur den Kopf. Die Frage war entschieden.
Ich ging in die Sekundarschule. Die Probezeit erklärten meine Eltern zur Schonzeit. Dann war es vorbei. Meine Kraft reichte bald nicht mehr. Da riefen Feldarbeit, Hausarbeit, Schularbeit, der Schulweg, die Besorgungen in Dorf und die Hausaufgaben. Alles konnte nur solala erledigt werden. Nach der Probezeit wurde ich zugedeckt, ich ging unter und bemühte mich, es allen so recht wie möglich zu machten. Ich dachte und plante nichts mehr. Das Leben überrollte mich. Einziger Lichtblick waren der Pfarrer und sein Religionsunterricht. Und, Achtung, das wusste niemand, in Beachtung des Gebots "liebe den Nächsten, wie dich selbst", schenkte ich mir, mir selber immer wieder kleine Inseln des Glücks. Mit dem guten Gefühl, mir drei solche Inselchen gegönnt zu haben, fiel ich viele Abende zu müde ins Bett und musste zu bald wieder aufstehen. Die Hausaufgaben warteten!
Meine Lesenden, täusche ich mich, wenn ich vermute, dass Sie neugierig sind, etwas mehr von meine Augenblicken des Glücks zu erfahren? Stopp, bitte überlegen Sie zunächst, was bei Ihnen Gefühle von Glück auslöst.- Nun, was waren meine Glücksmoment Ende der 50er Jahre? Ich ahmte die Grossmutter nach. Sie hatte immer wieder gesagt: Wie schön ist die Frische des Morgens, wie gut der Duft das Lindenbaums, oder ich spüre meinen satten Bauch. Es waren Kleinigkeiten: Der Rückenwind auf dem Schulweg, der Wechsel der Jahreszeiten, Tierbeobachtungen, die blühenden Geranien auf den Fensterbänken, das kräftig wachsende Gemüse im Garten, der Duft von frisch geschnittenem Gras, von Heu, Erde, Wolken ... . Ein Moment Muse mit offenen Augen und schon streift mich ein Hauch von Glück. Als sich meine Kameraden über die Berufswahl unterhielten, nahm ich das Ruder wieder in die Hand. Mein Berufsziel war klar: "Etwas von der Universität."
Zu den Zusatzfragen von MML: Wie habt ihr entschieden?  Mein Weg war vorbestimmt: Mithilfe auf dem Bauernhof. Da gab es nichts zu entscheiden, doch auch ich hatte mich längst entschieden: Etwas von der Universität, dazu musste ich in die Kantonsschule. Die Gründe meiner Wahl? Ich war wissenbegierig und ich wollte viel verdienen. Ich wollte die weite Reisen nach Amerika machen und die Kinder in Afrika besuchen. Vielleicht wie Livingstone quer durch Afrika reisen. Ich wollte ausprobieren, was möglich war. Hat dich jemand beeinflusst? Niemand hat mich unterstützt. Alle bremsten mich. Natürlich, ich war keine Spitzenschülerin, aber ich wollte es probieren.
War das die richtige Wahl?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

War das die richtige Wahl?
MML: Weshalb?
2018:
Kam das Gespräch auf die berufliche Ausbildung, so hörte ich schon bald: "Oh wie schön, ich wäre auch gerne Lehrerin geworden, aber es gab keine Möglichkeit. So wurde ich eben Krankenschwester und das ist auch gut." Und ein, zwei Jahrzehnte später tönte es: "Leider bestand für mich keine Möglichkeit das Gymnasium zu besuchen. In meiner Familie, in meiner Umgebung wurde nicht über höhere Schulen gesprochen. Eine Berufslehre, das war üblich. Ich machte das KV." Meinen Satz: "Sei froh, es war hart!" erreichte meine Gesprächsprtner und Gesprächspartnerinnen nicht. Das Geleiher dauerte auch 2018 noch an: "Nur weil ich keine Akademikerin bin ... . Du musst verstehen, ich bin kein Akademiker ... ".
Ich hatte damals nicht ausgewählt. Ich wagte den Versuch und begann den Hindernislauf.
Wie hast du diese Schulzeit erlebt?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wie hast du diese Schulzeit erlebt?
Allein auf dem Heimweg war ich oft glücklich und stolz, ich hatte es geschafft, ich ging in die Kantonsschule. Keine Diskussion! - In der Pause war ich ein niemand und beim Turnen und Singen glaubte ich zu stören. In meinen Selbstgesprächen nannte ich mich manchmal Kanti-trotz-allem, analog zu Pfadi-trotz-allem. Mehrere Mitschülerinnen kam am Gebutstag des Gründers der Pfadfinderbewegung Robert Baden-Powell in der Uniform zur Schule. Eine von ihnen leitete die Pfadi-trotz-allem, eine Gruppe für behinderte Kinder.
Und sonst, wie kamest du mit den Mitschülern aus? Zunächst konnte ich mich mit meiner Banknachbarin anfreunden, doch wie Susi in der Sek. wohnte auch sie in der Gegenrichtung, und sie kam mit dem Zug. Sie fand bald in ein anderes Mädchen, das auch mit dem Zug fuhr. So konnten die beiden gemeinsam vom Bahhof zur Schule und von der Schule zum Bahnhof gehen. Unter so vielen Mädchen wird doch eine Freundin für mich versteckt sein! Ich war optimistisch. Das erste Mal, zufällig hatten Ide und ich uns beim Fahrradständer getroffen und angeschaut. Bei der Stoppstrasse schauten wir uns wieder an und lachten. Im dichten Verkehr folgte ich ihr nun ein langes Wegstück. Dann bog sie rechts ab. Ich rief tschüss und sie winkte zurück. Am nächsten Tag betraten wir gleichzeitig dasselbe Schulzimmer. Wir lachten: "Wir gehen ja in dieselbe Klasse." Ide war eine gute Schülerin und sie wollte immer besser, besser werden. Ide sang schön, Ide spielte Geige im Schülerorchester, und Ide verteidigte mich gegenüber dem Turnlehrer. Sie hielt zu mir. Der Platz neben ihr war immer frei für mich.
Der Singlehrer anerbot sich, mir allein Privatstunden zu geben. Ich wagte nicht abzulehen, aber mir allein? Ide begleitete mich. Sie liess sich wegschicken. Er spielte Klavier und wir sangen gemeinsam: "Nun lässt der Lenz uns grüssen .... " Meine braungebrannten Arme gefielen ihm. Er wollte wissen, ob meine Beine auch so braun seien. Wir sollten uns nächste Woche wieder treffen. Ich sprach sofort mit Tina, einer sehr guten Schülerin, einer Lehrerstochter. Ihr Vater forderte sie auf, mich zu begleiten und sich nicht wegschicken zu lassen. Der Sänger hatte zwei andere Nachhilfeschülerinnen, mit denen fuhr er im Auto weg. Sie hatten mir von seiner Grosszügigkeit erzählt. Die Grossmutter und Mama schüttelten den Kopf, dem gefallen deine braungebrannten Arme? Das ist nicht gut. Tina's Vater informierte sich. Daraufhin wurde der Sänger freigestellt. In der Befragung antwortete ich, ich hätte ein Ungutes Gefühl gehabt, weil er Ide weggeschickt hatte. Ein Lehrer hätte nicht nach meinen Beinen zu fragen. Deshalb hätte ich Tina gebeten, mit ihrem Vater, einem Lehrer zu sprechen. Das sei alles. Ich hatte die beiden privaten Singschülerinnen oberflächlich gekannt. Sie waren nachher nicht mehr zu sehen. In der Sekundarschule hatte es eine ähnliche Geschichte zwischen Schülern und Schülerinnen gegeben. Nach einem Klassenfest durften sie gemeinsam auswärts den Rest der Nacht verbringen. Mit Mama hatte ich über solche Sachen gesprochen. Deshalb war es für mich eine Selbstverständlichkeit, mich zur vereinbarten Zeit mit der grossen Gruppe auf den Heimweg zu machen.  
Ide und ich tauschen all unsere Sorgen aus. Wir wünschten uns beide in einem Internat mit einer grossen Bibliothek zu wohnen, ohne Schulweg, ohne Familie, ohne Dorf. Wir wollten viel lesen, am Sonntag weit wandern, picknicken, unter einem Baum ausruhen und das Abendessen mit einem Tischgebet beginnen. Jedes Wochenende als Abwechslung und zur Unterhaltung einen schönen Film anschauen oder ein Schallplattenkonzert hören. Eine strenge Schule, doch nicht zu streng, viele Hausaufgaben, doch nicht zu viele. Es würde uns Zeit und Kraft bleiben, um den ziehenden Wolken nachzuschauen und den Wind auf unserer Haut zu spüren. Wir würden das Zimmer teilen. Ide wollte in der Küche und ich im Garten helfen. Sie würde die Katze umsorgen und ich die Kaninchen. Beide würden wir Tagebuch schreiben und beide wünschten wir uns einen Freund.
2018 war ich am Wochenende Hütefrau in einem Wohnheim einer internationalen Maturitätsschule. Ob der Menge von Hausaufgaben, welche diese Schüler und Schülerinnen zu bewältigen hatten, staunte ich jedes Wochenende. Wegen der Kopfhörer oft schwer ansprechbar, beugten sie sich über ihre modern Lehrmittel oder lernten unterstützt von Computerprogrammen. Zwischen durch schauten sie auf Youtube Filme oder telefonierten mit den Eltern und Freunden in der fernen Heimat. Von Ausgang war - wie in meiner eigenen Kantizeit - keine Rede. Wollten sie nach sechs Uhr das Haus verlassen, und sei die um etwas frische Luft zu schnappen oder um am nahen Tankstellen-Shop etwas Süsses zu kaufen, mussten sie sich Abmelden und wieder Zurückmelden. In den 80er Jahren war unseren halbwüchsigen Pflegekinder der Ausgang am Wochenende das wichtigste: Am Freitag bis zehn Uhr, am Samstag bis Mitternacht, als besondere Belohnung bis zwei Uhr morgens. Sie tanzten im prall gefüllten, verrauchten Jugendkeller zu lauter Musik. Im letzten Moment trafen sie jeweils gähnend und verschwitzt daheim ein: Vor dem Einschlafen noch kurz Duschen und in der Küche etwas nehmen. Obst, Brot, Käse, Süssmost, Tee oder Wasser standen bereit.
Meine Lesenden, wie haben Sie Ihre Ausbildungszeit, die Teenager Jahre erlebt? Hatten Sie genügend Taschengeld?
Wie war der Schulweg?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wie war der Schulweg?
MML: Hast du Transportmittel benutzt?
Fahrrad oder Eisenbahn, das war die Frage: Ein Kilometer Fussmarsch, sieben Mintuten Zugfaht, nochmals 1,3 Kilometer Fussmarsch oder 8 Kilometer durch die Natur und durch die Stadt zur Schule radeln? Dass die Mädchen, welche die einjährige Haushaltschule besuchten, die Variante Zug bevorzugten, war klar. Eine junge Frau, die etwas auf sich hält, will sauber, gepflegt und ausgeruht an ihrem Zielort eintreffen. Mit dem Fahrrad bei all den Gefahren, im Verkehr, bei Wind und Wetter auf der Strasse unterwegs? Nein. Da gab es nichts zu überlegen. Richtig ist, Maman, die Frau, die es immer eilig hatte, war die einzige, die auf zwei Rädern in die Stadt sauste. Bei den vielen, vielen Arztbesuchen, konnte sie doch nicht jedes Mal einen halben Tag Arbeitszeit verlieren!
Die Eltern boten mir die Zugfaht an, doch ich bevorzugte mein Fahrrad. "Nein, nein, dem fehlt ja immer etwas! Du brauchst ein neues," entschieden sie. Ich erhielt also das zweite Mal ein neues Fahrrad. Wir kauften es wieder beim Militärkollegen des Vaters. Wir wählten ein teures, stabiles Rad, mit Gepäckträger, drei Gängen und zwei Bremsen. Der Laden und die Werkstatt lag auf dem Weg zur Kantonsschule. Die Druckpumpe war öffentlich zugänglich und Pumpen war wöchentlich nötig. Es hiess, bei Problemen jeglicher Art dürfte ich mich in der Werkstatt melden. Seine Frau sei meistens zuhause und für Notfälle hätten sie ein Telefon. Die Druckpumpe war fantastisch. Mit Vaterstolz anvertraute er uns, seine Tochter könne im Herbst an der Kantonsschule den Kurs für Quereinsteiger in den Lehrerberuf besuchen. Die strenge Prüfung sei eine Chance gewesen, denn durch das "Püffeln" habe sie ihren Liebeskummer vergessen. Diese junge Frau galt als Schönheit und war übel verschmäht worden, das war weitherum bekannt.
Nun zu meinen Fahradfahrten: Bei Wind und Wetter, bei Hitze und Kälte, jeden Tag war ich unteregs. Ich war stolz auf meine Leistung. Ich gewährte mir genügend Zeit, damit ich vor Unterrichtsbeginn die Haare ordnen und Wasser trinken konnte. Für die Pause legte mir Mama jeden Montag sechs Fünfziger bereit, damit ich mir wie die andern am Kiosk etwas Süsses kaufen konnte. Bald versuchte ich die Eltern davon zu überzeugen, dass es besser wäre, wenn ich in der Mittagszeit in der Stadt bliebe. Sie wollten nicht, ich wollte und ich blieb. Sie wussten ja, wo ich war. Ihre Sorge war vorgetäuscht. Es war doch sinnvoller, eine Kleinigkeit mitzunehmen, Hausaufgaben zu machen, mich auszuruhen und Kraft für den Nachmittag zu sammeln statt 45 Minuten durch den Mittagsverkehr zu radeln, schnell, schnell etwas zu essen und wieder 45 Minuten auf dem Fahrrad. Alle sahen das ein nur Papa nicht. Wollte er eine Rennfahrerin aus mir machen? Nein, nein. Er war ein wenig neidisch oder eifersüchtig auf unbekannt.
Die Bewohner des kleinen Dorfes in der Mitte glaubten, ich würde wie für Mädchen üblich die einjährige Haushaltsschule besuchen. "Die mit dem neuen Fahrrad! Sie kann es nicht lassen, etwas besseres sein zu wollen", tuschelten sie. Unser Posthalter und Briefträger war informiert. Er war der einzige, der manchmal nach meiner Schule fragte. Ich gab ihm nur unwillig und mürrisch Antwort, was ich Jahre später bedauerte. Es wäre mir doch kein Stein aus der Krone gefallen, wenn ich meine Erfahrungen mit ihm geteilt und ein wenig Interesse für seine schwierige Jugend gezeigt hätte. Doch ich war misstrauisch, weil er Mitglied einer missionarischen Freikirche war. Und ich, ich fühlte mich doch wie meine Grossmutter und Papa beim Gott der Landeskirche geborgen und beschützt. Natürlich hatte ich als Unterstufenkind seine Gemeinde regelmässig besucht, weil wir mit dem Auto abgeholt wurden.
Der Schulweg: Warst du auch Abends mit dem Farrad unterwegs ?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Der Schulweg: Warst du auch Abends mit dem Farrad unterwegs ?
Um fünf Uhr morgens schon unterwegs? Sicher, denn wir trafen uns um Viertel vor sechs für die Schülerreise in der Schalterhalle. Ich brauchte noch ein wenig Zeit, um das Fahrrad am Bahnhof einzustellen. Die können alle Fahrräder stehlen, nur meines nicht. Ich hatte keine Lust eine Vermisstanzeige zu machen und ein klappriges Ersatzrad zu benutzen.

Um 22 Uhr abends immer noch unterwegs? Unsere Klasse hatte das Stadttheater besucht. Es klappte zeitlich gut, die Schüler erreichten den Nachtzug ohne Mühe und die Eltern holten sie an der Station ab. Es war klar, dass auch ich abgeholt wurde. Aber von wem? Das interessierte niemanden ausser den italienschen Gastarbeitern im Nachbarhaus. Wir waren uns einmal - es war Spätherbst und früh dunkel - um halb sieben unterwegs begegnet. Wir fuhren gemeinsam plaudernd weiter und schoben unsere Räder die Steigung hinauf zum kleinen Dorf in der Mitte. Plötzlich standen die jungen Männer still und diskutierten in ihrer Muttersprache. Dann erklärten sie mir: "Du darfst nicht mitten in der Nacht allein radfahren. Wir holen dich immer ab. Du bist unsere Schwester!" Versprochen, versprochen. Treffpunkt war der PingPong-Platz und ich versprach ihnen am Vortag eine Notiz in den Briefkasten zu werfen. Keine Angst, wir kommen immer zu zweit! Es klappte gut. Es stimmte, auch ich wurde abgeholt, obwohl niemand wusste von wem.

Nach Weihnachten fiel mein Abholdienst drei Monate aus, aber von der Grossmuter ich wusste, wie ich mich zu verteidigen hatte. Sie ermahnte mich immer wieder, achtsam zu sein, denn es müsse schnell gehandelt werden. "Bist du misstrauisch, gehe einen Schritt auf deinen vermuteten Gegner zu. Weicht er zurück, ist alles gut. Dann heisst es: Ruhig bleiben, weitergehen und überwachen. Bleibt er stehen, mach einen weitern Schritt und begebe dich in Stellung. Mit dem hintere Bein, das Knie kräftig hoch zwischen seine Beine, gleichzeitig die Finger der einen Hand in die Augen, mit dem andern Arm um den Hals fassen und mit der Hand im Gesicht und dem ganzen Körper mit aller Kraft rückwärts stossen, damit er fällt. Dann schlägst du mit den Fäusten, nachher mit den Füssen mit aller Gewalt auf ihn ein. Nur ins Maul, auf den Laib und zwischen die Beine, nicht ins Gesicht, nicht an den Kopf. Dann kehrt und weg. Die Entschlossenheit und Gewissheit meiner Grossmutter waren auf mich übergesprungen. Sie sassen mir in den Knochen. Ich hatte die Methode der Grossmutter zwanzig Jahre später erstmals angewendt.
2018 - Waren damals Wörter wie "Klimawandel, Energiewende und Extremwetterereignisse" tatsächlich in aller Mund?
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2018 - Waren damals Wörter wie "Klimawandel, Energiewende und Extremwetterereignisse" tatsächlich in aller Mund?
Eine Mitteilung an meine Lesenden: Ich schrieb meine Lebensgeschichte, als Teil des kulturellen Erbes für spätere Forschergenerationen (etwas Eingebildet, nicht wahr). Ob mir beschieden sein wird, über das Jahr 2018 und die folgenden Jahre jemals noch zu schreiben, das konnte ich nicht wissen. Darum hatte ich beschlossen, wichtige Ereignisse oder Schlagwörter wie "menschgemachter Klimawandel" oder "Energiewende" und "Extremwetterlage" laufend festzuhalten und kurz zu kommentieren. Diese Themen beschäftigten mich sehr und brachten mir viel Unbill. Sie zu überspringen oder meine Überzeugung zu verschweigen, wäre unehrlich gewesen. Ich hatte lange an dem Text gearbeitet und mich bemüht, mich kurz zu fassen.  
Am 11. März 2011 sass ich in der Wartehalle im Flughafen von Kinshasa (Kongo) bereit, um zurück nach Europa zu fliegen. Da begannen sie auf dem Bildschirm die Nachricht von katastrophalen Zerstörungen in Japan zu wiederholen. Ein Tsunami hätte weite Strecken der Westküste verwüstet, Häuser weggeschwemmt und die Sturmflut habe tausende von Opfer gefordert. Ich ahnte nicht, dass dieser Tsunami der Auslöser für eine Änderung der Energiepolitik in Deutschlands und in der Schweiz werden sollte. Vor dem 11. März 2011 hatte die Schweiz erneut Wert auf eine unabhänige Energieversorgung gelegt. Sie hatte geplant, die drei Atomkraftwerke der ersten Generation zuersetzen (Einschübchen für Internetscheue: Beznau I 1969, Beznau II 1971, Mühleberg 1972, mit je ca. 350 Mega-Watt (MW) = 350'000 kg/Watt = 350'000'000 Watt = 3'500'000 100Watt Glühbirnen. Otto-Normal-Verbraucher hatte in den 1970er Jahren weder Computer noch Internet noch Handy). Jedes der drei geplanten Atomkraftwerke, deren Standort wieder in Beznau und Mühleberg sein sollte, hätte mit je 1.5 GigaWatt die Gesamtleistung der drei in die Jahre gekommenen ersetzt. Damit sollte die durch den Verzicht auf Kaiseraugst und Graben entstandene Auslandabhänigkeit überwunden und das Winterloch gestopft werden. Im Sommer hätten die Kraftwerke zur Revision alternierend abgeschaltet werden können.
Das schien mir auch 2018 noch  sinnvoll. Ich misstraute den Massenmedien, die laufend wiederholten, es werde bald genügend Speicherkopazität zur Verfügung stehen, um das Winterloch mit der im Sommer im Übermass anfallenden Wind- und Sonnenenergie zu überbrücken. Ich wollte an 365 Tagen während 24 Stunden elektrischen Strom aus den Netz beziehen und nicht von einem Generator im Keller. Liebe Lesende, so "Zahlenhaufen" (wie oben einer angeführt) zu verstehen, das fiel mir äusserst schwer, aber ich wollte "wissen", "glauben" genügte mir nicht. Einerseits machte es mir jedoch Spass, Energie zu sparen und meinen Lebensstandart tiefzuhalten. Andererseits beunruhigte mich aber der pro Kopf der Bevölkerung stetig steigende Energiekonsum (Open Airs in jeder Stadt). Ich hatte in der Primarschule gelernt, das Klima ändere sich unaufhaltsam. Seit Jahrtausenden würden sich warme Zeiten und Eiszeiten abwechseln und zwar in unterschiedlicher Schnelle. Vor diesem Hintergrund schien mir die Formulierung "menschgemachter Klimawandel" ein klein wenig arrogant. Liessen sich damit Partikularinteressen rechtfertigen? Die vorhergesagte Zunahme von Extremwettereignissen basierten auf Computersimulationen. Die Unterlagen verschiedener Wasser- und Schiffarts-Ämter und des Deutschen Wetterdienstes liessen dagegen für die vergangenen 150 Jahre keine Zunahme von Extremwetterergnissen erkennen. Werden mit diesen konkret vorhandenen Daten die oben erwähnten Computersimulationen für die Vergangenheit gemacht, so stimmen die Ergebnisse nicht mit den in der Verhangenheit gemachten Messungen überein. Mein Mann griff in seinen Leserbriefen zu diesem Riesenthema immer wieder konkrete lokale Fragen auf. Wenigstens einen von diesen wollte ich "verewigen". MML schien mir dazu geeignet.
Nun also der Leserbrief, veröffentlich am 20. Juni 2018: Die Verantwortlichen beim Elektrizitäts Kraftwerk Schaffhausen, darunter mehrere ETH-Ingenieure, waren einen Tüftler aufgesessen, der von sich behauptete, die Gesetze der Physik aufheben zu können.",schriebt Z. Geisseler zum Wunderwindrad "Hans". Es sind weniger die CHF 800'000, die da überflüssigerweise in den Sand gesetzt wurden, vielmehr erscheint uns bedenklich, dass unsere künftige Stromversorgung - Stichwort Energiegesetz - von Leuten abhängig ist, welche sich zugunsten des Prinzips "Follow the money" (= Subventionen) nicht um physikalische Gesetze scheren. Sogar die renommierte Rüstungsfabrik RUAG hat bei dem Schildbürgerstreich mitgemacht und - besonders bedenklich - die ZHAW Winterthur, Abteilung Aviatik - auch dort sind ETH-Ingerniere tätig -, die sich ein "Begleitforschungsprojekt" für "Hans" mit CHF 140'000 aus einem Fonds der Stadt Winterthur finanzieren liess. Darf da Vertrauen aufkommen, dass der Zubau von Solaranlagen und Windrädern die Kernkraftwerke ersetzen kann, wie propagandistisch immer wieder behauptet wird? Auch dabei stehen die Physik und die Naturgesetze im Weg. Stimmen von Fachleuten, welche immer wieder auf Ungereimtheiten hinweisen, werden als "Atomlobbyisten" und "Ewigvorgestrige" abqualifiziert. Es steht jedem frei, Kernenergie und Fossile Kraftwerke als "dreckig" zu bezeichnen. Doch der frühere deutsche Bundeskanzler Adenauer sagte einmal in einem anderen Zusammenhang: "Solange ich kein saubere Wasser habe, schütte ich das schmutzige nicht weg." Will heissen: Ein valabler Ersatz für den "Dreckstrom" - vor allem im Winter -, welcher die Versorgungssicherheit gewährt, ist nicht in Reichweite. Naturgesetze lassen sich nicht durch Volksabstimmungen verbiegen." Ende Leserbrief.
Die kommenden Generationen sollen wissen, dass es Widerstand gegen den von den Massenmedien geschürten Mainstream, den Glauben an Wind- und Solarenergie gab. Menschen wie ich waren von der Weiterentwicklung der Kernkraftwerke überzeugt. 2018 besassen die meisten Leute ein Smart-Phone und sie waren online. Ein Smart-Phone brauchte damals gleichviel elektrischen Strom wie der Familienkühlschrank. Die schon immense Datenmenge nahm rasant zu. In Nordeuropa lebten grosse Städte von der Arbeit an den erfoderlichen Speicheranlagen für diese Daten. Zum Thema "Extremwetterlagen", googeln Sie, meine Lesenden doch bitte das Stichwort "Magdalenenflut 1342"!
2018 - ein 50jähriges Organistenjubiläum, gibt es so etwas noch?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - ein 50jähriges Organistenjubiläum, gibt es so etwas noch?
Auf den Sonntag 1. Juli 2018 hatte Gertrud Walch zu ihrem 50jährigen Organistenjubiläum in der Kirche Oberhallau eingeladen. Kaum vorstellbar, Gertrud hatte dieses Amt also 1968 übernommen. Ich packte die Gelegenheit und machte die längst geplante Radtour durch den Klettgau. Ich traf früh ein und fuhr noch eine Runde durch das gepflegte kleine Dorf: Seite an Seite nicht mehr bestimmungsgemäss genutzte Miststockeinfassungen. Kein Einfamilienhaus-Gürtel. Viele Blumen in den Vorgärten neben den parkierten Autos. Dann setzte ich mich eine Weile auf die Bank vor dem schönen Gemeinschaftsgrab neben der Kirche. Die Glocken begannen zu läuten und die Kirchenbesucher kamen. Da gab es kein Zögern. Auch ich ging zügig in die Kirche hinein. Mein Ziel war ein Platz mit Sicht in den Chor. Bald war das Kirchenschiff voll. Es blieb Zeit, sich umzusehen. Vorn die prächtige Orgel, davor die Kanzel, links der Platz der Organistin, davor Platz für den Chor und über der Eingangstüre war zu lesen "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen". Über der rechten Eingangstüre stand "Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euer erquicken". Sprüche, die in der Kirche ihrer Heimatgemeinde vor 50 Jahren übertünscht wurden. Wer nun noch kam, der stieg hinauf auf die Empore. Kein Platz blieb frei. Ein Horn-Duo eröffnete den Gottesdienst. Der gemischte Chor, die Orgel, ein Euphonium, eine Posaue, eine Querflüte, eine Sängerin und zwei Dudelssäcke musizierten in verschiedenen Kombinationen. Ausgehend von Psalm 150 sprach die Pfarrerin über das Verbindende der Musik. Das Wort Orgel stamme aus dem griechischen. All Pfeifen gemeinsam, die Orgel seien ein Werkzeug zum Lobe Gottes. So sei auch die versammelte Gemeinde ein Werkzeug zum Lobe. Wir seien die Pfeifen und erklingen gemeinsam durch den Windhauch des heiligen Geistes. Die Pfarrein lobte inbesondere den kräftigen, voll Gesang der Gemeinde. Auch der Schreibenden fiel auf, wie die Gottesdienstbesucher auswenig und aus voller Kehle sangen. Im Rahmen seiner Verdankung verlass der Gemeindpräsident den Bericht, den die NZZ am 25. August 1968 veröffentlicht hatte:
"Das Kind im Kirchenamt" lautete die Überschrift 1968. "Im Klettgau wächst der Wein und wächst ein musikalisches Talent heran. Seit sechs Wochen nämlich versieht die vierzehnjährige Realschülerin Gertrud Walch das Amt der Organistin der Kirchgemeinde Oberhallau. Ernsthaft sitzt sie mit ihren beiden braunen Haarschwänzchen an der 46 Jahre alte Kirchenorgel und leitet den sonntäglichen Gottesdienst ein. Während ihrer kurzen Amtstätigkeit hat Gertdrud bereits den musikalischen Rahmen zu einer Begräbnisfeier gegeben. Da sie ein hochgeschossenes Mädchen ist, mit langen Beinen - sie überragt bereits ihre Mutter - bereitet es ihr keinerlei Mühe, die Pedale zu treten.
Wie das Kind so früh zu seinem Amt kam? Die Lehrerin von Oberhallau, die als Organistin in der reformierten Dorfkirche gewirkt hatte, ist als Missionarin nach Neufundland gereist und liess ihren Platz an der Kirchenorgel verwaist zurück. Die einzige gute Organistin der Gegend, die diesen Platz hätte besetzen können, was das Kind Gertrud aus dem nahen Dorf Wilchingen. Gertrud hatte im Alter von zehn Jahren bei ihrer Tante, einer Schullehrerin, Klavierunterricht genossen, und wurde hierauf vom Musiklehrer und Komponisten Hans Bernhard Leu aus Schaffhausen für die Orgel entdeckt. Fortan reiste das Kind jede Woche mit der Deutschen Bundesbahn, dem "Schwabenbähnli" wie man im Klettgau sagt, nach Schaffhausen, um sich bei ihrem langhaarigen neuen Lehrer in der Harmonielehre und im Orgelspiel weiterzubilden."Gertrud machte unglaublich rasch Fortschritte", sagte Hans Bernhard Leu begeistert, "sie ist eine wirkliche Begabung."
Geerbt hat sie diese Begabung nicht. Ihre Mutter bearbeitet allein 58 Aren Reben und ist dafür besorgt, dass aus den blauen Burgundertrauben der berühmte Wilchinger Wein entsteht. Der Vater betreibt eine Zimmerei. "Mein Mann und ich haben nie ein Instrument gespielt", erklärt Frau Walch, "und unsere zweite Tochter hat Mühe mit der Blockflöte - Gertrud scheint aus der Art zu schlagen." Als Gertrud mit dem Orgelunterricht begonnen hatte, hatte sich die Frage gestellt: Wo soll das Kind üben? In der Wilchinger Kirche stand wohl eine Orgel, aber die Kirchgemeinde verwehrte Gertrud die Benützung und fasste den Beschluss, man dürfe erst vom sechzehnten Altersjahr an die Kirchenorgel in Anspruch nehmen. Gertrud aber war, als sie mit dem Orgelunterricht begann, zwölf Jahre alt. In ihrer Not kauften ihre Eltern eine elektronische Orgel, auf der das Kind nun nach Herzenslust üben kann. So verschieden sind die Ansichten der Gemeinden: die eine verwehrt einem Kind das Benützen der Kirchenorgel - die andere stellt dasselbe Kind als Kirchenorganistin an. Zitatende.
Nach dem Gottesdienst spielte die Musikgesellschaft Hallau zum Apéro und darnach servierte der Verein Mitenand im Zelt vor der Kirche ein Mittagessen. So feierte also das Kind von damals 50 Jahre später sein Organistenjubiläum. Herzliche Gratulation.
Nachtrag: In der NZZ wurde nichts erwähnt. Ich hatte sie rechtzeitig informiert.
Der Schulweg: Warst du täglich unterwegs? Ach bei grosser Kälte, als der See zufrohr?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Der Schulweg: Warst du täglich unterwegs? Ach bei grosser Kälte, als der See zufrohr?
Ja, und ich war nie krank. Im Laufe eines Grippewinters wurde unsere Klasse zweimal drei Tage geschlossen, da mehr als das erforderliche Drittel aller Schüler gefehlt hatte. Es hiess, all seinen einmal, die meisten zwei- oder mehrmals krank gewesen. Meine Ergänzung: "Alle ausser mir" wurde nicht gehört oder als unwahr beiseite geschoben. "Unwichtig, etwas sagen, bringt nichts", ich wischte die Tatsache weg. Bevor der Klassenlehrer sich an den Schularzt wandte, fragte er nach unseren Absenzen und notierte diese. Alle ausser mir hatten gefehlt. Ein Teil der Mitschüler wollte es besser wissen. Der Klassenlehrer verglich unsere Angaben mir dem Absenzenbuch. Dieses bestätigte meine Aussage. Der Klassenlehrer gratulierte mir.

Meine Windjacke galt als abgetragen, alt und nicht mehr wintertauglich. Obwohl ich sie gerne trug, musste im Herbst 1962 etwas neues her. Mama wählte wieder einmal das schönste. Keine Windjache, sondern einen dreiviertel langen olivgrünen Mansestermantel. Sicher, er schien mir praktisch, aber ich wollte ihn nicht. Er schien mir zu modisch und zu teuer (112.00 Franken) und zu auffällig. Die Verkäuerinnen und Mama überzeugten mich. Er war etwas weit. Gut, da konnte ich zusätzlich einen dicken Pullover anziehen! Etwas scheu trug ich ihn das erste Mal. Viele bewundeten mich. Ein Lehrer meinte, ich sei gut für den Winter gerüstet. Dieser setzte tatsächlich bereits Mitte November kräftig ein. Er begann mit minus zehn Grad. Sachte fiel feiner Pulverschnee und deckte die Felder zu. Ich trug freiwillig Strümpfe und als einzige lange Hosen, ein dickes Halstuch, eine Mütze und zwei Paar Handschuhe. Dann wurde es merklich milder. Die Temperatuten stiegen auf nur - 5 oder - 2 Grad.  Über die Festtag sank die Temperatur bis gegen -20 Grad. Auf den Kiessgruben und den kleinen Seen lag Eis. Es konnte Schlittschuh gelaufen werden. Als sich die Temteratur wieder dem Gefrierpunkt näherte, liess ich das zweite Paar Handschuhe und die Strickjacke daheim. Doch kurze Zeit später übernahm der Winter wieder das Zepter. Auf den Feldern lag eine Schneeschicht. Die Strassen waren frei und Radeln war kein Problem. Die Leute begann von einer möglichen Seegfrörni zu sprechen. Sie erzählten von 1929.  Da brauche es schon noch weitere grimmige Nächte und kalte Tage! Der Radio berichtete regelmässig von den Eismessungen und die Leute wurden aufgefordert, geduldig zu bleiben. Tatsächlich, welch ein Fest, der See wurde anfangs Februar 1963 freigegeben! Mit vollgepacktem Auto machte sich die ganze Familie auf den Weg zur Seegfrörni. Einer meiner Träume ging in Erfüllung: Dank Seegfrorni hatte ich die warme Stube einen ganzen Tag für mich allein!
War dir auf diesem langen Schulweg nicht oft langweilig? Wasfür Reisen machten deine Gedanken?
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War dir auf diesem langen Schulweg nicht oft langweilig? Wasfür Reisen machten deine Gedanken?
Häufig, besonders bei Regen oder Hitze machte ich mich lustlos auf den weiten Weg. Dann  summte ich leise und trotzig vor mich hin: "Nein, nein, heute geh ich nicht zur Schule, nicht zur Schule, nicht ... ," und noch eine Stufe leiser ermahnte mich mein Gesinge: "So etwas darfst du nicht laut hinausposaunen, nein, nein. Sonst flötet Mama, bleib doch daheim, bleib doch daheim, schöne Feldarbeit wartet. Du willst es ja. Du willst es ja! Ich will!" und schon sausste ich, den Kopf zur Lenkstange gesenkt, die abschüssige Strasse neben unserem Haus hinter. Ein leichter Tag erwartete mich. Neben Zeichen eine Schwimmstunde, mit einer einzigen Nichtschwimmerin und die war ich. Darüber hatte ich oft nachzusinnen.

Einschub: Meine Lesenden, ich hatte gelernt eine Nichtschwimmerin zu sein und dies klar zu sagen. Der Turnlehrer war der Überzeugung, ich könnte schwimmen, wenn ich nur wollte. Viele Mitschüler behaupteten, sie wären von den Eltern ins Wasser geworfen worden, und mit Anstrengung hätten sie es geschafft, wieder an Land zu kommen. Doch dann hätten sie gewagt zu schwimmen  Zu gerne wollten sie diesen Versuch mit mir machen. Der Turnlehrer willigte ein. Er und einige Mitschüler hatten einen Rettungsschwimmerausweis. Mama erschrak. Sie riet mir, eine solche Schule sofort zu verlassen. Papa konnte Mama davon abhalten, in der Schule anzurufen: "Zu Beginn der Ernte darf keine Zeit verloren gehen." In der Rekrutenschule hätten sie sich freiwillig gegenseitig zum Spass hinein geworfen. Nicht ganz einfach. Es sei Ehrensache gewesen. Er riet mir, falls ich tatsächlich gezwungen würde, freiwillig vom 0 Meter Stungbrett zu springen. Das sei einfacher, denn dann könne ich die Beine voran, geordnet ins Wasser fallen. Ich wollte schwimmen können. Nichts sollte unversucht bleiben. - Ich sprang, wie gewünscht, vom niederigsten Sprungbrett ins Wasser und musste gerettet werden.
Dies war die letzte Schwimmstunde gewesen. Ich wollte weiterhin schwimmen lernen. Jede Mittagspause verbrachte ich im Schwimmbad. Ein anderer Turnlehrer meinte, das hätte nicht passieren dürfen. Er ermutigte mich: "Versuche es mit diesem Kork. Keine Angst, nicht im tiefen Wasser. Gut, gut. Verlange nun jedes Mal an der Kasse einen Kork, und es wird besser." Tatsächlich, bald konnte ich das Nichtschwimmerbecken überqueren. Ich brauchte nicht mehr abzustehen. Mit dem Kork schwamm ich nun hin und her und hin und her. Ohne Kork, nein. Beaufsichtigt vom andern Turnlehrer, wagte ich schliesslich mit dem Kork auch im tiefen Wasser zu schwimmen. Als das Wetter kühler wurde, und die Badeanstalt bald schloss, schwamm ich allein mit dem Kork, schön dem Rand folgend  hinauf und hinunter und hinauf und hinunter.
Als Neuerung wurde im kommenden Jahr für die gesamte Lehramtabteilung ein Sporttag eingeführt: Eine zweistündige Wanderung zum einem Schwimmbad, wo alle Schüler einen der drei Schwimmtest zu bestehen hatten. Ich half die Verpflegung zu organsieren. Bei einem Metzger holten wir unterwegs frische Cervelats zum Bräteln. Freiwillig trug ich den schweren Rucksack den ganzen Weg. Die Verpflegunggruppe war froh und meldete dem Organisator, es war der andere Turnlehrer: "Nach diesem Marsch ist sie zu müde zum Schwimmen." Er verstand. Ende Einschub.

Ich verstand gut, dass ich im Schultheater nicht mitspielen konnte: Meine Stimme war zu leise und ich wohnte zu weit weg. Doch unterwegs auf dem Fahrrad konnte ich für das Theater Neuerungen erfinden. Das Gesamtbild, die Kulissen und die Nebenrollen waren mir wichtig. Ich wollte die vielen grauen Menschen, und das waren weitaus die Mehrzahl, ich wollte das Volk sichtbar machen. Mein Theater hatte für die Besucher hinten zwei Tore und zwei Gänge, die zu den Sitzplätzen führten. Es war möglich von hinten nach vorn zur Bühne zu gehen. Diese Wege waren frei, sobald alle Zuschauer sassen und im Dunkel verschwanden. Der Vorhang öffnete sich und mehrere Schauspieler traten auf die Bühne. Während der dritten Szene, einem Dialog marschieren links und rechts je eine Kollonne schweigender Männer (Mitglieder eines Männerchores) durch den Zuschauerraum auf die Bühne zu. Das war so geplant. Das Spiel ging weiter. Die Kollonnen bestiegen die Bühne gingen an der Seite links und rechts nach hinten, drehten dort um 90 Grad und kreuzten sich. Sie schritten absolut ruhig und unauffällig hintern den Schauspielern durch, stiegen wieder in den Zuschauerraum hinunter und gingen zurück. Sie verliessen den Zuschauerraum wortlos. Als nächstes folgten Frauen (Mitglieder eines Frauenchors) und schliesslich Kinder. Alle legten den gleichen Weg zurück. Das Schauspiel nahm seinen Lauf. Dann näherten sich die Männer wieder der Bühne. Sie standen still. Während dem Umbau der Bühne, der Vorhang war geschlossen, traten sie vor den Vorhang. Sie trugen Überkleider. Einer nach dem andern stellte sich vor: Ich heisse Anton Amstutz und bin Zimmermann. Ich heisse Beat Baumann und bin Strassenwischer. Ich heisse Chrigel Culotta und bin Gussputzer. Ich heisse ...., ich heisse .... Schliesslich standen alle stramm und sie sangen sie ein kurzes, monotones Arbeiterlied, hoben die rechte Hand zum Gruss und verliessen die Bühne und den Zuschauerraum wieder. Der Vorhang öffnete sich. Das Theaterstück nahm seinen Lauf. Die Schauspieler trugen wunderbare Kostüme. Nun drehten die Frauen und die Kinder wieder eine Runde. Sie sangen nicht. Nach vorne gebückt, bewegten sie sich hastig. Eine festliche Hochzeitsgesellschaft erschien auf der Bühne. Die Statistengruppen wartete im Foyer.  Sie durchmischten sich. Die Frauen trugen Kopftücher, die Kinder Mützen. Kurz vor der Pause begannen sie still und leise die letzte Runde. Der Vorhang schloss sich langsam und die Statisten begannen  gemeinsam ein Volklied zu singen und verliessen den Zuschauerraum als mehrstimmigen Chor. Jetzt war Pause. Im Foyer wurden Getränke angeboten. Es hatte viele Aschenbecher. Jeder wechselte ein paar Worte mit jedem.
Ich radelte immer langsamer und freute mich. Doch nun hopp, etwas schneller. In der Ferne ratterte der Zuges vorbei. Dies war ein gutes Zeichen. Ich traf trotz allem rechtzeitig in der Schule ein. "Melde dich wieder, wenn du Sänger als Statisten brauchst," ermunterte mich der Dirigent, der die unterschiedlichsten Chören leitete. Meine Phantasie hatte keine Grenzen. Nachdem wir mit dem Deutschlehrer ein Theaterstück besucht hatten, erzählte ich ihm von meinen Ideen. Er war erstaunt und vermies mich ans Theater. An der Kasse wurden nur Eintrittskarten verkauft, sie wussten nichts. Ich versuchte hinter die Bühne zu kommen - glauben Sie mir meine Lesenden, das brauchte viel Mut - , ich war erfolglos. Es hätte doch viele Möglichkeiten gegeben! Zusätzlich wären mit einem Gratiseintritt als Belohung an die Statisten  u.a.die Besucherzahl gestiegen. Ide und ich fuhren jeden Winter an einem Sonntagnachmittag einmal ins grosse Theater und einmal ins Opernhaus in der Stadt am See. Da gab es nur klassische Aufführungen. Für meine Ideen war kein Platz. Das Theater bekam Geld von der Stadt. Da sollten doch gewöhnliche Steuerzahler hin und da ein Freibillette erhalten.
Was hattest du für Träume an trüben Tagen?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Was hattest du für Träume an trüben Tagen?
Fiel mir zu vieles schwer, trat ich kurz entschlossen, laut schimpfend aus der Schule aus. Doch die Frage: Was dann? Offen zugeben, dass die Kantonsschule ein Fehlentscheid war, das wollte, das konnte ich nicht. Einen Rausschmiss hätte ich akzepieren können, doch der stand nie zur Debatte. Ich, die etwas andere Schülerin zwischen all den gutbürgerlichen Töchtern und Söhnen, war leistungsmässig zwar nicht gut, aber zu gut, um von der Schule gewiesen zu werden.   
Eine Entführung durch einen Grossbauer aus dem Kanton Bern! Das wäre eine akzeptable Lösung gewesen und hätte mich zurück in die vertaute Umgebung gebracht. Eine grosse Hochzeit in einer schmucken Bernertracht! Als verheiratete Frau hätte ich die Bäuerinnenschule besucht und die Meisterprüfung glanzvoll bestanden. Nachher wären wir Eltern von zwei kräftigen Knaben und zwei herzigen Mädchen geworden. Eine Lehrtochter und eine Magd hätten mich unterstützt, denn ich war zusätzlich Präsidentin des kantonalen Bäuerinnenvereins. Anhand der bekannten Gotthelfhörspiele ertäumte ich mir ein grosses Anwesen auf einer leichten Anhöhe. Wir hatten Kechte, einen Karrer und neben der Magd eine Köchin. Alle drei Wochen half mir eine Waschfrau. Ich träumte in Fortsetzungen und baute den laufenden Schulstoff in mein Spiel ein. Beim Heimradeln erzählte ich meinem fiktiven Mann, was ich alles neues in der Schule gelernt hatte. Auf dem Weg zur Schule wiederholte ich die Fragen, die ich meinem Mann nicht hatte beantworten können. Die Lehrer waren häufig leicht erstaunt, weil ich immer etwas zu fragen hatte.
In noch trüberen Stunden jammerte ich bei Alfi. Sie machte mir Mut: "Weiter, weiter, ich warte auf dich. Komme, komme! Du wirst später einen freiwilligen Abbruch bereuen." Sie schimpfte: "Sei nicht blöd wie ich. Ich bereue, dass ich in der Missionsschule nicht tüchtiger gelernt habe. Ich kann kaum lesen. Kopf hoch. Wir sehen den selben Mond. Meine grosse Sorge ist das Schulegeld für meine vier Kinder. Wir haben Glück mit dem Lehrer. Statt Geld nimmt er auch Ziegen, grosse Fische, Mais oder Erdnüsse." Alfi hörte zu und wunderte sich über die Sachen, die ich in der Schule lernte. Sie interessierte sich für unsere Felder. Ich erzählte ihr von unserem Garten, den wir von Hand anbauten und pflegten. Auch wir trugen die Ernte heim. Papas grosse Felder, den Traktor mit all den Anbaugeräten und den Stall voller Kühe erwähnte ich nicht. Alfi war arm: Kein Licht, kein Brot, kaum Kleider, keinen Arzt, kein Radio, keine Zeitungen und ein Telefon wie wir schon gar nicht. Gott sei Dank, wie ging es mir doch gut! Ich stellte mein Fahrad in den Fahrradständer links neben der Eingangstüre, damit es bei Regen nicht nass wurde.
Schliesslich täumte ich von einem Abenteur in der Ferne, von der Hochseeschiffahrt, warum nicht?
2018 - wäre der 12. Juni nicht ein Tag zum Untertauchen gewesen?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - wäre der 12. Juni nicht ein Tag zum Untertauchen gewesen?
2018, 12. Juni: Einschub: Ganz eindeutig! Aber ich tauchte nicht unter, sondern platzierte "alles" in meet my life.  Ziel war die laufende Lebenszeit, parallel zur Vergangenheit stichwortartig zu protokollieren. Also meine Lesenden nach gewohnter Methode: Überspringen oder lesen.
♦ Meinem Grossmutterherz war das Vergnügen beschieden gewesen, sich mit den beiden Enkeltöchtern (bald 2 und etwas weniger bald 4) auf dem Spielplatz zu tummeln. Welch unerschöpfliche Energie die beiden Mädels hatten! Schliesslich sassen sie ruhig neben einander auf einer Bank. Konzentriert zerzupften sie die kleinen vom Opa vorbereiteten Brotstücke und warfen die Bitzchen den Spatzen zu. Die Vögelchen fesselten sie. Kopfnickend billigte Oma, dass manches kleine Stück im Mund verschwand. Die Mädchen hatten doch auch Hunger! Wie sollten sie sonst Heimweg noch schaffen?
♦ Plaudern mit Reta einer langjährigen Bekannten. Sie hatte einiges zu erzählen, denn unerwartet, doch mit Begeisterung hatte sie vor einer Woche am Mitsingkonzert "der Aargau singt die Schöpfung" als Sängerin teilgewirkt. Michael Kreis, Bassbariton und Dirigent hatte dies initiiert. Wie kam die alte Dame dazu, so etwas zu machen? Sie habe sich auf ein Inserat hin per Interet angemeldet und sei ausgewählt worden. Sie habe dann eine CD und ein Notenheft erhalten, und hätte den ganzen Monat Mai jeden Abend ihre Stimme und die Einsätze in der Stube geübt. Schliesslich hätten sich die ca. 150 Sängerinnen und Säger für eine ganztätige Probe getroffen. Nach einer zweiten Probe, mit Orchester und Solisten - die Aufführung! Ein voller Erfolg! Keine gesellschaftlichen Verpflichtungen. Die Begeisterung hallte in ihrer Stimme noch nach.
♦ Friedensarbeit, ein Artikel in der evangelisch-reformierten Zeitschrift.
♦ "Unsere Post", sie schüttelte den Kopf, unsere teilweise subentionierten Postautos! Nach einer internen Untersuchung trat die Post-Chefin Susanne Ruoff zurück. Der Hauptgrund für den Skandal sei "kollektives menschliches Versagen". Die unrechtmässigen Buchungen seien "einem Personenkreis von beträchtliche Grösse" bekannt gewesen. Die Trickserein hätten wohl schon vor der Jahrtausendwende angefangen. Weiter habe die KPMG, laut google ein führendes Dienstleistungsunternehmen, gleichzeitig ein Beratungs- und Revisionsmandat inne gehabt. ??? !!!
♦ Gartenarbeit, ernten ist auch Arbeit.
♦ Ein erfreuliches Mail von Makabu Mankenda aus dem Kongo: Das Lastschiff erzielte unter ihrer Leitung einen weiteren Gewinn. Herzlichen Glückwunsch.
♦ Kim Jong-un und Donald Trum trafen sich in Singapur und schlossen eine Vereinbarung, eine Vision. Sie war begeistert. Die beiden Streithähne hatten sich allemal zwei Stunden unterhalten.
♦ Die Fussball Weltmeisterschaft 2018 stand vor der Türe.
♦ 70'000 Flüchtlinge und der Streit um "Aauarius", die 629 von ihnen nach Europa bringen sollte. Sie schüttelte den Kopf: Eine lächerliche Alilbiübung! Was passiert mit den weniger privilegierten?
♦ Sanierung von Altlasten
♦ Verhandlungen auf Bundesebene betreffend Rahmenabkommen mit der EU, betreffend Steurgesetz und AHV, die sollen verbunden werden.
♦ Strafuntersuchung gegen Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vinzent betreffend Wirtschaftdelikten.
♦ Autobauer Tesla, Elon Musk baut Stellen ab, das Eis in der Antarkis schmilzt rasant weiter, die Modetrends ändern drei Mal im Jahr und unsere Abfallberge werden höher und und und ... sie informierte sich via verschiedene Medien, glaubte an den dreifaligen Gott und an die Naturgesetzte und bestellte ihren Gemüsegarten.
♦ MML, Teil zwei, dem widmte sie täglich mindestens zwei Stunden.
Meine Lesenden, wie verarbeiten Sie die vielen laufenden Informationen? Nein, nein, sie sind nicht zu alt, um sich zu interessieren! Wir Wohlstands-Menschen sind dazu verpflichtet!
Einschub Ende.
Erinnerst du dich an deine Schulkameraden? Hast du heute noch Kontakt? Hast du noch Klassenfotos?
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Erinnerst du dich an deine Schulkameraden? Hast du heute noch Kontakt? Hast du noch Klassenfotos?
MML: Du kannst dein meet-my-life-Netzwerk kontaktieren und fragen, ob jemand noch Fotos aus dieser Zeit hat.
Gute Idee, doch noch hatte ich kein meet-my-life-Netzwerk. Meine Bekannten hatten keine Zeit und kein Interesse.
Erinnerst du dich an all die Fächer?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Erinnerst du dich an all die Fächer?
Obligatorisch: Französisch, Englisch, Deutsch, Geschichte, Rechnen, Singen, Instrument,Turnen, Zeichnen, Naturwissenschaft inkl. Übungen (Geographie, Biologie, Zoologie, Chemie, Physik)
Ergänzungsfächer, obligatorisch: Stenographie, Technisches Zeichen, Buchhaltung, Staatskunde.
Freifächer: Religion als Ersatz für den Unterricht beim Gemeindepfarrer, Kunstgeschichte, Philosophie, Astronomie.
Welch eine Fülle! Die festangestellten Lehrer unterrichteten mit Begeisterung und Können ihr Fach, und nur ihr Fach. Sie bemühten sich um klare Abgrenzungen und beklagten sich über unser mangelndes Vorwissen. "Das habt ihr noch nicht gelernt!" stellten sie immer wieder mit Bedauern fest."Was habt ihr denn in der Schule immer gemacht?" Es herrschte grosser Lehrermangel und wir hatten häufig Studenten als Ersatz. Schon in Ordnung, aber sie unterrichtete nur gerade den Stoffblock, der ihnen zugeleilt worden war. Nicht alle glänzten mit didaktischem Geschick und wir nützten ihr Unsicherheiten aus. Zum Glück brachte ich  aus der Primaschule und von den vielen Stunden Religion ein breites Gerüst mit. Das half mir oft, die neuen Informationen einzuordnen.
Mit den Ergänzungsfächern wurde das Allgemeinwissen von uns angehenden Lehrern im wahrsten Sinne des Wortes ergänzt.
Nun noch zu den Freifächern: Mit dem angebotenen Religionsunterricht konnte ich Zeit sparen und zwei Abende freihalten, sonst taugte er zu nichts. Ich vestand nicht, was wir lernen sollten. Kunstgeschichte dagegen war für mich ein neues Fach. Ausgehend von Van Gogh führte uns der Lehrer in der Randstunde nach drei Uhr in weite Teile der Kunstgeschichte ein. Wir besuchten Musen und aktuelle Ausstellungen und führten offene Gespräche wie in der Primasschule. Philosophie und Astronomie fielen häufig aus und doch lernte ich etwas ganz spezielles und einmaliges: Die Welt in den Zelle entspreche in ihrem Aufbau dem Weltall. Beides sei unendlich: Unendlich klein und kleiner oder unendlich gross und grösser. Beides sei in Entwicklung und nicht fassbar.
Erinnerst du dich an Gewalt an der Schule? Gabe es so etwas wie Gangs? Meinst du, dass das anders war als heute?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Erinnerst du dich an Gewalt an der Schule? Gabe es so etwas wie Gangs? Meinst du, dass das anders war als heute?
Gewalt im Sinne von tätlichen Auseindandersetzungen, das kannten wir nicht. Das galt als Übel der grossen Grossstädte. Doch es gab viel strukturelle Gewalt, d.h. fixe Vorgaben und starre Bilder, denen man, denen ich genügen sollte. Das spürte ich gut. Ich entstammte nicht der selben Gesellschaftsschicht wie meine Kameraden. Zum Glück hatte mir mein Klassenlehrer diese Information bei der Verabschiedung mit auf den Weg gegeben. "Deine Mitschüler kommen aus Einfamilienhäusern und Villen," hatte er gesagt und in meinem Kopf antwortete es: "Ah, ihre Mütter sind die freundlichen Frauen und die vornehmen Damen, denen ich im Sommer und im Herbst unsere Kartoffeln ins Haus trage". Ich hatte verstanden und war entschlossen, mich soweit wie möglich zu arrangieren. Im Geschichtesunterricht hatten wir gelernt, dass die Gesellschaft bis zur französischen Revolution in drei Stände unterteilt war: Der Adel, der Klerus, die Bauern und der Rest der Bevölkerung. Nachher seien diese Stände verschwunden. Ich sann viel darüber nach. Das stimmte doch nicht. Um mir keine Blösse zu geben, hatte ich mir ein Phanasiehaus mit moderen sanitäten Anlagen ausgedacht, einem WC mit schwarzem Deckel und Spülkasten, einer Badewanne mit warmem Wasser und einem Lavabo. Ich plante, bei allfälligen Fragen nicht das Bauernhaus, sondern das Phantasiehaus zu erwähnen. Gleichzeitig war ich selbstverständlich ein Bauernmädchen. 
16. Juni 2018 Einschub: Ich hatte lokalen Autoren bei deren Jubiläumslesung zugehört. Alles, auch grässliches und fremdländisch wurde schön dargestellt. Die Bilder wechselten Schlag auf Schlag und die Texte wurden für mein Empfinden zu schnell gelesen. Manches konnte ich nicht verstehen. Das wollte ich vermeinden. Ich bemühte mich, mit meiner Lebensgeschichte der Nachwelt ein reales Bild zu geben. Einschub Ende.
Ein Beispiel: Ich begann meine Kantonsschulkarriere mit einer Turnstunde, und - ich hasste turnen. Am Montagmorgen, Viertel vor sieben hatten wir uns vor dem Turnlehrerzimmer "einzufinden". Wo? Schwierig! Zwei mir unbekannte Schülerinnen begleiteten mich bis zum Täfelchen "Turnlehrerzimmer ": "Warte hier, du bist ein wenig früh. Wir kommen mit dem Zug, darum sind wir schon im Schulhaus. Nichts zu danken. Wir waren letztes Jahr auch neu. Du kennst Dich bald aus. Guten Erfolg, tschüss". War das ein freundlicher Empfang gewesen. Da stand ich nun mit dem Rücken gegen die Wand vor dem Turnlehrerzimmer. Bald kamen sie, all die neuen Kameradinnen und versperrten den Durchgang. Der Turnlehrer zeigte uns die Garderobe und den Duschraum: "Zwanzig Einzelkabinen, ein Vorhang, um die Kleider zu schützen und eine Türe mit einem Drehknopf. Duschen ist nach jeder Turnstunde obligatorisch, wir sind keine Bauern. Verstanden! " Alle nickten. "Die Turnsachen sind jedesmal zu waschen. Zusätzlich habt ihr ein Garedrobekästchen? Wem darf ich den Schlüssel geben?" Ich meldete mich, denn ich hatte einen Plan. "Danke, spätestens eine Viertelstunde vor Beginn der Turnstunde solltest du das Kästchen öffnen. Für die auswärtigen Schüler, die mit dem Zug kommen, steht das Schulhaus um Viertel nach sechs offen," instruierte mich der Turnlehrer. Ich bedankte mich und dachte: "Herr Lehrer, ich, ein Bauernmädchen komme mit dem Fahrrad und schwitzte oft schon, bevor ich in ihrer Kantonsschule eintrefe, also dusche ich vor ihrer Turnstunde tüchig. Herr Lehrer, wir haben keine Dusche und kein Badezimmer daheim. Ich weiss, die Lehrer interessieren sich nicht für ihre Schüler. Ich schimpfe trotzdem."
Alle konnten schwimmen, ich konnte nicht schwimmen.
Alle spielten ein Instument, ich hatte keines.
Alle verreisten in den Sommerferien, viele ans Meer. Ich freute mich auf die Feldarbeit.
Wie fandest du dich in dieser Schule zurecht?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wie fandest du dich in dieser Schule zurecht?
Eine Woche vor Schulbeginn teilte das Sekretariat meinem Vater schriftlich mit, ich sei der Klasse 1b zugeteilt und der Gesamtstundenplan sei ausgehängt. Ein Lageplan liege bei. Ich machte mich gleich am Montag auf den Weg. Die Schüler warteten in Gruppen. Ich radelte unverrichteter Dinge wieder heim: In ein paar Tagen wird der Andrang kleiner sein. Am Donnerstagmorgen stand ich allein vor dem Gesamtstundenplan. Es gab deren zwei, einer für das Gymnasium und der unsrige für die Kantonsschule: Lehramt und Oberreal. Oben quer waren die sechs Wochentage aufgeführt, links senkrecht die verschiedenen Klassen. Ich schaute den Gesamtstundenplan eine Weile an: Zu oberst Lehramt 1a und dann wir 1b. Ich nahm ein Notizblatt aus der Tasche, als zwei Burschen lachend auftauchten: "Das macht man nicht so. Wir haben noch einen Extrastundenplan. Du gehst in die Klasse 1b? Wir füllen dir den Plan schnell aus." Der eine diktierte, der andere schrieb. "Du kennst die Lehrer noch nicht? Wir schreiben deren Namen auf die Rückseite. Hier! Verschwind!" "Nichts zu danken, wir haben mehrere Stundenpläne abzuschreiben. Verschwind!" Der Montagmorgen begann mit Turnen, T 1. Für die zweite Stunde stand D für Deutsch und daneben c7, dann zwei Stunden Französisch d6. Nach dem Turnen folgte ich der Schar von einem Zimmer ins andere. Diese Herumhetzerei, ich werde mich daran gewöhnen. Ich traf immer rechtzeitig in der Schule ein und hängte meine Sachen in die Garderobe neben der Eingangstüre mit dem Schild "bei Diebstahl keine Haftung". Diese Garderobe wurde gemieden und ich konnte meine Kleider immer leicht finden.  
Ein Grossbuchstabe als Abkürzung für das Fach, zwei Kleinbuchstaben für den Namen des Lehreres und ein Kleinbuchstabe für das Stockwerk und die Zahl war die Zimmernummer. Im a Turnhallen, Aula und Wohnung des Hauswartes, b die beiden Haupteingänge gegen Norden dazwischen der Pausenkiosk, gegen Süden Schulzimmer, diejenigen über der Hauswartwohnung für Geographie, c Kanzlei, Rektorat, Schulzimmer. Irgenwo die Biologiezimmer und irgendwo die Chemiezimmer, Zeichungs-, Physik-. Mathematik-, Deutsch-, Französisch- und Englischzimmer. d, der oberste Stock, Zusatzfächer, Freifächer, Zeichnen. Wegen der Überbelegung der Zimmer stimmte die einst systematische Ordnung nicht mehr. Der Klassenlehrer riet uns, jeden Morgen auf dem Gesamtplan nachzusehen, ob es nicht eine Verschiebung gegeben hätte. Schaute ich sorgfältig, klappte all dies gut.
Bücher wurden im Klassenverband bestellt, wer ein gebrauchte hatte, meldete sich von der Bestellung ab. Wer die Klassenkasse führte, der machte den Einzug und übergab den Gesamtbetrag dem bestellenden Lehrer. Das war eine schwierige Aufgabe. Die meinsten Schüler brachten der einfachheithalber Nötli. Ich entnahm den genauen Betrag unserer Kleingeldschachten, knüpfte in sorgfältig in ein Taschentuch und brauchte nicht auf Wechselgeld, woran es immer mangelte, zu warten. Hefte und Schreibuntensilien kauften wir auf dem Heimweg in der Stadt. Die Papeterie lag auf dem Weg zum Bahnhof, nicht aber auf der Strasse zu meinem kleinen Dorf. Ide kaufte meinst für mich auch, wenn sie ihre Mutter in der Stadt abholte und ich allein radelte. Auch daran gewöhnte ich mich. Papa riet mir, daheim einen kleinen Vorrat anzulegen, um Notlagen zu verhindern.
Was hast du bis zur Maturfeier versäumt zu machen?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Was hast du bis zur Maturfeier versäumt zu machen?
1964, 23. September: Die Maturfeier war auf zwei Uhr nachmittags festgesetzt, erstmals in der neugebauten Aula. Obwohl schönes Wetter war, durfte ich das Auto nehmen. Warum schon vor ein Uhr wegfahren? Ich wollte vor dem Andrang der Gäste parkieren, eine halbe Stunde ruhig im Auto sitzen, von meiner geliebten Schule Abschied nehmen und beten. Was hatte ich vor mir hergeschoben und schliesslich nie gemacht? Ich kannte den Weg vom Bahnhof zum Schulhaus nicht, denn ich war nie mit dem Zug zur Schule gefahren. "Ihr sitzt zuviel. Benützt in den Zwischenstunden den neu eröffneten Vita-Parcours auf dem Goldenberg," ermunterte uns der Turnlehrer. Ide und ich, wir, die zwei Radlerinnen brauchten keine zusätzliche Bewegung. Trotzdem, einmal, das war unser Plan. Wir hatten es nie geschafft. Dem Zeichenlehrer und dem Lehrer für Kunstgeschichte war es ein Anliegen, uns die fünf Museen zu zeigen: "Besucht sie in der Freizeit, es lohnt sich". Ich kannte nicht einmal deren Namen: "Das hat noch Zeit, das hat noch Zeit, heute ist Maturfeier, heute ist Marturfeier." Meine Seele tanzte.

1962 100 Jahre Kantonschule Winterthur. Das grosse Fest fand im September 1963 statt, weil der Neubau erst mit einem Jahr Verspätung fertig gestellt war. Ein Schatten lag auf dem Fest. Der 4. September 1963 war ein Tag des Grauens gewesen. Die voll besetzte Swissair Caravelle war bei Dürrenäsch abgestürzt. Wir erfuhren davon in den Mittagsnachrichten. Am Abend gab es mehr Informationen: Von den 74 Passagieren und 6 Besatzungsmitgliedern, die beim Unglück getötet wurden, stammten 43 aus der Zürcher Landgemeinde Humlikon und Humlikon, das kleine Bauerndorf lag nur 4 km von unserem Dorf entfernt. Wir konnten es nicht fassen. Wir unterbrachen das Essen und senkten den Kopf auf die verschränkten Arme.Die Milchgenossenschaft hatte im Rahmen ihres traditionellen Jahresausfluges zur Besichtigung einer landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in der Nähe von Genf geladen. Der Flug SR 306 hätte von Zürich nach Rom fliegen sollen, in Genf war eine Zwischenlandung geplant. Für die meisten Bauern war es der erste Flug überhaupt. Humlikon hatte damals 217 Einwohner, es verlor also auf einen Schlag ein Fünftel. Das Unglück hinterliess im Dorf 39 Vollwaisen und fünf Halbwaisen. In den meisten betroffenen Familien konnten die Grosseltern oder ältere Geschwister die Aufgaben der Eltern übernehmen, so dass nur sechs Kinder ihr Zuhause verlassen mussten, aber auch sie konnten bei nahen Verwandten untergebracht werden. Unter den Opfern waren alle Gemeinderäte, alle Schulpfleger und der Posthalter. Der Kanton Zürich musste die Gemeindeführung kommissarisch übernehmen. Dringende Feldarbeiten standen an, für die nun nicht mehr genügend Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons setzte für die Leitung der landwirtschaftlichen Arbeiten einen Ingenieuragronom ein. Das Unglück rief in der ganzen Schweiz ein grosses Echo hervor, und täglich halfen 40 bis 70 Freiwillige aus allen Gegenden der Schweiz und sogar aus dem Ausland bei der Ernte. Mit 2000 Arbeitsstunden wurde die Ernte zeitgerecht eingebracht, so dass die Felder wieder fristgerecht bestellt werden konnten. So wurden etwa 600 Tonnen Kartoffeln eingesammelt und das Getreide gedroschen, alles noch ohne Erntemaschinen. Mein Bruder machte das landwirtschaftliche Lehrjahr auf dem Versuchsbetrieb der Firma Geigy in Aesch bei Basel. Dank seiner Selbständigkeit wurde er von der Firma Geigy sofort eine Wolche als Freiwilliger nach Humlikon geschickt. Die Firma übernahm alle Kosten und sein Einsatz wurde, zum Ärger von Mama von Woche zu Woche verlängert. Es war uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir den Bruder in allen Belangen unterstützen. Oft stellten wir ihm auch unseren Lehrling zu Verfügung, da die freiwilligen Städter keine wirkliche Hilfe waren. Sein freiwilliger Einsatz für Geigy endete erst, als anfangs November sein ersten Winterkurs in der Landwirtschaftlichen Schule Wülflingen begann.

2012 150 Jahre Kantonsschulen Winterthur. Umsonst hatte ich auf eine Einladung zu einem Ehemaligentreff gewartert. Ich hatte davon geträumt, denn 1962 hatte es ein grosses Treffen der Ehemaligen zur Feier von 100 Jahre Kantonschule geben.

2018 Ende Juni, ich hatte mich telefonisch nach der Festschrift erkundigt. Nach Rücksprache mit der Rektorin durfte ich eine solche noch vor den Sommerferien abholen und mich auch ein wenig im Gebäude umsehen. Gleichzeitig wollte ich das vor mehr als 50 Jahren Aufgeschobene nachholen. Nach einer langen Trockenperiode stieg ich bei Regen aus dem Zug und freute mich. Ich marschierte langsam zum Stadtpark. Viele neue Gebäude doch noch dieselbe Strasseneinteilung. Wo waren die Autos. Viele, sehr viele Fahrräder manierlich aufgereiht, eine Busspur mit der Erlaubnis für Zubringen zu den Geschäften, kein privater Verkehr mehr. Ich schaute, ging langseam weiter und freute mich: Da, der alte Stadtpark, neu mit einem Selbstpflückgarten neben dem Fischteich, der gerade geputzt wurde. Mein Weg ging weiter am Parkplatz vor dem Museum vorbei, links das Stadthaus mit dem Konzertsaal, dann das Gartenhotel. Der Regen begann in den grossen, alten Bäumen zu rauschen und ich spannte den Schirm auf. Hoffentlich regnete es in der Stadt mit dem Wasserfall auch. Alte Villen mit neuen Balkonen und schöne leicht zu pflegende Gärten. Weiter, weiter. Ah, die Strasse zwischen dem Schwimmband und de Kantonsschule war nicht mehr durchgehend. Eine Passarelle führte über die Bahngeleise. Da war nun meine grosse Schule. Ich stand still und schaute. Wie damals am ersten Tag betrat ich das Gebäude scheu unten neben dem Turnlehrerzimmer. Ich schaute: Die Garderobeeinteilung war geändert worden. Es gab keine Einzel-Duschkabinen mehr, nur ein kleiner offener Duschraum. Sie ging langsam nach oben. Moderne Bilder anstelle der Garderobekästchen, die früher die Wände gesäumt hatten. Das Lehrerzimmer und ein Stockwerk höher das Rektorat, sie waren am selben Ort. Auf dem Sekretriat daneben überreichte man mir freundlich die Schrift 150 Jahre Kantonsschulen Winterthur. Für die Festschrift zum 100jährigen Jubiläum solle ich mich ans Archiv wenden. Wir wechselten ein paar Worte, alle erstaunten über ihr Alter. Ich spazierte weiter. Nein, stopp. Ich zögerte bei der Eingangstüre. Wie oft hatte ich das Gebäude, wie an jenem Tag bei Regen verlassen. Das Restaurant Goldenberg und der Besuch dreier Museen standen noch auf meinem Plan. Bei strömendem Regen keine Aussicht von der Terrasse des Restaurantes oben auf dem Hügel. Unsicher stieg ich einen schmalen Weg hoch, stiess auf eine schmale Asphaltstrasse und marschierte weiter. Die Sammlung Oskar Reinhart "Am Römerholz" war wegen Renovationsarbeiten bis Ende Juli geschlossen. Also zurück in die Stadt, ich liess die Privatklink Lindberg mit vielen Neubauten links liegen. Ein Zickzack Wanderweg führte mich durch eine moderne Wohnblocksiedlung und dann stand ich an der Kreuzung, wo ich vor 50 Jahren bei dichtem Regen über einen Gartenzaun auf ein weiches Gebüsch geworfen worden war. Ich lachte, der Autofahrer hatte damals geschimpft, ich sei selber schuld, bei sochem Wetter sei niemand mit dem Fahrrad unterwegs. Das Fahrrad war nicht beschädigt und die Fahrt ging weiter, so auch mein Rundgang. Auf dem Areal des Kantonsspitals wurde wie immer gebaut. Hinter den Bahngleisen dominierte Richtung Bahnhof das mächtig Gebäude der ZHAW (Zürcher Hochschulen für angewandte Wissenschaften) die Silouette. Sie staunte. Regenschwere Stauden hingen über den Gehsteig, dahinter stand das nicht mehr ganz neue, moderne Bezirksgefängnis. Dann wurden die Fussgänger, durch den Park des Bezirksgerichtes geführt, denn die Strasse daneben war verbreitert geworden. Das Kunstmuseum beim Stadthaus hatte offen: Eine prächtige Sammlung. Später besuchte ich das Kunst Museum Reinhart am Stadtgarten: Ebenso prächtig. Gott sei dank war ich noch rüstig und konnte das Aufgschobene nachholen. Bald machte ich mich erfüllt von den Erlebnissen des Tages und müde im Zug wieder auf den Rückweg. Die Sonne schien. Mein Mann erwartete mich mit einem Nachtessen aus Gartengemüse. Später regnete es nochmals ein wenig. Welch ein guter Tag.
Was ist dir von der Maturrede im Gedächtnis geblieben?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Was ist dir von der Maturrede im Gedächtnis geblieben?
Die uns von Dr. Hans Mast gehaltene Maturrede löste grosse Begeisterung aus und wurde uns wenig später als Sonderdruck zugestellt. Leider lehnte ich mein Exemplar vertrauensvoll aus. Sie kam nicht mehr zurück. Im Frühsommer 2018 wollte ich die Rede wieder finden. Im Internet? Nichts. Dann auf dem Sekretariat der Kantonschule Winterthur. Diese verwalte nur die Akten der letzten zehn Jahre verwies sie aus Stadtarchiv. Dort könnte die Festschrift zu 100 Jahre Kantonsschule Winterthur eingesehen werden, weitere Unterlagen hätten sie nicht. Ich solle mich an das Staatsarchiv Zürich wenden. Dieses antwortete: "Das Staatarchiv übernahm von der Kantonsschule Rychenberg, Winterthur, vor zwei Jahren eine Ablieferung im Umfang von rund 27 Laufmetern (Abl. 2016/087), die Unterlagen aus der Zeit von 1880-2010 enthält. Diese Ablieferung ist bis heute noch nicht bearbeitet und darum nicht ganz einfach zu benutzen. Die Registratur des Rektorats enthält zwar eine Position "Maturreden", die jedoch nur Reden ab 1981 enthält. In den älteren Teilen des Rektoratsarchivs habe ich dagegen keine entsprechenden Positionen gefunden." Zitatende.
Sonderdruck hin oder her, das Thema begleitete mich fortan. Mit dem Satz "Sagen Sie ihm, dass er für die Träume seiner Jugend soll Achtung tragen" führte uns Dr. Hans Mast in Zehnjahres Schritten durch das ganze Leben. Er rief uns auf, den rebellischen Mut der Jugend zu bewahren und eigene von hohen Idealen getragene Lösungen zu finden. Alle zehn Jahre sollten wir uns die Zeit nehmen, um an die Träume unserer Jugend zu denken und um zu überprüfen, ob wir ihnen treu geblieben sind. Sollten sie im Trubel des Alltags verschwunden sein, so sollten wir uns erneut daran erinnern und uns an ihnen orientieren. Das würde uns helfen ein befriedigens Leben zu führen. Und zum Schluss nochmals die Aufforderung: "Sagen Sie ihm, dass er für die Träume seiner Jugend soll Achtung tragen".
2018 - Wie weit soll Toleranz gehen?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - Wie weit soll Toleranz gehen?
Die Italienerin im Hinterdorf war dankbar, wenn ich als Primarschülerin am Sonntagmorgen ihre beiden herzigen kleinen Mädchen abholte und in die Sonntagschule mitnahm. Sie blieben nachher bei uns, bis ihr Papa sie zurückholte. Doch dann durften sie nicht mehr wie alle Kinder im kleinen Dorf in die Sonntagsschule. Ihre Mama erklärte uns, sie seien katholisch, und da sei so etwas verboten. Sie wolle sich nicht an ihren Kindern versündigen. Dann eben nicht. Ich durfte die beiden nun hüten, wenn ihre Mama in die Stadt einkaufen ging. Ich spürte, sie war dankbar, dass wir ihren Respekt vor dem Verbot ihrer Kirche zwar nicht verstanden, aber tolerierten.
In der Primarschule, hauptsächlich im Anschluss an die Schulstunden hatten wir häufig mit dem Lehrer über Toleranz gesprochen. Der Lehrer, unsere Eltern und wir Kinder, wir taten uns alle schwer. Die Gesetze müssen von allen eingehalten werden, da gibt es keine Toleranz. Die Sitten und Bräuche unseres Landes seien auch zu achten. Toleranz habe auch Grenzen: "Wer mich nicht toleriert, den muss ich nicht tolerieren"? Wir hatten auch Synonyme zu "Toleranz" gesucht: Grosszügigkeit, Duldsamkeit, Entgegenkommen, Selbstüberwindung, Hilfsbereitschaft, Verständnis, Rücksicht, Friedfertigkeit, sehr, sehr schwierig. Das Gegenteil von "tolerant"? War das "intolerant"? Was fallen uns für ander Wörter ein? Verständnislos, pingelig, ablehnend, abweisend, feindselig, kleinlich auch sehr, sehr schwierig." Die Grossmutter und die Sonntagsschullehrerin sagten: "Tolerant heisst: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu."
In den 50er Jahren stand das Stimm- und Wahlrecht den erwachsenen Männern zu. Mama fand das richtig. Im Ausland konnten auch Frauen stimmen. Papa fand das richtig. Einmal erlaubte er mir, allein mit seinem Stimmzettel ins Wahllokal zu gehen, um den Stimmzettel in die Urne zu werfen. Doch Achtung, ich wurde verjagt. Beide Elternteile waren tolerat: "Was hätte das schon gemacht!" Die Stimmenzähler waren intolerant: " Wo würde das hinführen und verboten es!" Dann gab es Gespräche über die Kommunisten. In Deutschland war die kommunistische Partei verboten, sie wurde nicht geduldet. Bei uns gab es Kommuisten und sie bildeten eine eigene Partei. Viele Leute fanden das gefährlich, unsere Familie war grosszügig: Lasst sie, so kennt man sie. Wenn sie in den Untergrund gedrängt werden, weiss man nicht, was läuft. Das ist zu verhindern. Sie arbeiten, zahlen Steuern und tun niemandem etwas.
In der Kantonsschule war Toleranz einmal Aufsatzthema. Ich zählte all die Beispiele aus der Primarschule auf und erntete Lob. Der Thematik wurden wir jedoch nicht gerecht. Der Lehrer wechselte zum Thema "Satzzeichen". Ich war verärgert.
2018: Wie weit soll Toleranz gehen?
Nun zwei aktuelle Beispiele aus den Medien: (1) Ich hatte am Freitag den 6. Juli 2018 im Zug  einen zurückgelassenen Gratisanzeiger 20Minuten.ch durchgeblättert und Seite 6 gelesen "beim Abschlussfest einer Mädchenriege im Kanton Aargau seien Cervelats verboten, weil die Würste wegen des Schweinefleischs auf dem Grill nicht neben den Grilladen von muslimischen Kinder liegen dürften." Etwas weiter unten betont Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelischen Gemeindebundes: "Wer aus welchen Gründen auch immer eine spezielle Verpflegung braucht, sollte sich selber darum kümmern. Auf Essgewohnheiten verzichten müssen, solle aber niemand." Zitat Ende. Daher die Frage: Wie weit soll Toleranz gehen?
(2)  Ich hatte von Zweitfrauen in Deutschland gehört und wollte die Gerüchte nicht glauben. Im Internet wurde ich tatsächlich fündig. Das Team der Zeitung "Die Welt" hat den Syrer Ahmad A. ausfindig gemacht. "In dem Beitrag von Andrew Moussa erzählt Ahmad A. von seiem Leben mit zwei Ehefrauen, die auch zu Wort kommen. Der Flüchtling lebt mit ihnen und sechs Kindern in einem grossen Haus, das ihm von der Gemeinde zur Verfügung gestellt wurde. Die Einrichtung des Hauses ist spartanisch, einfache Tische und Betten, mit Ausnahme eines neuen Kamins und eines grossen Flachbildfernsehers. Ahmad wollte immer nach Deutschland, heisst es im Beitrag. "Sie geben uns Unterstützung, sie geben uns Sozialleistungen, sie geben uns dieses Haus", schwärmt er. Auf die Frage, wie viel er bekomme, sagt der 32-Jährig: "Weiss ich nicht. Das Geld wird überwiesen. Ich gehe zur Bank und hebe es ab." - Lina, Ahmads zweite Frau, war 13, als es sie heiratete. Ahmad ist ungelernter Arbeiter und Analphabeth. Sechs Jahre vor dieser Hochzeit hatte er seine erste Frau Betool geheiratet. Sie war damals 14. Von seiner dritten Frau, die in Syrien ist, lebt er getrennt. Eifersucht gebe es unter seinen beiden Frauen nicht, dürfe es nicht geben, so Ahamd. "Ich sorge dafür, dass es keinen Streit untereinander gibt." - Die Frauen wohnen in der oberen Etage in einander gegenüberliegenden Zimmern. Für eine dritte Ehefrau müsste das Haus grösser werden, sagt Ahamd lachend. Er hat seinen Raum im Erdgeschoss. Über dem Bett liegt eine rote Tagesdecke mit roten Kissen, daneben steht ein Babybett. Dies sei das Schlafzimmer für ihn und seine Frauen. Schlafen sie hier zu dritt? Nein, die Frauen schliefen nacheinander bei ihm, so Ahmed. Sie wünschen sich keinen Ehemann für sich allein, Gott wolle, dass sie zu zweit seien, so Lina. Niemand habe sie gezwungen, ihn zu heiraten. Wir verheiraten ihn auch noch mit einer dritten und vierten Ehefrau, so Betool. Sie hätten kein Problem damit, sagen die Frauen. Ihr Mann sei gut. Ahamad will Bundeskanzlerin Angela Merkel danken: "Mama Merkel - sie ist die einzige Person, die das Leiden der Syrer gespürt hat. Auch den Deutschen danke ich", sagt er.  Ahmad hat schon angekündigt, dass er in Zukunft vier Ehefrauen haben möchte und zehn Kinder. Inzwischen habe die Familie nach einer Klage einen Flüchtlingsstatus für drei Jahre erhalten. Damit könnte der Syrer auch arbeiten gehen, er möchte aber lieber bei den Kindern bleiben". Der Kurz-Link dieses Artikels lautet: www.welt.de/173743693. Zitat Ende.
Nochmals die Frage: Wie weit soll Toleranz gehen? Obwohl die Vielehe in Deutschland verboten ist, wird sie mit Sozialleistungen unterstützt. Wie weit soll Toleranz gehen? Sollen die Einheimischen mit ihren Steuern fremde Lebensstile finanzieren? Möchten die Einheimischen vielleicht nicht auch lieber bei ihren Kindern bleiben, als arbeiten zu gehen? Meine Lesenden, wie weit geht ihre Toleranz? Es gibt 70'000'000 Flüchtlinge. Es gibt Staaten, die danke Erdöl grosse Budgetüberschüsse haben und kaum Flüchtlinge aufnehmen? Wie würden wir dort empfangen?
Wie war dein Verhältnis zum Lehrer/zur Lehrerin? Inwiefern haben sie dich geprägt?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wie war dein Verhältnis zum Lehrer/zur Lehrerin? Inwiefern haben sie dich geprägt?
Jeder der Herren unterichtete nur ein, ausnahmsweise zwei Fächer, diese jedoch in verschiedenen Klassen. Unser Klassenlehrer, der Deutschlehrer erkärte uns, trotz der sechs Doppelzimmerbaraken herrsche äusserste Raumknappheit, bis das Gymnasium den Neubau beziehen könne. Das war der Grund dafür, dass die Herren mehr oder weniger schnell nach dem Läuten mit dem von ihnen gebrauchten Unterrichtsmaterial im Zimmer erschienen. Am Ende der Stunde verstauten sie alles in der Mappe und verschwanden  sofort wieder im Lehrerzimmer, wo sie ihre Unterlagen auswechselten, rauchten und zu ein paar Worten zwischen 9.40 und 10 Uhr Kaffee tranken, manchmal auch etwas länger. In Laufe der Jahre erfuhren wir, dass gewählte Lehrer einen Teil ihrer Bücher am Stammplatz deponieren konnten, Verweser und Vertreter dagegen hatten ihre Unterlagen immer in ihren Garderobekästchen zu verstauen. Nach Abschluss des Neubaus werde alles besser!
Der dauernde Wechsel der Lehrer und der Zimmer forderte mich. Er war mir fremdartig und gab mir ein Gefühl von Heimatlosigkeit. Die unbekannte Schule liess mich auch daheim und im kleinen Dorf heimatlos werden. Wie gut hätte es mir getan, etwas zu jammern oder zu schimpfen. "Du hast es selber so gewollt," Mamas Antwort stimmte. Ich hatte es so gewollt und wollte es so. Besser wurde es, als ich beim Radeln zu schimpfen begann und trotzig die Leherernamen, ihr Fach und die Zimmernummern auswendig lernte.
Ein Lehrer, vier Klassen mit je über dreissig Schülern, eine Unmenge Stoff, die Korrektur der Prüfungen, die Notengebung! Was war da zu erwarten! Ich konnte beim einsamen Fahren schimpfen und Verständnis für die Herren aufbringen. Damit hätte ich mich bei den Mitschülern lächerlich gemacht. Ein paar Lehrer verabschiedeten sich per Handschlag und versuchten, unsere Namen zu erinnern. Das schätzte ich und das genügte mir. Ich dachte an meine ehemaligen Mitschüler in der Sekundarschule, die machten eine Lehre oder standen im Erwerbsleben und wollten oder mussten funktionnieren wie die Erwachsenen. Ich war doch keine Bebe!
Wie wurde die Disziplin in der Schule bzw. in der Klasse hergestellt? Gab es bestimmte Vorschriften?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wie wurde die Disziplin in der Schule bzw. in der Klasse hergestellt? Gab es bestimmte Vorschriften?
MML: Wie  seid ihr damit umgegangen?
Disziplin war kein Problem. Zuviele Hausaufgaben, das war unser Problem.
2018 - Es ging auch ohne Minna von Barnhelm!
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - Es ging auch ohne Minna von Barnhelm!

2018, 27. Juli, 17 Uhr: Es ging nicht ohne Minna von Barnhelm. (Einschub: 2018, 11. Oktober, 10 Uhr: Meine Lesenden ich bin am Korrigieren. Im unten folgenden Abschnitt beschreibe ich meine Schwierigkeiten mit dem Meet-my-life Programm (MML). Diese Schwierigkeiten und die grosse Trockenheit prägten meinen Sommer 2018. Beides gehört zu meiner Lebensgeschichte des Jahres 2018. Nach längerem Hin-und-Her entschloss ich mich, diesen Text nicht zu löschen, dafür Sie aber zu ermuntern, diesen zu überspringen. Meine lieben Lesenden, ich denke an Sie und ich wünsche Ihnen alles Gute.Ende)

Vor zwei Stunden, um 17 Uhr hatte ich einen meines Erachtens guten Text zum Thema "Es ging auch ohne Minna von Barnhelm" entworfen. Nach den schlechten Erfahrungen mit MML in den vergangenen Tagen hatte ich gezielt sorgfältig gespeichert. Der kleine Koffer erschien. Ich hatte den Button „SAVE“ bewusst mehrmals angetippt. Dann plante ich etwas zum Thema „Instumentalunterricht“ zu schreiben. Sie tippte das Wort „Klavier“ in die Funktion „Schnellsuche“ ein. Es klappte nicht, wie ich wollte. - Und weg war der Text zu Minna von Barnhelm, weg war auch der kleine Koffer. Ich wandte mich an meine Mann, der schimpfte: “Begreife doch endlich, dass ich mich in diesem Progamm nicht auskenne.“ Wir fanden gemeinsam nichts. „Bitte höre auf. Bitte hör auf. Warum kannst du meinen Rat nicht befolgen? “ ich kannte diesen Rat und atmete ruhig durch. Ich hielt die Situation mit dem Snipping Tool fest. Dann tippte sie ein Grusswort auf die leere Seite und der Koffer war wieder da. Nun wandte ich mich per Mail an den technischen Berater, der in Spanien in den Ferien weilte. Auch im Papierkorb und unter „zuletzt bearbeitet“ kein Fund! - Draussen war mittlerweile 34 Grad. Wie von den Wetterprognosen vorhergesagt ein wolkenloser blauer Himmel und nur ein schwaches Lüftchen. Ich brauchte nicht nach Spanien zu reisen.Ich fühlte sich wohl in meinem Nordzimmer. Ich glaubte noch immer, ein wenig von der Kühle der vergangen Nacht zu spüren, da ich Fenster und Türe sorgfältig geschlossen hielt. Was blieb mir anders, als erneut einen Text zum Titel „Es ging auch ohne Minna von Barnhelm“ zu schreiben, wenn ich nicht darauf verzichten wollte? Möge der Himmel mir helfen! Ich  atmete erneut tief durch.

Nun folgt der zweite Text: Damals, in jenen Tagen in den frühen 1960er Jahren spielte das Theaterensemble der grossen Stadt am See in unserer Stadt das Lustspiel „Minna von Barnhelm“ von Lessing. Der Deutschlehrer hatte uns geraten, die Aufführung nicht zu verpassen, und er gab mir seine beiden Freikarten. Ide und ich freuten uns. Die andern Schüler planten, das Stück mit ihren Eltern zu besuchen. Ein Mädchen kam zu spät zum Vorverkauf, alle Karten waren weg. Ide und ich freuten uns. Wir besprachen in der Klasse „Nathan der Weise“ auch von Lessing. Wir hatten viele Hausaufgaben. Ich musste auf dem Klavier üben. Ich war müde. Warum ich meine Freikarte in der Mappe mit mir herumtrug, wusste ich nicht. Ich war müde. Was tun? Was passierte da? Meine Hände gaben meine Karte jenem Mädchen und der Mund sagte: „Geh du mit Ide.“ Ide schaute mich böse an. Ich wiederholte: „Ich bin zu müde.“ Nach einem langen Tag konnte ich am Abend alle Hausaufgaben für den kommenden Morgen machen und am Klavier üben. Draussen donnerte es. Ich machte es mir unter der Bettdecke bequem. Es begann zu regnen. Es ging mir ohne Minna besser. Ich dachte ans Radeln. Müde bei Nacht und Regen unterwegs! Am nächsten Tag meinte Ide: „Es geht auch ohne Minna.“ Der Lehrer sagte: „Ich habe sie vermisst. Waren sie zu müde?“ Ich nickte, er fuhr weiter: „Es geht auch ohne Minna von Barnhelm. Sie können das Buch später noch lesen.“ 2018 dachte ich: Du kannst Minna später noch lesen. Nach langem hin und her hatte ich mich am frühen Nachmittag entschlossen, nicht ins Museum zu gehen, sondern an meiner Lebensgeschichte weiter zu tippen. Ich dachte an mein gutes Erlebnis mit „ohne Minna“ und das Schreiben machte mir bereits wieder Freude. - Doch dann das Missgeschick mit MML. - Ich konnte es nicht lassen, wieder zu tippen. Warum? Wer interessierte sich schon? Ich dachte an meine Hausaufgabe für die Begleitgruppe zum Thema „SUCHT“. Wie dem auch sei. Ich tippte erneut einen dritten Text zu Minna. Doch dies Mal in „LibreOffice Writer“, gespeichert als doc. Nach meinem Empfinden blieb dieser Text weit hinter dem ersten und dem zweiten zurück. Doch ich freute mich über meine Entschlossenheit. Nun konnte ich sagen: „Es geht nicht ohne Minna.“ Jenes Erlebnis war ein Schlüsselerlebnis gewesen, das mich immer wieder auffordert, auf meinen Körper Rücksicht zu nehmen. Es geht auch ohne Minna. Dann kopierte ich diesen dritten Entwurf ins meet my life Programm hinüber und tat genau, was ich nicht wollte. Ich begann zu korrigieren, obwohl ich  vor Doppelspurigkeiten zurückscheute.

Um 20.30 wiederholt sich der Vorgang. Das Grusswort von Erich tauchte nicht auf. Ich kopierte den dritten Text nochmals hinein und speicherte. Doch wo war der Gruß an Erich?

Ich hatte erneut Klavier in der Schnellsuche eingegeben. An diesem Punkt fiel ich wieder aus dem Programm. Es erschien logout. Ich startete neu, nun erschien das Grusswort an Erich, doch der Text war verschwunden. Ich kopierte ihn zum dritten Mal hinein. - Im Oktober 2018 klappte MML wieder gut, doch die Unsicherheit steckte in meinen Knochen.

 

Hattest du Auseinandersetzungen mit Lehrern oder der Schulleitung?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Hattest du Auseinandersetzungen mit Lehrern oder der Schulleitung?
Nein, ich bewunderte die Herren für ihr Können. Sie waren weit weg. Sie unterrichteten ihre Fächer wie Maschinen. Das gefiel mir. Maschinen, wie die automatische Waschmaschine oder der elektrische Kochherd liessen mich staunen. Wie hatten diese beiden doch die Fähigkeit, das Leben mit einem Knopfdruck zu erleichtern. Die Herren kamen, unterrichteten ihr Fach und gingen wie Automaten, weiter nichts. Das imponnierte mir. Es fiel mir leicht, mich in sie zu verlieben. Jede Stunde einen andern wie zu Grossmutterszeiten: "Wir, die jungen Mädchen von damals, wir sahen an jeder Ecke einen andern und keiner oder kaum einer wusste etwas davon." Grössi lachte verschmitzt, " als eine von den ärmsten hatte ich keine Aussicht auf eine Ehe gehabt hatte. Unerwartet wurde ich doch geheiratet." Ich weiss nicht, ob die Herren wie ich über mein Verliebtsein hätten lachen können. Sie schienen mir alle, aus der bürgerlich wohl anständigen Einfamilienhäuschen Welt zu kommen. Dazu gehörte auch ein mit kleines Gärtchen mit einem gediegenen Gartenzaum.
2018 - eine Nachbarin, geboren 1923
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - eine Nachbarin, geboren 1923
Gestern hatte ich eine Dame, geboren 1923 im Altersheim "La Residence" besucht. Deren Eltenhaus konnte ich durchs obertste Fenster aus unserem Treppenhaus sehen. Wir hatten das Haus 1981 gekauft. Die Frau hatte dort gelebt, bis der Alterungsprozess ihres Ehemannes die beiden im Februar 2018 veranlasst hatte, die Wohnform zu wechseln. - Ich staunte, wie professionnel ich den für die Betroffenen schwierigen und schmerzhaften Abschiedsweg formulieren konnte. - Die alte Dame hatte mir mit dem Rollator ein Glas Hollunderblütensirup serviert, obwohl ich als Besucherin, wie sich dies gehörte, das Angebot abgelehnt hatte. Der Sirup, nicht wässrig wie in meiner Kindheit, scheckte mir gut. Wir unterhielten sich über all die vielen Nachbarn, "die in den letzten Jahren weggezogen waren". "Ja, es geht uns allen gleich," die Besuchte schaute mich an und fuhr weiter: "Sie sind noch eine junge Frau." Dann erkundigte sie sich nach meinem Einsatz im Kongo, sie erfragte Details. Auf dem Heimweg entschloss ich mich die Änderungen im Quartier zum Thema meines nächsten Besuches zu machen. Ich wollte sich dafür ein wenig vorbereiten und z.B. dei Namen der neuen Nachbarn von den Briefkastenschildern kopieren.
Was hast du in den Ferien, den Sommerferien gemacht?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Was hast du in den Ferien, den Sommerferien gemacht?
1960 Lehramtsschule 1b, Mithilfe auf dem Hof, Feldarbeit
1961 Lehramtsschule 2b, Hauwirtschaftskurs im Kloster Illanz
1962 Lehramtsschule 3b, Mithilfe auf dem Hof, Feldarbeit
1963 Lehramtsschule 4b, französisch Kurs in Lausanne
1964 Lehramtsschule 5b, Mithilfe auf dem Hof,  Feldarbeit
1964 19. September Maturitätsfeier

Wie alle Schüler liebte ich die Ferien. Ich sehnte mich nach Ruhe, nach monotoner Feldarbeit: Kartoffeln und Rüben lockern und Unkraut ausziehen. Ich zog es vor, allein zu arbeiten und nicht andern Familienmitgliedern beim Plaudern zuhören. Wollte ich etwas erzählen, wurde ich aufgefordert, genauer auf die Qualität meiner Arbeit zu achten. Eine Kantonsschülerin musste kontrolliert und ermahnt werden! Trotzdem, ich liebte die Feldarbeit, die Weite und den offenen Himmel über den Felder, die Sonne im Rücken und den Wind in den Haaren. 
Wie alle Mitschüler hätte ich gerne vor den Ferien ein wenig davon geträumt und nachher darüber geplaudert. Sie erzählten von Ferien am Meer. Der Zeltplatz und der Strand seinen wieder bis auf den letzten Platz besetzt gewesen. Das fanden sie gut. Das wäre nicht gut für mich gewesen. Die Eltern dieser Schüler planten, über den Gotthardpass zu fahren. Dazu hätte ich, das Landei doch erzählen können, dass ich als Primarschülerin den Gotthardpass zu Fuss überwandert hatte. Ich hätte die Kollonnen von stehenden Autos, die kochenden Motoren, die schwitzenden Mütter mit den durstigen Kinder erwähnen können, doch das wurde nicht gehört.
Der für Mädchen obligatorische hauswirtschaftliche Unterricht wurde für uns Kantonsschülerinnen auf einen vierwöchigen Internatskurs verkürzt. Ide und ich hatten Glück. Wir wurden beide in den Kurs im Kloster Illanz im Bündnerland eingeteilt. Schön war es! Wir brauchten nicht viel mitzubringen, denn neben Kochen, Backen und Nähen lernten wir auch Waschen. Per Bahn und Postauto reisten wir nach Illanz und dann wanderten wir durch das alte Städtchen und den Hang hinauf zum stattlichen Chalet der Bündner Bäuerinnenschule, die nur Winterkurse durchführte. Der ganze Sommer war ausgebucht durch Kurse vom Unterland. Wir wohnten in Doppelzimmern mit fliessendem warmen Wasser, Dusche und Toiletten auf dem Stockwerk. Genau so wie Ide und ich es uns ausgedacht hatten, lasen wir viel. Wir hatten allerhand Bücher im Gepäck. Ich war gierig "Exodus", den Roman von Leon Uris zu lesen. Ich hatte das Buch in der Bibliothek ausgeliehen. Mama hatte es vor meiner Abreise lesen müssen. Sie konnte es nicht weglegen. Sie vernachlässigte die Haus- und Feldarbeit, und ich war an alledem schuld. Was wir im Religionsunterricht über die Vernichtung des Juden gehört hatten, das schilderte dieses Buch mit vielen scheusslichen Einzelheiten in krasser Weise. Nicht schön und doch schön.
Ich hatte im Hauswirtschaftsunterricht viel gelernt. Endlich konnte ich nun richtige Butterzöpfe backen. Weder Grössi noch Mama konnten sie vierteilige flechten. Sie buken schöne längliche Neujahrs-Weggen. Papa wollte Zöpfe und meine Mitschülerinnen erzählten von Butterzöpfen zum Frühstück am Sonntagmorgen. Oft brachten sie am Montag noch eine Scheibe als Pausenbrot mit. Alle Familienmitglieder freuten sich, und Papa setzte sich dafür ein, dass ich Samstagabend Zeit dafür hatte. Ich buk deren zwei und einen assen wir sofort warm. Weiter lernte ich wie Schwarzwälder-, Rübli- und Kartoffeltorten zu machen waren. Wir buken Pastetchen und füllten diese im Kochunterricht und vieles mehr. Beim Flicken nähte ich einen Hund aus rot karriertem Stoff, dafür gab ich mein zusätzliches Taschengeld gerne aus. In der zweiten Woche baten und betelten Ide und ich bei einer der Ordensfrauen um eine Spezialerlaubnis. Wir wollten das Haus am Sonntamorgen früh verlassen und mit dem ersten Postauto hinten in ein Tal fahren, um den höchsten Berg zu besteigen, den wir von der Terrasse des Chalets aus sehen konnten. - Und zwischen durch lass ich Exodus.- Am dritten Sonntag - ich staunte nur -  fuhr meine ganze Familie vor. Sie begrüssten mich kurz und schnell ging es weiter über den Oberalp, das Reusstal hinunter zum Urnersee. Aus den Erwählungen weiss ich, dass sie dann Hunger litten. In einem Seerestaurant soll sich Mama einen ganzen Fisch und die andern Bratwurst und Pommes Frites bestellt haben. - Ersten August feierten wir gemeinsam mit den Ordensfrauen auf einer Alp und zählten auf dem Rückweg die Höhenfeuer auf den umliegenden Bergen. Schön war es, auch wenn viele der Einfamilienhäuschen-Töchter schimpften, all das sei unnütz, und lieber mit den Eltern ans Meer gefahren wären.
In der vierten Klasse schliesslich den Französischkurs in Lausanne. Ide und ich hatten eine Fahrt nach Paris geplant, doch ich hatte die Autoprüfung im Juni nicht bestanden. Also fiel  unser Traum "Paris" ins Wasser. Umsonst hatte ich eine Autokarte von Frankreich gekauft und in der Bibliothek einen Reiseführer ausgelehnt. Ich musste Mona Lisa mit dem mysteriösen Lächeln warten lassen. Die Mutter war dankbar, dass ich mein gesprartes Geld ersatzweis für einen Französischkurs in Lausanne ausgab. Nur Papa hatte mir die Fahrt nach Paris erlaubt. Ide mit ihren guten Noten radelte mit andern Mädchen durch die Schweiz. Lausanne erfüllte meine Erwartungen nicht. Die französisch Note blieb weiterhin ungenügend.
Wie waren deine Schulleistungen? Half dir jemand? Wie meistertest du das französisch?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wie waren deine Schulleistungen? Half dir jemand? Wie meistertest du das französisch?
Mit misreablen Noten in französisch schriftlich und mündlich, war ich in die Probezeit aufgenommen worden. Ein rassiger, leicht untersetzter, stämmiger Lehrer in einer blauen Stickjache mit weisser Fliege unterrichtet uns dieses Fach. Ich verliebte mich spontan in ihn, brachte ihm aber mehr Ärger als Freude. Als erstes sollten wir einen vervielfälgtigen, ein halbes A4-Blatt langen Text auswendig lernen. Das traf sich ja gut! Ich hatte selbst in Deutsch grösste Mühe einen Text wörtlich aufzusagen. Doch ich konnte so gut nacherzählen, dass mir dies meist erlaubt wurde. Auf französisch nacherzählen ging nicht, auswendig lernen ging nicht, selbst flüssiges lesen ging nicht. Nach zwei Wochen hatte der Verehrte mich abgeschrieben.
Nach zwei Wochen wurde das neue Schulhaus in unserem kleinen Dorf in der Mitte eingeweiht. Im Herbst davor war das Datum festgelegt worden. Zu jenem Zeitpunkt war meinem Körper war klar: Ich besuche die Kantonsschule. Doch der Kopf sah noch keinen Weg. Das Dorf hatte sich für das Fest herauszuputzten. Alle Brunnen waren zu schmücken. Was tun? Wir wohnten an der Kreuzung. Unsern Brunnen sahen alle Besucher. War tun? Meine Eltern wollten mithalten, aber wie? Schon im Herbst hatte Papa per Zufall seinen Militärkollegen, den Gärtner aus dem Dorf mit dem Bahnhof getroffen. Papas Problem war ihm ein Wunsch, denn sein Frühlingsfloor entwickelte sich aussergewöhnlich gut und der Gärtner hatte nicht die erforderlichen Grosszügigkeit, um einen Teil wegzuwerfen. Die beiden ehemaligen Soldaten einigten sich, dass er unsern Brunnen dekorieren würde und unser Lehrling jetzt im Herbst als Entgelt drei Tage in der Gärtnerei mithalf. - Unser Brunnen war wunderbar. Der Gärtner und sein Sohn hatten Zeit zum Planen. Mit dem kleinen Lastwagen brachten sie Erde, kleine Tannen, Holzstünke, Moos, Tiere aus Gartenzwergmaterial und gitterweise blühende Stiefmütterschen. Unser Brunnen war wunderbar. Viele Leute, hauptsächlich Kinder bestaunten ihn. Mama und ich waren in der Küche, als mein neuer französisch Lehrer seine Kinder vor unserem Brunnen photographierte. Sie trat zu ihn hin und die beiden unterhielten sich in französisch. Er spreche gut, war ihr Kommentar. Sie hätten sich über das Dorffest unterhalten. "Warum spricht deine Mutter französisch? Weisst du, dass ich am Sonntag mit deiner Mutter gesprochen habe?" fragte  mich der Lehrer zu Beginn der nächsten Stunde."Sie spricht sehr gut französisch. Ist sie wirklich eine Bauersfrau?" Mein Lehrer war irritiert."Ja, sie war vor zwanzig Jahren im Welschland," bestätigte ich. Ende der Unterhaltung.
Als nächstes wiederholten wir, das heisst, ich lernte und püffelte die zehnen Konjugationsgruppen mit den entsprechenden Verben und viel unregelmässige Verben, in allen Zeitformen und Modis und allem, was es sonst noch gab. Dem wollte ich es zeigen. Ich lernte und lernte, am Morgen früh, beim Radfahren, über Mittag, am Abend, vor dem Einschlafen und mit Mama bei der Feldarbeit. Zwei Wochen vor Ende der Probezeit hatten wir eine 90 Minuten dauernde schriftliche Prüfung. Er und ich, wir waren beide überrascht. Einer der beiden sechser gehört mir. Ohne einen konkreten Anhaltspunkt zu haben, zweifelte er an meiner Ehrlichkeit. In der kommenden Stunde wurden wir deshalb mündlich abgefragt. Zwei Schüler schrieben an der Wandtafel, die andern in ihre Hefte, die gewünschten Verbformen. Jeder Schüler hatte die Chance solange auf die Wandtafel zu schreiben bis er drei Fehler gemacht hatte. Es war möglich, pro Verb mehrere Fehler zu erzielen. Adele und ich standen als erste vorn. Adele wurde nach zwei Fragen abgelöst. Ich blieb und blieb, neben mir wechselten die Schüler in schneller Folge, denn er bot die schwächsten auf. Nach einer Weile fragte er mich: "Deine Mutter spricht französisch, nicht wahr." Ich nickte. Die Abfragerei wurde abbrochen,. Er war mit den Leistungen nicht zufrieden. Er kündigte einen weiteren schriftlichen Test an. Resulat gut: Sechs sechser und einer gehörte mir.
Adele hatte die Probezeit nicht bestanden.
Ja, und wie ging das weiter mit dem französich?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Ja, und wie ging das weiter mit dem französich?
Miserabel. Ich irritierte meinen verehrten Lehrer weiterhin mit der Spannweite meiner Leistungen. Mein Einsatz und die Notenhöhe korrelierten nur in Ausnahmefàllen. Dieses Wort "korrelieren" hatten wir in der Mathematik gelernt, und es gefiel mir gut. Traf dies in externem Masse zu, stand ich beim Verlassen des Zimmers kurz vor den Lehrer hin und sagte: "Mon effort et la note ne sont pas en corrélation!" (= Einsatz und Notenhöhe korrelierten  nicht). (Einschübchen: Meine Lesenden, nicht für alle, sondern nur für Menschen meiner Art hatte ich diese Übersetzung eingefügt.)
Nach der Probezeit, was lasen wir da doch für langweilige, kurze Geschichtchen! Sie gefielen mir nicht. Doch dann wurden uns Teenagen von meinem Verehrten die beiden Märchen "le ballon rouge" und "Crin-Blanc"(=der weisse Hengst) erzählt und vorgelesen. Langsam, Wort für Wort, mit vielen Wiederholungen. Das Gehörte erfasste mich und trug mich in eine andere Welt. Die Geschichte vom roten Ballon, der durch alle Wände gleiten konnte und dem süssen kleinen Jungen half, tönte so charmant französisch, dass ich sie verstehen musste. Schliesslich rief der rote Ballon alle roten Ballone zusammen und sie trugen den Jungen zwischen den Häuserschluten von Paris hoch, über die Dächer hinweg in eine Welt voller glücklicher kleiner Jungen. Das Heftchen war kleiner als A5 - Glanzpapier - ein weicher Schriftzug und hie und da ein kleiner Ballon. Es hatte mich gepackt und ich lernte die Geschichte auswendig. Ich durfte sie meinem Lehrer hersagen. Es gelang mir, das Geheimnis des Ballons einzufangen. Er meinte: "Ta maman, elle parle le français, n'est-ce pas." (= Deine Mutter, sie spricht französisch, nicht wahr.) Ich habe das Heftchen später einer behinderten Frau geschenkt, die ihre Französischkenntnisse erweitern wollte, aber vor lauter Behinderungen keinen Kurs besuchen konnte. Wir haben die beiden Geschichten gemeinsam mehrmals gelesen. Dann wurde sie in ein anderes Heim in einer andern Stadt verlegt.
Als nächstes durchrassten wir den kleinen Prinzen "Le Petit Prince". Das Herz tat mir weh. Ich hatte auf dem internen Schwarzmarkt eine Übersetzung bekommen. Der Bursche, der sie mir gegeben hatte, hätte sich gerne mit mir angefreundet, aber er gefiel mir nicht. Mein verehrter Lehrer trug die blaue Strickjacke immer seltener. Nach dem Wechsel des Rasierwassers war er nur noch ein Lehrer. "Le Petit Prince", die Ansammlung all der Erlebnisse des kleinen Prinzen hätte etwas von Zauber des roten Ballons in sich gertragen, wenn wir uns Zeit hätten nehmen dürfen. Doch der Lehrer machte paralell eine Weiterbildung und seine Zeit für die Vorbereitung der Stunden war rar. Noch schlimmer wurde es, als jeder Schüler über ein Buch einen Vortrag in französischer Sprache halten musste. - Das schlanke Mädchen und der Secondo waren ein festes Pärchen geworden. Und ich? - Das Taschenbuch "La grande peur dans la montagne" de Charles-Ferdinand Ramuz né en 1878 à Lausanne, lag all die Jahre griffbereit, um nochmals gelesen zu werden. Es war mit mir umgezogen und wartete weiter. Auch damit hatte ich schliesslich einen erstaunlichen Erfolg. - Meine französisch Note sank nie unter "ungenügend", aber trotz allem Abmühen stieg sie nie über "ungenügend". Ich kam problemlos über die Runden. In vielen Fächern hatte ich gute Noten, auch wenn ich diese wegen meinem Dauerkampf mit der französischen Sprache vernachlässigen musste.
Kann das Problem "französisch" nicht gelöst werden?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Kann das Problem "französisch" nicht gelöst werden?
Am vierteljährlichen Lehrerkonvent besprachen die Herren Lehrer die Leistungen der Schüler aller Klassen. Wir bekamen einen schulfreien Samstagmorgen, den die Klassenlehrer mit zusätzlichen Hausaufgaben kompensieren durften, sollten, mussten. Unser Klassenlehrer unterrichtete uns Deutsch. Er war nicht mit dem französisch Lehrer befreundet. Er erklärte mir vertraulich: "Euer Problem mit dem französisch muss und kann gelöst werden. Sein dauerndes Drängen wegen deiner unterschiedlichsten "Darbietungen" stören den Konvent. Du bleibst, dein Notendurchschnitt liegt zu hoch, denn Turnen und Singen zählen nicht. Die drei Herren halten dich den Lehrerberuf als ungeeignet und beantragen deshalb immer wieder einen Rausschmiss. Du bleibst."
Sein Zusicherung stärke mir den Rücken. - Das Wort "ungeeignet" verunsicherte mich. Ich meldete mich für eine Ausbildung als Krankenschwester und wurde abgelehnt. Für Air-Hostess war ich zu gross, doch die Swiss Air bot mir spontan eine Anstellung mit interner Weiterbildung an. Ich sparte, wo ich nur konnte. Ich verlangte Geld für das Mittagessen und nahm weiter dicke Butterbrote mit. So lagen bald drei hundert Franken für einen Ferienkurs in Lausanne bereit. Meine Eltern verstanden. Vier Wochen ohne Feldarbeit und allerhand kleinen Abenteuern! Ich war hart zu mir, aber es brachte nichts. - Die Schule organisierte Nachhilfestunden bei einem erfahrenen alten Herrn. Es brachte nichts. - Der französisch Lehrer liess sich im Herbst für ein Jahr freistellen, um weiter zu studieren. Wir bekamen junge Studenten als Stellvertreter. Das tat mir gut, aber ich erholte mich nicht. So ging es nicht weiter!
Ich war entschlossen. Ich hatte lange hin und her überlegt und bestellte einen Pass. Papa unterschrieb das Antragsformular ohne Rückfrage. Mama brauchte das nicht zu wissen. Die Gemeindekanzlei rief an und erkundigte sich bei ihr, warum ich einen Pass brauche. Am Abend erzählte sie, die Gemeinde wolle sich in alles einmischen, die Steuern seien bezahlt, habe sie denen barsch erklärt. Dann fragte sie mich, und Papa erklärte ihr: "Alle Schüler haben einen Pass und unsere Tochter möchte auch einen. Lass sie doch von der weiten Welt träumen," und zu mir: "Nimm mit mit, wenn du gehst." Was meinte Papa?
Wie konnte das Problem gelöst werden?
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Wie konnte das Problem gelöst werden?
Ich hatte wieder Geld gespart. Meinen Plan von einem Amerikaaufenthalt hatte ich nicht vergessen, nur verschoben. Ich dachte auch immer wieder an Alfi, das schwarze Mädchen aus der Missionsgeschichte in der Sonntagsschule. Sie war so alt wie. Was machte sie wohl? Es stand weiterhin fest, ich werde irgend wann ins Hinterland einer grossen Stadt in Afrika reisen und dort etwas machen.

Im Moment hatte ich einen andern Plan. Ich konnte nicht mehr. Meinen Eltern erklärte ich: "Ide - das war meine Kantonsschul-Freundin - Ide und ich wollten für drei Tage eine Reise in die Berge machen. Leider ohne Papa!" Das zuhören tat ihm gut und er war sofort bereit, uns beide mit den Rucksäcken in die Stadt zum Bahnhof zu führen. Nein, nein, Ide traf ich erst am Bahnhof in der Stadt am See. Sie war dort bei einer Tante in den Ferien. Ide war tatsächlich die ganzen Ferien bei einem Onkel, dem Bruder ihres verstorbenen Vaters. Mama half mir den Rucksack packen und Papa gab mir einen Extra-Batzen.

Ich verabschiedete mich von allen per Handschlag, man wusste ja nicht, es könnte mir ja etwas zustossen draussen in der weiten Welt. Papa brachte mich auf den 3 Uhr Zug und fuhr ohne zu parkieren weiter. Den Pass, die beiden Billette, die Nachtzugreservation, das Geld, alles war sorgfältig verstaut. Als der Zug abfuhr, war ich erleichtert, denn alles hatte nun ein Ende.

Den Bahnhof in der grossen Stadt am See kannte ich, doch ich räumte mir für das Umsteigen und den Bezug des Schlafwagenplatzes zwei Stunden ein. Man hatte mir dies am Bahnschalter geraten, denn es sei immer ein unangenehmes Gedränge. Mit dem Liegeplatz ganz oben sei ich gut bedient. Es gebe dort auch eine Ablage für das Gepäck. Ich solle gut auf meine Sachen achten und Pass und Geld zu mir nehmen. Es klappte gut, der Schaffner war hilfsbereit. Nach einem Besuch in der Bahnhofstoilette legte ich mich oben hin und schaunte dem Treiben zu. Der Zug füllte sich: Menschen, Köffer, Taschen, Männer, Rucksäcke, älter Frauen, Mütter mit unruhigen Kindern, ein Kinderwagen, Säcke voller ungeordenete Waren, ein Geschrei und Gejole. "Nein, nein, das ist nicht ihr Platz, stehen sie bitte auf. Zeigen sie mir ihre Platzkarte. Sie sind im falschen Wagen. Sie haben noch genügend Zeit, um ihren Platz zu suchen. Hier, jetzt können sie sich setzen. Ihren Koffer schiebe ich hier in den Zwischenraum," der Schaffner wandte sich an einen andern Passagier. Ich schaute nach unten. Der Mann versuchte sich zu bedanken. Er setzte sich müde auf seinem Platz. Eine weitere Lautsprecherdurchsage und die Fahrt begann.
Ich reiste mit einem Direktzug. An der Grenze kontrollierten sie Pass und Fahrkarte: "Sie wissen, dass sie bis zum Endbahnhof dieses Zuges reisen. Schauen sie auf die Anschrift und steigen sie nicht aus, wenn der Zug irgendwo längere Zeit anhält. Das ist eingeplant." Ich reiste das erste Mal ins Ausland. Ich reiste das erste Mal mit einem Nachtzug. Ich reiste allein und weit und mit Pass, obwohl in Europa die Identitätskarte genügt hätte. Ich hatte keine Angst. An meiner Seite reiste ein Schutzengel mit und von der Grossmutter wusste ich, wie ich mich gegebenfalls verteidigen konnte. Alles war gut und schön.
Der Zug rollte und rollte. Alle Liegeplätze waren besetzt. Ein paar Männer standen im Gang. Ich lachte: "Nein, nein, ich brauche niemanden, der mir warm gibt." Der Zug rollte und rollte. Der Schaffner kontollierte unsere Fahrkarten erneut. Der Zug hielt an. Ein paar Passagiere stiegen aus, andere ein und dann rollte und rollte der Zug wieder. Es ging mir gut. Ich genoss die Fahrt. Ich dachte an die Grossmutter, die immer sagte: "Es war nicht schön, glaube mir, es wird immer besser."
Was hast du noch gemacht, um dein Problem zu lösen?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Was hast du noch gemacht, um dein Problem zu lösen?
Ich schlief gut im rollenden Zug. Hielt er und war ich zufällig wach, so kannte ich die Namen der Städte kaum. Deutschland war nie Thema unseres Geographieunterrichtes gewesen. Ich hatte wohl eine Weltkarte im Gepäck, aber die wollte ich im dunkeln Zug nicht öffnen. Langsam wurde es hell. Ich stellte mich eine Weile ans Gangfenster. Eine flache Gegend sauste vorbei. Sie war mir fremd, unglaublich flach. Ich vermisste die Berge nicht. Ich dachte an Heidi in Frankfurt und legte mich wieder hin. Der Gang war mir zu eng. Die Luft war schlecht. Es roch zu sehr nach Mensch. Zwischenzeitlich war es hell geworden. Der Himmel schien bedeckt. In jedem Bahnhof stiegen Menschen aus. Die Liegebetten wurden hochgeklappt und wir sassen auf den Bänken. "An der nächsten Haltestelle können auch sie aussteigen. Dann sind sie am Ende ihrer Reise angelangt," informierte mich der neue Schaffner freundlich. Ich bedankte mich höflich und dachte: "Wenn du wüsstest, das ist erst der Anfang." Ich stieg zügig aus und trank einen Teil meines Schweizer Wassers. Ich hatte seit dem Mittagessen am Familientisch vorsichtshalber nichts mehr getrunken. So, da war ich nun. Doch wo war der Hafen mit den grossen Schiffen? Im Touristenbüro bekam ich einen kleinen Stadtplan, ein Streckenkärtchen mit den Buslienen und ich kaufte mir vorsichtshalber eine Tageskarte, ich nutzte das Angebot für Touristen. Das war ich aber nicht. Ich fuhr in den Hafen zu den grossen Schiffen, um Arbeit zu suchen. Ich hatte mich daheim bei zwei Männern, von denen es hiess, sie seien Matrosen auf hoher See gewesen, informiert. Ich liess mir alles ganz genau erklären. Für anständige Frauen gebe es genug und gute Arbeit. Nähen und Bügeln seien gefragt. Eine Frau müsse sich der Situation stellen und das leiseste Zeichen eines Annäherungsversuches lachend, aber klar zurückweisen. Schwimmen müsse man nicht können. Der Verdienst sei gut. Sie machten sich lustig über mein Interesse und ermunterten mich: "Geh hin und versuche es! Du lernst, ohne etwas zu bezahlen, die ganz Welt kennen." Wenn nicht Lehrerin, wenn nicht Krankenschwester, wenn nicht Airhostess warum nicht Seefahrerin.

Der Bus fand den Hafen ohne Mühe. "Zu den grossen Schiffen, gerade aus. Es ist nicht mehr weit. Pass auf Mädchen," der Bus drehte und der Chauffeur winkte mir. Als ich die ersten grossen Schiffe sah, sass ich auf eine Bank, ass Mamas Butterbrot und trank das letzte Schweizer Wasser. Ich dachte ein wenig über meine Situation und die Zugfahrt nach und nahm erleichtert Abschied.
2018 Juni: Ich fragte mich, ob wohl je jemand meine Texte lesen würde. Wie dem auch sei, das Schreiben machte mich glücklich. Meine Lesenden, wie ging es Ihnen in den Teengagerjahren?
Was hast du weiter erlebt beim Versuch, deine Probleme zu meistern?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Was hast du weiter erlebt beim Versuch, deine Probleme zu meistern?
Es hatte geregnet in der Nacht. Der Kai, die Kais, die wenigen, die ich zusehen bekam, waren nass. Kein Problem, ich trug, wie von den Seemännern empfohlen, kräftige Halbschuhe, nicht zu enge, doch gutsitzende Hosen und eine Windjacke. Ich marschierte ins ungewisse. Zwei Stunden hatte ich eingeplant, um ich mich umzusehen. Nach fünf Minuten wurde ich gefragt, ob ich Hilfe brauche. Ich lehnte ab und ging weiter. Nach weiteren fünf Minuten wurde ich gefragt, was ich suche. "Entschuldigung, ich habe nichts verloren," war meine lachende Antwort und wie von den Seemännern angeraten, ging ich  weiter. Nach nochmals fünf Minuten verlangte ein Mann meinen Ausweis. Ich griff in die Tasche und antwortete: "Gerne, wenn ich zunächst einen Blick auf ihren Ausweis werfen darf." Ich konnte weiter gehen. Nun hielt ein Auto an, der Beifahrer stieg aus. Er zeigte mir seinen Ausweis und ich bot ihm meinen Pass an. Ich steckte meinen Pass wieder in der Tasche und erklärte: "Ich mache eine Besichtigung des Hafens." Das Auto fuhr wieder weg. Dann kam wieder jemand. Es war ein Mann vom Sozial Dienst des Hafenbezirkes. Er erklärte mir, der Hafene sei eine gefährliche Gegend, und es sei seine Aufgabe, fremde Einzelpersonen zu einer Tasse Kaffee einzuladen und auf die Gefahren des Hafens aufmerksam zu machen. Was tun? Ich bestellte ein Fläschchen Mineralwasser und bat den Kellner, dieses erst am Tisch zu öffenen. "Warum dies?" wunderte sich der Unbekannte. "Das will Mama, das ist eine Vorsichtsmassnahme gegenüber Unbekannten?" "Du gehorschst deiner Mutter?" "Soweit mir dies möglich ist." und wegen seines fragenden Blickes fuhr ich fort, "Alle Eltern verlangen sechser" - er verstand nicht, also - "alle Eltern wollten nur sehr gute Noten sehen, aber das ist mir nicht möglich." Er verlangte nochmals meinen Pass und ging zur Telefonkabine im Korridor. Für ihn war das Gespräch fertig. Er verlangte nach einer Zeitung. Nach einer Weile trafen zwei Damen ein. Wir sind vom städtischen Sozialdienst. Minderjährige Mädchen werden bei uns untergebracht. Ich spürte, Wiederstand lohnt sich nicht. Eine der beiden Damen nahm mir den Pass ab und ich verliess den Hafen in einem Auto. Wir hielten vor einer hohen Mauer, die Chauffeuse hornte und ein eisernes Tor öffnete sich. Wir fuhren in einen Hof, der durch die hohe Mauer geschützt wurde. Wir waren eindeutig in einer sehr gefährlichen Gegend. Es hiess, ich hätte Glück, eine angemeldete Tochter sei nicht erschienen, so dass die Leiterin das Aufnahmebefragung mit mir sofort machen konnte. Ich staunte. Eine halbe Stunde beantwortete ich alle Fragen korrekt mit nein. Sie glaubte mir nicht und verlangte, dass ich dem Jugendanwalt vorgeführt wurde. Dieser befragte mich zursätzlich zur Schule. Um sich ein klareres Bild zu machen, wünschte er dem Rektor meiner Schule in der Schweiz anzurufen. Er verstand, dass ich die Telefonnummer des Rektorates nicht kannte. "Meine Sekretärin soll die Verbindung erstellen. Willst du etwas trinken? Bringen sie mir eine verschlossene Flasche," wir lachten beide und plauderten ein wenig. Er zeigte Verständnis für meine Lage. Dann das erste Telephongespräch. Der Rektor erkundigte sich nach dem Grund des Anrufes aus Deutschland. Man habe im Hafen eine junge Frau aufgegriffen, die behaupte eine Schülerin seiner Schule zu sein. Nach den Angaben im Pass, sei sie minderjährig, und könnte durchaus Schülerin eines Gymnasiums sein. Im Gespräch wirke sie viel älter und das Bild zeige kaum Ähnlichkeiten. Der Rektor erkundigte sich nach meinem Namen, der Klasse und dem Klassenlehrer. Heute sei an seiner Schule der letzte Frühlingsferientag. Er versuche den Klassenlehrer telefonisch zu erreichen. Dann wechselte ein paar Worte mit mir. Schliesslich bat er um Zeit für ein Gespräch mit meinem Klasslehrer und anerbot, nachher zurückzurufen. "Ein Jugendanwalt erlebt immer wieder etwas neues," er schaute mich an und schüttelte den Kopf. Mein Besuch war nicht eingeplant gewesen,  und er hatte dringend noch einen Antrag ans Gericht fertigzustellen. Er gab mir ein paar Zeitschriften und schrieb. Wir warteten gemeinsam auf den Rückruf. Er erklärte sich bereit, alle Informationen des Rektors laut zu wiederholen. Dieser meldete sich umgehend.  Der Rektor: "Der Klassenlehrer hat meine positvien Angaben bestätigt. Keine Straftaten, kein nächtliches Herumtreiben, pünktlich, ordentlich, leistungswillig, freundlich, zuverlässig. Oft von der Mithilfe in der Familie überfordert. Leistungsmässig gut, nur in französisch eine ungenügende Note. Schicken sie das Mädchen mit dem nächsten Zug wieder heim. Nein, nein, sie kann allein heimreisen. Er gab mir den Hörer, der Rektor sagte zu mir: "Du kommst allein wieder heim. Wir verzichten auf eine amtliche Überführung. Kannst du das versprechen." Zum Gesprächsabschluss hielt der Jungendanwalt fest: "Die junge Frau reist allein heim. Wir organisieren die Rückfahrt. Wir behandeln sie freundlich und sie, der Rektor übernehmen die volle Verantwortung und tragen allfällige Folgekosten. Danke für die zügige Erledigung des Falles."
Ich wurde keine Hochseefahrerin.
Was passierte dann mit dir im weitern Verlaufe des Tages?
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Was passierte dann mit dir im weitern Verlaufe des Tages?
Der einfachheithalber brachte mich der Jugendanwalt persönlich ins "Heim für gefallene Mädchen" zurück. Diese Bezeichnung ging ihm locker über die Lippen. Dort gab er die Anweisungen des Rektors weiter. Er verlangte deren strikte Durchführung: "Es soll sie  am Abend jemand auf den richtigen Zug bringen. Sie kann allein zurückreisen. Ich, der Jungendanwalt übernehme die Verantwortung. Anfangs nächste Woche schicke ich ihnen die verlangte schriftliche Bestätigung!" Die Mädchen sassen noch am Mittagstisch und ich wurde aufgefordert mitzuessen. Sie reklamierten wegen dem Essen und waren verärgert, weil ich damit zufrieden war. Sie fragten nach meinen Straftaten, nach meinem Stoff, nach den Männern und meinen Kindern, ob ich Kontakt zu ihnen haben dürfe. Ich staunte und fragte zurück und verstand, ich war tatsächlich im Heim für gefallenen Mädchen gelandet. Ohne Kind gibt es keinen Vater, keinen Vaterschaftsprozess, keine Alimente, kein Besuchsrecht, keine Freigabe zur Adoption, nichts. Sie bedauerten mich: Du hast das Leben verpasst ohne Kinder und ohne Männer und ohne Geld.  Dann hörte ich mir ihre Geschichten an. Ich interessierte mich für ihre Geschichten. Ich glaubte nicht alles, denn eine versuchte die andere zu überbieten. Die Betreuerin war überrascht, dass wir ein so langes Gespräch führen konnten, und wie ich zwischen wahren und erfunden Geschichten unterscheiden konnte. Wir plauderten mehr als eine Stunde. Ich konnte sie ein wenig verstehen. Sie waren entsetzt, dass ich zu ihnen gebracht worden war. Sie mussten zurück zur Arbeit. Ich wurde aufgefordert endlich zu duschen und mich hinzulegen.

Zufällig hörte ich, dass niemand Zeit hatte, um das Heim zu verlassen und Vogelfutter zu kaufen. Ich anerbot mich. Nah längerem Zögern erlaubten sie es mir. Sie erklärten mir den Weg zum nächstgelegenen Vogelfuttergeschäft und liessen mich mit zwei DM und dem Vogelkäfig mit einem Vogel drin ziehen. Ich sollte Futter für genau diesen Vogel kaufen, darum hatte ich ihn mitzutragen. Was es nicht alles gab? Die Haustüre und die Mauertor wurden geöffnet und wieder geschlossen. Schliesslich stand ich mit Käfig und Vogel auf den Gehesteig. Was nun? Natürlich, gerade aus zum Kanal, dann links dem Kanal folgen und nach ca. 500 Metern sollte ich auf das Vogelfuttergeschäft finden. Die Sonne schien und eine leichte Biese trug mir etwas Meerluft zu. Keine Brücke war zu sehen. Ah, der Kanal wurde mit Fähren überquert. Dort wo mein Weg auf den Kanal stiess, war die erste und auf der Höhe des Vogelfuttergeschäftes eine zweite Fähre. Nach dem erfolgreichen Vogelfutterkauf erlaubte ich mir eine Fahrt mit der Fähre. Ich wollte meine Tageskarte nutzen. Es war herrlich. Alle lachten über meinen Vogel. Die Kinder sagten: "Schau die Frau mit dem Vogel. Sie lacht. Warum hat die Frau einen Vogel?" Wir lachten. Ein kleiner Junge fragte: "Warum hast du einen Vogel?  "So etwas fragt man nicht," flüsterte eine Mama ihrem Kind zu. "Doch sie hat einen Vogel," plapperte der Kleine und ich gab ihm recht: "Ja, ich habe einen Vogel." Die Mutter: "Nein, sie ist eine Ausländerin," Der Kleine: "Nein, sie sieht aus wie wir. Sie hat einen Vogel." Ich trat mit dem Käfig und dem Vogel auf das Kind zu und wir schauten meinen Vogel zu dritt an. Dann schlendert ich mit Vogel und Käfig zur nächsten Fähre.
Zurück im Heim: "Du hast lange gebraucht! Was hast du getrieben?" "Ich habe den Kindern unterwegs den Vogel gezeigt." "Das macht man nicht!" "Da nehmen sie mir bitte ihren Käfig ab, dann haben sie den Vogel." Ich musste ihr den Kasselzettel und das Vogelfutter ins Büro nachtragen.
Wie gings weiter?
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Wie gings weiter?
Für Käfig und Vogel wurde eine Ecke auf der Garderobe freigemacht. Die Betreuerin hatte gewechselt. Ich verlangte ein Glas Wasser und bat um einen weitern Spaziergang. "Nein. Sobald ich frei bin, rufe ich den Jugendanwalt an. Ich will wissen, was da vor sich geht. Verschwinde in deinem Zimmer!" und sie warf die Bürotüre zu. Der Stuhl im Korridor genügte mir. Erstens wusste ich nicht, dass ich mein Zimmer hatte, und zweitens fürchtete ich, etwas zu verpassen. Die Bürotüre öffnete sich wieder und eine verwandelte Frau stand vor mir: "Gerne darfst du nochmals hinaus. Gehe wieder zum Kanal, diesmal aber nach rechts, dann kommste du zu einem grossen Platz mit vielen Geschäften. Schaue dich dort ein wenig um. Ich sehe, du hast eine Uhr. Sein um fünf Uhr zurück, damit wir dich rechtzeitig zu Bahnhof bringen können." Haustürschloss auf, Haustürschloss zu und nochmals Torschloss auf, Torschloss zu, die verwandelte Betreuerin begleitete mich persönlichlich hinaus. Kein spektakulärer Spaziergang, Geschäfte wie daheim in der Stadt am See, zwei Kanal-Überfahrten in überfüllten Fähren. Müde, verschwitzte Männer waren auf dem Heimweg. Viertel vor fünf klingelte ich vor dem Tor "des Heims für gefallene Mädchen". Es war nur mit Sozialdienst angeschrieben. "Schön, dass du da bist. Ich begleite dich persönlich zum Zug. Ich will für dich einen Schlafwagenplatz oben organisieren. Hast du Geld? Dann gehe zur Kasse im Erdgeschoss." - Ich staunte. Die Kasse verlangte einen stolzen Betrag für zwei Tage Unterkunft und Verpflegung, Eintritt, Austritt, Fahrkarte und besondere Betreuung. Ich wünschte eine detailierte Rechnung und hatte schliesslich nur das Billett, hier genannt Fahrkarte zu bezahlen.
Die Betreuerin hatte eine Stellvertretung bestellt. Sie offerierte mir ein Abendbrot, gab mir Früchte für unterwegs und füllte meine Wasserflasche. Wir waren rechtzeitig auf dem Bahnsteig. Es sei alles besetzt. Nein, nein. Sie forderte energisch einen guten Platz oben für mich und verstaute meinen Rucksack. Dann verabschiedeten wir uns. Ich war müde, schlief ein und wurde - ich hatte die ganze Fahrt verpasst - von einem Kondukteur mit heimischen Dialekt geweckt.
Ich löste ein Zusatzbillet und fuhr bis zu unserem kleinen Bahnhof. Das letzte Stück ging ich zufuss. Der Rektor hatte die Eltern informiert. Als ich in die Stube trat, freuten sich alle. Mein Platz war frei. Die Mutter holte mir einen Teller und wir assen gemeinsam. Nachher half sie mir den Rucksack ausräumen. Es war Samstag, der letzte Ferientag. Am Sonntag besuchte ich den Gottesdienst. Nach meiner Konfirmation hatte ein junges Pfarrehepaar die Leitung unserer Kirchgemeinde übernommen. Ich kannte sie nicht und sie plauderten nach dem Gottesdienst nicht mit den Dorfbewohnern. Am Montag begann ein neues Schuljahr. In der grossen Pause empfing mich der Rektor, ein freundlicher Herr. Wir sprachen lange miteinander. Er verstand meine Einsamkeit und Überlastung. Ich hatte ihm vorgerechnete: "37 Stunden Untericht, gemäss Hausaufgebenbuch, von Ausnahmen abgesehen, mehr als 3 Stunden Hausaufgaben täglich, üben für den Musikunterricht, zusätzlich französich lernen. Daheim ein wenig Feldarbeit, das gelegentliche Kochen und das gemeinsame Nachtessen am Familientisch, das war meine Freizeit. Der Rektor setzte sich energisch für eine Reduktion der Hausaufgaben ein und forderte mich auf, bei ihm persönlich vorbeizukommen, wenn es mir wieder zuviel werde. Ich meldete mich zweimal auf den Rektorat, aber der verständnisvolle Herr war fort. Der Deutschlehrer, unser Klassenlehrer sprach mit mir und erkundigte sich im weitern jeden ersten Dienstag im Monat. Der französisch Lehrer hatte die Schule verlassen, um sein Zusatzstudium abzuschliessen. Es ging weiter.
Wie reagierten deine Eltern auf Zeugnisse?
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Wie reagierten deine Eltern auf Zeugnisse?
Ich legte es auf die Kommode in der Stube, Papa unterschrieb und ich verräumte das braune Büchlein wieder. Das Resulat, nicht gerade umwerfend. Beim Radeln glitten die immer selben Felder an mir vorbei. Die Ernten, häufig nicht gerade umwerfend.
Ab wann war die spätere Berufswahl ein Thema? Wie standen deine Eltern dazu oder beeinflussten dich?
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Ab wann war die spätere Berufswahl ein Thema? Wie standen deine Eltern dazu oder beeinflussten dich?
MML: Oder spielte jemand oder etwas anderes für deine spätere Berufswahl eine Rolle?
Und gleich noch die folgende Frage: Wie hätten sie reagiert, wenn du einen ausgefallenen Berufswunsch geäussert hättest? Oder ist das sogar geschehen?
2018 Einschub : Bevor ich etwas zu meiner Berufswahl schreiben wollte, fand ich es als angezeigt, ein paar allgemeine Hinweisen zu meinem damals schwierig zu durchblickenden Umfeld zu machen. Zunächst zur wirtschafts-geschichtlichen Lage Europas nach dem zweiten Weltkrieg:  Meine Lesenden, Sie werden es kaum glauben, aber es ist eine Tatsache, dass sowohl in der Sekundarschule wie in der Kantonschule unser Geschichtsunterricht mit der französischen Revolution endete. Mein weitergehendes Interesse hatte mir nichts als den  Vorwurf gebracht, ungeduldig und drängend wie ich sei, immer dieselbe Frage zu stellen. Die Grosseltern, die Eltern, der Primarlehrer und der Pfarrer, die hatten uns einiges erzählt, das ich mit Radiosendungen ergänzen konnte. Meine Lesenden, 2018 kann alles im Internet gefunden werden, aber ich schrieb ja meine persönliche Lebensgeschichte, dazu gehörte eine Schilderung meiner Lebenslage, wie diese anfangs der 1960er Jahre, lange vor der Internet-Zeit war. Damals setzte ich, was ich daheim im kleinen Dorf bis zum Ende meiner Ausbildng zur Primarlehrerin gehört hatte, wie folgt zusammen: Nach dem ersten Weltkrieg entwickelten sie die USA dank der Fliessbandproduktion in den Fabriken zur Grossmacht. Man sprach von den "Den Golden Twenties". In Deutschland herrschten Arbeitslosigkeit, Bettelei, Hunger und Elende bis sich die Lage nach der Währungsreform von 1923 langsam besserte. 1929, der Börsenkrach in New York gefolgt von einer weltweiten Depression. Arbeitloskeit ohne soziale Absicherung, Hunger und Elend. Dann tauchte in Deutschland ein Wundermann auf. Er brachte Arbeit. Niemand fragte wofür. Hitlers Kriegsvorbereitungen und Rüstungsindustrie beschäftigten die breiten Massen. Die Nachbarländer sahen sich gezwungen, auch aufzurüsten. In der Schweiz herrschte nach dem Börsenkrach von 1929 Arbeitslosigkeit und Not. Nach 1939, während dem Zweiten Weltkrieg - Vollbeschäftigung, doch bald tauchte die bange Frage: Wie geht es weiter, wenn kein Kriegsmaterial mehr produziert werden muss und die Männer heimkommen? Um sicher etwas zwischen den Zähnen zu haben, waren meine ängstlichen Eltern entschlossen, einen Bauernhof aufzubauen. Der Ost-West-Konflikt, der Kommunismus waren die neuen Bedrohungen. Mit Freude setzte ich mich voll für das Familien-Ziel "Bauernhof" ein. Doch der Schein trügte. In meiner Brust wohnte eine zwei Seele. Niemand verstand, wovon ich sprach, wenn ich in ruhigen Momenten die Universität erwähnte. Meine zweite Seele verlangte ein unabhängiges Leben. Alle lachten: "Oh du gutes Kind, du kannst noch lange von der Taube auf dem Dach zu träumen."

Dass vor diesem Hintergrund meine Berufswahl kein Thema war, das verstand ich bestens. Ich wurde aber von meiner zweiten Seele gedrängt, etwas zu lernen, wenn möglich weiter in die Schule zu gehen. Deshalb besuchte ich zur grossen Enttäuschung meiner Mutter, gegen den stummen Widerstand der engern und weitern Familie die Kantonsschule, Abteilung Lehramt. Ich hatte diese Schule nicht ausgewählt. Nein, sie war meine einzige Chance. Der Klassenlehrer hatte mich unterstützt. So kam es, dass ich die Kantonsschule besuchen konnte. Ich traf dort auf die gleichaltrigen Töchter und Söhne aus Einfamilienhäuschen und Standrandvillen. Ich fühlte mich fremd und hatte Mühe, mich zu orientieren. Ich hatte grosse Selbstzweifel und machte mir Vorwürfe. Für eine Ausbildung zur Lehrkraft brachte ich wenig mit. Zusätzlich zu meiner Lese- und Schreibschwäche konnte ich weder singen noch schwimmen. Ich hatte kein konkretes Berufsziel und vertraute auf den Himmel. Ich hatte Angst und musste mich ablenken. Darum erfand ich immer neue Einzelheiten zur Lebensgeschichte meiner fiktiver Freundin Alfi, von der ich durch eine Missionsgeschichte in der Sonntagsschule gehört hatte. Ich malte mir aus, wie sie lebte und fragte sie schliesslich: "Hat sich deine Heimat bereits von den europäischen Kolonialherren befreit? Herrscht bei euch Krieg?" Dann sprang meine Phantasie zu Grössi, die, je älter sie wurde, desto häufiger dasselbe wiederholte. Sie sagte immer wieder: " Ich kann es kaum glauben, wie gut es uns geht, alles wird immer bessern. Alle Männer haben Arbeit haben. Sie verdienen gut. Wenn sie nicht trinken, reicht es leicht für den Lebensunterhalt ihrer Familie." Nachdem Flüchtlingsstrom aus Ungarn, 1956 wollte ich oft Grössis schreckliche Erzählungen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, vor dem ersten Weltkrieg und noch früher hören. Ich hatte leise Bedenken, aber ich wollte trotzdem mit der Grossmutter glauben: "Es wird alles immer besser."

Unausgesprochen schien allen klar: "Sie wird Lehrerin." Mama merkte bald, dass es ihr Respekt einbrachte, wenn sie beim Vermarkten unserer landwirdschaftlichen Produkte in Einfamilienhäuschen-Quartieren oder bei den Frauen in den Standrandvillen sagen konnte: "Unsere Tochter besucht die Kantonsschule, Abteilung Lehramt". Es muss dabei ein Wort das andere gegeben haben. Jedenfalls löste sich eines meiner grossen Probleme von selbst. Ich war in der Schule, als ein kleiner Lastwagen daheim ein Klavier ablieferte. Der Chauffeur plazierte es mit Papa und dem Lehrling in der Nebenkammer. Ein paar Tage später kam noch der Klavierstimmer vorbei. Alles geschenkt, von einem kinderlosen alten Ehepaar. Sie freuten sich, ihr Klavier nutzbringend weitergeben zu können. Nun war ich für den im kommenden Jahr beginnenden Instrumentalunterricht ausgerüstet.

Was allen klar war, war mir nicht klar. Ich zweifelte an meiner Eignung für Lehrerin. Wie sollte das Gehen? In den 1960er Jahre gab er für Singen und Turnen je einen Sonderexperten, der das Einhalten des Stoffplanes in diesen Fächern kontrollieren musste. Mit einem von den Eltern mitunterzeichneten Formular, es hatte gerademal dreiviertel Seite, konnten wir uns zu Beginn der fünften Klasse für das Oberseminar (OS) in Zürich anmelden. Ich reichte es nicht ein. Tage und Wochen zogen dahin. Wir bereiteten uns für die Maturitätsprürfung vor. Bei einer Kontolle stellte das Sekretariat fest, dass ich nicht für das Oberseminar angemeldet war: "Was hat sie wohl für Pläne?" Am ersten Dienstag im Juni sprach mich der Klassenlehrer an: "Ist meine Vermutung richtig, dass sie sich, wie von mir vorgeschlagen, entschlossen haben, Alt-Germanistik zu studieren? Das freut mich. Ich gratuliere ihnen zu ihrem Mut." - Pause - Seit Beginn der dritten Klasse sprachen die Herren Lehrer die Schüler mit dem Familiennamen, die Schülerinnen weiterhin mit dem Vornamen an und sie siezen uns. - Pause - Mit gesenktem Kopf sagte ich leise: "Nein, ich weiss nicht, was ich machen soll." "Also ins OS. Dann haben sie ein Papier in den Händen. Alt-Germanistik können sie noch nach ihrer Pensionnierung studieren." - Pause -

Der gute Mann hatte 1964 nicht ahnen können, dass sie diesen Traum nach der Pensionierung, nach 2009 nicht wird umsetzten können. Wir konnten damals beide nicht wissen, dass ich mich in jener ferner Zukunft, mit der mich Ende der 1940er Jahre befallenen Entschlossheit, für Kinder und Mütter in abgelegenen Dörfern Afrikas einsetzen würde. Tatsächlich hatte ich bereits gegen Ende meiner Erwerbszeit, um die Jahrtausendwende konkret mit der Umsetzung meines Afrika-Engagement begonnen und ich war 2018 weiterhin damit beschäftigt. - Pause - Und ein paar Jahre später, Ende 2015 sollte ich zusätzlich dem neuaratigen Erzählkonzept, der Autobiografie-Plattform von Meet my Life begegneten. Dieses Angebot ermöglichte mit auch schrittweise, wie schon lange erträumt, meine Lebensgeschichte zu tippen.
Wie klappte das dann mit dem Instumentalunterricht ?
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Wie klappte das dann mit dem Instumentalunterricht ?
Oft und mit viel Bedauern hatte ich an den in der dritten Klasse verpassten Flötenunterricht gedacht! Das war passiert, weil ich damals noch nicht radfahren konnte. Liess sich das Verpasste vielleicht in der Sekundarschule nachholen? "Wer spielt, welches Instument und wielange?" hatte der Singlehrer gefragt und nachher gelacht: "Da lässt sich kein Schülerorchester gründen." Eine der neuen Kameradinnen hatte bereits seit sieben Jahren Flöteunterricht. Sie hatte im Kindergarten damit begonnen. "Erzähle mir ein wenig. Welche Lieder spieltst du?" ich suchte den Kontakt zu ihr. Als ich mich sogar nach ihrer Flötenlehrerin erkundigte, wies sie mich ab: "Schade, du bist zu alt, deine Finger sind zu steif!" Gerne hätte ich ihre Flöte gesehen, doch sie hatte keine Zeit.
Nun sollte ich als Kantonsschülerin der Abteilung Lehramt Klavierspielen lernen! Zum Nachlass von Tante Elsa hatte unter anderm ein Harmunium gehört. Mama wollte daraus Brennholz machen, aber wir brachten es auf den Estrich. Da stand es dann eine Weile. Gerne hätte ich ein wenig darauf gespielt. Doch wenn ich um Erlaubnis bat, wies mir Mama sofort eine dringend zuerledigend Arbeit zu. Zudem soll es total verstimmt gewesen sein. Zu Mamas Erleichterung holte es bald ein Altwarenhändler ab. Er gab ihr 100 Franken, wenn er zusätzlich den ganzen Erstich durchwühlen durfte. Viele Dinge, die ich nie gesehen hatte, verschwanden!
Ich vertraute dem Himmel und tatsächlich bekamen wir nicht nur ein Klavier geschenkt, sondern noch vor den Herbstferien der ersten Klasse meldete sich eine unbekannte Frauenstimme am Telefon. Die Dame fordert Mama auf, mich am Montag- oder Dienstagabend nach der Schule bei ihr vorbeizuschicken. Sie habe den Auftrag, mit mir sofort mit Klavierstunden zu beginnen. Sie könne diese Aufgabe nur bis im Frühling übernehmen. Ich kam in ein vornehmes Haus: Ein grosser Raum mit dunkeln Möbeln und einem Flügel. Wir verstanden uns gut und ich lernte manch wichtiges ausser Notenlesen und Tonleitern spielen. Sie machte mir Mut und beantwortete bereitwillig viele meiner Fragen: "Schade, dass du keine Möglichkeit hattest, früher zu beginnen. Deine Finger und Hände sind locker und beweglich, als ob du schon lange ein Instrument spielen würdest." Zu Beginn der zweiten Klasse wurden wir Lehrern von der Musikschule zugeteilt. Ich hatte wieder Glück. Die neue Klavierlehrerin hatte eben ihre Ausbildung als Konzertpianistin abgeschlossen. Das bereitete ihr viel Freude, doch gleichzeitig stand sie vor der Tatsache, dass sie kein Engagement bekommen hatte. Sie hatte nicht geplant, mit Klavierstunden ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und doch war sie dankbar, dass sie von der Musikschule als Aushilfe angestellt worden war. Sie machte mir Mut. Wenn sie Zeit hatte, beantwortete sie meine Fragen gerne. Einmal lud sie mich in ein Konzert ein und erklärte mir an der Kasse, wie ich mit der Legimationskarte Freikarten beziehen konnte. Eine unerwartete Chance für Ide und mich. Als Zeichen des Dankes brachte ich ihr einen Strauss richtige Gartenblumen. Und später, als ich Autofahren konnte, packten Mama und ich unsere beiden kleinen Kätzchen in einen grossen Deckelkorb, damit ich sie ihr zeigen konnte. Sie war überrascht, als sie den Korb neben dem Klavier öffnete. Nach der Stunde rief sie ihre Kolleginnen zusammen. Im Park bewunderten alle die Kätzchen . Ich hatte im Auto eine Schale für die mitgebrachte Milch und ein paar Scheiben Wurst. Alle freuten sich zu beobachten, wie die Tierchen tranken und assen. Wie zutraulich sie waren! Sie konnten gestreichelt und auf die Arme genommen werden.
Wie war dein Beziehungsnetz in dieser Zeit?
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Wie war dein Beziehungsnetz in dieser Zeit?

Ich war eine von vielen Lehramtsschülerinnen. Wenn es mir gut ging, fühlte ich mich im Netz der vielen Lehramtsschülerinnen aufgehoben. Das Wort "Netz" kannte ich damals so wenig wie das Wort "kommunizieren". Mit Ide hatte ich eine gute Freundin gefunden, um die mich einige beneideten. Ide benützte mich u.a. als Schutzschild. Statt selber klar nein zu sagen, erklärte sie dritten, sie wolle mich zuerst fragen. Doch sie fragte mich nicht, sondern liess die andern mit der Erklärung, ich sei unentschlossen, warten . Andererseits gehörte ich oft zur Gruppe, weil Ide gerne gesehen war. Warum? Das war ihr und mir nicht klar. Über solch offene Fragen konnten wir gut miteinander sprechen. Ide vermutete, ich sei zu eigenwillig. Ich vermutete, ich sei zu unsicher. Was die beiden Wörter "eigenwillig" und "unsicher" in Bezug auf mich aussagten, verstanden wir beide nicht. Erst Jahre später erlaubte ich mir, selber zu bestimmen, ob ich zu einer Gruppe gehörte oder nicht. Eine Gruppe hat unbequeme Mitglieder, das macht nichts.

Wir hatten Besuchstag. Ein paar Eltern standen bereits seitlich an der Wand, als wir ins Zimmer stürmten. Ich erkannte einen Kartoffelkunden. Wir beobachteten uns gegenseitig. Gegen Ende der Stunde näherte er sich unauffällig der Türe. Die Glocke schrillte. Er verliess das Zimmer als erster. Wozu? Er sprach mich an. Warum? Warum nicht? „Wir kennen uns doch“ ich nickte.“Du bist doch unsere Kartoffelverkäuferin“ ich nickte. „Du gehst hier in die Schule“, ich nickte. „Du kannst nicht schwimmen“ ich nickte, woher wusste er das? Nelly stand neben ihm, sie hatte das wohl daheim erzählt. „Geht es dir gut?“ Ich nickte. „Es muss schwierig für dich sein.“ Ich nickt kurz und schüttelte dann den Kopf. Er hatte einmal mit dem Auto Kartoffeln auf unserem Bauernhof geholt. Da seine Familie gute Kunden waren, durfte ich ihm in der Stube ein Glas Süssmost anbieten. Ich erinnerte mich klar, wie er herumgeschaut hatte. Er hatte auch nach der Toilette und dem Badezimmer gefragt. „Dass du das schaffst. Du musst ja in zwei Welten leben.“ Ich nickte. „Ich wünsche dir alles gute.“ „Danke, nächste Woche bringen wir wieder Kartoffeln. Wir haben dann zusätzlich Grafensteiner Äpfel.“ Diese Gespräch tat mir noch während Jahren wohl. Er hatte meine anstrengende Aufgabe, das „leben in zwei Welten“ verstanden.

2018: Es war leicht gewesen, den obigen Text kurz vor dem Mittagessen nach MML zu kopieren. ich tippte gleich weiter. Ich schrieb so viel lieber online, dass ich der Versuchung nicht widerstehen konnte. Um 17 Uhr, als ich den PC wieder einschaltete, die Ernüchterung: Alles vor weg, inkl. die Korrekturen im ersten Abschnitt. ich tippte im Word eine neue Variante, und fügte diese ein. Einschub Ende.

Meine Eltern waren nach dem Zweiten Weltkrieg im Begriff einen Bauernbetrieb aufzubauen. Wir spürten sehr wohl, dass die alteingesessenen Bauern dies nicht gerne sahen. Über mich wurde zudem getuschelt: „Und dann die älteste Tochter, die besuchte eine Schule in der Stadt. Und warum geht sie eigentlich so oft in die Kirche? Jetzt wo es uns immer besser geht, ist das doch nötig.“ Auch die Familie warf einen scheelen Blick auf meine Kirchenbesuche: „Auch das noch. Genügt ihr die vornehme Schule nicht?“ Ich gehörte nicht mehr zum kleinen Dorf. Und die Familie? Die tat sich trotz aller Liebe zu mir schwer mit mir. In der Kirche fand ich Ruhe und Sicherheit. Ich bekam die Kraft für die kommenden Wochen.

Die Sache mit der Kirche wurde hochgespielt. Nach der Konfirmation ging ich höchstens einmal pro Monat. Der Sonntagmorgen war langsam zur Pommes-Frites-Zeit geworden. Nicht an 52 Sonntagen, nein, nein, nur wenn sich unsere Kartoffeln dafür eigneten. Im Frühling trieben sie aus. Ein, zwei, drei, zehn Zentimeter, Armlang wurden die Keimlinge. Die Knollen wurden schrumpelig und schrumpeliger. Nach dem Kochen sahen sie wieder besser aus. Sie eigneten sich weiterhin gut für Rösti, Bratkartoffeln und Schweinefutter. Ende Juni begannen die Stauden der Frühkartoffeln zusammenzufallen. Die neue Ernte konnte langsam beginnen. Wir freuten uns. Oh, wie schmeckten die täglich frisch ausgegrabenen Kartoffeln herrlich. Sie zerplatzen zwar beim Kochen und galten noch als unreif. Das interessierte uns nicht. An heissen Tagen kochten wir am Abend eine ganze Pfanne voll und machten Kartoffelsalat für den kommenden Tag. So musste bei Hitze kein Feuer zum Kochen gemacht werden. Niemand dachte an Pommes-frites. Erst an kühlen Herbst-Sonntagen träumte der Vater wieder von Pommes Frites. Solange wir mit dem offenen Feuer kochten, war das zu gefährlich. Zudem, Bauersleute assen keine Pommes-frites. Noch vor meiner Konfirmation standen eine vollautomatische Waschmaschine, eine elektrische Nähmaschine und ein elektrischer Kochherd im "Allzweckraum" neben der Küche. Dann bauten die Handwerker einen neuen Kochherd mit einer geschlossenen Gusseisenplatte ein. Diese wurde von unten mit Holz beheizt. Neben der Feuerung ein Backofen und irgendwo versteckt eine Heizschlange. Diese war an der Wasserversorgung angeschlossen und das Wasser darin wurde nebenbei aufgewärmt, wenn gekocht wurde. Mama hatte allen Grund wieder zu schimpfen. Papa hatte das einzig auf dem Markt angebotene Modell mit Heizschlange ausgewählt. Im oberen Stock, über dem neuen Kochherd wurde der 120 Liter Boiler platziert. Mama, der Bruder und die Schwester gegen Papa und mich, wir waren unterlegen und doch hatte Papa weder einen 20 noch einen 40 Liter sondern einen 120 Liter Boiler bestellt. Durch den, den neuen Gegebenheiten angepassten Kamin wurde die Heizschlange mit einer Leitung unten an den Boiler angeschlossen und oben aus dem Boiler führte eine Leitung durch den Kamin in die Küche, quer über Diele und hinunter zum alten Schüttstein. Dort wurde ein moderner Heisswasserhahn montiert. Der Umbau hatte gut geklappt. Neu konnte sich Papa, bevor es sich hinter die Arbeit im Stall machte, mit warmem Wasser waschen. Alle wollten sich mit warmem Wasser waschen! Mama musste etwas mehr Holz verbrennen, um mehr Wasser aufzuheizen. Wie war ein Leben ohne Boiler möglich gewesen?

Jetzt konnten wir auch Pommes-frites machen. Aber wie? Als Schmerzensgeld für das Geschimpfe rund um den Umbau, verlangte Papa, dass ich frei Hand bekam. Wir hatten eine klare Vorstellung vom Sonntagmittagessen: Vorsüppchen, panierte Koteletts, Erbsen mit Rübli, und ? schmale chinesische Nüdelchen? Nein, Ziel waren Pommes-frites. Der Nachtisch, Salat oder Apfelkompott war Nebensache. Wir blieben vorerst bei den chinesischen Nüdelchen. Alle Pfannen, die uns zugetragen worden waren oder die wir neu gekauft hatten, konnten wir auf die Gusseisenplatte stellen, selbst die GF-Gusseisenpfanne, die wir bis anhin nur im Holzofen benutzen konnten. Genau diese GF-Pfanne wollte ich verwenden. Die Mutter, die Grossmutter und die Schwester, alle machten sich an die Fabrikation von Pommes-frites. Gut, denn dringende Hausaufgaben warteten auf mich und ich sollte noch ein Buch lesen. Von einer Tante bekamen wir eine Pommes-frites-Schneidmaschine. - Wir erreichten unser Ziel nicht. Auch ich scheiterte. Doch ich gab nicht auf. Das Öl musste heisser sei! Z
ur Freude aller machte ich schliesslich viele Pommes-frites. Natürlich, es gab kein geordnetes Sonntagmittagessen mehr, aber genügend in Öl gebackene Stabkartoffeln. Wenn ich eine Portion fertig hatte, trug ich diese in die Stube und die Anwesenden stürzten sich darauf. So ging‘s und so war es gut für alle. Fleisch und Gemüse warteten auf den Montag. - Später etwas Kompott oder Salat? Gerne, das genügte. - Dank den Pommes-frites hatte ich wieder einen Platz in der Familie.

In der Nachbarschaft wohnte eine Gruppe junger Italiener. Die wollten nicht, dass ich bei Dunkelheit allein heim radelte: „Wir müssen dich beschützen. Du bist unsere Schwester. Eine Notiz in unseren Briefkasten und wir holen dich.“ Das klappte gut, trug mir aber scheele Blicke ein. Weiter kannte ich die Leute, die mir jeden Tag unterwegs begegneten, wir winkten und grüssten uns. In der Stadt verteilt, all unsere Kartoffel-Kunden, wir kannten uns seit Jahren. Ich spürte, auf diese Menschen war Verlass. - Daneben gab es noch meine Phantasiewelt mit all ihren verschiedenen Akteuren. Allein unterwegs spielten wir eine von mir erfundene Liebesgeschichte, eine Mischung aus Heidi, Gotthelf, Buddenbrooks und Gegebenheiten aus meinem Alltag. Ich war die energische Heldin, nicht laut, nein, leise und klar. - Zwischen durch wurde ich von meiner Zukunftsvision gepackt: "Irgend wann und irgend wie will ich etwas in abgelegenen Dörfern in Afrika machen". Ich betonte: "Ich will, dass mein Geld draussen in den Dörfern zu gesunden, arbeitswilligen Negern kommt ... Passta."

2018: Ich hatte den PC hinuntergefahren und später wieder eingeschalte! Ich war neugierig. Der Text war wieder
verschwunden. Also, nochmals hineinkopieren und speichern und kontrollieren. Der Text war unter "Vorversion" als "Backup-Version" gespeichert. Gut. Also Schritt um Schritt zurück, logout, schliessen, schliessen, hinunterfahren, warten, Stromzufuhr ausschalten. So einfach war das!

2018: Der Text war am kommenden Morgen noch im MML zu finden. Sehr gut. Ich tippte diese zwei Sätze und kontrollierte wieder unter Vorversion, Backup. Alles gut. Einschub Ende.
2018: Taten wir uns in der Kanti bei einem der
Mathe-Lehrer schwer, hatte der jeweils gelacht und gesagt: "Dumm geboren, nichts gelernt und alles vergessen. Ich darf also nochmals von vorne anfangen." Ich wiederholte diesen Satz. Er passte perfekt zu meiner momentanen Situation. Ich hatte aus den Misserfolgen nichts gelernt. Ich korrigierte und tippte erneut online. Doch ich war achtsamer geworden. Stimmte da etwas nicht mehr? Schnell den ganzen Text markieren! Rechte Maustasten, kopieren und weg war der Text. Er wartete im System. Textprogramm öffnen, Ctrl und v antippen und - ? Der Text erschien tatsächlich. Danke, Wunder Technik. Keine Sache, ich konnte ihn später erneut hineinkopieren. Doch das war am Nachmittag nicht nötig, denn der Text erschien wieder in MML.
2018: Zwei Wochen später war er immer noch da. Sie korrigierte erneut, speicherte und wechselte zu einer andern Frage. Einschub Ende.

 

 

Wie war das Beziehungsnetz deiner Familie in dieser Zeit? Teil 1
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wie war das Beziehungsnetz deiner Familie in dieser Zeit? Teil 1

Wir Kinder hatten Cousinen und Cousins auf väterlicher und mütterliche Seite. Zur Vaterseite herrschte seit dem Tod des Grossvaters Funkstille. Grössi besuchte ihre Töchtern jeden Frühling und erzählte uns nachher von ihren Enkeln. Ich kannte deren Namen und Alter. Ich hätte sie gerne kennengelernt. Ich sah sie sehr, sehr selten, und wenn – so schienen sie sich nicht für mich zu interessieren. Sie kannten meinen Namen nicht und wollten ihn nicht wissen. Sie erzählten mir nichts, und sie wollten nichts von mir hören. Sie wollten weder Ball noch Karten mit uns spielen spielen. Einfach nichts. - Zur Ursprungsfamilie der Mutter pflegten wir einen regen Kontakt. Wir besuchten regelmässig alte Familienmitglieder. Die freuten sich, uns Kinder zu sehen: „Schön etwas anderes als immer nur alte Jammerbasen. Denkt daran, ihr werdet schneller alt, als ihr glaubt. Danke, dass ihr uns noch nicht vergessen habt.“ Schon bald stellten wir uns gegen solche Besuche: „Bleibt daheim, wenn ihr nur mault.“ Das war uns lange recht. Papa fand auch einen Ausweg. Er brachte seine Frau allein hin und holten sie später ab. Gelegentlich besuchten wir die Schwester oder den Bruder meiner Mutter. Dort wohnten unser tollen Cousin und die beiden Cousinen. Dem Anstand zu liebe begrüssten sie uns per Handschlag - und sie verschwanden. Auch sie waren nicht interessiert, auch sie kannte ich nicht. - Im französisch Unterricht erzählten die andern Kanti-Schüler von ihren Cousin und Cousinen. Ich stand nicht hint an. Ich erfand mir Verwandte, die zum Unterricht passten. Ich konnte sie dem zu lernenden Vokabular anpassen. Ob die Erzählungen der Mitschüler der Wahrheit entsprachen?

Unser Haus lag unterhalb der Strasse und die Häuser der alteingesessenen Bauern standen oberhalb. Der Wind blies Staub und Unrat zu uns herunter. Grössi behauptete: „Die wischen den Schmutz absichtlich Richtung Strasse. Dann haben wir die Unordnung einzusammeln.“ Es hiess, denen unterhalb der Strasse sagt man nichts, man wechselt nur leere Worte. Ich kannte die Namen aller Dorfbewohner. Dank meiner Freundlichkeiten wurden mir gelegentlich „grosse Sorgen“ anvertraut. Ich kannte sie also ein wenig, was sie nicht schätzten. Als ich in der Stadt zur Schule ging, verschwanden sie, wenn ich kam, oder sie drehten den Kopf in die andere Richtung. - Dann gab es die grosse, hässliche Geschichte! Die Autos und Fuhrwerke, die auf unser Haus zufuhren, verlangsamten ihre Geschwindigkeit. Die Leute blieben beim Vorbeigehen stehen. Was gab es zusehen? Was war los? Papa sass ins Auto, er wollte wissen, was es da zu sehen gab. Er erschrak und verstand. Er hielt an und riss ein Plakat vom Brunnentrog: „Weg damit, fort in den Estrich.“ Trotz grosser Neugier, ich musste auf 10 Uhr in die Schule radeln. Ich sah nur noch, wie ein Polizeiauto anhielt. Ich saust die steile Strasse nach unten. Ein zweites Polizeiauto, der Überfallwagen kreuzte mich. Was war los?

Am Abend, ich erschrak, als ich heimkam. War jemand gestorben? Die Mutter nahm mich zur Seite und informierte mich. „Hier gibt es blaue Milch, stand auf dem Plakat, das Papa auf dem Estrich hatte verschwinden lassen." Pause. Sie wiederholte: „Hier gibt es blaue Milch. Du brauchst nicht in den Estrich zu gehen. Die Poliz
isten verlangten das Plakat, sie rannten auf den Estrich und nahmen es mit.“ Wir atmeten beide langsam. Grosse Augen glotzten Mama an. Sie sprach langsam weiter: „ Die Polizisten haben ihn (gemeint war der Stammhalter) mit dem Überfallwagen in der landwirtschaftlichen Schule während dem Unterricht gefasst. Mit Handschellen haben sie ihn abgeführt. Niemand habe Zeit gehabt, ein Wort zu sagen. Dann fuhren sie unterhalb dem Haus vor. - meine Liebe, - meine Liebe,“ sie hatte meinen Namen nie so oft wiederholt wie in jener Situation, „ meine Liebe – die Polizisten hatten Schlagstöcke in den Händen. Sie schrien. Dann soll er ihnen gezeigt haben, wie er mit dem Milchkannendeckel Wasser in die Kanne, in die Milch gossen haben will. - Was war da für ein Lärm? Endlich öffnete Papa die Stalltüre. Sein Sohn umringt von Polizisten. Alle schwiegen. Papa staunte. Er soll den Kopf geschüttelt haben. Meine Liebe, dann wurde behauptet, unser Bub habe ihnen gezeigt und gestanden, dass er jeden Tag Wasser in die Milch geleert habe. Meine Liebe, ich war in der Küche. Ich sah nur, wie der Überfallwagen wieder wegfuhr. Mein Kopf war noch bei den Polizisten, die mit dem Plakat wegfuhren.“ - „Dann kamen der Lehrling, Papa und unserer Sohn in die Küche. Ich kannte ihn kaum. Was war geschehen?“ „Gib uns den Rest des Frühstückskaffees. Hier ist eine Schokolade! - „Ich wagte nichts zu fragen. Ich bediente sie. Als wir alle am Tisch sassen, sagte Papa: „Wir werden der Milchpanscherei verdächtigt. Ich bringe Hans nun in die Schule zurück und informiere den Lehrer.“ Papa erklärte dem Lehrer nachher: „Wir werden der Milchpanscherei verdächtigt. Sie wollten und haben Hans vor Ort befragt. Selbstverständlich werden wir die Schule laufend informieren.“

Beim Nachtessen sprachen wir über das Plakat. Leider hatten wir nicht einmal die Gelegenheit ein Photo zu machen. Wie gewohnt, teilten sich Hans, Papa und der Lehrling die Arbeit im Stall. Wie gewohnt brachte Mama drei volle Kannen Milch zur Sammelstelle. Sie wurde gewogen und eingeschrieben. Zwei Liter mehr als am Vortag!
Wie weiter? Wir wollten vorbereitet sein. Zu unsern Kartoffel-Kunden zählte u.a. ein Rechtsanwalt. Sein Büro war im prächtigen Garten an das grosse Familienhaus angebaut worden. Wenn er jeweils unseren Traktor vorfahren hörte, unterbrach er seine Arbeit und wechselte ein paar Worte mit Mama: „Gut, dass sie kommen. Mein Kopf surrt. Ich habe einen schwierigen Fall auf dem Tisch. Wie geht es mit den Kühen? Geben sie viel Milch? Ich weiss, sie haben mich schon mehrmals eingeladen. Ich will meine Telefonnummer in ihr Kundenbüchlein schreiben. Rufen sie sofort an, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Dann komme ich zu ihnen auf Besuch.“- … - Wir hatten oft über sein Angebot gelacht! Den brauchen wir doch nicht! Er wird nie kommen! Macht nichts, wichtig ist, dass die Familie viele Hofprodukte kaufte. - „Rufen sie sofort an, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Dann komme ich zu ihnen auf Besuch.“ Mama befolgte seine Anweisung. Sie verabreden auf den kommenden Morgen eine Besprechung zu dritt vor Ort: „Gut, dass die Jugendlichen alle in der Schule sind. Ich will mir zuerst einen Überblick verschaffen.“ Die neugierige Grössi wurde weggesperrt, d.h. sie musste in ihrer Stube bleiben. Die Besprechnung ging lange. Er schaute die Situation im Stall genau an. Grössi wurde beauftragt, das Mittagessen zu kochen. „Wir sprechen morgen um die gleiche Zeit weiter. Verhalten sie sich wie gewohnt,“ er stieg ins Auto und fuhr weg.

 

Wie war das Beziehungsnetz deiner Familie in deiser Zeit? Teil 2
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wie war das Beziehungsnetz deiner Familie in deiser Zeit? Teil 2
Er stieg ins Auto und fuhr weg. Wir waren neugierig. Am Abend als wir gemeinsam am Tisch sassen, erwähnte Mama, der Anwalt habe noch nie eine solche Geschichte gehört. Sie hätten ihm alles erzählt. Er habe immer wieder überlegt. Den Stall, die Melkmaschine, die Milchkannen vor dem Stall und die Wasserkühlung, alles habe er genau angeschaut. Immer wieder habe er die Lippen zusammengepresst und den Kopf geschüttet, er wolle eine Nacht darüber schlafen und komme morgen wieder. Das gehe, er ersuche für zwei andere Verfahren um eine Fristerstreckung. Später rief er an und verschob die Besprechung auf den späten Nachmittag. Er wolle nachher bleiben und zuschauen, wie gefüttert und gemolken werde. - Eine bleierne Stimmung hielt uns gefangen. Eine Arbeit nach der andern rief uns. Der Alltag lief zügig. Die Jugendlichen gingen in die Schule und machten die Hausaufgaben ohne Ermahnung. Die Eltern führten den Hof. Nichts blieb liegen. Alles wurde sofort weggeräumt. Wir halfen uns gegenseitig, als wäre Not am Mann.

2018 anfang Juni: An Details des Verfahrens konnte ich mich nicht erinnern. Mein Gesuch um Einsicht in die Akten von damals war abgelehnt worden. Den Bruder konnte ich nicht treffen, sie würden bald mit der Getreideernte beginnen, und man wisse nicht, wie das Wetter sei. Zwei Monate später konnte ich sagen, es war trocken und heiss gewesen. Einschub Ende.

Damals: Das Milchbüchlein lag neuerdings auf dem Stubentisch. So konnten alle jederzeit sehen, dass wir vor und nach der das Verhängnis auslösenden Milchkontrolle die gleiche Menge Milch ablieferten. Wäre die Milch tatsächlich um das behauptete Drittel mit Wasser verdünnte gewesen, hätte die Milchmenge nachher geringer ausfallen müssen. Dies besonders, da weiterhin derselbe Kuhbestand gemolken wurde. Erst drei Wochen später wurden zwei Kälber geboren und die Milchmenge stieg markant. Der Anwalt hatte sofort eine Wiederholung der Milchmessung verlangt. Es seien Ausreden gesucht worden. Schliesslich hätten sie sich auf den Sonntagabend geeinigt, informierte er uns. Er lehnte die vorgeschlagene Wiederholung ab, weil zwei Ersatzmänner geschickt wurden. Die erste Wiederholung mit der ursprünglichen Besetzung klappte nicht. Den Männern unterliefen mehrere Fehler. Man einigte sich auf einen vorzeitig Abbruch. Zur zweiten Wiederholung kamen sie mit dem Vorgesetzten. Es wurde eng im Stall und die Tiere waren unruhig. Wir hatten den Stall vorher gut ausgemistet und frisches Stroh verteilt. Der Anwalt und der Vorgesetzte beobachteten die gleichen Fehler. Es waren nur zwei. Das konnte passieren. Der Anwalt akzeptierte diese Probe. Im Dorf und in der Schule, - Alltag wie immer. Wir spürten keine Veränderungen. Dann kam die Anklage: Milchpanscherei. Es liege ein Geständnis vor, das auf Druck der Mutter widerrufen worden sei. Der Anwalt beantragte Freispruch mangels Beweisen. Zusätzlich hatte er ein detailliertes Plaidoyer eingereicht. Einzig die Mutter wurde für eine Einvernahme vorgeladen. Der Anwalt begleitete sie und informierte uns nachher, sie habe sich gut geschlagen. Der Staatsanwalt und zwei Richter hätten sie befragt. Sie habe schnell und klar geantwortet. Die Befragung sei darauf angelegt gewesen, die Mutter in Widersprüche zu verwickeln, aber umsonst. Er habe zu Protokoll gegeben, dass er das Urteil ans Obergericht weiterziehe, wenn seinem Antrag auf Freispruch nicht entsprochen werde. Das Urteil lautete: Freispruch mangels Beweisen. Wir waren erleichtetert. Die Mutter informierte die Verwandten telefonisch. - Viele Fragen blieben offen. Warum wurde nur die Mutter, die nicht im Stall mitarbeitete hatte, einvernommen? Warum nicht der Vater oder der Lehrling? Wer hatte das Plakat am Brunnen angebracht? Warum rannten die Polizisten auf den Erstich und holten es so hastig? Warum wurde der Stammhalter mit dem Überfallwagen und Handschellen in der Schule abgeholt? Warum schrien die Polizisten? Warum trugen sie Schlagstöcke? Wir waren noch alle Minderjährig, war das zulässig.

In ein paar Wochen war Weihnachten.

2018 - 27. Juli: Meine grosse Welt und der Blutmond
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - 27. Juli: Meine grosse Welt und der Blutmond

Seit zirka zwei Jahren trug meine Lebensgeschichte den Titel "meine grosse Welt". Dieser Titel war mir spontan eingefallen, und ich empfand ihn als passend. Er entsprach meinem Gefühl. Ich lebte tatsächlich in einer grossen Welt. Ich hatte dies als kleines Kind so empfunden und ich tat dies als Frau mit über siebzig Jahren weiterhin. Die Bibel öffnete mir einen weiten Zeitrahmen und der Sternenhimmel schien endlos.

Auf den 27. Juli 2018 war ein sog. Blutmond angekündigt gewesen,
ein Ereignis, das erst im kommenden Jahrhundert wieder zu erwarten ist. Dabei stehen die Sonne, die Erde und der Vollmond in einer Linie. Interessierte konnten beobachten, wie die Erde verhinderte, dass der Mond von der Sonne hell angeleuchtet wurde. Er soll ca. eine Stunde durch den Schatten der Erde vollständig verdeckte und durch den Widerschein des Sonnenlichtes rötlich gefärbt werden. Ich wollte das sehen. Ich sass am Abend mit meinem Mann im Garten. Am Horizont zogen ein paar leichte Schleierwolken vorbei. Die gewohnte Nachtruhe wurde durch Schaulustige gestört. Drei Autos fuhren mit dröhnender Musik vorbei. Zwei Kinder stritten und eine resolute Frauenstimme schickte sie ins Bett. Während einer Stunde passierte nichts. Wir gingen in die Wohnung hinauf. Hier sahen wir, wie hinter dem Nachbarhaus etwas rötliches auftauchte, zuerst wenig dann mehr. Das konnte nicht der Mond sein! „Schau, links davon leuchtet der Mars, den können wir auch nur selten in dieser Grösse und Klarheit sehen,“ meinte mein Mann. Er setzte sich und schaltete den PC ein. Meine Augen folgten der dunkel Horizontlinie und über den weiten Bogen des Himmelszeltes zurück zum Mars. Nun konnte ich die rötlich Scheibe des Mondes sehen. Ich war irgendwie enttäuscht. Es fuhren kaum noch Autos vorbei. Der rote Mond zeigte sich bald in seiner ganzen Grösse als matte Scheibe. Ich ging wieder hinunter in den Garten und sass dann allein mit dem roten Mond in der kühlen Dunkelheit in der Mitten ihrer grossen Welt. Ich war nun plötzlich fasziniert: Mein Mond kreist in 28 Tagen mit einer mittleren Distanz von 395‘000 km in einer Ellipse um die Erde. Er löst Ebbe und Flut aus. Was wusste ich über die Sonne? Sie ist sehr heiß und kreist in einer Distanz von 150 Mio. km um die Erde. Die Neigung der Erdachse zur Sonne bestimmt die Jahreszeiten. Neu hatte ich dazu gelernt, dass mit der Energie, welche die Sonne in einer Stunde abstrahlt, der gesamte Energiebedarf der Erde für ein Jahr decken könnte, wenn … . Die Distanz Rorschach Genf beträgt ca. 350 km. Ich selber bin 1.70 gross und gehe in einer Stunde 4.8 km weit. Ich liebte so ganz konkrete Zahlen.

Die rote Scheibe stieg weiter und weiter. Ich machte einen kleinen Quartier-Rundgang. Einzelne Fenstern waren bläulich erleuchtet, die Fernsehapperate waren eingeschaltet. Eine Gruppe junger Leute verband den Anlass mit einer Gartenpartie. Ihr Grillfeuer war am Erlöschen, sie lachten und plauderten. Wolkenfetzen zogen vorbei. Ich war müde und wartete doch gespannt, um zu sehen, wie sich der Mond aus dem Schatten der Erde hinaus bewegte. Ich hatte einen Pullover angezogen und genoss nach einem heissen Tag die leichte Frische der Nacht. Begann nun rechts etwas hell aufzuleuchten? Ja, ich sah einen schmalen, hellen Streifen, eine Sichel, sie wurde breiter. Das gewohnte Bild des Mondes begann aufzutauchen. Ich freute sich.

Einschub: Am 28. Juli war es mir schliesslich mit der Methode von „try and errer“ gelungen, das Erlebnis vom Vorabend in Worte zu fassen. Mehr als drei Stunden hatte ich an zwei Seiten getippt, geändert, gekürzt, leise, dann laut gelesen, ergänzt, Satzzeichen gesetzt und vieles mehr bis ich schliesslich, mit dem Entwurf zufrieden, nochmals die Taste „SAVE“ antippte und das Programm verlassen wollte. Doch dann war der Text verschwunden. Das MML-Programm forderte mich auf, mich zu registrieren. Um meinen Ärger loszuwerden, teilte ich dies dem Techniker per Mail mit. Der weilte am Meer in den Ferien und freute sich sicher.

Am 30. Juli setzte ich mich erneut hinter den Text, diesmal nicht in MML Programm sondern in LibreOffice Writer 5. Am 27. hatte ich meine grosse Welt in wunderbarer Weise erlebt. Sonne, Erde und Vollmond in einer Linie, ich war fasziniert gewesen und war es drei Tage später noch immer. Ich wollte neu beginnen. Doch ich hatte dann oben im Textrest von 28. Juli weiter getippt und herumgebastelt, statt wie geplant neu anzufangen. In meinem Kopf und im PC entstand ein Durcheinander. Wie ich das doch hasste! Mein schönes Gefühl war weg. Ich ging in die Küche und ass einen Apfel.

Was tatst du in deiner Freizeit? In den Ferien? Mit wem verbrachtest du diese vorwiegend?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Was tatst du in deiner Freizeit? In den Ferien? Mit wem verbrachtest du diese vorwiegend?

In der Freizeit? Da radelte ich in die Schule, machte die Familieneinkäufe und radelte heim. Das machte mir Spass, das war Teil meiner Freizeit. Wenn wir wenig Hausaufgaben hatten und mir genügend Zeit blieb, diese in Musse zu erledigen, so war das auch Freizeit. Tief durchatmen und die Wolken am Himmel betrachten, zählte ebenso dazu. All meine Glücksmomente addiert, das ergab einige Wochen Ferien. Zu verreisen, wie es das Ziel meiner Klassenkameraden war, das verschob ich auf später. Ich tat mir schwer mit dem Vorwurf, ich sei zu feige, um zuzugeben, dass ich auf die andern Schüler neidisch sei. Sie verstanden nicht, dass mir Feld- und Gartenarbeit viel Abwechslung brachte. Mir war klar, dass ich später, wenn ich auch in einem Einfamilienhäuschen zu lebten hatte, wie sie von der Sehnsucht nach Weite gepackt würde. Doch nicht jetzt, wo der Vater weitere Felder gepachtet hatte, wo er mir das Auto gab, weil diese zu weit lagen, um sie innert nützlicher Frist zu Fuss oder per Fahrrad zu erreichen. Niemand verstand mich. Hätte ich Ferien ohne Feldarbeit gehabt, wäre ich durch alle Museen der Stadt gepirscht und hätte mir in der Stadtbibliothek Bildbände und alten Bücher zeigen lassen.

Gingst du regelmässig ins Kino? Waren das spezielle Momente? Zusätzlich 2018: die Hausaufgabe für den 25. Mai: Ein wichtiges Buch, oder ein wichtiger Film: "Die Buddenbrooks"
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Gingst du regelmässig ins Kino? Waren das spezielle Momente? Zusätzlich 2018: die Hausaufgabe für den 25. Mai: Ein wichtiges Buch, oder ein wichtiger Film: "Die Buddenbrooks"
MML: Woher hattest du das Geld?  Das Kino kostete nicht viel. Es gab drei Kathegorien: 3. Platz 1.20 Fr., 2. Platz 1.50 Fr., 1. Platz 1.90 Fr. und Balkon 2.50 Fr. Ide und ich wählten immer 2.Platz. Wir wollte es bequem haben und nicht den Kopf nach hinten lehnen, bis das Genick steif war und schmerzte. Geld bekam ich nach dem Satz: "Nimm, was du brauchst." Meine Eltern wussten, dass ich keine unnötigen Auslagen machte. Zudem war ich die Einkäuferin für die ganze Familie. Mir entgingen die reduzierten Sonderangebot nicht.

Nun zu den Filmen. Beginnen wir  mit der Hausaufgabe des Professors für den 25. Mai 2018, erteilt zu Beginn des Seminarmorgens: Ein wichtiges Buch: Einerseits, beschreiben Sie aus der Erinnerung Ihre damalig Beziehung zu einem Buch, das Ihnen wichtig war. Warum haben Sie Sich damit identifiziert ? Statt eines Buches kann es auch ein Film sein. Anderseits, beschreiben Sie Ihre heutige Beziehung zu diesem Buch. Das Buch hat sich nicht verändert. Sie haben sich verändert.“ Noch bevor der Herr Professor seine Ausführungen abgeschlossen hatte, stand fest, sie würde den Film „die Buddenbrooks“ wählen. (Amüsement - nicht gefragt waren Bücher wie die Genesis oder die Offenbarungen). Dann der Professor weiter: „Laden Sie bitte Ihren Text von 1 – 3 Seiten in OLAT in den Ordner « 201805 Buch » als PDF hoch. Haben Sie immer noch technische Probleme?“  

(Amüsement – War dem so? Sie meinte jedenfalls, mit einem Seitenblick auf sie zu hören, nichts sei umsonst, der Preis für OLAT sei zu bezahlen. Sie fasste nach dem 200-Nötli im Portemonnaie und legte es aber nicht diskret, doch gut sichtbar neben mich auf den Tisch. Sie hatten keine Zeit für solche Spielereien. Sie war doch fähig, sich selbständig für OLAT einschreiben! Die nächsten 14 Zeilen hatte sie nach zwei Überarbeitungen gelöscht.)  

Erinnerungen an einen Film: 1960 sass ich neben meinem Lieblingsonkel im vollen Kinosaal. Wir waren erst auf den Hauptfilm gekommen. Er hatte am Samstag zwei nummerierte Karten bestellt. Welch ein Glück! Ich weilte ein paar Tage bei meiner wenig geliebten Patin und spielte mit deren drei kleinen Kinder, damit sie verschiedene Besorgungen und Besuche erledigen konnte. Die Einladung ihres Mann, ins Kino zu gehen, lehnte sie gehässig ab. Ich zwinkerte ihm zu und so kam ich, ein paar Monate vor meinem 16. Geburtstag zur Abendvorstellung eines Film, von dem es hiess, Zutritt erst ab 18 Jahren. Spannende neue Welten! Wir fuhren mit dem Cadillac auf das reservierte Parkfeld. Der Platzanweiser wartete auf uns: „Reihe 15, die beiden freien Plätze in der Mitte. Die – ich verstand das Wort nicht – beginnen in wenigen Minuten.“ Schon sass ich mit geradem Rücken in einem gepolsterten Stuhl. Der Kopf drehte sich. Die Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Nun - Stille im Zuschauerraum. Der Film begann: Die Buddenbrooks, die Geschichte einer vornehmen Familie und der Zerfall einer grossen Handelsgesellschaft im letzten Jahrhundert“, dies war die knappe Zusammenfassung des Onkels.

Der Vorspann, Orchestermusik und im Hintergrund riesige Häuser, vornehme grosszügige Innenausstattungen, viele grosse elegante Männer und schöne Frauen. Ich verstand u.a., dass sich Thomas, der kommende Patron, auf Wunsch der Familie schnell, schnell von seiner Geliebten, von Maria, der Blumenverkäuferin getrennt hatte. Maria führte nach wenigen Jahren mit ihrem Mann ein grosses Blumengeschäft und sie waren Eltern von vier lebenstüchtigen Kindern. Thomas ehelichte später die vornehme Gerda und sie warteten viele Jahre auf Hanno, den schwächlichen Stammhalter. Es war wunderbar, auch wenn ich den Sinn vieler Dialoge und Verwicklungen nur ansatzweise verstand. In der Pause assen wir ein Glacé, ein Cornett Schokolade Vanille Mischung. Es war wunderbar, ich stand in meinen neuen Jeans und den Adidas-Rom breitspurig da. Die Augen schauten in die Runde. Lauter gut angezogene Herren und Frauen mit Absatzschuhen. Sie schauten mich an und ich lachte. Eine Kundin bestellte 20 kg Kartoffeln. Es war wunderbar. Doch schon lud uns der Gong zum zweiten Teil ein. Die Handelsgesellschaft und ihre distinguierte Familie hatte regelmässig Blumen zu bestellen, um Schwierigkeiten … . Einmal spät Abends brachte Maria das Budget persönlich und dieses eine Mal nahm der Patron es ausnahmsweise entgegen. Sie übergab es ihm lächelnd, elegant mit einem leichten Knigges und erschrak. Ein kranker Mann, kaum noch grösser als sie, nahm die Blumen entgegen und fuhr ihr sanft über die vollen schwarzen Locken. Ihre Augen verabschiedeten sich. Wenig später starb der Patron einen sinnlos Tod und Hanno folgte ihm bald.

Nach den Herbstferien standen die Buddenbrooks auf der Liste der Pflichtlektüre. Gelegentlich hatten wir dem Lehrer den Stand unserer Lektüre zu rapportieren. Ich kaufte das Buch sofort: Kartoniert, 600 Seiten, kleingedruckt. Auf dem hinteren Deckel wurde erwähnt, der Autor, Thomas Mann habe dafür den Nobelpreis für Literatur erhalten. Ich legte das Buch neben mich auf die Pult-Klappe. Der Lehrer nutzte die Gelegenheit und befragte mich. Er war erstaunt ob meinem Wissen und schlug mir als Gegenpol einen Gotthelf-Roman vor. Er akzeptierte selbst Heidi. Die Gotthelf-Romane kannte ich von den Hörspiel-Serien am Freitagabend. Heidi hatte ich selber gelesen, bzw. ich hatte es geschafft, dass uns Besuche immer wieder daraus vorlasen. Die Buddenbrooks habe ich nie gelesen. Wozu auch? Ich kannte die Geschichte und, sie brachte mir mehrere gute Noten.

Der Film, die Buddenbrooks illustrierte mir das Haus Sesemann in Frankfurt, wo Adelheid, die Gespielin von Klara sein sollte. Er erklärte mir Heidis Heimweh und ich lernte die Aufregungen zu verstehen, die Heidi im Haus Sesemann immer von neuem auslöste. Marias vier lebenstüchtig Kinder erfreuten mich und Hanno tat mir leid, denn er "musste die Strafe sein", die Thomas für seine Feigheit verdient hatte. Kain und Abel, Adelheid und Klara, Hanno mit seiner Entourage, das Mädchen Alfi und seine schwarze Mama, sie alle waren und sind Lebensgefährten von mir.

Anderseits, beschreiben Sie Ihre heutige Beziehung zum gewählten Buch oder Film. Das Buch hat sich nicht verändert. Sie haben sich verändert. Zur Bedeutung des Films die Buddenbrooks für sie als Frau im vorgerückten Alter - in Jeanshosen und Turnschuhen - schrieb sie am 1. Mai 2018 ein Kurzprotokoll des Tagesablaufes des 30. April 2018, an dem sie die Hausaufgabe für den 25. Mai getippt hatte.
Bis 8 Uhr Betreuerin in einem Wohnheim für acht ausländische Studierende einer privaten Maturitätsschule.
Frühstück und Austausch mit dem Ehemann.
9 -10 Uhr Buddenbrooks
10.15 – 10.45 Mails bearbeiten, im besonderen ein Mail auf französisch nach Kinshasa schreiben.
11 – 12 Uhr Buddenbrooks
12.05 Mittagessen, Nachrichten, Tagesgespräch in Radio DRS2 zum Thema „Die Young Boys Bern: Nach 32 Jahren wieder Meister."
14 -15 Uhr bei Pro Senectute: Gemeinsames Singen, bekannte und unbekannte Volkslieder.
15.15 – 16.45 ich unterstütze eine anerkannte syrische Flüchtlingsfrau bei der Erarbeitung der Abschlussarbeit für Modul 1 zur Ausbildung als interkulturelle Übersetzerin.
17 Rundgang im Garten und Baumeln in der Hängematte.
17.45 – 18.30 Buddenbrooks überarbeiten.
18.30 – 19.30 Nachtessen, Buddenbrooks überarbeiten.
19.30 Abendnachrichten, Buddenbrooks durchlesen und kürzen.
20.30 Im Playback Sternstunde Philosophie: Adorno, Marcuse und Co. - Vordenker der 68er-Bewegung. Leider döste ich immer wieder glücklich vor mich hin.
Müde, müde, ein Glas Wein mit dem Ehemann und das Austauschen der Meinungen zum Bienensterben und zur Zukunft der Wasserkraftwerke. Nach drei Wochen Wind und Sonne hatte es sanft zu regnen begann.
Meine Veränderung: Als Teenager glaubte ich, die Welt würde immer besser. Diese Vertrauen in die menschliche Entwicklung hatte ich verloren. Geblieben ist mit der Glaube an einen Gott, der Kain beschützte und uns am Beispiel seines Sohnes zeigt, wie es gehen könnte.
Ide und ich waren ein Weile Mitglieder des Filmclubs der Kantonsschule. Der Schwerpunkt lag auf sog. politischen Filmen, die wir beide nicht verstanden.
Gut gefiel mir der Film "Hinter den sieben Gleisen", ein schweizerisches Kleinbürger-Drama aus dem Jahr 1959 von Kurt Früh. Der Film handelt von drei älteren Clochards, die einer jungen Mutter in ihrem Schuppen am Bahnhof hinter den sieben Gleisen zu helfen versuchen.
Wie war damals dein Gefühlsleben?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wie war damals dein Gefühlsleben?
MML: Wie hast du die Pubertat erlebt? An was für Hochs und Tiefs erinnerst du dich? Körperliche Veränderungen?

2018, 3. August: Dies ist Variante zwei. Variante eins war vor drei Stunden im Programm von MMP verschwunden. Schade, doch das kann passieren. Wo nahm ich den Mut her, um immer wieder zu beginnen, um MML erneut eine Chande zu geben? Was viele problemlos schaffen, das sollte ich doch auch können. Der Techniker begann meinen Ärger langsam zu verstehen. Dafür war ich dankbar, denn geteilter Ärger ist nur halber Ärger. Draussen war es heiß. Ich blieb zuhause, denn ich konnte seit dem 14. Februar 2018 nicht mehr schwimmen. Den Misserfolg vom 3. August nahm sie am späteren Abend zum Anlass, um über jenen 14. Februar 2018 zu schreiben. Einschub Ende.

Damals: Ich fühlte mich gut. Ich besuchte die Kantonsschule, Abteilung Lehramt. Ich war auf dem Weg zur Universität. Mein Ziel war, etwas an der Universität zu studieren. Wie sollte ich mich da nicht gut fühlen? Was konnte mir schon passieren? Ein Rausschmiss? Was wäre das schon gewesen? Ich hätte mich vor den Spiegel gestellt und gesagt: „Du hast es probiert. Du hast es nicht geschafft. Schande, das kann passieren.“ Der Franz- und der Turnlehrer planten einen Rausschmiss. Doch umsonst. Meine Leistungen waren zu gut. Zudem war der Klassenlehrer mein Anwalt.

Ich hatte in Ide eine Freundin gefunden. Die Beziehung entsprach nicht meinem Idealbild einer Freundschaft, aber Ide war mir bis zur Maturfeier eine zuverlässige Freundin. Später verloren wir uns aus den Augen. Ich spürte, wie Ide sich zu besserem berufen fühlte. Durch kleine Veränderungen in ihr Verhalten begann sie mir zu erklären, dass sie mich für unfähig hielt, ihr zu folgen. Sie begann zu rauchen. Ich rauchte nicht. Sie behauptete, es fehle mir an Geld. Tatsache war, dass mir der Mut dazu fehlte, weil Papa abhängig war.  Immer häufiger glaubt sie mir erklären zu können, was ich zu empfinden hätte. Das gestand ich ihr nicht zu. Unsere Wege begannen sich zu trennen.

Ich hatte keine Freund. Hätte ich die Kraft für eine Freundschaft zu einem gleichaltrigen Burschen gehabt? Ich musste die Frage mit nein beantworten. Ich verliebte mich oft Hals über Kopf von Kopf bis Fuss. Ich pirschte dem Auserwählten nach. Der Kopf sagte, nein. Er sagte, Hausaufgaben. Er sagte, französisch. Ein paar Tage später sah ich den Auserwählten auf der Terrasse. Er führte ein anderes Mädchen an der Hand. - „Schade, du wohnst so weit weg. Du kannst nicht an unsere Feste kommen. Was machst du in der Freizeit?“ und meine Antwort lautete: „Schade - , schade - , Feldarbeit und französisch.“ - Es gab viele Burschen und Mädchen ohne feste Beziehung. Ob sie sich so leicht verlieben konnten wie ich? Ob sie so leicht vergessen konnten wie ich? Ob sie trotzdem von der grossen Liebe träumten wie ich?

2018 - Der 14. Februar, das Erlebnis
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - Der 14. Februar, das Erlebnis

Was war am 14. Februar 2018 passiert? Ich war am 14. Februar 2018 nicht ertrunken, aber ich konnte seither nicht mehr schwimmen. Ich war nicht bereit gewesen zu ertrinken. Erschrocken und empört hatte ich mich im letzten Moment gewehrt: „Gott, du kannst nicht so brutal sein.“ - Doch nun langsam - Schritt für Schritt: Ich war während Jahren nicht mehr ins Hallenbad schwimmen gegangen. Im Keller lagen noch einige halbvolle Zehner-Stempelkarten. Am 2. Januar beschloss ich, diese aufzubrauchen. „Schwimmen verlernt man nicht. Geh und versuche es!“ hatte mein Mann mich aufgemuntert. Und tatsächlich ich schwamm gleich am ersten Abend mit viel Begeisterung. Mein Vorsatz: Zweimal wöchentlichen Schwimmen, um meine Kondition für die am 16. Februar beginnende zehnte Kongo-Reise verbessern! Die alten Karten aufbrauchen. Alles lief gut. Ich schwamm mit immer grösserer Begeisterung. Neue Kraft erfüllte mich. Warum hatte ich das Hallenbad so lange gemieden? Ich ärgerte mich. Ich hatte sich sogar eine neue Schwimmbrille gekauft, um meine Augen vor dem Chlorwasser zu schützen.

Am 14. Februar fand diese Freude ein jähes Ende. Ich hatte überlebt, weil ich nicht bereit war, zu ertrinken. Was war passiert? Ich wusste es nicht, und die Erklärungsversuche meiner Bekannten, passten nicht zu meinem Erlebnis. Ich hatte am Rand abgestossen und versank wie ein Stein. Noch hatte ich klar denken können. Ich sank tiefer und dachte langsam: „Ich bin nicht bereit zu ertrinken. Dies ist nicht meine letzte Stunde.“ Gleichzeitig spürte ich klar, ich sank immer schneller. Was tun? Plötzlich erfasste mich eine grenzenlose Verzweiflung. Dann packte mich eine Wut. Ich lehnte mich auf. Ich erinnerte mich klar, wie meine beiden Hände ruckartig nach oben schossen und mein ganzer Körper schrie: „Rette mich! Fass mich!“ - Und - ich tauchte auf, meine Hände suchten nach dem Griff am Rand, die Füsse fanden die Fussleiste, ich atmete. Nach einer Weile verliess ich das Becken. Ich wagte mich nicht mehr zurück. Trotzig wollte ich nicht klein beigeben. Langsam, Schrittchen für Schrittchen betrat ich das Nichtschwimmerbecken. Schliesslich stand ich knietief im Wasser. Weiter konnte ich nicht. Ich wollte heim. Ich duschte ganz langsam. Warum sollt ich nicht langsam duschen? Ich trocknete die Haare langsam, langsam. Warum sollte ich die Haare nicht langsam trocknen? Es dauerte lange bis ich angezogen war. Ich zögerte, doch ich schaffte es mit dem Auto heimzufahren. Was war passiert? Ich erwähnte meinem Mann gegenüber nichts. Am 16. Februar flog ich in den Kongo. Ende März, als ich mich in der Schweiz wieder eingelebt hatte, besuchte ich erneut das Hallenbad. Ich hatte Lust zu schwimmen. Ich konnte nicht mehr schwimmen. Mit grosser Anstrengung schaffte ich es, mich mit beiden Händen am Rand haltend, im Nichtschwimmerbecken hin und her zu gehen. Ich konnte nicht mehr schwimmen. Obwohl ich auf beiden Füssen im hüfttiefen Wasser stand, hatte ich wieder das Gefühl zu versinken. Ich atmete tief durch. Meine Hände schnellten nach oben und der Mund schrie tonlos: „Rette mich“. Ich konnte nicht mehr schwimmen. Dieses Erlebnis vom 14. Februar übertraf alle meine früheren Erlebnisse.

Was tun? - Ich tippte „Panik-Attacke“ in die Suchmaschine von Google. Ich stiess auf eine Notfallnummer und wählte diese. Das lange Gespräch abschliessend, bat mich die sanfte, freundliche Frauenstimme, die Nummer gut sichtbar aufzuschreiben und wieder anzurufen, wenn die Panik mich wieder erfasse. - Ich tippte „Trauma-Attacke “ in die Suchmaschine von Google. Wieder stiess ich auf eine Notfallnummer. Das lange Gespräch abschliessend bat mich die zweite sanfte, freundliche Frauenstimme, die Nummer gut sichtbar aufzuschreiben und wieder anzurufen, wenn das Trauma mich wieder erfasse. Beide Frauen schickten mir eine Mail und rieten zu Psychotherapie. Die Behandlung könne Jahre dauern. Nein, dazu war ich nicht bereit. - Was tun? Ich erkundigte sich im Hallenbad. Alle waren erstaunt. Ein Schwimmkurs für Anfänger? Nein, man riet mir ab. Aquafit? Ja, Aquafit zwischen den Frühlings- und den Sommerferien, das schien mir angemessen. Zweimal fühlte ich mich dabei wohl im Wasser. Der Kurs war zu schnell für mich. Die Leiterin war freundlich und hilfsbereit. Sie verstand, ich wollte kein Aquafit, sondern ich suchte nach dem Mut zum Schwimmen. Sie brachte mir eine Schwimmhilfe. Ich übte jede Woche damit im Nichtschwimmerbecken. Ich bat fremde Frauen um Unterstützung. Schliesslich wagte ich ein paar Züge. Dann begab sich die Gruppe ins Freie. Nein, Baden im Freien, das hatte ich nie gemocht. Bald war der Kurs zu Ende. Als Trockenheit und Hitze über der Stadt lagen, legte ich den Traum vom Schwimmen auf zusehen hin bei Seite. Am 3. August, nachdem drei Texte im MML verschwunden waren und ich doch weiter schrieb, da fragte ich mich sanft, wie es mit dem Schwimmen wohl weitergehen könnte, ob ich es jemals wieder wagen würde? Oder war es der Sinn, die Aufgabe von diesem Erlebnis, mich zu ermutigen, alt zu werden? Am 18. August schien das MML-Programm wieder zu funktionieren. Vielleicht werde ich später auch wieder schwimmen können.

Hast du dich politisch engagiert?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Hast du dich politisch engagiert?
MML: Oder interessierte dich Politik überhaupt nicht? 
Ich, die junge Frau wollte das Frauenstimmrecht und militärische Gleichberechtigung. Solche Fragen hatten in der Kantonsschule keinen Platz. - Ich interessierte mich immer für Politik. Ich hatte in der Primarschule und daheim u.a. gelernt, dass fähige Männer zur Wahl in den Gemeinderat vorgeschlagen wurden. Papa war angesprochen worden, eine Gruppe wollte ihn vorschlagen und – zu meiner grossen Enttäuschung - hatte er lachend abgelehnt. Mama wurde auf Vorschlag hin in die Nähschulkommission gewählt. Sie erfüllte diese Aufgabe mit Freunde und Stolz, und pflegte mit den Mitgliedern lange über ihre aktive Zeit hinaus, bis ins hohe Alter den Kontakt. Ich war in der Sek. nicht zur Klassenchefin gewählt, - weil ich ein Mädchen war.
In der Kantonsschule war Politik kein Thema, weder im Schulzimmer noch in den Pausengesprächen. Am Familientisch sprachen wir weiterhin eifrig über alle anstehenden
Abstimmungen und Wahlen, im besonderen über die Wahl des amerikanischen Präsidenten. Warum wurden nicht mehr junge rassige Männer vorgeschlagen? Die hätten doch neue Ideen und genügend Kraft mitgebracht, um diese umzusetzen! Wir hatten alle John F. Kennedy verehrt. Mama und ich und die ganze Familie, wir wussten, John F. Kennedy war katholisch, doch er war jung und rassig. Papa schwärmte für dessen Frau, Mama für den Präsidenten und ich liebte die herzigen Kleinen. Im Weissen Haus war ein Kinderzimmer einzurichten. Der Präsident hatte die Kubakrise in unserem Sinne gemeistert und das war gut. Er beschützte uns, er war unser Präsident.
Ich verstand nicht und ich wollte es auch 2018 nicht verstehen, warum alte Männer überall das sagen haben sollten. Ich hörte regelmässig Radio und erschrak, dass laut Medienmeldungen Frauen in der Öffentlichkeit vermehrt Opfer von Gewalt wurden.
Gab es auch Zeiten, in denen du den Bettel hinschmeissen wolltest?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Gab es auch Zeiten, in denen du den Bettel hinschmeissen wolltest?
MML: Was hat die davon abgehalten?

Natürlich,  mehrmals täglich! Wenn etwas nicht klappte, richtete ich mich auf und schmiss den Bettel mit der linken Hand weg wie eine Handvoll schlechte Körner vor stinkende Schweine. Mir dieser Geste verschaffte ich mir Luft und Platz für einen Neubeginn. War ich allein, stiess ich dazu Kraftwörter aus (Keine Fluchwörter. Es traf mich hart, dass Papa den Namen Gottes missbrauchte. Seine Mutter, meine Grossmutter schämte sich deshalb, dies sei schlimmer, als gelegentlich eins zuviel zu trinken oder zu rauchen). Im Klassenzimmer richtet ich mich ohne Handbewegung kurz auf. Ich überlegte und gab mir eine nächste Chance. Aufgeben? Nein! Ich marschierte und kletterte auf meinem steinigen, steilen Weg den Lebens-Berg hinauf. Ich hatte einen schweren Rucksack zu tragen. Ich hatte diesen Weg gewählt. Der Rucksack war mir aufgeladen worden. Warum? Ich trug ihn durch das ganze Leben. Auch 2018 gehörte er dazu. Warum?

2018, am nächsten Morgen: Was war in dem Rucksack versteckt? Zwei Sachen: Einerseits mein langsames Lernen (Gott sei dank, dass es nun auf den Computer Rechtschreibe-Programme gab!) und meine bescheidene musische und sportliche Begabung. Andererseit die Blockade durch viele offene Fragen für die ich selten Gesprächspartner gefunden hatte. Fragen nach Gott und der Welt, Fragen zum Wissen und der Lebensphilosophie der Grosseltern väterlicherseits.

Am nächsten Abend hatte ich mit einem Industiellen über den Zusammenhang von Bodenschätzen und brutalten lokalen Konflikten gesprochen. Wir waren uns einig, die Weissen mit ihren Kirchen hatten wenig Segen in die Welt hinausgetragen. Alle Methoden waren ihnen recht, um Reichtümmer anzuhäufen (prachtvolle Villen und glodverzierte Kathedralen) und um ein bequemes Leben zu geniessen (Sklaven und Sklavinnen). Der Industielle war in Eile. Wir unterhielten uns auf Deutsch und seine Kinder hörten interessiert, neugierig und verwundert zu. Mit der Übersetzung vereinzelter Begriffe auf englisch ermutigte er die Kinder. Der Vater freute sich. Er musste gehen. Er gab den Kindern noch ein paar Anweisungen. Dann verabschiedete er sich auch von mir. Wir waren uns einig, es ist vielen Menschen zu hart, solche Realitäten zu sehen. Vielleicht gibt es ein anderes Mal die Möglichkeit, weiter zu sprechen.
Hast du in diesem Alter eine Auszeit genommen, z. B. für Reisen? Was hast du erlebt?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Hast du in diesem Alter eine Auszeit genommen, z. B. für Reisen? Was hast du erlebt?
Zwischen der Maturfeier und dem Beginn des Oberseminars hatten wir sechs Wochen "nichts", sechs Wochen unverplante Zeit. Das wussten wir bereits ein Jahr im voraus. Die Mitschüler schmiedeten Päne. Falsch, alle Mitschüler hatten denselben Plan: Sie suchten eine möglichst gut bezahlte Arbeit als Ferienablös (Einschübchen: 2018 hiesse das Ferienjob) und sie wollten nachher mit einem Zustupf (= Extrageld) der Eltern und andern Familienmitglieder eine Ferienreise machen. Ich gehörte nicht zur Gruppe. Ich hatte für diese Zeit längst einen Plan: Ich wollte, dass unsere Stube neu gestrichen wurde. Alle ausser Mama wollten dies und alle waren sicher: Wenn Mama nicht will, ist dies unmöglich. Das werde ich schaffen! Schon im Winter hatte ich mit jedem Familienmitglied einzel darüber gesprochen. Papa war bereit zu bezahlen: "Für das Streichen der Stube, zahle ich gerne jeden Betrag. Geld soll kein Thema sein." Zuversichtlich marschierte ich mit meinem Blanco-Check durch die Welt. Wenn meine Kameraden sich wegen ihrer Ferienarbeit sorgten, hörte ich amusiert zu. Sie mussten etwas von meines Sicherheit gespürt haben und fragten nach meinen Plänen. "Ich lasse die Stube gegen den Willen meiner Mutter malen," ich hatte ein sehr klares Ziel. Sie verstanden nicht, was ich sagte und fragten immer wieder. Ich konnte ihnen erklären: "Papa ist bereit, alle entstehenden Ausgaben zu bezahlen." Nicht nur die Malerarbeit, ich wusste aus Erfahung, dass immer unerwartete Zusatzkosten anfallen könnten. Ich hatte mit dem Maler gesprochen und er war bereit, mein Geheimnis zu hüten. Er, der Abstinenzler war vorbeigekommen, um eine kleine Flasche Schnapps zu kaufen und hatte dabei Stube und Gang genau angeschaut. Papa musste ihn mit dem leeren Fläschchen wegschicken, denn wir hatten im vergangenen Jahr eine schlechte Obsternte gehabt. Die beiden Männer unterhielten sich vor dem Haus und Mama schimpfte, der mit seinem Malerblick, er schaute, als ob er einen Auftrag hätte. Sie hatte ihm klar gesagt, dass die Stube nicht gestrichen werde. Am nächsten Tag hielt der Maler mit dem Auto an, als sich unsere Wege zufällig kreuzten: "Ich komme. Du und ich machen alles ab. Dein Vater zahlt, aber er will nichts damit zu tun haben." Ich freute mich. Meine Kameraden verstanden mich nicht.

Was sollte ich mit Mama machen? Sie musste drei Wochen weg. Sie ging drei Wochen weg. "Schicke sie doch in die Ferien," war der Rat der Mitschüler. Selbstverständlich, ich hatte für Mama Ferien geplant. Im Frühling noch vor den schriftlichen Maturitätsprüfungen hatte ich mit ihrem überlasteten Arzt in der Stadt gesprochen. Zweimal wurde der Arzt zu einem Notfall gerufen, und ich musste unverrichteter Dinge gehen. Dann klappte es. Er tat sich zwar schwer, aber schliesslich verstand er. Er musste meiner Mutter im kommenden Herbst drei Wochen Ferien verschreiben. Das konnte er zwar nicht, doch er stellte bei der Krankenkasse einen entsprechenden Antrag  Diese schickte uns eine Liste mit in Frage kommenden Ferienorten. Mama schimpfte. Sie machte einen Trotzkopf. Die Liste verschwand sofort in meiner Mappe. Ich liess davon eine Kopie machen und legte das Original in mein Bücherfach in der Schule. Die Kopie trug ich in der Mappe hin und her. Papa warf einen kurz Blick darauf: "Das ist deine Angelegenheit. Ich will keine Streit mit meiner Liebsten." Frühmorgens, wenn Mama noch schlief, schaut ich die Liste an. Es war ein Verzeichnis von Ferienheimen, deren Kosten von der Krankenkasse teilweise übernommen wurde. Eine Ortschaft hiess "Weihnachten". Sie lag im Appenzellerland. Papa und ich schauten auf der Karte nach. Weihnachten war nicht zu weit weg, wir konnten Mama leicht mit dem Auto hinfahren: "Meine Tochter, wenn es dir recht ist, so soll es Weihnachten sein." Die Arztgehilfin füllte mir ein Antragsformular aus, Papa bestätigte per Unterschrift, dass er die Differenz zwischen Krankenkassenleistung und Pensionpreis übernehmen würde, und der Arzt reichte es ein. Gewünschter Zeipunkt: Ende September, anfangs Oktober des laufenden Jahres. Ausweichdatum: Später im Oktober. Die Bestätigung traf in dreifacher Ausfertigung ein: Ein Exemplar für den behandelnden Arzt, eines war bei Antritt der Ferien persönlich im Heim abzugeben und das dritte war für die Patientin bestimmt. Ich gab eines in der Arztpraxis ab und bewahrte die beiden andern in meinem Bücherfach in der Schule auf. Die Zeit verstrich. Die schriftlichen Maturprüfungen hatten wir hinter uns. Der Deutschlehrer lobte mich bei einer unserer obligaten Diensttagsbesprechung für meinen ausgezeichneten Aufsatz. Die Temine für die mündlichen Prüfungen waren uns bekannt gegeben worden. Der Arzt besprach mit Mama beim folgenden Besuch den Termin für ihre Ferien. An jenem Tag kam sie erst spät in der Nacht heim und sprach mit niemandem ein Wort. Sie presste noch mehrere Tage die Lippen zusammen. Wir kamen mit der Feldarbeit gut voran und doch sagte sie immer wieder: "Ihr schafft es nicht ohne mich. Ihr schafft es nicht ohne mich!" Papa antworte tägliche einmal: "Wir schaffen das." Grössi hatte sich im Geheimen bereit erklärt, das Kochen zu übernehmen, das brauche niemand zu wissen. Der Lehrling wollte Holz in beide Küchen tragen, Holz zu Grössi für den Fall, dass sie für mich zu kochen hatte. Der Bruder wollte den Garten und die Geranien giessen und klein Schwesterchen wäre gern mit Mama verreist. Das war der Plan meiner "Auszeit". Auszeit, wieder so ein neumödiges Wort.
Was hast du in dieser Auszeit, bei den Malerarbeiten erlebt?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Was hast du in dieser Auszeit, bei den Malerarbeiten erlebt?
2018, 31. August: Nach drei Tagen Ärger mit dem Programm, schien wieder alles zu klappen. Wie gewohnt tippte ich vor jeder noch so kurzen Denkpause den SAVE-Botton mit der linken Maustaste an. Leuchtete er  sofort kurz rot auf, wurde korrekt gespeichert. Sollte das rote Licht wieder auf sich warten lassen und nur blass rosa statt klar rot aufleuchten, so wollte ich in Zukunft den getippten Textteil sofort kopieren und in einem LibreOffice Dokument ablegen. Erst dann würde ich den SAVE-Botton wiederholt - und was völlig sinnlos war - kräfig antippen. Es machte mir viel mehr Spass, in der Cloude zu tippen als im Writer-Programm.
Nun zurück in meiner Auszeit nach der Maturfeier. Es hatte sich in der Familie herumgesprochen, dass Mama Ende September in Weihnachten drei Wochen Ferien machen sollte. Alle fanden das gut, und sie wunderten sich, dass ich das zu stande gebracht hatte. Vom Maler wusste noch niemand etwas. Meine wenig geliebte Patin lieh Mama ihre beiden Ferienkoffer: Einer für Unterwäsche, Schuhe und dergleichen Dinge (= Bücher), der andere für die Kleider. Zwei Koffer waren einfacher zu packen. Man konnte die Übersicht leichter bewahren und sie liessen sich leichter tragen. Ferienantritt war am Montag-Morgen. Kein Grund zu schimpfen, ich konnte den Termin auf Sonntag-Nachmittag verlegen. Wir durften doch keinen Arbeitstag verlieren. Wir mussten Mama am Sonntag hinfahren. Da sie nicht pflegebedürftig war und selbständig gehen konnte, war kein Pflegepersonal nötig und der Verschiebung stand nichts im Wege. Entgegen der Wetterprognose zeigte sich die Sonne und wir fuhren bei schönem Herbstwetter über Stein am Rhein, dem Bodensee entlang nach Weihnachten. Der schriftlichen Wegbeschreibung des Heims folgend, fuhren wir ohne Anzuhalten direkt auf dessen Parkplatz. Wir waren früh und hatten reichlich Zeit uns hinter das in eiem Korb mitgebrachte Essen zu machen und Mamas Ermahnungen anzuhören. Mama, es kommt alles anders! Niemand erwähnte unsere Pläne. Dann melde ich Mamas Ankunft im Heim, und wir konnten rechtzeitig die  Heimfahrt antreten. Zu Mamas Ärger wählten wir eine andere Route. Es wartete viel Arbeit auf uns. Alles war geplant! Wir mussten die Stube ausräumen. Jedes schob die Schublade mit seinen Kleidern unter sein Bett. Papa stappelte die kleinen Schublädchen mit den Schreibsachen, das Büro der Familie in einer Apfelkiste. Er hatte vorsorglich alle Rechnungen bezahlt, und in den nächsten drei Wochen war nichts dringendes zu erwarten. Tisch und Stühle stellten wir in die Nebenkammer. Wir planten in der Küche zu essen. Grössi hatte Milchkaffee vorbereitet. Alle waren froh, denn wir waren von unserem Ausflug müde.
Gut, dass der Maler am nächsten Morgen nicht schon um sieben Uhr mit der Arbeit beginnen wollt, denn wir hatten vergessen, die Vorhänge zu verräumen. Hinter dem Ofen warteten noch saubere Überkleider, Papas Karabiner und ein Stappel alter Zeitungen. Auf dem Ofen lagen die Kirschsteinsäcklein für den nahnenden Winter und unter dem Ofen stand das Futtergeschirr für die Katzen. Ich fand für alles einen Platz. Grössi konnte ich Papas Karabiner geben, und sie war auch bereit, die Katzen zu füttern: Die gewöhnen sich schnell daran, dass sie ihr Futter an einem andern Ort finden. Wenn nein, so können sie ja Mäuse fangen." Der Maler kam nicht. Nach dem Mittagessen legte ich ihm eine Notiz: "Wir sind auf dem Kartoffelfeld oben in Richtung des grössten der drei keinen Dörfer." Ich konnte nicht in der Stube, nein, in der Küche sitzen und warten. Am Abend konnte ich sagen: "Er ist nicht gekommen."  "Er wird noch eine andere Arbeit fertig machen müssen," vermutete Papa. Am Dienstag kam er nicht und wir warteten auch am Mittwoch-Morgen umsonst. Alle schauten mich misstrauisch an. Ich meinte: "Glaubt mir, ich habe das Datum klar mit ihm vereibart, und er hatte mich beruhigt, die für ihn reservierten zwei Wochen gäben ihm reichlich Zeit. Er hatte verstanden, dass ich noch eine Woche Zeit zum Putzen und Einräumen brauchte." Da ich noch etwas im Tiefkühlfach zu holen hatte, ging ich in seiner Werktstatt vorbei. "Gut, dass du vorbeikommst. Keine Sorgen. Schau hier habe ich alles vorbereitet, wir beginnen morgen, " ich machte mich beruhigt auf den Heimweg. Ein Rückenwind half mir beim Radeln.
Wann begann der Maler?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wann begann der Maler?
Er wollte doch am Donnerstag Morgen kommen. Wo blieb er? Vor dem Mittagessen hielt sein Auto auf den Hofplatz, notfallmässig habe er die Nachbarin in den Spital bingen müssen. Sie sei nicht vorbereitet gewesen, und die Fahrt habe viel länger dauert, als er angenommen hätte. Die Frau habe solche Angst gehabt, und er habe bei ihr gewartet, bis eine Krankenschwester sich um sie gekümmert habe. Keine Sorge, die Zeit reiche gut.
Um ein Uhr traf er mit dem Lehrling ein. Er war zufrieden, wie gut wir alles verräumt hatten. Kein schmutziges Geschirr in der Küche, denn ich hatte es bereits Grössi gebracht. Wir hatten einen sauberen Platz für eine kurze Besprechung. "Der Küche würde ein wenig Farbe auch nicht schaden. Zur Stube, können wir die Kommonde und den Sekertär abdecken?" Ja, wir brauchten nichts mehr. Wir fuhren mit dem Traktor aufs Feld. Als wir gegen Abend zurückkamen, empfing uns ein ätzender Geruch. Wir kannten die Stube nicht mehr. Die beiden Möbelstücke waren verhüllt und der ganze Boden mit Tücher abgedeckt. Ein Teil der Wänder war abgelaugt. "Hier beginne ich morgen früh mit spachteln, während mein Lehrling weiter ablaugt," informierte er uns. Als er weg war, sahen wir uns in der "Stube" um. Das war für uns eine neue Erfahrung. Nie hatten wir etwas in den Wohnräumen malen lassen. Selber hatten wir viele Maschinen gewaschen, grundiert und frisch gestrichen. Jetzt war der Maler da.
Hatte die Küche nicht auch ein wenig Farbe nötig?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Hatte die Küche nicht auch ein wenig Farbe nötig?
Der Küche würde ein wenig Farbe auch nicht schaden, hatte der Maler gesagt. Diesen Satz hörte ich im Traum wieder und ich täumte, wie wir uns am Abend, wenn der Maler weg war, mit dessen Werkzeugen an die Arbeit machten. Der Maler hatte im Traum eingewilligt und es gelang uns gut. Ich erzählt meinen Traum beim Morgenessen. Die Geschwister wollten mich unterstützen, und der Lehrling fand meine Idee gut. Papa willigte ein: "Aber es ist deine Aufgabe mit dem Maler zu sprechen." Der Maler schien nicht überrascht und erklärte mir die Anwendung des Ablaugepullvers. Er bot mir seinen Kessel, den Schwamm und die Gummihandschuhe an. Wir durften die Küche malen! Was sollte ich mir da noch Ferien wünschen! Wir wollten nicht alles streichen, nur die Holzteile, d.h. die Treppenverkleidung und die beiden Türen. Nur keine Zeit zu verlieren! Am Nachmittag keine Feldarbeit für mich! Nein, nein ich durfte all den Krimskrams, der im Gestell unter der Treppe verstaut war, sorgfältig in Grossis Wohnung hinüberräumen. Sie gehörte nun mit zur Partie. Sie freute sich. Sie kochte gerne für uns. Nach dem Nachtessen begann ich mit dem Ablaugen, eine wichtig Vorbreitungsarbeit, hatte der Maler gesagt. Ich zögerte ein wenig, doch warum sollte ich den Geschwistern und dem Lehrling die Beteiligung verwehren? Sie wollten doch auch in die schönen Gummihandschuhe schlüpfen und mit dem Schwamm Farbe entfernen. Ich war ja ohnehin müde. Sie werden bald aus der Küche verschwinden, und ich hoffte, mit dem Lehrling die grosse Wand gegen Hausflur fertig zu reinigen. Wir schafften es. - Am nächsten Morgen hatte sich der scharfe Geruch verflüchtigt, doch was war das? Die ganz Wand voller kleiner Löcher. Der Maler war nicht überrascht, er hatte dies befürchtet: "Lass die Wand tagsüber trocknen. Am Nachmittag bevor ich gehe, zeige ich dir, wie du spachteln kannst." Er verschwand bei seiner Arbeit in der Stube und liess mich glücklich stehen.(Einschübchen: Meine Lesenden, wir sind in der Zeit vor Einführung der 5-Tage-Woche). Der Maler gab mir zwei Dosen und zwei Spachtel und zeigte mir, wie ich die kleinen Löcher verschliessen konnte. Da hatten früher Holzwürmern gehaust.
Das Wetter war angenehm, wir pflückten Äpfel und waren am Abend müde. Wir merkten schon, dass Mama fehlte. Papa zeigte uns, wie zu spachteln war, und wir übten ein wenig. Doch dann Marsch ins Bett. Am nächsten Tag war Sonntag und wir wollten Mama besuchen.
2018 - der etwas andere erste August
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - der etwas andere erste August

2018 2. August. Wie sollte der erste August eigentlich sein ?

Nach allerhand Speicherproblemen auf MML am 29. und 30. Juli hatte ich in LibreOffice Writer getippt und den Text hinüber kopiert. Warum ich es am 31. nicht lassen konnte, wieder direkt in MML zu arbeiten, verstand ich nicht? Doch, doch weil es geklappt hatte, und ich manchmal sehr optimistisch bin. Warum mir am 2. August der Mut dazu fehlte, und ich erneut eine Seite im Schreibprogramm öffnete, verstand ich nicht. Doch, doch weil ich manchmal sehr ängstlich bin. - Mein Sohn hatte mich eingeladen, seine Familie, lies meine Enkelkinder, am 1. August zu besuchen. Warum mir das vorgeschlagene Datum nicht spontan gepasst hatte, verstand ich im nachherein nicht mehr.

Am Nationalfeiertag um halb sieben sass ich Zug und ass ein Eingeklemmtes. Dann döste ich und sauste an brauen Wiesen und ausgetrockneten Bächen vorbei: Sonne, Wind und seit Wochen kaum Regen. Warum hatte ich einen Schirm eingepackt? Neben mir stand der Rucksack mit Marmelade und Dörrobst für die Enkeltöchter und eine Tragtasche voller Gartengemüse mit einem Blumenstrauss für den Unternehmensberater in Sachen Kongo, Monsieur Gros. Er holte mich am Bahnhof ab und bot mit auf dem Weg zu seinem Haus eine Stadtführung verbunden mit Eckpunkten seiner Lebensgeschichte. Er war im Kantonshauptort geboren, bevor die kleine Stadt Hauptort sein konnte, denn er war älter als der Kanton Jura. Er fühlt sich als Jurassiser, er sei nicht militant, aber doch dankbar für die Loslösung vom Kanton Bern. Ein Handzeichen nach links, ein Zunicken nach rechts und zwischen durch einen flüchtigen Gruß, er war bekannt. Er zeigte auf sein Elternhaus und seine Wohnorte vor dem Kauf des Hauses. Seit dem Wegzug der Kinder wohnen Herr und Frau Gros allein in einem geschmackvoll eingerichteten, gepflegten Haus und einem Freizeitgarten mit einem verträumten grosszügig angelegten Fischteich. Hätten mein Mann und ich einen ähnlichen Lebensstiel geführt, hätte unser Sohn wohl keine Mühe gehabt, uns mit seiner Familie zu besuchen. Mit Herr Gros hatte ich nicht nur einen kompetenten Gesprächspanter in Sachen Kongo, nein ich konnte mit ihm auch Schwierigkeiten teilen, die ich in MML nicht erwähnte.

Machen wir Sprung: Um zwölf Uhr drückte ich auf den Knopf der Sonnerie neben dem Namen unseres Sohnes. Ein, zwei, drei lange Momente verstrichen. Der Türöffner surrte – und ein lachendes Mädchen in einem hübschen Röckchen tanzte mir entgegen: „Leise, die Kleine schläft auf dem Teppich. Wir haben einen schönen Tisch für dich gemacht. Ich habe Risotto gekocht. Unser Land hat Geburtstag." Ich konnte mich an den gedeckten Tisch setzen. - Am frühen Morgen waren Sohn, Frau und Kinder an den See gefahren. Sie hatten bereits genügend Geplantscht, als die Tagesgäste eintrafen. Sie machten sich wieder auf den Heimweg. „Es stimmt so für uns. Das ist möglich, da wir seit einem halben Jahr ein Auto haben,“ meinte der Sohn und küsste mich flüchtig. Seine Frau schloss sich dem Ritual an. „Schau, wir haben für dich Risotto gekocht und einen schönen Tisch gemacht," wiederholte das Kind. " Schau, jetzt hat die Kleine die Augen geöffnet,“ der Wirbelwind war überall. „Lass, sie braucht noch einen Moment, um fertig aufzuwachen,“ bremste die Mama. Die Kleine war aufgestanden und wollte von ihrer Mama umarmt werden. Dann sah sie die Oma, zögerte und näherte sich mir. Die beiden Mädchen, in hübschen Kleidchen standen Hand in Hand vor mir. Ich freute mich. Ich dachte an den gemeinsamen Ausflug bei Regen in Stiefeln und mit Regenschutz. Regenwürmer und Schnecken hatten wir beobachtet und jede Wasserpfütze leer gespritzt. Auf dem zweiten gemeinsamen Ausflug hatten wir u.a. auf dem Spielplatz im Tierpark Spatzen gefüttert. Opa hatte Vogelbrot vorbereitet. Wie damals für seinen kleinen Sohn, so hatte er nun für die Kinder des Sohnes Altbrot in stäbchenförmig Stücke geschnitten. „Schaut, eurem Papa gab ich jeweils auch solche Stücke. Er hielt sie, zupfte kleine Stück ab und warf diese einem Vögelchen zu," ich sprach und zeigte vor. „Gib, gib“, drängten die Mädchen. Sie zupften ein wenig ab und warfen: „Schau, schon ist es weg, schon ist mein Brot fertig, gib, gib.“ Als ob ich es geahnt hätte, die beiden warfen mir einen misstrauisch fragenden Blick zu und kauten etwas. Sie schüttelte den Kopf und lachte: „Nein, nein, das ist nicht für euch, das ist für die Vögelchen,“ und ich dachte, wie euer Vater. So hatte ich damals meine Kindern das alte Brot "verfüttert". Opa hatte viel Brot vorbereitet und sie verfütterten alles. Sie hatten kein Interesse für die vorgesehene Zwischenverpflegung, die Portionen weise verpackten Trocken-Bisquit. „Wenn das Brot fertig ist, wollen wir wieder klettern und rutschen,“ bestimmte die Grosse und die Kleine nickte emsig. -  Zurück zum 1. August, zum Geburtstag unseres Landes: Nach dem Mittagessen lag noch einer langer Nachmittag vor ihnen. Die Eltern klagten über die Hitze und über Müdigkeit. Die Kleinen beschäftigten sich selbständig. Ich, die Oma war zufrieden und dachte, beide Eltern, im besonderen die Mama wende sich mit grossem Geschick ihren Kindern zu. Dabei fiel es dem Papa nicht immer leicht, im Schatten seiner Frau zu stehen. Was konnte ich tun? Ich war vor Ort. Trotz mehrfachen Versuchen gelang mir nicht, die Eltern von einem erfrischenden Schwumm im nahen Fluss oder einem Mittagsschäfchen zu begeistern und die Kinder meiner Obhut zu überlassen. Nein, wir blieben als Gruppe zusammen und Oma fühlte sich auf das Servierbrett gesetzt. Ich begann mit der Kleinen einen Turm zu bauen. Es klappte gut, bis deren Blick auf Mama fiel und – schon rief deren Mund: „Mama, Mama.“ Oma war out. „Komm wir schauen zusammen ein Büchlein an“, schlug ich der Grossen vor. Diese erklärte: „Du Oma, du kann mit mir ein Büchlein anschauen wollen und ich darf nicht wollen. Ich darf nein sagen und ich sage: Nein, Oma, ich will mit Mama ein Büchlein anschauen“. Mir fiel die „me too“-Debate ein und ich empfand die Aussage des Kindes altklug. Später machten die drei ein Spiel. „Sehr gut, nein, gut“, ich, die Oma schaute vom Servierbrett aus zu. Wie dem auch sei, ich hatte zwei Enkelkinder und gab mir Mühe, mich zu freuen. Nach mehreren ähnlichen Szenen hatte ich mich innerlich wieder beruhigt und verabschiedete mich. Meine Frage nach dem Datum eines nächsten Besuchens verhallte ohne Antwort. Sie wurde am 10. August beantwortet.

Ich atmete tief durch und erreichte noch rechtzeitig den Bus. Ich sass im Bus und der Bus fuhr. Viele Passagiere hatten Badesachen bei sich. „Ja, das sind spezielle Taschen, in denen beim Schwimmen im Fluss die Kleider mitgezogen werden können und trocken bleiben“, wurde meine Frage freundlich beantwortet. Was machte der Mann auf dem vordersten Platz der Gegenseite? Er gestikulierte, flüsterte etwas ins Handy, küsste das Fensterbrett, was machte er? Seine Arme schienen jemanden zu umarmen, er küsste seine Hände, er schickte Küsse durch die Luft und flüsterte wieder ins Handy. Ich wunderte mich. Ich erlaubte mir nicht zu denken, der… bis sich mein Blick mit dem eines jungen Mitfahrers kreuzte. Ich bestätigte dessen Handzeichen mit Kopfnicken. Der Mann musste krank sein. Nun lächelte er glücklich. Ich stieg hastig aus und eilte am Geburtstag unseres Landes zum Zug.

Im Zug, welch ein Gedränge. Sie setzte sich neben eine schwergewichtige Frau. Ja, wir sassen beide auf reservierten Plätzen und beachteten die Hinweise anderer Fahrgäste nicht. Ich erzählte meinem Mann später von jener selbstsicheren Dicken: „Ich fuhr neben einer Nähschullehrerin von Bern nach Zürich. Wie immer am ersten August, war diese mit dem ersten Morgenzug auf den Gornergrat gereist, um zu photographieren. Die Dicke erzählte von mehreren heftigen Gewittern und erwähnte die Trockenheit und die Hitze im Mittelland. Schöne Nebelaufnahmen seien ihr gelungen. Ich zeigte auf das Heft in ihren Händen und sie erklärte, erst nach ihrer Ausbildung habe sie durch solche seichten Liebesromane den Zugang zum Lesen gefunden. Seither würde ihr schreiben viel leichter fallen und sie habe ganz allgemein viel gelernt. „Unsinn“ unterbrach mein Partner und ich sprach weiter: „Ich rapportiere, was sie erzählte. Du weisst es für einmal nicht besser.“ Die Mitfahrerin war seit 26 Jahren Nähschullehrerin und sie erzählte bereitwillig von den grossen Veränderungen in der Ausbildung und im Berufsalltag in der Schule, es sei anderes geworden, doch nicht alles sei besser. Den Abend verbrachte die Wohlgenährte daheim und am kommenden Tag plante sie mit ihrer Brieffreundin einen Besuch im Zoo.

Meine Lesenden, ich hätte mit diesem Gespräch noch manche Seite voll tippen können. Doch stopp nun und wieder zurück an den Küchentisch daheim. Am kommenden Tag brauchten wir nicht zu giessen! Kaum zu glauben, gemäss Wassermesser waren 27 Liter Wasser gefallen. Die Strassen waren noch nass als ich den Bahnhof verliess. Was wünschte sich mein Partner eigentlich zum runden Geburtstag, der im kommenden Monat zu feiern war. Ob meinem Vorschlag war er entsetzt: "Sicher keine Zoobesuch wie deine Dicke, ich würde doch am liebsten alle Tiere frei lassen." - Erstmals schaute ich später die Gemeinschaftsendung von DRS zum Nationalfeiertag in den vier Landessprachen französisch, italienisch, rätoromanisch und Deutsch. Endlich hatte ich Zeit gefunden. Ich war enttäuscht, aber was hätte ich anderes erwartet? Schliesslich tranken wir gemeinsam ein Glas Wein. Es war erholsam frisch und ruhig im Garten. Feuer im freien und Feuerwerk am Nationalfeiertag, am diesem Gebrutstag unseres Landes waren verboten. Schmunzelnd dachte ich an die Enkelkinder.

Eine böse Überraschung! Wir schafften es!
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Eine böse Überraschung! Wir schafften es!
Es war Samstag Abend. Alle waren im Bett, doch ich stand im Nachthemd in der Küche und spachtelte. Mühsam, mühsam ein kleines Holzwurmloch nach dem andern war zu verschliessen! Wie sollte ich das schaffen? Es schienen immer mehr Löcher zu werden. Ich bekam Angst vor so viel unerwarteter Arbeit. Hörte ich da nicht etwas? Es war mir unheimlich zu Mute. Ich arbeitete ganz langsam und horchte. Ich erschrak. Die Küchentüre öffnete sich. Kein Grund zur Angst. Der Lehrling schaute überrascht: "Ich bin aufgestanden, ich wollte nachsehen, denn ich hatte geglaubt, etwas gehört zu haben." Wir kicherten beide erleichtert. Er griff auch zum Spachtel. Wir arbeiteten leise, doch schon bald öffnete der Vater die Türe, denn er hatte geglaubt, etwas gehört zu haben. Er staunte und erklärte freundlich: "Gut, dass ich heute Mittag meinen Spachtel vorbereitet habe. Nun arbeiten wir alle drei eine Stunde tüchtig, dann gebe ich euch etwas Gutes und wir trinken zusammen ein wenig Süssmost." Die Zeit verging. Ich staunte: "Wie kamen wir zu dritt schnell voran." Papa war geübt. Bald plauerten wir mit einer Reihe Schokolade in der Hand. Wir planten den Besuch bei Mama. Der Lehrling kam mit, Grössi hütete das Haus. Ich rüstete den Korb, genau so wie für den Znüni auf dem Feld. Das ging schnell, denn Papa hatte Landjärger gekauft, dazu Brot und Äpfel und - vielleicht - wieder eine Überraschung. Ich schnitt zwei Blumensträusse für Mama, einen für sie und einen für das Heim.
Mama war von unserem Besuch überrascht. Sie stellte viele Fragen. Ja, wir hatten einiges nicht erledigt, aber Mamas verhasste Arbeit war gemacht. Wir hatten alle Falläpfel eingesammelt, denn in der Milchsammelstelle war angekündigt worden, dass die Mosterei Ramsayer am Donnerstag alles abholt und gut bezahlt. Unsere gute Laune machte sie irgendwie misstrauisch, aber wir verrieten nichts. Da wir unsere Spachtelarbeit noch kontrollieren wollten, fuhren wir bald wieder weg. Alles war gut. Der Maler war zufrieden und gab uns Schleifpapier. Wir wählten dieselbe beige Farbe wie für die Stube. Der Maler hatte ohnehin zuviel davon gekauft.
Nochmals eine Fahrt zu Mama, dann Putzen und einräuem. Anstrengend, manchmal lustig und hie und da mit Streit. Ich sah mein Ziel, soll doch da streiten oder schimpfen, wer will. Oft hatte ich Mühe, mich zu beherrschen. Schliesslich backte ich zwei Schokoladekuchen: Einen schnabulierten wir verbotenerweise warm. Papa stimmte zu, das war unser Abschlussfest. Wir freuten uns. Der zweite war für den Empfang von Mama reserviert.
Wie reagierte die Mutter ?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

Wie reagierte die Mutter ?
Wie hatte die Mutter damals reagiert? Das war ein anderes Kapitel, und dem widmete ich deshalb eine zusätzliche Frage.

Es ist mir wichtig gewesen, dass wir die "verbotene" Malerei mit einem Fest abschliessen konnten. Das ist uns gelungen. Für den Empfang von Mama hatte ich zwei Schokoladekuchen gebacken, einen für sie und einen für unser Fest. Wir waren in der Küche versammelt, als ich den ersten Kuchen aus dem elektrischen Backofen nahm. Papa trug den noch sehr heissen Kuchen auf den Küchentisch und ich nahm die Springform weg. Papa zerschnitt ihn. Er dampfte. Er war noch nicht ganz fest. Die Stücke fielen zusammen. Schnell unsere Teller her. Papa gab jedem einen Teil und - das war unser Fest - wir verspiesen den ganzen ersten Kuchen in halb gebackenem warmen Zustand und wurden nicht krank. Der zweiten Kuchen? Als ich ihn nach unserem Festschmaus aus dem Ofen nahm, war er gut gebacken, wie ich das von Mama gelernt hatte. Wir hatten es geschafft, wir hatten ein Fest unserer Art gehabt. Die Stube war frisch gestrichen. Wir hatten es geschafft. Wir hofften alle, sie würde sich freuen.

Am nächsten Tag. Der Vater hatte die Mutter per Auto abgeholt. Wir hofften alle, sie würde sich freuen, aber sie freute sich nicht. Es fiel ihr nichts auf. Wir assen gemeinsam Zumittag. Dann servierte ich den Kuchen als Nachtisch. Es fiel ihr nichts auf. Die kleine Schwester wollte keinen Kuchen. Sie fragte: "Mutter, fällt dir nichts auf?" Es fiel ihr nichts auf. Der Bruder sagte: "Schau, die neue Farbe. Die Stube ist frisch gestrichen." Und wir alle im Chor: "Schau wie schön!" Und ihre Antwort: "Nun verstehe ich, warum ihr bei Euren Besuchen immer so fröhlich und schweigsam waret! " Und dann ihre dumme Frage: "Musste ich darum in die Ferien?" "Ja, darum musstest du in die Ferien. Wir wollten eine neue Stube und du warst dagegen. Wir haben es geschafft," wir liessen uns unsere Freude nicht verderben.
2018 - Seit zehn Jahren der beste Privat-Bäcker!
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - Seit zehn Jahren der beste Privat-Bäcker!

2018 „Es freut mich, dass du bei MML einen Werbespot für mich machst, grossartig,“ ich hatte mich zunächst gegen den Wunsch von Diego, meinem Privat-Bäckers gewehrt. „Ein bisschen Spass tut immer gut!“ er lachte verschmitzt. Schliesslich stimmte ich ihm zu: „Ein bisschen Spass tut immer gut!“ Also meine verehrten Leser und meine lieben Leserinnen: „Ich bezeuge gerne, dass Diego für meinen Geschmack das beste Nussbrot bäckt! Bio. und Vollkorn! Ofenwarm wird es geliefert! Sie möchten eines bestellen? Meine Adresse finden Sie in der unten angeführten Webseite. Ich warte auf Ihren Anruf! Ein bisschen Spass tut immer gut!“

2018: Ja, es muss vor zehn Jahren gewesen sein, als sich die damaligen Aushilfen der Notschlafstelle privat getroffen hatten, um sich gegenseitig kennenzulernen. Damals bot eine dieser Aushilfen drei Brote zum Verkauf an und erklärte: Ein Bekannter backe diese daheim. Er suche weitere Kunden. Er habe den Mann an der Clubschule getroffen, wo er Deutsch lerne. Er sei seit 1994 mit einer Schweizerin verheiratet. Die beiden hätten früher in Venezuela als Selbständig erwerbende Touristenausflüge angeboten. Da die politische Lage in der Gegend zu gefährlich geworden sei, wären sie gemeinsam in die Schweiz zurück geflohen. Eine Aushilfsstelle und wieder eine feste Anstellung, die Frau sei sofort in der Lage gewesen als Kundenberaterin, den Lebensunterhalt zu verdienen. Die Situation des Mannes sei schwierig. Ohne Deutschkenntnisse, mit einer Ausbildung als klassischer Gitarrist und Erfahrungen in der Touristenbranche könne er keine Arbeit finden. Er sei verzweifelt. Ohne Tagesstruktur, ohne Einkommen, ohne Bekannte tue er sich sehr schwer. Alle Versuche mit Arbeitsvermittlungsstellen und dem Arbeitsamt hätten in Katastrophen geendet. Der Mann sei an seine Grenzen gestossen. Was tun? Stundenlang in seinem Zimmer Gitarre spielen? In seiner Verzweiflung habe er begonnen, Brote zu backen. Mitglieder seiner Gemeinde (= Freikirche) hätten spontan Brote gekauft. Er suche aber weitere Kunden. - Nichts war zu machen, alle Aushilfen hatten bereits Brot zuhause. Ich, die Schreibende kaufte alle drei und verschenkte zwei. Ich wurde eine zuverlässige Kundin. Die beiden interessierten sich bald für meine Arbeit im Kongo und unterstützen diese mit dem Kauf von meinem Gartengemüse. Eine glückliche Zusammenarbeit! Warum nicht gelegentlich gemeinsam eine Tasse Tee trinken? Die beiden kannten Teil 1 meiner Lebensgeschichte, die ich MML veröffentlicht hatte und meine Webseite: www.bauerndoerfer-im-kongo.ch/">www.bauerndoerfer-im-kongo.ch .

Am 28. Juli 2018 bei einem Picknick im Garten begannen sie, aus ihrem Leben zu erzählen. Nach einer kaufmännischen Lehre in der Touristen Branche suchte Anna, geboren 1968 nach einem anderen Leben. Weg von der geregelten Arbeit, weg von Freunden, weg von Parties, wo sie sich oft in mitten von Menschen zutiefst einsam und unbefriedigt fühlte. Sie träumte von einem Leben unter Palmen. Zunächst reiste sie gemeinsam mit einer Bekannten mit dem South Amerincan Travel Handbook, mit Rucksack und Hängematte sechs Monate durch Südamerika. Angeregte durch das Handbuch besuchte sie auf der dritten Reise mit ihrem damaligen Schweizer Freud Venezuela. Zu Santa Fé war im Handbook zu lesen: „A good place to relax“ verbunden mit Diegos Abenteurerreisen: Mit Schiff und Zelt durch den Nationalpark zu ruhigen Sandstränden mit Palmen, Gitarrenklängen und Taucherlebnissen. Sie entschlossen sich, an einer von Diego angeboten Reise teilzunehmen. Dann: Liebe auf den ersten Blick, auch wenn ihr „langweiliger“ Schweizer-Freund dabei war. Sie hätte sich nichts anmerken lassen.

Spanien 1933: Die angespannte politische Lage hatte Diegos Vater gezwungen, seine Geliebte in Madrid zu verlassen. Er wanderte nach Venezuela aus, wo er beim Staat eine Stelle als Elektro-Ingenieur fand. Gesucht waren aber Bauingenieure! Neben vollem Einsatz am Arbeitsplatz, bildete er sich in einem Abendstudium - an fünf Abenden pro Woche - zum Bauingenieur weiter. Er scheute keinen Einsatz: Der Bau der durch die USA finanzierten Panamerikana lockte. - Auf der andern Seite des grossen Meeres litt seine blaublütige Geliebte. Sie ertrug die Trennung nicht. Romantische Träume sollen sie dazu verführt haben, Madrid allein zu verlassen und ihrem Geliebten zu folgen. Die beiden heirateten und wurden Eltern dreier Kinder: 1945 ein Sohn, 1948 eine Tochter und schliesslich 1957 Diego. Das Familienleben soll nicht nur romantisch gewesen sein, obwohl der Vater gut verdiente. Seine Frau hatte Heimweh nach Madrid. Was tun? - Der Vater kaufte in Madrid ein herrschaftliches Haus und seine Frau zog 1959 mit dem Kleinen in ihre Heimat zurück. In Venezuela erwarb der Mann auch mehrere Liegenschaften. Zwischen durch reiste er zu seiner Frau, seinem kleinen Sohn, den alten Eltern und anderen Verwandte in Spanien. Erschwerend war, dass er an Nierenstein litt. 1969 erlag er in Madrid an den Folgen einer dringend nötigen Operation. Mit einem Diplom in klassischer Gitarre in der Tasche musste Diego später zu seinen Geschwistern nach Venezuela zurückkehren, um sich um den Nachlass des Vaters zu kümmern. Dort machte er Ausbildungen in Karate und Tauchen. Er war begeistert von der wunderbaren Gegend, vom nahen Nationalpark und den Stränden rund um Fanta Fé. - Was tun, um ein vom älteren Bruder unabhängiges Leben führen zu können? Er kaufte ein kleines Schiff und bot Abenteuerreisen an. Er begann eine Firma aufzubauen. Schade, dass sich nicht mehr Touristen dafür interessierten! Was nützte es, dass alle Teilnehmer begeistert waren? Warum hatte er im folgenden Jahr alle Hände voll zu tun? Anna zeigte ihm ihr Handbuch. Er verstand. Er verliebte sich spontan in die fremde Frau. Er liess sich nichts anmerken. Ein Glück für sein Geschäft, dass sie mit einem Begleiter reiste.

1994 heiraten Anna und Diego in Venezuela. Wie es damals in jener Gegend noch möglich war, lebten sie meist auf dem Schiff. Romantisch! Das Schiff war elf Meter lang und drei Meter breit. Sie bauten für sich ganz privat eine geschlossene Kabine. Spanisch war ihre Umgansssprache. Gemeinsam säuberten sie Strände und bauten für ihre Touristen Hütten auf kleinen Inseln. Sie arbeiteten hart und genossen ihr freies, romantisches Leben trotzdem. Leider wurde ihr freier Lebensstil bald verboten. Dann wohnten sie in der Gegend von Santa Fée. Santa Fée ist ein grosses Dorf, eine Streusiedlung. Sie kauften ein Haus - ein Haus von Mauern umgeben, von Hunden bewacht und Diego mit einer Waffe. Etwas ungewöhnlich für Anna. Die Firma entwickelte sich trotzdem gut. Sie lernten ein paar Leute kennen, aber sie hatten noch keinen festen Bekanntenkreis. Sie wussten, dass es in der Gegend junge Ausländer mit viel Geld und Teenagergruppen mit Drogen gab. Sie hatten gehört, dass grosse Feste gefeiert wurden. Die Gegend wurde zunehmend unsicher.  - 1996 wurde einer der wenigen richtigen Freunde von Anna und Diego erschossen. Eine Warnung! In der Folge erwies sich die Polizei als zu schwach, um ihnen die Sicherheit zu gewährleisten, welche für ihre Firma nötig gewesen wäre. - Was tun? Diego war mit einer Schweizerin verheiratet und er konnte und wollte arbeiten. Sein Traum von der sicheren Schweiz, dem wunderbaren Land mit den unbegrenzten Möglichkeiten wurde immer schöner und farbiger. Er machte sich Illusionen. Gemeinsam spürten sie, dass sie von Santa Fé weg mussten. Hastig verschleuderten sie alles, was ihnen lieb war: Das Haus, das Schiff und die Hütten unter den Palmen. Bald landeten sie in Zürich. Anna arbeitet seit 1997 als Kundenberaterin in einer Clubschule. Und Diego? Entwurzelt, ohne Sprachkenntnisse, ohne Arbeit! Sein Luftschloss war geplatzt. Diego? Er stand vor dem nichts, er war zu einem Nichts geschrumpft! Selbst in der Ehe begann es zu kriseln. Er wollte Deutsch lernen. Er verlangte, dass seine Frau nur Deutsch mit ihm sprach, mit ihm, der weniger Deutsch konnte als ein Kindergartenkind. Was waren das für Gespräche, jetzt wo es viel zu besprechen gab? Die beiden schafften es.

In einer Freikirche fand Diego langsam Freunde und er konnte mit dem Brotverkauf beginnen. Doch war das zulässig? Sie hatten keine Zeit, sich das zu überlegen. Noch bevor von einem richtigen Verdienst gesprochen werden konnte, musste jemand den Behörden eine Meldung betreffend seine Tätigkeit gemacht haben. Die Lebensmittelkontrolleure kamen vorbei. Wie und wo wurde das Mehl gelagert? Wo wurde gebacken? Waren Küche und Kühlschrank sauber? Schliesslich erhielt Diego eine Lebensmittelkontrollnummer. Das Steueramt meldete sich, Diego wäre Selbständig erwerbend, doch in der gemeinsam Steuererklärung werde kein Einkommen des Ehemannes deklariert. Er verdiente nur ein paar Räppli und doch wurde Anna verpflichtet, eine Buchhaltung zu führen. Nun sollte er auch AHV-Beiträge bezahlen. Aber wie? Er hatte keine AHV-Nummer und wer keine AHV-Nummer hat, der existiert für den Staat nicht . Erneut hatte Anna viele Formulare auszufüllen und schliesslich erhielt er eine AHV-Nummer, und damit hat er nach erreichen des Alter das Anrecht auf eine AHV-Rente. Gemeinsam und mit der Unterstützung dritter hatten sie es geschafft. Sie bedankten sich immer wieder und betonten, wie wichtig für sie in all den Jahren mein regelmässiger Brotbezug gewesen sei.

Wie war dieser Brotverkauf für mich gewesen? Mühsam, doch ich spürte, dass dies für Diego wichtig war und ich machte mich immer wieder auf Kundensuche. Manchmal sprach ich Unbekannte an. Mein Angebot wurde abgelehnt und eine dritte Person fragte: „Wie viel wollen sie dafür?“ „ 6 Franken für 600 Gramm Vollkornbrot mit Baumnüssen, noch beinahe warm, ausgezeichnet,“ das Geld wurde mir in die Hand gedrückt und das Brot war weg. Solche Erlebnisse liessen mich weiterfahren. Vor zwei Jahren hatte ich den wöchentlich Bezug von drei auf zwei Brote reduzieren müssen. Trotz grosser Anstrengung hatte Ich keine Abnehmer mehr gefunden. Wie lange ich noch jede Woche eines verkaufen kann, ist ungewiss. Die Antworten, ich nannte es Ausreden, lauten: „Gelegentlich gerne, aber nicht nächste Woche,“ oder „ich suche mein Brot gerne im Supermarkt aus.“ oder „ich esse kaum Brot.“ Vielen bin ich mit meiner Fragerei lästig geworden. Der Bäcker, seine Frau Anna und ich konnten dieses Thema beim unserem Picknick offen besprechen. Selbst die Klubschule habe je länger je mehr Mühe ihre Kurse zu füllen. Die Leute würden Verbindlichkeiten ausweichen. Sie wünschten immer wieder neu auswählen zu können. Sie interessieren sich nicht für den Bäcker. Die beiden lassen den Text durch. Per Mail hatte Anna zwei Ergänzungen gemacht und sich im Namen beider dafür bedankt, dass sie zu Teil meiner Lebensgeschichte sein dürfen. Ein bisschen Spass tut immer gut!

Themawechsel: Weil das MML-Programm und ich im Moment auf Kriegsfuss standen und das Programm immer wieder ganze Texte verschwinden liess, hatte ich mich am 30. Juli beschlossen, im Programm von LibreOffice Writer zu tippen, bis ein Text fertig war. Das dauerte mehrere Tage, denn ich überarbeitete und überarbeitete meine Texte nochmals und nochmals. Ich schätzte es, spontan mal hier, mal dort etwas zu ändern. Erst wenn ich dies lassen konnte, und nach zweimaligen Durchlesen nichts mehr änderte, kopierte ich die Texte nach MML hinüber. Dann konnte nichts passieren. Ging der Text verloren, was machte das? Ich hatte das Original im Writer. Doch ich fürchtete mich vor Doppelspurigkeit. Ich wusste, ich konnte solch gute Vorsätze selten konsequent durchhalten. Deshalb verabscheute ich diese Arbeitsweise. Ich träumte von einem wieder perfekt funktionierenden MML-Programm.

 

2018 - Der Sommer der Gartenfeste
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - Der Sommer der Gartenfeste
2018 - Der Sommer der Gartenfeste

2018 14. September: Es hatte am Abend und in der Nacht 16mm geregnet. Ein trockener, warmer, windiger Sommer neigte sich dem Ende zu. Die Nächte waren langsam länger und kühler geworden. Die Tag-und-Nachtgleiche näherte sich. Endlich Regen, an jenem Morgen erwachte ich glücklich und erleichtert unter der Federdecke. Mein Jahr der Gartenfeste neigte sich dem Ende zu. Wie seit Jahren erhoffte, hatte ich 2018 jede Woche mit Gästen im Garten zwischen der Eibe und dem Schopf gegessen.

Es begann an einem Sonntagabend vor den Schulferien. Seit längerem hätte ich gerne die Schüler und Schülerinnen vom Internat FW 21 zu einem Picknick in unserem Garten eingeladen. Ich zögerte, ihnen den Vorschlag machen. Wie konnte ich sie dafür begeistern? Ich sah nur Hindernisse. Nach einem eher wechselhaften Frühling war der 24. Juni ein strahlend schöner Sonntag gewesen. Ich verstand nicht, wie die Jugendlichen den ganzen Tag in ihren Zimmern verbringen konnten. Die Nachbarn pflegten und verschönerten ihre Gärten. Auf einer Seitenstrasse hatten Kinder mit Seifenblasen gespielt. Kurz entschlossen entlehnte ich das Material für Seifenblasen bei ihnen und lud die Jugendlich voller Begeisterung zu einem Picknick in unserem Garten ein. Ich zeigte ihnen unsere Obstbäume und die Vogelhäuschen. Ich erklärte ihnen den Steinhaufen, mit dem ich Blindschleichen und Eidechsen gegen Katzen schützen wollte. Warum hatten die Jugendlichen ihre Smartphones nicht mitgebracht? Ich hatte es ihnen nicht verboten. Hatten sie diese vergessen? Sie standen in meinem Garten herum und schienen wenig interessiert. Wir waren uns fremd. Nach dem Essen spielten wir ein wenig mit den Seifenblasen. Bald gingen sie heim. Vielleicht hatte jemand ein SMS geschickt. Sie hatten die Hausaufgaben noch fertig zu machen. Ich hatte es geschafft, sie einzuladen. Die Freude darüber trug mich durch den Abend.

 

Eine Woche später, am 1. Juli freute sich eine schneidige, ehemalige Mieterin über unsere Einladung. Die kleine Person schaute ruhig und selbstbewusst um sich und wiederholte viele Male den Satz: „Schön hier zu sein.“ Nur von ihr und meiner Grossmutter kannte ich das Wort „schneidig“. Sie wollte als schneidig gelten. (Einschübchen: Wie konnte ich dieses für mich positiv tönende, schillernde Wort umschreiben? Meine Lesenden, ich weiss keinen Rat. Ich konnte nur staunten. Google meldete 191‘000 Fundstellen und die folgende Webseite https://synonyme.woxikon.de/synonyme/schneidig.php führte 514 Synonyme zu schneidig auf, unterteilt in 22 Gruppen. Ende Einschübchen). Die schneidige Person fragte nach unseren Erfahrungen mit den Nachmietern und nach meinen Reisen in den Kongo. Per Dauerauftrag überwies sie unserem Verein jeden Monat 20 Euro. Sie war weggezogen, weil ihr Budget nach der Scheidung eng wurde, und ihr das Leben in der Schweiz zu teuer schien. Ein paar lose Kontakte ja, aber einen verlässlichen Partner hatte sie nicht gefunden. Mein Mann und ich staunten über ihren beruflichen Erfolg. „Wenn mein Sohn selbständig ist, ziehe ich wieder zu euch,“ mein Mann tat diese Bemerkung als leere Schwärmerei ab. Sie und ich glaubten an diesen Plan.

 

Am 8. Juli folgte ein lauer Abend mit den Garten-Nachbarn. Mein Plan, diesen Sommer jedes Wochenende Gäste zu haben, überraschte sie. Das sei doch nicht möglich, da mein Mann dagegen sei. Dann sprachen wir über das vergangene Schuljahr, von viel Ärger mit den Eltern, die den Heranwachsenden „alles“ bieten konnten. Der anwesende Lehrer freute sich auf seine Pensionierung, noch ein Mal den langen Schulweg, ins Schulhaus, ins Schulzimmer, den Rest verräumen - und - fertig. Nun könnte er sein Leben frei gestalten, war seine Hoffnung. Seine Frau erzählte, der ganze Komplex, zu dem ihr gemietetes, alte Hinterhaus gehöre, sei verkauft worden. Ein Neubau mit einer höher Ausnutzungsziffer sei geplant. Die beiden bedauerten die Kündigung, denn sie hatten sich im Haus mit Umgelände und alten Bäumen wohnlich eingerichtet. Sie schätzten die zentrale Lage und die gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz. Sie waren glücklich, dass sie kein Auto mehr brauchten. In ihrer Parzelle im nahem Familiengarten wuchsen selbst gezogenen und gekauften Heilpflanzen, Kräuter und spezielle Futterpflanzen für bedrohte Insekten. Sie schätzten meinen Steinhaufen für Reptilien, dort könnten auch Wildbienen und Hummeln Unterschlupf finden. Wir erfuhren, dass sie für Anfangs Herbst eine Wohnung auf dem Land gemietet hatten und planten, wieder ein Auto zu kauften. Eine andere Nachbarin war später zu uns gestossen. Sie freute sich, dass sie auf dem Heimweg von ihrem Familiengarten situativ eingeladen worden war. Mein Mann hatte sich zurückgezogen und schaute ein Fussballspiel.

 

Auf Samstag, 14. Juli hatte ich eine langjährige, aus Indien stammende Bekannte eingeladen, die sieben Jahre älter ist als ich. Wir hatten immer wieder interkulturelle Auseinandersetzungen, und ich hatte ihre beiden letzten Mails nicht beantwortet. Sie freute sich. „Schau, ich helfe dir gerne beim Vorbereiten, aber dann, ohne mich. Willst du dir das wirklich antun? Ihr Gejammer und ihr Geklage, brauchst du das?“ warnte mich mein Mann. Mir war diese Einladung wichtig. Schaute ich später auf ihren Besuch zurück, so freute ich mich darüber, wie es mir gelungen war, diesen Kontakt auf eine gute Art abzurunden. Sie hatte mir dies leicht gemacht , weil sie wieder mit einer Stunde Verspätung eingetroffen war, obwohl sie klar wusste, dass dies einer unserer Streitpunkte war.

 

Mein Mann hatte das oben Stehende freundlicherweise auf Ortographie und Satzzeichen hin durchgelesen. Ich wusste, es war nicht sein Ding. Beim Hinausgehen sagte er: „Schreibe im MML-Programm, wenn es für dich richtig ist. Ich warne dich vor Illusionen. Deine Texte werden von keiner späteren Forschergenerationen gelesen. Das Internet verändert die Welt vollständig. Früher galt ein Mensch als gebildet, wenn er 5‘000 Bücher gelesen hatte. Heute nimmt die Flut von Texten rasant zu,“ und weg war er.

 

Nach dem Sommerpicknick mit den Frauen vom „Abendgebet für den Frieden“ am 18. Juli folgte am 21. Juli ein Szenenwechsel: Wir waren auf 11 Uhr zu einem Fest in den Familiengärten auf dem Hönggerberg eingeladen. Klein Malkoms Mutter feierte Geburtstag. Vor uns lag das Häusermeer. Stand ein Wetterwechsel bevor? Der Himmel war bewölkt, Regen war angesagt, aber es blieb trocken. Malkom hatte Mühe den Schlaf zu finden. Deshalb besichtigten wir mit dem Kinderwagen das Areal. Wir bestaunten die unterschiedlichsten Gärten. Teilweise wurde noch traditionsgemäss Gemüse angepflanzt, aber in immer mehr Gärten wurde hauptsächlich der Kontakt zur Natur, das Arbeiten mit den Händen in der Erde gesucht. Mit dem schlafenden Kleinen kehrten wir zu den weiteren Gästen zurück. Als Geschenk hatten wir sechs Fenchel-Setzlinge und die nicht gewollten Süssigkeiten der Friedensfrauen mitgebracht.

 

Nach dem 28. Juli war „Feuer anmachen im Freien verboten“. Die Wiesen verfärbten sich bräunlich. Das Gras wuchs nicht nach. Jede Woche brachte mein Mann unsern sechs Niederstamm-Bäumen je zwei Kannen Wasser. Zwanzig Jahre war unser Elektro-Grill unbeachtet im Keller gestanden. Er funktioniert noch. Ich erwartete meinen Privat-Bäcker und seine Frau. Eine Zusammenfassung unsere Gespräches finden Sie unter dem Titel: „Seit zehn Jahren der beste Privat-Bäcker!“ Wir benutzten den Elekto-Grill. Meine Lesenden es geht weiter. Jedes Gartenfest hatte ein anders Thema. Am 5. August unter hielten wir uns mit der Aktuarin unseres Vereins über alte Gerichtsverfahren. Ich erinnerte mich an die verschiedenen Prozesse unseres Vater. Betreffend sein Strafverfahren hatte ich keine Akteneinsicht erhalten, und die Akten alter Zivilverfahren erster Instanz wurden nicht archiviert. Die Aktuarin erzählte aus der Zeit ihrer Eltern. Ihr Grossvater sei früh verstorben und sein Vermögen, sein Bauernhof sei von der Gemeinde verwaltet worden. Ihr Vater habe immer wieder erwähnt, es seien schiefe Dinge gedreht worden. Auch der Aktuarin war die Akteneinsicht verweigert worden. Durch das Gespräch fühlte sie sich ermutigt, der Sache nochmals nachzugehen. Am 11. August nochmals ein Picknick mit Elektro-Grill und andern Gartennachbarn. Am 17. August das Museums-Fest verbunden mit einem sehr kurzen Platzrechen und am 24. August das Fest mit den MML-Leuten, der OLAT-Gruppe. Das Wetter hätte schöner sein können. Wolken, Wind und Regentropfen. Regen konnte das nicht genannt werden. Der Elektro-Grill liess sich auch im Schopf leicht bedienen. Und schliesslich am 25. August des letzte Grillfest. Es hatte im Laufe des Tages merklich abgekühlt. Regen war angesagt. Ein unruhiger Wind blies. Der Elektro-Grill bewährte sich auch auf der Treppe zum Garten. Der Grillmeister brauchte keinen Schirm.

 Das war  d e r  Sommer meiner Gartenfeste gewesen.

2018 - Was ist wahr, was sind Fake-News?
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - Was ist wahr, was sind Fake-News?

2018 - was ist wahr, was waren Fake-News?

Fünf Meter hohe Mauern schützen weite Teile der japanischen Küste vor den Fluten des Meeres. Das starke Erdbeben in der Tiefe des Meerer vor Japan zerstörte am 11. März 2011 weite Teile der Küste. Einstürzende Gebäude begruben viele Menschen. Die vier Kernkraftwerke blieben unbeschädigt stehen. Der durch das Erdbeben ausgelöste Tsunami fegte über die Schutzmauer hinweg und überflutete die zerstörten Siedlungen. Die hereinbrechenden Wassermassen ersäuften die Opfer des Erdbebens – Die Medien berichteten von über 20‘000 Toten. Ich bedauere diese doppelte Naturkatastrophe. Mit Anteilnahme denke ich an die schwer geprüften Überlebenden. - Gleichzeitig stelle ich mir aber immer wieder die selben Fragen: Wie kann eine Nation, die sich mit Mauern gegen die Wassermassen des Meeres schützt, die elektrische Steuerung eines Kernkraftwerkes im Keller statt im Dachgeschoss platzieren? War dies ein von langer Hand gezielter Angriff auf das Kernkraftwerk, oder war es Gedankenlosigkeit? Warum war das passiert? Die Gegend rund um das Kernkraftwerk wurde panikartig evakuiert. Es ist damit zu rechnen, dass 1500 Menschen Opfer der Evakuierung (Unfälle, Herzinfarkte, u. ä.) wurden.

In den mir leicht zugänglichen Medien wurde bereits wenige Monate nach der doppelten Naturkatastrophe von Tausenden von Opfern des Atomunfalls von Fukushima berichtet. Ich habe gelernt, mich mitleidig belächeln zu lassen, wenn ich die Opfer des Erdbebens und des Tsunamis erwähne. Ich sollte endlich begreifen, dass die Explosion des Atomkraftwerks von Fukushima 20‘000 Opfer gefordert hatte. - Tatsache ist, dass es durch das herein strömende Wasser in der elektrischen Steuerung im Keller des Kernkraftwerkes zu einem Kurzschluss kam, der die Kühlung der Brennstäbe still legte. Dies führte nach einiger Zeit zu einer Wasserstoff-Explosion und zu einer Kontamination der Umgebung. Die verseuchte Erde wurde abgetragen und das Wasser verteilte sich grossräumigin den Weiten des Meeres. Ich bedauere all dies.

 

In der Folge wurde 2011 durch alle Medien zum Energie zu sparen aufgerufen. Meine Lesenden, wie und wo sparen Sie seit 2011 konkret  Energie? Zählen Sie das bitte auf! Ich lüfte - wie ich das in den 1950er Jahren, in der Zeit vor dem Waschautomat beobachtet habe - meine Kleider aus, statt sie schnell zu waschen. Zudem verzichte seither gezielt auf das Bügeln. Ich presse die Kleider wie zu Grossmutters Zeiten unter der Matratze. Was passierte im März 2011 an der Küste Japans? Die Berichterstattung zu Fukushima ist eines meiner Schlüsselerlebnisse. Ich sollte lernten: Die Toten der doppelten Naturkatastrophe sind Opfer eines Atomkraftwerkunfalls, weil das viele so sagen.

 

Was war in Chemnitz passiert? Nach einer kleinen Messerstecherei zwischen zwei Ausländer blieb ein Deutscher auf der Strecke. Es kam zu Demonstrationen. Die Medien berichteten davon. Die Sache wurde interessant. Da musste man hin, da war etwas los! Es brachen Unruhen aus. Eine am Samstag dem 1. September von der AfD mit organisierten Veranstaltung wurde von der Polizei abgebrochen. Die Polizei konnte trotz einem Grossaufgebot die Strasse nicht freihalten. Die Leitung der AfD akzeptierte diesen Beschluss. Wer versperrte die Strasse? Die Medien beantworteten meine Frage nicht. Ich fühlte mich an den sanften Umgang der Medien mit den Antifa-Hooligans in Hamburg beim G20-Gipfel 2017 erinnert. Die Polizei soll sich damals aus verständlichen Gründen zurückgehalten haben. Direkte Schäden in der Höhe von 12 Mio. konnten in Hamburg trotz 130 Mio. Präventions-Kosten nicht verhindert werden. - Sicher, mit Angst und Sorge verfolgte ich die Berichterstattungen aus Chemnitz. Ich verurteile Hetzjagden auf Ausländer gleichermassen wie Generalverdächtigung von AfD-Leuten. Verbale, psychische und körperlicher Gewalt empfinde ich nicht als identisch. Ich verlange, dass die Anordnungen der Polizei befolgt und allfällige Rettungskräfte nicht behindert werden.

 

Ich musste mir immer wieder sagen: „Wir sind im Jahr 2018. Wir leben in einer 24-Stunden Gesellschaft. Alle sollten Anrecht auf alles haben und zwar schnell. Wir sollten allen multikulturellen Unterschieden mit Achtung begegnen.“ - Unsere Wohnungen und Kühlschränke wurden voller und voller. Was taten wir gegen die Abfallberge und den Plastikmüll in den Meeren. Eine noch weitere Ferienreise buchen oder in einem Familiengarten Gemüse pflanzen? Was hatten wir noch für Perspektiven? - „Weniger ist mehr – Minimalistisches Leben“ hiess der Titel einer Dok-Sendung von SRF 1 am 6. September 2018 um 20.05. Wo stehen Sie meine Lesenden? Ich tat mir schwer und war ein wenig Stolz, dass ich seit 1995 keine neuen Kleider mehr gekauft hatte. Ich war kein Brockenhaus. Ich wehrte mich ziemlich erfolgreich gegen unnötige Geschenke.

 

Computer und Internet bereits im Kindergarten? Videos, Games, Google, Instragram, Facebook, Twitter – wie hiessen nur all die neuen Medien? Ich hatte mich zunehmend häufiger über die Suchmaschine „Google“ informiert. Was ist wahr? Was waren Fakes-News? Waren Gruppen wie das „Peng!-Kollektiv“, die „Junepa“ oder „No Muos“, die sich zu sogenanntem zivilen Ungehorsam bekannten, tatsächlich mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet worden? Was passierte im Hambacher Forst? Meine Lesenden, bitte unterbrechen Sie ihre Lektüre einen Moment und googeln die hier erwähnten Gruppen und Begriffe. Wie unterscheiden Sie die Meinungen mit vielen likes von Tatsachen? Was ist wahr, was sind Fake-News?

2018 - Toni Brunner, geboren 1974
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - Toni Brunner, geboren 1974

Die Einladung zum Seniorenausflug am 4. Oktober 2018, zu einem Treffen mit Toni Brunner im Landgasthof „Sonne“ in Ebnat Kappel lag auf dem Küchentisch. Der angehende Bauer, geboren 1974 war am 4. Dezember 1995 als jüngstes Mitglied in den Nationalrat gewählt worden. Als ich das damals hörte,  war ich entschlossen, mit diesem Mann einmal ein paar Worte zu wechseln. Jetzt war der Tag gekommen. Hinten auf dem Programmblatt notierte ich meine Fragen und steckte die Broschüre „Bauerndörfer im Kongo“ in meine Tasche. Bei strahlender Sonne fuhren wir Richtung Toggenburg. Unser Kleinbus war voll besetzt. Die hinteren Scheiben beschlugen sich und draussen war leider Nebel aufgestiegen. Lange, zu lange hatte ich diese schönen Gegenden nicht mehr gesehen! Die Enge des Busses, die lauten, eifrigen Diskussionen und die beschlagenen Scheiben störten mich nicht. Viel Vieh suchte auf trockenen Weiden Futter. Gegen Mittag erreichten wir den Landgasthof und der Nebel löste ich auf. Im Hintergrund erhoben sich die Kurfirsten, davor lag eine zerklüftete, grüne Hügellandschaft und zwischen kleinen Höfen graste Vieh. Die Zeit schien still gestanden zu sein. Warum gingen wir so schnell in die Gaststube? Warum sprachen alle nur von den vergangen Jahren? Waren wir alt?

 

Dann kam Toni strahlend und hiess alle einzeln per Handschlag willkommen. Er sagte ein paar Worte zur Gegend, zum Dorf und seiner Tätigkeit als Bauer. Sein Hof liegt 2 km weiter oben, und er hat einen Angestellten, der ihn vertritt. Er hält ca. zwanzig Kühe der traditionellen Schweizer Braun Viehrasse und zwanzig Eringer Walliser Kampfkühe. Dann stellte er uns seinen behinderten Bruder vor, der lange in einem Heim gelebt hatte. Nach einer Versuchsphase könne er nun voll im Restaurant mithelfen. Sein Bruder wolle der „Chef sein“. Zu den Pflichten eines Chefs gehöre es, die Gäste zu begrüssen. Ich staunte. Schützend hielt Toni den Arm um seinen Bruder, als dieser sich anstrengte, ein paar Sätze zu sagen. Leider waren wir, die alten Gäste ziemlich laut, und ich konnte die Ansprache des Behinderten nicht verstehen. Später brachte er uns auf einem Tablett die Getränke, die wir vorher bestellt hatten. Er hob jede einzelne Flasche hoch, wir winkten, und er reichte uns das Getränkauf mit einem Glas. Während unserem ganzen Aufenthalt erledigte er alle Handgriffe, die ihm aufgetragen wurden, freundlich. Als Toni unsere Fragen beantwortete, setzte er setzte sich auf einen Stuhl und hörte ruhig zu. Leider wurden viele unserer Fragen zu selbstdarstellerischen Kurzvorträgen! Teilweise glaubten wir Toni sogar, unterbrechen zu müssen! Trotzdem schaffte ich es meine Fragen vorzulesen. Nicht überraschend doch zugleich beängstigend zu hören, dass Toni unsere Befürchtungen betreffend Energieversorgung teilte. Auch er tritt dafür ein, dass unsere Bundesverfassung unsere oberste Rechtsquelle ist. Einzig zwingendes Völkerrecht wie beispielsweise das Folterverbot soll zusätzlich gelten. Die Menschenrechte sind in unserer Verfassung festgeschrieben. Bei der momentanen Zusammensetzung des Parlamentes Mehrheiten zu finden, sei schwierig. Beim Aufbrechen konnte ich ihm meine Broschüre betreffend den Kongo zeigen und meine Homepage angeben. Schliesslich kam er mit auf den Parkplatz und zeigte uns die Eringer-Kühe, die er für Prominente in Pension hält. Der Preis für ein solches Tier liege bei CHF 1‘000 für ein gutes Kalb und bis über CHF 10‘000 für eine Spitzenkuh, dazu komme der Pensionspreis von ca. CHF 3‘000 pro Jahr. Auf meine Fragen hin antwortete er, wer eine Kuh wolle, könne sich bei ihm melden. Natürlich könnte ich Kälber für meine kleinen Enkeltöchter bei ihm kaufen und in Pension geben. - Erfüllt von diesem schönen Traum fuhr ich heim. Mein Mann schüttelte lachend den Kopf und wünschte, ich solle mit unserem Sohn sprechen, bevor ich die Kälber kaufe. Unser Sohn winkte ab, das sei zu weit weg. - Schade.

2018 - Patrick, geboren 1946
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - Patrick, geboren 1946

Patrick, geboren 1946

 

2018: Warum Patrick? - Warum Charlotte? Warum war Charlotte ausgewählt worden? Mit diesen Fragen dachte ich regelmässig, oft täglich mehrmals an die beiden. Charlotte hatte von einem ruhigen und erfüllten Lebensabend gesprochen. Sie wollte einen Treffpunkt für vereinsamte Menschen aufbauen und diesen Aufmerksamkeit schenken, ihren Geschichten zu hören, mit ihnen schweigen und die wachsende Leere aushalten. Nun war alles anders. Charlotte musste dankbar sein, wenn sie jeden Tag ihren eigenen Alltag ruhig und geordnet hinter sich bringen konnte. Es fiel ihr nicht leicht, sich, ohne zu hadern, auf ihre neue Aufgabe einzustellen. Doch es blieb ihr keine Wahl. Sie wurde gezwungen, sich einzugestehen, dass Gott sich ihr nun in einer ganz andern, ihr neuen, fremden Art offenbarte. Was wartete noch auf sie? Oft wurde Minute für Minute neues Vertrauen gefordert. - Kürzlich hatte Charlotte den Tag sorgfältig geplant. Sie hatte sich gefreut. Zunächst klappte alles gut. Doch es kam anders. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ruhig durchzuatmen. Am Abend konnten ihr Mann, sie und der unangemeldete Besuch auf einen unbeschwerten, heiteren Nachmittag zurückschauen. Den hätten alle drei verpasst, wenn Charlotte nicht flexibel gewesen wäre. Es gelang ihr langsam, sich an so überraschenden Erlebnisse zu freuen. „Ich musst noch viel lernen,“ und Charlotte sagte dies nicht leichthin, „Ich will blindlings vertrauen, auch wenn mir das Angst macht. Das ist nicht einfach.“ Schliesslich sagte Charlotte: „Ich weiss nicht, wie es weiter geht.“

 

Patrick ist der Mann von Charlotte, und mit ihr hatte ich die Kantonsschule besucht. Wir hatten im gleichen Monat Geburtstag. Sie war klein, zierlich, katholisch, hatte schwarze Haar und ganz weisse Haut. Ihr Vater war Bankangestellter, die Mutter Hausfrau und sie wohnte mit ihren Brüdern in einem Reiheneinfamilienhaus, wie es viele gab. Ich war gross, knochig, reformiert, blond, braungebrannt und kam von einem Bauernhof in einem kleinen Dorf. Ich hatte Charlottes Mutter sofort als Kartoffelkundin erkannt, als ich Charlotte eines der wenigen Male daheim traf, um die Deutschaufgaben zu machen. - Charlotte und Elsbeth einerseits, Ide und ich anderseits, wir gehörten manchmal zusammen und manchmal nicht. Alle vier sind wir Lehrerinnen geworden. All die Jahre hatte ich einzig zu Charlotte einen konstanten losen Kontakt. Ich wusste, dass Charlotte seit ein paar Jahren in Sorge wegen der Gesundheit ihres Mannes Patrick war. Ich hatte Patrick bei meinem letzten Besuch beobachtet: Hatte er seinen Charme, seinen Glanz verloren? Ich dachte an meine Schwiegermutter. Hatte Charlotte noch nichts gemerkt? Ich rief nicht mehr an und wartete. Dann änderte ich meine Meinung. Im nun folgenden Telefonat tönte die Stimme der fröhlichen Charlotte niedergeschlagen. Ratlos fragte ich sachte nach Patrick. Es kamen einige Hinweise auf Schwierigkeiten im Alltag. Ich überlegte, ob es wohl richtig wäre, Charlotte direkt zu fragen, ob Patrick krank sei. Das Gespräch stockte. Nach einer Weile der Stille erklärte Charlotte, es deute alles darauf hin. Sie müsse Patrick seit kurzem zum Arzt begleiten, er gehe nicht mehr allein. Es würden viele Tests durchgeführt. Sie würden auf die Prognose warten. Ich scheute vor einem Besuch zurück. Ich rief Charlotte nun häufiger an.

Patrick hatte nie geraucht. Bei festlichen Anlässen und war das nur ein überraschender Besuch, stiess er gerne mit einem Glas gutem Rotwein an. Er hatte sich in Sachen Wein aus gekannte und Wein aus Italien zum Verkauf in die Schweiz importiert. Mein Mann wollte nicht Kunde von ihm werden. Patrick hatte sich auch in der Malerei ausgekannt. Er hatte eine Galerie geführt, wo er alte Meister aus Italien, zeitgenössische Kunst und eigene Bilder verkaufte. Ergänzend hatte er gut besuchte Malkurse in Italien organisiert. Schliesslich hatte er mit Charlotte einen Verlag gegründet. Gemeinsam hatten sie gegen hundert Schriften und kleine Bildbände veröffentlicht. - Nun war alles vorbei. Mit der Unterstützung ihres Sohnes hatten sie diese Aktivitäten noch geordnet abschliessen können. Charlotte war erleichtert und dankbar, denn all dies hatte Patrick einmal viel bedeutet. Nun war es vorbei. … Patrick, der jede freie Minute kreativ hatte füllen können, schaute sie nun manchmal mit leeren Augen an und fragte: „Was soll ich machen.“ „ Ich - kann - es – nicht – fassen,“ die Stimme von Charlotte verstummte. ... Nach einer Weile wiederholte ich: „Charlotte, ich kann es auch nicht fassen.“ „Dein Verständnis tut mir gut. - Lass uns nun das Thema wechseln. Wie geht es mit deiner Schreiberei bei MML? Wo bist du jetzt? Ah, du schreibst jetzt über unsere gemeinsame Zeit in der Kantonsschule. Du bist hingegangen und hast die alte Schule besucht. Erzähle mir ein wenig.“

Patrick, geboren 1946, hatte Elektromechaniker gelernt und nach Abschluss der Lehre viele Weiterbildungskurse besucht. Er, der reformierte Handwerker heiratete die katholische Lehrerin. Charlottes Eltern hatten dies nicht verhindern können. Sie hatten sich die Hochzeit ihrer Tochter anders vorgestellt. Schliesslich empfingen sie die Hochzeitgäste doch in ihrem Haus und fuhren gemeinsam zum reformierten Traugottesdienst. Patrick arbeitete und bildete sich weiter. Charlotte unterrichtete, bis sie Eltern eines Sohnes wurden. Dann wurde Patrick berufen, - er entschloss sich Prediger zu studieren. Charlotte folgte seinem Weg. Zehn Jahre führten sie gemeinsam die Gemeinde Suhrsee. Nach der schwierigen Umstellungszeit leitete sie die Frauenarbeit. Sie hatte Freude an ihren neuen Aufgaben. Dann wurde Patrick als Professor für alte Sprachen ans Predigerseminar berufen. Die Dienstwohnung vereinfachte vieles. Charlotte hatte seinem Weg zu folgen, hiess es doch, die Frau sei dem Manne untertan. Sie arbeitete nun in der Buchhandlung des Seminar. Jener Satz galt für mich nur bedingt. Bei Diskussionen über Details in Glaubensfragen hörte ich ruhig zu. Es fiel mir leicht, andere Überzeugungen zu respektieren und sachte andere Sichtweisen zu erwähnen. Ich dachte im Laufe der Jahre immer wieder, das Leben verlange viel von Charlotte. Sie hatte sich auf einen ruhigen gemeinsamen Lebensabend gefreut und nun litt ihr Mann an einer schweren Demenz. Charlotte wollte solange wie möglich den gemeinsamen Weg mit Patrick teilen.

 

2018, 5. August: Charlotte und Patrick gehörten zu meiner Lebensgeschichte. Ich hatte oft deren Lebensweg mit dem meinen verglichen. An jenem Abend hatte ich Charlotte angerufen, um nach deren Einverständnis zu fragen. - Meine Lesenden: „Einen Moment bitte, meine Frage kommt später.“ - Spontan und nachdenklich begann Charlotte sofort ihre letzten Erfahrung zu schildern. Sie sagte ruhig und langsam: „Patrick konnte heute Morgen kein Grusswort auf die Geburtstagskarte für seinen Freund schreiben. Ich schrieb ihm den Text vor. Ich schrieb ihm seinen Namen vor. Schliesslich habe ich selber, wie früher gelegentlich beide Namen unter den Text geschrieben. Ich wollte ihn nicht zwingen.“ Pause. „Ich vermute, dass er nicht mehr schreiben kann.“ Pause. „Ich habe beobachtet, wie er in der Zeitung herumblättert und doch nicht weiss, was darin steht.“ Pause (Einschübchen: Die Schreibende hörte Charlotte nicht stumm zu oder sagte womöglich „Pause“. Nein, mit knappen Worten, mit dem Tonfall versuchte ich ihr Anteilnahme, Verständnis, Mitgefühl, Bewunderung und Unterstützung zu vermitteln. Es war mir wichtig, dass Charlotte sprechen konnte. Es tat mir wohl zu spüren, dass sich meine alte Mitschülerin verstanden fühlte.) - Charlotte weiter: „Wo sind unsere Gespräche geblieben? Wir können nicht mehr miteinander lachen.“ Pause. „Am Tisch, von einem Stuhl kann er noch aufstehen, aber ich muss ihm helfen, sich ins Bett zu legen und wieder aufzustehen.“ Pause. „Beim Duschen und Anziehen bin ich dabei.“ Pause. „Noch kann er allein daheim bleiben, wenn ich in der Nachbarschaft einkaufen gehe. Manchmal will er im letzten Moment mit und gemeinsam haben wir viel länger.“ Pause. „Ich will ihn auswählen lassen, aber er hat keine Vorlieben mehr. Schliesslich fehlt mir die Zeit zum Kochen.“ Pause. „Es wird mir Hilfe angeboten. Ich brauche Hilfe, aber die Hilfe muss mir eine Erleichterung bringen. Sie darf die Situation nicht noch schwieriger machen.“ Pause. „Ich, ich brauche Ruhe. Ich sollte gelegentlich eine Nacht durchschlafen können. Ich wünsche mir einen zügigen Spaziergang.“ Pause. „Es gibt viele Spitex-Angebote. Ich will eine Liste der Dinge machen, die mir wirklich helfen.“ Pause. „Es nützt mir nichts, wenn jemand kommt und Patrick aufnimmt. In der Nacht bin ich allein. Die Spitex-Pflege muss mir die Handgriffe zeigen, die mir meine Aufgabe erleichtern.“ Pause. „Mit einer Bekannten, auch einer Spitex-Schwester, habe ich vergangene Woche Patrick gemeinsam eingebettet und wieder aufgenommen. Er leistete keinen Widerstand. Ich habe viel gelernt. Einmal gemeinsam machen genügt nicht, wir müssen das wiederholen.“ Pause. „Es gibt auch beglückende Momente, beglückende neue Erfahrungen. Ich lerne Menschen auf einer andern Ebene kennen. Es gibt Erlebnisse, die ohne die Krankheit von Patrick nie möglich gewesen wären. Ich will nicht nur jammern.“ Pause. „Manchmal, weiss ich nicht, ob das, was Patrick sagt, stimmt oder nicht.“ Ich fühlte sich an meine Erfahrungen mit meiner Schwiegermutter erinnert und ich konnte Charlotte in deren Unsicherheit bestätigen.

 

Um Rat gefragt, erklärte ich: „Ich liess gelten, was Oma Annelies sagte. Sie behauptete bei jedem Besuch, vor zwei Tagen aus den Ferien zurückgekommen zu sein, obwohl sie seit Jahren nicht mehr in den Ferien gewesen war. Die Frage nach dem Ferienort, alle Fragen betreffend ihre Ferien beantworte sie mit der freudigen Bemerkung „wie immer“. Ich liess es stehen. Oma Annelies wusste ihre Wohnadresse nicht mehr. Sie sprach von einem Wohnungswechsel, den es gar nicht gab.“ - Schliesslich kam ich auf mein Anliegen, die Frage nach der Erlaubnis deren Lebensgeschichte aus meiner Sicht im MML festzuhalten. Charlotte war gerne bereit, den Entwurf zu lesen, Feedback würde sie ohnehin vermissen. Also per E-Mail zu Charlotte. Herzliche Grüße, deine Schulkameradin.

 

2018, 10. August, das nächste Telefongespräch: Charlotte zeigte sich positive überrascht von meinem Text. Die Schilderung von aussen würde ihr andere Sichtweisen ermöglichen. Ich habe an Charlottes beide Enkeltöchter geb. 2009 und 2006 gedacht. Der Vater, Charlottes Sohn habe wohl bald und immer wieder mit den beiden über die Krankheit des Grossvaters gesprochen. Sie sei überrascht, mit wie viel Respekt sie ihrem Grossvater begegnen würden. Verschwunden sei aller Schabernack. Liebevolle Anteilnahme, Fürsorge und Angst erfülle die beiden. Charlotte erzählte: „ Die Jüngere verbringt seit längerem den Freitagnachmittag bei uns und ich begleite sie gegen Abend zu Fuss bis zu ihrem Elternhaus. Wir können dann in vertrautem Rahmen manches Besprechen, das sonst keinen Platz hat. Vor drei Wochen wurde Patrick gegen Abend zunehmend unruhig. Wir machten uns wie gewohnt auf den Weg. Nach ein paar Schritten blieb ich stehen und erklärte der Enkelin, ich sei in Sorge und wolle zurück zu Patrick. Zu meinem Erstaunen verstand mich das Kind und sagte sogar, an deiner Stelle täte ich das auch.“ - Charlotte fragte sich, ob Patrick wohl wie früher mit den Mädchen noch Hausaufgaben machen könnte. Sie bezweifelt es, der Vorsprung sei verloren gegangen. Sie hätte gerne gewusst, wie Patrick sich selber sieht. Er sei stumm geworden. Beim Einschlafen wirke er traurig und trauriger, und sie habe das Gefühl, er würde ihr entgleiten.

 

Da Charlotte es wünschte, schilderte ich ihr zusätzliche Erfahrungen, die ich mit meiner Schwiegermutter gemacht hatte: „Als Oma Annelies schliesslich in einem Heim platziert war, hatte sie ihre Abteilung immer wieder verlassen. Sie war im ganzen Heim herumgeirrte, vom Estrich in den Keller, in die Küche, in die Cafeteria. Dank den zusätzlichen Angaben auf dem Namensschild, konnte sie immer wieder, oft gegen ihren Willen auf die Abteilung zurückgebracht werden. - Die Eingangstüre wurde von einem Portier und seinem Assistenten überwacht. Die Heimbesucher hatten sich anzumelden und die Heimbewohner konnten das Heim nur verlassen, wenn sie sich abgemeldet hatten. Trotzdem konnte Oma Annelies das Heim immer wieder unbemerkt verlassen. - Sie stand dann im Park des Heims herum. - Oder sie ging spazieren, setzte sich auf eine Bank und fütterte Vögel. - Oder sie marschierte mit der Tasche unter dem Arm in die Stadt und kaufte ein. - Und dann fand Oma Annelies den Rückweg nicht mehr. Andere Heimbewohner oder Personal oder Bekannte halfen ihr zurück. Dank dem Adressschild konnte sie auch von der Polizei leicht zurückgebracht werden. - Was tun? Wurde Oma Annelies nicht mit hohen Dosen von starken Medikamenten ruhig gestellt, so tobte sie auf der geschlossenen Abteilung und verletzte sich. - „Was tun?“ die Frage hatte ich damals zu beantworten. Im Dabei-sein von Zeugen erklärte sie schriftlich: „Ich wünsche nicht, dass Oma Annelies in die geschlossene Abteilung verlegte wird. Ich übernehme die volle Verantwortung, wenn Oma Annelies die Abteilung ohne Begleitung verlässt. Die Heimleitung und das Pflegepersonal sind diesbezüglich von jeglicher Verantwortung entbunden.“ Ein Schutzengel begleitete Oma Annelies. Er führte sie durch Strassen, über Plätze und durch dichten Verkehr. Es stiess ihr nichts zu. Die Polizei brachte sie zurück. Schliesslich konnte Oma Annelies nur noch mit dem Rollator gehen. Sie blieb im Haus und später blieb sie freiwillig auf der Abteilung. Dort fiel sie um, brach den rechten Arm und blutete am Kopf. Sie musste ins Krankenhaus gebracht werden. Charlotte und ich waren müde geworden. Wir wünschten uns gegenseitig eine ruhige Nacht. Ich betete für Charlotte und Patrick.

 

Der Text gefiel Charlotte. Leider fehlte ihr die Zeit, ihn genau zu lesen. Sie hätte sich stilistische Verbesserungen vorstellen können.

2018 - Darshini, geboren 1986
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - Darshini, geboren 1986
Darshini, geboren 1986

Darshini lebte seit 2016 in der Schweiz. Als verheiratete Hindu trug sie zwischen den Augenbrauen und senkrecht darüber, im Haaransatz je einen roten Pottu, Punkt. Unverheiratete Frauen und Mädchen tragen nur einen schwarzen Punkt zwischen den Augenbrauen. Das ist Tradition in ihrer Kultur. 2018 setzte sie weiterhin alles daran, Deutsch zu lernen. Sie besuchte einen Intensiv-Kurs nach dem andern. Am Anfang trugen die Gegenstände in ihrer Wohnung die deutschen Bezeichnungen. Da standen Wörter wie Kasten, Geschirr, Teller, Tassen, Gläser, Schublade, Besteck, Messer, Gabel, Löffel. Seit dem 2. Mai 2017 ist sie Mutter einer kleinen Tochter. Sie studierte und übte die Grammatik der Deutschen Sprache weiter. Sie sagte leise: „In den Hauptsätzen steht das konjugierte Verb immer an zweiter Stelle, in den Nebensätzen am Satzende. Aktiv: Ich wickle das Kind. Passiv: Das Kind wird von mir gewickelt.“ Wir hatten viel zusammen erlebt und erledigt und durchlitten. Vor vier Tagen konnten wir erstmals richtig miteinander sprechen. Mit Hilfe von Bildern auf dem Smartphone hatte sie mir von ihrer Hochzeit erzählt. Sie hatte ihr Hochzeitkleid geholt und mir gezeigt, wie sie sich damit einwickelt. Ich hatte gestaunt. Sie war eine Hindu mit einem roten Punkt auf der Stirn. Nebenbei hatte sie erwähnte, im August hätten sie mit ihrer Tochter das Fest „der ersten Zähne“ gefeiert. Was war das? Ich war zu müde um nachzufragen. Ich wollte heim.

Im August auf einem Spaziergang hatte Malkoms Mutter dessen erste Zähne erwähnt. Wir sassen auf einer Decke im Schatten eines alten Baumes am See und genossen die Weite. Es war heiss und trocken. Der Wasserstand des Sees war tiefer als andere Jahre. Der Kleine strampelte vergnügt. Freudig erklärt mir seine Mutter: “Ich kann es nicht lassen, ich fahre immer wieder mit den Fingern über seine obere Pilger. Ich will die kleinen Spitzchen spüren. Die ersten Zähne, das ist schon etwas besonderes.“ - Unser kleiner Sohn hatte damals, im Sommer 1981 während Tagen sein Speichellätzchen nass gemacht. Nach ein paar unruhigen Tagen und Nächten mit wenig Schlaf hatten seine ersten Zähnchen die untere Pilger durchbrochen. Ich war erleichtert und müde und ein wenig in Sorge. Die späteren Zähnchen kam wenig bemerkt nebenher. - Ich durfte Malkoms Zähnchen ertasten. An der oberen Pilger, ich spürte die kleinen Spitzchen deutlich. Ich staunte. Der Kleine zappelte wild. Er drehte sich auf den Bauch und stemmte den Oberkörper hoch. Er sank zusammen, drehte und drehte sich. Die kleine Arme waren noch zu schwach, um sich richtig hochstellen zu können. Die beiden kleinen Händen griffen flink nach der hingehaltenen Flasche. Hastig trank er etwas Wasser. Zurück im Wagen fasste er das angebotene Kinderbisquit gierig. Er zerlutschte es. Den aufgeweichten Teil verschluckte er, der Rest verteilte sich auf seinem blauen T-Shirt. Im Zug dachte ich: Malkom hat jetzt zwei kleine Zähne.

Ein Woche später besuchte ich Darshini wieder. Kein mühsames Deutsch lernen war angesagt. Ich wollte mehr vom „Fest der ersten Zähne“ erfahren. Welche Feste gehörten zum Leben einer Hindu-Frau? Darshini erklärte mir das gerne. Sie betonte, zu all ihren Festen würden sie die traditionellen Hindu-Kleider tragen: Die Frau den Saree, der Mann Saree, Vetti und Shirt, die kleinen Mädchen full Skirt und Blouse und die kleinen Knaben wie ihre Väter Vetti und Shirt. Es würden Kolukattai (gesteamte, süsse Knödel) und süsser Tee mit Milch serviert. Darshinis Deutsch war so fortgeschritten, dass sie mir ihre traditionelle Süssspeise in meiner Sprache erklären konnte. Hier, weit weg von zuhause wären die Feste klein. Die Familie fehle. Die Nachbarn würden zu andern Volksgruppen gehören. Alle, die vom Fest wüssten, könnten kommen. Einladungen? Sie schüttelt den Kopf, nein, das kannte sie nicht. Sie betonte nochmals, alle, die vom frohen Ereignis wüssten, kämen. - Als ich mich verabschiedete, hatte ich eine Liste mit den wichtigsten Feste aus dem Leben einer Hindu-Frau. Beeindruckend und spannend und teilweise ähnlich unseren traditionellen christlichen Ritualen. - Ich tippte die Liste später ab und nummerierte die Fest der Frau aus dem fremden Kulturkreis. (1) Zunächst wird 31 Tage nach der Geburt des Mädchens im Dabeisein eines Priesters daheim das „Fest des 31. Tages“ gefeiert. Dabei wird der kleine Mädchenkopf das erste Mal glatt rasiert, und das Kind bekommt kleine Ohrringe. Nach diesem Fest schläft das Mädchen das erste Mal in seinem eigenen Bettchen, getrennt von der Mutter. Beim Tippen dachte ich an die Taufe unserer Kinder. - (2) Spürte man beim Kind die ersten Zähnchen, meist mit etwa einem Jahr, feiert die Familie das „Fest der ersten Zähne“. Das Mädchen sitzt dazu mit den Eltern auf einem kleinen Teppich in der Mitte der Stube. Mit einem winzigen Schirmchen (Spannweite ca. 25 cm) würden über dem Kopf des Kindes kleine Gegenstände ausgeschüttet, Sachen, die es in naher Zukunft brauchen wird: Bleistifte, Geld, Blumen, Zitronen, Schulmaterial, Schokolade, Radiergummi, goldene Ohrringe, Taschenrechner, Büchlein, Glückwunschkarten, Kleider und ähnliches mehr. Die Gäste sitzen in einem Kreis und beobachten mit den Eltern zusammen, was das Kind auswählt. Harsha entschied sich für den Radiergummi. Was bedeutet das? Die Frage blieb offen. Später dürfen auch die andern Kinder bis zum Alter von 5 oder 6 Jahren etwas auswählen. - (3) Das Fest der ersten Periode wird im Tempel durch einen Priester vollzogen. Nachher hat die junge Frau zutritt zum Tempel. Wir verglichen dieses Fest mit der Konfirmation in der reformierten Kirche. - (4) Dann folgt die Hochzeit, verbunden mit vielen Ritualen im Tempel. Später organisieren die Mütter die Feste ihrer Kinder. Sie sind wichtig, aber sie sind nicht der Mittelpunkt. - (5) Ist der Mann 60 Jahre alt, wird schliesslich die Heirat ohne Priester erneuert. Es werden wieder Blumenkränze und Fingerringe ausgetauscht.

Wieder eine Woche später lasen wir gemeinsam den obigen Text. Dabei betonte Darshini immer wieder lachend, zu jedem dieser traditionellen Festen würden alle den Saree tragen. Sie lachte, die ganze Familie käme. Alle würden helfen. Alle brächten Geschenke. Sie lachte lauter, hier in der Schweiz würde die Familie fehlen. Die Feste seinen klein geworden. Sie lachte, eine Woche nachdem sie in der Schweiz eingereist sei, hätten sie im Tempel in Zürich Hochzeit erneut gefeiert. Warum lachte sie bloss immer? Sie habe noch niemanden gekannt. Ca. 15 Bekannte ihres Mannes seien anwesend gewesen. Ein ca. 12 Jahre altes Kind habe mit dem Smartphone die Zeremonie nach Skilanka übertragen. Das Leben sei leer geworden. Sie lachte nicht mehr, alle seien sehr traurig gewesen. Sie sei auch traurig gewesen. Nun sass sie wieder wie gewohnt ruhig und nachdenkend neben mir. - Sie wechselte das Thema, am kommenden Mittwoch hätte sie einen kleinen Test über die Modalverben: „Ich will, ich möchte, ich sollte, ich muss, ich kann, ich darf. Das ist sehr schwierig.“ Wir suchten nach Beispielen und sprachen darüber. Die Mutter kann … , sie möchte … , das Kind sollte … , es will nicht … , es muss … . Wir machten eine kleine Geschichte und einigten uns als Lösung auf den Satz: „Es kommt auf die Umstände an“. Später formten wir einfache Aussage-Sätze in Fragen und Befehle um.

 

Dann erzählte sie wieder. In Sri Lanka würden ca. 60% der Ehen von den Eltern arrangiert. Man könne darauf vertrauen, dass die Eltern das Glück für ihre Kinder suchen würden. Anhand der Sternzeichen und weiterer Informationen würde der Priester die Wahl der Familie überprüfen. Wenn die beiden zusammen passen, werde die Hochzeit vorbereitet, wenn nicht, sähen sich die Eltern nach andern Partnern um. Darshini hatte in Sri Lanka eine Mädchen- und Gatschen, ihr Ehemann eine Knabenschule besucht. 2001 hätten sie sich auf dem Schulweg kennengelernt. Viele, viele Probleme hätte es deshalb in beiden Familien gegeben. 2010 sei Gatschen auf dem Landweg in die Schweiz geflohen und 2013 wären die Familien mit einer Heirat einverstanden gewesen. 2014 hätten sie sich nach Jahren des Bangens bei einer Verwandten in Indien wieder getroffen und geheiratet. Am Morgen zuerst die Ziviltrauung mit je zwei Zeugen, und anschliessend hätten sie in gewohnter Art die Blumenkränze und die Ringe ausgetauscht. Am Nachmittag während einer kirchlichen Zeremonie hätten sie die Kränze nochmals getauscht. Später hätten sie gemeinsam die Hochzeitstorte zerschnitten und unter den Gästen verteilt. 2016, eine Woche nach ihrer Einreise in die Schweiz hätte Gatschen eine zweite Hochzeitszeremonie im Tempel in Zürich vorbereitet. Diese wurde auf einem Teppich sitzend in Anwesenheit des Priesters in einem festlich geschmückten Saal vor dem traditionell dekorierten Altar durchgeführt. Meine Lesenden, im Internet können Sie viele Bilder dazu finden. Ich staunte über die Fülle von Symbolen und Details auf Darschinis Photos, den Bilder aus dem nahen Zürich und doch aus einer mir fremden, fernen Welt. Darshini war nachdenklich geworden. Sie erhielt bei dieser Zeremonie von ihrem Mann das Hochzeitskleid, das sie nun immer an Familienfesten trage. Dazu gehörten Puder, Parfum, Kumkamam für den roten Punkt, und Kämme. Festlich im neuen Hochzeits-Sharee tauschen sie anschliessend der Tradition folgend die goldenen Halsketten, die Ringe an den Zehen (an beiden Füssen je der zweiten nach der grosse Zehe) und Blumenkränze. - Seit der Geburt ihrer Tochter vermisse sie die Familie noch vielmehr als zu Beginn ihres Lebens hier in der Fremde. Wenn das Kind nachts weine, weine sie oft auch und frage sich, warum sie in die Schweiz gekommen sei, was sie hier mache, allein ohne Familie. Sie sei der Stimme ihres Herzens gefolgt. Die Fragen seien doch da. Ich konnte Darshini verstehen, denn ich hatte von fünfzig Jahren versucht, in mein Traumland USA auszuwandern. Je länger ich anfangs der 1970er Jahre in den USA weilte, desto häufiger tauchten Fragen auf: „Was mache ich hier? Kann ich es daheim nicht leicht besser haben? Was will ich ohne Familie? Habe ich die Kraft, eine Fremde zu sein?“ Ich war schliesslich auch der Stimme des Herzens gefolgt. Ich konnte problemlos wieder in die Heimat zurück.

 

2018 - Ein paar zusätzliche Informationen aus dem Internet: In der Schweiz leben gut 50'000 Hindus. Die meisten von ihnen stammen aus Sri Lanka und kamen als Flüchtlinge ins Land. Neben den Tamilen gibt es etwa 8'000 indische Hindus und schätzungsweise 7'000 westliche Konvertiten. Ihre jeweilige Glaubenspraxis ist äusserst unterschiedlich. Zur Zeit gibt es 18 hinduistische Tempel. Mit Ausnahme des Tempels in Trimbach sind sie von aussen nicht zu erkennen.

 

Darshini hatte eine langwierige, schliesslich aber gut verlaufene Unterleib-Operation hinter sich. Nun bereitete sie sich mit viel Einsatz auf die Deutschprüfung Niveau A2 Ende November 2018 vor. Für mich ging ein trockener Sommer zu Ende. Ich hatte trotz vielen Schwierigkeiten mit dem MML-Programm immer weitergetippt. Ich beschrieb in Teil 2 einerseits meine Lebensjahre zwischen 12 und 21 und andererseits zusätzlich das laufende Jahr 2018. Mein Ziel war, vor dem 23. November 2018 Teil 2 meiner Lebensgeschichte abzuschliessen. Das war die Voraussetzung um am 4. Februar 2019 am Wettbewerb um den zweiten Autobiographie Award teilzunehmen zu können.

2018 - 50 Jahre Tibet-Institut Rikon
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2.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt

2018 - 50 Jahre Tibet-Institut Rikon
2018, Samstag 22.09. Jubiläumsfeier "50 Jahre Tibet-Institut Rikon". Es folgen nun
Auszüge aus der Broschüre, die anlässlich dieser Freier verteilt wurde: "Im März 1963 fasste der Bundesrat den Beschluss, 1000 tibetische Flüchtlinge aus Indien in die Schweiz zu holen und ihnen dauerhaftes Asyl zu gewähren. Viele dieser Flüchtliche fanden wenig später im Tösstal Arbeit und Unterkunft. Eine Gruppe arbeitete in der Pfannen-Fabrik Kuhn in Rikon. Sie wohnten gemeinsam in einem Wohnblock der Firma. Die Unternehmerfamilie wollten den Flüchtlingen zusätzlich ein religiöses und kulturelles Zentrum geben. Mathilde und Henri Kuhn suchten Rat bei Seiner Heiligkeit dem 14. Dalai Lama in Indien. 1967 gründeten sie die Stiftung  "Tibet-Institut Rikon" und schon im drauf folgenden Jahr wurde das "Kloster" feierlich eingeweiht. Ein Relikt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbot damals die Gründung neuer Klöster.
 
Mit dem Rat, in Rikon ein tibetisches Kloster zu gründen, war die Zusage des Dalai Lama verbunden, die geistliche Schirmherrschaft zu übernehmen und die Äbte zu wählen. Wenn Mönche abgelöst werden müssen, erfolgt die Suche nach geeigneten Kandidaten in Zusammenarbeit mit der tibetischen Exilregierung. Dabei gilt - auf Wunsch Seiner Heiligkeit -  die Regel, dass alle vier Hauptrichtungen des tibetischen Buddhismus in Rikon durch mindesten einen Mönch vertreten sein soll. Rikon ist heute ein tibetisch-"ökumenisches" Kloster mit einer 8-köpfigen Mönchsgemeinschaft. Ihre Hauptaufgabe liegt darin, den tibetischen Menschen in der Schweiz in religiösen und geistigen Belangen zur Seite zu stehen. Bei Toderfällen führt sie innerhalb und ausserhalb des Klosters Gebets-Zeremoniern durch. Gleichzeitig werden auch das tibetische Neujahr und andere Feiertage in Kloster gefeiert. Zusätzlich gibt es viele Bildungsangebote für tibetische und nicht-tibetische Menschen, Workshops für Kinder, Jugendliche und Schweizer Schulklassen. Hinter dem Projekt "Science meets Dharma" steckt der Gedanke Seiner Heiligkeit, dass der tibetische Buddhismus auch für andere Denkweisen offen stehen muss, wenn er sich lebendig weiterentwickeln soll, dass aber umgekehrt auch der Westen eine erkennbare Bereicherung erfährt, wenn er sich mit buddistischen Auffassungen auseinandersetzt. - Das Tibet-Institution ist eine gemeinnützige Stiftung, die der Stiftungsaufsicht des Bundes untersteht. Es ist auf Spenden angewiesen, um seinen üblichen Unterhalt und den Betrieb zu sichern. Es erhält keine öffentlichen Gelder." Ende der Zusammenfassung der Broschüre.
 
Die Schwester unserer Adoptivtochter ist mit dem Leiter des Tibet-Institut verheiratet und die beiden hatten mich eingeladen. Durch einen Seiteneingang, durch die Sicherheitskontrolle betraten wir die riesige Mehrzeckhalle. Dann sass ich zwischen Tibetern und Schweizern tibetischer Abstammung. Als Zeichen der Solidarität trug ich meine tibetische Tracht. Eine andere Schwester unserer Adopivtochter hatte mir diese geschenkt, als ich sie vor zwanzig Jahren im Exil in Indien besucht hatte. Ich sass und wartete. Die Jubiläumsfeierlichkeiten begannen in 1 1/2 Stunden. 1959  hatten wir von der Flucht des Dalai Lama und des Tibetischen Volkes gehört. Es soll einen eindrücklichen Film darüber gegeben haben. Nachdem eine Gruppe von ihnen im Tösstal eine neue Heimat gefunden hatte, war ich ihnen mehrmals im Bahnhof begegent. Die Frauen trugen ihre thypische Kleidung. Später hatten wir mit unserer Kirchgemeinde das Tibet Institut besucht. Im Sommer 1982 liessen uns glückliche Fügungen unsere tibetische Adoptivtochter im Flughafen Zürich-Kloten abholen. 

Das nachfolgende Textstück wurde nicht gespeichtert und ich schaffte es nicht, es nochmals zu tippen.
Im Zug nach Zürich und im Zug zurück
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

Im Zug nach Zürich und im Zug zurück

Nun begann die Fahrten in die grosse Stadt am See. Die Bezeichnung, die grosse Stadt am See, empfand ich als romantisch. Mein Oberseminar lag in der Stadt am See. Diese Formulierung brachte mir Wohlbehagen. Richtigerweise war zu sagen: Das Oberseminar ist in Zürich. Für mich aber war und blieb Zürich die Stadt am See. - Ich hatte den Termin für die Anmeldung ans Oberseminar verpasst, weil ich mich für die Ausbildung zur Lehrerin als ungeeignet, wenn nicht gar unfähig hielt. Was könnte ich anderes machen? Das wusste ich nicht. Ich flüchtete mich in Phantasiereisen, bis der Deutschlehrer mich ansprach. Er machte mir Mut: „All Ihr Wissen vom Bauernhof wird Ihnen helfen. Das ist wichtiger als ein bisschen Singen und ein wenig Turnen.“ Er hatte dem Leiter des Oberseminars angerufen, und ich wurde schriftlich aufgefordert, mich persönlich vorzustellen. Das war der Beginn, das war die erste meiner Fahrten in die Stadt am grossen See. Das Oberseminar war in einer Barackensiedlung im Park des Universitätsspital untergebracht. Nicht leicht zu finden, da ich mir ein staatliches Gebäude vorgestellt hatte. Enge niedrige Gänge. Der grossgewachsene Seminarleiter empfing mich freundlich. Er verstand mein Befremden, seine Sekretärin sei krank. Deshalb nehme er meine Personalien persönlich auf. Ich konnte Maschine-Schreiben und traute mir zu, das Formular selber auszufüllen: „Lassen Sie sich Zeit. Ich habe noch viel einzuräumen.“ Seine Hand zeigte auf die herumstehenden Schachteln. Er zerstreute meine Bedenken. Er gab dem Klassenlehrer recht. Zudem hätten die Oberseminaristen die Möglichkeit, als Hörer an 8 Vorlesungen der Uni oder der ETH teilzunehmen. Bevor er mich entliess, erklärte er mir: „Gegenüber ist die Uni, dann zwei Museen, daneben die ETH. In der Uni, im Hörsaal 101 begrüsse ich alle neuen Oberseminaristen um 10 Uhr. Sie bekommen eine schriftliche Einladung. Gehen sie hinüber und trinken sie im Lichthof einen Kaffee. Im Herbst sehen wir uns wieder.“ Ich kannte meine neue Stadt schon ein wenig. Ich spazierte hinunter zum Schauspielhaus und weiter ans Bellevue, wo die Limmat den See verlässt. Ich wusste, dort war die Riviera, der Ort, wo viel gehandelt wurde. Was hiess das? Kein Platz für mich! Weiter über die Brücke, zum See, wo ich mein Eingeklemmtes mit den Schwänen teilte, zur Bahnhofstrasse. Ich bewunderte die Schaufenster nicht. Ich wollte in den Zug und zurück in mein kleines Dorf. Werde ich das schaffen?

Ich atmete tief durch. Der Zug fuhr ab. Was war das für ein Tag gewesen! Was für drei ungewöhnliche Erlebnisse! Ich war mit dem Tram Nr. 6 bis zur Haltestelle Platte gefahren. Dort stand die Tafel „Oberseminar des Kantons Zürich„ mit einem Pfeil Richtung links. Ich hatte das klar gesehen. Ich war dem Pfeil gefolgt. Doch da passierte mir ein Fehler. Ich ging nicht in die Baubaracken hinein. „In der Nähe stehen zwei Kräne, klar eine Baustelle,“ dachte ich und folgte dem Weg gerade aus, linkes ein Parkplatz, rechts die Baracken, überall prächtige, alte Riesen, die junge Bäumchen beschützten. Ich kam zur Tafel „Universitätsspital, Anmeldung“. Die beiden Männer am Empfang waren freundlich, doch verwundert. Sie hatten mich richtig verstanden, ich wollte mich nicht im Spital sondern im Oberseminar anmelden, doch ich fand es nicht. Sie unterhielten sich und fragten weiteres Personal. Niemand hatte eine Ahnung. Sie schauten schliesslich im Telefonbuch nach. Sie verstanden den Eintrag nicht. Um das Rätsel zu lösen, riefen sie an. Das Telefon hatte lange geläutet. Umsonst. Sie versuchten es ein zweites Mal. "Unser" Telefonist, ein Mann in weiss, wie in Spitälern üblich, war sehr freundlich, er wiederholte, was die Gegenseite sagte: „Ich verstehe, die Sekretärin ist krank. Wir suchen das Oberseminar? Sie sind mit dem Universitätsspital verbunden. Bei uns, bei der Anmeldung steht eine junge Frau, die behauptet das Oberseminar sei in der Nähe.“ Der Zweite flüsterte: „Frag doch, wie wir es finden können.“ Der erste laut in die Sprechmuschel: „Sie sagt, sie hätte die Baubaracken gesehen. Verstehe ich richtig, die Baubaracken sind das Oberseminar? Ja, ja. Wir werden sie begleiten. Danke. Bei Schwierigkeiten rufen wir sie wieder an.“ Mein Telefonist begleitete mich im weissen Kittel. Der Kollege lachte: „Pass auf, die schicken dich zurück.“ Wir betraten gemeinsam die vermeintlichen Baubaracken, und mein Begleiter in weiss wollte zwei Männer ansprechen. Er kam nicht zu Wort. „Nein, nein, der Spital ist daneben, sie sind hier im Oberseminar,“ er lachte und lachte nochmals: „Das suchen wir.“ Er liess mich stehen. Ich zeigte meine Einladung und sie brachten mich zum Seminarleiter. Gut, dass sie mich begleiteten hatten, denn wir mussten feststellen, dass das Büro des Seminarleiters noch nicht angeschrieben war. Der grossgewachsene Seminarleiter empfing mich freundlich. … Meine Lesenden, der Zug hielt bei jeder Station. Ich hatte versehentlich einen Bummler bestiegen. Gut, denn das gab mir Zeit über mein Seminar in den Baubaracken nachzusinnen. Ich erinnerte mich, wie es Mitte der Kanti hiess, unsere Baracken würden abgebrochen und in Zürich für das Oberseminar wieder aufgebaut. In den Baracken hatte ich die Aufnahmeprüfung in die Kantonsschule gemacht, vielleicht werde ich in den selben Baracken die Abschlussprüfung als Lehrerin machen.

Der Zug hielt wieder. Drei junge Männer stiegen ein. Der Seminarleiter hatte mich hinüber in die Uni geschickt. Ich war hinüber gegangen. Ich hatte geschaut. Da war die Uni. Das war die Uni. Ich schaute. Dann versuchte ich die Türe zu öffnen. Natürlich hätte ich die Türe öffnen können, aber schon half mir jemand und fragte: „Was suchst du?“ Ich schämte mich, denn da war mir der zweite Fehler passiert . Ich flüsterte: „Die Uni.“ Wir waren gemeinsam in die Uni eingetreten: „Da links in den Schaukästen findest du viele Informationen.“ Zum Glück liess er mich stehen. Ich war am Morgen jenes Tages das erste Mal in der Uni. Ich wollte wissen, wie der Hörsaal 101 zu finden war. Eine junge Frau führte mich hin. Das war mir wichtig, denn ich hoffte, es am ersten Tag den Kameraden zeigen zu können. Fantastisch. Es läutete gerade. Die Studenten strömten heraus und verteilten sich in verschiedenen Richtungen. Die Studentin stand noch neben mir: „Komm, wir gehen zusammen hinein. Ich suche ein Buch. Vielleicht habe ich es hier liegen gelassen.“ Sie fand es und verschwand. Ich setzte im mich Hörsaal 101 der Universität auf eine Bank. So einfach war das. Ich verliess den Saal und blieb auf den Stockwerk. Ich ging nach links und drehte eine Runde. Zur linken Hand geschlossene Türen, alle beschriftet. Zur Rechten ein grosser Innenhof, oben eine Glaskuppel und drei Stockwerke tiefer ein Restaurant. Das musste der vom Seminarleiter erwähnte Lichthof sein. Er hatte mich aufgefordert, dort einen Kaffee zu trinken. Ich schüttelte den Kopf und schaute mir selber amüsiert zu: Du braves Landmädchen, du hast ihm zu gehorchen. Ich war langsam die breiten Treppen hinuntergestiegen, weiter und weiter. Nein, ich wollte die Universität nicht verlassen. Stopp! Rechts um kehrt, da war der Lichthof. Ich trank den besten Kaffee. Da gab es viele junge Männer! Ich sass lange dort und atmete langsam und ruhte mich aus.

Mein Zug fuhr bald schnell und bald langsam und hielt immer wieder an. Wahrscheinlich hatte ich ein wenig geschlafen. Ein Ruck, er bremste heftig. Ich erschrak. Ich dachte ans Bellevue, an die Stelle, wo die Limmat den See verlässt. Dort hatte ich einmal mit Ide ein Tretbötchen gemietet. Wir waren unter der Brücke durch, weit in den See hinausgefahren. Ich hatte Angst und Ide lachte mich aus. Sie schimpfte, weil ich immer noch nicht schwimmen konnte. Neu hiess der Ort „Riviera“. Dort wurde gehandelt. Ich war neugierig. Mama hatte mir zum 18. Geburtstag ein Buch geschenkt. Es erzählte von New York von jungen Leuten, die rauchten. Sie rauchten verbotene Stoffe. Sie handelten mit Stoff. Ich hatte am Nachmittag lange an der Riviera herumgestanden und den Leuten zu geschaut. Ich wurde gefragt, ob ich Geld hätte. Sicher hatte ich, daraufhin wurde mir mehrmals weisses Pulver, sog. guter Stoff angeboten. Es gebe da nichts zu verstehen, ich solle doch einen Versuch wagen, wurde mir erklärt. Ich wollte eigentlich gar nichts verstehen. Die Leute gefielen mir nicht. Ich ging zum See und teilte mein Eingeklemmtes mit den Schwänen. Die Leute von der Riviera folgten mir und setzten sich zu mir auf die Bank. Sie wollten auch von meinem Brot. Sie wollten mit mir tauschen. Ich schüttelte den Kopf und warf den Rest den Schwänen zu. Die Bahnhofstrasse war mein Ziel. Ich war müde und ging zügig an den schönen, berühmten Geschäften vorbei zum Bahnhof. Ich setzte mich in den erstbesten Zug. Es war dieser Bummler. Er gab mir Zeit über meine Erlebnisse nachzudenken. Schade, dass ich sie niemandem erzählen konnte. Ich dachte: Wenn du alt bist, hast du Zeit, um alles aufzuschreiben.

 

 

Die Zimmersuche, die zweite Reise?
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

Die Zimmersuche, die zweite Reise?
Die Zimmersuche. Wir hatten nie darüber gesprochen, doch der Mutter war klar, dass ich nicht täglich mit dem Zug hin- und herreisen konnte. Der Vater meinte, das wäre mir zuzumuten. Dann würde man wenigstens wissen, was ich treibe. Der Mutter war dieses Misstrauen unangenehm. Die Tante und der Onkel teilten Mamas Meinung. Doch wie fand man in Zürich ein Zimmer? Wir hatten allerhand entfernte Verwandte in Zürich. Zwischen Frühsommer und Herbst sollte sich etwas finden lassen. Ich hatte Vertrauen in meine Familie. An einem regnerischen Morgen im Hochsommer rief die Mutter eine der Tanten an. Welch ein Glück, sie war zuhause und wir konnten sie am Nachmittag besuchen. Sie traf sich nach dem Mittagessen mit ihren beiden Schwestern zum Schwarzen Kaffee. Wir wurden eingeladen, mit ihnen Kaffee zu trinken. Wir sollten nichts bringen. Es war nicht unsere Art Süssigkeiten zu kaufen. Wir schnitten ihnen einen grossen Strauss. Der freute sie sehr. Die drei reichen, alleinstehenden Damen bewohnten ein schmales, dreistöckiges Reihenhaus in einem alten Quartier, vorne Strasse, hinten Strasse. Die sollten uns helfen, ein Zimmer zu finden. Sie freuten sich. Jede hatte ein Zimmer an eine langjährige, ruhige Mieterin vergeben. Sie wollten persönlich keine Änderung, doch sie waren bereit, sich umzusehen und uns zu informieren.  

Sie vermittelten mir ein schönes Zimmer an der Pilatusstrasse in der Nähe des Oberseminars. Ich rief an. Ide brauchte auch ein Zimmer. Also fuhren wir gemeinsam hin. Ein grosses Ostzimmer in einem Mehrfamilienhaus mitten in einem Garten, Bad- und Küchenbenützung inbegriffen, musizieren erlaubt. Ich fragte nach. Natürlich durfte die neue Mieterin Geige spielen. Das war wichtig für Ide. Sie wurde die Untermieterin eines gepflegten alten Herrn. Er war seit zehn Jahren verwitwetet und seit fünf Jahren im Ruhestand. Früher war er Bankangestellter gewesen. Von Seiten seiner Frau selig, einer Französich hatte er ein Studio in Canne. Dort verbrachte er im Frühjahr und im Herbst einige Wochen. Er vermietete das Zimmer, um die Wohnung nicht leer stehen zu lassen. Er hatte mit den Vorgängerinnen, Studentinnen gute Erfahrungen gemacht. Am Mittwoch durfte Ide in der Küche nur Kaffee zubereiten, denn am Dienstag kaufte er ein und am Mittwoch kochte er für seine Freundin ein gutes Mittagessen. Die drei Tanten waren über mich verärgert, denn sie hatten sich meinetwegen
angestrengt und nicht für irgend so ein fremdes Wesen. "Wesen" hatten sie gesagt! Das passte zu ihnen!

Eine andere Verwandte vermittelte mir ein Logie auf zusehen hin, d.h. bis ich etwas passendes gefunden hätte. Selber nahm ich dieses zweite Angebot gerne an. Das herzige vier Monate alten Bübchen, Felix und seine 35jährigen Mutter, Barbara nahmen mich auf. Ihre Situation war schwierig, denn der Kindsvater bestritt seine Vaterschaft. Barbaras Mutter war vor einem Jahr an Krebs gestorben. Um den Tod seiner Frau und den Ärger mit Barbara zu vergessen, war ihr Vater kürzlich für ein Jahr zu seinem Sohn nach Mexiko gezogen. Barbara hatte in einer Kinderkrippe gearbeitet und dort intern gewohnt. Mit dem Kind hütete sie nun die elterliche Wohnung für ihren Vater, auch eine Lösung auf zusehen hin. Natürlich hatte sie Erspartes, aber sie war dankbar für einen Zustupf. Barbara war mir spontan sympatisch. Wir teilten eine kleine 4-Zimmer-Wohnung in einer Genossenschaftssiedlung: Das Zimmer des verwitweten Vaters war abgeschlossen, ein schmales Esszimmer mit einem Blumenfenster, Barbaras Zimmer und die Stube. Barbara richte mir die Stube her. Das Sofa war etwas schmal, aber ich schlief gut. Die Küche benutzten wir gemeinsam. Sie hatte in den vollen Kästen und sogar im Kühlschrank ein wenig Platz für mich geschafft. Darauf war sie besonders stolz. Sie betonte, jetzt da der Vater fort sei, dürfe ich auch Fleisch in den Kühlschrank legen. Sie merkte, dass ich erstaunt war und erklärte, ihr Vater habe bis zur Erkrankung seiner Frau ehrenamtlich für einen Verein von Fegetarier gearbeitet. Schon ihre Grosseltern hätten kaum Fleisch gegessen. Sie schaffe es nicht umzustellen, aber sie werde ihrem kleinen Sohn bald Fleisch zu geben. Das sei gut für dessen Entwicklung. Nach vier Monaten fand ich an der Nordstrasse eine Mansarde. Barbara wurde als Leiterin einer neu eröffneten Krippe in einem Aussenquartier angestellt. Sie wohnte wieder intern. Ein grosszügiges Studio mit privater Nasszelle, mit abgetrennter Kochnische und Essecke, stand ihr zur Verfügung. Wie gemacht für Mutter und Kind!

Durch die Gespräche mit Barbara erhielt ich Einblick in das städtische Familienleben. Von berufswegen konnte sie mir viel von Schlüsselkindern, von Kinderkrippen und Kinderhorten erzählen. Wir sprachen auch über die Primarschulen in der Stadt. Ich verstand langsam und spürte, dass es für diese Kinder wichtig war, in den Ferien mit der freien Natur in Berührung zu kommen. Doch wie war das möglich?






Die dritte und vierte Reise nach Zürich
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

Die dritte und vierte Reise nach Zürich
Die Begrüssung war am Montagmorgen um 10 Uhr im Hörsaal 101 der Universität. Die Familie hatte Papa davon überzeugt, dass die angehenden Lehrer ohne ihr Gepäck zur Eröffnung kämen. "Wozu hat dir dann Mama eine sehr grosse und eine etwas kleiner Reisetasche gekauft? Unser Koffer hätte bei weitem genügt, wenn das Gebäck niemand sieht," ich spürte, Papa wollte mich möglichst lange daheim behalten. Er war schliesslich breit, Ide und mich mit unserem Gepäck nach Zürich zu führen. Freudig rief ich Ide an. "Ist nicht nötig," war ihre knappe Antwort, "mein Bruder bringt mich. Ade." Schon war aufgehängt worden. Sie hatte mir keine Zeit gegeben, um mich zu verabschieden. Von einer Verabrechung in Zürich war keine Rede. "Ade" hatte sie gesagt, Ade und fertig war es. - Spontan fiel mir ein: Wir hatten in der Primarschule gelernt, Ade sei eine Abkürzung von "Adieu" und bedeute in etwa "Leb wohl" oder "Gott befohlen". Es werde ungangssprachlich oft leicht hingeworfen. - Das Leichte hatte Ides Gruss gefehlt. Was hiess das?

Die dritte Reise: Die Eltern und ich brachten meine Sachen zu Barbara. Sie freute sich. Meine Gedanken waren bei Ide. Ich war traurig. Warum? Willig fuhr ich mit den Eltern wieder heim. Eigentlich wollte ich bei Barbara bleiben. Doch nach dem Ade von Ide schaffte ich das nicht. Es war Barbara jedoch wichtig, mir den Weg zur nächsten Tramhaltestelle zu zeigen. Das Bübchen schlief. Mama und Barbara gingen plaudend voraus, Papa und ich schweigend hinterher. Wir kamen zur Tramhaltestelle. Dort streckte mir Barabara eine angebrochene Kurzstreckenkarte hin: "Damit fährst du mit Tram 9 von der ETH bis hierher." Auf dem Rückweg ging sie neben mir und erklärte: "Von der Traminsel über die Fahrbahn zum Denner, die Strasse rechts überqueren, ein paar Schritte in der Richtung des weiterfahrenden Trames, dann links den schmalen Fussweg, wieder eine Strasse überqueren und den Fussweg weiter, weiter bis du vor unserem Wohnblock stehst." Es passte Papa nicht, dass er mit ansehen und anhören musste, wie Barbara mich unterstützte. Er drängte energisch zur Heimfahrt. Ohne ein Danke Schön mussten wir weg. Ich konnte Barbara noch kurz winken. Sie lachte zurück. Mama sagte verärgert: "Ah, darum durften wir ihr keinen Blumenstrauss bringen." 

Die vierte Reise: Am nächsten Tag fuhr ich allein nach Zürich. Wir wurden im Hörsaal 101 begrüsst. Ide war nach mir gekommen. Sie betrat den Saal, schaute um sich und setzte sich auf die andere Seite. Die andern mir bekannten Schüler sassen in kleinen Gruppen. Ich atmete tief durch und liess meinen Blick in Richtung Ide gleiten. Sie sah mich nicht. - Später hastete eine blonde Frau in den Saal. Sie suchte. Ich zeigte auf den freien Platz neben mir: "Danke, ich bin Neri." Die Begrüssung begann. Neri und ich waren der selben Klasse zugeteilt worden. Ich empfand spontan: "Neri ersetzt Ide."Nach ein paar Wochen konnte ich sagen: "Neri hat Ide ersetzt." Meine Freude wog die Enttäuschung auf.
2018 - Wo war Neri Wolfer? Wo war der Text zu Neri Wolfer ?
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

2018 - Wo war Neri Wolfer? Wo war der Text zu Neri Wolfer ?

2018: Wo war Neri Wolfer? Wo war der Text zu Neri Wolfer?

 

(4) 2018, Mittwoch 22. August, 15 Uhr: Neustart, ich schrieb wieder im LibreOffice Writer. Durch Schaden werden manche klug! Bei mir ging das etwas länger. Niedergeschlagen sass ich vor dem Computer. Ich hatte mich nochmals im MML-Progamm vergewissert: Kein Text zur Frage, wo war Neri Wolfer? - Es war also wieder passiert. Der Text war verschwunden. - Neben Hitze und Trockenheit zeichnete sich mein Sommer 2018 durch Probleme mit dem Meet-my-life-Programm aus. Nun aber Schritt für Schritt durch das entmutigende Erlebnis mit dem Text zu Neri. Meine Lesenden, Sie müssen mit drei kurzen Rückblenden beginnen: (1) Ich begann am Dienstag 21., am frühen Nachmittag nach dem überraschende Telefonat mit Neri. Ich schilderte das Gespräch in MML unter der Frage: Wo war Neri Wolfer? (2) Spät Abends verschwand der bald fertige Text im MML, das Programm war abgestürzt. (3) Einen Tag später, am Mittwoch früh morgens, die Hoffnung war gestorben. Der Text war weg. Schliesslich am nächsten Tag, (4) am Mittwoch 22. August um 15 Uhr: Neustart, ich schrieb wieder im LibreOffice Writer. Meine Lesenden, bitte springen Sie nun an den Anfang dieses Abschnittes und lesen Sie ihn nochmals.

 

Es war einmal ein Mann, der hatte einen hohlen Zahn, und in dem hohlen Zahn hatte es ein kleines Blatt und darauf stand, es war einmal ein Mann, der hatte einem hohlen Zahn, und in dem hohlen Zahn hatte es ein kleines Blatt und darauf stand, es war einmal ein Mann, der hatte mit einem hohlen Zahn, und in … . Dieser Endlos-Spruch widerspiegelte mein Gefühl.

 

(1) Rückblende: 2018, 21. August 14 Uhr: All die Jahre hatte ich gelegentlich an Neri gedacht und mich gefragt, was wohl aus Neri geworden war. Ich hatte im Google nach ihr gesucht. Unter dem Namen "Neri Wolfer" war ich auf verschiedene Einträge gestossen. Eine Adresse hatte ich nicht gefunden. Am 21. August startete ich erneute eine Suchaktion. Mein Mann unterstützte mich spontan. Er tippe Neris Namen ins Internet-Telefonbuch www.local.ch. Drei Einträge wurden uns offeriert. Einer passte. War Neri, die Stadtfrau in die Berge gezogen? Sollte ich das glauben? Ich holte das Telefon und wählte die Nummer. Wir warteten beide gespannt. Eine unbekannte Stimme meldete sich: „Ja, Neri Wolfer am Apparat.“ „Bitte geben sie mir einen Moment, um den Grund meines Anrufes zu erklären. Ich bin 1945 geboren und habe 1963 das Oberseminar in Zürich besucht. Dort lernte ich Neri Landmann kennen. Sie liess sich später scheiden und nahm wieder ihren Mädchen Namen, Wolfer an. Nun möchte ich den Kontakt zu ihr wieder aufnehmen.“ Neri war überrascht: „Ihre Angaben stimmen. Ich habe Jahrgang 1944. Ihre etwas heisere Stimme tönt mir vertraut, aber ihr Name?“ Ich lachte: „Neri, ich bin verheiratet. Ich bin eine alte Frau und trage den Namen meines Mannes.“ Wir lachten beide.

 

(2) Rückblende: 2018, 21. August 21 Uhr: Themenwechsel, ein Hinweis an die Lesenden: Am 19. und 20. August hatte ich mehrere Texte aus dem LibreOffice Writer erfolgreich ins MML-Programm übertragen. Es hatte problemlos geklappt. Voller Genugtuung konnte ich im MML-Programm wie gewohnt von einem Text zum andern wechseln. Die Zeit verflog. Ich war überzeugt: „Die Störung ist vorbei, es klappt wieder.“ Ich hatte meine Freude dem Techniker per Mail geteilt. Ich wollte die durch die Störungen  verlorene Zeit aufholen. Darum tippte ich nach dem Telefonat mit Neri voller Elan ca. viertausend Zeichen direkt ins MML-Programm. In kurzen Abständen bediente ich den SAVE-Botten. Er leuchtete auf. Gut! Ich änderte ein paar Formulierungen und quittierte wieder mit dem SAVE-Botten. Ich las den Text laut. Locker und freundlich tönte er. Ich war zufrieden. Ich spürte, wie mich das Schreiben im Programm erneut beflügelte. Ich richtete mich auf. Weggewischt war all der Ärger der vergangen Wochen. … Dann … nein … das durfte nicht wahr sein! … Ich schaute. … Ich wollte den Augen nicht trauen. … Ich las „Zur Registrierung“. … Mein Text war weg. ... Es war halb elf. ... Ich war müde. ... Das Programm nahm sich viel Zeit für den Aus-log-Vorgang .

 

(3) Rückblende: 2018, 22. August 6 Uhr: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht, vielleicht. Ich startete das Programm wieder. Ich wollte die Unsicherheit nicht in den Tag hinaus tragen. Ich war überzeugt, den Text, wie auch schon geschehen, wieder zu finden. - Nein. Er war weg.

 

(4) Der Neustart: 2018, 22. August 15 Uhr, der Text war mir am Vortag leicht und gut gelungen. Die Zeit war im Nu verflogen. Jetzt nach dem Absturz, dem Verlust wieder vorne beginnen? Das fiel mir schwer. Aufgeben? Nein. Viele Wünsche hatte ich durch die Jugend, durch den Berufsalltag bis hinein in die Phase nach der Pensionierung getragen. Nun war die Zeit von deren Erfüllung. Ich hatte Neri wieder gefunden und Neri hatte mir erzählt: „Ich denke oft an dich und wir sprechen von dir, wenn ich Karottensalat zubereite. Du erinnerst dich nicht mehr? Karotten, Zitrone, Joghurt und Öl, Karottensalat aus nichts! - Warum willst du etwas über unsere gemeinsame Zeit schreiben? In meinem Leben, in meiner Familie lief damals vieles schief. Die Stimmung war negativ. Um 6 Uhr die TV-Sendung meiner Mutter, da gab es keine Ausnahmen. Das sollst du nicht schreiben. Du hast meine Mutter in guter Erinnerung? - Ich hatte ein bewegtes Leben. Seit einem Monat wohne ich mit meinem neuen Partner in Bad Ragaz.“ Ich dachte an Heidi von Johanna Spyri und an den Streit mit meiner Schwester. Neri sprach weiter: „Komm nach Bad Ragaz. Du kannst deine Schwester und mich am selben Tag treffen. Wann? Nächste Wochen fliegen wir nach Berlin. Wir wollen das Grab der Mutter meines neuen Partners besuchen. In Berlin gibt es viel zu sehen. Komm Ende September. Warum haben wir den Kontakt verloren?“ „Darüber sprechen wir nach deinen Ferien,“ ich beendete das Gespräch. Zwei weitere Telefonate warteten. Später gönnte ich mir meine tägliche Pause in der Hängematte in der heissen, trockenen Sommerluft.

 

Das Erlebnis mit den Karottensalat fiel mir dabei wieder ein: Neri hatte mich damals oft zu sich in die Wohnung eingeladen. Manchmal assen wir gemeinsam. Einmal hatte Neri verärgert festgestellt: „Nichts hat es im Kühlschrank als eine Unmenge Karotten und meine kleine Tochter mag keine Karotten. Niemand von uns mag Karotten. So kann nur meine Mutter einkaufen!“ Etwas vollmundig hatte ich vorgeschlagen, aus nichts und Karotten einen Salat zu machen. Auf dem Bauernhof mischte ich regelmässig geriebene „Rüebli“ mit Hausrahm und gepresster Zitrone. Das nannten wir einen Salat aus nichts. Bei Neri gab es Naturjoghurt, Zitronensaft in einem Fläschchen und Olivenöl. Mit diesen mir damals unpassend scheinenden Zutaten bereitete ich eine kleine Menge Karottensalat zu. Er schmeckte allen ausser mir. Ich machte eine ganze Schüssel. Den fremdartigen Geschmack nach Olivenöl, das mochte ich nicht. Gerade das schätzte Neris Familie. Für mein Empfinden war ich für mein leichtfertiges Dahinreden „vom Salat aus nichts“, gut davon gekommen. Ich vergass das Erlebnis schnell. Ich war in der Folge achtsamer. Zuhause auf dem Bauernhof kochte ich mit unseren eigenen Produkte, das war einfach. Aber in der Stadt?? Nein, da konnte ich nicht kochen. Wir standen in einem Selbstbedienungsladen und ich sollte einkaufen. Was? Wie viel? Neri erinnerte sich an meinen Karottensalat.

Was sollten wir am Oberseminar lernen?
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

Was sollten wir am Oberseminar lernen?
Was sollten wir am Oberseminar lernen ?

 

Ich wusste: Ein halbes Jahr Vorkurs, um den Rückstand gegenüber den Schülern aus einem Unterseminar aufzuholen und anschliessend ein Jahr Oberseminar. Die eigentliche Lehrausbildung dauerte ein Jahr. Das schien mir sinnvoll, kannten wir doch alle die Schule aus eigener Erfahrung bestens. Ich vergass, dass ich  vom Bauernhof, von der 6-Klassen-Schule mit dem alten Lehrer und dem alten Pfarrer, aus dem Dorf mit den kleinen Handwerksbetrieben in die Grossstadt kam. Ich wollte nicht wissen, dass das Schulhaus, in dem ich später unterrichten würde, irgendwo in einer mir fremden Umgebung stand, vielleicht zwischen Mietkasernen, Fabriken, Banken, Handelsgesellschaften, Autos, Trams, Bussen oder Eisenbahnen auf denen täglich und stündlich Hunderte unterwegs waren. Was sollte für eine solche Schule lernen?

 

Die Gymnasien hatten den Schwerpunkt in alten Sprachen, die Oberrealschule in Mathematik und wir, die Schüler von der Abteilung Lehramt wurden vermehrt in musischen Fächern unterrichtet. Das Gymnasium und die Oberrealschule schlossen mit einer Eidgenössischen Matura ab. Damit konnten alle Fächer an allen Universitäten und auch an der ETH studiert werden. Wir von der Abteilung Lehramt erhielten eine kantonale Matura und hatten einen begrenzten Zugang zu den Universitäten. Nach einem sechsmonatigen Einführungskurs konnten wir wie Schüler aus dem Seminar, das einjährige Oberseminar besuchen. Neben unserer Maturitätsschule in Winterthur gab es in Zürich mehrere Maturitätsschulen und die Töchterschule. Weitere wurden geplant. Es wimmelte von Schulen. Es gab u.a. mehrere Landwirtschaftliche Schulen, Bäuerinnen-schulen, Haushaltsschulen, Gewerbeschulen für die Lehrlinge, Krankenschwesternschulen, Nähschullehrerinnenseminar, Metallarbeiterschule, Kunstgewerbeschule, Technikum, Abend-Technikum, Musikschulen, Privatschulen. Wie konnte man sich da zurecht finden?


Anfangs der 1960er Jahre war ich ein Schüler. Zu sagen: "Ich bin eine Schülerin" hätte ich als sonderbar empfunden. Nur ein Blinder konnte nicht auf den ersten Blick zwischen Mädchen und Burschen unterscheiden. Ich arbeitete nicht in einem Haushalt, nicht in einem Büro oder in einer Fabrik. Ich ging in die Schule, ich war ein Schüler. Natürlich, 2018 war für mich nur der Satz "ich war eine Schülerin" richtig. Ich hatte mich in den vergangenen zwanzig Jahren an die Doppelbezeichnung gewöhnt.

2018 – das kantonale Oberseminar existierte von 1943 – 1981. Es bot für Absolvierende des Unterseminars oder anderen Lehramtsschulen eine einjährige Berufsausbildung zur Primarlehrerperson an. Maturanden und Maturandinnen ohne seminaristische Allgemeinbildung mussten zusätzlich einen halbjährigen Vorkurs absolvieren (Tröhler, Hardegger, Zukunft bilden, NZZ-libro, 2008, Seite 254). 2018 hatte ich viele in der Lehrausbildung Tätige nach der Entwicklung des Lehrerberufes gefragt, doch die Auskunft war immer ein Verweis auf das Internet. 

2018. 7. Oktober, draussen schien die Sonne. Es war weiterhin sehr trocken und m
ein Mann hatte erneut gegossen. Es war Hängemattezeit bei über zwanig Grad. Ein paar Wildbienen hatten in der alten Schopfwand ein Plätzchen gefunden. Ein Lockruf aus der Eibe fesselte meine Aufmerksamkeit. Ein Kohlmeise sass im Geäst und zupfte manierlich an ihren Brustfedern zurecht. Dann schüttelte sie die Flugfedern und lockte wieder. Ich lachte: "Dummerchen, wir haben nicht Frühling!" Ich traute meinen Augen kaum. Ein zweiter Vogel kam und sie flogen gemeinsam weg.

Meine Fragen blieben offen. Was war das Oberseminar? Was sollen wir am Oberseminar lernen? Wo steuerte die Schule hin? Warum all die vielen Reformen? Was sollten die Kinder lernen?

 

2018 - Abschied oder Walter, geboren 1923
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

2018 - Abschied oder Walter, geboren 1923

2018 Abschied oder Walter, geboren 1923

Abschied von der Heimat, Abschied von der Jugend. - Wenn ich in meine Heimatgemeinde fahre, besuche ich regelmässig den Friedhof und nehme gleichzeitig an irgendeiner Veranstaltung teil. Diese Gewohnheit hilft mir, Schritt für Schritt Abschied zu nehmen. Am 15. Oktober war wieder eine solche Gelegenheit. Dicker Nebel lag über der Gegend. Schon um 8.30 stand ich fröstelnd auf dem Friedhof. Ich hatte Zeit eingeplant, um vor dem Grab meiner Eltern zu verweilen und in Musse die Namen auf den vielen anderen Grabsteinen zu lesen. Das Grab des Primarlehrers war vor einem Jahr aufgehoben worden. Kaum zu glauben, doch wahr: Meine Jugendzeit lag weit zurück. Ich war am Ende des Zweiten Weltkriegs geboren. - Dann schritt ich von Grab zu Grab. Ich begegnete der Ruhestätte des alten Herrn, der mich 1961 kurz vor seiner Pensionierung konfirmiert hatte. 50 Jahre hatte er unserer Gemeinde gedient. Er hatte alle Gemeindemitglieder gekannt. Seine vierte Frau ruhte seit 1983 im selben Grab. - Das Ehepaar Keiser hatten ihn und seine Frau abgelöst. Sie hatten ihr Amt 49 Jahre inne, obwohl viele Gemeindemitglieder zu Beginn ihres Dienstes befürchteten, der blitzgescheite Mann werde bald höhere Ziele verfolgen. Dieser Pfarrer blieb eher distanziert. Er hatte es nicht leicht. Nach einer vorübergehenden Trennung war seine Frau ins Pfarrhaus zurückgekehrt. Bei der Pensionierung verabschiedeten sich die beiden und zogen in eine andere Gegend. Ich erfuhr bei meinem Besuch, dass er vor ein paar Wochen relativ jung, an Alzheimer erkrankt, gestorben ist. - Seit dem Hitzesommer 2003 hatte ein fröhliches Ehepaar (Patchwork family mit drei und vier Kindern) den Dienst mit viel Elan ausgeübt. Meine Mutter hatte diesen Pfarrer geschätzt, denn er besuchte sie regelmässig im Altersheim. Er gab mir, einer Auswärtigen, sogar die Möglichkeit im Rahmen eines Gottesdienstes mein Engagement im Kongo vorzustellen. Nach dem Hitzesommer 2018 zogen sie nun in ihren Heimatkanton zurück. - Wie lebte die reformierte Landeskirche in dieser wachsenden Stadtrand-Gemeinde weiter? Wegen der spürbaren Ungewissheit basierte der Pfarrer seine Abschiedspredigt auf dem neutestamentlichen Spruch: «Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit» (2. Tim 1.7).

 

Ich freute mich auf den anschliessenden Apéro, denn ich hoffte, «alte» Bekannte zu treffen. Ich wollte nach ihnen Ausschau halten, fragen und suchen. Ein Klassenkamerad stellte mir Walter Baumann und Walter Rohner vor. Ich kannte die beiden doch nicht! Ich wusste lediglich, dass Walter Baumann Lehrer war, als ich die Sekundarschule besuchte. Sofort dachte ich an meine Lebensgeschichte? Er musste doch wissen, wie die Lehrer früher ausgebildet wurden. Auf meine Frage hin hörte ich viele Spannendes. Walter, geboren 1923, war von 1951 bis 1983 in meiner Heimatgemeinde Lehrer gewesen. Er erzählte und erzählte und freute sich, als ich mich mit den Worten: „Unsere Begegnung ist ein Geschenk für mich,“ bedankte. Ich spürte, er hätte gerne weiter gesprochen, deshalb notierte ich seine Telefonnummer. Vier Tage später sass wir in der Stube in seinem Einfamilienhäuschen. Im Eingangbereich waren viele Schuhe gestapelt und in der grosszügigen Garderobe hingen die verschiedensten Jacken auf Kleiderbügeln schön geordnet. Walter ist Vater von drei Kindern und Grossvater von sieben Enkeln: „Ist jemand knapp bei Kasse, kommen sie wieder heim. Unser Haus ist immer voll.“

 

Angesprochen auf seine Schulzeit sprudelte es aus ihm heraus. Er erzählte sofort von den Krisenjahren und der Angst vor dem Krieg, die in ihren Knochen steckte: „Wir wussten um die Kristallnacht. - Wir kannten Sprüche wie „die Schweiz, das Stachelschwein nehmen wir im Rückzug ein.“ Die Deutschen machten sich breit, 800 Spione arbeiteten für die Deutsche Gesandtschaft in Bern, 200 Offiziere planten die Neuordnung. Wir mussten kuschen. Das Réduit -,“ es folgte eine kurze Stille. Meine Lesenden geben Sie bitte das Stichwort „Réduit Schweiz“ in der Suchmaschine Google ein. - Walter sprach weiter: „Panzersperren überall, am Rhein Bunker neben Bunker, strategisch gut platziert, schwierig einzunehmen. Im Grenzgebiet hiess es, wir warten und bangen und im Hinterland machen sie nichts. Die Kavallerie machte Manöver im Klettgau. Zwei Berittene überquerten die Grenze und wurden geschnappt. Deren Freilassung war eine grosse diplomatische Sache. Im „Spiesshof“ direkt an der Grenze wuchsen die Landleute, die Deutschen und die Schweizer zusammen auf, es gab ein hin und ein her. Bei einem Glas sei viele vom Krieg erzählt worden, von unendlichen Distanzen und unendlich vielen Leuten. Es hiess, es werde eng für uns. Grosse Worte, Wichtigtuerei auf beiden Seiten. Es gab Anekdoten. Ein Schweizer prahlten mit der Munition, die wir daheim hätten. Wie viel Schuss? Er nannte die Zahl 1‘000 oder mehr. „Komm in den Keller und zähle, hier stehen Schachtel neben Schachtel,“ der Wortführer war Munitionsverwalter der lokalen Schützenvereine, was er natürlich verschwieg. In Wirklichkeit hatte ein Mann 48 bis 60 Schuss daheim. Beide Seiten hatten grosse Mäuler, Imponiergehabe aus Angst. - Mit 36 Demonstrationen, Akrobatik-Vorführungen der Jägerlein (= kleine, wendige Jagdflugzeuge) wurde das Grenzgebiet beruhigt. Die Deutschen: 40 Blitzangriffe im Osten und im Norden gegen Belgien. Dazu das Lied: Wir fahren, wir fahren gegen Engeland. - Im Mai 1940 wollten sie auch in die Schweiz angreifen. Die Lage war sehr angespannt. 40‘000 Mann waren an der Grenze. Mein Vater war mit dabei. Er hatte mir vom Schaufeln der Schützengräben erzählt. Diese waren strategisch im Zickzack auszuheben. - Im Luftkampf gingen 3 Flugzeuge verloren, gleichzeitig wurden 11 deutsche Flieger abgeschossen. Alles war bekannt, denn man hatte sich gegenseitig ausspioniert. Wir hätten es auf die Länge nicht durchgestanden. Das Generalkonsulat stand in Zürich an schönste Lage. „Ach, die Schweizer Offiziere, feine Kerle,“ hiess es. Die Deutschen kannten sich gut aus. Alles war ausspioniert. Walter wiederholte sich.

 

Ich unterbrach. Walter sprang in die Zeit der Depression zurück: „Mein Vater verlor seine Anstellung in der Gärtnerei. Es gab keine Arbeit mehr. Niemand hatte Geld, um einen Gärtner zu bezahlen. Der Vater musste in die Fabrik. Zusätzlich verkaufte er Hochstammbäume. 25 Fr. pro Baum, und es blieben ihm ein paar Rappen. - Aufgewachsen bin ich in verschiedenen Dörfer im Norden des Weinlandes. 1939-43 besuchte ich die Kantonsschule in Winterthur. 1939 wurden von 139 Anmeldungen zwölf Buben und drei Mädchen in die ORL (Oberrealschule-Lehramt) und achtzehn „Techniker“ in die ORT (Oberrealschule-Techniker) aufgenommen, nach der Probezeit waren es noch dreissig. Die Schüler von der Stadt wechselten nach der zweiten Sekundarklasse, die Schüler vom Land nach der dritten. Wir hatten kein Latein. Alle Landkinder kamen per Zug und fuhren über Mittag heim. Während dem Krieg war der Landdienst obligatorisch. Wegen der Sommerrekrutenschule wurde unsere Maturitätsprüfung 1943 vor die Sommerferien gelegt. Zum Vorbereiten der Prüfung erhielten wir eine Woche frei. Doch alle wollten lieber bei der Heuernte helfen, als in der Stube „büffeln“. Alle hatten Verwandte oder Bekannte, die Hilfe brauchten. Mit Kuh und Ross (=Pferd) brachten wir in zehn Tagen 22 Wagen ein. Das war nicht vorgesehen, aber es wurde toleriert. Prorektor Hirt meinte: „Heuen ist wichtiger für das Land, wenn auch euer Jahrgang nicht als gefreut in die Geschichte eingeht.“ Die Schule war ohnehin viel zu lang.

 

Im Herbst 43 begann der Vorkurs und anschliessend das Oberseminar, beides in Zürich. Wir waren der zweite Jahrgang der diese Ausbildung machen konnte. Nur 72 Absolventen, nachher waren es immer mehr. - Dann kam die aktive Zeit als Lehrer. Ich unterrichtete 5 Jahre in Truttikon die erste bis vierte Klasse und die Siebente und Achte. Das war streng. Die Väter waren stur, die Erstgeboren mussten nach der obligatorischen Schulzeit daheim bleiben. Es gab Reibereien im Dorf. Sie bekämpften sich wegen verschiedener Meinungen in Sachen Religion. 1951 wurde ich hierher berufen, und ich blieb bis zu meiner Pensionierung 1983.“ - Ich unterbrach ihn. Doch Walter schweifte erneut ab und erzählte von der Repetierschule, von den Güllewagebürli (= Jauchewagenbäuerling) und den ersten Traktoren. Wer einmal im Ausland gewesen war, der wollte nicht mehr nach Truttikon zurück. - Nochmals einen Schritt zurück: „Im Ersten Weltkrieg wurden die Soldaten schlecht behandelt, Drill, pausenloser Einsatz. Pressieren, damit man warten kann. Warten, damit man pressieren kann.“ - Dann einen Schritt nach vorn: „Im zweiten Weltkrieg wurden die Soldaten gesiezt und es hiess, der Mann soll seine Pflicht in Ruhe erfüllen können, Kraftausdrücke haben nichts verloren.“ Wir waren beide müde. Ich hatte Mühe mich loszureissen, denn ich fand die Schilderungen von Walter spannend.

2018 24. Oktober 10.35 Stromausfall. Der Bildschirm war schwarz. Ich hatte seit langem mit gelegentlichen Stromausfällen gerechnet und war doch überrascht. Ich wünschte mir sogar Stromausfälle, denn dies könnte meines Erachtens der breiten Öffentlichkeit zeigen, wie unsicher unsere Stromversorgung durch die Experimente mit der Energiewende geworden war. Kurz nach 11 Uhr leuchtet die Ganglampe auf.

2018 - die Hausaufgabe auf den 31. August
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

2018 - die Hausaufgabe auf den 31. August
2018, Hausaufgabe auf den 31. August « Sucht »

 

Das Thema „Sucht“ interessierte mich immer. In meinem Kopf schwirren viele Erinnerungen herum, die ich nicht ordnen kann. Deshalb fehlt im kommenden Text der rote Faden.  Meine Lesenden, Sie finden viele kleine Texte zum Thema Sucht, die in wirrer Folge aufgereiht sind. „Löschen, löschen, weg damit,“ ich höre Ihren Rat, und ich antworte: „Überspringen Sie den Text doch einfach. Das Thema Sucht ist mir wichtig.“

 

In Gedanken versunken, murmelte Grössi manchmal vor sich hin: „Es war schlimm. Sie tranken weiter, auch wenn sie nicht mehr gehen konnten. Glaube mir, es war schlimm!“ es war Ende der 1940er Jahre. Grössi atmete aus und nickte mit dem Kopf. Sie wurde böse, weil ich sie immer wieder fragte und nicht verstand, was denn schlimm war. Wenn ich ihr sehr tüchtig im Garten geholfen hatte, durfte ich mir gelegentlich etwas wünschen. Ich hatte an jenem Tag sehr, sehr tüchtig geholfen. Deshalb setzten wir uns auf die kleine Bank neben der Stalltüre und sie begann geduldig: „Gut, dann versuche ich nochmals, dir zu erklären, was ich damals und auch heute noch - sehr - schlimm - finde. Du weisst, ich war als junge Frau (in den 1920er Jahren) Bäuerin und nach der Feldarbeit auch Wirtin im Restaurant „Rössli“. Meine wenigen Gäste waren meist durstige ledige Männer.- Nein, nein, warte, du kannst mich noch nicht verstehen. - Gegen den grossen Durst trinken wir Tee oder Wasser. Diese Besucher aber verlangt sauren Most oder Wein und stiessen das Wasser, das ich ihnen anbot, verächtlich zur Seite. Sie verlangten ein weiteres Glas Sauren, noch einen Roten und wieder einen. Lehnten sie es ab, aufzustehen und mir die Zeitung an die Theke zu bringen, bot ich ihnen einen Kaffee an.“ “Grössi sie waren sehr müde“, unterbrach ich sie. „Nein, nein, sie wollten nicht wahr haben, dass sie schon wieder wankten und torkelten, weil sie zu viel hatten. Familienväter wollte ich nicht so sehen, und liess sie ziehen, wenn sie schon heiter in unsere Wirtsstube traten. Deshalb hatte ich einen schlechten Ruf. Ich verlor viele Kunden. Unser Wirtshaus rentierte nicht mehr, und wir beschlossen, es zu verkaufen,“ sie richtete sich auf und schaute ruhig in die Ferne. „Warum tranken sie zu viel Sauren?“ Grössi nachdenklich: „Sie tranken, um ihre Sorgen zu vergessen. Aber Sorgen lassen sich nicht ersäufen, diese werden immer grösser und mehr und mehr Alkohol ist nötig.“ - Nach einer Weile fuhr sie zögernd fort: „Irgendwann während dem zweiten Weltkrieg, bevor du (1945) auf der Welt warst, begann dein Grossvater jeden Sonntag im Bahnhöfli zu jassen und - zu viel zu trinken. Eine Schande! Wir wollen nicht, dass ihr ihn so seht, darum lässt euch Mama am Sonntagabend in ihrem Schlafzimmer spielen!“ Ich hatte gesehen, wie der Grossvater sein Fahrrad auf den Hausplatz warf und in die Küche wankte. Da ihm niemand Sauren im Keller holte, begann er zu toben. Er schrie und schimpfte, bis er einschlief. Mama beschwichtigte uns, das mache nichts, er sei nur ein Sonntagstrinker, viel schlimmer sei, dass Papa jeden Tag ein Päckli Villiger-Stumpen rauche. Er habe ihr versprochen aufzuhören, aber er habe es auch nach dem Krieg nicht geschafft. Ich wollte nicht, dass Papa rauchte. Ich wollte nicht zum kleinen Laden springen und Stumpen für ihn holen. Ich wollte auch nicht, dass er böse wurde und auf die Pferde einschlug, weil er keine Stumpen hatte. Stampfend ging ich zum kleinen Laden.

 

Unser Primarlehrer war Mitglied des Blauen Kreuzes. Jedes Jahr widmeten wir einen Nachmittag dem Thema Alkohol. Meist las er uns zum Einstieg in das nachfolgende Gespräch eine schauerliche Geschichte vor.  Zum Schluss mussten wir unsere Enthaltsamkeit im „goldenen Buch“ mit Unterschrift bestätigen. Eine peinliche Angelegenheit! Warum mussten wir das? Wir, die Schüler waren nicht ehrlich, wie der Lehrer meinte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Ich fand keinen Weg, um ehrlich zu sein. Der Lehrer schob mein Wille zur Ehrlichkeit mit Verachtung beiseite. Ich hatte mit meinen Eltern getrennt darüber gesprochen. Mama erklärte mir, Ehrlichkeit habe ihre Grenzen: "Nur weil wir euch mit einem kleinen Schlückchen probieren lassen, so ist das noch lange nicht trinken." Papa hatte Verständnis für den Lehrer. Er meinte, Alkohol könne zu Problemen führen. Ich solle nur an Onkel Fritz denken. Mein Problem war nicht gelöst, ich blieb allein damit. Viele Eltern lachten offen über die Sorgen des Lehrers. Ich konnte nur den Kopf schütteln. Dass alle zur Konfirmation „zum ersten Mal“ anstossen durften, das fand der Lehrer einen schlechten Brauch. Er schüttelte den Kopf. Nachher war es offiziell erlaubt, das Trinken, das bis anhin das Besondere war, das den Schulsilvesters ausgemacht hatte. Weiter hiess es, nach der Rekrutenschule rauchen und trinken alle, bis sie mit einer Frau andere Vergnügen haben. Dieser Satz stimmte für die Burschen in unserem Dorf.

 

Zu meinem 18. Geburtstag, 1963 schenkten mir meine Eltern, neben dem Lernfahrausweis ein Buch. Mama hatte sich in der Buchhandlung beraten lassen. Sie hatte das Buch selber gelesen und war erschrocken. Ich verstand das Buch nicht. - Panzerschokolade, das kannte ich. Wir sprachen häufig über den Krieg. Panzerschokolade! Kämpfer sind Söhne! Jeder hat eine Mutter. Wenn die Bomben bersten, braucht es härtere Sachen. Papa war sicher. Er kannte die Namen der Stoffe nicht, die ins Essen gemischt wurden. Er lief weg, wenn ich fragte. Er schimpfte, weil ich neugierig war: „Du weisst nicht, was Angst ist. Kriegsverweigerer werden erschossen!“ Ich war entschlossen, etwas für den Frieden zu tun! - Das waren keine Themen in der Kantonsschule. Wichtig war das korrekte Setzen der Satzzeichen. - Aus einem andern Buch wusste Mama, dass übermüdete Ärzte und Krankenschwestern von ähnlichen Stoffen abhängig wurden: "Sie haben Zugriff auf den Medikamentenschrank!" - Grössi behauptete, Mama sei von Kaffee und Tabletten abhängig. Ich verstand das Buch, das Geschenk zum 18. Geburtstag, erst Jahre später. Auch 2018 dachte ich gelegentlich daran, wenn ich Leute beobachtete, die das Handy nicht abstellen konnten. Ich dachte an die „undurchsichtige“ Erzählung aus dem Drogenmilieu von New York. Selber rauchte und trank ich an Festen, bis ich wagte, nein zu sagen. Daneben beobachtete ich wie im Bekanntenkreis viele zuerst heimlich, dann öffentlich rauchten. Ide hatte erschreckend viel geraucht.

 

In den 1980er Jahren rauchten alle unsere Pflegekinder und – das war eine schmerzliche Erfahrung - einige rutschten ins Drogenmilieu ab. - In den Züge der SBB wurde gequalmt. Später wurden die Wagen in Raucher- und Nichtraucherabteile unterteilt. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2005 wurde das Rauchen in den Zügen verboten. Viele Raucher hatten mit dem Umstieg aufs Auto gedroht, doch die Umsetzung verlief problemlos. - Von 1999 bis 2013 leitete mein Mann ein Heim für Randständige und ich hörte tragische Schilderungen aus den Lebensgeschichten vieler Süchtiger.

 

2018, stellte ich mir die Frage nach meinen eigenen Abhängigkeiten. Ich wagte nein zu sagen, auch wenn mir gelegentlich Arbeitssucht vorgeworfen wurde. Sicher, ich war meist sehr beschäftigt, aber all meine Tätigkeiten als Arbeit zu bezeichnen, das verbot ich mir. Ich gönnte mir täglich kleine Pausen, atmete tief durch und wurde still … . Doch SÜCHTE wohnten immer unter dem gemeinsamen Dach.

 

2018 5. September hatte ich zur Ergänzung und zu meiner Entlastung zusätzlich meine Erinnerungen an das Schicksal der Indianer in den USA direkt ins MML-Programm getippt. Ich tat dies, weil ich erneut von den Alkoholproblem der Indianer geträumt hatte. Ich hatte den SAVE-Botten regelmässig angetippt. Es klappte alles gut. Ich freute mich, bis ich in den Lese-Modus wechselte. Dann begann das Programm zu drehen. Schliesslich wurde ich aufgefordert, mich zu registrieren. Das neue Textstücke war weg.

 

2018 9. September tippte ich eine Kurzfassung des verlorenen Textes ins Schreibprogramm von LibreOffice: Mein Grossvater hatte mir hatte mir vom Alkoholproblem der Indianer erzählt. Als ich seine Erzählung zu verstehen glaubte, tat ich sie als falsche kindliche Erinnerung ab. - Zu Beginn der 1970er Jahre hatte ich bei meiner Rundreise durch die USA das Elend in zwei Reservaten persönlich gesehen. Ich war erschüttert. - Ich hatte eine Tendenz, Probleme zu verharmlosen. Dem wirkte die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Ausgabe vom 5. September 2018 entgegen. Sie publizierte einen Artikel mit dem Titel: “Wie Indianer in South Dakota versuchen, ihren Stamm aus dem Würgegriff des Alkohols zu befreien.“

 

Nach viel Ärger und verängstigt, schrieb ich erst im Oktober wieder im MML-Programm.

Einführung in die Übungsschule (1)
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

Einführung in die Übungsschule (1)

2018 Einführung in die Übungsschule, ins Einklassensystem mit kleinen Kindern, 1000 und eine Fragen drängten sich auf. 

 

1963 - unser Klassenlehrer war Herr Wohlwend, ein grosser behäbiger Anfangs-Vierziger. Nach mehreren Jahren Praxis als Primarlehrer hatte er Pädagogik und Didaktik studiert. Er unterrichtete uns Pädagogik und war unser Mentor für die Übungsschule. In der ersten Woche führte er uns in die Übungsschule ein. Dazu stand ihm ein ganzer Morgen zur Verfügung. In der ersten Stunde machte er ein paar allgemeine Bemerkungen zur Vorbereitung, der Durchführung und Nachbesprechung einer Unterrichtsstunde. Statt viele Worte zu verlieren, hatte er für die zweite Stunde einen Besuch im Schulhaus Wolfbach organisiert. Er schloss die erste Stunde etwas früher, um persönlich nochmals Kontakt mit der Lehrerin aufzunehmen. Er erwartete uns nach der Pause beim Haupteingang des Schulhauses. Wer den Weg nicht kannte, konnte sich ihm anschliessen und die Pause mit den Schülern auf dem Schulhausplatz verbringen. Mir war klar, ich folgte ihm. Er hatte es eilig. Das war gut, denn ich wollte nicht mit ihm sprechen. Was hätte ich auch mit ihm sprechen sollen? Das Schulhaus war von einer hohen Mauer umgeben. Das Tor stand offen. Sehr viele Kinder spielten und lärmten auf einem kleinen Platz unter riesigen alten Bäumen. Ich stand allein oben auf der Treppe vor dem Haupteingang. Welch ein Treiben, ganz anders als in meiner Kindheit auf dem Pausenplatz im mittleren Dorf am Abhang. Ich war daran, die Seite zu wechseln, vom Schüler zum Lehrer. Überall wartete viel Ungewisses. Ich kannte das Einklassensystem nur aus der Kantonsschule. Ich hatte noch nie ein Zimmer voller kleiner Schüler gesehen. Im Kindergarten waren wir fünfzig Kinder gewesen. Da gab es keine Schulbänke und keine Wandtafel. Jedes Kind besass einen hübschen kleinen Stuhl, den wir leicht an den Ort tragen konnten, wo die Kindergartentante das wünschte. Andere Seminaristen kamen. Ich war entschlossen, es zu schaffen. Es läutete, alle Kinder verschwanden. Der Klassenlehrer wollte uns abholen. Wir warteten auf die Verspäteten. Schliesslich standen wir vor dem Zimmer von Fräulein Müller. Der Klassenlehrer klopfte und nach einem kurzen Gruß forderte sie uns freundlich auf, uns hinten im Zimmer zu verteilen. Das Zimmer schien mir eng. Die Kinder beobachteten uns kaum. Die Lehrerin erklärte ihnen, die Besucher würden diese Woche die Lehrerausbildung beginnen. Herr Wohlwend übernehme die Klasse. Sie werde im Lehrerzimmer Hefte korrigieren. Und weg war sie.

 

Die Kinder sassen für mein Empfinden erstaunlich ruhig auf ihren Stühlen  , und sie blieben ruhig. Sie bewegten sich kaum und neckten sich gegenseitig nicht mit kleinen Körpersignalen. Sie warteten. Sie drehten sich nicht nach uns um. Die Seminaristen standen auch ruhig. Keine Bewegungen in den Körpern, mit dem Kopf oder den Gliedmassen. Es fiel mir schwer, mich anzupassen. Nun verstand ich plötzlich, warum ich in der Kantonsschule als unruhig gegolten hatte. Hinten und am Rand des Zimmers hatte es nicht gestört, dass ich den Kopf und den Oberkörper häufig leicht bewegte. Beim Denken folgte mein Kopf meinen Überlegungen mit kleinen Bewegungen, wie wir das in der Primarschule gelernt hatten. Der Lehrer hatte jeweils unsere Gedanken geleitet, sei dies, um einen gewissen Stoff zu repetieren oder für ein Ratespiel. Ich verstand nun plötzlich, warum mein Verhalten unruhig genannt worden war. Herr Wohlwend besprach mit den Kindern eine Geschichte und sie lasen diese nachher. Jedes Kind las einen Satz. Der Unterricht zog sich für mein Empfinden in die Länge. Die meisten Seminaristen machten Notizen. Sie standen ruhig. Ich war in einer fremden Welt. Ich wollte mich auch nicht bewegen. Dieses „ganz ruhig stehen“ verlangte meine volle Konzentration. Endlich war die Stunde vorbei. Ich war müde und konnte mich nicht an den regen Gespräch der andern beteiligen. Ich verstand nur, dass ihnen allen das Einklassensystem bekannt war. Ich hätte 1000 und 1 Fragen gehabt, aber dies war nicht der Zeitpunkt, um meine Fragen zu stellen. In der zweiten Doppelstunde besprachen wir die Lektion im Detail. Die folgende Woche besuchten wir in Sechser Gruppen das erste Mal die Übungsschule. Mir graute.

 

2018 - Wenn ich vor dem Computer sitze und tippe, so fülle ich weiterhin alle Tipp-Pausen mit kleinen Bewegungen. Konzentriert überlegen, beansprucht mehr Zeit als effektives Tippen, und konzentriert überlegen fällt mir leichter, wenn ich mich bewege. Ich stehe auch auf, oder strecke die Arme in die Höhe, aber ich verlasse den Arbeitsplatz nicht. Ich bleibe an der Arbeit.

 

Die Übungsschule (2)
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

Die Übungsschule (2)

Obwohl ich mit angezogenen Bremsen gefahren bin, waren meine Leistungen genügend. Ein Beispiel soll diese Situation beschreiben.

 

Wir hatten Übungsschule in einer ersten Klasse in Thalwil. Thema war das Üben des Zehner-Übergangs. Der Übungsschul-Lehrer hatte es uns gezeigt, und wir sollten dies in der folgenden Woche mit anderem Anschauungsmaterial wiederholen. Wie immer fiel mir schnell etwas ein, und ich blieb dabei. Ich begann nicht zu basteln, sondern kaufte vier Schachteln mit je zehn Eiern. Zusätzlich nahm ich zwei Teller und ein Pack Papierservietten mit. Meine Kameradinnen hatten mit viel Liebe und Mühe schönes Anschauungsmaterial angefertigt. Meine Taschen überraschten sie. Besonders meine Bitte um Vorsicht erstaunte sie. Ich sagte nichts. Die Stunde begann. Ich kam als letzte an die Reihe. Die acht Kinder standen unruhig um den Tisch. Sie waren müde. Mit einem Handzeichen wies ich sie zur Ruhe. Dann nahm ich sachte eine Schachtel Eier aus der Tasche, stellte sie sorgfältig auf den Tisch und öffnete sie. Die Kinder waren überrascht. Zehn – zwanzig – dreissig - vierzig Eier, zwei Teller und ein Pack Servietten kamen zum Vorschein. Ich legte ein Ei in den Teller und schaute die Kinder an. Das gefiel mir nicht. Ich zuckte die Achseln.  Richtig, ein Kind durfte das Ein nehmen und ein anderes legte eine Serviette in den Teller. Die Kinder verstanden meinen Wunsch. Mit Handzeichen und Augenkontakt einigten wir uns auf drei zerknüllte Servietten für das Nestchen. Jedes durfte ein Ei platzieren. Im Flüsterton mahnten sie sich gegenseitig zu Achtsamkeit. Plötzlich wollten sie wissen, ob das richtige Eier sind. Ein Knabe erklärte auf hochdeutsch: „Das sind rohe Eier, darum müssen wir aufpassen.“ Ich nickte und liess sie die Eier wieder zurück in die Schachtel legen. „Hat es ein Eigelb darin? Ist es flüssig inwendig? Wie sieht es aus?“ die vielen Fragen erstaunten mich. „Wenn wir sorgfältig und gut rechnen, schlage ich nachher ein Ei auf,“ die Überleitung war mir geglückt. Alles ging leicht. Obwohl die Kinder sich um Achtsamkeit bemühten und hochdeutsch sprachen, reichte die Zeit, dass jedes den Zehner-Übergang üben und erklären konnte. Kein Geschwätz und Gestosse, nur verstohlenes sanftes Berühren der ungekochten Eier. Meine Kameradinnen standen auch im Kreis. Sie waren besorgt und deuteten auf die Eier. Mit einer Ellbogenbewegung bat ich sie um Abstand, und mein leichtes Schmunzeln sollte sie beruhigen. Ein Kind sagte: „Wir passen gut auf.“ Alle Kinder waren aufmerksam. Da wir genügend Eier hatten, liess ich die Kinder auch den zwanziger und den dreissiger Übergang legen. Alles klappte ohne mein Dazutun. Schliesslich wanderten alle Eier wieder in die Schachteln. Lange Gesichter! Nein, ich legte die Servietten in meine Tasche zurück. Nun war der Teller leer. Ich hielt noch ein Ei in der Hand. Ein Kind meldete sich und schlug das Ei auf. Wir schauten es gemeinsam an. Dann läutete die Glocke. Meine Kameradinnen schickten die Kinder weg. Warum? das verstand ich nicht, denn die Kinder wollten noch ein wenig plaudern.

 

Kaum war die Türe zu, fragten die Kameradinnen: „Sind die Eier wirklich roh? Hattest du keine Angst? Was hättest du gemacht, wenn … .“ Ich zog die Papierservietten heraus. Ich hatte Vertrauen in die Kinder. Der Übungslehrer war des Lobes voll, erstaunlich sei, dass die Kinder weit mehr gesprochen hätten als sie, die "Lehrerin" und das auf Hochdeutsch. Wir verteilten die Eier untereinander. Ein paar Wochen später kreuzte sich mein Weg mit dem des Übungslehrers und er sagte, die Schüler würden immer noch von den rohen Eiern sprechen und alle könnten den Zehner-Übergang. Auch die Kameradinnen erwähnten die rohen Eier wieder. Zwar schön der unerwartete Erfolg, aber die Reaktionen darauf zeigten mir, wie fremd ich war, und sie verlangten noch mehr Vorsicht von mir. Diese Vorsicht nenne ich fahren mit angezogenen Bremsen.

2018 - 19. Oktober, ich traf Neri Wolfer
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

2018 - 19. Oktober, ich traf Neri Wolfer
Im Oktober 1963 war ich Neri im Hörsaal 101 das erste Mal begegnet. Sie erinnerte sich nach mehr als 50 Jahren nicht mehr daran, denn sie hatte damals immer mit Zeitnot zu kämpfen. Anfangs der 1970er Jahre verloren wir uns aus den Augen und erst am 19. Oktober 2018 holte sie mich vor dem Bahnhof in Bad Ragaz ab. Ich kannte sie nicht spontan, denn sie ging wegen einer Knieverletzung schwer. Ferner trug sie eine neue Bluse, betreffend deren Grösse sie im laufe des Nachmittags leicht verärgert feststellte: "Zwei Nummern zu gross!". Mit Blick über das offene Tal und auf die gegenüber hochragende Bergkette assen wir Bündnergerstensuppe und Bündnerfleisch, tranken Kaffee und unterhielten wir uns vier Stunden. Wir waren uns nicht fremd geworden, es fehlten uns nur die Lebensgeschichten der seit den 70er Jahren verflogenen Zeit. Neri hatte 45 Jahre 100% als Lehrerin gearbeitet und bis siebzig Vertretungen übernommen. Einerseits sei sie immer auf den Lohn angewiesen gewesen und der Beruf habe ihr gefallen. Andererseits, was hätte ein Bürojob  im Vergleich zur Lebendigkeit ihrer Rasselbande gebracht, die ruhig wurde, wenn sie ins Zimmer trat?

Ich insistierte: "Liebe Neri, erinnere dich ans Oberseminar. Strenge dich an!" Sie: "Ich hatte eine harte, schwierige Zeit," Neri atmete aus. "Alles ist weg. Ich war dankbar, als ich das Fähigkeits-Zeugnissen in den Händen hatte und Geld verdienen konnte. Ich übernahm eine erste Klasse, obwohl ich Mittelstufe bevorzugt hätte. Das Schulhaus musste in der Nähe der Familienwohnung sein, damit ich über Mittag heim eilen konnte. Keine Erinnerungen an das Oberseminar, ausser der Geschichte mit deinen rohen Eiern," sie schüttelte lachend den Kopf. Zum Stichwort Skilager erzählte sie vom Didaktik-Lehrer für das Fach Heimatkunde. Er war erkältet und feierte am Sonntag nach den Skiferien Verlobung. Eine Gruppe Mädchen bemühte sich um ihn. Sie halfen ihm beim Inhalieren von Vapo-Vicks. Wir beide hatten uns nicht beteiligt. Ich erinnerte mich nun auch an die Szene. Keine Erinnerungen ans Skifahren, keine Erinnerungen an die Abschlussfeier, doch ein interessantes Detail von unserer Abschlussreise ins Tessin. Am ersten Tag besichtigten wir in Bellinzona die neu erstellte Primarschulanlage und besuchten eine Unterstufenklasse. Neri war Übersetzerin. Der zweite Tag war der Mittelstufe gewidmet. Bellinzona war im Mittelalter eine stark befestigte Stadt gewesen. Davon zeugen u.a. drei Burgen. Mit Blick Richtung Gotthard zwei rechts am Berghang und eine links auf der Anhöhe. Diese Burgen wollten wir unter dem heimatkundlichen Aspekt besichtigen. Die Burg links war am selbigen Tag wegen einem Todesfall geschlossen. Die erste Burg rechts konnte nicht besichtigt werden, weil der Wächter persönlich zu einer Beerdigung musste. Ein steiler Weg führte uns zur zweiten Burg rechts. Sie war geschlossen, denn der ehemalige Wächter wurde an jenem Tage zu Grabe getragen.
Psychologie, Pädagogik, Unterrichtslehre
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Psychologie, Pädagogik, Unterrichtslehre

Psychologie, Pädagogik, Geschichte der Pädagogik und Unterrichtslehre

 

Ich hatte für jedes dieser Fächer ein andersfarbiges Heft gekauft. Der Klassenlehrer las Geschichte der Pädagogik und Pädagogik, Herr Rodel Psychologie. Für Unterrichtslehre waren verschiedene Männer zuständig. Die Eingangsbegrüssung bestand für alle vier Fächer aus der Aufforderung, genügend Notizen zu machen, denn es handle sich um ein Prüfungsfach und ein passendes Buch stehe nicht zur Verfügung. - Mir graute.

 

Dem Stoff konnte ich gut folgen, aber ich vermischte die vier Gebiete und stellte regelmässig Fragen, die das andere Fach betrafen.

 

2018, 7. Oktober – wenn ich mich nach der Entwicklung, den Veränderungen der Lehrerausbildung erkundigen wollte, wurde ich auf das Internet verwiesen. Schliesslich fand ich in der Freihandbibliothek der Pädagogischen Hochschule Zürich drei Bücher und lieh diese aus. Mit Vergnügen widmete ich jedem einen Abend. Ich verstand nun plötzlich meine damaligen Schwierigkeiten besser. Die Gebiete liessen sich nicht so einfach trennen. Doch mehr Zeit blieb mir nicht, denn ich wollte bis am 20. November Teil 2 meiner Lebensgeschichte abschliessen. Später, später werde ich diese Bücher nochmals anzuschauen, war mein Plan. Doch wie konnte ich sie wieder finden? Nach ein wenig Hin-und-her-Überlegen entschloss ich mich, die Angaben zu den drei Büchern mit einem Hinweis zum Inhalt für Sie, meine Lesenden und für mich, hier zu notieren:

Daniel Tröhler, Urs Hardegger (Herausgeber), ZUKUNFT BILDEN, Die Geschichte der modernen Zürcher Volksschule, vom Katechismus zum multifunktionalen Klassenzimmer, NZZ Libro, 2008.

Andreas Lischewski, Meilensteine der Pädagogik, Geschichte der Pädagogik nach Personen geordnet, Werk und Wirkung, von der Antike bis zur jüngsten Gegenwart, Alfred Kröner Verlag Stuttgart, 2014.

Peter Menk, Geschichte der Erziehung, – Was ist Erziehung, und wozu dient ein Studium ihrer Geschichte? Von Alexander S. Neill bis Jan Amos Komensky, Ludwig Auer GmbH, 1993.

Welche Pädagogen kanntest du damals?
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Welche Pädagogen kanntest du damals?

Welche Pädagogen kanntest du damals?

2018 - ich staunte, wie leicht mir die folgenden Namen einfielen. Von all diesen Pädagogen hatte ich während meiner Ausbildung zur Lehrerin Texte oder Bücher gelesen. Nein, jetzt war nicht der Zeitpunkt meinem Gedächtnis via Internet nachzuhelfen! Ich genoss das schöne Gefühl der Erinnerung. Doch Ihnen, meine Lesenden empfehle ich wärmsten, diese Persönlichkeiten zu googeln.

Mimi Scheiblauer, Schule für Gehörlose, rhythmische Erziehung

 

Maria Montessori, Kinderhaus

 

Marie Meierhofer, Institut

 

Rudolf Steiner, Schulen

 

Jean Piaget, Texte zur Entwicklungspsychologie

 

Johann Heinrich Pestalozzi, Herz, Hirn und Hand

 

Jean-Jacques Rousseau, Emil

 

2018 - Was wird aus ihnen?
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2018 - Was wird aus ihnen?

2018 Was wird aus ihnen?

 

2018 erwähnten die Medien so nebenbei ca. 43 Kriegsschauplätze und sie berichteten so nebenbei von ca. 70 Mio. Flüchtlingen. Professionelle Photos von ein paar dieser Menschen wurden bei Spendenaufrufen publiziert. - Meine Lesenden, was heisst das für Sie? Wie gehen Sie damit um? - Ich muss Distanz halten, ich muss mich schützen. Und doch existiert diese Menschenmasse ... . Ich will das Melodramatische, das mit den Photos zu Spendenaufrufen suggeriert wird, nicht beschönigen. - Häufig ärgere ich mich in der Stadt über die vielen fremd aussehenden Menschen. Dauernd meine Frage: Was wird aus ihnen? Ich begegne ihnen mit Vorurteilen. Meine Toleranz ist begrenzt. Manchmal spreche ich sie an und sie antworten in einer fremden Sprache. - Ein paar von Ihnen kenne ich: Zum Beispiel Delo.

 

Bevor ich mit dem Schreiben dieses Textes begann, hatte ich Delo gefragt, was er davon halte, wenn in meiner Lebensgeschichte von unserer Zusammenarbeit zu lesen wäre. „Gerne, aber warum?“ er wunderte sich. Ich erklärte ihm: „Wir haben viele Stunden mit der Deutschen Sprache gekämpft. Wir haben an unserem Stubentisch Hausaufgaben gemacht und über den Bürgerkrieg in Syrien diskutiert. Was passiert dort?"  ... …. "Vor dem Krieg ging es uns gut! Es können nicht immer mehr kommen," Delo hatte diese Sätze oft leise kopfschüttelnd gesagt. "Du, Delo, du darfst das sagen,“ er nickte und fragte, warum wir gemeinsam am Tisch sässen. Ich sagte: „Schau, jemand muss mit euch sprechen, damit ihr deutsch lernen. Andere Leute sind begeistert von Kreuzfahrten und von Reisen durch ferne Länder. Ich bleibe daheim und treffe Menschen aus fernen Ländern hier. Ich kann nicht von Reisen erzählen. Ich kann von dir schreiben - Wünschst du ein Pseudonym?“ „Delo ist mein kurdischer Name. Nenne mich Delo. Vergiss Delshad, das ist der arabische Name. So musste ich in Syrien genannt werden, denn kurdische Namen sind verboten. Ich bin staatenlos, obwohl meine Familie seit Generationen in Syrien lebt. Meine Mutter ist eine Kurdin mit einem syrischen Pass, weil ihr Grossvater für das osmanische Reich in den Krieg gezogen war. Er kämpfte und ist einer der wenigen, die überlebt haben. Deshalb erhielt er den syrischen Pass. Viele Kurden lassen sich nicht abschlachten für eine Sache, die sie nichts angeht. Du sieht ja, ich bin auch nicht für Assad in den Krieg gezogen. Ich bin geflohen, als ich aufgeboten wurde. Kurden müssen immer in der ersten Reihe kämpfen“ Delo erreichte die Schweiz 2012. Er begann sofort Deutsch zu lernen.

 

Woher kennst du Delo?“ Wird mir diese Frage gestellt, erkläre ich: „Der Integrationskurs für junge Asylsuchende, genannt „Tandem“ hatte 2014 am Menschenrechtstag teilgenommen. Delo aus Syrien und Mubashir aus Pakistan besuchten diesen Kurs. Sie stellten sich auf Deutsch vor. Ihre Klasse suchte Leute, die bereit waren, mit ihnen zusammen zu arbeiten und Haus- oder Gartenarbeit gegen Gespräche in Deutsch zu tauschen. Darum die Bezeichnung „Tandem“. Interessierte sollten bei der Klassenlehrerin ihre Adresse abgeben. Die beiden jungen Männer gefielen mir. Ich meldete mich. Lange passierte nichts. Schliesslich wurde ein Termin vereinbart. Mit einem Poulet, Bratkartoffeln, Erbsen mit Karotten und Salat warteten mein Mann und ich auf die beiden Gäste. Umsonst! Ein Missverständnis! Das kann es geben. - Ende April 2015 klappte es. Ich zeigte den beiden Gästen den Garten, und sie packten sofort mit Freude zu. Beide hatten Erfahrung in Gartenarbeit. Das traf sich gut. So waren sie fähig, während meiner siebten Kongoreise im Mai gemeinsam mit meinem Mann den Garten zu pflegen. Ende Juni 2015 wurde das Projekt Tandem mit einem Apéro abgeschlossen.

 

Mubashirs Wunsch, im Herbst 2015 die Ausbildung zum interkulturellen Dolmetscher zu beginnen, ging nicht in Erfüllung. Er brach den Kontakt ab. Warum, das wissen Delo und ich nicht. - Delo hatte auf August 2015 eine Lehrstelle als Service-Angestellter gefunden. Die praktische Arbeit fiel im leicht, hatte er doch bereits in seiner Heimat als Kellner gearbeitet. Als Ergänzung zu den allgemeinbildenden Fächer traf er regelmässig einen ehemaligen Berufsschullehrer. Die schriftlichen Arbeiten schrieben er und ich gemeinsam. Er war in Sorge um seine Familie. Vor Kriegsausbruch hatten sie ein gutes Auskommen. Aber nun? Die Felder waren weitgehend zerstört oder vermint. Die Mutter konnte ihre drei Kühe nicht mehr füttern. Sie musste diese billig verkaufen. Sie hatten oft kaum noch genug zu essen.

 

Warum war es zum Bürgerkrieg in Syrien gekommen? Am 17. Dezember 2010 hatten mit der Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi die Unruhen in Tunesien begonnen. Sie breiteten sich aus. Es wurde eine Revolution. Diese griff schnell auf andere Staaten über. In Anlehnung an den „Prager Frühling“ wurden die blutigen Unruhen bald „Arabischer Frühling“ genannt. Mit Angst und Grauen hörte ich von diesen Ereignissen. Aufstände in vielen Ländern! Was passierte in Libyen? Was geschah in Ägypten? Im Frühling 2011 erreichte die Gewalt Syrien. Die Unruhen sollten Teil des Arabischen Frühlings sein. Lange wollte niemand glauben, dass in Syrien ein Bürgerkrieg ausgebrochen war. Ich verfolgte die Geschehnisse in der Region und verdrängte laufend alles. Delo, jung und kräftig, ein staatenloser Kurde sollte 2012 in die syrische Armee einrücken. Er floh.

 

Im Frühling 2014 wurde das Kalifat „Islamischer Staat“ ausgerufen. Ein kriegerisches, staatsähnliches Gebilde, in dem die Scharia ohne Wenn und Aber durchgesetzt werden sollte. Gefallene Kämpfer gelten als Märtyrer. Ihnen wird das Paradies versprochen. Im August 2014 hatte der Vormarsch des islamischen Staates eine Massenflucht Zehntausender Jesiden ausgelöst. (Einschübchen: Die Jesiden sind eine ca. 2000 Jahre v. Chr. entstandene religiöse Gemeinschaft. Jeside bleibt nur, wer im Rahmen der eigenen Gruppe geheiratet.) Männer, die nicht fliehen konnten, wurden geköpft. Jesidische Frauen wurden vergewaltigt und zwangsverheiratet oder auf Sklavenmärkten verkauft. - In einer benachbarten Kirchgemeinde organisierten Jesiden einen Hilfsgüter-Transport mit einem Überland-Lastwagen. Das war meine Chance. Sie holten dankbar meine ganze, von Bekannten aufgestockte Kleidersammlung ab. Es waren gute saubere Kleider, meist Kindersachen in Schachteln und Plastikbeuteln für die Reise in den Kongo verpackt. Als ich es endlich schaffte, das Bringen solch gutgemeinter Gaben zu stoppen, hatte ich bereits rund zwanzig Schachteln. Mir graute. Was sollte ich damit machen? Im Flugzeug-Billett inbegriffen waren zwei Gepäckstücke à 22 Kilogramm. Der jesidische Sammler musste zweimal mit dem VW-Bus fahren. Er freute sich und erklärte mir, sein Onkel sei Stadtpräsident in seiner Heimat gewesen. Er begleite den Transport persönlich, und werde bei der Verteilung helfen. Ich war dankbar für diese Lösung.

 

Im Sommer 2015 drangen mehr und mehr Flüchtlinge in den Schengenraum ein und wälzten sich wie nicht zu bremsende Ströme Richtung Westeuropa. Was tun? Es fuhr mir in die Knochen, als die Deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am 1. September 2015 erklärte: „Wir schaffen das“, und die Grenzen nicht schloss.

 

In der Zeit zwischen Sommer 2015 und Herbst 2017 schrieben Delo und ich viele kleine Arbeiten für die Berufsschule. Ende Januar 2018 schlossen wir seine zwanzig Seiten umfassende Vertiefungsarbeit zum Thema „Krieg in Syrien“ ab. Sie zählte zu den besten seiner Klasse. Ende Mai bestand Delo den praktischen Teil der Abschlussprüfung nicht. Unfassbar! Warum? Rassismus? Delo erklärte mir, zwölf Experten hätten die praktische Arbeit beurteilt. Sie seinen paarweise bereit gestanden. Er habe sofort gewusst, wenn ihm das letzte Expertenpaar zugeteilt werde, würde er die Prüfung nicht bestehen. Das sei geschehen! Das Resulat sei für ihn bereits zu Beginn der Prüfung festgestanden. Viele Kleinigkeiten seien ihm vorgeworfen worden. Er könne im Lehrbetrieb weiter arbeiten, und die praktische Prüfung 2019 wiederholen. Delo hatte wenig Zeit. Er wollte vor Arbeitsbeginn noch ins Fitness-Center. Wir vereinbarten keinen weitern Termin. Im Treppenhaus rief er zurück, er werde sich per Mail melden. Keine Mail traf ein und meine Einladung musste er absagen, weil er Besuch erwartete. - Dann liess er den Kontakt einschlafen. Meine beiden letzten Mailgrüsse blieben unbeantwortet. Warum?

Was wird aus ihnen, diese Frage stelle ich mir immer wieder.

2018 - Friedensnobelpreis, MeToo
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

2018 - Friedensnobelpreis, MeToo

Friedensnobelpreis 2018, MeToo

 

Vor mir lag die lokale Zeitung vom 6. Oktober. Auf der Frontseite nahmen zwei Artikel auf die vor einem Jahr weltweit lancierte MeToo-Debatte Bezug. Jeder der beiden Artikel berührte nach meinem Empfinden ein Extrem in der Diskussion um Sexueller Gewalt. - Zunächst zur linke Spalte, sie war Brett Kavanaugh, dem 53 Jahre alten, umstrittenen, neu gewählten Richter für das Oberste Gericht der USA gewidmet. Kavanaugh soll sich 1982 mit 17 Jahren an einer Schülerparty an der 15-jährigen Christine Blasey eines sexuellen Übergriffs schuldig gemacht haben. 2018 erhob die Psychologie-Professorin Christine Blasey Ford ihre Vorwürfe gegen den von Präsident Trump als Richter vorgeschlagenen Kavanaugh. Was hatten an jener Schülerparty Brett und Christine gemacht? Was waren die Beweggründe der demokratischen Professorin, um gegen den als Richter vorgeschlagenen Republikaner zu klagen? Details siehe Internet.

 

Der Leitartikel war der Vergabe des Friedensnobelpreises 2018 gewidmet. Er ging an die 25-jährige Jesidin Nadia Murad und den 63-jährigen kongolesischen Arzt Denis Mukwege. Es hiess, die beiden hätten den Preis „für ihre Bemühungen, den Einsatz von sexueller Gewalt zu beenden, verdient.“ Die Zeitung schrieb weiter: „Ein Beweggrund für die Vergabe des Preises im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt dürfte die MeToo-Debatte sein, die vor knapp einem Jahr zunächst in Hollywood aufgebrochen ist und bis heute rund um den Globus Wellen schlägt. Das Nobelpreiskomitee begründet seine Entscheidung aber auch damit, dass es genau zehn Jahre her ist, seit der UNO-Sicherheitsrat festgelegt hat, dass es sich beim Einsatz von sexueller Gewalt in Konflikten um eine „Kriegswaffe“ handelt und diese ein Kriegsverbrechen darstellt (Zitatende). Die Jesidin, Nadia Murad war einst selbst vom IS als Sexsklavin verkauft worden - nun macht sie als UN-Sonderbotschafterin auf die Qualen der IS-Opfer aufmerksam. Der kongolesische Arzt operierte und rettete im Laufe der Jahre tausende schwerst verletzte Frauen, die mit Gewehrläufen, Bajonetten und abgebrochenen Flaschen vergewaltigt worden waren. Was waren die Beweggründe der Täter? Details siehe Internet.

 

Meine Lesenden, bitte vergleichen Sie die beiden Kampffelder. Wo liegen die Grenzen?

2018 - im Sommer war ich begeistert, wenn ich das Wort "Schule" dachte
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

2018 - im Sommer war ich begeistert, wenn ich das Wort "Schule" dachte

2018, im Sommer war ich begeistert, wenn ich das Wort „Schule“ dachte.

 
Mit dem Begriff „Schule“ verband ich im Sommer 2018 spontan die grosse Auswahl von pädagogischem Material, das den Lehrkräften zur Verfügung steht. Ich war begeistert, nachdem ich die Freihand-Bibliothek der Pädagogischen Hochschule Zürich besichtigt, das heisst durchwandert hatte, um nach den Lesebüchern der 1950er Jahre zu suchen. Einschub: Jetzt beim Tippen fiel mir die schwarze Bücherschachtel, „der Sarg“ ein, der 1963 allen Seminaristen ausgehändigt wurde. Darin waren die 1963 aktuellen Bücher der Zürcher Primarschule enthalten. Wir brauchten diese einerseits für die Vorbereitung unserer Lektionen in der Übungsschule, andererseits sollten wir alle „überfliegen“, um von deren Inhalt eine Vorstellung zu haben. Ergänzend gab es eine kleine Bibliothek und das Pestalozzianum. Statt im „Sarg“ das „alte“ Geschichtsbuch zu lesen, das ich ohnehin von früher, aus der Primarschulzeit kannte, besuchte ich an der ETH eine Doppel-Vorlesung zur „Strategischen Kriegsführung im Mittelalter unter der besonderen Berücksichtigung der Eidgenossen“. Sie wurde von einem Militär in Uniform gehalten. Etwa 25 Männer, alle etwas älter als ich, waren anwesend. Es gab keine Pausen dafür rege Diskussionen mit Fragen. Zu Beginn der nächsten Stunde begrüsste uns der Uniformierte mit: „Meine Dame, meine Herren. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich Sie, meine Dame das letzte Mal nicht begrüsst habe, ich bemerkte sie erst beim Verlassen des Hörsaals. Es freut mich, dass Sie wieder da sind.“ Ich lachte herzlich, und er nickte mir wohlwollend zu. Meine Fragen nach der Situation der Frauen und Kinder im Mittelalter gaben ihm zu denken. Zu den kommenden Stunden begleitete ihn seine Frau und deren Freundin. Später besuchten wir auch das Landesmuseum. Als Erinnerung bleibt mir das gute Gefühl, viel gelernt zu haben. Weiter besuchte ich eine Doppelvorlesung Kunstgeschichte verbunden mit Besuchen im Kunsthaus. Auch davon bleibt mir das gute Gefühl, viel gelernt zu haben. Einschub Ende“.

 

Im Sommer 2018 hatte ich das Ziel, wie in den späten 1980er Jahren, im Pestalozzianum einen Blick in die Lesebücher der Primarschule der fünfziger und sechziger Jahre zu werfen. Ich wusste, das Pestalozzianum war umgezogen. Ein Anruf genügte und ich wusste, das Pestalozzianum hiess neu Forschungs-Bibliothek und diese umfasst die Bestände des mir gut bekannten Pestalozzianums. Es ist an der Lagerstrasse 2 neben dem Hauptbahnhof. Rund um den Bahnhof und im Bahnhof war viel gebaut worden. Ein Provisorium löste das andere ab. Die Lagerhallen und Schuppen neben den Geleisen waren verschwunden. Unterirdische Bahnlinien, Unterführungen, Rolltreppen, Geschäft und vieles mehr war gebaut worden. Ich bin der neuen Situation gewachsen geblieben, weil ich an verschiedenen Führungen teilnahm. Ich bewunderte die neuen Gebäudekomplexe. Ich fand die Forschungs-Bibliothek problemlos. Die anwesende Person zeigte auf einen Computer und sagte: „ Wählen Sie die Signaturen der gewünschten Bücher im Online-Verzeichnis, und ich hole sie Ihnen umgehend im Untergeschoss.“ Doch wie? Die anwesende Person beobachtete mich. Wir schwiegen und schauten uns an. Dann erklärte sich die anwesende Person bereit, mir zu helfen. Sie fragte: „Was möchten Sie?“ und ich erklärte: „Ich hätte gerne einen Blick in die Lesebücher der Primarschule der fünfziger und sechziger Jahre geworfen?“ Sie forderte mich auf, mir genau zu überlegen, was ich wolle und die Suchbegriffe eingrenzen. Schliesslich sass wir beide vor dem Bildschirm. Es gab mehrere Treffer. Die anwesende Person erklärte mir - was ich von früher wusste -, dass das Pestalozzianum, neu Forschungsbibliothek genannt, einige Bücher aus jenen Jahren hätte. (2018 Einschub: Ich schrieb „einige Bücher“, denn das Wort „viele“ schien mir im Vergleich zu aktuellen Angebot an Lesematerial für die Primarschule übertrieben.) und sie erklärte: „So viele Bücher kann ich ihnen nicht holen, damit Sie einen Blick darauf werfen können. Was wünschen Sie?“ Ich überlegte und die anwesende Person riet mir, zunächst die Freihand-Bibliothek für Studierende zu besuchen. Ich befolgte diesen Rat. Die Freihand-Bibliothek war im Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite des grosszügigen Innenhofes untergebracht. Dort begegnete ich erneut vielen hilfsbereiten Menschen. Alle verwiesen mich auf das Online-Verzeichnis. Wieder half mir jemand. Nein, diesmal halfen mir mehrere Personen. Sie verstanden, warum ich meinen Wunsch nicht genügend genau (= Computer kompatibel) formulieren konnte. Deshalb schickten sie mich zu den Lesebüchern. Vom Angebot, mich im ganzen Haus umzusehen, machte ich gerne Gebrauch. Ich verweilte ein Stunde. Fantastisch. Meine alten Bücher hatte ich vergessen. Zum Glück war der Bahnhof in Sichtnähe. Ich erreichte den Zug im letzten Moment und fuhr mit dem guten Gefühl, viel gelernt zu haben, heim. Ich war begeistert.

 

2018 - im Herbst tauchten Fragen auf
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2018 - im Herbst tauchten Fragen auf

2018 - dann tauchten Fragen auf und ich machte ich Gedankenspiele. Meine Lesenden, fühlen Sie sich frei, meine aktuelle Lebensgeschichte zu überspringen. Sie sind ja genau so Zeitzeugen wie ich.

Einschub: Ich bleibe von meinem Primarlehrer, der in den 1950er Jahren täglich zweimal die NZZ las und uns von seiner Lektüre erzählte, begeistert. Mit unsern beiden Cuisenaire-Kästen machten wir damals Ratespiele und legten kleine „Teppiche“. Für die Mengenlehre benutzten wir Hula-Hoop-Ringe oder Kreise aus Springseilchen. Da gab es manche Knacknuss und Denksportaufgabe zu lösen! Das liebte ich! Meine Lesenden, falls Sie diese Begriffe nicht kennen, können Sie unter google.ch Infos und Beispiele finden.Dazwischen üben, üben und auswendig lernen. Unser Lehrer war damals ein kleiner König. Er hatten das sagen. Es war eine andere Zeit mit andern Problemen. Die mir rasant scheinende Entwicklung hatte jedoch bereits begonnen. Der Erste Weltkrieg, die Krisenjahre, der Zweite Weltkrieg und dann das Wirtschaftswunder, der Sputnikschock, der Wohlfahrtsstaat, nach der Wende die Globalisierung, die Pisa-Studien, Konkurrenzierung, Monetarisierung, Digitalisierung. Dazu kursieren Schlagwörter, wie "die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer", obwohl die grosse Mehrheit dazwischen immer grösser wird. Dieser grossen Gruppe geht es gemäss Untersuchungen immer besser. Das wird kaum erwähnt. Einschub Ende.

 

Sommer 2018 - schon auf der Rückfahrt im Zug fragte ich mich: „Wann habe ich Zeit, um wieder in die Freihandbibliothek der PHZH (Pädagogische Hochschule Zürich) zu gehen? Wie verschaffe ich mir einen Überblick? „Schau ins Internet! Du bist zurückgeblieben!“ schimpfte ich mit mir. Richtig war, dass ich wenig über den neu eingeführten, kompetenzorientierten Unterricht wusste! Im Stillen dachte ich: „Information lösen immer Entwicklungen aus.“ Noch leiser dachte ich: „Alles ist Geld und Macht orientiert.“ Entsprechende Fragen wagte ich nicht laut zu stellen, aber ich dachte sie. Hatte ich als Kind in den 1950er Jahren oft über den Lauf des Wassers nachgesonnen, so dachte in den Jahren nach 2015, als alte Frau häufig über die Geldströme nach. Ich machte in Gedanken nicht erlaubte Spiele. Wie viel Geld steckte in der fantastischen Freihandbibliothek der PHZH? Wer hatte und wer verdient wie viel Geld mit dem Bau und der Einrichtung des PHZH? Wer hatte welche Gewinne oder Verluste gemacht? Wer verdiente an den PISA-Studien? Wer finanzierte die PISA-Studien? Welche Kontrollmechanismen wurden damit eingeführt? Wie wurden diese Kontrollmechanismen auf das Länderniveau, auf die lokalen Schulstrukturen hinunter gebrochen? Waren unsere Kinder zu Humankapitel verkommen, das aus „Liebe“ mit Förder- und Stützunterricht ausgepresst werden sollte? Wann hatten sie Zeit, um im Freien zu spielen? Träumten sie wie die Kinder in den Minen im Kongo von frischem Wind? 

Didaktik der Leibesübungen 4 - 5
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Didaktik der Leibesübungen 4 - 5

Turnen und nochmals turnen, schwimmen und nochmals schwimmen

 

Wie sollte ich das schaffen? das war meine bange Frage zu Beginn des Vorkurses und lange Zeit während des Oberseminars. Wir hatten die Richtlinien betreffend die persönlichen Fertigkeiten für das Fach Leibesübungen erhalten. Ich wagte nicht, sie durchzulesen. Es graute mir, denn ich konnte nichts. 2018 hatte ich noch vage Erinnerungen. Die Abschlussnote berechente sich aus dem Durchschnitt zwischen dem Resultat der persönlichen Fertigkeiten und der Bewertung einer Stunde Unterrichtspraxis. Für eine genügende Note im Bereich „persönliche Fertigkeiten“ wurde der „Schwimmtest II“ und zusätzlich eine Unmenge von Geräte- und Boden-Übungen verlangt. Ich konnte nichts.

 

Unsere Turnlehrerin hatte mein Problem nach zwei Wochen verstanden. Sie war erleichtert, als ich sie nach einer Theoriestunde ansprach. Es ergab sich ein freundliches Gespräch. Sie wusste keinen Rat. Sie war in Eile. Sie musste pünktlich zur nächsten Stunde. Gemeinsam verliessen wir die Barackensiedlung, überquerten die Hauptstrasse mit den Traminseln und betraten die Mehrfachturnhalle der Kantonsschule. Zwei Turnlehrer unterhielten sich vor dem Anschlagbrett, vor der Rubrik „Verschiedenes“. Wir mussten anhalten. „Was willst du hier? Du brauchst doch keine Übungsstunden?“ neckten sie meine Turnlehrerin. „Doch, doch!“ sie zeigte auf mich: „Können die Leute von Vorkurs die Übungsstunden der Oberseminaristen besuchen?“ „Nein, wenn du so fragst. Wir machen aber keine Kontrolle. Niemand wird weggeschickt ... ,“ sie hatte die Antwort nicht abgewartet, denn als Praktikantin hatte sie pünktlich zu sein. Die beiden wandten sich mir zu: „Nützen Sie die Gelegenheit. Einer von uns ist immer dort, um ihnen zu helfen. Das ist unsere Aufgabe. Montag bis Freitag von 12.15 bis 13 Uhr besteht Gelegenheit zum selbständigen Üben. Anfangs Semester ist die Halle fast leer.“ Jeden Tag eine Spunde Sport war mein Ziel: Viermal Halle, einmal Hallenbad. Die beiden Turnlehrer teilten meine Einschätzung, meine Sorge nach der ersten Stunde. Neben jedem Gerät hing ein Blatt mit der Beschreibung der Übungen. Ich las und versuchte es - umsonst. Ich schämte mich. Zum Glück kannte mich niemand. Nach ein paar Wochen begrüssten mich die beiden Turnlehrer persönlich. Sie hatten Respekt vor meiner Ausdauer. In jeder Stunde erklärten und zeigten sie mir nun ein paar Übungen. Als mehr Studierende das Angebot nutzten, standen neben jeder Übungseinheit zwei Sportstudenten. Ich hatte gehört, dass sie aufgefordert worden waren, Leuten, die wenig können, aber regelmässig kämen, mit besonderer Geduld zu begegnen. Ich hatte von dieser Anweisung profitiert. Welch eine Freude, ich machte in allen Disziplinen Fortschritte. Ich wurde mutig und fiel mehrmals von den Geräten. Sobald ich mit dem Kopf nach unten eine Übung machen sollte, stürzte ich ab! Die Ermahnung „festhalten, festhalten“ hörte ich nicht. Alle glaubten mir, dass ich mich halten wollte, aber ich schaffte es nicht. Ich merkte nichts, ich plumpste wie ein Mehlsack zu Boden. Kein Problem für mich, denn ich erlangte innert kürzester Zeit das Bewusstsein wieder und konnte ohne Verletzungen aufstehen. Nachdem sich dieser Vorgang in Anwesenheit der Hauptverantwortlichen wiederholt hatte, wurden mir die entsprechenden Übungen verboten. Alle andern Übungen schaffte ich. Turnen machte mir zwischenzeitlich Spass. 2018 - als ich diesen Text tippte, hoffte ich, in naher oder ferner Zukunft jemanden zu finden, der über die Fähigkeit verfügt, um an Hand meiner Beschreibungen die Liste der Ende 1965 geforderten Leibesübungen zu erstellen.

Schwimmen und nochmals schwimmen 

Es war mir gelungen, dem Schwimmtest II in der Kantonsschule auszuweichen: 500 Meter in 10 Minuten, davon 50 m Brust- und 50 m Rückengleichschlag, zwei verschiedene Sprünge von Dreimeter - Sprungbrett sowie 12,50 m tauchen oder 8 Teller aus 2m Tiefe holen. - Da halfen nur private Schwimmstunden. Die Mutter hatte mir mein Sparbüchlein, genannt Notgroschen, zur freien Verfügung übergeben. Ich war in Not, ich brauchte private Schwimmstunden. Wo konnte ich zusätzlich sparen? Ich fand eine spärlich geheizte Mansarde. Die Toilette war im unteren Stock. Es stand nur kaltes und nur wenig Wasser zur Verfügung. Die Vermieterin riet mir, das Hallenbad zu nützen. Das sei gesund und dank dem Chlorwasser hätte ich seltener eine Erkältung. Nun übte ich mit einer privaten Schwimmlehrerin, bis ich es wagte, allein und ohne irgendwelche Hilfen zu schwimmen. Dann war ich mehrmals wöchentlich morgens kurz nach sechs Uhr im Hallenbad anzutreffen. Keine Kinder, nur wenige Besucher und ich konnte ungestört dem Rand entlang Länge um Länge schwimmen. Zwei Längen, 100 m in zwei Minuten schaffte ich bald, nicht aber fünf mal 100 m in zehn Minuten? Damit ich die nassen Badesachen nicht den ganzen Tag herumtragen musste, hatte ich wie eine Sportlerin gegen Depot ein Kästchen gemietet. Es wurden uns drei Termine für den Schwimmtest angeboten. Beim dritten schaffte ich es. Schliesslich erhielt ich im Fähigkeits-Zeugnis für Primarlehrer ausgestellt am 30. März 1966 im Fach „Didaktik der Leibesübungen“ die Note 4-5 (4 = genügend, 5 = gut).

 

Gesang und Instrumentalspiel 4 - 5
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Gesang und Instrumentalspiel 4 - 5
2018 Mein Ärger mit der MML-Cloud stimmte meinen Mann mild. Er erklärte sich freundlicherweise gelegentlich bereit, meine Texte zu korrigieren. Für Textstellen, die er schwer verstand, machte er mir sogar Verbesserungsvorschläge.

 

1963: Pech für mich! Meine freundliche Klavierlehrerin lud mich gelegentlich zu einem Konzert ein. Wir verstanden uns gut. Sie war enttäuscht von ihren Möglichkeiten als Pianistin. Sie hatte gehofft, jeden Monat einmal auftreten zu können. Einmal pro Jahr, wenn es hoch kam, schimpfte sie. Es würde ihr an guten Beziehungen fehlen. Dies besonders, weil der Leiter des von ihr absolvierten Meisterkurses nach Paris berufen worden sei. Bei so einem Gespräch liess sie mich wissen, dass sie die Überzeugung vertrat, drei ein halb Jahre Klavierunterricht würden für eine angehende Lehrerin nicht genügen. Das hiess im Klartext, sie würde meine Note von 5 auf 4-5 senken. Mit dieser Note hatte ich den Instrumental-Unterricht weiter zu besuchen. Sie wusste, dass ich in Zürich keinen Zugang zu einem Klavier hatte. Sie riet mir zu Flöte. Dieses Instrument sei für eine Primarlehrerin geeigneter. Ich hätte ja schon in der Primarschule Flötenspielen gelernt. Ich lachte und schüttelte den Kopf. Ich wollte gerne Flöten spielen lernen, aber bitte freiwillig. Nun musste ich. Per Brief wurden wir aufgefordert, uns in der ersten Woche am Donnerstag um 12 Uhr für die Stundeneinteilung in Parterre des Konservatoriums zu melden. Für die mir zugeteilte Kameradin kam einzig der Freitagmorgen von 8 bis 9 in Frage. Sie war 29 Jahre, verheiratet und Mutter zweier Unterstufen-Kinder. Sie und ihr Mann hatten die Betreuung der Kinder aufgeteilt. Der Vater brachte sie am Morgen in den Kinderhort und die Mutter holte sie gegen Abend und an den freien Nachmittagen dort ab. Sie schien mich nicht richtig wahrzunehmen. Sie hatte sich meinen Namen nicht gemerkt und fragte mich nicht danach. Der Freitagmorgen hatte mir zu passen. Der Flötenlehrer soll eine bekannte Nummer gewesen sein. Meine Kameradin hatte in ihrer Heimat sechs Jahre Flötenunterricht gehabt und in einem Orchester gespielt. Beide gingen fälschlicherweise davon aus, dass auch ich sechs Jahre Flötenunterricht gehabt hatte. Sie unterhielten sich angeregt und hörten nicht, dass ich eine Anfängerin war. Nach einem Monat wurde ich schriftlich aus dem Flötenunterricht entlassen. Begründung: Mangelndes Interesse und mangelnde Begabung.

 

Was tun? Ich hatte Glück. Der Leiter des Seminars wartete vor dem Hörsaal 101 auf Professor Moor. Er erinnerte sich noch an mich und freute sich, dass ich die Vorlesung von Moor besuchte. Er winkte ab: "Klopfen Sie morgen vor 8 Uhr an meine Bürotüre. Dann habe ich Zeit." Er schrieb einen Brief und ich wurde wieder meiner früheren Klavierlehrerin zugeteilt. Er gab mir die Erlaubnis, über Mittag im Singzimmer zu üben. Ich zuckte. Ich musste, ich wollte doch turnen. Er erklärte spontan: "Über Mittag ist von 12 -14 Uhr. Da bleibt ihnen genügend Zeit, um mit ihrem Schatz in der Mensa zu essen." Ahnte er, wie sehr ich mir einen Schatz wünschte? Ich wagte das Wort kaum auszusprechen. - Ich fuhr dann jede Woche per Autostopp nach Winterthur und erhielt nach einem Jahr die geforderte Note fünf.

 

Der Singlehrer vertrat die Überzeugung, alle Menschen sind des Singens fähig. Er gab allen eine genügende Note, so auch mir. Wer eine bessere Note wollte, hatte sich bei ihm zu melden. In vierer Gruppen konnten diese Strebsamen eine zusätzliche Prüfung machen: Zwei bestanden und zwei fielen durch. Doch er gab diesen weitere Chancen.

 

2018 - Ein Plädoyer für Langeweile
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2018 - Ein Plädoyer für Langeweile

2018: Ein Plädoyer für die Langeweile oder eine Hängematte für die Seele! Meine Lesenden überspringen Sie diesen Text bitte. Für mein Empfinden stimmt der Gedankengang, aber ich bin mit dessen stilister Umsetzung nicht zufrieden.

 

2018 – Einladung des Fördervereins der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen zu einem öffentliche Vortragsabend: Emotionen im Klassenzimmer – Referat und Gespräch. Der Referent, Thomas Götz, sagte viel interessantes. Er erwähnte u.a. und das faszinierte mich: „Langeweile ist die spannendste Emotion. Es ist die einzige Emotion, die sich abschwächt, wenn die Situation wichtiger wird.“ - Der Vortrag war für mich zu schnell. Ich war müde und blieb oft an einem Gedanken hängen oder nickte ein. -  Ich war hingegangen, weil ich in der Einladung die Frage: "Hat Langeweile auch positive Seiten"? entdeckt hatte. Rückblickend kann ich sagen, ich werde den Vortrag nicht vergessen, denn der "Langeweile" wurde endlich die Ehre erwiesen, die ihr geziemt. Langeweile ist verpönt! Niemand langweilt sich gerne. Langeweile ist und war aber das schönste meiner Gefühle. Langeweile, Zeit zum Verweilen, einfach sein, frei sein, nichts müssen, träumen, sich wohl fühlen, warten und sehen, wie ein Vogel vorbeifliegt. Vor diesem Vortag hätte ich nie gewagt anzudeuten, dass ich Langeweile geniesse. Immer die abgedroschenen Routine-Fragen: Wie geht es dir? Was hast du gemacht? Wo bist du gewesen? Was planst du? Fragen, die ich in Momenten der Langeweile nicht beantworten kann und beantworten will. Die Langeweile gehört mir. Langeweile kann ich nicht teilen, sonst verschwindet sie. Ich brauche sie, um mich zu erholen, um Kraft zu sammeln, um das Ziel des nächsten Schrittes zu finden. Ich hebe den Fuss - und - schon ist die Langeweile verschwunden, ich weiss nicht wie – ich mache den nächsten Schritt und sie ist vergessen. Ich vermisse sie nicht und ich kann sie nicht suchen. Ich kann einplanen, sie zu finden. In jenem Moment, Mitten im Tippen hatte ich einen Gedankenblitz. Ich fand eine Erklärung für die mir negativ angelastete Langsamkeit, für meinen angeblich mangelnden Willen schneller zu werden. Der Gedankenblitz: Ich gebe und nehme mir Langeweile und bleibe dran. In einem andern Wortding, ich plane genügend Zeit ein, um meine Sachen in Ruhe zu erledigen. Der Referent gab mir die Erlaubnis, Langeweile mit Freude als spannend zu erleben. Dafür bedanke ich mich bei ihm an dieser Stelle. Es lebe die Langeweile, die Quelle der Kreativität.  - Mein Mann hatte auch diesen Text freundlicherweise korrigiert, aber er teilte meine Meinung nicht.


Nachtrag: Passend zu Langeweile gibt es auch Tote Punkte, zwecklose Pausen, unbestelltes Land, Zwischenräume, Stillstand. Meine Lesenden verstehen Sie mich bitte richtig. Ich atme ein, Luft strömt in meine Lunge (1). Ich atme aus, ich blast die Luft aus der Lunge (2). Meines Erachtens liegt zwischen (1) und (2) ein Toter Punkt, ein Wendepunkt ähnlich wie bei einer Schaukel oder einem Pendel. - Der Dirigent hebt die Arme, die Musiker achten auf und warten auf den Einsatz. Die Zuschauer werden ruhig. Nach einer kurzen Pause, auf das Zeichen des Dirigenten setzen die Musiker ein. Auch das sind ein Wendepunkt. - Die Ernte ist eingefahren und das Feld liegt unbestellt vor uns. Was wird wohl angepflanzt? Ist eine Brache, eine lange Ruhe- und Regenerationsphase geplant? Kurzweilig - langweilig.      

2018 - Was macht das Internet mit mir?
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2018 - Was macht das Internet mit mir?

2018 Was machen Technik und Internet mit mir?

 

Meine Lesenden, ich versuche nun einen harten Teil, meiner 2018 gelebten Realität zu beschreiben. Wenn Sie Lust haben, überfliegen Sie diesen Abschnitt ebenfalls, denn fliegen ist so schön. Ich verteidige u.a. den "Sinn meines Lebens". Mein Mann und ich, wir finden ihn immer wieder im kleinen alltäglichen Selbermachen. Ich schreibe ein Lob auf Mühe und Anstrengung. Die Technik will mir alle Mühe abnehmen. Sie versucht mein Leben auszuhöhlen. Sie will mich fesseln, an sich binden. (Ein schönes Buch fesselt mich.) Etwas selber zu machen, wird zunehmend verpönt. - Mein Mann, technisch interessiert, will kochen und abwaschen. Er holt gerne das Gemüse im Garten. Er wäscht und reinigt unser Gemüse. Er macht viele Handgriffe, bis unsere beiden Teller nach der Mahlzeit wieder sauber im Kasten stehen. Er scheut die Mühe nicht. Er freut sich an seiner sinnvollen Aufgabe. Wir wissen, dass die Technik uns preisgünstige Fertig-Gerichte anbietet. Doch wir brauchen keine in bester Qualität und grosser Quantität, preisgünstig für die Einkaufszernten der ganzen Welt hergestellte Verpflegung. Wir finden Sinn im umweltschonenden Umgang mit der Natur. Diese Tätigkeiten erfüllen uns. Selbst das Tippen, das Kämpfen mit meiner Lebensgeschichte erfüllt mich und lässt mich die Zeit vergessen. Ich lebe mit der Vorstellung, etwas Sinnvolles für unsere Nachkommen zu machen.

 

Nun machen wir einen Sprung zu einer Reihe banaler Feststellungen: Das Internet macht mir Angst, weil ich nicht weiss, wie es finanziert wird. Es macht mir Angst, weil es mir dauernd ungebeten Vorschläge von andern Webseiten macht. Es will für mich entscheiden. - Es macht mir Angst, weil es meine Zeit beansprucht. Es versteht es, mich zu verleiten und von einer Webseite zur nächsten zu klicken. - Es will mich einsam und hässig machen, denn statt einer Antwort, einem Gespräch verweisen mich meine Mitmenschen auf das Internet. Ich werde allein gelassen. Ich denke an Sisyphus und seinen Stein (siehe Internet). Ich fühle mich in einem Teufelskreis gefangen. - Schaue ich in die Vergangenheit zurück, kann ich eine Kette entdecken. Unsere Gespräche können immer schneller, immer grössere Distanzen überwinden: Zu Beginn von Mensch zu Mensch ( = von Körper zu Körper, Mund zu Ohr), mit Feuer oder Trommeln ( = Übermittlung durch Signale an Teile des menschliche Körpers), mit Fahrrad oder Ruderboot ( = eine Reise zum andern aus eigener Kraft), im Auto oder Flugzeug ( = schnelle Reisen zum andern dank einem Motor), per Telefon ( = elektrische Impulse durch Drähte, keine Reise mehr, Verbindung durch den Draht), per Smartphones ( = mit Wellen durch die Luft, immer und fast überall). Diese Wellen sind unsichtbar. Diese Wellen sollen ungefährlich sein. Die von mir dem Netz anvertrauten Wellen, genannt Daten werden in Speicherstädten gelagert. Sie werden zur Handelsware. Meine Daten sind die Handelsware von Giganten. Werde ich gezwungen und verleitet Handelsware zu sein? Mit meinen Daten wird Geld verdient. Darum ist das Internet gratis.

 

Machen wir nun einen Sprung zum Thema Technik und Krieg und Macht. Ich bilde Wortpaare: Physik und Atombombe, Chemie und Giftgas, Biologie und biologische Waffen (siehe Internet), Internet und CyberWar. Was machen Technik und Internet mit mir?Nun drehen wir uns um 180°: Richtig und massvoll angewendet, kann alles Negative, Gefährliche lebensfördernd werden und Gutes bewirken. Als Optimistin bin ich davon überzeugt. Technik und Internet werden mir dienen. Ich wage daran zu glauben. Ich glaube an den Fortschritt. Technik und Internet bringen mir den Fortschritt. In ein paar Jahren wird ein kleiner, sympathischer Roboter meinen Haushalt führen. Fantastisch!

2018 - 15. September - Verunsicherung
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2.1.  Teil Zwei: Kantonsschule, Abteilung Lehramt – Teil zwei: Oberseminar.

2018 - 15. September - Verunsicherung
2018 15. September: Heute am dritten Sonntag im September feiern die anerkannten christlichen Kirchen der Schweiz traditionellerweise den eidgenössischen Dank-, Bus- und Bettag, kurz Bettag genannt. Meine Lesenden ich tue mir schwer damit, dass nicht mehr alle Einwohner wissen, was der Bettag ist. Im Google finden Sie viele Angaben dazu. Hoffentlich spüren Sie etwas von der Verunsicherung, die sich in mir hochschleicht, während ich diese Wörter tippe und darüber nachdenke. - "Verunsicherung" war das Thema des diesjährigen Bettages.
 
Gestern war mir  meine "grosse" Welt, die immer grösser zu werden scheint, einfach zu gross. Ich hatte ausgeschlafen, mir von meinem Mann das Frühstück servieren lassen und geplaudert - er schätzt das so! Dann war ich mit dem 8.47 nach Zürich gefahren. Die Mutter mit dem kleinen Malkom konnte ich nicht treffen, da die beiden einen ruhigen Tag verbringen wollten, um sich von einer Erkältung zu erholen. Terzas Telephon bat um einen spätern Anruf. Sie war beschäftigt. So fuhr ich allein zu "100 Ways of thinking", eine Veranstaltung der Universität Zürich in der Kunsthalle. Ich wusste nicht, was mich an der Limmatstrasse 270 erwarteten  würde. "Ausstellung, Experimentierfeld, Begenungsstätte in einem Laboratorium für Forschung, Kunst und Lehre," stand auf dem Proospekt. Was ist das? Ich war in einem der alten Industriequartiere aus dem Tram gesteigen: Graue Fasaden, breite Trottoirs neben Fahrbahnen ohne Fahrradstreifen mit Tramschienen, von drei Linien benutzt. Eine moderne Frau, die Stühle auf das Trottoir stellte und festband, half mir: "Die Kunsthalle ist etwas versteckt." Ihre Hand zeigte in die Gegenrichtung: "Über jene Metalltreppe hinauf, dann hinein und nach oben. Die Übersichtstafel ist drinnen." -  Eine grosszügige hohe Eingangshalle, schwarzer Plattenboden und weisse Wände empfingen mich. Die Kunsthalle war im dritten Stock. Aus Neugierde benutzte ich den Lift nicht. Ich war in einer fremden Welt. Im dritten Stock wollte ich mit dem Prospekt in der Hand nach der Kunsthalle Fragen. Ich wurde freundlich begrüsst: "Sie sind schon recht. Wählen sie ruhig einen Platz aus, die Antrittsvorlesung von PD Dr. David Czell beginnt punkt 10 Uhr.  Sie dauert bis 10.45. Alle sind zum anschliessenden Appéro im untern Stock eingeladen. Um 11:15 Uhr ist die Antrittsvorlesung von PD Dr. Farid Rezaeian." Die Empfangsperson gab mir ein Veranstaltungs-Verzeichnis und ich orientierte mich mit einem Rundumblick. Ich setzte mich auf einen der gelben Stühle, nahm die Brille aus der Tasche und las die Titel der Veranstaltungen. Die erste Antrittsvorlesen hiess: "Wenn es in den Muskeln zuckt - die Angst vor ... einer mir unbekannten Erkrankung ... ," die zweite: "Die moderne Kunst der ästhetischen Nasenrekonstruktion". Ich freute mich, denn mein Wunsch, einmal eine Antrittsvorlesenung zu hören, wollte gleich doppelt in Erfüllung gehen. Die Gäste wurden mit einem Hinweis auf den speziellen Ort begrüsst. Beide Redner wurden mit den Eckpunkten ihrer akademische Laufbahn, ihren Forschungen und Publikationen vorgestellt, und beide Professoren begannen mit einem historischen Rückblick auf ihr Tätigkeitsfeld sowie Anknüpfungspunkten im Alltag. Unter Muskelzuckungen und Nasenrekonstrutionen konnte ich mir zwar etwas vorstellen, aber beide Gebiete waren mir zu speziell. Die digitalen Darstellungen der Muskelzuckungen waren mir zu fremd und für seltene Krankheiten interessierte ich mich nicht. Die vergrösserten Nahaufnahmen aus dem Innern einer verletzten Nase waren mir zu blutig.
 
Wenn nach einer Viertelstunde ein paar Zuhörer aufstanden und sich den spärlichen Exponate zuwandten, schloss ich mich ihnen an.  Ich verstand diese nur mit Hilfe der sehr kleinenformatigen ergänzenden Texte. Erstes Beispiel: "Die Haut, das grösste Organ des Menschen" Zirka 20cm breite Streifen vom Boden zur Diele in verschieden Brauntönen veranschaulichten die Pigmentierungsstufen unserer Haut. Zweites Beispiel: Ein sonderbarer Kasten, spontan fiel mir der Vergleich mit dem Setzkasten eines Kindes ein. Auf meinen Wunsch hin machte ein junger Mann ein paar Photos von diesem Geräten und mailte mir diese. Es handelte sich um "Schreibmaschinen" aus China.  Um 11.45 machte ich mich auf den Rückweg. Ich schaute durch die verschiedenen offen Türen und spazierte im zweiten Stock an weiteren Exponaten und, da meine Hosen bereits etwas eng waren,  an den gediegen, lecker gedeckten Apéro-Tischen vorbei. Für die Galerie im ersten Stock blieb mir keine Zeit. Ich plante einen nächsten Besuch.
 
Auf einem schmalen Tisch eben dem Ausgang lagen Prospekte und ein Stapel der Zeitschrift "annabelle". Lektüre für im Zug dachte ich, steckte sie ein und ging weiter.  Wartend auf der Tramhaltestelle beobachtete ich zwei ?, sie rochen nach Alkohol. Meine Gedanken blieben nicht bei ihnen hängen, denn ich wollte vokusiert Sequent um Sequenz meiner Umgebung ansehen: Die Stilmischung der Gebäude, die Mitfahrenden, den Verkehr und später den Betrieb in der Bahnhofshalle. Ein Glück, mein Zug zum Flughafen stand schon bereit und lud mich zu einem Nickerchen ein." Später las ich in der "annebelle" einen Artikel über "Ritalin, ein Selbstversuch über die Wirkungen und Nebenwirkungen der beliebten Studenten-Aufputschdroge" und einen zweiten über "Böse! Die Kriminalpsychologin über Serienkiller, Psychopathen und die Abgünde in uns".
Nun in grossen Schritten weiter: Sohn, Schwiegertochter und Enkelinnen im Flughafen begrüssen, in die Arme schliessen und nach Zürich begleiten. Schlafen und lesen im Zug auf der Rück-, der Heimfahrt. Spaziergang durch das Quartierfest, eine Tasse Kaffee am Küchentisch, Spaziergang durch das Quartierfest auf den Munot zum Jubiläum 10 Jahre Friedenspfahl, Heimfahrt mit dem Bus, Zunachtessen und ins Bett plumsen.
 
"Verunsicherung" war das Thema des diesjährigen Bettages. "Verunsischerung"
2018 - 15. September - Quartierfest
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2018 - 15. September - Quartierfest

15. September 2018 Quartierfest

 

Mit Schreiben vom 28. Mai hatte das Organisationskomitee des Quartierfestes Sponsoren gesucht und zur Mithilfe aufgerufen. Ich trug den Termin in meinen Kalender ein und freute mich. „Hingehen und geniessen“ war mein Plan. Was konnte ich beitragen? Was? Das Familiengärten-Areal grenzte ans Festgelände. Deshalb hatte ich auf das vor ein paar Jahren durchgeführte Fest gezielt zusätzliche Schnittblumen angepflanzt und zu einem Besuch in meinem Garten eingeladen. Ich sass auf meinem Stuhl und wartete, doch niemand kam. Ich stand auf das Trottoir und offerierte den Gästen meine Blumen. Doch alle gingen zum Quartierfest. Was tun? Ich schnitt die Blumen: Vier Sträusse verteilte ich anderntags an die Gottesdienstbesucher und drei brachte ich in ein Altersheim. - Was konnte ich dieses Jahr beitragen? In ausgedienten Blumentöpfen zog ich Sonnenblumensetzlinge. Eine Reihe Sonnenblumen, welche die Strasse säumt, das wird die Festbesucher sicher erfreuen. Die Gärten, die an die Strasse grenzten, hatten neben einer Elektrovelo-Fahrerin und uns ein portugiesisches und türkisches Ehepaar gepachtet. Die Dame mit dem Elektro-Fahrrad interessierte sich nicht für mein Projekt. Die beiden andern Parteien verstanden kaum Deutsch, doch sie freuten sich über mein Angebot. Sie waren sofort bereit meine Sonnenblumen-Setzlinge zu pflanzen. Während dem trockenen Sommer gossen sie die flott wachsenden Pflanzen regelmässig, und Sonnenblumen blühten rechtzeitig für das Quartierfest. Wenn ich Passanten oder Kinder ansprach, freuten sich diese mit mir.

 

Für den 15. September hatte ich schliesslich vieles eingetragen. Am Morgen, als ich zum Bahnhof marschierte, war vom Quartierfest noch wenig zu sehen. Im Laufe des Nachmittags fuhr ich mit dem Bus heim und zwar eine Haltestelle weiter. Das Fest hatte angefangen. Ich durchquerte das Festgelände. Auf dem Hartplatz standen in und vor einer kleinen Festhütte verschiedene Verpflegungsstände: Kuchen wurden zerschnitten, Salat gerüstet und Reis für das Abendessen vorbereitet. Ein paar Familien tranken etwas und die Kleinen spielten am Boden. Sie suchten auf allen Vieren die Weite und die Väter holten sie zurück. Grössere Kinder spielten mit einer Grossmutter „fange mich“. Ich schaute herum, verschiedene Gesichter waren mir bekannt. Auf der andern Seite der Strasse spielte eine Gruppe Schulkinder – Knaben und Mädchen gemischt – Fussball. Der Schiedsrichter pfiff, verteilte gelbe, sogar rote Karten und wechselte Spieler aus. Im Schatten eines grossen Baumes stand das Spielmobil und die Betreuerinnen trafen letzte Vorbereitungen. Dann spazierte ich an meinen Sonnenblumen vorbei und trank am Küchentisch mit meinem Mann eine Tasse Kaffee. Er hatte keine Lust, mich zum Fest zu begleiten. Deshalb beschloss ich, nochmals durchs Fest zu spazieren und am Ritual „Zehn Jahre Friedenspfahl“ teilzunehmen. Die Aktivitäten rund um das Spielmobil waren nun voll im Gang: Schminken, Seifenblasen, Kugelbahn, Strassenkreide, Bälle, Brett- und Kartenspiele. Viele Kinder waren eifrig dabei und ältere Frauen schauten zu. Ich sass eine Weile am Abhang im trockenen Gras und freute mich am emsigen Betrieb. In ein paar Jahren gibt es hoffentlich das nächste Quartierfest.

2018 - 15. September - Zehn Jahre Friedenspfahl, einer von 250000.
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2018 - 15. September - Zehn Jahre Friedenspfahl, einer von 250000.
Es gab seit langem einen Friedenspfahl auf dem Munot. Ob ihn wohl jemand beachtete? Vielleicht notgedrungenermassen. Der Standort war günstig, in der Nähe des Spielplatzes, neben dem mit Platten belegten Weg, ca. fünf Meter vor der öffentlichen Toilettenanlage. Am 15. September 2018 wurde in der lokalen Zeitugn zu diesem Friedenspfahl für die Zeit zwischen 17 und 18 Uhr zu einer Meditation und einem Ritual für den Frieden eingeladen. Mein Tag war bereits vollgepackt gewesen. Doch der freundliche Abend lud mich ein. Ich spazierte hin. Müde setzte ich mich beim Treffpunkt ins sehr trockene Gras. Gegen 20 Menschen waren dem Aufruf gefolgt und versammelten sich rund um ein liebevoll gestaltetes Mandala. Einige der Anwesenden kannte ich flüchtig. Die vier Frauen vom Abendgebet für den Frieden war alle da. Eine von ihnen war die Mutter von Max, der die Zeremonie eröffnete. Er las einen Text von Black Elk, einem Indio: "Der erste Friede, der wichtigste, ist der, welcher in die Seele der Menschen einzieht, wenn sie ihre Verwandtschaft, ihre Harmonie mit dem Universum einsehen und wissen, dass im Mittelpunkt der Welt das grosse Geheimnis wohnt und dass diese Mitte tatsächlich überall ist. Sie ist in jedem von uns - dies ist der wirkliche Friede, alle anderen sind lediglich Spiegelungen davon. Der zweite Friede ist der, welcher zwischen Einzelnen geschlossen wird. Und der dritte, ist der Friede zwischen den Völkern. Aber vor allem sollt ihr sehen, dass es nie Frieden zwischen Völkern geben kann, wenn nicht der erste Friede vorhanden ist, der - wie ich schon sagte - innerhalb der Menschenseelen wohnt!"

Langsam, mit Bescheidenheit und Achtsamkeit hatte Max diesen Text vorgelesen. Gut, dass es diese Feier gab. Mit Dankbarkeit für einen Tropfen Frieden im Ozean der Kriege döste ich vor mich hin. Dann horchte ich auf. Max erwähnte: "Circa 250'000 solcher Friedenspfähle wurden bereits in fast allen Ländern der Welt aufgestellt. Man findet sie in Tempeln, Kirchen, Klöstern, Stadtzentren, Universitäten, Schulen, Gärten, aber auch bei der UNO, im Pentagon, bei der OPEC, bei der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien, bei der Arabischen Liga in Kairo und vielen Orten mehr. Friedenspfähle fungieren als stummes Friedensgebet und ermahnen uns, stets den Frieden zu visualisieren und für möglich zu halten. Sie werden auch als Friedensakupunktur für die Erde bezeichnet. Die 2,50 m hohen Friedenspfähle aus Lärchenholz tragen auf allen Seiten in mehreren Sprachen die Aufschrift "Möge Friede auf Erden sein". Meine Lesenden, weitere Informationen finden Sie unter www.woldpeace.de > projekte > Friedenspfähle oder über Google Friedenspfahl. Die Mutter von Max erzählte mir später, Max habe zu seinem 50sten Geburtstag zu einen grossen Fest auf dem Munot eingeladen und als spezielles Zeichen diesen Friedenspfahl errichten lassen. Er habe ihn in Deutschland bestellt, und die Stadtgärtnerei hat den ca. 2.50 hohen Pfahl aus Lärchenholz auf den Wunsch von Max in der Munotanlage gesetzt. Im Tourist-Office werde gelegentlich darnach gefragt. Der Pfahl trägt vier Sprachenschilder, die aus sehr hochwertigem Acrylglas bestehen und daher jahrelang im Freien stehen können ohne sich zu verformen oder zu vergilben. Die Inschrift lautet, ich wiederhole mich „Möge Frieden auf Erden sein“. Die Schilder können im WPPS Büro in allen Sprachen der Welt bestellt werden. Für die Erstellung eines Sprachschildes in einer bisher unbekannte Sprache ist der Text als pdf.file einzureichen." Ich staunte. Max war nun zehn Jahre älter, und er hatte deshalb zu dieser Feier eingeladen.

Petra, die Schwester der Sängerin unter uns vier Frauen von Abendgebet, hatte ein Mandala vorbereitet. Ein helles, rundes Tuch mit einem Durchmesser von ca.2.50m war gleichmässig mit Sand bedeckt. Sand ist ein sehr bewegliches, reines Erdenmaterial und der Quarz darin macht die Verbindung zur himmlischen Macht des Lichtes. Auf diese Füllung hatte sie sorgfältig viele kleine Gegenstände gelegt und deren Symbolkraft sie mit leiser Stimme angedeutet. Die Symbolkraft werde je nach Kultur unterschiedlich empfunden. Die innere Orientierung an der Vielfalt der Mandala-Symbole könne gar nichts anderes, als Frieden zu Folge haben. Petra orientiert sich u.a. am Buch "Das grosse Lexikon traditioneller Symbole" von J.C. Cooper. Ihre kurzen Pausen und die Mantra-Gesänge ihrer Schwester schenkten mir eine wohltuende Ruhe. Gegen Ende verabschiedete ich mich mit einem Handzeichen und fuhr mit dem Bus heim, wo mich ein bunter Salatteller erwartete. Später tranken wir ein Glas Wein. Bald schlief ich mit dem Gefühl einer wohltuenden Ruhe ein.
Kartonage, Wandtafelschreiben und die Abschlussarbeit Heimatkunde
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Kartonage, Wandtafelschreiben und die Abschlussarbeit Heimatkunde

Kartonage, Wandtafelschreiben, Abschlussarbeit Heimatkunde

In der Begrüssung durch den Leiter des Oberseminars wurde uns u.a. erklärt, Sinn und Zweck des Vorkurs sei es, die zwischen dem Stoff der Kantonsschule und des Unterseminars bestehenden Lücken zu schliessen. Pädagogik, Didaktik und Psychologie gehörten nicht zum Stoffplan der Kantonsschule. In diesen neuen Fächern hatten wir aufzuholen. Was das hiess und wie das geschehen sollte, missverstand ich. Ich ging davon aus, es handele sich um Unterricht, um Wissensvermittlung wie dies in der Kantonsschule in den Sprachfächern, in Geschichte oder in den Naturwissenschaften geschehen war. 

Herr Pfenninger, ein älterer behäbiger Herr, der sich erstaunlich behende bewegte, unterrichtete uns im vierten Stock in einem der vielen Gebäude der Kantonsschule Kartonage und Wandtafelschreiben. Zusätzlich betreute er die Abschlussarbeiten im Fach Heimatkunde. (Einschübchen, die Schreibende zweifelte, ob er für diese drei Fächer die 2018 erforderlichen theoretischen Qualifikationen besass. Er betonte nämlich 1963 häufig: „Ich habe in all den Jahren festgestellt, dass sich dies bewährt.“ Grosszügig konnte er auch sagen: “Ich verstehe ihren Vorschlag. Ich glaubte auch lange, das würde klappen, aber schliesslich musste ich einsehen, dem war nicht so. Mein Rat: Unterrichten zu Beginn nach der bewährten Art. Verschieben sie Experimente auf später.“ Solche Sätze tönen nach langjähriger Erfahrung oder „leaning by doing“ und nicht nach dem erforderlichen Diplom. Ende Einschübchen) Die ersten Male fand ich den Raum nur dank Neri. Herr Pfenninger erreichte den Raum gleichzeitig mit uns. Er kam keuchend in den vierten Stock und schimpfte: „Das nennt man Zimmerwechsel! Bis jetzt waren wir im Keller und jetzt fünf Stockwerke höher. Nun verstehe ich, warum mein Unterrichtsmaterial weg musste. Hier steht es, verpackt neben der Türe.“

 

Bei Regenwetter liessen uns anfangs der 50er Jahre die Nähschullehrerin und der Primarlehrer Papier und Karton schneiden und damit kleine Häuser kleben. Diese durften wir anschliessend daheim nach belieben anmalen und verzieren. Keine Feldarbeit, denn es regnete, und die Eltern liessen uns basteln oder halfen sogar. Beide lachten: „Wir nennen das Basteln, in der Stadt heisst das Kartonage.“

 

Erst Jahre später verstand ich, dass Herr Pfenninger in seinem Kartonage-Unterricht zwei Ziele verwoben hatte. Wir sollten persönlich die neusten Techniken in Sachen Kartonbearbeitung (schneiden, falten, leimen) und Papierfärben lernen. Gleichzeitig zeigte er uns exemplarisch, wie Lehrer Kartonage in der Unter- und in der Mittelstufe unterschiedlich zu unterrichten hatten (den Kleinen musste jeder Arbeitsschritt sorgfältig gezeigt werden, die Älteren brachten Vorkenntnisse mit). Diese Mischung der Ziele hatte ich nicht durchblickt. Ich meinte, er wolle uns in der "Kartonage" Kartonage beibringen. Dass wir u.a. hübsche Tüten und Schachteln anfertigten, freute ihn zwar, aber das war lediglich ein Nebenprodukt. Ich spürte klar, er wollte uns etwas anderes veranschaulichen, aber ich verstand nicht was. Er teilte uns häufig in Gruppen ein. An diesem Punkt begann mein Missverständnis. Gruppen unter uns gleichartigen Seminaristen, wozu? Das verstand ich nicht. Ich verhielt mich ruhig und ahmte die andern Gruppenmitglieder nach. - In der Primarschule, anfangs der 50er Jahre hatten wir häufig in Gruppen gearbeitet. Der Lehrer hatte uns damals die Aufgabe genau zugeteilt und wir wussten, wie diese zu lösen war. Ziel war, dass die besseren Schüler den Stoff wiederholten und den Schwächeren erklärten, sie unterstützten und ihnen zeigten, was sie nicht verstanden. - 1963, im Vorkurs zum Seminar verstand ich im Fach Kartonage erst nach einigen Wochen, dass wir lernen sollten, „es würden mehrere Weg nach Rom führen“. Rom hatte nicht Rom zu sein. Das Ziel und der Weg, die Art, die Methode, um das Ziel zu erreichen, beides konnten ausgewechselt werden. Auf dem Bauernhof hatte ich manche konkrete Erfahrungen mit dem Satz „es führen viele Weg nach Rom“ gesammelt, und ich hatte oft mit dem Vater darüber gesprochen. Er erblickte in dieser Flexibilität den Grund seines beruflichen Erfolges. Nachdem ich diesen Vergleich machen konnte, fiel es mir leichter, „undurchsichtig erscheinende“ Situationen mit Ruhe zu beobachten. - Unterdessen näherte sich Weihnachten, und wir durften Dekorationen für den persönlichen Bedarf basteln. Im Januar stand uns das Zimmer nicht zur Verfügung, der Unterricht fiel aus. In den Sportferien hatte Herr Pfenninger den Arm gebrochen. Bald war Frühling und der Unterricht in Kartonage wurde abgeschlossen. Wer später Kartonage als Fach unterrichten wollte, der konnte in den Frühlings- oder den Herbstferien einen Blockkurs von einer Woche besuchen. 

 

Im ersten Semester des Oberseminars unterrichte uns Herr Pfenninger Wandtafel schreiben. Ich verstand, wieder ein Doppelziel "persönliche Fertigkeit" und "Didaktik des Schreibens". Gross auf der Wandtafel zu schreiben, wollte geübt sein. Mit etwas Planung konnte der Unterrichtsstoff leicht übersichtlich dargestellt werden. Das verstand ich mühelos und ich fühlte mich sicher. Unser Primarlehrer hatte häufig mit einer Wortgruppe in der Tafelmitte oder in einer Ecke begonnen, den Text während dem mündlichen Unterricht ergänzt und in der Pause abgeschlossen. Die Didaktik des Schreibens kannte ich auch. Mit Spass hatte ich damals beobachtet, wie unser Primarlehrer den Unterstufenschülern die Formen der Buchstaben erklärte und zeigte. Mit dem Griffel in der Hand hatten sie diese mit zügigen, grossen Bewegungen in die Luft zu schreiben. Manchmal durften wir auch alle mit Kreide auf dem Pausenplatz üben, die Kleinen Buchstaben, die Grossen schwierige Wörter wie endlich, nämlich oder sonst.

 

Zur Erreichung des Fähigkeitsausweises hatten wir im letzten Semester eine Arbeit in Fach-Didaktik zu schreiben. Das Fach und Lehrer wurden uns per Los zugeteilt und der Lehrer formulierte das Thema. Herr Pfenninger war mein Mentor, das Fach hiess "Heimatkunde" und das von Herrn Pfenninger bestimmte das Thema lautete "Der Irchel". Er erklärte mir dazu ergänzend, er habe die Überschrift "Irchel" gewählt, weil mein Bürgerort am Fusse des Irchels liege. Das stimmte. Ich kannte die Gegend rund um den Irchel. Ich war mehrmals über den Irchel gewandert. Ich erklärte meinem Mentor meine Bedenken, wir hätten in der Primarschule gelernt, der Irchel sei kein spektakulärer Berg. Zwei kleine Flüsse begrenzen ihn: Gegen Süden die Töss, gegen Norden die Thur. Beide mündeten in dem Rhein, der im Kanton Schaffhausen nach Süden und nach der Mündung der Töss erneut Richtung Westen dreht, bevor er nach Basel die Schweiz Richtung Norden verlässt und dem Meer zu fliesst. Er liess sich nicht umstimmen, ich hätte genügend Zeit, um mich in den Weihnachtsferien umzusehen. Selbst mit seiner Unterstützung fand ich in der Bibliothek kein Buch. Ein einziges, erschienen 1890, wurde erwähnt. - Wie jedes Jahr holte im Advent ein Bekannter des Vaters einen Liter gebranntes Wasser für die Festtage. Er erkundigte sich regelmässig nach dem Gang meiner Ausbildung zur Lehrerin. Dies interessierte besonders dessen Vater, der viele Jahre Lehrer gewesen war. Der alte Mann hatte mir in zügiger Schrift einen Brief geschrieben und mir seine alten Bücher angeboten. Diese standen seit dem Ende seiner aktiven Zeit auf dem Estrich. Mein Vater beauftragete seinen Bekannten seinen alten Vater nach Büchern zum Thema Irchel zu fragen. Inmitten seiner Bücher fanden die beiden das gesuchte Buch. In alter Schrift, verblichen und in schlechtem Zustand, denn das Buch war auf dem Estrich gelegen und drüber war das Dach nicht ganz dicht. Er liess es mir schicken. Er betonte, zu diesem Thema gebe es kaum Material. Deshalb rief ich die Gemeindekanzleien aller Irchelgemeinden an. - Im Herbst 1963 warnte die Bauernzeitung vor der Maul- und Klauenseuche. Über 1000 Tiere seien in Holland notgeschlachtet worden. Nun näherte sich die Seuche langsam der Schweiz. Anfangs Dezember wurden Fälle aus den Kantonen Basel und Aargau gemeldet. Es wurde von Reisen abgeraten. Wir hatten frühzeitig und noch zu einem günstigen Preis einen grossen Vorrat von Sägemehl gekauft. Weihnachten kam näher und die Maul-und Klauenseuche wurde das grosse Thema. Der Vater hatte sein Versprechen, mich in den Weihnachtsferien sein Auto für Besuche in den Gemeinden rund um den Irchel benützen zu lassen, zurückgezogen. Wenig später hatte der Gemeinderat vorsichtshalber ein allgemeines Reiseverbot verhängt. Vor den Dörfern wurden die Strassen mit einem 2 m breiten ca. 10 cm dicken Sägemehlstreifen abgedeckt, was die Einschleppung des Erregers verhindern sollte. - Niemand war bereit, mit mir über meine Didaktikarbeit zum Thema "Irchel" zu sprechen. Die Maul- und Klauenseuche beschäftigte die Gemeindekanzleien. Die Gemeindepfarrer hatten sich um die Ängste und Sorgen ihrer Schäfchen zu kümmern. Mitte Januar gab ich die geforderte Mindestzahl von 15 Seiten ab. Ich hatte über meine Hindernisse bei der Stoffsammlung und das alte Buch geschrieben. Die vier schriftlich vorzubereitenden Lektionen widmete ich je einem der drei Flüsse und die vierte dem Thema Wald. Spärlich, doch genügend, Note 4 lautete die Bewertung.

 

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Didaktik des zeichnerisches Gestaltens

Didaktik des zeichnerischen Gestaltens

2018: Beginnen wir mit drei Vorbemerkungen. Ich zeichnete kaum. Ich scheute sogar davor zurück. Es gab zwei Ausnahmen. (1) 1995 war in unserem Vorgärtchen in Richtung Strasse ein Strauch eingegangen. Mit dem vagen Gefühl er könnte noch zu etwas dienen, hackte ich ihn nicht ab. Ich verlangte sogar, dass dieses dürre Ding stehen blieb. - Nach dem Überfall und dem Massaker in Srebrenica im Frühsommer 1995 erfasste die Bevölkerung eine allgemeine Empörung. Ich wollte ein Zeichen der Hoffnung setzen. Wie? Womit? Wenn ich das Haus betrat oder verliess, fiel mein Blick auf den toten, blätterlosen Busch. - Zu meiner Gefühlslage passend, begleitete mich eine isolierte Verszeile: Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt … . (Einschübchen: Ich wusste nicht, dass diese Zeilen der Anfang der Nationalhymne der DDR war. Ein schöner Text für eine Nationalhymne. Lesen Sie ihn bitte einmal im Internet nach.) Dann traf mich der Gedankenblitz. Einem vorübergehenden Kindergartenkind hatte sich das Pflästerli vom Finger gelöst. Es jammerte. Schnell holte ich Ersatz. Da lag noch eine alte, nutzlose Binde. Ich steckte sie ein. Die Kriegsverwundeten tauchten vor meinen Augen auf, und ich sah meinen verdorrten Strauch. Ich griff nach einem steifen Zweig und umwickelte diesen mit der alten Binde. Eine Passantin blieb verwundert stehen. "Mit diesem Verband zeige ich meine Anteilnahme mit den Kriegsopfern," erklärte ich ihr. Wenig später brachte sie mir eine Plastiktüte mit allerhand Verbandsmaterial. Im Keller lag noch ungebrauchter, weisser Stoff. Ich zerriss diesen in Streifen. Jeden Tag umwickelte ich weitere Zweige. Glich mein Strauch nun nicht einer Gruppe von Verletzten? "Freut euch doch! Ihr habt überlebt! Das Rote Kreuz hat eure Wunden versorgt,“ sagte ich zu dem sonderbaren Strauch. "Was soll das? Wie heisst ihr Kunstwerk?" fragten Vorübergehende. Ich fühlt mich aufgefordert, einen Titel zu finden. "Frauen tanzen für den Frieden" schien mir passend, und mit diesem Titel konnte ich leicht weiterarbeiten. Die dürren Zweige wurden zu Figuren, die sich die Hände reichten. Steine dehnten die Äste nach aussen, und die Frauen konnten einen Kreis bilden. Sie tanzten gemeinsam für den Frieden. Ich bastelte eine Anschrift. Viele Vorübergehende blieben stehen. Zwei Photografen läuteten und baten um die Erlaubnis, meine "Installation" aufzunehemen.

 

Machen wir einen Sprung zu den Sprayern: (2)Warum müssen nachts neue Wände "verschmiert"werden? empörten sie viele. "Ich würde auch gerne so etwas machen," ärgerte ich meinem Mann. "Die könnten doch Abbruch-Objekte besprayen," schlug er vor. Das fand ich eine gute Idee. Wir planten unser Haus neu verputzen und frisch streichen zu lassen. Warum nicht vorher auf eine der Wände ein Labyrinth malen? Mein Mann bezweifelt mein Können, aber er willigte ein: "Nächsten Frühling verschwindet es wieder." Ausgelöst durch die Kriegswirren in Jugoslawien hatte ich mich für Labyrinthe interessiert und in der Bibliothek Bücher zu diesem Thema geholt. Was ich malen wollte, war klar, aber wie? Wir hatten die Handwerker, den Maurer und den Maler für das kommende Jahr bereits ausgewählt. Der Maurer war bereit, mir für mein Projekt ein kleines Gerüst aufzustellen. Er beriet mich auch betreffend die Farbqualität. Wir besprachen die Ausführung mehrmals, und ich zeigte ihm meinen Entwurf. Er liess mich Farbe und Material über seine Firma beziehen. Zur Arbeit: Ich stieg mit einer Leiter auf das Gerüst und bestimmte die Mitte meines Labyrinths. Dort schlug ich einen Meissel in die alte Wand. Mit Hilfe einer Schnur gelang es mir, konzentrische Kreise zu ziehen. Ich schaffte es, aus den Kreisen auf die schadhafte, beige Wand die ruhige Form eines Labyrinths zu skizzieren. Mein Berater war zufrieden. “Jetzt aber Farbe, viel Farbe. Schwarz und verschiedene Brauntöne,“ ermunterte er mich. Am Mittag war schönes Wetter. Eine Schachtel mit Farbtuben stand auf den Gerüst bereit. Meine Frauen, die im Vorgarten gemeinsam für den Frieden tanzten, interessierten mich mehr. Viele Tage eilte ich an ihnen vorbei und stieg aufs Gerüst. Ich strich zehn Minuten kräftig Farbe auf meine Skizze, dann kletterte ich nach unten und schaute meine Arbeit aus einer Distanz von 10, 15 Metern an. Ich kam langsam vorwärts, aber ich war zufrieden. Der Maurer war positiv überrascht. Das Labyrinth hatte einen Durchmesser von ca. 6 Metern und alles in allem eine Höhe von gegen 10 Metern. Als das Haus im kommenden Jahr neu verputzt wurde, bedauerten die Chauffeure der öffentlichen Busse, dass es verschwand.

 

(3) Ausgelöst durch Besuche, Vorträge und Führungen in den Hallen für moderne Kunst, wollte ich im kommenden Jahr mit dem Bauschutt unseres Hauses den Gartenstreifen in Richtung Strasse grosszügig umgestalten. Mein Mann willigte nicht ein. Doch die Idee blieb haften. Immer wieder suchen meine Augen in meiner Umgebung nach zufälligen "Kunstwerken". Da meine beiden ersten Werke beachtet und oft photographiert worden waren, wollte ich mich an einem Ideen-Wettbewerb zur Gestaltung des Umfeldes einer Autobahnbrücke am Stadtrand beteiligen. Ich bekam keine Antwort. Nicht einmal die Teilnahmebedingungen wurden mir zugestellt. „Es sind nur Leute mit Rang und Namen gefragt,“ tröstete mich mein Mann. Ich verschob meine künstlerische Tätigkeit grosszügig in die Zeit nach der Pensionierung.

 

Nun endlich zum Thema: Im Gegensatz zu „Didaktik der Leibesübungen“, zu „Gesang und Instrumentalspiel“ wurde die „Didaktik des zeichnerischen Gestaltens“ im Fähigkeitszeugnis für Primarlehrer nicht erwähnt. Es gab keine Note. Niemand sprach davon. Schade, ein paar wenige Stunden hatten zu genügen. Ich habe sehr viel gelernt. - "Alles hat einen Anfang und ein Ende. Alles ist in Bewegung. Die Welt begann mit dem Urknall," mit diesen oder ähnlichen Worten leitete Herr Amrein, unser damaliger Zeichenlehrer seine Stunden ein. Auf dem Tisch vor ihm stand ein Gläschen mit Samen. Er zeigte auf den Apfelkern in seiner Hand und begann zu zeichnen: „Aus diesem Punkt wird ein Baum.“ Seine Kreide kreiste an Ort. Staub fiel zu Boden. Er fuhr weiter: „Im ersten Jahr wächst ein langer Trieb,“ er zog eine Linie nach oben. Dann setzte er die Kreide zurück zum Ausgangspunkt, zum Apfelkern. Er zog die Kreide wieder langsam noch oben und erklärte: „Wasser wird durch den Trieb hochgezogen und er teilt sich in zwei Zweige. Jetzt wandern Nährstoffe von unten nach oben, es gibt eine weitere Vergabelung … Drei Astenden und drei Linien von unten, aus dem Boden“ er wiederholte diesen Vorgang und betonte: „Jede Linie muss unten ansetzen, der Baum wächst mit der Kraft aus dem Boden. Der Stamm wird dicker, die Hauptzweige werden kräftiger und es gibt mehr und mehr dünne Ästchen. Zeigen sie den Kindern wie ein Baum, eine Pflanze organisch wächst.“ Seine Ausführungen überzeugten mich. Gebe ich den Pflanzen Dünger und Wasser, so können sie viel nach oben transportieren und wachsen schnell. Mangelt es ihnen an Wasser, wie im 2018 Sommer, wachsen sie kaum, sie lassen die Blätter hängen und die schwächeren gehen ein. Hatte ich Musse, malte ich in Gedanken Bäume bei Wind und Regen, Bäume bei Sonne und Bäume im Schnee. In den wenigen Stunden bei Herrn Amrein entstand u.a. ein Wald. Alle Seminaristen schnitten ihre Bäume aus und klebten sie an die Wandtafel, die grossen vorn, die kleinen hinten. Meine Lesenden, noch zeichne ich kaum, aber wenn ich meine Lebensgeschichte fertig getippt habe, wenn ich kein Gemüse mehr pflanze und nicht mehr in den Kongo reise, dann werde ich Wälder malen.

Dann war es vorbei
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Dann war es vorbei

2018 – ich hatte mehrere ehemalige Kameradinnen ausfindig gemacht und mit ihnen telefoniert. Sie erinnerten sich an die Übungsschule, an die Praktika und Vertretungen. „Nein, an weiter nichts. Es ging alles schnell. Ich freute mich auf das Schule geben,“ lauteten ihre mehr oder weniger identischen Antworten. Ich fragte nach Details. Alle hatten das Schülersein satt und sie freuten sich auf die erste eigene Klasse. Ich blieb in Sorge. Die Einklassenschule war mir weiterhin fremd. Wie sollten vierzig Kinder den selben Stoff in der selben Zeit lernen? Neri war verheiratet. Sie hatte eine kleine Tochter. Ich hatte keinen Freund gefunden. Das war nicht Thema meiner ehemaligen Klassenkameradinnen. Sie freuten sich zu jener Zeit auf das selbständige Unterrichten, ich wartete den ersten Lohn. 

Die Fähigkeitszeugnisse wurden uns vermutlich im St. Peter übergeben. Die Abschiedsrede war enttäuschend. Ich dachte immer an die Maturrede von Hans Mast: „Vergesse nie die Träume deiner Jugend.“ Im Irchelhof war das Abschlussfest. Es kamen nicht alle. - Dann war es vorbei.

2018 - 27. Oktober - endlich der langersehnte Landregen
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2018 - 27. Oktober - endlich der langersehnte Landregen

2018 27. Oktober – endlich der langersehnte Landregen

 

Der Schiffsbetrieb auf dem Rhein hatte wegen des niedrigen Wasserpegels weitgehend eingestellt werden müssen. Folglich konnten u.a. keine Erdölprodukte mehr auf dem Wasserweg von Rotterdam nach Basel transportiert werden. Die für solche Situationen vorgesehenen Vorräte waren aufgebraucht. Die Notvorräte mussten angebrochen werden, so flächendeckend war die Trockenheit. Viele Bäume hatten bereits im September notfallmässig einen Teil ihrer Blätter abgeworfen. Einzelne Gemeinden riefen zum sparsamen Umgang mit Wasser auf. Wo fanden die Tiere Wasser? Reichten den Milchbauern die Heuvorräte für den Winter? Die Kartoffeln und die Äpfel hatten nicht die vom Markt verlangte Grösse. Viele Kartoffeln wurden zu Tierfutter und viele Äpfel zu Apfelsaft verarbeitet. Es war ein guter Jahrgang für den Wein. 35 kg Trauben transportierten mein Mann und ich in Rucksäcken und Taschen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in eine Weinkelterein im Kanton Bern. Mein Mann hatte freundlicherweise Tag für Tag mit der Giesskanne unseren Garten gegossen. Dank dessen hatten wir eine Superernte.

 

Während den Sommermonaten und im Frühherbst war häufig für das kommende Wochenende Regen prognostiziert worden. Doch die entsprechende Kaltfront schwächte sich ab. Es regnete nicht. Es blieb trocken. Wie vorhergesagt, setzte jedoch am 27. Oktober zur Frühstückszeit tatsächlich ein sanfter Regen ein. Er dauerte den ganzen Tag. Richtiges Wetter für einen Museumsbesuch. - Der Schweizer Medien- und Installationskünstler Yves Netzhammer (siehe Internet) zeigte sein aktuelles Schaffen in seiner Heimatstadt. Als Hauptdarsteller und Alter Ego des Künstlers trat ein Narr in der Tradition des spätmittelalterlichen Till Eulenspiegel auf. Als Spassmacher nahm er humorvoll, fröhlich aber auch ernsthaft seine gesellschaftskritische Rolle wahr. Weiter reagierte Netzhammer mit punktuellen Interventionen im ganzen Universalmuseum auf die Objekte der Dauerausstellungen, z.B. bei den Höhlenbewohnern im Kesslerloch, in der Nähe der Grabplatten der Klostergründer von Nellenburg oder neben dem Holzfäller von Ferdinand Hodler. Ich kannte alle diese Ausstellungsgegenstände und fand es witzig, wie Till Eulenspiegel sie besuchte. - In der Naturhistorischen Abteilung bewunderte ich in einer aufgelegten Zeitschrift die Stubenfliege und erfuhr, was diese für ein Wunderwerk der Natur ist. Und im Museumskaffee trank ich keinen Kaffee, sondern las einen Artikel – ich wollte nicht glauben, dass es das gab - über Kinderbücher, gedruckt zur Zeit des Ersten Weltkrieges über eben den Ersten Weltkrieg. Hoffentlich schaffe ich es, solche Kinderbücher im Original zu sehen. Draussen regnete es weiter und die gebündelt bereitgestellten, nassen Zeitungen waren eingesammelt worden.

 

Im Laufe des Tages fielen 16 mm, über Nacht 20mm und nächsten Tag 6mm. Die Erde hatte Zeit, das Wasser aufzunehmen. Die Temperatur sank auf 4 Grad. In der Bergen fiel der erste Schnee. Die Natur konnte sich erholen und die Stadtbewohner begann bereits über das schlechte Wetter zu klagen.

 

2018 - 29. Oktober - Drillinge
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2018 - 29. Oktober - Drillinge

2018 29. Oktober – eine Randnotiz in der Zeitung. Kira Walkenhorst, Olympiasiegerin im Beachvolleyball 2016 in Rio de Janeiro ist mit Maria Kleefisch verheiratet. Ah, die beiden Frauen sind ein lespisches Paar, ich brauchte eine Weile. Gemäss Zeitungsmeldung ist die Ehefau Maria Kleefisch seit dem 25. Oktober 2018 Mutter der Drillinge Emma, Pepe und Mo. So wurde auch die zweite Frau, gemäss der Überschrift über der Meldung. Kira Walkenhorst Mutter von Drillingen.

Meine Lesenden, eine weitere ungewöhnlichen Meldung. Sie zeigt mir, wie sehr sich die Welt verändert hat. Ich werde alt. Nachdenklich verabschiede ich mich von Ihnen mit herzlichen Grüßen.

2018 - 9. November - Spendenaufruf
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2018 - 9. November - Spendenaufruf

Meine Lesenden, Sie sind immer wieder meinem Interesse für den Kongo begegnet. Mit viel Mühe haben wir erneut einen Spendenaufruf geschrieben. Sie finden ihn auf unserer Webseite in "voller Schönheit" : www.bauerndoerfer-im-Conge.ch . 152 Exemplare habe per Brief und viele per Mail verschickt. Hier finden Sie den Text: Lesen oder überspringen!



Für die kongolesischen Bauerndörfern geht der Kampf um eine Existenzgrundlage in die nächste Runde

Die wirtschaftliche und politische Lage im Kongo wird immer schwieriger. Die Leute sind verzweifelt und kämpfen ums Überleben. Auch unsere Dorfbewohner sind betroffen. Sie brauchen dringend Geld. Sie möchten mindestens einen Teil ihrer Kinder in die Schule schicken!

Aufforsten, schien ein sinnvoller Weg. Wir leisteten, je gepflanztem Bäumchen, einen Vorschuss. Da konnten sich Viele beteiligen! Einzelne Dorfbewohner rissen jedoch das Projekt an sich und setzten viele kleine Bäumchen, um möglichst viel Geld zu fordern. Die meisten Dorfbewohner resignierten, denn sie konnten nicht mithalten. Der Preis je gesetztem Bäumchen war 2016 so tief, dass nur die Masse es brachte. Doch wo waren die Bäumchen im Februar 2017? Vertrocknet, abgefressen, im Unkraut erstickt! Das kann passieren – 2016 war ein schwieriges Jahr. 2017: bitte eine neue Chance. Wir pflanzen gerne wieder.

Doch wo waren die Bäumchen im Februar 2018? Vertrocknet, abgefressen, im Unkraut erstickt! 2018 gab es KEIN Geld für neue Pflanzungen. Das Setzen der Bäumchen wird nicht mehr entlöhnt. Auf meiner Reise im Februar 2019 will ich junge, kräftige Bäume sehen, die geordnet in Neuner-Gruppen gepflanzt wurden.

Zentrales Thema «Hegen und Pflegen» Das «sich kümmern um die Pflanzen» ist Voraussetzung für den Erfolg; dieser soll angemessen belohnt werden. Aus verschiedenen Mails weiss ich, dass alle Leiter unserer über 60 Alphabetisierungs-Gruppen eine 9er-Gruppe gesetzt haben. Auch viele Frauen heben und pflegen 9er-Gruppen. Die Belohnung des Erfolges soll die Leute motivieren immer wieder neue 9er-Gruppen zu pflanzen, zu hegen und zu pflegen.  Auf dieser Grundlage kann der Kampf um eine Existenzgrundlage, Schritt für Schritt weitergeführt werden –
allerdings nur wenn es gelingt ausreichend Unterstützung zu mobilisieren. Mit mir können die Bauerndörfer im Kongo (wie in den vergangenen 10 Jahren) auf jeden Fall rechnen.

Sind auch Sie dabei?

Herzliche Grüsse
Maja Brenner

2018 - Ein Nachtrag
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2018 - Ein Nachtrag

2018 Anfang und Ende liegen in Seinen Händen

 

Im Frühjahr 2018, als die Bäume zu spriessen begannen, besuchte ich zehn Abendveranstaltungen der Bibelgesellschaft zu theologischen Grundfragen. Ein Thema handelte „Vom Wesen der Kirche“. Dabei erwähnte der leitende Theologe nebenbei die Waldenser. Für mich bilden die Waldenser eine spezielle Kirche, denn sie wurden wegen ihrem Mut und ihrem selbstlosen Einsatz für die Armen oft verfolgt. Doch sie besteht weiter. Die Waldenser leben weit verstreut und können sich nur sporadisch versammeln. Durch den Pfarrer, der mich konfirmierte, hatte ich grossen Respekt vor ihnen vermittelt bekommen. Sie sollen die Vorläufer der Reformatoren gewesen sein. An jenem Abend entschloss ich mich, meine Sorge um die reformierte Kirche und die Bewunderung für die Waldenser in meiner Lebensgeschichte zu erwähnten. Meine Lesenden, ich will mir das idealisierende Bild der Waldenser bewahren, darum suchte ich nicht im Internet nach ihnen. Google kann aber Ihre Fragen beantworten.

 

Machen wir einen Sprung. Mein "guter" Vorsatz liess sich nicht vergessen. ... . Anfangs November konnte ich mich endlich aufraffen: Für mein Empfinden lösen sich die lokalen christlichen Kirchen auf - und es fällt mir oft schwer zu vertrauen, dass Anfang und Ende in Seinen Händen liegen sollen! Schieben wir Romantik und Sentimentalität bei Seite. 1981 kamen wir in eine Kirchgemeinde mit zwei Pfarrehepaaren, einer Gemeindehelferin, einem Mesmerehepaar, 10 bis 12 Kirchenstandsmitgliedern, vielen Freiwilligen und allem, was dazugehörte. Ich wollte damals nicht sehen, dass der Zerfall schon eingesetzt hatte. Ich träumte, als Freiwillige mitzuwirken, doch ich tat mir schwer. Ich hatte Verständnis für die beiden Pfarrfrauen, die sich weiterbildeten und eine Erwerbsarbeit aufnahmen. Gleichzeitig wagte ich kaum darüber nachzudenken, was das für die Gemeinde hiess. Ich verbrannte mir die Finger, wenn ich meine Phantasien und Befürchtungen ansprach. Zehn Jahre später sah ich keinen andern Weg, als mich von der aktiven Mitarbeit abzuwenden.

 

2018 - wo stand meine Kirchgemeinde, und wo stand ich? Meine Lesenden, ich wollte diese Bestandsaufnahme nicht machen. Wozu auch? Ich dachte an den Mut der Waldenser. Bei der Konfirmation hatte ich Gott und mir versprochen, zu seiner Schöpfung sorge zu tragen und monatlich zweimal in eine Kirche zu gehen, d.h. ein Gebäude einer Kirchgemeinde zu betreten. (Einschübchen: Meine Lesenden, gehören Sie zu den Menschen ohne Religion? Hoffentlich sind Sie fähig, ein sogenannt freies, unabhängiges Leben zu führen.) Da ich keine zu hohen Ansprüche an mich stellte, hatte ich für mein Empfinden meine Versprechen eingehalten. Details dazu werde ich später schreiben. - Doch wo stand 2018 die Kirchgemeinde, die meine Steuer erhielt, und zu der ich formell gehörte? Wollte ich deren herausfordernde Aufgabe sehen oder hatte ich Angst vor den Tatsachen? - Weniger Gemeindemitglieder - weniger Taufen - weniger Kinder- und Jugendunterricht - weniger Konfirmationen - weniger Trauungen - weniger Beerdigungen - weniger Teilnehmer an Veranstaltungen … weniger Geld - weniger Stellenprozente – weniger Zeit. Anfang und Ende sollen in Deinen Händen liegen?!

 

Ich überlegte und erlaubte mir, mit dem zuständigen Pfarrer einen Termin zu vereinbaren: Freitag, 9. November, 8.30 vor der Teamsitzung um 9 Uhr, im Büro der Kirche. Ziel: (1) Standortbestimmung und (2) Entwicklung der Institution. Ich hatte dem Pfarrer den obenstehenden Textanfang gemailt, denn ich wollte mit den 30 gegebenen Minuten sorgsam sein. Zu Beginn unseres Gespräches gab mir der Theologe meine mit seinen getippten Antworten ergänzte Mail zurück. Zu (1) Standortbestimmung schrieb er: „Die Kirchgemeinden im Kanton Schaffhausen, in der Schweiz und überall in Europa werden kleiner. Hauptursache sind nicht die Kirchenaustritte, sondern die demografische Veränderung des letzten Jahrhunderts. - Die Kirchen sind keine Volkskirchen mehr, sondern immer noch hoffentlich Kirche für das Volk, woher das Volk auch kommt. Im Quartier unserer Kirchgemeinde leben 7‘500 Menschen – davon noch 1‘400 Reformierte (überwiegend CH-Bürger); 1‘500 Katholiken (überwiegend Menschen mit Migrationshintergrund in der zweiten und dritten Generation: Italiener, Spanier, aus dem Kosovo). Mehr als die Hälfte, 4‘600 Menschen kommt aus über 100 Nationen mit den unterschiedlichsten Religionen und Kulturen. Zu (2) Entwicklung der Institution: Mittelfristig werden die einzelnen Kirchgemeinden der Stadt wieder eine Kirchgemeinde bilden. Ob alle Kirchen bzw. Kirchgebäude Gottesdienststätten bleiben, ist denkbar und möglich, aber nicht zwingend notwendig. Der Öffentliche Verkehr erlaubt es, in kurzer Zeit an die unterschiedlichsten Orte der Stadt zu kommen. Ähnliches gilt für alle Bereiche des kirchlichen Lebens: ob Kinder- und Jugendarbeit, ob Erwachsenen- und Seniorenarbeit. Die Zusammenarbeit in den noch vorhandenen Kirchgemeinden wird intensiviert werden müssen zugunsten der Menschen, die noch zur Kirche gehören. Das heisst stadtweite Kinder- und Jugendarbeit, stadtweite Erwachsenenbildung und Seniorenarbeit. Das Zusammenwachsen der Kirchgemeinden erlaubt dann möglicherweise Spielraum für das Aufbrechen von genuin kirchlichen Arbeitsfeldern: Mittagstische, wo generationenübergreifend Menschen zusammenkommen. Glaubenskurse – ökumenisch, missionarisch und kulturell offen für Menschen, die auf der Suche sind. Ich habe keine Angst davor, dass Kirchgemeinden kleiner werden, aber ich habe Angst vor einer profillosen, sich selbst bemitleidenden Kirche.“ Zitat Ende.

 

Die 30 Minuten waren schnell vorbei. Ein Stichwort aus dem Gespräch sei hier noch erwähnt: Die Kirche soll ihr Wächteramt in der profanen Welt leben und sich immer dort engagieren, wo es brenzlig wird. Wir wurden nicht konkret. Die Teamsitzung begann, und ich stand vor dem Kirchengebäude. Die Blätter fielen von den Bäumen. - Anfang und Ende liegen in seinen Händen!

2018 - Teil 3 und das das Jahr 2019
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2018 - Teil 3 und das das Jahr 2019
Teil 2 habe ich nach Word exporiert. Dort wird es mein Mann korrigieren und ausdrucken. Langsam entsteht Teil 3 in meinem Innern.
Herzliche Grüsse
Maja Brenner
UNSERE FÖRDERER
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