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Von Felix Muntwyler Weltenbummler - auf der Suche
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Vollendete Autobiographien: 177
 
Felix Muntwyler
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Vorwort
1.
Erste Erinnerungen und Kindheit
2.
Meine Eltern
2.1.
Meine Mutter
2.1.
Meine Mutter
2.1.
Meine Mutter
2.1.
Meine Mutter
2.1.
Meine Mutter
2.1.
Meine Mutter
2.1.
Meine Mutter
2.1.
Meine Mutter
2.1.
Meine Mutter
2.1.
Meine Mutter
2.1.
Meine Mutter
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.2.
Mein Vater
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
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Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
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Die Ehe meiner Eltern
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Die Ehe meiner Eltern
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Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
2.3.
Die Ehe meiner Eltern
3.
Meine Grosseltern
3.1.
Mein Grossvater väterlicherseits
3.1.
Mein Grossvater väterlicherseits
3.2.
Meine Grossmutter väterlicherseits
3.2.
Meine Grossmutter väterlicherseits
3.3.
Mein Grossvater mütterlicherseits
3.3.
Mein Grossvater mütterlicherseits
3.4.
Meine Grossmutter mütterlicherseits
3.4.
Meine Grossmutter mütterlicherseits
3.4.
Meine Grossmutter mütterlicherseits
3.4.
Meine Grossmutter mütterlicherseits
3.4.
Meine Grossmutter mütterlicherseits
4.
Kindergartenjahre
5.
Krankheiten und Unfälle
6.
Wohnen
7.
Primarschulzeit
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
7.1.
Grundschule Unterstufe
8.
Sekundarschule und/oder Gymnasium?
9.
Meine Freizeit
9.1.
Lesen
9.1.
Lesen
9.1.
Lesen
9.1.
Lesen
9.1.
Lesen
9.1.
Lesen
9.1.
Lesen
9.1.
Lesen
9.1.
Lesen
10.
Beziehungen in der Jugend
10.1.
Beziehungen als Teenager
10.1.
Beziehungen als Teenager
10.1.
Beziehungen als Teenager
10.1.
Beziehungen als Teenager
11.
Lehr- und Wanderjahre
12.
Armee
13.
Arbeiten
13.1.
Beruf oder Berufung?
13.1.
Beruf oder Berufung?
13.1.
Beruf oder Berufung?
13.1.
Beruf oder Berufung?
13.1.
Beruf oder Berufung?
13.1.
Beruf oder Berufung?
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Beruf oder Berufung?
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Beruf oder Berufung?
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Beruf oder Berufung?
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Beruf oder Berufung?
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Beruf oder Berufung?
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Beruf oder Berufung?
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Beruf oder Berufung?
13.1.
Beruf oder Berufung?
13.1.
Beruf oder Berufung?
13.1.
Beruf oder Berufung?
13.2.
Berufs- und Stellenwechsel
13.2.
Berufs- und Stellenwechsel
13.2.
Berufs- und Stellenwechsel
13.2.
Berufs- und Stellenwechsel
13.3.
Auslandaufenthalte
13.3.
Auslandaufenthalte
13.3.
Auslandaufenthalte
13.3.
Auslandaufenthalte
13.3.
Auslandaufenthalte
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.4.
Berufliches auf und ab
13.5.
Arbeit, Familie und Freizeit
13.5.
Arbeit, Familie und Freizeit
13.5.
Arbeit, Familie und Freizeit
13.5.
Arbeit, Familie und Freizeit
13.6.
Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?
13.6.
Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?
13.6.
Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?
13.6.
Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?
13.6.
Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?
13.6.
Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?
13.6.
Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?
14.
Eheleben
15.
Kinder
16.
Lebensfreude
17.
Worauf ich stolz sein darf
18.
Reue
19.
Gutes Leben im Alter
20.
Ausblick
21.
Jugend heute
22.
Religiosität
23.
Nachgedanken
Dieses Buch widme ich meiner Frau Milena welche mich in all den Jahren überallhin begleitet hat und mein Rückhalt war um Erfolgreich zu sein.
Vorwort
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  Vorwort
Warum ich dieses Buch schreibe? Familie und Freunde haben mich immer wieder gedrängt, ein Buch über mein Leben zu schreiben. Ich war der Ansicht,dass ich nichts Spezielles geleistet habe und somit auch niemand am Verlauf meines Lebens interessiert sein kann.
 
Nun aber seit sechs Jahren pensioniert und mit viel Zeit zum Nachdenken, bin ich zum Schluss gekommen, dass es eigentlich gut wäre, mein Leben auf der Wanderschaft zu Papier zu bringen. Ich hoffe, dass es den Lesern einmal Spass machen wird, in meine "vergangene" Welt einzutauchen um zu verstehen, weshalb ich diesen doch nicht immer einfachen Weg gewählt habe.

Was weisst du über deine Geburt?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Was weisst du über deine Geburt?
Leider ist über meine Geburt sehr wenig bekannt, meine Eltern haben kaum über dieses Ereignis gesprochen, und ich habe auch nie danach gefragt. Zur Welt kam ich am 15.11.1948, also kurz nach dem zweiten Weltkrieg, soviel mir Bekannt ist, gab es bei der Geburt keine Komplikationen  und alles ist reibungslos abgelaufen. Auf Grund vorhandener Fotos und was mir meine Mutter erzählte, war ich ein "grosser Mocken," brachte ich doch bei der Geburt vier Kilo auf die Waage, somit war ich wie man damals sagte "etwas pummelig" mit hell- braunen Haaren.

Ich war der drittgeborene Sohn, eigentlich aber der zweite, denn der erstgeborene verstarb kurz nach der Geburt im Jahre 1942. So kam es dass ich nach meinem Bruder Gerhard (1944) als der zweite Sohn des August Muntwyler und der Anna Maria Magdalena Muntwyler geborene, Marty war.
 
 
Wie sind die Eltern auf deine(n) Vornamen gekommen? Haben deine Eltern gut gewählt?
Seite 2
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Wie sind die Eltern auf deine(n) Vornamen gekommen? Haben deine Eltern gut gewählt?
Meine Eltern, vor allem meine Mutter, waren sehr religiös, da war es naheliegend, dass man sich für einen Vornamen an den Stadt-Heiligen von Zürich orientiert. So kam es, dass ich auf den Namen Felix getauft wurde, ein Name der mir immer sehr gut gefallen hat und der später auch in der Schule und bei Kollegen guten Anklang fand.
Hattest du auch Übernamen?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Hattest du auch Übernamen?
Ursprünglich nannte man mich Ficki anstatt Felix, vor allem auch meine Schulkameraden, das war gut, denn so gehörte ich dazu. Das "dazu gehören" war damals enorm wichtig, denn niemand wollte auf die Seite gestellt sein oder marginalisiert werden. Die ersten beiden Schuljahre lief alles wunderbar, und ich war glücklich und zufrieden in der Schule. Doch in der dritten Klasse änderte sich einiges, da ich einige Kilos zugelegt hatte, wurde ich plötzlich "Dicker" genannt, und dies machte mir aus verständlichen Gründen keine Freude. Sehr oft ärgerte mich dies, und ich wehrte mich mit den Fäusten gegen diesen "neuen Namen", was mir sehr oft Probleme anderer Art eintrug. Ich musste mich beim Lehrer erklären und zuhause setzte es, wenn ich Pech hatte, auch noch Schläge ab.
In was für eine Zeit wurdest du geboren?
Seite 4
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

In was für eine Zeit wurdest du geboren?
Ich wurde kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geboren (1948) in eine doch noch recht schwierige Zeit für die Schweiz. Obwohl die Schweiz nicht direkt vom Krieg betroffen wurde, so war die Schweiz doch auch arm, jedermann musste hart arbeiten um über die Runden zu kommen. Von den Nöten vieler Eltern der damaligen Zeit erfuhr ich aus Erzählungen und Geschichtsbüchern.
In den Läden fand man die nötigen Grundnahrungsmittel für den täglichen Gebrauch, aber viele Familien unterhielten noch einen kleinen Garten und versorgten sich auf diese Weise mit frischem Gemüse und Obst. Zu jener Zeit hatte man viel Respekt für Lebensmittel und ging entsprechend sorgfältig damit um. Essen zu vergeuden war nicht nur sündhaft, es war unnötige Verschwendung. Die Leute gingen zu Fuss oder mit dem Fahrrad zur Arbeit oder zum Einkaufen, ja das Fahrrad war so etwas wie der "Lastesel" jener Zeit. Herrenfahrräder hatten einen Kindersitz vorne, und der Gepäckträger diente als zweiter Kindersitz, wenn er nicht benutzt wurde um Waren zu transportieren. Ich denke es war keine schlechte Zeit, die Leute waren zufrieden mit dem was sie hatten und arbeiteten auf das Ziel hin, sich wirtschaftlich zu verbessern. 
Meine Mutter hat mir erzählt, dass man zu jener Zeit genau Buch führte über Einnahmen und Ausgaben um sicherzustellen, dass das Geld bis Ende Monat reicht. Sie erzählte mir auch, dass sie jeden Monat von meinem Vater das sogenannte Haushaltgeld erhielt. Mit dem erhaltenen Betrag musste sie über die Runden kommen,und der Vater wollte ab und zu wissen, für was das Geld ausgegeben wurde. Ich bin mir sicher, dass die Jahre nach dem Krieg für eine vierköpfige Familie nicht einfach waren, und dass die Eltern auf vieles verzichteten, um uns Kindern eine gute Zukunft bieten zu können.
Ich wuchs auf wie viele Kinder des Mittelstandes der Nachkriegsjahre. Mit den ersten Suppenwürfeln der Firma Maggi, den Fertigsuppen dieser Firma, wovon mir eine Suppe fest in Erinnerung geblieben ist: die Suppe namens "Marianne" war mein absoluter Favorit. Es war eine sämige, geschmacklich wunderbare Suppe mit Tapioka, und Mutter schnitt jeweils noch frischen Schnittlauch hinein, es war einfach köstlich und für mich ein richtiges Festmahl.


Was ist deine erste eigene Erinnerung an dein Leben?
Seite 5
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Was ist deine erste eigene Erinnerung an dein Leben?
Unser Zuhause in Zürich Altstetten befand sich an der Standardstrasse, eine dreihundert Meter lange, einspurige, mit grobem Kies bedeckte Sackgasse.  Auf der einen Seite der Strasse, zwischen der Bernerstrasse und der Standardstrasse befand sich die Standard Farb- und Lack Fabrik, gefolgt von drei zweistöckigen Familienhäusern. Auf der anderen Strassenseite, zwischen Bahnlinie und unserer Strasse, gab es eine Ansammlung von Holzbaracken, in denen verschiedene Kleinhandwerker und Trödler arbeiteten oder ihre Ware einlagerten.
 
Die Strasse war unser Fussballplatz, jedes Haus war einzeln umzäunt und hatte einen relativ grossen Garten um das Haus herum. Der Gartenhag unseres Hauses war aus Holz, und das Gartentürchen des Hauses diente als Tor. In der Hitze des Gefechts wurden manche Holzlatte und das Türchen zu Kleinholz geschossen. Nicht nur die Holzlatten des Zaunes wurden in Mitleidenschaft gezogen, auch manches Knie liess Haut und Blut. Dies führte immer dazu, dass wir für ein paar Tage nicht mehr Fussball spielen durften. Wir waren natürlich nicht glücklich über dieses Verbot. Aber es gab uns die Möglichkeit, das für uns verbotene Gelände auf der andern Strassenseite zu erkunden, denn wir mussten ja etwas tun mit unserer Freizeit! So kam es, dass sich für mich eine neue und faszinierende Welt öffnete, denn einer der Trödler, Herr Wild, hatte eine riesige Baracke voll alter Bücher, Comicstrips und anderen interessanten Objekten. Ab diesem Moment gab es für mich keinen Fussball mehr, was natürlich meinen Bruder Gerhard und die Kollegen verärgerte, aber ich wollte nur noch eines, in den Büchern blättern und träumen von Abenteuern in der fernen Welt. Dazu kam, dass Herr Wild Freude hatte an meinen Besuchen und meinem Interesse an Büchern, er nahm sich immer wieder Zeit, mir ein ganz spezielles Buch oder Objekt rauszusuchen, über das wir uns dann unterhalten konnten. Es waren immer spannende Momente mit ihm,  und ich denke diese Momente haben in mir die Faszination für das Lesen und die Welt der Bücher geweckt.
 
Dann gab es da noch einen Mann (an seinen Namen erinnere ich mich nicht), der nur am Wochenende in seiner Hütte war, aber diese Hütte hatte es in sich. Da gab es ein wunderschönes Oldtimer Auto. Jedes Wochenende wurde es vor die Hütte gefahren, gereinigt und poliert, obwohl das Auto nie gefahren wurde. Meine Neugier verhalf mir auch hier zu einmaligen Momenten, ich durfte dieses wie ein Heiligtum gehütete Auto auch von innen begutachten. Der Besitzer erklärte mir voller Stolz, dass die Sitze des Autos aus echtem Leder gemacht wären, die Konsolen waren aus amerikanischem Mahagoni Holz, es gab so viele kleine und glänzende Details in diesem Auto, dass ich fast vor Ehrfurcht erstarrte, als er mich einlud im Auto Platz zu nehmen für eine Reise! Mit dem Besitzer am Steuer machten wir dann des Öfteren fiktive Reisen und träumten von der Welt die an uns "vorbeizog"! Erst viel später im Leben realisierte ich, dass ich in einem der ersten hergestellten Rolls Royce Autos von der grossen weiten Welt geträumt hatte.
 
Diese und andere Erlebnisse prägten die ersten Jahre meiner Kindheit, eine unbeschwerte und schöne Zeit, auch wenn wir keine Spielsachen besassen, fanden wir immer etwas, um uns zu beschäftigen. Da es um unser Haus einen grossen Garten gab, mit Gemüse für den Eigengebrauch, wurden wir auch des Öfteren zum arbeiten verknurrt. Dies machte uns dann schon weniger Freude, Ausreden galten nichts, und so versuchten wir unsere Arbeit schnell zu erledigen, damit wir doch noch spielen konnten. Aber dies funktionierte selten, denn unser Vater oder die Mutter fanden immer noch etwas das getan werden musste, dass am Ende nur noch Zeit zum Essen blieb und dann war es schon wieder Zeit um ins Bett zu gehen.
Welche andern frühen Ereignisse hast du nicht vergessen?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Welche andern frühen Ereignisse hast du nicht vergessen?
Es gibt ein Erlebnis das sich bei mir fest eingeprägt hat, das war der Tag an dem mein grosser Bruder von einem Hund, mit dem er sich eigentlich immer gut verstanden hatte, ins Gesicht gebissen wurde. Es war ein schrecklicher Moment für meinen Bruder (12 jährig), es war aber auch schockierend für mich (8 jährig), meinen Bruder mit einem blutigen Gesicht mit herunterhängender Unterlippe und zerbissener Nase zu sehen. Als wir den ersten Schreck überwunden hatten, rannten wir nach Hause (ich wundere mich noch heute, wie mein Bruder in seinem Zustand noch rennen konnte) zur Mutter, der Vater war auf der Arbeit. Nachdem meine Mutter die Wunden notdürftig versorgt hatte, ging es, in Ermangelung eines Telefons, zu Fuss zum naheliegenden Bahnhof und von dort mit dem Bus zum Hausarzt. Nach dem der Arzt meinen Bruder versorgt und verbunden hatte, sah mein Bruder fast aus wie eine Mumie, sein ganzer Kopf war einbandagiert. Obwohl der Arzt die Lippe und die Nase mit vielen Nähten wieder zusammenfügte, erinnerten die Narben meinen Bruder zeitlebens an diesen Unfall.
Wenn man in so einer Situation von etwas Gutem Sprechen kann, dann war es die Tatsache, dass kurz nach diesem Vorfall ein Telefon in unserem Haus installiert wurde. Einer dieser grossen schwarzen Apparate mit einer Drehscheibe zur Nummernwahl, welche bei jeder Drehung einen Ton von sich gab. Um die richtige Nummer zu wählen musste man vorsichtig sein und sicher stellen, dass man die Scheibe bis zum Ende durchzog, ansonsten eine andere Nummer entstand. Anfänglich war das Telefon etwas Faszinierendes für uns Kinder, denn wir verstanden nicht gan,z wie das Ding überhaupt funktioniert.
 
Was hat man dir von deiner Taufe erzählt?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Was hat man dir von deiner Taufe erzählt?
In meiner Familie wurde selten etwas über vergangene Zeiten oder Ereignisse erzählt, ich denke, das wurde einfach nicht wichtig genommen. Damit komme ich zu meinen Taufpaten, mein "Götti" war der Bruder meiner Mutter, ein geweihter Katholischer Priester (Pfarrer) und als solcher wurde er in der Familie auch mit sehr hohem Respekt behandelt, schliesslich war er ja ein studierter Mann! Man hat mir immer wieder gesagt, dass ich mit gut benehmen soll und in der Schule schön lernen sollte, um ihn, den Götti, zufrieden zu stellen. Für mich war dies alles etwas kompliziert, aber ich musste es akzeptieren und mich dementsprechend benehmen, mich anstrengen, damit meine Familie gut dasteht. Ich denke, dass der von dieser Situation ausgehende Druck mich sehr geprägt hat und auch mein Verhalten und Verständnis gegenüber Lehrpersonen und Vorgesetzten beeinflusst hat.
 
Ganz anders meine "Gotte", eine Schwester meines Vaters. Sie wohnte auf dem Lande und betrieb mit ihrer Familie einen kleinen Bauernhof. Sie war sehr burschikos, extrem streng, und wenn man bei ihr war, gab es nichts zu lachen, da hiess es stramm stehen und ihre Ausführungen wortgenau umzusetzen. So kam es, dass ich, als ich mich weigerte, warme Geissen-Milch zu trinken, zur Strafe die Nacht mit den Geissen im Geissen-Stall verbringen musste. Mir hat Geissen-Milch nicht geschmeckt, und sie wusste, dass dem so ist, trotzdem zwang sie mich, diese Milch zum Nachtessen zu trinken! Dieser Vorfall führte dazu, dass ich zuhause von dieser "Behandlung" erzählte, nie mehr zu ihr in die Ferien fahren musste, darüber war ich überhaupt nicht traurig.
Welche Rolle spielten in deinem Leben deine Patin und dein Pate für dich?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Welche Rolle spielten in deinem Leben deine Patin und dein Pate für dich?
In meiner Erinnerung spielt mein Taufpate in meinen ersten Lebensjahren eine grosse Rolle, denn  dazumal war es Brauch, dass ein männlicher Nachkomme der Familie Priester werden sollte. Durch dieses Denken wurde ich, was mir erst viel später bewusst wurde, sehr stark für so eine Laufbahn vorbereitet oder beeinflusst. Da ich eine Leseratte war, nützte man dies aus und gab mir sehr viele Bücher und Zeitschriften, die viel mit der Geschichte Gottes, der Kirche und den missionarischen Tätigkeiten der Kirche in Afrika zu tun hatten zu lesen. Ich hatte grosses Interesse an fernen Ländern, wollte wissen, wie das Leben auf der anderen Seite der Welt aussieht, und so suggerierte man mir dass ich nach einem Priesterstudium ja dann in die Mission nach Afrika gehen könnte! In diesen frühen Jahren wurde ich auch Ministrant und wurde so weiter auf meine mögliche Laufbahn "vorbereitet". Ich muss aber auch erwähnen, dass ich die langen Gespräche mit meinem Paten eigentlich immer wieder sehr bereichernd fand für mein noch junges Leben, und wer weiss, vielleicht wurden in diesen Gesprächen die "Weichen" gestellt für mein späteres Zigeunerleben.
 
Mit der Patin hatte ich nach dem Ferienereignis  mit der Geissen-Milch keinen weiteren Kontakt mehr. Die damals gemachte Erfahrung war nicht die beste, und ich wollte sie nicht mehr sehen oder treffen.
Falls du Geschwister hattest, wie haben sie dich aufgenommen?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Falls du Geschwister hattest, wie haben sie dich aufgenommen?
Durch den relativ grossen Altersunterschied zu meinen Brüdern, fünf Jahre zum älteren und zehn Jahre zum jüngeren Bruder, gab es eigentlich nicht viele Gemeinsamkeiten, die uns verbunden hätten. Mein älterer Bruder war immer gut zu mir, er stand aber auch unter dem Druck der Eltern, auf den kleinen Bruder gut aufzupassen. Ich erinnere mich, dass wir des Öfteren auf der unbefestigten Strasse vor unserem Haus Fussball spielten. Wie es da halt so geht, gab es da des oft kleinere Unfälle. Mit Hautschürfungen und ab und an einer richtig grossen Beule, die natürlich schmerzhaft war, und mehr als einmal musste mein Bruder dann den Kopf hinhalten, weil er wieder nicht vorsichtig genug war mit mir. Was ich nicht immer gerecht fand, aber wenn ich ihn verteidigen wollte, dann kriegte ich auch noch eine ausgewischt. Mit dem jüngeren Bruder (Jahrgang 1957) hatten wir, mein grosser Bruder und ich, relativ wenig Gemeinsamkeiten, zum einen war da der grosse Altersunterschied, und zum anderen die Tatsache, dass der jüngste so etwas wie der Favorit unserer Eltern war und mit allem durchkam, was bei uns noch Tadel, im schlimmsten Falle sogar Schläge absetzte.


(1) Mit meiner Mutter und meinen Brüdern zuhause in Altstetten 1954 - ich sitze direkt neben meiner Mutter
Mit meiner Mutter und meinen Brüdern zuhause in Altstetten 1954 - ich sitze direkt neben meiner Mutter

 

 Da ich im Herbst 1966, nach dem Abschluss meiner Lehre, von zuhause wegging und von da weg eigentlich nie mehr zuhause gewohnt habe, war sicher mit ein Grund, dass ich zeitlebens nie eine wirkliche Beziehung zu meinem jüngeren Bruder aufbauen konnte.

Wie gross war dein erstes Zuhause? Erinnerst du dich an die einzelnen Räume?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Wie gross war dein erstes Zuhause? Erinnerst du dich an die einzelnen Räume?
Wie vorgängig erwähnt, befand sich mein erstes Zuhause an der heute nicht mehr existierenden Standardstrasse in Zürich Altstetten. Es war eines von vier Häusern, alle waren würfelartig gebaut, besassen einen Keller, zwei Stockwerke und ein Flachdach mit einer nicht gesicherten Dachterrasse, welche eigentlich nur zum Wäschetrocknen benutzt wurde.
Im Keller befand sich eine von meinem Vater eingerichtete Werkstatt, ein Raum für das Lagern von Früchten und Gemüse, einer Waschküche mit einem damals typischen holzbeheizten "Wäschesudtopf" und einer Badewanne, die immer samstags unser "Badezimmer" war. 
Im ersten Stock, heute vielleicht das Hochparterre des Hauses, befand sich die Haustüre, zu der man über eine zehnstufige Treppe gelangte, im sich öffnenden Korridor befand sich auf der linken Seite die Türe zu  unserer Wohnung und das Telefon, gleich vis à vis befand sich die Treppe, um in den Keller oder in den oberen Stock zu gelangen.  Beim Eintreten in die Wohnung befand sich gleich rechts eine Türe mit dem Eingang zur Küche. In der Mitte der Küche befand sich der Esstisch mit vier Hockern, an der Wand direkt neben der Tür stand ein Gasherd mit Backofen. Derselbe wurde genutzt zum Kochen und Backen, im Winter diente er aber auch dazu, den Raum zu wärmen, denn die Küche war zugleich auch so etwas wie unser Wohnzimmer. 
Das Wohnzimmer, oder die Stube, wie man sie damals nannte, wurde nur benützt wenn es einmal Besuch gab, und dies wahr sehr selten. Im Wohnzimmer stand in der Mitte ein Tisch mit vier Stühlen, an der einen Wand stand ein Buffet (Vorgänger der heutigen Wohnwand) und an der gegenüberliegenden Wand stand das Sofa. In einer Ecke stand ein gusseiserner, mit Holz befeuerter Ofen zum Heizen der Stube, der einzige Raum im Hause, der beheizt werden konnte. Alle Möbel waren immer abgedeckt, ausser an Tagen mit Besuch, und es war uns Kindern schlichtweg verboten, die Stube zu betreten oder etwas anzufassen.
Gleich neben der Stube befand sich das Schlafzimmer der Eltern, der Raum war nicht sehr gross, und es gab nur das grosse Ehebett und einen Schrank in diesem Raum. Unser Schlafzimmer (mein Bruder und ich) befand sich gegenüber der Küche, an der einen Wand gab es Platz für das Bett meines Bruders, und gegenüber liegend an der Wand stand mein Bett, zwischen der Tür und meinem Bett stand eine Kommode, in der die Wäsche aufbewahrt wurde. Die Räume waren sehr knapp bemessen, und so gab es auch nur je ein Fenster in jedem Raum. Eigentlich nicht so wichtig, da es sowieso nicht viel zu sehen gab.
Natürlich hatten wir auch eine Toilette, dieselbe befand sich auf dem Korridor, direkt neben der Tür zum Abgang in den Keller. Die Toilette war sehr eng und bot nur genug Platz für das Klo, der Wasserspültank war in der rechten oberen Ecke angebracht, und es gab eine Kette mit einem Holzgriff, um die Spülung auszulösen. Im Winter wurde ein alte Petroleumlampe ins Bad gehängt, nicht zum Heizen, sondern um sicher zu stellen, dass die Wasserleitung nicht einfror, also war es Sommer wie Winter kein Platz um lange zu verweilen.
Ein interessantes Detail jener Zeit ist auch die Tatsache, dass man im Herbst, in Vorbereitung auf den Winter, die Holzläden zum Abdunkeln der Räume abnahm und stattdessen die Vorfenster aufhängte. Die Vorfenster sollten im Winter helfen, die Räume wärmer zu halten, aber da die damaligen Fenster ja nicht sehr gut isolierten, bildete sich Kondensation zwischen den beiden Fenstern,  welche sich in kalten Nächten in wunderschöne Eisblumen verwandelte. Ich erinnere mich wie ich nach dem Aufwachen immer zuerst das Fenster anschaute. Wenn es viele Eisblumen gab wusste ich, dass es sehr kalt sein würde und ich mich beeilen musste mit Anziehen und Waschen.

Im ersten Stock des Hauses, welches meinen Eltern gehörte, lebte eine Schwester meiner Mutter mit ihrer Familie, diese Wohnung war ein Abbild unserer eigenen Wohnung. Genauso spartanisch eingerichtet und ohne jeglichen Komfort.
 
Wie sah dein Zimmer aus? Hattest du ein eigenes?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Wie sah dein Zimmer aus? Hattest du ein eigenes?
Wie im vorgängigen Abschnitt erwähnt, war unser Zuhause nicht sehr gross, es gab nur gerade vier Räume - die Küche, das Wohnzimmer, das Elternschlafzimmer und das Schlafzimmer für mich und meinen grossen Bruder. Unser Zimmer hatte gerade genug Platz für zwei Betten und eine Kommode für die Wäsche. An der einen Seite des Zimmers stand das Bett meines Bruders, die Türe liess sich nicht ganz öffnen weil die Türe am Bett anstand. An der anderen Wand stand mein Bett, direkt neben meinem Kopfende stand die Kommode, welche bis zum Türrahmen reichte. Dann gab es noch ein Fenster, das genau in der Mitte zwischen den beiden Betten an der, der Tür gegenüberliegenden Wand angebracht war. Ich denke unser Zimmer mass nicht mehr als vielleicht sieben oder acht Quadratmeter.
Weisst du noch, wie die Küche ausgesehen hat?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Weisst du noch, wie die Küche ausgesehen hat?
In der Mitte der Küche befand sich der Esstisch mit vier Hockern, an der Wand direkt neben der Tür stand ein Gasherd mit Backofen. Derselbe wurde genutzt zum Kochen und Backen, im Winter diente er aber auch dazu, den Raum zu wärmen, denn die Küche war zugleich auch so etwas wie unser Wohnzimmer. Hier machten wir unsere Hausaufgaben oder spielten Halma auf dem Küchentisch oder schauten einfach der Mutter beim Werken zu. An der Wand mit dem Küchen-Fenster stand das Spülbecken aus Stein (damals so üblich) mit einem Kaltwasser-Anschluss. Dieser Waschtrog war auch der Ort für das tägliche Waschen und Zähneputzen, es gab Sommer und Winter nur kaltes Wasser, vor allem im Winter war die Morgentoilette schnell erledigt! Mit Eisblumen an den Fenstern war es ziemlich kalt und nicht sehr angenehm, wenn man zu sich zu lange mit dem kalten Wasser "behandelte"
Wie war es draussen? Gab es einen Hof oder einen Garten?
Seite 13
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Wie war es draussen? Gab es einen Hof oder einen Garten?
Leider war es mir nicht möglich, einen Stadtplan der Jahre 1950/1960 zu finden, um die Lage unseres Hauses an der Standardstrasse (ROT) in Altstetten zu visualisieren. Auf einem im Stadtarchiv erhaltenen Plan habe ich in etwa eingezeichnet, wo unser Haus (GRÜN), eines von vier Häusern an der Strasse stand, allesamt auf der gleichen Strassenseite wie unser Haus. Am Ende der Strasse, über der Brücke befand sich das Hero Schulhaus (BLAU). Das ganze Areal gegenüber den Häusern war wie erwähnt bebaut mit Holzbaracken und diente verschiedenen Kleinhandwerkern als Arbeitsort (siehe entsprechendes Kapitel). Die Aargauerstrasse existierte noch nicht zu jener Zeit, das ganze Gebiet auf der rechten Seite der Altstetterstrasse war voll von Schrebergärten. 



(1)

Wie bereits erwähnt, spielten wir ab und an Fussball auf der Strasse, nur leider gab es wenig andere Kinder, nur die zwei Töchter vom Wirt des Rest. Frohsinn an der Ecke Altstetterstrasse / Standardstrasse, so dass mein Bruder und ich uns immer selber beschäftigen mussten, sehr oft mussten wir aber auch bei der Gartenarbeit mithelfen.

Um das ganze Haus herum zog sich ein grosser Garten, vor dem Haus und direkt dem Gartenhag entlang waren immer Blumen angepflanzt, das Reich meiner Mutter. Der Rest des Gartens vor dem Haus war immer mit Beeren bepflanzt, Erdbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren und Brombeeren. Links von der Treppe die zur Haustür führte, befand sich eine schöne Pergola mit weissen Trauben, dies war zugleich ein lauschiges Plätzchen zum Verweilen, gab es doch dort einen von meinem Vater gezimmerten Holztisch mit zwei Sitzbänken, und in einer Ecke befand sich eine Sandgrube für uns Kinder zum Spielen. Der Garten links und rechts des Hauses wurde meistens mit Kartoffeln, Karotten, Stangenbohnen, Kefen, Zwiebeln und Tomaten bepflanzt. Hinter dem Hause rechts in einer Ecke unter einem Apfelbaum befand sich ein Komposthaufen, des weiteren wurde hier immer Lauch, Weis- und Rotkohl angepflanzt. Hinter dem Haus, direkt an der Wand entlang gab es eine Art Schuppen, hier wurde, das Holz und die Kohle gelagert für das Heizen im Winter. Dann gab es da noch einen Werkzeugschuppen und einen Kaninchenstall. Es war unsere Aufgabe, die Kaninchen zu füttern, wen sie fett genug waren, kam der Nachbar und Wirt vom Restaurant Frohsinn, um sie zu schlachten. Er war es auch der das Fleisch in seinem Restaurant verwendete, ich denke dies war ein kleiner Nebenverdienst meiner Eltern, um das Einkommen zu verbessern. Man kann sich vorstellen, dass in einem Garten mit vielerlei Gemüse und Früchten einiges an Arbeit anfiel, da musste man das Unkraut entfernen oder man half mit zu ernten. Im Herbst dann kam die unbeliebteste Arbeit dazu: wir mussten durch die Strassen ziehen um die "Rosskastanien" einzusammeln, diese dienten als Dünger für den Garten. Wir schämten uns so, aber wir hatten keine andere Wahl, das Argument unseres Vaters für diese Arbeit war ganz einfach: wenn ihr essen wollt, dann müsst ihr das tun, denn ohne diesen "Dünger" wächst nichts im Garten, und wir werden nichts zu essen haben. Dazu wäre zu sagen das wir Selbstversorger waren, und es gab bei uns das ganze Jahr Gemüse und Früchte aus unserem eigenen Garten.



(2) Unser Zuhause im Sommer 1959 in Altstetten mit meinem damals 2 jährigen Bruder im Vordergrund
Unser Zuhause im Sommer 1959 in Altstetten mit meinem damals 2 jährigen Bruder im Vordergrund

 

 

 

Wohnte noch jemand bei euch?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Wohnte noch jemand bei euch?
Im zweiten Stock des Hauses an der Standardstrasse wohnte eine Schwester meiner Mutter mit ihrer Familie, zu jener Zeit hatten sie noch keine Kinder, und so gab es für uns auch keine "Gspänli" zum Spielen. Aber sie war immer nett mit uns Kindern, und ab und zu steckte sie uns eine kleine Süssigkeit zu, was damals hoch geschätzt wurde, denn man gab wenig Geld aus für nicht Notwendiges.
Was für Bücher gab es in deiner Familie? Durftest du sie anschauen?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Was für Bücher gab es in deiner Familie? Durftest du sie anschauen?
Unsere Freizeit war relativ knapp bemessen, und demzufolge gab es auch wenig Zeit um zu lesen, denn zuerst mussten die Hausaufgaben erledigt werden, bevor man an irgend etwas anderes denken konnte. Wie ich bereits erwähnte, war ich sehr neugierig und sehr wissbegierig, diesen Hunger nach Information stillte ich in den ersten Jahren bei dem Altwarenhändler in der Strasse. Da ich dort aber nicht immer nur guten Lesestoff erhielt, durfte ich mich in der Pestalozzi Bibliothek anmelden, und so kam ich in den Genuss aller damals populären Kinder- und Jugendbücher. Bücher von Enid Bliton, Erich Kästner, Karl May, Jules Verne, Alexander Dumas und viele andere mehr. Auch Bücher von Autoren, die über Reisen in die weite Welt erzählten, waren für mich wie Magnete, sie zogen mich in ihren Bann. Vor allem aber die Bücher von W.A. Keller mit den Erlebnissen von Peter Stäuble in Brasilien hatten es mir angetan (zu dem Punkt das ich dieselben Bücher in späteren Jahren noch mehrmals lass).Ich hatte Mühe ein Buch wegzulegen um meinen Pflichten im und ums Haus nach zu kommen. Wie oft verärgerte ich meinen Vater, der nicht verstehen konnte, dass man seine Zeit mit dem Lesen von Büchern vergeuden kann. Ich erinnere mich nicht, das mein Vater jemals Zeit hatte, um ein Buch zu lesen, er war immer beschäftigt.
Erinnerst du dich an Märchen, Gutenachtgeschichten, die man dir erzählt hat? Oder Kinderlieder, die man dir vorgesungen hat?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Erinnerst du dich an Märchen, Gutenachtgeschichten, die man dir erzählt hat? Oder Kinderlieder, die man dir vorgesungen hat?
Bei uns zuhause gab es keine Gutenachtgeschichten, es wurden keine Kinderlieder gesungen, niemand hatte Zeit für solcherlei. Die Welt der Märchen öffnete sich mir erst im Kindergarten, die Kindergärtnerin, Frau Caduff, schaffte es, uns Kinder in die Phantasie-Welt der Märchen zu entführen, und es machte enorm viel Freude, diese unwahrscheinlichen und manchmal auch beängstigenden Geschichten zu hören.
Welches waren deine damaligen Medien? Telefon? Radio, TV, Bücher, Comics, Computer, Spielkonsolen, etc.? Gab es Vorschriften deiner Eltern?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Welches waren deine damaligen Medien? Telefon? Radio, TV, Bücher, Comics, Computer, Spielkonsolen, etc.? Gab es Vorschriften deiner Eltern?
In meiner Jugendzeit gab es noch keine Multimedien! In unserem ersten Haus in Altstetten gab es anfänglich kein Telefon, erst nach dem erwähnten Unfall meines Bruders wurde ein Telefon installiert. Als wir nach Schwamendingen in unser neues Zuhause zogen, wurde das Telefon mitgenommen. Der Telefon Apparat hing an der Wand gegenüber der Haustür, und wurde auch von unseren Nachbarn benutzt, weil sie über keinen eigenen Anschluss verfügten. Es gab, wie früher erwähnt, auch keine Bücher, ausser der Bibel in unserem Hause. Ich kam in den Genuss von Comics durch den Altwarenhändler, er hatte Berge davon und ich durfte mir immer wieder welche mit nach Hause nehmen. Dies kam aber nicht gut an bei meinen Eltern, diese Art von "Literatur" war für sie Schundliteratur und somit auch nicht willkommen zuhause. Natürlich führte dies dann dazu, dass ich wie vorgängig erwähnt, Mitglied bei der Pestalozzi Bibliothek werden durfte.
Erinnerst du dich an Filme und/oder TV-Serien?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Erinnerst du dich an Filme und/oder TV-Serien?
Bei uns gab es keinen  Fernseher, der Radio, welcher in der Stube (Wohnzimmer) stand wurde auch nur selten benutzt, da wir uns praktisch nie in diesem Raum aufhielten. Genauso gab es bei uns keine CD's oder Tonbandkassetten, diese Sachen habe ich erst in meinem späteren Leben kennengelernt.
Erinnerst du dich an die Geburt von Geschwistern? Was hattest du dabei für Gefühle?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Erinnerst du dich an die Geburt von Geschwistern? Was hattest du dabei für Gefühle?
 
Wovor hattest du am meisten Angst?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Wovor hattest du am meisten Angst?
Das bewusste Gefühl von Angst stellte sich bei mir erst nach einem sehr beeindruckenden Erlebnis ein. Eines Tages schlug während eines Unwetters der Blitz in ein Warenlager der neben unserem Haus liegenden Standard Farb-und Lackfabrik ein. Ich erinnere mich noch als sei es gestern gewesen: wir sassen am Mittagstisch, als es einen Knall gab und die Fensterscheiben in der Küche, wo wir am essen waren, in die Brüche gingen. Ich wurde so erschreckt, dass ich vom Tisch aufstand und durch die Hintertür in den Garten rannte, im Glauben,so dem entstehenden Inferno entgehen zu können. Dem war aber nicht so, ganze Fässer oder auch nur Fassdeckel flogen durch die Luft und schlugen wie Meteoriten in unseren Garten ein. Es war eine beeindruckende Erfahrung, ich sehe noch heute, wie sich ungefähr zwei Meter neben mir so ein Fass in den Boden bohrte, es entstand ein etwa zweieinhalb Meter tiefer Krater. Es dauerte einige Jahre, um dieses Erlebnis zu verdauen und die mit Unwetter verbundenen Ängste abzubauen.
 
 
Erinnerst du dich an die Jahreszeiten?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Erinnerst du dich an die Jahreszeiten?
In meinen Erinnerungen waren die Jahreszeiten eigentlich nicht wichtig, das heisst ich nahm sie sicher wahr, aber nicht so, dass es für mich relevant oder wichtig war. Der Frühling und Sommer war die Zeit der vielen Arbeit im Garten, es war auch die Zeit der kurzen Haare, jedes Jahr zu Beginn des Sommers wurden uns die Haare abrasiert, wir wurden zu Glatzköpfen!


(1) Sommer-Tenue von Kopf bis Fuss - mit meinem grossen Bruder im Sommer 1952
Sommer-Tenue von Kopf bis Fuss - mit meinem grossen Bruder im Sommer 1952

 

 Wenn das Wetter gut war, gingen wir in diesen Jahreszeiten praktisch immer barfuss und waren leicht bekleidet, ein paar Turnhosen und ein Tessiner Leibchen, warum sie so genannt wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. An den Winter erinnere ich mich nur, weil es da die Winterferien gab, und natürlich den Winter 1963 mit der Seegfrörni.


(2) Auf dem gefrorenen Zürichsee im Winter 1963 - mit meinen Eltern und dem jüngeren Bruder

Auf dem gefrorenen Zürichsee im Winter 1963 - mit meinen Eltern und dem jüngeren Bruder

Im Winter 1963 gab es zuerst viel Schnee anfangs Januar und danach war es wochenlang sehr kalt, soweit ich mich erinnern kann, waren die Temperaturen immer so um die minus 15 bis minus 20 Grad in dieser Zeit. Dank dem zugefrorenen See kamen wir in den Genuss einer Woche "Seegfrörni"-Ferien, das war ein einmaliges Erlebnis, und ich glaube die ganze Stadt tummelte sich in dieser Zeit auf dem See, angeblich hatte es an sonnigen Tagen bis zu fünfhundert Tausend Personen auf dem See. Man konnte mit den Schlittschuhen, wenn man wollte bis nach Rapperswil fahren, denn der See war auf der ganzen Länge zugefroren. Ansonsten habe ich keine speziellen Erinnerungen an die Jahreszeiten.

Welche Rolle spielten Sonntage und Feiertage wie Weihnachten, Sankt Nikolaus, Ostern und Geburtstage in deinem Kinderleben?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Welche Rolle spielten Sonntage und Feiertage wie Weihnachten, Sankt Nikolaus, Ostern und Geburtstage in deinem Kinderleben?
Da mein Vater für die SBB arbeitete und sehr unregelmässige Arbeitszeiten hatte, waren bei uns auch die Sonn und Feiertage nicht immer spezielle Tage. Falls er aber einmal an einem Sonntag zuhause war dann gab es ein immer gleiches Ritual, am Sonntagmorgen ging man in die Kirche, und am Nachmittag gab es den obligaten Familien Spaziergang. Wie es damals Brauch war, ging man in den besten Kleidern seines Weges, dies gehörte zum guten Ton der Zeit.
Ganz speziell erinnere ich mich an Sankt Nikolaus, diese mysteriöse Gestalt, die immer über alle unsere Untaten Bescheid wusste. Da wir in einer sehr dunklen und ruhigen Strasse wohnten, hörte man sein Kommen von weitem, und mit dem Näherkommen wuchs auch meine Angst vor seinem Besuch in unserem Haus. Der Nikolaus und sein Gehilfe, der Schmutzli, waren für mich furchteinflössende Gestalten, vor allem die Tatsache, dass sie immer über alles informiert waren, flösste mir grossen Respekt ein. Ich war immer froh, wenn dieser Abend überstanden war, der Beutel mit den Nüssen und Mandarinen war nur ein schöner und tröstender Nebeneffekt. Ich wusste auch dass nach dem Sankt Nikolaus Weihnachten kommt, und diese Tage waren immer sehr schön in unserer Familie, bedingt durch die Arbeitszeit meines Vater, feierten wir manchmal etwas Zeitverschoben. Es gab immer einen schön dekorierten Christbaum mit Kerzen und Engelshaar, darunter lag dann immer ein Paket für jeden von uns (meistens selbst genähte Kleider), und natürlich etwas Selbstgebasteltes für die Eltern. Der Höhepunkt jeder Weihnacht war dann natürlich das Festessen, Schüfeli mit Dörrbohnen und Kartoffeln, zu damaliger Zeit ein Festschmaus, den wir alle genossen. Zum Abschluss des Tages ging man dann noch in die Mitternachtsmesse, für uns Kinder ein weiterer Höhepunkt, da wir sonst immer um acht Uhr ins Bett mussten.
Geburtstage wurden bei uns nicht gross gefeiert, in der Regel erhielt ich ein kleines Geschenk, meistens etwas Praktisches und Brauchbares, meine Mutter strickte  und schneiderte alle Kleider selber. Zu meinem zehnten Geburtstag erhielt ich mein erstes Fahrrad, ein von meinem Vater selbst gebautes rotes Fahrrad. Ich war enorm stolz auf dieses Fahrrad, und so benützte ich es auch um die Besorgungen zu machen. Bevor ich das Fahrrad hatte, ging ich immer zu Fuss. Etwa zwei Wochen nach Erhalt des Fahrrades sollte ich vor dem Nachtessen noch schnell Brot holen, und so kam es, dass ich das Fahrrad benutzte. Voller Stolz pedalte ich zur Bäckerei, und dann auf dem Heimweg passierte es, ein Schulkollege rief mir im Vorbeifahren etwas zu, ich drehte den Kopf und schon machte es "bums" und ich lag auf der Strasse und wusste nicht wie mir geschah. Was war geschehen? Ich fuhr auf ein parkiertes Auto auf! Nach dem ersten Schrecken stand ich auf und inspizierte mein Fahrrad. Zu meinem Schrecken stellte ich fest, dass das Vorderrad zerstört und die Gabel gestaucht war. Was natürlich gar nicht gut war, denn wie erkläre ich meinem Vater, dass das Fahrrad bereits nicht mehr fahrbar ist. Es blieb mir nichts anderes übrig, als das Fahrrad nach Hause zu stossen und fürs erste im Keller zu versorgen, ohne Bericht über mein Malheur abzuliefern. Ich denke, mein schlechtes Gewissen war an meinem Gesicht ablesbar, mein Vater fragte mich schon beim Betreten der Küche was los sei mit mir, ich erwiderte alles sei in Ordnung, aber natürlich glaubte er mir kein Wort. Er fragte noch einmal und ging dann still schweigend in den Keller.Als er zurückkam wusste ich, dass es ein Donnerwetter geben würde, ja sogar Schläge absetzen würde. So liess ich das Donnerwetter über mich ergehen, heimste tapfer eine Ohrfeige ein und musste dann ohne Nachtessen ins Bett. Der Vorfall wurde nicht mehr erwähnt, das Fahrrad blieb im Keller und ich ging wieder zu Fuss zum Einkaufen. Dann etwa drei Wochen später die grosse Überraschung, als ich von der Schule nach Hause kam, stand das frisch reparierte Fahrrad vor dem Hause, meine Welt war wieder in Ordnung, und ich war überglücklich und meinem Vater dankbar. Denn ich war mir bewusst, dass alles mit Kosten verbunden war, und meine Familie musste mit knappen Finanzen über die Runde kommen.
Wie haben eure Mahlzeiten ausgesehen?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Wie haben eure Mahlzeiten ausgesehen?
Als kurz nach dem Zweiten Weltkrieg Geborener wuchs ich in einer sehr einfachen Zeit auf, Essen war ein Bedürfnis, und man gab sich zufrieden mit dem was vorhanden war. Zum Frühstück gab es Kaffee, durchmischt mit Zichorie (Zichorie war eine günstige Art den Kaffee "geschmackvoller" zu machen), für die Eltern und Ovomaltine für uns Kinder, dazu Brot mit Butter und hausgemachter Konfitüre.
Das Angebot von Fleisch war sehr bescheiden, vor allem aber viel zu teuer für eine Arbeiterfamilie, und so kam es, dass bei uns höchstens einmal am Sonntag ein richtiges Stück Fleisch auf dem Teller lag. Unter der Woche gab es allerlei Mahlzeiten, die nicht immer den Geschmack von uns Kindern trafen. Da gab es Gerichte wie "Glüng", ein Innerschwyzer  Eintopf - Ragout mit Lunge und Kartoffeln, "Häfelichabis", ebenso ein Eintopf aus der Innerschwyz mit Hammel, Weisskohl und Kartoffeln, nur schon der Geschmack dieses Gerichtes nahm einem den Appetit ! Aber wie es so war in jener Zeit, es gab für niemanden eine Ausnahme, und so ass ich auch solche Gerichte, wenn auch mit Widerwillen und Verachtung. Als Selbstversorger von Gemüse und Früchten gab es bei uns selbstverständlich immer viele Gerichte mit Gemüse und / oder Früchten, die meisten dieser Gerichte liebte ich. Zum Beispiel "Fotzel-Schnitten mit Apfelkompott", "Vogelheu mit Vanillesauce" (beides Gerichte zur Verwertung von altem Brot) oder "Knöpfli mit Chriesibrägel" waren meine Favoriten und solcherlei hätte ich jeden Tag essen können. Obwohl mein Vater im Garten Kartoffeln anbaute, war er kein Freund von Kartoffelgerichten (er meinte Kartoffeln würden ihm Kopfschmerzen verursachen!) und so gab es auch des Öfteren Teigwaren oder gratinierte Gerichte wie "Älplermagronen" oder "Obwaldner Ofetori", und natürlich freitags gab es immer "Wähen" oder "Gschwelti mit Chäs". Solcherlei ass ich immer mit grossem Vergnügen, was mir aber gar keine Freude machte, war Salat und frischer Spinat. Da ich mich immer weigerte, den Salat zu essen, kam meine Mutter auf die Idee, ihn mit Zucker zu bestreuen, nach anfänglichem Zögern schmeckte mir diese Mischung, und Salat war kein Problem mehr für mich. Den gleichen Erfolg gab es nicht mit dem Spinat, ich lernte dieses Gemüse erst lieben, als ich schon einige Jahre in der Ferne auf dem Buckel hatte, also gelernt hatte fremdes Brot zu essen! Auf Grund der vielen Früchte im Garten gab es im Sommer des Öfteren ein "Birchermüesli" mit frisch gebackenem Ruchbrot, dies war für mich immer ein Höhepunkt, ich liebte diese Art von Mahlzeit und konnte kaum genug bekommen davon, es war ein richtiger Festschmaus!

Was für Kleider hast du getragen?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Was für Kleider hast du getragen?
In meiner Kindheit regierte sehr oft "Schmalhans", und so kam es, dass ich die Kleider meines älteren Bruders austragen musste. Sehr viele Kleider wurden aber auch von meiner Mutter in Handarbeit gefertigt, Hemden und Hosen genäht, und Socken oder Pullover waren immer selbst gestrickt. Ich war vor allem sehr stolz auf die Pullover, und so kam es, dass ich auch noch solche als Geschenk erhielt, als ich bereits erwachsen war. Zwei dieser Exemplare haben mit mir die Welt bereist, viele Stürme mit gemacht, und mir lange Jahre gute dienste erwiesen.
Im Sommer ging man meistens, bei gutem Wetter, mit kurzen Hosen und einem Tessiner Leibchen, kurzen Socken und Sandalen in die Schule, und zuhause nach der Schule gingen wir barfuss. Sollte es einmal über längere Zeit regnen oder kalt geworden sein, dann kamen die "Knickerbocker" aus dem Schrank, lange Wollsocken und Turnschuhe (ähnlich wie die heutigen Sneakers) komplettierten unser Tenue. Ich war kein Freund dieses Tenues, da ich auf dem Schulweg des Öfteren irgendwo hochkletterte oder Fussball spielte, kam es sehr oft vor, das ich mit einem Dreiangel oder Schramme in der Hose nach Hause kam, was natürlich Schläge absetzte. Daher waren für mich die kurzen Hosen viel praktischer, denn so konnte nur meine Haut zu schaden kommen, und die damit verbundenen Schmerzen waren immer Busse genug fürs nicht Aufpassen, also setzte es auch keine Schläge ab.
Immer sonntags, nach dem samstäglichen Ritual des Badens, mussten wir den Sonntag- Anzug anziehen. Denn man ging ja in die Kirche, und es war üblich, dass man zum Kirchgang gut angezogen war, dazu kam am Nachmittag der sonntägliche Familienspaziergang im gleichen Tenue. Dieser Tag war für mich immer eine Tortur, den ich musste aufpassen, dass ich mich nicht beschmutzte oder den Anzug beschädigte.
 
 
Wer und wie waren deine Spielkameraden?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Wer und wie waren deine Spielkameraden?
Ich kann mich nur an zwei andere Spielkameraden erinnern, das waren die zwei Töchter des Wirtes des Restaurants Frohsinn an der Ecke Altstetterstrasse / Standardstrasse. Rosmarie und Isabelle, sie waren ungefähr gleich alt wie ich, aber sie waren selten draussen anzutreffen und so kam es, dass mein älterer Bruder mein einziger Spielkamerad war. Bedingt durch den Altersunterschied war er auch nicht immer interessiert mit mir zu spielen, zum einen hatte er andere Pläne und Arbeiten zu erledigen oder dann traf er sich mit seinen Kollegen. Es gab da noch die Töchter des Besitzers der Standard Farb- und Lackfabrik, aber mit diesen Mädchen konnte ich mich nur durch den Maschendrahtzaun unterhalten, es war ihnen verboten, sich mit Arbeiterkindern abzugeben. Ab und zu ergab es sich, dass wir eine Art Völkerball spielten, der Maschendrahtzaun diente dabei als Netz. Dies ging aber nur so lange gut wie alle zufrieden waren, so bald wir wegen Unstimmigkeiten etwas lauter wurden und dies in der Villa gehört wurde, mussten die Mädchen sofort nach Hause.
Wer waren die Nachbarn? Kanntest du/kanntet ihr sie gut?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Wer waren die Nachbarn? Kanntest du/kanntet ihr sie gut?
Nachbarn gab es nicht viele, ein Nachbar wohnte im ersten Stock unseres Hauses, und zwar war es die jüngste, frisch verheiratete Schwester meiner Mutter mit ihrem Ehemann.Mit meiner Tante und meinem Onkel hatte wir ein gutes Verhältnis, und es ging manchmal recht lustig zu und her. Ansonsten kann ich mich nicht erinnern, dass wir irgendwelchen Kontakt mit anderen, in der selben Strasse lebenden Nachbarn hatten.
Im an unser Haus angrenzenden Areal der Standard Farb-und Lackfabrik gab es eine, in einem kleinen Park gelegene Villa wo der Besitzer der Fabrik wohnte. Diese Nachbarn waren aber, wie man damals sagte "feine Leute" und sie suchten und wollten auch keinen Kontakt mit Leuten der Arbeiterklasse. Trotzdem war es für mich immer spannend zu beobachten, wie gut angezogene Leute, manchmal auch mit Kindern in ihren Autos den Weg zur Villa nahmen, später konnte ich oft beobachten wie diese Kinder im Park spielten.  
Wer war für dich die einflussreichste Person?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Wer war für dich die einflussreichste Person?
Meine Eltern hatten sicher sehr viel Einfluss auf mein Leben, von ihnen lernte ich, dass Höflichkeit und Respekt im Leben eine zentrale Rolle einnehmen. Sie lehrten mich auch den Wahrspruch "ohne Fleiss kein Preis", dies sollte sich in meinem Leben sehr bewahrheiten. Ich bin mir sicher, dass ich von Haus aus gute Grundlagen mitbekommen habe, um im späteren Leben meinen Mann zu stellen.
 
Eine für mich sehr prägende Person trat erst später in mein Leben, aber der Einfluss dieser Person hat meine ganze Berufskarriere geprägt, dazu später etwas mehr.
Was für Kontakte hattet ihr mit euren Verwandten? Gab es unter diesen solche, die dir damals oder auch später besonders nahe standen?
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1.  Erste Erinnerungen und Kindheit

Was für Kontakte hattet ihr mit euren Verwandten? Gab es unter diesen solche, die dir damals oder auch später besonders nahe standen?
Meine Erinnerungen an Verwandte sind eigentlich nicht sehr gut, denn in meinen Kindheitsjahren gab es wenig Kontakt mit den Verwandten meiner Eltern, ausser natürlich mit der bereits erwähnten Schwester meiner Mutter, die bei uns im Haus wohnte.
 
Die erste Erinnerung an Verwandte war der Tod meines Grossvaters! Ich hatte gar keine Ahnung wer er war, man hat mir dann erklärt, dass dies der Vater meines Vaters gewesen sei. Also lernte ich ihn erst kennen als er im Sarg lag, umringt von vielen, mir fremden weinenden Leuten. Ich verstand überhaupt nichts, wusste aber am Ende des Tages, dass diese Leute die Geschwister meines Vaters waren (Onkel und Tanten), und dass es da auch noch andere Kinder gab, also meine Cousins und Cousinen. Ich lernte an diesem Tag auch, dass  die Familie etwas zerstritten war, und dies war auch der Grund, warum ich bis anhin keine Ahnung hatte, dass es Verwandte gab. Das Gute am Tode meines Grossvaters war, dass die Familie sich wieder etwas besser verstand, und dadurch ergaben sich dann auch für mich neue und interessante Kontakte mit meinen Cousins und Cousinen.
 
Etwa zur gleichen Zeit kam dann auch die Familie meiner Mutter ins Bild, auch hier gab es Differenzen, die nie aufgearbeitet wurden, und man hat sich einfach gemieden. Aber nach dem erwähnten Todesfall meines Grossvaters lernte ich dann, dass mein Grossvater mütterlicherseits schon lange gestorben sei, dass aber meine Grossmutter noch da war, und dass wir sie bald besuchen würden. Und so kam es, dass wir fortan des Öfteren Verwandten- Besuche machten und sich mir eine ganz neue Welt öffnete. Ich erinnere mich noch gut an die Besuche bei meiner Grossmutter in Richterswil, sie wohnte im Hause der Familie, dort wo sie mit ihrem verstorbenen Mann auch die Molkerei/Käserei geführt hatte. Sie war eine kleine und energische Dame, die manchmal nicht viel Spass verstand und uns Kinder des Öfteren einmal tadelte. Obwohl ich zu dieser Zeit auch meine Cousins und Cousinen kennen lernte, ergab sich eigentlich nie ein dauernder Kontakt. Ich glaube, dass auch hier meine Wanderjahre und die lange Zeit im Ausland dazu beigetragen haben, das ich mich von der Verwandtschaft entfremdete.
Was fällt dir als erstes ein, wenn du an deine Mutter denkst?
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2.1.  Meine Eltern – Meine Mutter.

Was fällt dir als erstes ein, wenn du an deine Mutter denkst?
Meine Mutter blieb mir in Erinnerung als eine gütige und immer hilfsbereite Person, sie war uns Kindern eine gute Mutter und alles was sie tat, machte sie mit dem Gedanken, nur das Beste für uns zu tun. Sie war auch eine Person die viel arbeitete, sie nähte und strickte einen grossen Teil unserer Kleider selber, dazu kam die anfallende Hausarbeit wie Waschen, Putzen und Kochen. Um die Familienfinanzen aufzubessern, arbeitete sie aushilfsweise im Hotel Flora in Altstetten und später im Restaurant Sonnental in Dübendorf im Service. In den Sommermonaten, wenn das Gemüse und die Früchte unseres grossen Gartens erntereif waren, gab es für sie noch zusätzliche Arbeit. Alle diese Produkte mussten verarbeitet werden, da wurde Gemüse eingemacht und sterilisiert, aus Früchten wurde Kompott oder Konfitüre hergestellt und sterilisiert. So kam es, dass wir im Sommer frisches Obst und Gemüse auf dem Tisch hatten, und im Winter kamen die eigenen, eingemachten Produkte auf den Tisch.
Gibt es ein bestimmtes Bild früheren Glückes, das dir im Zusammenhang mit der Mutter in den Sinn kommt?
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2.1.  Meine Eltern – Meine Mutter.

Gibt es ein bestimmtes Bild früheren Glückes, das dir im Zusammenhang mit der Mutter in den Sinn kommt?
Eigentlich hatte ich kein bestimmtes Bild früheren Glückes im Zusammenhang mit meiner Mutter. Aber vor kurzem habe ich aus dem Nachlass meiner Eltern einen Haufen alter Fotos erhalten und bin dabei auf ein paar ganz wunderbare Fotos gestossen. Auf vielen Fotos sieht man eine glückliche und zufriedene Frau, auf eine Art, wie ich in meinen Erinnerungen meine Mutter nie erlebt habe. Ich glaube, die Tatsache, dass meine Mutter zwei Kinder kurz nach der Geburt verloren hat, spielte sicher auch eine grosse Rolle in ihrem Leben, und ich denke, dass es für sie nicht einfach war, diese traurigen Momente zu verarbeiten. Es gab ja damals noch keine Organisationen oder Hilfswerke, die Frauen nach dem Tode eines Kindes mit Rat und Tat zur Seite standen.
Woher stammt deine Mutter? Was weisst du über ihr Leben? Wie hat sie den Krieg erlebt?
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2.1.  Meine Eltern – Meine Mutter.

Woher stammt deine Mutter? Was weisst du über ihr Leben? Wie hat sie den Krieg erlebt?
Im Prinzip weiss ich sehr wenig über ihr Leben, bekannt ist mir nur, dass sie die älteste Tochter einer Familie (mit total acht Kindern) war, die in Richterswil eine Molkerei/ Käserei betrieb. Da der Vater sehr früh verstarb (1937), musste sie als Älteste schon früh mit anpacken, sei es auf die jüngeren Geschwister aufpassen, im Laden helfen oder beim Ausliefern der Molkerei Produkte an die Bewohner in Richterswil. Da ihre Mutter mit ihr sehr streng war, verliess sie sehr früh ihr Elternhaus, verbrachte die meisten Kriegsjahre fernab von zuhause und verdiente sich ihren Lebensunterhalt als Haushalthilfe und Serviertochter. Sie hat nie viel erzählt, aber aus den bekannten Fragmenten darf man schliessen, dass diese Jahre nicht immer einfach waren, und dass sie sicher viele kämpfen musste um im Leben zu bestehen.
In dieser nicht immer einfachen Zeit lernte sie dann auch meinen Vater kennen und lieben. Er war im Aktivdienst, bei einem seiner Restaurantbesuche auf sie aufmerksam geworden und wurde zum Stammgast in diesem Lokal. Nach kurzer Verlobungszeit wurde im Jahre 1942 in Locarno geheiratet. Da beide Familien nicht mit der Wahl ihrer Sprösslinge einverstanden war, entschieden sie sich fernab von zuhause trauen zu lassen.


(1) Hochzeitfoto meiner Eltern - Locarno 1942
Hochzeitfoto meiner Eltern - Locarno 1942

 

 
 
 
Wie würdest du sie beschreiben?
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2.1.  Meine Eltern – Meine Mutter.

Wie würdest du sie beschreiben?
Es ist nicht leicht, die Mutter zu beschreiben, denn als Kind und Jugendlicher hat man sich nicht so sehr mit solchen Gedanken aufgehalten. Aber zurückblickend würde ich sie als eine etwa 1.65 Meter grosse, immer mit leichtem Übergewicht kämpfende Frau beschreiben. Sie legte grossen Wert darauf, immer gepflegt zu sein, sie sagte immer, auch wenn man nicht wohlhabend und reich sei so soll man sein äusseres pflegen. Die Haare waren, so lange ich mich erinnern kann, immer mit Dauerwellen gelegt, manchmal ging sie zum Coiffeur, um sich die Haare zu schneiden und zu "legen" (so sagte man damals) aber sehr oft wurde sie zuhause zum "Coiffeur" und lief dann ein paar Stunden mit den Haarwicklern herum. Sie war eine gütige und meistens gut gelaunte Frau, aber sehr streng mit uns und hatte wenig Sinn für Humor und konnte sehr schnell böse werden, was nicht immer sehr angenehm war.
Wie hast du sie als Mutter empfunden?
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2.1.  Meine Eltern – Meine Mutter.

Wie hast du sie als Mutter empfunden?
Sie war eine gute Mutter, die Kinder und der Haushalt waren ihr Leben, und sie tat alles, um all dies unter einen Hut zu bringen. Natürlich war da auch die Erwartungshaltung des damaligen Lebens, die Nachbarn und die Verwandtschaft schauten sehr genau hin und waren schnell mit Kritisieren. Ich denke, dass das Leben direkt nach dem Krieg nicht einfach war, der Aufbruch und die sich verändernde Gesellschaft führten zu zusätzlichem Druck, um alles recht zu machen. Auch wenn es als Kind manchmal nicht einfach war, gewisse Entscheide zu verstehen und zu akzeptieren, bin ich meiner Mutter dankbar für alles, was sie für uns geleistet hat und vor allem, das sie uns gut für das Leben vorbereitet hat.
Was waren ihre herausragenden Eigenschaften?
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2.1.  Meine Eltern – Meine Mutter.

Was waren ihre herausragenden Eigenschaften?
Dadurch dass der Haushalt ihr sehr viel bedeutete, war sie auch eine ausgezeichnete Köchin, sie machte aus einfachen Sachen wunderbare Mahlzeiten und jedes Essen, auch wenn es "Hörnli mit Käse und Zwiebelschweize" oder ähnliche einfach Gerichte gab, es war immer ein Festmahl. Daneben strickte und nähte sie gerne, alle unsere Kleider als Kinder waren immer selbstgemacht, es machte ihr viel Freude und sie war stolz, dass wir trotz allem immer sauber und ordentlich angezogen waren. Zurückschauend wurde mir auch bewusst, dass ich sie nie klagen oder jammern hörte, sie war zufrieden mit dem Leben, auch wenn es viel Arbeit war, für Haus, Kinder und Garten zu sorgen. Ich denke dies ist ein Merkmal, das auch auf mich abgefärbt hat, und es ist für mich schwer zu verstehen, dass Leute durch das Leben gehen können und sich konstant beklagen oder sich selbst bemitleiden.
Was habt ihr alles zusammen unternommen?
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2.1.  Meine Eltern – Meine Mutter.

Was habt ihr alles zusammen unternommen?
In meinen Erinnerungen gibt es nicht vieles das wir gemeinsam unternommen haben, abgesehen einmal von der Gartenarbeit und der Mithilfe beim Zurüsten der Früchte und Gemüse im Sommer. Natürlich gab es da auch den typischen "Sonntag-Familien-Spaziergang" aber immer nur dann, wenn der Vater auch seinen freien Arbeitstag hatte. In meinen Erinnerungen gibt es keine Momente, in denen wir etwas gespielt haben oder aus einem Buch vorgelesen wurde. Auf Grund der vorhandenen Fotos muss ich annehmen, das wir ab und zu auch Ausflüge gemacht haben, aber leider habe ich überhaupt keine Erinnerung an solche Ausflüge.
Hast du dich an deine Mutter gewandt, wenn dir etwas auf dem Herzen lag? Woran erinnerst du dich speziell?
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2.1.  Meine Eltern – Meine Mutter.

Hast du dich an deine Mutter gewandt, wenn dir etwas auf dem Herzen lag? Woran erinnerst du dich speziell?
In meinen jungen Jahren hatte ich ein sehr gutes Verhältnis mit meiner Mutter, und ich konnte mich sehr gut mit ihr unterhalten. Sie hat mir sehr gerne zugehört, wenn ich ihr erzählte, was ich wieder in einem Buch gelesen hatte, ich konnte sie aber auch fragen, wenn mir etwas nicht ganz klar war. Falls man aber Spezialwünsche hatte, dann musste man beim Vater vorstellig werden, Mutter erlaubte niemals etwas ohne das Einverständnis des Vaters.
Auch in späteren Jahren hatte ich immer eine gute Beziehung zu meiner Mutter, ich schätzte es immer, mich mit ihr zu unterhalten und einen Meinungsaustausch zu haben, sie war auch im Alter eine sehr aufgeschlossene und gut informierte Person. Ganz speziell erinnere ich mich an ein Gespräch mit ihr im Jahre 1985 kurz nach dem mein Vater schwer krank wurde und auf konstante Hilfe angewiesen war. Ich hatte kurz vor der Erkrankung meines Vater den Vertrag für meine neue Stelle in Argentinien unterschrieben und fühlte mich nun nicht sehr wohl bei dem Gedanken so weit wegzugehen, vor allem im Hinblick auf alles was noch auf meine Mutter zukommen könnte. Da meine Frau dies genauso sah, suchte ich das Gespräch mit meiner Mutter um abzuklären, wie sie sich fühlte und wie sie mit meiner bevorstehenden Abreise umgehen würde. Um es kurz zu machen, sie erklärte mir, das ich meinen Weg gehen soll, auch wenn mein Weg fern von zuhause weitergehen würde, so müsste ich doch für mich schauen und mir mein Leben so aufbauen, wie ich es für mich richtig finden würde. Denn die Eltern würden nicht ewig da sein, und darum sei es wichtig, das ich meinen eingeschlagenen Weg weiter gehe, um mit meiner Familie glücklich zu sein. Wenn man in Betracht zieht, welche Belastung die schwere Erkrankung meines Vater für meine Mutter darstellte, dann war dies ein für sie enorm grosser Entscheid, mich zu ermutigen, trotz allem an meinen Plänen festzuhalten und die Stelle in Argentinien anzutreten. 
Welches war der Beruf deiner Mutter, bevor sie heiratete? Hat sie diesen Beruf auch nach der Heirat ausgeübt?
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2.1.  Meine Eltern – Meine Mutter.

Welches war der Beruf deiner Mutter, bevor sie heiratete? Hat sie diesen Beruf auch nach der Heirat ausgeübt?
Meine Mutter konnte und durfte keinen Beruf erlernen, man hat ihr immer wieder gesagt, das Mädchen sowieso heiraten und demzufolge auch keinen Beruf bräuchten. Alle Tätigkeiten, die sie nach dem Auszug von zuhause ausübte waren angelernt, vor allem ihre Arbeit im Service machte ihr Freude, und diese Tätigkeit übte sie auch nach ihrer Heirat noch aus. Wie bereits erwähnt, als Aushilfe, aber nicht als tägliche Arbeit war sie im Service tätig.
 
Hatte sie Hobbies oder Leidenschaften? Was konnte sie besonders gut? Was machte sie besonders gern?
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2.1.  Meine Eltern – Meine Mutter.

Hatte sie Hobbies oder Leidenschaften? Was konnte sie besonders gut? Was machte sie besonders gern?
In den fünfziger und sechziger Jahren hatten die wenigsten Leute Zeit und Musse für Hobbies, die ganz Energie wurde aufgewendet, um die Familie über die Runden zu bringen. Aus diesem Grunde wurden bei uns auch die meisten Kleider selbst geschneidert oder gestrickt, von den Socken über die Hose bis zum Hemd und Pullover war immer alles hausgemacht. Obwohl all dies viel Zeit in Anspruch nahm, hatte ich immer den Eindruck, dass es ihr auch Freude machte. 
Meine Mutter war immer eine einfache Person, sie kleidete sich so wie es damals Mode war für eine Frau aus der Arbeiterklasse. Damals ging es mehr um Zweckmässigkeit, zudem fehlten das Geld und die Zeit, um sich gross mit der Mode zu befassen.
Was fällt dir als erstes ein, wenn du an deinen Vater denkst?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Was fällt dir als erstes ein, wenn du an deinen Vater denkst?
Immer am Arbeiten, harte Schale - weicher Kern, viel Sinn für Humor und wenn nötig auch sehr streng. 
Durch seine Arbeit bei den Schweizerischen Bundesbahnen als Visiteur hatte er immer unregelmässige Arbeitszeiten. Seine Arbeitstage waren in Früh-, Mittel- und Spätdienst eingeteilt, dadurch war er für uns Kinder nicht immer in unserem Alltag präsent. Um das Haushaltbudget aufzubessern arbeitete er auch noch bei einem Kollegen in einer kleinen Werkstatt in seinem angestammten Beruf als Werkzeugmacher. Manchmal durfte ich ihn begleiten, und ich erinnere mich noch immer wie er da an der Drehmaschine stand und hoch konzentriert verschiedene Stücke Metall präzis verarbeitete. In den Sommermonaten kam der eigene grosse Garten dazu, durch all diese Arbeiten gab es kaum Freizeit für meinen Vater.Ich kann mich nicht erinnern, dass er je ein Buch gelesen hat, dem Zeitunglesen widmete er auch nur kurze Zeit, denn immer wartete Arbeit auf ihn.
 
Zu all dem Arbeiten kamen dann auch noch seine Hobbies, zum einen war er ein leidenschaftlicher Musiker, spielte Horn, Tuba und Bass bei der Eisenbahnermusik Zürich. Und zum anderen liebte er das Kegeln und gesellige Zusammensein mit seinen Arbeitskollegen. Manchmal durfte ich mitgehen zum Kegel stellen, dies gab mir die Gelegenheit, meinen Vater von seiner ganz anderen, humorvollen und geselligen Seite kennen zu lernen.
Gibt es ein bestimmtes Bild früheren Glückes, das dir im Zusammenhang mit dem Vater in den Sinn kommt?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Gibt es ein bestimmtes Bild früheren Glückes, das dir im Zusammenhang mit dem Vater in den Sinn kommt?
Eigentlich nicht, zumindest kann ich  mich an keine Episode erinnern, die mir ein Glücksgefühl verursacht hat. In der Rückschau war alles immer Arbeit und Pflichterfüllung, da gab es wenig Gelegenheit für solche Momente. Ich denke es war nicht fehlende Liebe oder Zuneigung, sondern schlicht und ergreifend der Druck, der in den Jahren nach dem Krieg auf unseren Eltern lag.
Woher stammt dein Vater Was weisst du über sein Leben? Wie hat er den Krieg erlebt?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Woher stammt dein Vater Was weisst du über sein Leben? Wie hat er den Krieg erlebt?
Mein Vater wurde in Fislisbach, Kanton Aargau, als eines von acht Kindern geboren und verbrachte dort auch seine Jugendjahre. Leider erhielt ich zeitlebens wenig Information über seine Jugendjahre, er sprach selten über seine Jugend und noch seltener über seine Familie. Ich weiss nur, dass sein Elternhaus direkt neben der Katholischen Kirche stand, in welcher sein Vater während vielen Jahren im Nebenamt als Sigrist tätig war, die Familie betrieb einen kleinen Bauernhof.  Mir ist auch bekannt, dass er eine Werkzeugmacher Berufslehre bei Brown Boveri machte und noch vor dem Ausbruch des Krieges bei den Schweizerischen Bundesbahnen eine Anstellung fand.  Während des Krieges leistete er viele Aktivdiensttage an der Grenze, auch hier sind mir keine näheren Details bekannt. Vater wollte nie über die Vergangenheit sprechen, er war der Ansicht, dass dies für uns Kinder nicht wichtig sei.
Wie hast du ihn als Vater empfunden?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Wie hast du ihn als Vater empfunden?
Mein Vater war die Autorität im Hause, was er sagte, das galt und konnte nicht umgestossen oder geändert werden. Wie bereits erwähnt hatte er eine raue Schale und einen weichen Kern, nur leider kam dieser weiche Kern selten zum Vorschein, zumindest nicht zu meiner Primarschulzeit. 
Da ich nach der Schulzeit das Elternhaus verlies, erlebte ich auch nicht wie mein Vater seine Pensionierung erlebte, mein Kontakt mit dem Elternhaus war immer mit der Mutter, denn mein Vater schrieb keine Briefe. 
Was waren seine herausragenden Eigenschaften?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Was waren seine herausragenden Eigenschaften?
Die herausragenden Fähigkeiten meines Vaters waren, dass er alles im Hause selber reparieren konnte, er war das, was man heute als einen Handyman bezeichnen würde. Es gab nichts, was er nicht reparieren konnte, die wenigen Spielsachen die wir hatten, wurden immer wieder liebevoll repariert. Alles im und ums Haus wurde von ihm repariert, erneuert oder neu gebaut, für dieses Talent habe ich ihn immer bewundert. Es gab nichts was ihm Zuviel war, er hat einfach immer gearbeitet und gewerkelt, Zeit fürs Nichts tun gab es bei ihm nicht.
Was habt ihr alles zusammen unternommen?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Was habt ihr alles zusammen unternommen?
Falls er einmal am Sonntag frei hatte gab es den obligaten Familienspaziergang, alle sauber herausgeputzt im schönsten Kleid ging es der Limmat entlang zum Kloster Fahr. Dort angekommen gab es dann eine Pause und wir Kinder bekamen einen Sirup und etwas Zeit zum Verweilen und Spielen. Ansonsten erinnere ich mich nicht an gemeinsame Unternehmungen nur mit meinem Vater.
Das einzige Mal als wir, mein älterer Bruder, mein Vater und ich etwas zusammen unternahmen, endete mit einem Unglück. Wir waren in unseren ersten und einzigen Winterferien in Oberiberg bei einer Cousine meiner Mutter, es war ein guter Winter mit viel Schnee. So kam es, dass der Vater eine Skitour auf den "Tisch" (der Tisch liegt im heutigen Hoch Ybrig) plante. An einem sonnigen und kalten Wintertag war es so weit, wir schnallten die Felle an die Skier und los ging's, im Rucksack gebratene, kalte Schnitzel mit Brot und drei Feldflaschen mit heissem Tee für unterwegs. Nach einem mehrstündigen Aufstieg erreichten wir unser Ziel und genossen die Aussicht, nachdem wir uns gestärkt hatten kam der schönere Teil dieser Skitour, die Abfahrt über tief verschneite Hänge zurück nach Oberiberg. Wir waren eigentlich gut unterwegs und kamen gerade aus dem letzten Waldstück, als mein Vater eine Pause einlegen wollte. Als er abschwang um auf uns zu warten, stürzte er und stand nicht mehr auf. Als wir, mein Bruder und ich, die Stelle erreichten und ihn fragten, warum er nicht aufstehe, sagte er, dass er wahrscheinlich das Bein gebrochen habe. Da standen wir nun, fernab vom Dorf und jeglicher Hilfe, wir entschieden dann, dass mein Bruder (er war der ältere) ins Dorf abfahren sollte um Hilfe zu holen. Ich blieb bei meinem Vater, konnte aber nichts für ihn tun und fühlte mich zusehends unwohl, mitten im Nirgendwo, es war kalt und die Sonne ging langsam unter. Es dauerte eine Ewigkeit bis die Leute mit dem Rettungsschlitten bei uns ankamen, mein Vater war vom Liegen im Schnee recht unterkühlt. Es stellte sich heraus, dass mein Vater einen offenen Beinbruch hatte, das Bein wurde notdürftig versorgt, und dann ging es mit dem Schlitten talwärts und gleich zum Dorfarzt. Nach kurzer Abklärung mit dem Spital Einsiedeln wurde uns mitgeteilt, dass mein Vater nach Zürich ins Spital müsse, da man in Einsiedeln nicht ausgerüstet sei für so komplizierte Brüche. Da es keine Ambulanz gab in Oberiberg wurde mein Vater in ein für damalige Verhältnisse grosses Auto geladen und nach Zürich gefahren. So schön diese Skitour mit dem Vater war, mit diesem Unfall waren unsere Ferien zu Ende, wir alle mussten zurück nach Hause, um in der Nähe des Vaters zu sein.
Als Anerkennung für meinen guten Lehrabschluss organisierte mein Vater eine mehrtägige Reise nach Rom. Als Angestellter der Schweizerischen Bundesbahnen hatte er jedes Jahr Anrecht auf sogenannte "Freikarten" welche ihn berechtigten auf einer selbstgewählten Strecke gratis zu Reisen, dank dem wurde die Reise nach Rom möglich. Mit dem Nachtzug ging es über Mailand nach Rom, wo wir, nach einer langen und recht "holprigen" Fahrt, am Nachmittag des nächsten Tages eintrafen. Das Rollmaterial und die Geleise waren noch nicht auf dem Stand von heute, aber dies tat der Freude keinen Abbruch. Wir bezogen ein Hotel in Gehdistanz zum Vatikan, und konnten praktisch alle Sehenswürdigkeiten Rom's zu Fuss erreichen. In diesen drei Tagen mutierte ich dann auch zum Dolmetscher, meine bescheidenen Italienischkenntnisse waren gut genug damit wir die drei Tage in Rom geniessen konnten. Wir verbrachten schöne Tage zusammen, besuchten den Petersdom, die Sixtinische Kapelle, die Engelsburg, das Coliseum, den Trevi Brunnen, fuhren nach Castel Gandolfo und besuchten die Hafenstadt Ostia vor den Toren Rom's. Natürlich genossen wir auch Rom als pulsierende, etwas chaotisch wirkende Stadt mit ihren vielen Facetten, Antipasta, Pizza oder Pasta mit einem Glas feinem Wein machten jeden Tag zu einem speziellen Erlebnis. So kehrten wir nach fünf Tagen, glücklich und zufrieden, voller neuen Eindrücke, aber müde "dank" der doch nicht so erholsamen langen Zugreise wieder nach Hause zurück. 
 
 
Hast du dich an deinen Vater gewandt, wenn dir etwas auf dem Herzen lag? Woran erinnerst du dich speziell?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Hast du dich an deinen Vater gewandt, wenn dir etwas auf dem Herzen lag? Woran erinnerst du dich speziell?
Meine Ansprechperson war immer meine Mutter, ich denke dies war bedingt durch die Tatsache, dass die Präsenz des Vater sehr limitiert war (seine unregelmässige Arbeitszeit) Dadurch ergab es sich einfach, dass die Mutter eine viel grössere Rolle spielte in meinem Leben als der Vater.
Welches war der Beruf deines Vaters bevor er heiratete? Hat er später seinen Beruf gewechselt?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Welches war der Beruf deines Vaters bevor er heiratete? Hat er später seinen Beruf gewechselt?
Mir ist bekannt, dass er eine Werkzeugmacher Berufslehre bei Brown Boveri in Baden machte, noch vor Ausbruch des Krieges fand er eine Stelle als Visiteur bei den Schweizerischen Bundesbahnen.
Visiteur waren die uniformierten Personen, welche im Hauptbahnhof Zürich immer mit dem langen dünnen Hammer umherliefen. Ihre Aufgabe bestand darin, an allen Zügen das Bremssystem und die Bremsen auf ihre Funktionstüchtigkeit zu prüfen, damit die Züge für die Weiterreise gerüstet waren. Zusätzlich wurden sie auch eingesetzt für das Zusammensetzten der Züge, das Kontrollieren der Kupplungen, und auch Sicherstellen, dass alles bestens funktionierte.
Dem Berufe eines Visiteurs blieb mein Vater bis zur Pensionierung treu, ich denke, dass sich das Berufsbild in den langen Jahren auch gewandelt hat und er sich immer wieder neu anpassen musste. Da ich sehr früh von zuhause wegging, habe ich wahrscheinlich einen besseren Dialog mit meinem Vater verpasst.
Hat er dich an seinen Arbeitsplatz mitgenommen? Wie war das?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Hat er dich an seinen Arbeitsplatz mitgenommen? Wie war das?
Ich wurde nie an den Arbeitsplatz mitgenommen, aber ab und zu wenn wir mit der Mutter auf Verwandten-Besuch gingen und im Hauptbahnhof in Zürich einen Zug besteigen wollten, ergab sich der Zufall, dass wir den Vater bei der Arbeit antrafen. Ich kann mich erinnern, dass ich dann immer sehr stolz war auf meinen Vater. In seiner Uniform und steifen Hut sah er immer sehr "wichtig aus", und dies machte mir grossen Eindruck.
Hatte er Hobbies oder Leidenschaften?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Hatte er Hobbies oder Leidenschaften?
Leidenschaften sind mir keine bewusst, aber er spielte, wie bereits erwähnt beim Eisenbahner Musikverein Zürich, Horn, Tuba und später den Bass. Dazu kamen auch die Kegelnachmittage mit seinen Arbeitskollegen, die ihm viel Freude machten und von denen er immer gut gelaunt nach Hause kam.
Hat dir/euch der Vater erzählt, wie er die Mutter erobert hat?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Hat dir/euch der Vater erzählt, wie er die Mutter erobert hat?
Mir ist nicht viel bekannt über die Art und Weise wie sich meine Eltern kennen lernten, das einzig Bekannte ist, dass er meine Mutter in Sihlbrugg, wo sie damals als Serviertochter tätig war, kennen lernte.
Wie kleidete er sich? War ihm das wichtig?
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2.2.  Meine Eltern – Mein Vater.

Wie kleidete er sich? War ihm das wichtig?
In meiner Erinnerung war mein Vater immer ein sehr gepflegter Mann, auf die Arbeit ging es immer in Uniform mit Hemd und Krawatte. Aber auch sonst achtete er auf sein Äusseres, es war ihm wichtig, dass er immer wie er es nannte "präsentierbar" sei. Falls er einmal Sonntag zuhause war, dann kleidete er sich mit Anzug und Krawatte, für den Kirchgang kam noch der Hut dazu. Damals trugen alle Männer Hüte, welche dann beim Grüssen einer Dame kurz vom Kopf gehoben wurden.
Was fällt dir spontan ein, wenn du an deine Eltern als Ehepaar denkst?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Was fällt dir spontan ein, wenn du an deine Eltern als Ehepaar denkst?
Ein Paar das manchmal ganz gegensätzliche Interessen verfolgte, und doch sind sie immer miteinander gut klargekommen und haben ein schönes gemeinsames Leben gehabt.
Wie würdest du dein Elternhaus und euer damaliges Familienleben beschreiben?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Wie würdest du dein Elternhaus und euer damaliges Familienleben beschreiben?
Mein Elternhaus war einfach, es gab keinen Komfort im heutigen Sinn, aber es fehlte uns an nichts. Es gab immer genug zu Essen, wenn auch sehr einfach und kostengünstig, es war immer schmackhaft. Das Familienleben war geprägt von Arbeit, es gab wenig Momente des Nichtstuns, in meiner Erinnerung war mein Vater immer am Arbeiten. Die Mutter war auch immer beschäftigt, und so beschränkten sich die gemeinsamen Momente aufs Essen und wenn wir alle zusammen im Garten am Arbeiten waren. Alles in allem darf ich sagen, dass wir ein harmonisches Familienleben hatten, Streit gab es praktisch nie und ab und zu, wenn der Vater gutgelaunt war, konnte er auch die Familie mit seinen Spässen unterhalten.
Wie würdest du ihr Verhältnis/ihren Umgang miteinander bezeichnen?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Wie würdest du ihr Verhältnis/ihren Umgang miteinander bezeichnen?
Meine Eltern zollten sich gegenseitigen Respekt, es gab nie wirklich Streit, ab und zu eine Diskussion die dazu führte, dass dann ein paar Tage "Funkstille" herrschte! Es wurde dann nicht miteinander gesprochen, bis es dann nach ein paar Tagen plötzlich wieder von selber ins Lot kam. Sie haben sich auch gegenseitig immer unterstützt, mein Vater half sogar ab und zu im Haushalt mit, wenn er einmal Zeit hatte, dies fand ich besonders toll, da so etwas zu jener Zeit nicht unbedingt zu den Tätigkeiten eines Mannes gehörte.
An welchen Elternteil hast du angenehmere oder spezifischere Erinnerungen?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

An welchen Elternteil hast du angenehmere oder spezifischere Erinnerungen?
Ich denke, dass ich der Mutter näher stand, weil sie immer oder meistens zuhause war und aus diesem Grunde auch immer ansprechbar war. Auch in meinem späteren Leben, nachdem ich von zuhause weg gegangen war, meine Briefe wurden immer von meiner Mutter beantwortet, nie von meinem Vater. Wenn auch die Mutter mir besser in Erinnerung geblieben ist, ist sie mir oft kalt und abweisend vorgekommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich umarmt oder geherzt wurde. Aber ich denke, dass dies auch mit der Erziehung meiner Mutter zu tun hat, ihr Leben als Kind und später als junge Frau war nicht immer einfach, und dies hat ihr Leben sehr stark beeinflusst.
An was für Erziehungsmethoden, allenfalls auch Bestrafungsmethoden, erinnerst du dich?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

An was für Erziehungsmethoden, allenfalls auch Bestrafungsmethoden, erinnerst du dich?
Falls wir einmal etwas angestellt hatten, mussten wir schon damit rechnen, dass es Haue absetzen kann. Vor allem im Primarschulalter erhielt ich ab und zu einmal den "Hintern" poliert, Vater benützte dazu seinen Hosengurt! An einen Vorfall kann ich mich gut erinnern, weil ich zu Unrecht Haue bekam, und dies erst noch an einem Sonntag nach dem Kirchgang.
 
Auf dem Weg zur Kirche begegneten wir der Familie eines Schulkollegen, man begrüsste sich wie üblich, und normalerweise wäre man weiter gegangen. Aber der Vater meines Schulkollegen beklagte sich bei meinem Vater über mein Benehmen gegenüber seinem Sohn. Da mein Kollege eine leichte Behinderung an einem Arm hatte, war ihm das Mitleid garantiert. Ich wollte mich zur Sache äussern, aber mein Vater wollte nicht hören, er sagte nur: wir sprechen nach der Kirche. Nur wurde nachher nicht gesprochen sondern gleich bestraft, der Hosengurt sprach ganze Bände! Es war sehr schmerzhaft, und vor allem auch ungerecht, weil ich mich in dem erwähnten Vorfall nur gegen die Angriffe verteidigte, die von diesem ach so netten Kollegen und seinen "Freunden" ausging. Erst zwei Tage später konnte ich endlich meiner Mutter den wahren Sachverhalt schildern, und auf diese Art und Weise meinen Schmerz etwas lindern.
Mussten du und deine Geschwister Arbeiten verrichten? Welcher Art und in welchem Alter?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Mussten du und deine Geschwister Arbeiten verrichten? Welcher Art und in welchem Alter?
In unserem Hause hatten wir alle von klein auf unsere "Ämtli", sei es Geschirr trocknen, Schuhe putzen, wischen ums Haus, Garten von Unkraut befreien, Bohnen pflücken, einfach alles was so anfällt in und um ein Haus mit grossem Gemüse- und Früchte- Garten, ganz nach dem Motto "Keiner zu klein um nützlich zu sein".
Wie hielten es deine Eltern mit Taschengeld?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Wie hielten es deine Eltern mit Taschengeld?
Ich glaube, in den Nachkriegsjahren war das Wort Taschengeld nicht bekannt, Geld war nicht im Überfluss vorhanden, und es war selbstverständlich, dasS sich die Kinder nützlich machen, ohne dafür entschädigt zu werden.
Wie waren deine Eltern religiös eingestellt?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Wie waren deine Eltern religiös eingestellt?
Meine Mutter war in einer sehr katholischen Familie gross geworden und dementsprechend religiös. Dazu kam, dass ihr Bruder, der eine kirchliche Laufbahn einschlug und Pfarrer in Schlieren war, sich immer wieder einmischte und sie ermahnte den Glauben zu leben. Der Vater hingegen hielt nicht so viel von der Kirche, dies auch bedingt durch seine unregelmässige Arbeitszeit, und so war er kein fleissiger Kirchgänger. Mir ist aber bekannt, dass mein Vater nach seiner Pensionierung anfing, wieder regelmässig in die Kirche zu gehen, ich glaube dies geschah aus einem mir nicht bekannten Bedürfnis heraus, laut meiner Mutter gab ihm dies viel innere Ruhe.
Haben deine Eltern dir als Kind/euch als Kinder gegenüber ihre politischen Ansichten geäußert? Wo standen sie politisch?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Haben deine Eltern dir als Kind/euch als Kinder gegenüber ihre politischen Ansichten geäußert? Wo standen sie politisch?
In unserem Hause wurde nie politisiert, aber mein Vater machte des Öfteren Bemerkungen betreffs der "mehr besseren" und den "Büezern". Die "mehr besseren" fuhren Auto und die "Büezer" gingen zu Fuss oder mit dem Fahrrad, die sozialen Unterschiede waren vor allem nach dem Kriege recht gross. Mein Vater war Mitglied der Eisenbahner Gewerkschaft SEV, und ich denke die standen schon sehr links, sie kämpften für die Besserstellung der Arbeiter und Angestellten. Ich erinnere mich, dass er immer am 1.Mai-Umzug mitgemacht hat, dies war zu jener Zeit ein Grossanlass und als wir Kinder alt genug waren, durften wir mitgehen, aber nicht zum Mitlaufen, nur zum Schauen.
Was für mediale Erinnerungsstücke an deine Eltern wie Briefe, schriftliche Aufzeichnungen, Bilder, Fotos, Filme, Tonaufzeichnungen, Videos hast du?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Was für mediale Erinnerungsstücke an deine Eltern wie Briefe, schriftliche Aufzeichnungen, Bilder, Fotos, Filme, Tonaufzeichnungen, Videos hast du?
Da ich sehr jung mein Zuhause verlassen habe und dann die meiste Zeit meines Lebens im Ausland verbrachte, sind mir keine Erinnerungsstücke meiner Eltern geblieben. Als mein Vater erkrankte, wurde das Elternhaus verkauft, bei dieser Räumung kamen meine beiden Brüder zum Zuge, ich war zu weit weg, um mich an dieser Sache zu beteiligen. Das gleiche passierte, als meine Mutter starb. Nach dem Tode meiner Mutter wurde die Wohnung geräumt, und ausser ein paar Fotos die mein jüngerer Bruder an sich genommen hat, ist nichts mehr geblieben. 
Gibt es Lebensweisheiten, die dir deine Eltern mitgegeben haben?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Gibt es Lebensweisheiten, die dir deine Eltern mitgegeben haben?
Mit dem Hut in der Hand gehst Du durchs ganze Land - diesen Satz habe ich oft gehört, vor allem aber als ich zuhause bekannt gab, dass ich meine beruflichen Wanderjahre beginnen würde. Zu der Zeit hat man mir auch immer wieder gesagt, sei immer arbeitsam / fleissig , sei höflich und respektiere die Obrigkeit.
Inwiefern glaubst du, dem Vater oder der Mutter ähnlich zu sein? Oder bewusst anders?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Inwiefern glaubst du, dem Vater oder der Mutter ähnlich zu sein? Oder bewusst anders?
Im Rückblick meines Lebens sehe ich ganz klar, dass ich viel von meinem Vater übernommen habe. Die Arbeit und Pflichterfüllung spielte in meinem Leben immer eine wichtige Rolle, ich habe genauso wenig Zeit und Aufmerksamkeit für meine Kinder gehabt wie damals mein Vater für uns hatte.
Von der Mutter habe ich die Empathie für den Mitmenschen, Geduld und Verständnis fürs anders sein, dies hat mir auf meinem Lebensweg sehr viel geholfen. Einzig meine Neugier auf Neues, meine Freude am Reisen und das in kauf nehmen von Risiken mit meinen konstanten Wohnsitz und Stellenwechseln habe ich nicht von meinen Eltern übernommen. Meine Mutter hat sich oft gefragt, von wem ich dies hätte, ihres Wissens gab es niemanden in ihrer wie auch in meines Vaters Familie, der sich so ein Leben aufgebaut hat.
Welche Rolle spielte Humor in deinem Elternhaus? Erinnerst du dich an lustige Geschichten oder Vorfälle?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Welche Rolle spielte Humor in deinem Elternhaus? Erinnerst du dich an lustige Geschichten oder Vorfälle?
Es gab nicht viel zu lachen bei uns, vor allem nicht in jungen Jahren, ich entdeckte erst im späteren Leben, dass mein Vater sehr viel Sinn für Humor hatte, auch Witze erzählen konnte und es gerne auch lustig hatte. Ich glaube, dass durch die berufliche Besserstellung sich der finanzielle Druck auf die Familie verringerte, und das dies dazu beigetragen hat, dass Vater gelöster wurde.
Wie hast du Sexualität/Erotik in deinem Elternhaus erlebt?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Wie hast du Sexualität/Erotik in deinem Elternhaus erlebt?
Sexualität / Erotik war in unserem Hause kein Thema, es wurde nicht darüber gesprochen. Als ich bereits in der Berufslehre war und einmal eine diesbezügliche Frage an meine Mutter richtete, gab es ein peinliches Schweigen, aber keine Antwort. Dafür erhielt ich ein paar Tage später ein dünnes Büchlein über das Erwachen der Sexualität, mit dem Kommentar - lies es und dann weisst du Bescheid. Nur leider war dieses Büchlein von der katholischen Kirche verfasst, und somit wurde hier nichts, aber auch gar nichts beim Namen genannt, so kam es dass ich mein diesbezügliche Wissen über Zeitschriften und Kollegen sammeln musste.
Falls ein Elternteil, oder beide, schon gestorben sind, welche Erinnerungen hast du an ihren Tod?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Falls ein Elternteil, oder beide, schon gestorben sind, welche Erinnerungen hast du an ihren Tod?
Leider war ich bei beiden Todesfällen zu weit weg, beim Tode meines Vaters war ich in Südamerika und beim Tode meiner Mutter in China. So habe ich beide Todesfälle nur bei der Beerdigung erlebt. Es ist schwierig wenn man von so weit anreist und dann am nächsten Tag bereits auf dem Friedhof Abschied nehmen muss. Mir kam es immer komisch vor, ich fühlte mich verloren und konnte meine Gefühle nicht ordnen. Dazu kam noch, dass wir Brüder unter einander ein sehr distanziertes Verhältnis hatten, es gab nicht viel zu sagen, und so fühlte ich mich wie ein Fremder in der Familie.
Wie erlebtest du die Beerdigungen? Besuchst und pflegst du das Grab?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Wie erlebtest du die Beerdigungen? Besuchst und pflegst du das Grab?
Mit meiner Frau besuchten wir regelmässig das Grab meiner Eltern und hinterlegten Blumen, verbrachten einen intensiven Moment mit Erinnerungen und Gedanken am Grabe. Leider wurde im Jahre 2017 das Grab meiner Eltern aufgehoben, da bereits 25 Jahre vergangen sind seit dem Tode meines Vater im Jahre 1992. Da meine Mutter im Jahre 2008 im selben Grab beigesetzt wurde, wurde auch ihr Grab aufgehoben und so gibt es leider keinen Platz mehr für ein Zwiegespräch mit den verstorbenen Eltern.
Die Tatsache, dass man Gräber aufhebt, ist für meine Frau schwer verständlich, denn da wo sie herkommt bleiben Gräber für die Ewigkeit erhalten, und vor allem glaubt man, dass man dir Ruhe der Toten nicht stören soll. 
Haben deine Eltern je von Erbschaften profitiert?
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2.3.  Meine Eltern – Die Ehe meiner Eltern.

Haben deine Eltern je von Erbschaften profitiert?
Meines Wissens haben meine Eltern nie eine Erbschaft gemacht, ich denke, dass beide Familien ein sehr bescheidenes Leben führten. Dazu kam, dass es auf beiden Seiten auch viele Geschwister gab, somit dürfte bei einer eventuellen Erbschaft nicht viel übrig geblieben sein.
Was sind deine Erinnerungen an diesen Grossvater?
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3.1.  Meine Grosseltern – Mein Grossvater väterlicherseits.

Was sind deine Erinnerungen an diesen Grossvater?
Die Erinnerung an meinen Grossvater ist sehr einfach, ich lernte ihn kennen, als er im Sarg lag. Bis zu jenem Tag hatte ich keine Ahnung, dass es so etwas wie einen Grossvater gibt! Später im Leben erzählte mir mein Vater, das seine Familie zerstritten war, und das wir aus diesem Grund auch keinen Kontakt hatten. Erst durch den Tod des Grossvaters lernte ich Onkel, Tanten und Cousins kennen.
Was sind deine Erinnerungen an diese Grossmutter?
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3.2.  Meine Grosseltern – Meine Grossmutter väterlicherseits.

Was sind deine Erinnerungen an diese Grossmutter?
Meine Grossmutter kannte ich gar nicht, ich glaube sie verstarb vor meiner Geburt.
Was sind deine Erinnerungen an diesen Grossvater?
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3.3.  Meine Grosseltern – Mein Grossvater mütterlicherseits.

Was sind deine Erinnerungen an diesen Grossvater?
Der Grossvater mütterlicherseits verstarb 1937, also lange vor meiner Geburt, somit hat er keine Rolle gespielt in meinem Leben.
Was sind deine Erinnerungen an diese Grossmutter?
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Seite 71 wird geladen
3.4.  Meine Grosseltern – Meine Grossmutter mütterlicherseits.

Was sind deine Erinnerungen an diese Grossmutter?
Die Grossmutter mütterlicherseits war eine kleine, streng blickende Dame mit wenig Sinn für Humor. Da wir nur sehr sporadisch auf Besuch gingen, habe ich wenig Erinnerung an sie und ihr Umfeld.
Was für Selbstzeugnisse oder Objekte über deine Grossmutter existieren noch? Was bedeuten sie dir?
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3.4.  Meine Grosseltern – Meine Grossmutter mütterlicherseits.

Was für Selbstzeugnisse oder Objekte über deine Grossmutter existieren noch? Was bedeuten sie dir?
Aus dem Nachlass meines Göttis konnte ich ein gerahmtes Foto meiner Grossmutter erben, dies nimmt nun einen Ehrenplatz ein im Büro bei uns zuhause.
Was war ihre berufliche Tätigkeit gewesen?
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3.4.  Meine Grosseltern – Meine Grossmutter mütterlicherseits.

Was war ihre berufliche Tätigkeit gewesen?
Das wenige das ich über meine Grossmutter mütterlicherseits weiss, ist, dass sie zeitlebens, das heisst ab dem Moment der Heirat mit meinem Grossvater, in der der Familie gehörenden Molkerei gearbeitet hat und zugleich die acht Kinder gross gezogen hat. Nach dem frühen Tode meines Grossvaters 1937 führte sie die Molkerei mit Hilfe der älteren Kinder bis zu ihrem Rückzug in den Ruhestand.
Erinnerst du dich an ihren Tod?
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3.4.  Meine Grosseltern – Meine Grossmutter mütterlicherseits.

Erinnerst du dich an ihren Tod?
Leider habe ich keine Erinnerung an ihren Tod und ihr Begräbnis. Ich glaube dass sie gestorben ist, nachdem ich bereits auf meinen Wanderjahren war und aus diesem Grunde wahrscheinlich auch nicht an ihrer Beerdigung teilnahm.
Was sind deine frühesten Erinnerungen an den Kindergarten?
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4.  Kindergartenjahre

Was sind deine frühesten Erinnerungen an den Kindergarten?
Meine ersten Jahre in der Schule habe ich nicht vergessen, wir gingen ins Hero Schulhaus, welches sich am Ende, auf der anderen Strassenseite des kleinen Flusses, der das Ende unserer Strasse anzeigte. Über einen kleinen Steg erreichte man den grossen Vorplatz mit den Kletterstangen und anderen Spielgeräten. Wir hatten immer viel Spass, uns dort vor der Schule etwas auszutoben, bereits als Kindergärtner mit unseren Turnhosen und Tessiner Leibchen testeten wir an diesen Geräten unsere Kräfte. Nicht gerade zur Freude von Frau Caduff, der Kindergartenleiterin, denn des Öfteren Fiel einer von uns herunter, blaue Flecken und Hautabschürfungen waren an der Tagesordnung. Aber es hat Spass gemacht, genauso gerne verbrachten wir unsere Zeit im Kindergarten, denn Frau Caduff war wohl sehr streng, aber wir hatten es immer gut bei ihr und die Zeit verging wie im Fluge.
Wie war der Weg von zu Hause in den Kindergarten?
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4.  Kindergartenjahre

Wie war der Weg von zu Hause in den Kindergarten?
Der Weg in den Kindergarten war sehr kurz, das Hero Schulhaus lag ungefähr zweihundert Meter entfernt, am Ende unserer Strasse musste man eine kleine Brücke überqueren welche zugleich das Ende der Standardstrasse markierte.
Was fällt dir ein, wenn du dich an die Kindergärtnerin/den Kindergärtner erinnerst?
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4.  Kindergartenjahre

Was fällt dir ein, wenn du dich an die Kindergärtnerin/den Kindergärtner erinnerst?
Frau Caduff blieb mir in Erinnerung als eine freundliche, ruhige und geduldige Lehrerin, hier ist sie zu sehen mit der Kindergartenklasse 1953/54 vor dem Hero Schulhaus in Altstetten.



(1) Kindergartenklasse 1953/54 bei Frau Caduff im Hero Schulhaus - Ich bin der Junge in der Mitte, direkt hinter dem Jungen mit der Mütze im Vordergrund
Kindergartenklasse 1953/54 bei Frau Caduff im Hero Schulhaus - Ich bin der Junge in der Mitte, direkt hinter dem Jungen mit der Mütze im Vordergrund

 

 


 

Erinnerst du dich an bestimmte Kinder, die mir dir in den Kindergarten gingen?
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4.  Kindergartenjahre

Erinnerst du dich an bestimmte Kinder, die mir dir in den Kindergarten gingen?
Ich habe überhaupt keine Erinnerung an Namen aus der Zeit im Kindergarten, ich erinnere mich an den Namen der Kindergärtnerin, weil ihr Name auf der Rückseite einer Foto aus jener Zeit steht.
Welches waren in dieser Zeit deine Lieblingssendungen (Radio und Fernsehen?)
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4.  Kindergartenjahre

Welches waren in dieser Zeit deine Lieblingssendungen (Radio und Fernsehen?)
Da es zur Zeit meiner Kindheit noch keine Fernseher gab, spielte das Radio eine wichtige Rolle in unserem Leben. Ich erinnere mich, dass wir immer um halb sechs nachmittags die Kinderstunde hören durften, wir waren immer gespannt, was da wieder kommen wird. Es wurden Geschichten erzählt, Trudi Gerster erzählte Märchen, oder es gab so etwas wie ein Hörspiel für Kinder, welches uns dann für Tage und Wochen in seinen Bann zog.
Durftest du schon ins Kino gehen? Woran erinnerst du dich?
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4.  Kindergartenjahre

Durftest du schon ins Kino gehen? Woran erinnerst du dich?
Kinobesuche wären ein Luxus gewesen, aber ich glaube es gab in den frühen fünfziger Jahren auch sehr wenige Kinos in Zürich. Aber, und das finde ich auch heute noch toll, beim Einkaufen im Lebensmittelverein konnte man Eintritte für den Jugend Film Club beziehen. Einmal im Monat, am schulfreien Mittwoch-Nachmittag wurden dann im Kino in Altstetten Stummfilme vorgeführt. Da gab es Filme von Laurel und Hardy, Buster Keaton, Pat und Patachon und natürlich Charlie Chaplin, die Zeit im Kino verging immer wie im Flug, und man wollte gar nicht nach Hause gehen. Mit dem Aufkommen der Trickfilme von Walt Disney wurden dann auch solche Filme ins Programm aufgenommen, so gab es Tom und Jerry, Donald Duck und Dagobert, nebst vielen anderen unterhaltsamen Filmen zu sehen.
Hattest du in deiner Kindheit schwierige Phasen mit Krankheiten oder Unfällen durchzustehen?
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5.  Krankheiten und Unfälle

Hattest du in deiner Kindheit schwierige Phasen mit Krankheiten oder Unfällen durchzustehen?
Nebst den normalen Kinderkrankheiten habe ich eigentlich nie etwas gehabt, ich blieb auch verschont von grossen Unfällen. Ab und zu ein aufgeschlagenes Knie oder sonstige Abschürfungen, nichts welches eine länger Zeit im Bett liegen erfordert hätte. Dazu kommt noch, dass wir dazu angehalten wurden froh zu sein das wir gesund sind und keine schlimmen Krankheiten hatten. Dieses Gedankengut hat mich fürs Leben geprägt, und ich habe die Gesundheit immer als wichtigstes Kapital meines Lebens betrachtet.
Gab und/oder gibt es es in deiner Familie Krankheiten/Unfälle, die dich geprägt oder dein Leben beeinflusst haben?
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5.  Krankheiten und Unfälle

Gab und/oder gibt es es in deiner Familie Krankheiten/Unfälle, die dich geprägt oder dein Leben beeinflusst haben?
Ich denke, dass mich die Krankheit meines Vaters im Unterbewusstsein sehr geprägt hat, er erlitt vier Jahre nach seiner Pensionierung in kurzer Zeit drei Hirnschläge. Vom ersten erholte er sich relativ gut, nach dem zweiten Hirnschlag war er auf der rechten Körperseite beeinträchtigt, und der dritte Hirnschlag war dann fatal, ab diesem Zeitpunkt war er komplett hilflos und konnte sich nicht mehr verständigen. Dank der Pflege, die ihm meine Mutter zuhause zukommen liess, konnte er noch zehn Jahre leben, aber all die Pläne die er hatte für die Zeit nach der Pensionierung blieben unerfüllt.
Dieser Einschnitt im Leben meiner Eltern hat mich sehr geprägt, habe ich doch ab diesem Moment bewusst versucht gesund (Ernährung/Sporttreiben) zu leben, und vor allem habe ich Träume und Pläne umgesetzt und sie nicht ans Ende der beruflichen Aktivität verschoben.
Hast du deine Kindheit und Jugend in der gleichen Wohnung bzw. im gleichen Haus verbracht, oder musstest du öfters umziehen?
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6.  Wohnen

Hast du deine Kindheit und Jugend in der gleichen Wohnung bzw. im gleichen Haus verbracht, oder musstest du öfters umziehen?
Die ersten zwölf Jahre meines Lebens (1948 - 1960)verbrachte ich an der Standardstrasse 12 in Altstetten, und dieser Ort war für mich mein Zuhause, der Ort wo ich mich gut fühlte und mit meinen Brüdern glücklich war.
Im Frühjahr 1960 hiess es plötzlich wir müssten umziehen. Ich konnte die Tragweite eines Umzuges nicht erahnen, und so fand ich es einfach spannend. Spannend weil mir klar war, dass mit dem Umzug ein Neuanfang anstehen wird, ein neues Zuhause, eine neue Umgebung, ein neues Schulhaus, und neue Kollegen und Lehrer.



Falls ihr umgezogen seid, was waren die Gründe für den Umzug/die Umzüge? Wie wurde darüber entschieden?
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6.  Wohnen

Falls ihr umgezogen seid, was waren die Gründe für den Umzug/die Umzüge? Wie wurde darüber entschieden?
Der Grund unseres Umzuges lag daran, dass die Gemeinde das ganze Gebiet benötigte für die Verbreiterung der Bernerstrasse (heute ist dies die A1) und zur baulichen Aufwertung des Bahnhofareals. Wir Kinder wurden nicht über diese ganzen Vorgänge informiert, aber ich stelle mir vor, dass die Gemeinde meine Eltern vor Tatsachen stellte, für unser Grundstück und Haus eine finanzielle Abgeltung anbot, und so gab es keine Alternative für uns als zu gehen. So kam es, dass wir in ein relativ neues Einfamilienhaus (Baujahr 1948) in Schwamendingen einziehen konnten, dies war dann auch bis zur schweren Krankheit meines Vaters im Jahre 1992 das Zuhause unserer Familie.


(1) Das neue Zuhause in Schwamendingen - Sommer 1960
Das neue Zuhause in Schwamendingen - Sommer 1960

 

Zurückblickend darf ich sagen, dass es gut war das wir umgezogen sind, wir zogen in ein Haus mit einem richtigen Badezimmer mit Badewanne und Dusche, fliessend heissem Wasser, Heizung im ganzen Haus, und einem eigenen Zimmer für jeden von uns. Dazu kam ein schöner grosser Garten rings ums Haus, eine Pergola für schöne und gemütliche Stunden, kurz gesagt, eine wesentliche Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität für die ganze Familie.

Wie entwickelten sich die Raum- und Schlafverhältnisse seit deiner Jugend?
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6.  Wohnen

Wie entwickelten sich die Raum- und Schlafverhältnisse seit deiner Jugend?
Ich denke, dass sich die Raumverhältnisse schon gewaltig verändert haben seit meiner Jugend. In unserem ersten Haus in Altstetten teilte ich ein Zimmer mit meinem grösseren Bruder, ein kleines Zimmer mit zwei Betten und einer kleinen Kommode. Mehr Platz gab es da nicht, es gab keine Nachttische oder Leselampen im Zimmer, war auch nicht nötig, denn wenn man ins Bett ging, dann war Nachtruhe. Das Zimmer war unbeheizt, was vor allem im Winter immer wieder eine Herausforderung war, es genügte beim Erwachen die Fenster anzuschauen. Waren sie mit Eisblumen bedeckt, dann war klar, dass das Aufstehen sehr kalt und unangenehm sein wird. Die Morgentoilette wurde in der Küche gemacht, keine Heizung und kaltes Wasser, aber wie so alles im Leben, man gewöhnte sich daran.
Nach unserem Umzug in unser neues Zuhause war es dann schon ganz anders, wir hatten plötzlich ein eigenes Zimmer, mit genug Platz für einen Tisch, Nachttisch mit Leselampe und einen grossen Schrank. Dazu kam die Tatsache, dass es ein Badezimmer mit heissem Wasser gab, und im Winter eine Heizung, die das ganze Haus warm hielt, nicht so wie heute, aber verglichen mit vorher war dies bereits ein Luxus. Zumindest empfanden wir es als solchen.
 
 
Wie unterscheiden sich deine früheren Wohnverhältnisse von den heutigen Ansprüchen?
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6.  Wohnen

Wie unterscheiden sich deine früheren Wohnverhältnisse von den heutigen Ansprüchen?
Die Wohnverhältnisse über die Zeit meines bisherigen Lebens muss ich in verschiedene Etappen gliedern. Die bereits erwähnte Verbesserung durch unseren Umzug in unser neues Zuhause war ein grosser Fortschritt. Als ich nach der Lehre in Zürich meine Lehr- und Wanderjahre als Koch begann, hatte ich allerlei Unterkünfte, überall konnte man wohnen, aber man musste sich mit wenig zufrieden geben.
An meiner ersten Stelle nach der Lehre in der Hotellerie Rigi Kaltbad, ein neu erstelltes Hotel, wurde mir ein sehr modernes und komfortables Zimmer zugeteilt. Ein geheiztes Zimmer mit eigener Toilette und Badezimmer, für mich ein absoluter Luxus. Meine nächste Stelle führte mich nach St. Moritz in ein Luxushotel. Ich stellte mir vor, dass ich wieder ein schönes und komfortables Zimmer erhalten würde. Weit gefehlt, es gab ein Zweierzimmer ohne Heizung und ohne Schrank, man musste aus dem Koffer leben. Dazu kam, dass die Tür ein grosses Loch hatte, und so blies der Wind durchs Zimmer, es war recht unangenehm, vor allem wenn man bedenkt, dass es im Winter sehr kalt war im Engadin. In einem anderen Luxushotel im selben Ort "wohnte" ich einem Achterzimmer, da das Bett keine Beine hatte, ruhte es auf leeren Bierkisten. Der Vorteil dieser Installation war, dass der Koffer wunderbar unters Bett passte, denn auch hier gab es keinen Schrank für unser Hab und Gut. Interessant war auch die Situation mit dem Waschraum / Toilette, alles war für die Gemeinschaft, es gab sehr wenig, und es war sehr spartanisch eingerichtet. Ein langes fünfer Waschbecken aus Metall, und es gab nur kaltes Wasser, der Raum war nicht beheizt was wiederum das Duschen nicht gerade zu einem erhabenen Erlebnis machte. Sowieso musste man für das Duschen immer anstehen, es gab nur zwei Duschen für ca. 30 Mitarbeiter, eigentlich war es immer ein Wettlauf, wer als erster unter die Dusche kam, denn dies garantierte warmes Wasser! Und so habe ich in den Wanderjahren einiges erlebt, Gutes und weniger Gutes, aber all diese Erlebnisse haben mich fürs Leben geformt.
 
Später dann gab es unterschiedliche Wohnerlebnisse, in Paris lebte ich in der Nähe des Gare St. Lazare in einem schönen Zimmer im 7. Stock, die Toilette teilte ich mit der Besitzerin der Wohnung, zum Baden ging ich ein öffentliches Bad. In London, ursprünglich in einem kleinen Zimmer ohne irgendwelchen Komfort, die Toilette und das Bad teilte ich mit acht anderen eingemieteten Personen. Das gute an diesem Zimmer war das ich zu Fuss meine Arbeitsstelle erreichen konnte. Nach der Heirat in London, wohnten wir in einer kleinen Dachwohnung mit zwei sehr kleinen Zimmern, in Südamerika dann in grossen Häusern mit sehr grossen Zimmern / Räumen. Später in China in einer Neubau- Wohnung im 22. Stock eines Hochhauses, auch hier gab es viel Platz, aber leider keine richtige Heizung. Auf Grund eines von Mao in den fünfziger Jahren erlassenen Gesetzes war es nicht erlaubt, in Häusern/Wohnungen südlich des Yangtze Flusses Heizungen einzubauen. So kam es, dass es im Winter nicht nur kalt war, an windigen Tagen pfiff der Wind durchs Haus, weil die Fenster und Türen allesamt nicht richtig dicht waren. Eigentlich ein Paradox, den die Gebäude/Wohnungen waren sonst auf dem neusten Stand der Technologie (Zugang zu Gebäude und Wohnung mit einer Chipkarte, hochmoderne Liftanlage etc.) So fühlte ich mich in meine Jugend zurück versetzt, und die damals gelernte Resistenz hat mir geholfen auch unter diesen Bedingungen zufrieden zu sein.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich es heute schätze, eine schöne und moderne Wohnung mit genügend Platz zu haben, sauberes fliessendes Wasser, eine Heizung die wärmt, kurz gesagt - ich schätze den Komfort, den man in der Schweiz geniessen kann.
 
 
Wie war das konkret mit den jeweiligen sanitären Installationen? WC, Badewanne, Dusche und der Körperhygiene?
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6.  Wohnen

Wie war das konkret mit den jeweiligen sanitären Installationen? WC, Badewanne, Dusche und der Körperhygiene?
In meiner Jugendzeit waren die sanitären Installationen noch sehr dürftig, zumindest an unserem ersten Wohnort war alles ziemlich einfach gehalten. Die Toilette war eng, es gab nur gerade Platz für den "Thron" und die Wasserleitung. Im Winter hängte mein Vater jeweils eine Petroleumlampe in die Toilette, nicht um zu heizen, sondern um sicherzustellen, das die Wasserleitung nicht einfror. Die Morgentoilette wurde am Waschbecken in der Küche ausgeführt, es gab sonst keinen Wasseranschluss im Hause. Sommer und Winter nur mit kaltem Wasser und Seife, andere Produkte zur Körperhygiene gab es bei uns nicht. Trotz allem waren wir immer sauber und gepflegt, ich denke viele Produkte, die heute auf dem Markt sind, sind nicht zwingend notwendig.
Unsere Badewanne stand im Keller, genau gesagt in der Waschküche, dort wurde immer am Samstag, in einem holzbefeuerten grossen Topf, Wasser fürs Baden warm gemacht. Sobald das Badewasser bereit war musste zuerst mein älterer Bruder das Bad "geniessen", anschliessend durfte ich dann im selben Wasser meinen Dreck "abwaschen". Nach dem Bad mussten wir gleich im Bett verschwinden, wir hätten ja wieder dreckig werden können! Diese Situation wurde erst mit unserem Umzug nach Schwamendingen besser, denn nun hatten wir ein Haus mit einem richtigen Badezimmer mit Badewanne/Dusche, dies wurde von uns allen als Luxus wahrgenommen. Ab diesem Moment musste ich nicht mehr das "Badwasser" teilen, nein ich durfte mein Bad geniessen und konnte mir Zeit nehmen, niemand mahnte mich zur Eile. Als ich mein Zuhause verliess und in den verschiedenen Hotels wohnte, änderte sich dies wieder, und ich musste mich den jeweiligen, nicht immer schönen Verhältnissen anpassen. Die sanitären Anlagen waren sehr oft nicht im besten Zustand, und meistens gab es nur eine Dusche für bis zu dreissig Personen, kaltes Wasser war die Norm, und die Räume waren schlecht bis gar nicht beheizt. Um dem Problem mit der Dusche aus dem Wege zu gehen, machte ich Gebrauch des Lavabos und wusch mich mit Lappen und Seife, und genoss dann bei einem meiner Besuche zuhause wieder einmal die Badewanne. Die Personalunterkünfte in den Luxushotels in der Schweiz liessen sehr oft zu wünschen übrig, aber all dies gehörte zu meinen Lehr- und Wanderjahren, und ich denke es hat mir überhaupt nicht geschadet.
Wie waren die Küchen in deiner Kindheit im Vergleich zu heute ausgestattet bzw. wie wurde damals gekocht?
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6.  Wohnen

Wie waren die Küchen in deiner Kindheit im Vergleich zu heute ausgestattet bzw. wie wurde damals gekocht?
Die Küche in unserem ersten Haus war sehr einfach eingerichtet, da gab es einen Gaskochherd mit vier Kochstellen, unten eingebaut gab es einen Backofen. Direkt neben dem Gasherd stand ein Granitwaschbecken mit Abstellfläche,  und ein kleines Möbel für Töpfe und Geschirr. In der Mitte des Raumes stand ein Holztisch mit vier Hockern, dieser Tisch war der Mittelpunkt unseres Hauses. Hier wurde gegessen, gelesen, Hausaufgaben gemacht, oder ab und zu spielten wir dort Eile mit Weile.
 
Gekocht wurde sehr einfach, ich denke es hat damit zu tun, dass nach dem Krieg auch in der Schweiz niemand auf Rosen gebettet war. Bei uns gab es sehr einfache aber schmackhafte Gerichte, es gab Eintopf-Gerichte (Hafenchabis, Gluengg, Voressen) oder Fotzelschnitten mit selbst gemachtem Kompott, Knöpfli mit gebratenen Zwiebeln, Chriesibrägel, Vogelheu (altes Brot gebraten mit verquirltem Ei und Apfelschnitz, Käse- oder Frucht-Wähen und vieles anderes mehr. Immer am Sonntag gab es ein gutes Stück Fleisch, sei es Schweinsbraten oder ein gebratenes Poulet mit Kartoffeln und Gemüse, selbstverständlich alles aus dem eigenen Garten. Im Sommer war das Gemüse oder Obst frisch und im Winter wurde gebraucht, was man im Sommer eingemacht hat (in Sterilisier- Gläsern)
 
Mit den verschiedenen Wechsel, in andere Länder gab es auch immer wieder neue "aha" Erlebnisse mit den Küchen, aber generell kann ich sagen, dass wir immer einfache und saubere Küchen in unseren Wohnungen vorfanden. Die Energiequelle war immer Gas, das warme Wasser wurde mit einem gasbeheizten Boiler produziert, aber man musste spärlich damit umgehen, wenn man wollte, dass alle Familienmitglieder in den Genuss von warmem Wasser kamen. Die Küchen in England, genauso wie in Argentinien waren als Wohnküchen angedacht, waren dieselben doch recht geräumig mit genug Platz für einen grossen Tisch und Stühle, es gab auch immer genügend Schränke als Stauraum. Im Vergleich zu den Küchen meiner Kindheit war dies ein grosser Fortschritt, und entsprechend zufrieden war ich mit dem verbesserten Lebensstandard für meine Familie.

In China war das dann auch wieder etwas anders, die Küche war relativ klein, aber gut eingerichtet, und es fehlte auch hier an nichts, gekocht wurde auch hier auf einem Gasherd und für das warme Wasser gab es auch einen gasbeheizten Boiler.
Der Grund für die kleine Küche lag in der Tatsache, dass die meisten Chinesen nicht zuhause kochten sondern sich praktisch immer auswärts verpflegten. Der Hintergrund dieses Verhaltens liegt an der langen Geschichte des gemeinsamen Wohnens auf engstem Platz. Bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts hatte eine chinesische Familie, meistens bestehend aus zwei Generationen, nur Anspruch auf 20 Quadratmeter Lebensraum , man muss dies gesehen haben, um zu verstehen was dies bedeutet. Küche und Toilette, wenn überhaupt vorhanden, wurden mit acht bis zehn anderen Familien geteilt. Die sogenannten Küchen verdienten diesen Namen nicht, denn sie bestanden in der Regel nur aus einem Gasbrenner (Wok) und einem Kaltwasseranschluss. So kam es, dass man aus der Not eine Tugend machte und sich auswärts verpflegte, das Essen in den Strassenküchen war günstig, frisch und zugleich hatte man immer Gesellschaft, man war nie alleine, und es erklärt auch gleich warum die Chinesen so eine gesprächige und freundliche Gesellschaft sind.














 
 
 
Was für Haushaltsgeräte hattet ihr? Was bedeuteten sie?
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6.  Wohnen

Was für Haushaltsgeräte hattet ihr? Was bedeuteten sie?
In meiner Kindheit gab es keine elektrischen Küchengeräte, alles wurde von Hand gemacht. Erst mit unserem Umzug im Jahre 1960 wurde ein elektrisches Haushaltgerät angeschafft, ein Staubsauger! So lange ich zuhause wohnte war dies das einzige elektrische Haushaltgerät an das ich mich erinnern kann.
Wie war das für dich jeweils mit Radios, Fernseher, Computer und anderen elektronische Medien?
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6.  Wohnen

Wie war das für dich jeweils mit Radios, Fernseher, Computer und anderen elektronische Medien?
In meiner Kindheit gab es nur einen Radio im Haus, dieser lief aber meistens nur am Sonntag, wenn man die gute Stube benutzen durfte. Einen Fernseher kauften sich meine Eltern erst nachdem ich schon von zu Hause weggezogen war, dies vor allem auch wegen meines jüngeren Bruders. Computer gab es in den sechziger und siebziger Jahren noch nicht, also war es auch kein Thema.
Bist du an frühere Wohnorte zurückgekehrt?
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6.  Wohnen

Bist du an frühere Wohnorte zurückgekehrt?
Vor kurzem habe ich mir Zeit genommen und bin in meine alte "Heimat" gegangen, um zu sehen wie sich alles verändert hat. In Altstetten ist die Veränderung am grössten. Das ganze Gebiet zwischen Bahnhof und der ehemaligen Bernerstrasse, heute A1, ist komplett überbaut mit Geschäftshäusern, Hotels und Wohnblöcken, die Standardstrasse existiert nicht mehr, also die Vergangenheit wurde komplett ausgelöscht. Im Gegensatz dazu hat sich in Schwamendingen nicht sehr viel verändert, unser ehemaliges Haus, ja das ganze Quartier besteht noch und die Häuser, wenn auch in die Jahre gekommen, stehen noch immer, die Gärten sind gepflegt, und es scheint als ob hier die Zeit stehen geblieben sei. Die einzig sichtbare Veränderung ist der ausgebaute ÖV, heute gibt es zwei Tramlinien, welche im 8 Minuten Takt Schwamendingen mit der Stadt verbinden. Zu meiner Zeit gab es nur die Buslinie 31, welche am Milchbuck Anschluss an die Tramlinie 7 bot, so war damals die Reise in die Stadt doch eine zeitintensive Angelegenheit. 
Mit Wohnorten sind auch immer Menschen verbunden. Welche Erinnerungen hast du an Nachbarn und Kameraden aus der Nachbarschaft?
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6.  Wohnen

Mit Wohnorten sind auch immer Menschen verbunden. Welche Erinnerungen hast du an Nachbarn und Kameraden aus der Nachbarschaft?
Die Erinnerungen an meine Schulkollegen meiner ersten sechs Schuljahre in Altstetten sind sehr vage, und ich habe auch nie versucht, diesen Kontakt wieder herzustellen. Genauso wenig Erinnerungen habe ich von den paar Nachbarskindern die es dort gab. Ich erinnere mich wohl an Namen, habe aber keine Ahnung wo sie wohnen und ob sie noch leben.
 
Das selbe gilt für die letzten drei Schuljahre, denn ich wurde an unserem neuen Wohnort Schwamendingen eigentlich nie heimisch und es war mir nicht vergönnt, richtige Freundschaften aufzubauen. Ich denke, dies hat auch damit zu tun, dass ich nach der Schule eine Kochlehre absolvierte, und die Arbeitszeiten waren nicht gemacht, um ein soziales Netz aufzubauen.
Zu wem hast du heute noch Kontakt bzw. hättest noch gerne Kontakt?
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6.  Wohnen

Zu wem hast du heute noch Kontakt bzw. hättest noch gerne Kontakt?
Ich würde sehr gerne in Kontakt sein mit meinen Mitschülern des letzten Schuljahres. Nach meiner Rückkehr in die Schweiz im Jahre 2011 habe ich versucht, mit ehemaligen Schülern in Kontakt zu treten. Nur leider war niemand wirklich interessiert, und so habe ich diese Übung abgeblasen, vielleicht ist es ja auch besser so. 
Ab wann hattest du Vorstellungen, wie du einmal wohnen wolltest? Wie konkret waren diese?
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6.  Wohnen

Ab wann hattest du Vorstellungen, wie du einmal wohnen wolltest? Wie konkret waren diese?
Vorstellung wie ich einmal wohnen möchte, hatte ich eigentlich nie, es hat sich jeweils einfach so ergeben. Bedingt durch meine berufliche Tätigkeit bin ich / sind wir siebzehn mal umgezogen. Meistens gab es da nicht viel Zeit, um lange etwas Spezielles zu suchen, vor allem im Ausland konnte man nicht zu wählerisch sein. Aber ich darf sagen, wir haben immer gut gewohnt, und es hat uns an nichts gefehlt. Sicherlich gab es auch Momente in denen man wünschte, es etwas besser zu haben. Vor allem in Südamerika war es sehr schwierig, einmal fehlte Wasser, dann wieder gab es kein Gas oder keinen Strom, und wenn es ganz schlimm kam, gab es nichts von all dem. Da musste man schon sehr improvisieren um über die Runden zu kommen, und ich fragte mich mehr als einmal, warum tun wir uns dies an. Ich denke in dieser Zeit ist auch der Wunsch gereift, es dann im Ruhestand schön und komfortabel zu haben. Ich stelle schön nicht mit Luxus gleich, aber wohnen an einem Ort mit guter funktionierender Infrastruktur, zentral gelegen, nahe zur Stadt und vor allem auch nahe zu den Einkaufsmöglichkeiten und dem öffentlichen Verkehr. 
 
 
 
 
Über welche Stationen, Wohnsituationen bist du zur heutigen gekommen? Wie sieht diese aus?
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6.  Wohnen

Über welche Stationen, Wohnsituationen bist du zur heutigen gekommen? Wie sieht diese aus?
Wie vorgängig erwähnt, war ich lange in der weiten Welt unterwegs und bin erst nach meiner Pensionierung im Jahre 2011 in die Schweiz zurückgekehrt. Ursprünglich bezogen wir unsere Eigentumswohnung in  Luzern, dieselbe kauften wir kurz nach unserem Umzug nach China. Diese doch sehr einschneidende Erfahrung, mit 53 Jahren noch einmal neu anzufangen, machte uns bewusst, dass man plötzlich ohne Arbeit auf der Strasse stehen kann, und dann wohin ? Aus diesem Grund und um einen pied a terre in der Heimat zu haben, entschlossen wir uns etwas Eigenes zu kaufen. So schön gelegen unsere Wohnung in Luzern auch war, so waren wir doch relativ weit weg vom ÖV, die Einkaufsmöglichkeiten waren auch nicht gleich um die Ecke, und man war auf das Auto angewiesen. Aus diesem Grunde entschieden wir uns, die Wohnung in Luzern zu verkaufen und erwarben eine neue Wohnung vor den Toren Zürichs in Affoltern am Albis. Die Wohnung liegt mitten im beruhigten Stadtzentrum, alle Einkaufsmöglichkeiten liegen praktisch vor der Haustüre, was uns auch noch wichtig war, alles ist hindernisfrei erreichbar. Auch das Angebot des ÖV ist sehr gut, und wir sind in 25 Minuten mit dem Zug in Zürich oder in 12 Minuten in Zug. Dazu kommt das ÖV Angebot der Buslinien, die Affoltern mit den umliegenden grösseren und kleineren Gemeinden verbindet. Des weiteren ist man sofort in der freien Natur und es gibt ein sehr gut ausgebautes Netz von Wanderwegen direkt vor der Haustüre, dies und alles andere an unserem neuen Wohnort schätzen wir, denn es ist Teil einer guten und uns wichtigen Lebensqualität. Heute, nach einem Jahr an unserem neuen Wohnort, kann ich sagen, dass sich der Umzug in jeder Hinsicht gelohnt hat, alles ist einfacher geworden, und wir haben sofort Anschluss gefunden und fühlen uns schon gut integriert.
Bist du damit zufrieden oder planst du weitere Veränderungen? Was fehlt dir?
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6.  Wohnen

Bist du damit zufrieden oder planst du weitere Veränderungen? Was fehlt dir?
Wir sind sehr zufrieden mit unserer Wohnsituation in einem Bezirkshauptort vor den Toren Zürich's. Wir wohnen nun mitten im verkehrsberuhigten Ortszentrum in einer behindertengerechten Wohnung, alle Einkaufsmöglichkeiten wie Coop, Migros, Lidl, Aldi, Manor, Weltbild, Dosenbach, Apotheken und Bäckereien und viele andere sind gut zu Fuss und ohne Hindernis zu erreichen. Auch die ärztliche Versorgung ist gewährleistet mit einem grossen Angebot verschiedener Spezialisten, dazu kommt auch, dass das Regionalspital hier vor Ort ist. Also ich glaube, wir sind für die Zukunft gerüstet damit wir so lange wie möglich in unseren eigenen vier Wänden wohnen können. Es fehlt uns an nichts, und wir sind froh, haben wir die Weichen für die Zukunft in einem Alter gestellt, als wir noch frei und selbständig entscheiden konnten.
 
Erinnerst du dich an deinen ersten Schultag?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Erinnerst du dich an deinen ersten Schultag?
An meinen ersten Schultag im Jahre 1955 habe ich praktisch keine Erinnerung, das einzige woran ich mich erinnere ist der längere Schulweg zum Schulhaus Herlig in Altstetten und das damit verbundene früher Aufstehen.
Welche Erwartungen hattest du an die Schule?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Welche Erwartungen hattest du an die Schule?
Ich hatte keinerlei Erwartungen an die Schule, zumindest kann ich mich nicht an solche erinnern.
Was weisst du noch über deinen Schulweg?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Was weisst du noch über deinen Schulweg?
Der Kindergarten befand sich drei Minuten von meinem Zuhause, und die Primarschule befand sich im Schulhaus Herlig, welches auf der andern Seite der Eisenbahnlinie lag. Mein Schulweg verlängerte sich beträchtlich, ein Fussmarsch von zwei Kilometern musste unter die Füsse genommen werden. Natürlich gab es da immer wieder Spannendes zu entdecken, und so mussten wir uns oft beeilen, um nicht zu spät in der Schule zu sein.
Der Bahnhof war immer ein spannender Ort zum Verweilen, das Kommen und Gehen der Reisenden. Die Vielfalt der Züge die jeweils an uns vorbei donnerten, wenn die Barrieren geschlossen waren, dies alles war höchst faszinierend und beeindruckend zugleich. Nach dem queren der Gleise gab es einen Kiosk, welcher sehr oft zum Treffpunkt der Schüler wurde, denn dort gab es Comicstrip-Hefte in der Auslage, und wir durften bei guter Laune des Kioskbetreibers darin "schnuppern". Des weiteren führte der Weg an einer Bäckerei vorbei, dort gab es ab und zu etwas zum Knabbern für den Rest des Schulweges, welcher am Ende durch eine Wohnsiedlung führte.
 
 
Wie hast du lesen gelernt?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Wie hast du lesen gelernt?
Wie ich lesen lernte, weiss ich nicht mehr, ich weiss nur, dass ich es relativ schnell gelernt habe und schon bald mit Freude anfing Kinderbücher zu lesen.
Wie hast du schreiben gelernt?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Wie hast du schreiben gelernt?
Schreiben lernen war eine echte Herausforderung, als Linkshänder war ich nicht unbedingt ein Favorit des Lehrers. Denn in seinen Augen nahm ich alles falsch in die Hände, als Linkshänder führte man immer die Hand über das  bereits Geschriebene, und dies führte dazu, dass meine Schreibübungsseiten manchmal etwas verschmiert waren. Aber ich lernte schreiben, und dies war das Wichtigste für mich.
Hast du noch ein Klassenfoto? Kannst du anhand dessen deine Mitschüler noch charakterisieren?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Hast du noch ein Klassenfoto? Kannst du anhand dessen deine Mitschüler noch charakterisieren?
Hier ist das Klassenfoto der Primarschule - 1 - 3 Klasse mit unserem Lehrer Herr Nievergelt - 1955 - 1958.


(1) Auf diesem Foto bin ich in der obersten Reihe der erste Junge von links
Auf diesem Foto bin ich in der obersten Reihe der erste Junge von links

 

Ich besitze noch alle Klassfotos, kann mich aber nicht mehr an Namen erinnern oder Mitschüler charakterisieren. Ich finde es schade, dass ich, bedingt durch meine lange Landesabwesenheit, Klassenzusammenkünfte verpasst habe und dadurch auch den Kontakt komplett verloren habe.
Wie war euer Lehrer bzw. eure Lehrerin?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Wie war euer Lehrer bzw. eure Lehrerin?
Ich habe gute und weniger gute Erinnerungen an meine Lehrer der Primarschulzeit. Die ersten drei Jahre bei Herrn Nievergelt habe ich in guter Erinnerung. Er war trotz seiner autoritären Erscheinung mit grossem Schnurrbart ein korrekter und verständnisvoller Lehrer. Er hatte Geduld und Verständnis für uns Schüler und ich denken dass seine Art und Weise viel dazu beigetragen hat, dass wir gerne in die Schule gingen. Er liess mich als Linkshänder auch gewähren, er hat nie versucht mich zu ändern oder mich zum Schreiben mit der rechten Hand zu animieren.
Nach dem Übertritt in die vierte Klasse ging ein anderes "Regime" los. Frau Christen, unsere Lehrerin für die nächsten drei Jahre war sehr streng und kompromisslos mit ihren Ansichten und Meinungen. Sie liebte es nicht, wenn Fehler gemacht wurden oder wenn man einmal nicht aufpasste, es gab sofort Strafaufgaben, oder man musste in die Ecke stehen und durfte nicht mehr am Unterricht teilnehmen. Für mich als Linkshänder wurde die Schule nach den Sommerferien in der vierten Klasse zur Tortur, die Lehrerin teilte mir mit, dass ich ab sofort nur noch mit der rechten Hand schreiben dürfe. Sollte ich dies nicht befolgen, würde ich aus der Klasse ausgeschlossen, sie wolle nur normale Kinder in der Klasse haben! Obwohl meine Eltern bei der Lehrerin und Schulpflege vorstellig wurden, um diesen Entscheid anzufechten, nützte es nichts, ich musste mich umstellen und noch einmal das Schreiben lernen. Mit diesem Entscheid fing für mich eine lange Leidenszeit an, ich hatte ab diesem Moment Mühe, in der Schule mitzuhalten, meine Zeugnisnoten waren nicht mehr so gut wie ich es eigentlich wollte. Dieser aufgezwungene Wechsel hat mich sehr geprägt, und ich habe Jahre gebrauch,t um mich wieder voll und ganz am Schulalltag zu freuen.
Trotz der für mich schmerzhaften Erfahrung darf ich rückblickend sagen, dass dieser aufgezwungene Wechsel mir auf meinem Lebensweg auch Gutes gebracht hat. Zum einen wurde dadurch meine linke Hirnhälfte mehr aktiviert, was meine sprachlichen Fähigkeiten gefördert hat, und zum andern die Fähigkeit, alle Tätigkeiten mit beiden Händen gleich gut ausführen zu können. Beides war für mein späteres Berufsleben von Vorteil und hat mir sicher geholfen meinen Weg zu machen.
Erinnerst du dich an Bestrafungsmethoden in der Schule? Wie beeinflussten diese deine schulischen Leistungen?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Erinnerst du dich an Bestrafungsmethoden in der Schule? Wie beeinflussten diese deine schulischen Leistungen?
So weit ich mich erinnern kann, gab es sehr wenig Bestrafungen, ab und zu einmal "Tatzen ! Man musste dem Lehrer die ausgestreckte Hand hinhalten, und er schlug dann mit seinem Holzlineal mehr oder weniger hart zu. Dies konnte sehr schmerzhaft sein, vor allem im Winter, wenn wir kalte Hände hatten. Eine andere Methode der Bestrafung bestand darin, dass man zigmal einen bestimmten Satz/Wortlaut schreiben musste, damit man lernen würde, wie man sich verhalten soll.
 
Ich hatte das Glück, dass ich nicht oft solche Strafen erdulden musste, und so hat mich das Ganze auch nicht beeinflusst, ich ging eigentlich gerne in die Schule.
Welche Fächer wurden unterrichtet? Welches war dein Lieblingsfach?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Welche Fächer wurden unterrichtet? Welches war dein Lieblingsfach?
In der Primarschule 1 - 3 Jahr wurden folgende Fächer Unterrichtet;
 
  • Sprache - a) mündlicher Ausdruck
  •                b) Lesen
  •  
  • Rechnen
  • Schreiben
 
Von der 4 - 6 Klasse wurden die folgenden Fächer unterrichtet;
 
  • Sprache : mündlich
  •                schriftlich
  •  
  • Rechnen / Geometrie
  • Heimatkunde ( Geschichte, Naturkunde, Geographie)
  • Schreiben
  • Zeichnen
  • Gesang und Turnen
 
In der Realschule (7 - 9 Jahr) kamen dann noch ein paar Fächer dazu,
 
  • Technisches Zeichnen
  • Zeichnen und Gestalten
  • Holz-und Metallarbeiten
  • Algebra als Freifach
 
Während der ganzen Schulzeit wurden auch
 
  • Fleiss  und Pflichterfüllung
  • Ordnung und Reinlichkeit 
  • Betragen
 
bewertet. Obwohl nicht in Noten ausgedrückt, so konnte uns die Bewertung wie - Gut - Befriedigend oder Ungenügend grosse Probleme bereiten, vor allem die letzten beiden hatten meistens Konsequenzen unerfreulicher Art.
 
Meine Lieblingsfächer waren Rechnen, Geometrie, Techn. Zeichnen, Geschichte, Geographie und Lesen . Die anderen Fächer versuchte ich best möglich zu erledigen um keine Probleme zu haben, aber ich musste kämpfen, vor allem in den sprachlichen Fächern hatte ich des Öfteren Mühe. 
 
Hat dich die Schule zum Lesen angeregt? Welches waren damals deine Lieblingsbücher? Hast du die Schulbibliothek genutzt?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Hat dich die Schule zum Lesen angeregt? Welches waren damals deine Lieblingsbücher? Hast du die Schulbibliothek genutzt?
Da Lesen eines meiner Lieblingsfächer war, lag es auf der Hand die Schulbibliothek zu benützen. Leider habe ich keine genauen Erinnerungen an Bücher, die ich in den ersten drei Schuljahren gelesen habe. Ich erinnere mich aber sehr gut an Bücher von Erich Kästner (Emil und die Detektive, Das fliegende Klassenzimmer, Fabian etc.) und Enid Blyton (Fünf Freunde und andere mehr ), diese Bücher habe ich jeweils fast verschlungen, der Inhalt war spannend und faszinierend zugleich. Später kamen Bücher von Mark Twain (Tom Sawyers und Huckleberry Finn etc.) und die Flieger Abenteuer Bücher über "Biggels" von W.E.Johns. Sicherlich gibt es da noch andere Bücher, aber die hier erwähnten sind mir bestens in Erinnerung geblieben.
Welches sind deine Erinnerungen an Schulferien, Ferienlager, Schulreisen?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Welches sind deine Erinnerungen an Schulferien, Ferienlager, Schulreisen?
Schulferien wurden von mir immer mit grosser Spannung erwartet, zum einen hatte ich mehr Zeit zum Lesen und musste keine Hausaufgaben erledigen! Familienferien gab es selten, ich denke, dass dies für meine Eltern schlichtweg nicht möglich war. Ich erinnere mich, dass wir zwei mal im Winter für eine Woche zu Verwandten in Unteriberg respektive Oberiberg gingen. Dann gab es noch eine Woche Sommerferien in Lungern, und im, auf unseren Umzug folgenden Sommer im Jahre 1960 gab es eine für mich grosse Reise nach Bellaria an der italienischen Adria-Küste.
 
Die beiden Winterferien blieben mir in guter Erinnerung, zum einen, weil wir in Unteriberg über einer Bäckerei wohnten, der Geruch nach frisch gebackenem Brot ist unvergesslich. Aber auch weil wir Kinder uns am Morgen, bei der Brotauslieferung, am Pferdeschlitten anhängen durften, und so kamen wir ohne grosse Mühe auf die Skipiste. Damals gab es dort noch keine Skilifte, und bevor wir uns auf eine Abfahrt freuen durften, mussten wir den Hang hoch "tänneln". Der Hang war kurz und nicht zu steil, ideal um die Grundlagen des Skifahrens zu lernen.
 
Das zweite mal Skiferien blieb mir in bleibender Erinnerung weil wir (mein Vater und mein älterer Bruder) eine Skitour auf den Tisch (heute Hoch Ybrig) unternahmen. Dies war ein ganz spezieller Tag, denn es war das erste Mal das unser Vater mit uns auf so eine Tour ging. Leider endete der Tag schlecht, kurz vor dem Ende der Abfahrt, bereits in Talnähe stürzte mein Vater und blieb mit gebrochenem Bein liegen. Wir waren ganz allein, und es war auch keine Hilfe in Sicht, so musste mein älterer Bruder ins Dorf hinunter fahren und Hilfe holen. Ich blieb bei meinem Vater, wusste natürlich nicht was zu tun war und hatte schrecklich Angst, mein Vater hatte Schmerzen, und ich konnte nicht helfen. Es dauerte fast eine Stunde, es fing bereits an zu dunkeln, bis Hilfe und der Rettungsschlitten bei uns eintraf. Nachdem das Bein meines Vater notdürftig versorgt wurde (er hatte einen offenen Unterschenkelbruch) ging es mit den Helfern und dem Rettungsschlitten talwärts. Bis wir im Dorf Oberiberg eintrafen, war es bereits dunkel, der aufgebotene Arzt informierte uns, dass mein Vater sofort in ein Spital nach Zürich gebracht werden muss, damit er die richtige Behandlung bekomme. So wurde ein Taxi angefordert (es gab keine Ambulanz), mein Vater und wir alle (die Ferien waren damit zu Ende) stiegen in diese Limousine und fuhren voller Sorge nach Zürich. Mein Vater blieb im Spital, und wir Kinder fuhren mit der Mutter nach Hause, das Ganze war eine sehr bedrückende Erfahrung für mich.
 
Dann gab es da noch zwei Ferien-Lager mit der Jungwacht Schlieren, einmal in Wasserauen (Kt. Appenzell) und das andere in Charmey (Kt. Fribourg). Diese Lager wurden jeweils von meinem Götti (Pfarrer in Schlieren) organisiert und geleitet. Obwohl ich nicht aktiv bei der Jungwacht mitmachte, durfte ich dabei sein, weil meine Mutter jeweils als Köchin für das Wohl der Lagerteilnehmer verantwortlich war. An das Lager in Charmey erinnere ich mich vor allem wegen des Besuches der Schokoladen Fabrik Peter, Cailler, Kohler in Broc (heute Cailler Schokoladen-Fabrik) , es gab viel Schokolade zum Probieren und noch viel mehr, um mit nach Hause zu nehmen.
 
Im Jahre 1960 ergab sich dann meine erste Auslandreise, die ganze Familie reiste mit dem Zug für eine Woche Badeferien nach Bellaria. Obwohl es "nur" eine Woche war, so gab es doch so viele neue Eindrücke und Erlebnisse zu verkraften. Angefangen vom Hotel mit dem täglich frisch gebackenen Brot, dem Strand mit den vielen Leuten bis hin zu den bis anhin uns unbekannten Pizzas. Eine wunderbare Erfahrung für uns alle.
 
Dann gab es da noch etwas, den Landdienst! Mit dem Eintritt in die letzten Schuljahre hiess es in den Sommerferien, ab in den Landdienst! So verbrachte ich jeden Sommer (drei Jahre) jeweils vier Wochen auf einem Bauernhof und lernte das harte Leben der Bauern kennen. Natürlich gab es an jedem Ort Neues zu sehen, zu erleben und vor allem zu tun. Meinen ersten Landdienst verbrachte ich bei einer Bauernfamilie in Eich am Sempachersee. Die Familie bestand aus den Eltern und vier schulpflichtigen Töchtern, alle mussten hier mit anpacken. So hiess es auch für mich Tagwache um  05:30, Stall ausmisten, Kühe putzen und anschliessend mit dem Bauer raus und frisches Gras schneiden und einbringen, damit die Kühe etwas zu Fressen hatten. Anschliessend gab es endlich das Frühstück, Rösti, gebratenen Speck und hausgemachtes Brot und ein "Chacheli" voller heissem Milchkaffee. Diese morgendlichen Arbeiten bis und mit dem Frühstück waren jeden Tag der Woche gleich, ohne Ausnahme. Im Anschluss an das Frühstück standen immer wieder verschiedene Arbeiten an, Kirschenpflücken und einbringen, Heuen, bei der Korn-Ernte mithelfen. Damals gab es noch keine Mähdrescher, vieles war noch Handarbeit und an solchen Tagen hatte man dann ganz zerstochene / zerkratzte Arme und Beine. Nach getaner Arbeit war es dann wieder Zeit, die Kühe zu versorgen, und so wurde es immer relativ spät bis es Nachtessen gab. Nach dem Essen, so gegen 20:30 Uhr, war ich dann jeweils so geschafft, dass ich mich meistens gleich in mein kleines Zimmer begab, um dem Kopfkissen zuzuhören. Das Schöne bei dieser Bauernfamilie war, dass man für gute Arbeit gelobt wurde, und man mich als ein Familienmitglied mehr ansah.
 
Einen anderen Landdienst Einsatz hatte ich in Wettswil am Albis bei einem alleinstehenden Bauern. Er lebte mit einer Magd auf diesem nicht sehr gut erhaltenen Hof. Alles hier war dunkel, das Haus war sehr alt und ungepflegt, der Bauer war sehr mürrisch und unfreundlich. Hier musste ich auch im Stall mithelfen, bekam aber nie ein gutes Wort zu hören, der Bauer hatte immer etwas zu beklagen oder zu reklamieren. So ging es auch weiter auf dem Acker, denn es war Kartoffel-Erntezeit, und so galt es die Kartoffeln auf zu lesen. Eine Knochenarbeit, denn er besass keine Maschinen, und so waren wir (die Magd, der Bauer und ich) den ganzen lieben langen Tag auf dem Acker. Am Abend wusste man dann, warum einem fast alle Knochen schmerzten. Im Gegensatz zu meinem ersten Einsatz war hier alles ziemlich erbärmlich, von der Unterkunft über das Essen bis zum Umgang miteinander. So war ich froh, als der Tag meiner Heimreise näher kam und ich diesen unfreundlichen Ort verlassen konnte. Zu meiner Überraschung überreichte mir der Bauer beim Verabschieden einen ganzen Sack mühsam eingesammelter Kartoffeln als Anerkennung meiner Arbeit, dies war dann doch eine schöne und nicht erwartete Geste, dies stellte aber meinen Vater, der mich mit seiner Vespa abholen kam, vor ein Problem. Aber wie so oft im Leben gibt es für alles eine Lösung, Vater nahm den Kartoffelsack zwischen die Beine und ich sass hinten auf dem Mitfahrersitz, nicht ganz regelkonform das Ganze, aber wir kamen gut zuhause an.
 
Der letzte Landdienst-Einsatz war zugleich auch der schönste von allen, denn es waren mehr Ferien auf dem Lande als arbeiten. Ich kam auf eine Bauernhof in Oetwil am See, zu einer jungen Bauernfamilie ohne Kinder, ich wurde hier sehr gut aufgenommen und hatte eine wunderbare Zeit. Natürlich musste ich auch Hand anlegen, aber kein Vergleich mit meinen früheren Erlebnissen. Ich musste nicht schon frühmorgens antreten, ich wurde erst um 7 Uhr erwartet, und dann gab es zuerst Frühstück bevor es mit der Arbeit losging. Auch hier erledigte ich Stallarbeit und half mit auf dem Felde. Aber das Tollste war, dass der Bauer mir nach kurzer Instruktion das Pferdefuhrwerk anvertraute. So kam es, dass ich als "stolzer" Kutscher mit meinem Gespann zum Gras oder Heu einholen durchs Dorf auf das Feld und zurück fuhr. Ich war praktisch täglich mit den Pferden beschäftigt und unterwegs, der Umgang mit den Pferden machte mir viel Freude. Natürlich gab es auch hier Arbeiten, die nicht so schön waren, eine war das Ausmisten des Taubenschlages unter dem Dachstock. Der Geruch war so penetrant und unangenehm, dass ich immer wieder raus musste um frische Luft zu atmen. Obwohl ich viel Zeit benötigte für diese Aufgabe, war die Bäuerin voll des Lobes über meine Arbeit.
 
Obwohl die Zeit bei den Bauern nicht immer einfach war, so war es doch eine gute Erfahrung fürs Leben.
 
 
Besitzt du heute noch Unterrichtsmedien, wie Lesebücher, Schreibhefte usw. aus dieser Zeit?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Besitzt du heute noch Unterrichtsmedien, wie Lesebücher, Schreibhefte usw. aus dieser Zeit?
 
Wie waren deine Schulleistungen? Wie dein Verhältnis zu Hausaufgaben? Half dir jemand?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Wie waren deine Schulleistungen? Wie dein Verhältnis zu Hausaufgaben? Half dir jemand?
Ich denke, dass ich immer ein guter Schüler war, zumindest so sehen meine Noten aus, und es gab zuhause auch nie Schwierigkeiten wegen den Zeugnisnoten. Es wurde auch nie Druck ausgeübt, meinen Eltern war es wichtig, dass wir gerne zur Schule gingen. Sie legten auch grossen Wert auf die Art und Weise, wie wir unsere Hausaufgaben erledigten, meine Mutter hat jeden Tag nachgeschaut was und wie ich es gemacht habe.
 
Da ich in meinem Leben sehr oft umgezogen bin, habe ich mein ganzes Schulmaterial vor über dreissig Jahren entsorgt. Das einzige, was mich noch an meine Schulzeit erinnert, sind meine Schulzeugnisse, diese habe ich alle aufbewahrt.
 
 
Wie reagierten deine Eltern auf Zeugnisse?
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7.1.  Primarschulzeit – Grundschule Unterstufe.

Wie reagierten deine Eltern auf Zeugnisse?
In meinen Erinnerungen hatte ich nie Probleme mit meinen Eltern wegen der Zeugnisnoten. Ich glaube, sie waren immer zufrieden mit meinen Leistungen. Im Grunde genommen waren die Noten immer in einem akzeptablen Rahmen, auch die Noten für Betragen waren immer gut, und ich hatte keine Absenzen, zumindest so weit ich mich erinnern kann.
Erinnerst du dich an den Entscheid, ob Sekundarschule oder Gymnasium?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Erinnerst du dich an den Entscheid, ob Sekundarschule oder Gymnasium?
In der sechsten Klasse wurden wir für den Übertritt in die Sekundarschule fit gemacht, wir mussten viel lernen und büffeln, damit wir auf den für den Übertritt nötigen Notendurchschnitt kamen. Es war ein intensives und schwieriges Jahr, und zu meiner und der Freude der Eltern schaffte ich diesen Schritt.
 
Schon bald nach Beginn des neuen Schuljahres merkte ich, dass es nicht gut gehen würde, die Chemie mit dem Hauptlehrer stimmte nicht. Ich schaffte es nicht, seine Erwartungen zu erfüllen, und diese Situation machte mich sehr unglücklich. Aus diesem Grunde entschieden meine Eltern, nach Absprache mit dem Lehrer, dass ich nach dem ersten Quartal in die Realschule wechseln sollte. Es war die richtige Entscheidung für mich, nun ging es vorwärts in der Schule, und das Lernen machte wieder Spass.
 
 
Wie hast du diese Schulzeit erlebt?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Wie hast du diese Schulzeit erlebt?
So wurde es dann auch gemacht, und ich kam in die 1. Realklasse von Herrn Neukom, einem jungen und uns sehr motivierenden Lehrer. Die Klasse harmonierte gut, und es gab nie irgendwelche Probleme oder Streitigkeiten. Ich denke dies war das Verdienst unseres Lehrers. Seine Art und Weise des Unterrichts, seine offene und faire Behandlung von uns allen hat sicher geholfen, dass keine falschen Rivalitäten aufkamen. 
Da etliche Schüler entschieden, nach der zweiten Realklasse auszutreten, wurde unsere Klasse mit der Parallel-Klasse zusammen geführt und das dritte Jahr der Realschule wurde von Herrn Kleisli unterrichtet. Herr Kleisli war ein bestandener, beliebter und fordernder Lehrer, der uns viel abverlangte. Aber auch er war sehr fair und objektiv im Umgang mit allen Schülern, und so gab es auch in dieser Klasse keine Konflikte oder Streitigkeiten, zumindest habe ich keine Erinnerung an solche Vorfälle.
Wie war der Schulweg?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Wie war der Schulweg?
Der Schulweg von meinem Zuhause bis zum Herzogenmühle Schulhaus in Schwamendingen war relativ einfach und betrug etwa drei Kilometer. Denselben legte ich wie die meisten Schüler meiner Klasse Sommer wie Winter mit dem Velo zurück. Im Winter war es nicht immer einfach, es war sehr oft sehr kalt oder es hatte frischen Schnee auf der Strasse, so dass die Fahrt zur Schule zu einer richtigen Herausforderung wurde. Aber ausser ein paar harmlosen Stürzen ohne  Folgen ist immer alles gut gegangen. Im Sommer versuchten wir fast täglich unsere Fahrzeit zu verbessern, hier gab es ein richtiges Konkurrenzdenken, und jeder wollte der Schnellere sein.Natürlich kam uns entgegen, dass der Autoverkehr damals noch nicht so intensiv war wie heute, und so konnte man richtig "Gas" geben, sehr oft fuhren wir im Windschatten des Buses, um noch schneller zu sein. Ich denke uns kam zugute dass es damals auch weniger Regeln gab, wobei die Polizei aber immer präsent war und sehr darauf erpicht war, dass die Regeln eingehalten wurden.
Erinnerst du dich an deine Schulkameraden? Hast du heute noch Kontakt? Hast du noch Klassenfotos?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Erinnerst du dich an deine Schulkameraden? Hast du heute noch Kontakt? Hast du noch Klassenfotos?
Klassenfoto der Realschule mit unserem Lehrer Herr Neukom (zweiter von rechts mit Krawatte) 1961 - 1964

(1) Auf diesem Foto bin ich in der zweiten Reihe der erste Junge von links
Auf diesem Foto bin ich in der zweiten Reihe der erste Junge von links

 Als frisch Zugezogener in Schwamendingen gelang es mir nicht, in dem einen Jahr der sechsten Klasse Anschluss zu finden. Und somit war es auch nicht einfach, Anschluss zu finden in der Realschule, was noch erschwert wurde durch meinen Übertritt nach vier Monaten von der Sekundarschule in die Realschule. Zum einen gab es da die Gruppen, die sich schon von der Primarschule kannten, andere Gruppen hatten sich in den ersten Monaten gebildet, und so war ich ein Aussenseiter mit wenig Möglichkeit, in eine dieser Gruppen zu gelangen.

Obwohl ich eine Liste aller Schulkollegen/ Kolleginnen habe, ist es mir nicht gelungen den Kontakt zu erhalten. Ich denke, dass auch meine Berufslehre im Gastgewerbe der Kontakt- Erhaltung nicht förderlich war, zum einen waren die Arbeitszeiten nicht sehr sozial, und zum andern verliess ich gleich nach der Lehre Schwamendingen. Über all die Jahre nach dem Verlassen der Schule habe ich die Klassenfotos gehütet und sicher gestellt, dass sie bei meinem Zigeunerleben nicht verloren gingen. Insgesamt sind es vier Klassenfotos, eine vom Kindergarten, eine für das 1.-3. Schuljahr, eine für die sechste Klasse und zwei für die drei Jahre Realschule.
Erinnerst du dich an Gewalt an der Schule? Gabe es so etwas wie Gangs? Meinst du, dass das anders war als heute?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Erinnerst du dich an Gewalt an der Schule? Gabe es so etwas wie Gangs? Meinst du, dass das anders war als heute?
Ich bin mir nicht sicher, ob es damals bereits "Gangs" gab, es gab sicher Gruppierungen, die sich stark machten und ab und zu durch ihr Verhalten auffielen. Ich erinnere mich, dass die einen versuchten Zigaretten zu verkaufen, andere hatten Pornohefte und konnten diese eigentlich recht gut zu Geld machen. Die Neugier vieler war schlichtweg zu gross, auf diese Art konnte man etwas über das andere Geschlecht lernen. Denn zuhause wurde nicht über die Sexualität gesprochen, alles was wir wussten oder ahnten, lernte man auf dem Pausenplatz beim Zuhören oder Anschauen dieser Pornohefte. 
Obwohl ich keine Ahnung habe, wie es heute in der Schule und auf dem Pausenplatz zu und her geht denke ich, dass es Ähnliches gibt, einfach auf dem Smartphone und mit Social Media. Die Neugier der Jugendlichen ist sicher noch gleich wie damals, durch das Internet ist einfach viel mehr Information abrufbar, und auf diese Weise wird die Neugier befriedigt, ob dies besser oder schlechter ist, kann ich aber nicht bewerten.
Wie war dein Verhältnis zum Lehrer/zur Lehrerin? Inwiefern haben sie dich geprägt?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Wie war dein Verhältnis zum Lehrer/zur Lehrerin? Inwiefern haben sie dich geprägt?
Klasse Kleisli, 3. Jahr Realschule, Schulhaus Herzogenmühle, Schwamendingen 1965/66

(1) Auf diesem Foto bin ich in der zweiten Reihe, sitzend der erste links
Auf diesem Foto bin ich in der zweiten Reihe, sitzend der erste links

Generell darf ich sagen, dass ich ein gutes Verhältnis zu meinen Lehrern hatte, ich war sicher nicht einer der Besten, aber ich bemühte mich, damit ich nicht durch zu schlechte Noten oder Benehmen ins "Auge des Sturmes" komme. Obwohl beide Lehrer gut waren, so hat mich (ich denke nicht nur mich) Herr Kleisli am meisten geprägt, er war sehr streng, und vor allem behandelte er alle gleich. Er hatte keine Favoriten, und alle wurden mit dem gleichen Stab gemessen, musste jemand getadelt werden, so wurde dies nach Schluss der Schulstunde getan. Auf diese Art wurde nie jemand bloss gestellt oder erniedrigt, dies hat mich sehr beeindruckt.

Herr Kleisli gab auch ab und zu sehr gute Kommentare ab zu geschichtlichen Gegebenheiten, zB. betreffend Krieg. Ich zitiere: "solange es Krieg gibt auf der Welt wird es uns immer gut gehen". Das mag zynisch sein, entspricht aber der Wahrheit, man kann dies in der heutigen, von Kriegen und Unruhen geprägten Zeit am besten sehen. Die westlichen Nationen verkaufen Kriegsmaterial und entsenden Spezialisten, um die Streitkräfte zu schulen, oder es werden Unsummen von Geld für die Forschung ausgegeben, um noch besseres Zerstörungs-Material zu erfinden und zu produzieren. Er ermahnte uns auch, nicht zu vergessen, dass der Mensch nicht aus seinen Fehlern lernen würde, die Geschichte wiederholt sich immer wieder, und das eine Religion immer am Anfang eines jeden Krieges steht (siehe was der Islam ausgelöst hat).
 
All dies erschien uns damals als fast nicht möglich, denn wir glaubten, das die Menschheit nach dem 2. Weltkrieg genug hatte von Kriegen, Leid und Zerstörung, und eine Lektion gelernt hatte. Nur leider wurde all das Leid vergessen und die Jahrzehnte die ins Land gegangen sind haben bewiesen, dass er absolut recht hatte. Heute gibt es viele Krisenherde auf unserer Welt und erneut hat man viel Leid und Not über Millionen von Personen und Ethnien gebracht. Der nicht abreisende Strom von Flüchtlingen, auf der Flucht vor Krieg, Armut und Perspektivlosigkeit sind Zeugnis dessen.   
Wie waren deine Schulleistungen? Half dir jemand?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Wie waren deine Schulleistungen? Half dir jemand?
Wie erwähnt war ich nicht einer der Besten, aber ich konnte dem Schulstoff folgen und kam auch mit den Hausaufgaben immer klar. Mein schwächstes Fach war die Deutsche Sprache, vor allem Aufsätze und Diktate waren für mich ein Problem, aber ich habe es immer irgend- wie geschafft durchzukommen. Wenn ich Mühe hatte mit einer Aufgabe, so habe ich immer dafür gesorgt, Zusatzinformation von einem Kollegen zu erhalten. Oft haben wir unsere Aufgaben auch am Morgen vor Beginn der Klasse abgeglichen um sicher zustellen, dass wir nicht ganz falsch lagen.
Wie reagierten deine Eltern auf Zeugnisse?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Wie reagierten deine Eltern auf Zeugnisse?
Ich hatte das Glück, dass meine Eltern sehr verständnisvoll waren, so lange die Zeugnisnoten über dem geforderten Durchschnitt lagen, waren sie zufrieden. Natürlich versuchten sie auch mich zu motivieren und ermahnten mich immer wieder "ohne Fleiss kein Preis". Dies hat sicher dazu beigetragen, dass ich über die ganze Schulzeit gesehen eigentlich immer bessere Noten nach Hause brachte, ich wollte die Eltern ja nicht enttäuschen.
Ab wann war die spätere Berufswahl ein Thema? Wie standen deine Eltern dazu oder beeinflussten dich?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Ab wann war die spätere Berufswahl ein Thema? Wie standen deine Eltern dazu oder beeinflussten dich?
Meine Berufswahl bekam relativ früh ein Thema, mein Taufpate und meine Mutter wollten, dass ich Priester werde, (Familientradition) und so wurde ich schon früh mit der Problematik konfrontiert. Das heisst, mit dreizehn Jahren sollte ich mich entscheiden, damit ich dann mit vierzehn in ein Internat/Priesterseminar in St. Gallen hätte eintreten können. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, kam es dann so, dass mir mein Vater klar machte, dass diese Option aus finanziellen Gründen für die Familie nicht tragbar sei. So kam es, dass ich mich beim Berufsberater anmelden musste, obwohl ich meinen alternativen Berufswunsch bereits geäussert hatte.
Wie hätten sie reagiert, wenn du einen ausgefallenen Berufswunsch geäussert hättest? Oder ist das sogar geschehen?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Wie hätten sie reagiert, wenn du einen ausgefallenen Berufswunsch geäussert hättest? Oder ist das sogar geschehen?
Als klar war, dass ich nicht studieren würde um Priester zu werden, musste ich mich für etwas Anderes entscheiden. Da ich oft der Mutter in der Küche half, kam ich auf die Idee, eine Kochlehre zu machen, ich fand dies sei eine gute Option. Meine Logik war einfach, die Leute müssen immer essen, folglich werde ich auch immer Arbeit haben.
 
Natürlich konnte ich nicht ahnen, dass Köche ein sehr schlechtes Ansehen hatten, und so gab es einen Aufschrei in der Familie. Meine Mutter, die ja viele Jahre selber im Gastgewerbe tätig war, beschrieb Köche mit vielen Adjektiven (antisozial, Alkoholiker, primitv  etc), und sie befand, dass dieser Beruf für mich keine Option sei. Interessanterweise schaltete sich mein Vater nie in die Diskussion ein und befand, dass ich das tun müsse, was mir am meisten Freude mache. Worauf meine Mutter lakonisch meinte, falls ich diesen Beruf ergreifen würde, so sollte ich mich dann nicht beklagen.  Ich konnte zu diesem Zeitpunkt ja nicht ahnen, dass meine Mutter in den meisten Punkten Recht hatte, ich merkte bald, dass das ganze Umfeld mir eigentlich nicht behagen würde.
Was tatst du in deiner Freizeit? In den Ferien? Mit wem verbrachtest du diese vorwiegend?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Was tatst du in deiner Freizeit? In den Ferien? Mit wem verbrachtest du diese vorwiegend?
Meine Freizeit verbrachte ich meistens alleine oder musste meinem Vater helfen den Garten zu bestellen. Vom Frühling bis im Herbst gab es immer sehr viel Arbeit, und wir mussten immer hand anlegen. Im Sommer durfte ich manchmal am schulfreien Nachmittag ins Freibad gehen, dies war immer ein Höhepunkt für mich. Dort fand man auch Anschluss um Fussball zu spielen, die Equipen wurden einfach zusammengestellt auf Grund der anwesenden Knaben. Da spielte es keine Rolle, ob man zu einer Clique gehörte, es ging nur darum, Fussball spielen zu können.
 
Im Herbst kam dann noch dazu, dass man Holz und Kohle bereitstellen musste für das Heizen des Hauses im Winter. So musste ich des Öfteren etliche Stunden für das Einräumen des Holzes im Keller opfern. Die Kohlenbriketts die geliefert wurden, mussten auch an ihren Platz im Keller geräumt werden, und um das Abbrennen der Briketts zu verzögern, musste ich dieselben in Zeitungspapier einschlagen. Warum musste nur ich diese Arbeiten verrichten? Ganz einfach, mein älterer Bruder (vier Jahre älter als ich) war bereits in der Berufslehre und war nicht mehr so oft zuhause, und mein jüngerer Bruder war zu klein (neun Jahre jünger als ich). So blieb das meiste an mir hängen, trotzdem fand ich immer wieder Zeit um ein Buch zu lesen, und so war ich eigentlich trotz alldem zufrieden mit meiner Situation.
Wie war damals dein Gefühlsleben?
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8.  Sekundarschule und/oder Gymnasium?

Wie war damals dein Gefühlsleben?
An mein damaliges Gefühlsleben kann ich mich schlecht erinnern. Ich weiss nur, dass ich eigentlich immer gut gelaunt war, meine Welt war in Ordnung wenn ich in die Welt des Buches eintauchen konnte.
Womit hast du in deinem Leben deine Freizeit vorwiegend oder am liebsten verbracht?
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9.  Meine Freizeit

Womit hast du in deinem Leben deine Freizeit vorwiegend oder am liebsten verbracht?
Auf Grund meiner Tätigkeit im Gastgewerbe verfügte ich über wenig Freizeit, während meinen Lehrjahren als junger Koch waren die Arbeitstage lang, selten arbeitete ich weniger als zwölf Stunden pro Tag. Sehr oft kam es vor, dass es keinen freien Tag gab, und so war meine Freizeit sehr limitiert. In dieser Situation kam mir meine Liebe zu Büchern entgegen, denn Lesen konnte man überall und vor allem auch, wenn man wenig Zeit hatte. Lesen wurde dann auch mein liebstes Hobby und ist es geblieben bis heute.
 
Hier muss ich erwähnen, dass ich auch viel Freizeit für meine konstante Weiterbildung geopfert habe. Während meiner ganzen Berufslaufbahn habe ich mich immer wieder neu orientiert, Neues gelernt, um den neuen Herausforderungen gewachsen zu sein. Ich darf aber auch sagen dass ich den Mangel an Freizeit nie als etwas Schlechtes angesehen habe, ich habe immer viel Freude an meinem Beruf und den damit verbundenen Herausforderungen gehabt.
 
In den ersten Jahren meiner Berufslaufbahn arbeitete ich in Saisonstellen, winters in St. Moritz und Gstaad. An diesen Orten ergab es sich, dass ich in der spärlichen Freizeit mit den Arbeitskollegen Skifahren konnte, und dies zum Tarif der Einheimischen. Dies habe ich an meinem Beruf geschätzt, arbeiten dort, wo andere für viel Geld Ferien machen.
Hast du in deiner Jugend und später Sport getrieben? Oder dich zumindest dafür interessiert?
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9.  Meine Freizeit

Hast du in deiner Jugend und später Sport getrieben? Oder dich zumindest dafür interessiert?
Sport - körperliche Ertüchtigung hat immer zu meinem Leben gehört, auch heute als Rentner bin ich noch immer sportlich unterwegs.
Von jung auf haben mich Fussball und Radfahren fasziniert, Fussball spielen konnte man überall wo es eine freie Fläche hatte, sei es Gras, Sand oder Kies. Ein paar aufgehäufte Steine markierten das Tor, und schon konnte es losgehen, auch die Menge Spieler war nicht so wichtig, manchmal spielten wir nur zu zweit, dann wieder zu viert, man hat immer improvisiert und gespielt bis man richtig müde war. Natürlich gab es auch mal aufgeschlagene Knie oder sonst welche blauen Flecken, aber das hat der Freude keinen Schaden getan. Meine Faszination Fussball wurde weiter gestärkt durch die nahe liegenden Fussballplätze zwischen der Bernerstrasse und der Limmat, und dann natürlich das Hardturm-Stadion, Heimstadion eines der besten Fussball-Mannschaften der Schweiz - Grashopper Club Zürich.
Im Hardturm Stadion war ich oft anzutreffen, sei es bei den Trainingseinheiten der Grashoppers oder an einem Match. Es war immer wieder toll zu sehen, was Spieler wie Robert Ballamann, Charly Elsener, Roger Vonlanthen, Fredy Bickel und wie sie alle hiessen auf dem Rasen zu bieten hatten. Leider ging diese tolle Zeit mit unserem Umzug von Altstetten nach Schwamendingen zu Ende. Aber der Fussball, als Zuschauer und ewiger Fan der Grashoppers Zürich, hat mich durch mein ganzes Leben begleitet.
Da unser neues Zuhause in Schwamendingen relativ weit weg vom Schulhaus war,ging ich nun mit dem Fahrrad zur Schule. Dies führte mit der Zeit dazu, dass wir unter Kollegen immer so kleine "Rennen"veranstalteten, nicht immer zur Freude der Autofahrer, aber wir hatten unseren Spass dabei. Von meinen neuen Kollegen erfuhr ich von der Existenz der offenen Rennbahn in Oerlikon, so kam es, dass wir ab und zu gemeinsam dahin fuhren, um uns die damaligen Stars des Bahnradsports anzuschauen. Jeder Besuch auf der Rennbahn war spannend, und auf der Heimfahrt versuchten wir den Stars nachzueifern, ein Sprint - wer ist zuerst bei der nächsten Ampel oder wer kann am längsten ein hohes Tempo durchhalten. Die letzten drei Schuljahre in Schwamendingen vergingen wie im Fluge, und schon bald trat ich meine Kochlehre im Restaurant Zeughauskeller am Paradeplatz an. Bedingt durch die unregelmässige Arbeitszeit und den damals noch nicht sehr guten ÖV Anschlüssen fuhr ich die Strecke von Schwamendingen an den Paradeplatz und zurück immer mit dem Velo, das ganze Jahr über, mein Lehrlingslohn betrug ja nur 10.00 Fr. Dieser Lohn reichte nicht für das Tram-und-Bus Billett, und so wurden die 8 km. zu einer Rennstrecke, denn wir, mein Freund Rolf und ich, versuchten jeden Tag unsere Zeit für diese Strecke zu verbessern. Bedingt durch unsere Arbeitszeit - 08:00 - 14:00 und 17:00 - 21:00 befuhren wir die Strecke viermal am Tag und sechsmal die Woche, so kamen täglich ca. 32 km zusammen, und wir fühlten uns wirklich fit, trotz den langen und anstrengenden Arbeitstagen. Als ob dies nicht genug wäre, nahmen wir am Abend unseres arbeitsfreien Tages auch noch am neu aufgekommenen "Turnen für jedermann" teil. Wir hatten einen super Vorturner, er konnte die Leute motivieren und benutzte auch gute Musik um die Teilnehmer "anzuheizen", es machte viel Spass, sich eine Stunde lang mit Musik und Gleichgesinnten körperlich zu betätigen. Nach dem Abschluss meiner Kochlehre ging ich fort von zuhause um meinen beruflichen Horizont zu erweitern, damit wurde auch mein Bewegungsdrang gestoppt, denn in den grossen Hotels gab es keine geregelte Arbeitszeit, und die Freizeit war auf ein minimum beschränkt. So kam es, dass ich, sehr zu meinem Leidwesen, jahrelang sehr wenig Gelegenheit hatte mich sportlich zu betätigen. Erst mit dem Antritt meiner Stelle in einem Airline Catering Unternehmen wurde meine Arbeitszeit etwas normaler, und so kam es, dass ich mit vierzig wieder anfing, mich regelmässig körperlich zu betätigen. Während mehr als zehn Jahren nahm ich in Buenos Aires (unser Zuhause zu der Zeit) mit ein paar Kollegen zwei/dreimal wöchentlich an Aerobic Klassen teil. Die Lebensfreude der Argentinier, die tolle Leiterin der Klasse und die Musik machten die Teilnahme immer wieder zu einem einmaligen Erlebnis, am ende fühlte man sich ausgepumpt aber sehr zufrieden und vor allem frisch im Kopf.
Hast du dich für Musik interessiert? Wie hast du Musik gehört?
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9.  Meine Freizeit

Hast du dich für Musik interessiert? Wie hast du Musik gehört?
Ich höre gerne Musik, ein wenig von allem, ohne aber eine bestimmte Vorliebe für eine Musikrichtung. In jungen Jahren Musik aus dem Radio, später dann hatte ich ein paar Schallplatten, auch hier alles kreuz und quer, einfach um etwas Musik im Hause zu haben für gemeinsame Momente mit der Familie und Freunden.
Im Prinzip brauchte und brauche ich keine permanente Beschallung, ich finde es schön, wenn es ruhig ist und ich in Ruhe ein Buch lesen kann.
Hattest du in bestimmten Lebensphasen wichtige Freizeitbeschäftigungen?
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9.  Meine Freizeit

Hattest du in bestimmten Lebensphasen wichtige Freizeitbeschäftigungen?
Mein Leben war immer bestimmt von Arbeit, langen Arbeitstagen, und unregelmässigen Arbeitszeiten, und so kam ich gar nicht dazu, mir eine Freizeitbeschäftigung aufzubauen. Die einzige Freizeitbeschäftigung, falls man es als solches ansehen darf, war die Pflege des Gartens und des Swimmingpools in unserem Hause in Argentinien. Diese Arbeit nahm 50% meiner spärlichen Freizeit in Anspruch, und so blieb wirklich keine Zeit, noch irgend etwas anderes an die Hand zu nehmen. Natürlich war da noch die Familie und mit dieser verbrachte ich meine restliche Freizeit, um zumindest etwas Zeit für sie zu haben.  
Gibt es etwas, das du gerne gemacht hättest, aber darauf verzichten musstest?
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9.  Meine Freizeit

Gibt es etwas, das du gerne gemacht hättest, aber darauf verzichten musstest?
Darüber habe ich schon oft nach gedacht, als junger Mann hatte ich immer den Traum Sportlehrer zu werden. Nur leider war dies damals keine Option, mein Vater meinte, dass dies ein "brotloser" Erwerb sei, nach seiner Meinung war Sport überhaupt nicht wichtig, und somit würde es für Sportlehrer auch keine Zukunft geben. Wahrscheinlich waren die Zeichen der Zeit, Mitte der sechziger Jahre einfach noch nicht so gut, dass man sich solch eine Tätigkeit als zukunftsträchtige Arbeit vorstellen konnte.
Was bedeutete/bedeutet der Computer und das Internet in deinem Leben?
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9.  Meine Freizeit

Was bedeutete/bedeutet der Computer und das Internet in deinem Leben?
Die Ankunft des Computers hat vieles in meinem Leben verändert, nicht nur im beruflichen Bereich sondern auch im privaten mit und für die Kinder.
 
Der Computer "trat" in mein Leben im Jahre 1987 in Argentinien, auch wenn das anfänglich eine recht frustrierende Erfahrung war, so merkte ich schon bald, dass der Entscheid absolut richtig war. Das Wachstum der Airline Industrie ging so rasant voran, dass wir mit unseren manuellen Prozessen (Planung der Produktion, Lagerbewirtschaftung, Logistik, Finanzmanagement etc.) gar nicht hätten mithalten können. Dieser ganze Prozess war frustrierend, weil uns keine Schulung im Umgang mit Computern angeboten wurde, alles war "learning by doing"! So lernte ich im Selbststudium den Gebrauch von "Lotus" und anderen damals gängigen Programen und merkte schon bald, dass man mit dem Computer vieles sehr viel schneller und einfacher erledigen konnte. Da es zu jener Zeit noch keine Software für unsere Bedürfnisse gab, mussten wir ein eigenes Programm entwickeln, dies war eine hoch interessante Zeit für mich. Sämtliche Prozesse mussten aufgezeichnet (process mapping) und bis ins kleinste Detail analysiert werden, damit die Programmierer auf Grund dieser Daten die Software aufbauen konnten. Natürlich war es eine sehr arbeitsintensive Zeit, denn das Tagesgeschäft durfte nicht vernachlässigt werden, und so kam es, dass ich während dieser intensiven Zeit noch längere Arbeitstage leisten musste, und meine Freizeit war noch spärlicher bemessen. Mit der Zeit nahm das ganze Form an, und die Arbeit mit dem Computer fing an Spass zu machen. Die von uns entwickelte Software wurde dann auch in allen unseren neuen Betrieben in anderen südamerikanischen Ländern installiert: Dies gab mir die Gelegenheit, für die Einführung und Schulung des Personals vor Ort sein zu dürfen, ich fühlte und fühle mich heute noch privilegiert, Teil dieses gewaltigen Veränderungsprozesses gewesen zu sein.
 
Mit dem Aufkommen von Microsoft Windows gab es erneut viel zu lernen, dann kam das Internet dazu mit der Möglichkeit  Emails zu versenden. Dies wiederum war ein enormer Fortschritt, und die Kommunikation mit unseren Kunden auf der ganzen Welt und in anderen Zeitzonen wurde enorm beschleunigt. Natürlich war nicht immer alles nur "rosig", denn plötzlich waren wir praktisch kontinuierlich erreichbar, und so nahm der Druck auf uns zu, der Arbeitsalltag war plötzlich viel hektischer. Dazu kam, dass die meisten unserer Kunden ihre eigenen Websites aufbauten und wir schon bald alles "online" abwickelten. Auch im privaten Bereich sind der Computer und das Internet sehr präsent. Ich schätze die vielen Möglichkeiten, die sich mit der Benützung dieser Technologie eröffnen. Sei es der zugriff auf sehr viel Information, das Planen einer Ferien- und/oder Flugreise, Hotel buchen, Flugticket kaufen, oder mit den Behörden etwas erledigen, alles ist viel einfacher, aber auch komplexer geworden. Man muss einfach aufpassen, das man nicht abhängig wird und die ganze Zeit am Computer und im Internet verbringt.
Hattest du in dieser Zeit, oder schon früher, ein Idol?
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9.  Meine Freizeit

Hattest du in dieser Zeit, oder schon früher, ein Idol?
Eigentlich war ich nie einer, der grossen Idolen nachgeeifert hat, aber ich war absolut beeindruckt von einem meiner Vorgesetzten, Herr Paul Spuhler, Küchenchef des Dolder Grand Hotels in Zürich. Seine Art und Weise Leute zu führen, sein Respekt gegenüber jedem einzelnen, sein enormes Wissen und seine Professionalität haben mich beeindruckt und geprägt. Ich nahm mir vor, sollte ich einmal in der Lage sein, Leute zu führen, genauso zu handeln, wie er es uns vorgelebt hat.
Warst du schon früh in einer politischen Gruppierung aktiv oder zumindest daran interessiert?
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9.  Meine Freizeit

Warst du schon früh in einer politischen Gruppierung aktiv oder zumindest daran interessiert?
Bedingt durch meine ewige Reiserei, mit Wohnsitz in vielen verschiedenen Ländern, habe ich mich nie politisch betätigt. Natürlich habe ich mich immer auch für die lokale Politik interessiert, vor allem in Ländern, in denen nicht alles immer so lief, wie man es sich von zuhause gewöhnt war. Sei es in Südamerika mit seinen, damals noch diktatorischen Systemen, oder später in China mit seinem autokratischen System. Dabei habe ich auch gelernt, dass man sich, nur weil etwas anders ist als zuhause,sich nicht "zu weit aus dem Fenster lehnen" soll. Jedes System hat in gewissen Zeiten seine Rechtmässigkeit, und vor allem kann man politische Systeme nicht beliebig "exportieren" und überall gleich anwenden, um zum gleichen Resultat zu kommen. 
Welche Rolle spielte das Lesen in deinem Leben?
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9.1.  Meine Freizeit – Lesen.

Welche Rolle spielte das Lesen in deinem Leben?
Von jungen Jahren an hat mich das Lesen "gefangen", ich war fasziniert von der Welt die sich mir auftat. Eine Welt der Träume, des Abenteuers oder auch eine Welt die einem zum Nachdenken gezwungen hat. Viele Bücher haben mich inspiriert oder neugierig gemacht auf die Welt "da draussen", ich denke dies ist auch der Grund, weshalb ich mich kurz nach meinem Lehrabschluss auf den Weg machte, um die weite Welt kennen zu lernen. Das Lesen hat mich aber auch gedanklich und geistig gefordert und weiter gebracht, es hat mir geholfen, Zusammenhänge zu sehen und besser zu verstehen. Die Literatur und das Lesen haben mir auch andere Kulturen näher gebracht, denn das Lesen von Büchern (in der Original Sprache) hat viel zum Verständnis anderer Kulturen beigetragen.
 
Was waren/sind deine Lieblingslektüren und Lieblingsautoren/-autorinnen? Was ist das Besondere daran?
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9.1.  Meine Freizeit – Lesen.

Was waren/sind deine Lieblingslektüren und Lieblingsautoren/-autorinnen? Was ist das Besondere daran?
Ich habe eigentlich keine Lieblingslektüre oder Lieblingsautoren, natürlich gab und gibt es Momente, in denen man sich auf einen Autor konzentriert und sich durch seine Werke liest, aber dann kommt der Moment, in dem man sich wieder etwas Neuem zuwendet.
 
Nach meinem Lehrabschluss habe ich mich einem Buch-Klub angeschlossen (NSB), und auf diese Weise fand ich Zugang zu einer Vielfalt von Autoren, welche auch verschiedene Genres abdeckten. Da gab es eine Zeit, in der mich die Bücher von Jack London faszinierten und später "verschlang" ich die Bücher von Erich Maria Remarque, die Geschichten rund um die Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg waren für mich hoch interessant. Dann kam die Zeit der Konsalik Bücher, eher etwas leichtere Kost, um mich dann einem Schweizer Autor zuzuwenden, W.A. Keller. Seine Bücher handelten von Schweizern, die ihr Glück im Ausland suchten. Diese Bücher habe ich mehrmals gelesen, und sie faszinieren mich noch heute, erst vor kurzem habe ich mich wieder in diesen Werken vertieft. Dann gab es da noch J. Knittel, seine Bücher handeln immer vom Leben im Nahen Osten, präziser ausgedrückt vom Leben in Ägypten und Nordafrika, auch diese Bücher fand und finde ich noch heute hoch interessant zum Lesen. Leon Uris, Solschenyzin, Thomas Mann, Emile Zola, Vicky Baum gehörten ebenso zu meinen Lieblingsautoren wie James A. Michener oder Selma Lagerlöf. Natürlich habe ich und lese ich noch heute ab und zu einen Buch von Autoren wie John Grisham, John Updike, David Baldacci, Sidney Sheldon, Joy Fielding Milan Kundera, Henning Mankell und anderen.
 
In den Jahren in Südamerika fand ich Zugang zur Lateinamerikanischen Literatur und fand grossen Gefallen an den Büchern von Gabriel Garcia Marquez, Julio Cortazar, Mario Vargas Llosa, Paulo Coelho und Isabel Allende. Meine Lieblingsbücher sind hier sicherlich die Werke von Garcia Marquez (100 Anos de soledad, El Amor en tiempos de colera, Vivir para contarla, Por la libre und viele andere). Aber auch die Bücher von Mario Vargas Llosa (La Fiesta del Chievo) über die Diktatur in der Dominikanische Republik unter Trujillo, haben mich sehr beeindruckt.
 
Was mich aber nachhaltig beeinflusst hat, waren zwei Bücher von Dan Millman - Die Rückkehr des friedvollen Kriegers und - Erleuchteter Alltag (so die deutschen Titel, ich habe diese beiden Bücher in englisch gelesen) Die 12 Entwicklungsschritte des friedvollen Kriegers erfordern keine radikalen Einschnitte in unsere Lebensweise, sind aber tief beeindruckend. Erleuchtung ist das Ziel, die Bühne der Alltag, bewusstes Handeln die Methode - und die richtige Zeit ist jetzt. Diese beiden Bücher habe ich mehrmals gelesen, und ich bin jedes mal wieder tief beeindruckt, und ich glaube, sie haben mein Denken und Handeln nachhaltig verändert.
 
Wer hat deine Lektüren und dein Leseverhalten am nachhaltigsten beeinflusst? Inwiefern?
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9.1.  Meine Freizeit – Lesen.

Wer hat deine Lektüren und dein Leseverhalten am nachhaltigsten beeinflusst? Inwiefern?
In jungen Jahren wurde mein Leseverhalten nur durch meine Neugier zum Lernen und mehr über die Welt zu wissen beeinflusst. Später kam der Gedankenaustausch mit Freunden oder Bekannten dazu, aber auch Buchbesprechungen in der Zeitung haben mich sicherlich auf den einen oder anderen Buchtitel aufmerksam gemacht.
 
 
Gab es Lesevorschriften oder gar -verbote? Von wem? Und wie gingst du damit um?
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9.1.  Meine Freizeit – Lesen.

Gab es Lesevorschriften oder gar -verbote? Von wem? Und wie gingst du damit um?
Zum Glück hat man mir niemals verboten, ein bestimmtes Buch zu lesen. Meine Eltern waren immer sehr offen, ja ich glaube sie waren eigentlich froh, dass ich so ein Bücherwurm war, das gab ihnen die Sicherheit, dass ich irgendwo zuhause hinter einem Buch "versteckt" war. Das einzige was meine Eltern nicht gerne sahen, war das Lesen von "Schundliteratur", so klassifizierten sie die damals populär werdenden Zeitschriften wie "Micky Maus", "Fix und Foxi", "Tom und Jerry" und wie sie alle hiessen. 
Gibt es Bücher, die du mehrmals gelesen hast? Welche und weshalb? Wieviel Bücher hast du überhaupt?
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9.1.  Meine Freizeit – Lesen.

Gibt es Bücher, die du mehrmals gelesen hast? Welche und weshalb? Wieviel Bücher hast du überhaupt?
Wie bereits erwähnt, habe ich die Bücher von W.A. Keller und John Knittel mehrmals gelesen. Auch Garcia Marquez und Vargas Llosa kommen immer wieder einmal auf den Tisch. Die Lektüre dieser Bücher fasziniert mich, ich kann eintauchen in eine andere Welt, eine einfachere Welt mit all ihren Facetten des menschlichen Zusammen-lebens. Im vorhergehenden Kapitel habe ich bereits erwähnt, dass ich Dan Millman mehrmals gelesen habe und kann die Lektüre der erwähnten Bücher nur empfehlen.
 
In all den Jahren meines "Zigeunerlebens" habe ich alle Bücher immer gesammelt und in der Schweiz in einem Lagerhaus eingelagert. Im Moment besitze ich etwa 900 Bücher, inklusive diverser Fachbücher, länderspezifische Bücher und Bücher über Kunstgeschichte. Leider haben meine Kinder kein Interesse an den Bücher und so habe ich schweren Herzens angefangen Bücher zu entsorgen, wenn immer möglich versuche ich die Bücher weiterzugeben an Institutionen (Gastronomie Museum, Kinderheim, Spitäler etc), und als letzte Lösung kommt dann halt die Bücher-Broki zu Zuge. 
Hast du Bücher gesammelt?
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9.1.  Meine Freizeit – Lesen.

Hast du Bücher gesammelt?
Ich habe die Bücher von Mondo und Silva gesammelt, ich besitze etwas 120 dieser sehr informativen und lehrreichen Bücher. Es ist sehr interessant heute in so einem Buch zu lesen, denn die Welt hat sich in einem gewaltigen Ausmass verändert, dass ich mich oft Frage, was der Autor so eines Buches sagen würde, wäre er heute noch unter den Lebenden. Vor allem Bücher über Länder sind so faszinierend, ich denke da an Pakistan, Afghanistan, UdSSR, Iran etc. Es ist unglaublich wie sich diese Länder durch Krieg oder soziale Unruhen in einer Art verändert haben, die man sich wahrscheinlich gar nie vorgestellt hat. Bedingt durch meinen Beruf habe ich auch eine grosse Sammlung von Kochbüchern, in verschiedenen Sprachen und über diverse Themen.
Auch habe ich ziemlich alle Bücher von Erich Maria Remarque, Konsalik, Gotthelf und Gottfried Keller, Garcia Marquez und Vargas Llosa. Ich war immer stolz auf meine Büchersammlung und habe gehofft, diese dann einmal in gute Hände zu geben, nur leider muss ich feststellen, das es heute sehr schwer, ja fast unmöglich ist, solche Bücher weiter zu geben. 
Was hat dir das Lesen für dein Leben gebracht? Wie viele Bücher liest du pro Jahr? Wie hat sich das im Lauf der Jahre geändert?
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9.1.  Meine Freizeit – Lesen.

Was hat dir das Lesen für dein Leben gebracht? Wie viele Bücher liest du pro Jahr? Wie hat sich das im Lauf der Jahre geändert?
Das Lesen hat mir die Augen für die Welt und das Leben ausserhalb unserer Grenzen geöffnet, zugleich aber war es eine Quelle der Inspiration und geistige Nahrung.
Hat sich dein Leseverhalten oder dein Literaturkonsum mit dem Internet und allenfalls auch den e-books verändert? Wie?
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9.1.  Meine Freizeit – Lesen.

Hat sich dein Leseverhalten oder dein Literaturkonsum mit dem Internet und allenfalls auch den e-books verändert? Wie?
Im Prinzip hat sich mein Leseverhalten durch das Internet nicht gross verändert, ich lese noch immer Bücher in gedruckter Form und greife nur zum E-book wenn ich auf Reisen gehe. Es ist äusserst praktisch wenn man keine Bücher packen muss und nur noch einen E-reader mit auf die Reise nehmen kann. Aber für zuhause ist das Buch in gedruckter Form immer noch mein bevorzugtes Lesemittel, es gibt für mich nichts Besseres, als ein Buch in der Hand zu halten und in eine andere Welt abzutauchen. Dieses Gefühl stellt sich mit einem E-reader nie ein.
Wie leicht fiel es dir in deiner Jugend, Kontakte aufzubauen und zu pflegen?
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10.  Beziehungen in der Jugend

Wie leicht fiel es dir in deiner Jugend, Kontakte aufzubauen und zu pflegen?
Rückblickend war ich immer so etwas wie ein Einzelgänger. Ich denke dies hat damit zu tun, dass wir in Altstetten keine Nachbarn mit Kindern hatten, ich spielte meistens alleine oder dann mit meinem älteren Bruder. Nach unserem Umzug nach Schwamendingen hatte ich Mühe Anschluss zu finden, und so war ich meistens alleine mit meinen Büchern, oder ich unternahm etwas auf eigene Faust.
Gibt es unauslöschliche Erinnerungen an Beziehungen aus dieser Zeit?
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10.1.  Beziehungen in der Jugend – Beziehungen als Teenager.

Gibt es unauslöschliche Erinnerungen an Beziehungen aus dieser Zeit?
Da ich sehr jung  (15 1/2) meine Berufslehre mit unregelmässiger Arbeitszeit anfing, waren die Gelegenheiten für den Aufbau einer Beziehung sehr limitiert. Natürlich gab es hie und da auch Momente des Vergnügens, meistens am Samstagabend ging es irgendwo zum Tanz. Dabei ergaben sich ab und zu kurze Beziehungen, meistens hielten diese nicht lange, denn wer wollte schon eine Bekanntschaft mit jemandem, der jeden Tag bis spät abends am arbeiten war. Dazu kam, dass ich nichts zu offerieren hatte, kein Auto oder Motorrad, und ein Taxi konnte ich mir mit meinem kleinen Lohn nicht leisten. Das von mir benützte Fahrrad war nicht beliebt als Transportmittel nach einem Tanzabend!
Die einzige Beziehung von Dauer war die mit einer jungen Dame namens Maya, sie wohnte im Friesenberg Quartier und hatte Verständnis für meine Situation, sie hat sich auch nie beklagt wenn wir dann jeweils spät abends oder Frühmorgens zu Fuss vom Stadthaus Quai zu ihr nach Hause gelaufen sind. Aber wie das so ist im Leben, ich hatte den Wunsch ins Ausland zu gehen, was sie nicht verstehen konnte, und es kam wie es kommen musste, unsere Beziehung zerbrach an der Distanz zwischen Zürich und Paris.
Hast du dich gegen deine Eltern und überhaupt Autorität aufgelehnt?
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10.1.  Beziehungen in der Jugend – Beziehungen als Teenager.

Hast du dich gegen deine Eltern und überhaupt Autorität aufgelehnt?
Bei mir gab es eigentlich nie rebellische Momente, ich konnte mich meistens gut mit autoritären Situationen arrangieren. Ich denke eine grosse Rolle spielt hier die Tatsache, dass ich eigentlich schon sehr jung auf eigenen Beinen stehen musste und mich mit verschiedenen Situationen auseinandersetzen musste. Um erfolgreich als Koch zu arbeiten musste man bereit sein, sich in einer sehr autoritär geführten Organisationsstruktur wohl zu fühlen. Natürlich war dies nicht immer leicht, denn sehr oft wurden wir behandelt wie Dreck, der Umgangston war rauh und das Wort "Respekt" kannte man nicht. Aber ich habe mir immer gesagt, man kann auch in schwierigen und/oder schlecht geführten Institutionen etwas lernen, das einem auf dem späteren Lebensweg nützlich sein kann.
 
In den späten sechziger und frühen siebziger Jahren arbeiteten wir in der Hotellerie für die Referenz eines Betriebes, ein Zeugnis eines renommierten fünf Sterne Hotels war Gold wert, denn dieselben waren Türöffner für unsere Berufskarriere. Diese Situation wurde von den Patrons und Chefs weidlich  ausgenützt, an den meisten Orten waren die Arbeitsbedingungen schlecht, und wir wurden nach Strich und Faden ausgenützt. Wenn man sich beschwerte hiess es, " wenn es Dir nicht passt, dann kannst Du gehen, es hat zehn andere, die auf diese Stelle warten"! Also hat man auf die Zähne gebissen und den Vertrag abgearbeitet, denn eine Kündigung wäre schlecht gewesen für unsere eigene Zukunft. Ich glaube, das sich Durchbeissen hat sich gelohnt, in jeder Situation lernt man etwas, was einem im späteren Leben wieder zugut kommt.
Warst du schon früh mit Sexualität konfrontiert? Wie? Wie hast du das erlebt und inwiefern hat dies dein späteres (Sexual-)Leben geprägt?
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10.1.  Beziehungen in der Jugend – Beziehungen als Teenager.

Warst du schon früh mit Sexualität konfrontiert? Wie? Wie hast du das erlebt und inwiefern hat dies dein späteres (Sexual-)Leben geprägt?
Für mich war die Sexualität in jungen Jahren kein Thema, bei mir zuhause sprach man nicht darüber und man drückte mir, mit den Worten - lies das - ein Büchlein zur Aufklärung in die Hand. Gebracht hat es nichts, denn ich war nach dieser Lektüre noch mehr verunsichert als vorher. Bedingt durch meine Arbeit und der damit verbundenen Arbeitszeit habe ich es auch nie zu einer Freundin gebracht, ich hatte Bekanntschaften, aber nichts das über längere Zeit anhielt. Rückblickend war ich auch sehr gehemmt zu jener Zeit, die Pläne für meine Zukunft waren sicher so etwas wie ein "Bremsklotz", um eine Beziehung aufzubauen, die Angst hängen zu bleiben war schlichtweg zu gross.
Welche Erinnerungen hast du an deinen letzten Schultag der obligatorischen Schulzeit?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Welche Erinnerungen hast du an deinen letzten Schultag der obligatorischen Schulzeit?
Leider habe ich nur ganz schwache, vage Erinnerungen an meinen letzten Schultag und kann mich an keine Details erinnern.
Was hast du nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit gemacht?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Was hast du nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit gemacht?
Ein paar Tage nach dem Abschluss der obligatorischen Schulzeit, am 15. April 1964, fing ich meine Berufslehre im Restaurant Huguenin an der Bahnhofstrasse in Zürich an. Zuerst stand da aber der Kauf der Koch Uniform, respektive der elterliche Vorschuss, um sie zu kaufen. Wie stolz war ich auf meine schwarz-weiss karierten Hosen, weisse Weste, Dreieckshalstuch mit Knoten und natürlich die Toque, das Statussymbol der Köche. Ein Muss für einen angehenden Koch war der Besitz eines eigenen Messersets (Arbeitswerkzeug) auch für den Erwerb dieser Grundausrüstung gaben mir meine Eltern Geld, damit ich wohlgerüstet meinen neuen Lebensabschnitt beginnen konnte. 

So stand ich also frisch eingekleidet morgens um acht Uhr in der Küche und wartete der Dinge die da kommen sollten. Es roch nach Frittüre und vielen anderen mir fremden Gerüchen, was nicht schlecht, aber doch gewöhnungsbedürftig war. Alles war mir fremd, und ich kam mir wie bestellt aber nicht abgeholt vor, denn niemand kümmerte sich um mich. Doch plötzlich kam Leben in die Küche - der Küchenchef war im Anmarsch - ein grosser kräftiger Mann mit Holzschuhen an den Füssen und einer lauten Stimme. Er musterte mich von Kopf bis Fuss, und nachdem ich scheinbar seinen Ansprüchen entsprach, streckte er die Hand aus, um mich zu begrüssen mit den Worten - Kochlehrjahre sind keine Herrenjahre! Damit fing der "Ernst des Lebens" an, und mein Leben wurde ziemlich auf den Kopf gestellt.

Zum eingangs erwähnten Kauf der Messer möchte ich noch anfügen, dass der Besitz des Arbeitswerkzeugs in der Verantwortung des Angestellten war, der Arbeitgeber stellte dies nicht zur Verfügung. So kam es, das man sich als Koch über die Jahre hinweg eine grosse Menge an verschiedenen Messern und anderweitigen für die Ausführung der Arbeit notwendigen Werkzeuge anschaffen musste. Um die Werkzeuge gut zu verwahren, machte mir meine Mutter aus einem alten Leintuch eine Art Tasche, die man aufrollen und im Koffer verstauen konnte, ohne dass die Kleider Schaden nahmen. Als meine "Sammlung" grösser wurde, konstruierte mir mein Vater einen wunderschönen Koffer aus Holz, mit Abteilen und Halterungen, damit jedes Messer/Werkzeug seinen Platz hatte und gut versorgt war. Dieser Koffer mit über 50 verschiedenen Messern und Werkzeugen begleitete mich mein ganzes Berufsleben und ich war immer sehr stolz auf diesen von meinem Vater konstruierten Werkzeugkoffer.



(1) Messerkoffer Jahrgang 1968 am Ende der Laufbahn - vor dem Entsorgen im Jahre 2018
Messerkoffer Jahrgang 1968 am Ende der Laufbahn - vor dem Entsorgen im Jahre 2018

 

(2) Messerkoffer - Innenleben, die fehlenden Messer fanden neue Besitzer in Nepal und auf den Galapagos Inseln

Messerkoffer - Innenleben, die fehlenden Messer fanden neue Besitzer in Nepal und auf den Galapagos Inseln

 

 

 


 



Hast du den Ort, wo du aufgewachsen bist, verlassen?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Hast du den Ort, wo du aufgewachsen bist, verlassen?
Nach Abschluss meiner Berufslehre verliess, ich Zürich um mich beruflich weiter zu bilden, vor allem aber um Erfahrung in verschiedenen Betrieben zu sammeln. In den ersten Jahren meiner Berufskarriere machte ich Halt an Orten wie Rigi-Kaltbad, St. Moritz, Luzern, Gstaad und Villars sur Ollon. Mit 21 Jahren ging es nach Paris, ein Jahr später für drei Jahre nach London, anschliessend nach Madrid und Buenos Aires und zwei Jahre später wieder nach London. Nach drei Jahren London fand ich, nun seien die Lehr-und Wanderjahre abgeschlossen und entschied mich in die Schweiz zurückzukehren. Denn ich wollte die letzte Sprosse auf meinem Zukunftsplan erreichen und die Meisterprüfung als Eidgenössisch Diplomierter Küchenchef absolvieren und mich zum Berufsfachlehrer weiterbilden.
Wie hast du deinen Lebensunterhalt verdient?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Wie hast du deinen Lebensunterhalt verdient?
Meinen Lebensunterhalt habe ich mir mit meiner Arbeit verdient, es gab damals noch keine Arbeitslosen-Unterstützung, und meine Eltern wären nicht in der Lage gewesen mich zu unterstützen.
Wie hast du gewohnt?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Wie hast du gewohnt?
Zu jener Zeit wohnte man meistens am Arbeitsort, das heisst der Lohn beinhaltete freie Kost und Logis. Die Unterkunft war meistens nicht sehr komfortabel, aber man hatte ein Bett und ein Dach über dem Kopf. Sehr oft waren die Personalzimmer unter dem Dach, im Sommer sehr heiss und im Winter sehr kalt, es gab ja keine Heizung fürs Personal und warmes Wasser zum Duschen oder Waschen war auch ein Fremdwort. Der einzige Vorteil war, dass wir einen kurzen Arbeitsweg hatten, man wohnte ja im Hause.
Falls du eine Lehre gemacht hast, wie kam es zu der Berufswahl?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Falls du eine Lehre gemacht hast, wie kam es zu der Berufswahl?
Die Berufswahl Koch, war spontan, nachdem mir klar geworden war, dass es sich meine Eltern nicht leisten konnten, mir das Studium zu bezahlen (in einem der ersten Kapitel erklärte ich diesen Umstand) Da meine Eltern und auch der Lehrer fanden, dass ich etwas besseres als Koch lernen sollte, musste ich dann noch zur Abklärung zum Berufsberater. Beim Ausfüllen des Test wurde mir schnell klar, das, wenn ich alle Lebensmittel bezogenen Fragen positiv beantworte, kommt sicher ein Lebensmittel verarbeitender Beruf heraus. So war es, der Berufsberater meinte Bierbrauer, Käser oder evtl. Koch würden meinen Neigungen entsprechen, aber er würde mich auch noch als Polizist sehen! Nicht ganz glaubwürdig das Ganze, so kam es, dass ich trotz des Widerstandes meiner Eltern eine Kochlehre anfing.
Wie war dein Lehrmeister bzw. wie waren deine Arbeitskollegen?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Wie war dein Lehrmeister bzw. wie waren deine Arbeitskollegen?
Während meiner Berufslehre hatte ich verschiedene Lehrmeister, mein erster Lehrmeister im Rest. Huguenin an der Bahnhofstrasse in Zürich war ein grosser, Furcht einflössender Mann. Zum Glück dauerte meine Zeit dort nur gerade sechs Monate, da der Betrieb Konkurs anmeldete, musste ich nach knapp sechs Monaten einen neue Stelle suchen. Im Rest. Zeughauskeller am Paradeplatz gab es noch eine freie Lehrstelle, und so kam ich zu meinem Glück an einen Ort mit einem guten Vorgesetzten. Herr Pabst, so der Name des Küchenchefs, war jung, und er verstand es junge Leute zu motivieren und zu führen.
Es herrschte Ordnung und Disziplin, aber auch gegenseitiger Respekt war wichtig und wurde auch eingefordert. Wir waren ein Team von 15 Köchen und Hilfskräften, waren aber für damalige Verhältnisse eine sehr durchmischte Belegschaft.  Unter den Köchen gab es Holländer, Deutsche und Schweizer, die Hilfskräfte waren Portugiesen, Italiener und Spanier, wir alle kamen gut miteinander aus, und es gab nie irgendwelche Unstimmigkeiten, denn wir alle waren auf einander angewiesen, eine Küche funktioniert nur mit einem guten Teamwork. Unter den Arbeitskollegen gab es einen Holländer der schon damals seine Homosexualität offen zeigte, er war sehr umgänglich und konnte auch über sich und sein "Getue" lachen. Er wurde respektiert und niemand hätte sich getraut, ihn als Kollegen und Mitarbeiter nicht zu respektieren oder sich über ihn lustig zu machen. Nicht einmal als er anfing eine Ecke der Chromstahlumrandung des Ofens so zu polieren, dass sich so etwas wie ein Spiegel ergab, um seine Eitelkeit zu befriedigen. Er legte sehr viel Wert auf sein Äusseres, und so schaute er alle paar Minuten in den "Spiegel" um sicherzustellen, dass alle Haare am angestammten Platz sind und der Toque auch richtig auf seinem Haupte sitzt.
Hattest du einen motivierenden Arbeitsalltag?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Hattest du einen motivierenden Arbeitsalltag?
Der Arbeitsalltag war an den meisten Tagen motivierend, ausser im Herbst, wenn der Patron spät abends von der Jagd nach Hause kam und von uns Lehrlingen erwartete, dass wir die erlegten Tiere nun noch häuteten und zerlegten. Mehr als einmal waren wir dabei bis Mitternacht beschäftigt und mussten am nächsten Morgen trotzdem wieder um 07:30 antreten und das Frühstück für die Arbeitskollegen bereitstellen. Auch sonst gab es ab und zu Tage, die sehr demotivierend waren, wenn die Reinigung der Lüftung anstand, oder die Zeit des Sechseläutens, da kamen wir kaum aus der Küche vor lauter Arbeit, Arbeitstage von 16 Stunden wurden so zur Norm. Überstunden durften nicht aufgeschrieben werden, genauso die freien Tage, die wir manchmal "opfern" mussten, wurden und durften nicht registriert werden, dies empfanden wir als grosse Ungerechtigkeit. Wenn ich mich einmal zuhause beklagte, hörte ich immer das Gleiche, wir haben Dich gewarnt vor diesem Beruf!
Wieviel hast du verdient? Was bedeutete dir dieser Lohn?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Wieviel hast du verdient? Was bedeutete dir dieser Lohn?
Mein Lehrlingslohn war sehr klein, ich bekam 10 Franken im ersten Lehrjahr und 20 Franken im zweiten Lehrjahr. Als meine Eltern einmal das Gespräch mit dem Patron suchten, um eine Gehaltserhöhung zu erreichen, da hiess es, wir sollten glücklich sein, dass wir nicht auch noch Lehrgeld bezahlen müssten. Nach der Lehre merkte ich dann schnell, dass ich auf meinen Lehr und Wanderjahren nicht viel Geld verdienen würde, aber diese Jahre waren eine Investition in die Zukunft. Für mich war die Tatsache, dass ich nun selbst verdientes Geld in der Tasche hatte, enorm wichtig, es gab mir Selbstvertrauen und ein Gefühl von Freiheit.
Was hast du gelernt? Wie war dein Lehrabschluss?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Was hast du gelernt? Wie war dein Lehrabschluss?
Ich habe Koch gelernt, mit einer Lehrzeit von 2 1/2 Jahren. Es war eine recht harte und intensive Zeit, gab es doch damals noch keine geregelten Arbeitszeiten, geschweige denn eine Arbeitszeit-Erfassung. Wir Lehrlinge arbeiteten fünf Tage die Woche plus einen Tag Gewerbeschule, somit blieb uns ein einziger freier Tag die Woche um uns zu erholen. Ein Arbeitstag war aufgeteilt in zwei Teile und wurde von der Zimmerstunde unterbrochen, unsere Arbeitszeit war von 08:00 bis 14:00 und von 17:00 bis 21:00. Dies war die offizielle Arbeitszeit, aber wir Lehrlinge mussten immer eine halbe Stunde früher anfangen, denn wir waren verantwortlich für die Bereitstellung des Frühstücks und des Nachtessens. Wir waren aber auch verantwortlich für die Reinigung der Küche nach dem Service, so kam es, dass wir nie vor 14:30 und abends vor 21:30 Feierabend hatten.

Einmal pro Woche gingen wir in die Gewerbeschule, von uns Lehrlingen wurde erwartet, dass wir in der Mittagspause zwischen 11:45 und 13:30 und am Abend nach der Schule um 18:00 zum Arbeiten im Betrieb erscheinen. Es waren harte Zeiten, ein Arbeitstag war lang und anstrengend, und man musste auf die Zähne beissen. Ich denke, dass mir diese Ausbildung nicht geschadet hat, ich habe gelernt zu arbeiten und auf die Zähne zu beissen, diese Qualitäten waren im späteren Leben oft sehr nützlich.


(1) Am Tag meiner Lehrabschlussprüfung im Oktober 1966 vor meiner Mise en place
Am Tag meiner Lehrabschlussprüfung im Oktober 1966 vor meiner Mise en place

 Die Lehrabschlussprüfung wurde in jener Zeit noch im Lehrbetrieb absolviert und beinhaltete das Ausführen verschiedener praktischer Arbeiten. So mussten frische Fische filetiert werden, ein Kalbskopf so-wie ein Kalbsstotzen mussten in einer vorgegebenen Zeit ausgebeint werden. Des weiteren wurde die Handfertigkeit im Umgang mit den Messern getestet, in dem man verschiedene Produkte rüsten und schneiden musste. Bei all diesen Arbeiten wurde auf die Sauberkeit und Hygiene am Arbeitsplatz sehr grosses Gewicht gelegt, auch die gute Verwertung der Produkte war sehr wichtig, Lebensmittel- Verschwendung war verpönt, und es gehörte zum Stolz eines Koches, so wenig Abfall wie möglich zu haben.
Die Prüfungsexperten (3 Personen) erschienen kurz vor acht Uhr und erklärten mir den Ablauf des Tages mit all den anstehende Arbeiten, nachdem all die Details geklärt waren, ging es kurz nach acht los mit den oben erwähnten Arbeiten. Um zehn Uhr gab es eine kurze Pause, in dieser Pause überreichten mir die Experten das zu kochende Menü welches um 12:15 serviert werden sollte. Auch bei der Zubereitung des Menüs wachten die Experten über jeden meiner Schritte und Tätigkeiten, vor allem schauten sie darauf, dass keiner der anwesenden Köche (die Arbeit im Restaurant ging weiter, und das Tagesgeschäft musste erledigt werden) mir zur Hand ging. Da mir der erste Teil der Prüfung gut gelungen war, hatte ich ein gutes Gefühl für den weiteren Verlauf der Prüfung und war überhaupt nicht nervös bei der Zubereitung des Menüs. Ich glaube dies hat die Experten beeindruckt, denn sie liessen mich arbeiten und unterliessen Kommentare zu meiner Arbeitsweise. Kurz vor zwölf verliessen sie die Küche, um im Restaurant auf den Service des Essen zu warten. Um es kurz zu machen, pünktlich um 12:15 wurde der erste Gang serviert, und alle weiteren Gänge wurden zeitgerecht serviert und kurz nach 14:00 Uhr war das Dessert serviert. Nun hiess es noch den Arbeitsplatz aufräumen und reinigen, denn auch dies war ein zu bewertendes Kriterium der Abschlussprüfung. Nachdem die Experten die Küche inspiziert hatten, wurde ich kurz vor 15 Uhr ins Restaurant gerufen für das Abschlussgespräch mit den Experten. Dies war der grosse Moment, und ich trat mit etwas schlotternden Knien an den Tisch der Experten, als erstes wurde ich gefragt wie mein Eindruck über das Geleistete sei und ob ich glaube, dass ich die Prüfung bestanden habe. Etwas verunsichert, zugleich überzeugt, dass ich gute Arbeit geleistet hatte erwiderte ich "ich hoffe es"! Die Experten lächelten und meinten, ich soll nicht so bescheiden sein, denn ich hätte eine super Prüfung hingelegt, und sie würden mir zur bestandenen Lehrabschlussprüfung gratulieren. Nach einem kurzen Gespräch mit Ratschlägen für den weiteren Verlauf meiner Karriere wurde ich mit guten Wünschen für die Zukunft wieder in die Küche entlassen. Ich war überglücklich und froh, dass ich die erste Stufe meiner Berufslaufbahn erfolgreich abgeschlossen hatte.

 

Bist du damals viel gereist und/oder hast Ferien gemacht?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Bist du damals viel gereist und/oder hast Ferien gemacht?
Während meiner Lehrzeit habe ich nie Ferien bekommen oder gemacht, es war aber auch etwas, was ich nicht gekannt habe, und so hat es mir auch nicht gefehlt.
Hast du dich nach deinen Lehr- und Wanderjahren weitergebildet?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Hast du dich nach deinen Lehr- und Wanderjahren weitergebildet?
Nach Abschluss der Berufslehre am 15.10.1966 mit dem Fähigkeitszeugnis im Sack ging es nun auf die Lehr-und Wanderjahre. Wie man uns in der Gewerbeschule immer wieder gesagt hat, fängt der Lernprozess erst nach der Lehre so richtig an. Damit ich auf diesem Wege aber auch etwas lernte, machte ich eine Liste mit den Hotels in denen ich arbeiten wollte und auf welchem Posten das sein soll. Es war so etwas wie ein Masterplan für meine Berufslaufbahn, inklusive der Fremdsprachen, die ich während den Lehr-und Wanderjahren lernen wollte. Diesem Plan bin ich gefolgt, und ich darf erwähnen, dass ich mit 26 Jahren mein erstes Zwischenziel, Küchenchef in einem 5 Sterne Luxus Hotel in London, erreichte. Auch mein zweites grosses Berufsziel, den erfolgreichen Abschluss der Meisterprüfung zum Eidg. Dipl. Küchenchef, erreichte ich mit 30 Jahren. Hier darf ich erwähnen, dass sich für mich das kontinuierliche Lernen von Sprachen und die berufliche Weiterbildung auf jeden Fall gelohnt haben, den es hat mir Türe und Tore zu einer erfolgreichen internationalen Karriere geöffnet. Viersprachig (deutsch, französisch, englisch und spanisch) und mit einem Meisterdiplom in der "Tasche" stand einem die Welt offen.
Hier muss ich erwähnen, dass es in den sechziger Jahren noch keine Arbeitslosenversicherung gab, und so musste man sich am Ende der Winter- (April-Juni) respektive der Sommersaison (Oktober-Dezember) immer bemühen um eine Tätigkeit zufinden um diese Monate ohne feste Stelle zu überbrücken. Dies war zugleich auch Weiterbildung, denn in diesen Monaten arbeitete ich in einer Metzgerei, bei einem Fischhändler, in einer Confiserie und bei einem Bäcker, auf diese Weise lernte man Neues und verdiente genug, um in der Zwischensaison über die Runden zu kommen.
Wie verhielten sich deine Freunde bzw. Freundinnen in dieser Zeit?
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11.  Lehr- und Wanderjahre

Wie verhielten sich deine Freunde bzw. Freundinnen in dieser Zeit?
In dieser Beziehung gab es keine Probleme, bedingt durch meine Saison-Arbeitsstellen und meine Arbeitszeiten hatte ich keine wirklichen Freunde. Natürlich gab es da Kollegen, aber jeder ging nach der Saison seinen eigenen Weg, viele hatten ähnliche Ziele wie ich, und so verfolgte jeder auf seine Art und Weise seine sich gestellten Ziele. Wir alle hatten eines gemeinsam, uns allen war klar, dass wir nur mit gezielter Weiterbildung etwas aus unserem Beruf machen können, um eventuell einmal in der Lage zu sein, eine Familie zu gründen und zu ernähren.
 
Für eine Freundin hatte ich zum einen keine Zeit, und zum andern war ich ziemlich Scheu in jungen Jahren. Dazu kam, dass ich gar keine Beziehung aufbauen wollte, denn dies wäre letztendlich nur ein Hindernis gewesen für meinen beruflichen Werdegang und dem Traum die Welt zu bereisen.
Wenn du an deine Einstellung zum Militär vor deiner Aushebung denkst, woran erinnerst du dich?
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12.  Armee

Wenn du an deine Einstellung zum Militär vor deiner Aushebung denkst, woran erinnerst du dich?
In den sechziger Jahren gab es generell keine ablehnende Haltung (zumindest in meinem Umfeld) gegenüber dem Militär, es war uns allen bewusst, dass man ins Militär muss, die Frage war doch nur, für welche Waffengattung man ausgehoben wurde. Natürlich gab es auch Vorbehalte, man diskutierte mit den Kollegen über Sinn und Zweck der Armee in einem "neutralen" Land. Ich denke, die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges waren noch zu präsent, und somit gab es wenig bis gar keinen Widerstand gegen das Militär.

Zu jener Zeit gab es auch noch den sportlichen Vorunterricht für junge Männer, alle erhielten ein "Leistungsheft", in dem die Resultate der jährlichen Sportprüfung festgehalten wurden. Hier eine Kopie der ersten Seite des Leistungsheftes,


(1) Leistungsheft für junge Schweizer
Leistungsheft für junge Schweizer

Da für mich schon früh feststand, dass ich wegen meines Berufes ins Ausland gehen würde, hatte ich ein Gesuch zur Vorverlegung der Rekrutenschule eingereicht. So kam es, dass ich mit knapp 18 Jahren das Aufgebot zur Aushebung erhielt, wie es sich dann zeigte war es gut, dass ich jedes Jahr  (63,64,65) die Leistungsprüfung der Militärdirektion des Kantons Zürich absolvierte und auch jedesmal mit einer Ehrenmeldung abschloss. So wie ich mich erinnere, waren damals die meisten jungen Männer sehr positiv eingestellt gegenüber dem Militär, auf jeden Fall herrschte immer ein gesunder Konkurrenzkampf an den erwähnten Leistungsprüfungen, und ich kann mich nicht erinnern, dass jemand negativ eingestellt war.


(2) Leistungsheft Resultat 1964 - 16. Jährig

Leistungsheft Resultat 1964 - 16. Jährig

 In meiner Erinnerung waren diese Prüfungen immer auch ein Wettkampf zwischen den jungen Männern, ein gutes Abschneiden und der Erhalt einer Ehrenmeldung am Ende des Tages war Ehrensache.


(3) Ehrenkarte Leistungsprüfung 1964 -

Ehrenkarte Leistungsprüfung 1964 -

 

 
 
Wie ging es bei deiner Aushebung zu und her? Entsprach die Einteilung deinen Wünschen?
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12.  Armee

Wie ging es bei deiner Aushebung zu und her? Entsprach die Einteilung deinen Wünschen?
Obwohl ich keine Ahnung hatte, wie es im Militär zu und hergehen wird, hatte ich ein mulmiges Gefühl, und die Geschehnisse am Aushebungstag bestätigten meine Vorahnung.
 
Die Aushebung fand, 17.09.1966  auf der Sportanlage Sihlhölzli statt. Ich glaube, wir waren so gegen zweihundert junge Männer, die an diesem Tage zur Aushebung angetreten waren. Von Anbeginn an wurde uns klar gemacht, dass das Militär eine straff organisierte und auf Disziplin ausgerichtete Organisation war. Man machte uns klar, dass wir alle gleich seien, und dass es keine Ausnahmen geben würde, sprich, ab sofort hatten wir uns dem Kommando der leitenden Personen zu unterordnen. Alles musste schnell gehen, das Umziehen, das anschliessende Prozedere zur Gruppeneinteilung und so weiter, ja der ganze Tagesablauf war eigentlich recht hektisch. Auch der Umgangston war nicht gerade freundlich, was für viele der Anwesenden doch eine recht harte Konfrontation mit der Wirklichkeit war. Zum Glück war ich mich vom Küchenalltag an einen rauen Ton und Sprache gewöhnt, und so hat es mich nicht sonderlich beeindruckt, aber trotzdem fand ich es nicht in Ordnung, wie man mit uns jungen Männern umging. Man gab uns so etwas wie einen Vorgeschmack der Dinge, die dann auf uns zukommen würden.
 
Den ganzen Tag wurden wir auf "Touren" gehalten, um gute sportliche Noten zu erhalten. Die geprüften Disziplinen waren Schnelllauf 80 m, Weitsprung, Weitwurf, Klettern Stange 5 m, Kugelstossen, Hochsprung und 1 Km Lauf. Während des Tages konnte man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die leitenden Offiziere eine Quote erreichen mussten. So war auch der ärztliche Untersuch an der Aushebung nur eine Alibiübung, man wollte so viele junge Männer wie nur möglich diensttauglich schreiben, und so hatte man wenig Verständnis für jene die vorgaben Beschwerden zu haben. Alle wurden für "diensttauglich" befunden, mit dem Kommentar, dass sie dann die Gelegenheit bekommen würden vor einer ärztlichen Untersuchungskommision zu erscheinen, nicht gerade motivierende Perspektiven für die Betroffenen.


(1) Ehrenkarte Aushebung 1966
Ehrenkarte Aushebung 1966

Ich persönlich hatte keine Probleme an der Aushebung, da ich mit der klaren Idee kam, die Rekrutenschule zu absolvieren und die Pflicht am Vaterland zu erfüllen. Aus einem mir auch heute noch nicht klaren Grund war ich besessen von der Idee, Gebirgsfüsilier zu werden, dies trotz all denen die mir sagten, dass dies eine sehr harte Ausbildung sei, und dass man gut trainiert sein müsse um die RS zu bestehen. So kam es, dass ich am Ende des Tages, wie alle anderen auch, vor den Aushebungsoffizier treten musste, um zu definieren, in welcher Truppengattung ich meine RS absolvieren soll. Zu meiner Überraschung kam  diesbezüglich kein Befehl, sondern die Frage "Bei welcher Truppe möchten Sie Ihre RS absolvieren"? Meine Antwort kam sehr schnell, bei den Gebirgstruppen, mit einem Lächeln im Gesicht antwortete der Offizier, gute Wahl, junger Mann, Sie werden viel Spass haben an dieser Ausbildung. So ging für mich die Aushebung zu Ende, und ich fühlte mich gut, ja ich war sogar stolz auf die Tatsache, dass ich meiner Wunsch-Truppen-Gattung zugeteilt wurde. Ich sollte erst einige Monate später merken, dass es kein "Zuckerschlecken" ist ein Gebirgsfüsilier zu werden.

 
Mit welcher Einstellung bist du in die Rekrutenschule eingerückt?
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12.  Armee

Mit welcher Einstellung bist du in die Rekrutenschule eingerückt?
Obwohl ich verschiedene Geschichten über die Rekrutenschule und das Militär im Generellen gehört hatte, rückte ich ohne irgendwelche vorbehalte in die RS ein. Schon damals war ich der Meinung, dass man Dinge die man nicht kennt, zuerst auf sich zukommen lassen soll, und sich nicht schon vorher das Leben schwer machen indem man negativ eingestellt ist. Ich war schon damals und bin noch heute der festen Überzeugung, dass man mit einer positiven Haltung Neues anpacken soll, nur dann kann man auch schwierige Situationen meistern und überwinden.
Wie war der militärische Alltag?
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12.  Armee

Wie war der militärische Alltag?
Wie im Kapitel "Aushebung" erwähnt, habe ich nach dem Einrücken schnell gemerkt, dass die Rekrtutenschule bei den Gebirgstruppen keine Zuckerschlecken sein wird.
 
Der militärische Alltag in der Winter-Rekrutenschule vom 06.02.-03.06.1967 in Chur war hart und fordernd, in den ersten Tagen wurden wir jeden Tag daran erinnert, dass man uns "zuerst den Zivilisten austreibe" bevor wir gebirgstauglich gemacht würden. So kam es, dass wir jeden Tag um 05:30 Tagwache hatten, und um 05:50 mussten wir vor der Kaserne antreten. Es war dunkel und sehr kalt, da standen wir dann in Reih und Glied und warteten in der Kälte, bis der Hauptmann endlich zufrieden war mit der Truppe. Bevor wir fürs Frühstück abtreten durften wurde uns noch der Tagesplan vorgelesen, und meistens war das Gehörte nicht sehr motivierend, einige meiner Kollegen bekamen regelrechte Angstzustände und konnten vor Anspannung und einer Prise Furcht kaum frühstücken.
 
Nach dem eilig eingenommenen Frühstück ging es im Laufschritt zurück ins Zimmer, Zähneputzen, Tenue erstellen und alles Notwendige in den Rucksack packen, man durfte ja nichts vergessen, die Konsequenzen fürs Vergessen waren meist sehr schmerzhaft (extra Runde Kampfbahn oder ähnliches). Zu guter Letzt musste auch noch das "liebe" Gewehr kontrolliert werden, es gehörte zu uns wie unsere Kleider und musste immer mitgenommen werden. Sobald alles bereit war, ging es im Laufschritt runter auf den Kasernenplatz, um 7 Uhr musste die ganze Kompanie abmarschbereit auf dem Kasernenplatz bereitstehen. Nach kurzen Stichproben des "Gepäcks", es durfte ja nichts fehlen und alles musste in perfektem Zustand und gereinigt sein, gab es meistens noch einen "Tenuefez"! Mit dem Vorwand, der Tagesbefehl sei geändert worden, Tarnanzug anstatt Tenue Grün, gab man uns fünf Minuten Zeit fürs Umziehen. Das hiess dann, drei Stockwerke hoch, umziehen, Kleider sauber wegräumen, und wieder runter zur Abnahme durch den Hauptmann. Solche "Übungen" oder besser ausgedrückt Schikanen wurden zwei bis drei mal pro Woche angeordnet, solches hat nicht mitgeholfen, die Moral der Truppe hoch zu halten. Aber dies hat auch niemanden interessiert, wer einen Kommentar abgab oder offensichtlich zeigte, dass es keinen Spass machte, wurde sehr oft noch etwas mehr schikaniert.
 
Nachdem endlich alles bereit war für den Abmarsch und wir glaubten, es würde endlich losgehen, wurde noch eine kurze Session Zugschule angeordnet. Also musste alles "parkiert" werden, Rucksack und Gewehr genau nach Vorschrift rechts neben dem Mann. Selbstverständlich wurde dieser "Park" kontrolliert, wehe es war nicht alles schön in Reih und Glied, dann gab es noch zusätzlichen Ärger. Indem man die Session Zugschule verlängerte, verkürzte sich die Zeit für das geplante Tagesprogramm, dies bedeute, dass wir im Anschluss an die Zugschule, um die verlorene Zeit aufzuholen, mit Sack und Pack im Laufschritt auf das Übungsgelände Rossboden dislozierten. 
 
Der Tagesablauf bestand dann meistens aus Übungen (Gewehr-Manipulationen, Schiessen, Umgang mit Handgranaten, Tarnübungen und vieles mehr) Warten, Übungen und vielen Leerläufen, eigentlich machten wir nicht oft sinnvolles sondern vergeudeten einfach die Zeit. Ich hatte oft den Eindruck, dass die Vorgesetzten (Korporal, Leutnant etc.) einfach ihre "Macht" nutzten, heute würde man dies "Machtmissbrauch" nennen. Obwohl wir meistens nicht zufrieden waren und uns immer wieder fragten, warum es keine Verbesserungen gab, hatten wir nicht den Mut uns zu wehren. Die wenigen die es wagten, offen zu rebellieren wurden hart bestraft und hatten nicht viel zu lachen für den Rest der Zeit.
 
Da wir meistens den ganzen Tag unterwegs waren, wurde das Mittagessen aufs Feld geliefert. Auch dies war sehr oft eine ungemütliche Situation, vorallem dann, wenn das Wetter uns nicht gut gesinnt war. Sehr oft war es bitter kalt und windig, manchmal schneite es auch, und somit wurde das Essen schneller kalt als wir essen konnten. Das Essen wurde in Kochkisten angeliefert, diese waren wohl isoliert, aber sobald man den Deckel öffnete, verlor das Essen an Wärme. Dazu kam, dass unsere Gamellen eiskalt waren, diese Kombination führte dazu, dass wir meistens eine kalte warme Mahlzeit einnahmen, nicht gerade ideal, wenn man sowieso schon kalt hat. Aber was solls wir haben uns daran gewöhnt und geschaut, dass wir immer genügend Militärschokolade hatten, um uns mit Energie zu versorgen, es gibt für alles Lösungen - man muss sie nur sehen.
 
Am Ende des Tages musste ja wieder eingerückt werden, auch hier ging es meistens im Laufschritt zurück, nicht weil wir im Verzug waren, nein einfach weil es unseren Vorgesetzten Spass machte, uns Rekruten noch etwas "auszupressen"! Zurück in der Kaserne musste dann alles Material gereinigt werden, von der persönlichen Waffe, zu den Schuhen, der Uniform und dem Korpsmaterial, wie üblich musste immer alles schnell gehen und dementsprechend wurden wir von den Korporalen gehetzt und sehr oft auch schikaniert. Zum Glück stumpft man mit der Zeit ab und schaut einfach, dass man über die Runden kommt und sich nicht zu viel Ärger einhandelt. Im Prinzip ist das Ganze einfach nur eine Episode im Leben, mit guten und wertvollen Momenten, aber auch mit unsinnigen und dummen Momenten, auf die man ganz gut hätte verzichten können.
 
Es gäbe hier noch viel zu erzählen, aber es würde den Rahmen dieses Buches sprengen wenn ich hier auf zu viele Detail Erlebnisse eingehen würde.
Wie waren deine militärischen Vorgesetzten? Was hast du von ihnen gelernt, positiv wie negativ?
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12.  Armee

Wie waren deine militärischen Vorgesetzten? Was hast du von ihnen gelernt, positiv wie negativ?
Wie in einem vorhergehenden Kapitel erwähnt, haben mich die Vorgesetzten, mit einigen Ausnahmen, nicht  beeindruckt. Die ganze Schreierei und Einschüchterungen, das Schikanieren und Bestrafen beeindruckten mich überhaupt nicht, im Gegenteil ich verlor den Respekt. Schaute aber zugleich, dass ich gut über die Zeit kam, ich wollte mir keinen Ärger einhandeln.
 
Unser Hauptmann war wahrscheinlich der unfähigste von allen Vorgesetzten, klein und feist, voller Komplexe und inkompetent. Er machte widersinnige Entscheide, Anordnung eines viertägigen Schnee-Biwaks auf dem Churerjoch, trotz starkem Schneefall und Temperaturen um die -15 Grad. Konsequenz: praktisch die ganze Kompanie kam mit Erfrierungen an Händen und Füssen zuürck, etwa zwei Dutzend Rekruten mussten auf Grund der Erfrierungen die RS abbrechen, einer beging Selbstmord, da er seine berufliche Zukunft in Frage gestellt sah, seine erfrorenen Finger konnten nicht einmal mehr ein leeres Plastikglas halten! Ich hatte Glück im Unglück, ich hatte "nur" Erfrierungen an meinen beiden grossen Zehen und "durfte" die RS zu Ende machen.
 
Ich habe aus dem Militär absolut nichts Verwendbares für meine berufliche Zukunft mitgenommen, wir wurden behandelt, als hätten wir kein eigenes Hirn.
Wie gestaltete sich deine Entlassung aus der Armee? Welche Gefühle hattest du?
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12.  Armee

Wie gestaltete sich deine Entlassung aus der Armee? Welche Gefühle hattest du?
Meine Entlassung aus dem Militär war sehr unzeremoniell, da ich mich mit 21 Jahren ins Ausland abmeldete. Ich ging ins Zeughaus und gab mein ganzes Militär-Material zurück, und damit war meine Militärzeit vorbei. Ich war eigentlich recht froh, der Gedanke, dass ich im späteren Leben noch einmal in diesem System meine Zeit verschwenden sollte, war mir unerträglich.
Denkst du noch gelegentlich an deine Armeezeit zurück? Mit welchen Gefühlen?
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12.  Armee

Denkst du noch gelegentlich an deine Armeezeit zurück? Mit welchen Gefühlen?
Heute erinnere ich mich ab und zu an meine Armeezeit, das Interessante dabei ist, dass ich mich meistens nur an schöne und gute Momente erinnere. Auch diese gab es in der Rekrutenschule, neben den bereits erwähnten Leerläufen und Schikanen durfte ich als Gebirgsfüsilier ein paar unvergessliche Erlebnisse machen. 
Ich denke da an die, wenn auch anforderungsreichen Gebirgsmärsche, in Gegenden und auf Berge, die ich als private Person nie in Angriff genommen hätte, weil mir die Ausrüstung und Kenntnisse für solche Touren schlichtweg fehlten. Heute erfüllt es mich mit Freude, das ich solcherlei erleben durfte, und dass ich dank der Armee die Gelegenheit hatte eine mir unbekannte Welt kennenzulernen. 
Wie war in jungen Jahren ganz generell deine Einstellung zur Arbeit?
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13.  Arbeiten

Wie war in jungen Jahren ganz generell deine Einstellung zur Arbeit?
Ich hatte von jung an eine sehr positive Einstellung zur Arbeit, denn ich sah Arbeit nicht als etwas Negatives sonder als etwas, das mir helfen soll meine Träume zu erfüllen. So ist es dann auch gekommen, mein Beruf und in Konsequenz meine Arbeit haben mir die Türen zur grossen weiten Welt aufgestossen. Mein Beruf und die dazu gehörende Arbeit haben mir immer viel Spass und Freude gemacht, ich möchte keinen Moment meiner fünfzigjährigen Berufskarriere missen.
 
 
Erinnerst du dich an deinen ersten "richtigen" Lohn?
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13.  Arbeiten

Erinnerst du dich an deinen ersten "richtigen" Lohn?
Meinen ersten richtigen Lohn erhielt ich Ende November 1966 in der Hostellerie Rigi Kaltbad, meiner ersten Stelle nach der Berufslehre. Ich war enorm stolz, als ich meine 250 Franken Lohn in der Hand hielt, auch wenn es wenig Geld war, so war es doch ein grosser Schritt vorwärts nach dem Lehrlingslohn von nur gerade 20 Franken im Monat. 
 
Da ich klar Ziele für mein Leben hatte, legte ich soviel wie möglich von meinem Lohn aufs Sparbuch. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine grossen Wünsche, zum anderen waren die Möglichkeiten zum Geld ausgeben auf der Rigi nicht gerade gross.
Hast du in deinem Leben verschiedene Berufe ausgeübt?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Hast du in deinem Leben verschiedene Berufe ausgeübt?
Ich habe während meines Berufslebens verschiedene Tätigkeiten augeübt, aber alle waren immer in der einen oder anderen Art mit meinem ursprünglichen Beruf verbunden. Die verschiedenen Tätigkeiten ergaben sich immer von selber und waren Konsequenz meiner konstanten Weiterbildung und hartem Arbeitseinsatz.
Was hat dir an deiner Arbeit wirklich Freude gemacht?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Was hat dir an deiner Arbeit wirklich Freude gemacht?
Die Freude an der Arbeit ist nicht einfach zu erklären, zu Anfang war da das Entdecken einer neuen und hoch interessanten Welt, die Welt der Erwachsenen und erfahrenen Berufsleute mit ihren Erlebnissen in der Hotel-und Gastro-Industrie. Ich war fasziniert, wenn sie am gemeinsamen Esstisch von ihrer Zeit auf einem grossen Luxusliner der Holland America Line erzählten, oder Anekdoten zum Besten gaben von den damals berühmten Küchenchefs in den Schweizer Luxushotels.
 All diese Geschichten motivierten mich jeden Tag aufs Neue, und ich empfand mit jedem Tag eine grössere Befriedigung in meiner Arbeit, beseelt von dem Wunsch, eines Tages auch an solchen Orten arbeiten zu können. Daher empfand ich schon in jungen Jahren Arbeit nie als Last, es hat mir immer Freude gemacht, und dies trotz den Widrigkeiten, die zu jener Zeit in der Hotel-und Gastro-Branche übliche waren. 
 Mit meinem Fleiss und der ständigen Weiterbildung kam ich beruflich auch sehr schnell vorwärts und erreichte schon früh eines meiner beruflichen Fernziele - Executive Chef in einem internationalen Luxushotel in London. Mit jeder neuen Tätigkeit öffneten sich neue "Fenster" zur Welt und mein Beruf übte eine immer grössere Faszination auf mich aus. Die Mischung aus Kunst (Culinary arts), Organisation, Logistik, Menschenführung und betriebswirtschaftlicher Verantwortung motivierte mich immer wieder von neuem, und ich ging täglich mit grosser Freude zur Arbeit. Obwohl 15 Stunden-Tage normal waren, die
Fünftagewoche ein Fremdwort und es auch nicht jedes Jahr Ferien gab, so war ich doch glücklich und zufrieden. Diese Zufriedenheit hat sich wie ein roter Faden durch mein ganzes Leben gezogen, die Arbeit hat mich immer erfüllt, und ich empfand das Arbeiten nie als Last.
 Wenn ich heute als pensionierter Berufsmann zurückschaue, dann sage ich immer wieder, ich hatte grosses Glück, dass ich in der Schweiz geboren wurde, hier zur Schule gehen und meine Berufslehre absolvieren durfte. Denn diese Grundlage hat es mir erlaubt, so eine interessante und facettenreiche Karriere auf vier Kontinenten zu machen, und ich bin erfüllt von tiefer Dankbarkeit für diese doch nicht selbstverständlichen Möglichkeiten, die mir die Schweiz und ihr Schulsystem geboten haben.
Wenn man sich vor Augen führt, wie viele talentierte junge Leute auf dieser Welt leben, ohne je eine Chance zu bekommen etwas aus ihrem Leben zu machen, dann wird einem klar was es bedeuted im "richtigen" Land geboren zu sein!
Gibt es etwas, das du viel lieber gemacht hättest? Weshalb hast du es nicht gemacht oder machst es nicht jetzt noch?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Gibt es etwas, das du viel lieber gemacht hättest? Weshalb hast du es nicht gemacht oder machst es nicht jetzt noch?
Sicherlich hätte ich viel lieber ein Studium in Angriff genommen, aber in den frühen sechziger Jahren war es undenkbar, dass der Sohn eines "Büezers" zu einem Studium zugelassen wurde. Dazu kam dass meine Eltern es sich gar nicht leisten konnten, mich weiter in die Schule zu schicken.
Ich habe das Studium später dann einfach auf meine Weise in meine berufliche Weiterbildung investiert, und so wie es gekommen ist, bin ich mehr als zufrieden mit dem was mir das Leben als Berufsmann geboten hat.
Welche Überlegungen oder Umstände haben zur Wahl deines Hauptberufs geführt?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Welche Überlegungen oder Umstände haben zur Wahl deines Hauptberufs geführt?
Da ein Studium keine Option war, musste ich zum Berufsberater, um abzuklären, welche Berufe für mich in Frage kommen. Mein Alternativ Vorschlag zum Studium "Koch" stiess nicht auf Begeisterung bei meinen Eltern und meinem Klassenlehrer. Die ganzen Tests, die man durchlaufen musste  waren leicht durchschaubar, und so war es keine Überraschung, dass am Schluss die folgenden Berufe zur Auswahl standen - Müller - Bierbrauer - Koch oder eventuell Polizist. Das Resultat bestätigte meine Strategie, alle lebensmittel bezogenen Fragen mit "JA" zu beantworten, die Tests waren so offensichtlich aufgebaut, dass das Ganze eigentlich keinen Sinn machte.
Weshalb war dein Entscheid eine gute Wahl? Oder war es ein Fehlentscheid?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Weshalb war dein Entscheid eine gute Wahl? Oder war es ein Fehlentscheid?
Unter den gegebenen Umständen war meine Wahl eine gute Wahl, und ich habe mich in dem rauhen und nicht immer freundlichen Umfeld gut zurecht gefunden. Natürlich hätten es meine Eltern gerne gesehen, wenn ich einen etwas "sozialeren" Beruf gewählt hätte. Aber ich denke, sie waren letztendlich stolz auf mich und meine Berufswahl, vor allem im Lichte meiner beruflichen Erfolge und der Freude, mit welcher ich meiner Arbeit nachging.
Wie war dein Start ins Berufsleben?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Wie war dein Start ins Berufsleben?
Der Start ins Berufsleben war schon etwas holprig, mein erster Lehrbetrieb, das Restaurant Huguenin an der Bahnhofstrasse, ging schon nach sechs Monaten in Konkurs, und so musste ich mich, kaum eingelebt, um eine neue Lehrstelle kümmern, welche ich dann nur ein paar hundert Meter näher zum See im Restaurant Zeughauskeller am Paradeplatz fand. Dort herschte ein strenges Regime, und als Lehrling musste ich sehr viel "hartes Brot" essen, aber es war eine gute Lebensschule für später.
Wie war die Arbeitswelt damals?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Wie war die Arbeitswelt damals?
In den sechziger Jahren lag in der Hotel-und Gastro-Industrie noch vieles im Argen. Es gab keine Arbeitszeitkontrollen, und wenn es sie gab, wurden sie vom Patron manipuliert und wir mussten unterschreiben damit alles seine "Ordnung" hatte. Hier ein schönes Beispiel: bedingt durch den Personalmangel musste ich in der Lehre wochenlang ohne freie Tage durcharbeiten, musste aber unterschreiben, als ob ich die freien Tage bezogen hätte. Der Patron versprach mir, am Ende der Lehrzeit alles korrekt abzurechnen, nur leider war dies ein leeres Versprechen. Denn als es am Ende meiner Lehrzeit ans Abrechnen ging, tönte es plötzlich ganz anders, und er wollte/konnte sich nicht an sein Versprechen erinnern. Laut seinen Aussagen war alles immer ordnungsgemäss abgerechnet worden, und ich hätte ja alle freien Tage bezogen, und zeigte mir das Kontrollbuch! Ohne weiteren Kommentar.
 
Zu jener Zeit war es normal, dass man im Gastgewerbe täglich zehn und mehr Stunden arbeiten musste, Überstunden wurden nicht anerkannt und wenn man sich wehren wollte fand man sich sehr schnell ohne Stelle auf der Strasse wieder. Es war selbstverständlich, dass man sich diesem Regime unterordnete, wenn man beruflich weiter kommen wollte, denn die guten Arbeitsstellen wurden unter der Hand vergeben. Dazu kam, dass die Löhne sehr tief waren, vorallem in den Schweizer Luxushotels wurden die Angestellten mit sehr kleinen Löhnen abgespeist, man sagte uns immer wieder, dass wir froh sein sollten, in solchen Häusern arbeiten zu dürfen. Ein viel gehörtes Argument in diesen Häusern war das zu erhaltende Zeugnis, denn dieses würde uns später Tür und Tor zu gut bezahlten Chefposten öffnen! 
 
Dazu kam, dass in diesen Häusern sehr oft grosse Chefs am Werk waren, welche beruflich sicher sehr gut waren, aber menschlich waren sie leider am unteren Ende der Wertskala angesiedelt. Menschenführung war damals noch kein Thema, da wurde geschrien, geschlagen, geflucht und getobt, man wusste nie, was auf einen zukommt, falls der Chef wieder einmal mit dem falschen Fuss aufgestanden war. Auch hier gab es nur eine Devise wenn man die Saison "überleben" wollte, man musste sich dem Regime beugen und hoffen, dass es einmal besser Zeiten geben wird. Man könnte hier noch vieles zu Papier bringen, aber dies ändert nichts an der Vergangenheit, es war ein Teil der Lebensschule. Eines war mir damals schon klar, die Angestellten wurden ausgenützt, damit die damaligen Patrons gut leben konnten, es war so etwas wie eine Feudalgesellschaft die hier am Werk war. 
Hattest du das Gefühl, dass deine Arbeit geschätzt wurde und du gefördert wurdest?
Seite 172
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Hattest du das Gefühl, dass deine Arbeit geschätzt wurde und du gefördert wurdest?
 
 
 
Was trauten dir deine damaligen Freunde/Arbeitskollegen, deine Familie zu? Was du dir selbst?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Was trauten dir deine damaligen Freunde/Arbeitskollegen, deine Familie zu? Was du dir selbst?
Ich denke, dass die damaligen Umstände uns praktisch zwangen, uns viel zuzutrauen, denn um vorwärts zu kommen, musste man sein Leben selber in die Hand nehmen und auf gut Glück ins kalte Wasser springen. Meine Eltern sagten mir immer wieder, dass ich nur mit einer guten Portion Selbstvertrauen gut durchs Leben kommen würde, vorallem in dem von mir gewählten Gewerbe bräuchte es breite Schultern und viel Selbstvertrauen. Meine Arbeitskollegen ermutigten mich immer wieder, die Führung bei Projekten oder in schwierigen Situationen zu übernehmen da sie mich immer als besonders befähigt befanden, eine Gruppe zu führen oder mich für etwas einzusetzen.
Verantwortung übernehmen und mir etwas zuzutrauen zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben, wie oft habe ich meine Zelte abgebrochen und habe an einem anderen Ort, auf einem anderen Kontinent und in einer anderen Kultur wieder neu angefangen. All dies hat auch immer viel Kraft und Gottvertrauen gebraucht, denn damals gab es noch kein Internet und Information über ferne Länder war noch nicht so einfach erhältlich.
Wie lange dauerte es, bis du beruflich richtig Fuss fassen konntest?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Wie lange dauerte es, bis du beruflich richtig Fuss fassen konntest?
Nach der Lehre erstellte ich meinen ersten Fünfjahresplan mit meinen beruflichen und persönlichen Zielen für diese Periode. Diese Liste war für mich wie eine Treppe, jede Stufe war ein Etappenziel, und so gelang es mir schnell, im Beruf Fuss zu fassen und mir einen guten Namen zu machen. In dem erwähnten Plan gab es auch Platz für meine Weiterbildung, sei es eine neue Sprache, sei es ein Kurs an der Hotelfachschule, um mein berufliches Wissen zu erweitern etc. Mit dem Besuch von Weiterbildung und Sprachkursen konnte ich  mir auch ein Netzwerk aufbauen, das mir im späteren Leben noch oft nützlich war. 
Ging dir deine berufliche Entwicklung zu schnell oder zu langsam?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Ging dir deine berufliche Entwicklung zu schnell oder zu langsam?
Auf Grund meines Fünf jahresplan erfolgte meine berufliche Entwicklung in einem gesunden Tempo, und ich freute mich jedes mal, wenn ich wieder ein Etappenziel erreicht hatte und eine Stufe hoch klettern konnte. Dies bestätige, mir auch den Nutzen einer klaren Zielsetzung, und so machte ich mich daran, einen Plan für die nächsten fünf Jahre aufzusetzen.
In welcher Form und in welchen Altersabschnitten musstest oder durftest du berufliche Verantwortung übernehmen?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

In welcher Form und in welchen Altersabschnitten musstest oder durftest du berufliche Verantwortung übernehmen?
Ich glaube, dass die verschiedenen Etappenziele zeitgerecht erreicht wurden, und so konnte ich so alle zwei Jahre eine Hierarchie-Stufe höher klettern.
 
Mit 21 Jahren war ich Chef de partie (Verantwortung für einen Sektor der Küche) mit 23 Jahren wurde ich Sous-Chef (Stellvertreter des Küchenchefs in einem Luxus Hotel in London) und mit 25 Jahren wurde ich Küchenchef in einem Betrieb mit 30 Köchen im Swissair Restaurant in Buenos Aires, Argentinien. Dann, mit 27 Jahren wurde ich Executive Chef in einem Luxushotel in London mit 78 Köchen, und mit 30 Jahren absolvierte ich die Meisterprüfung (Eidg. Dipl. Küchenchef) in der Schweiz und war Küchenchef in einem Luxushotel in Luzern mit 54 Köchen. Als ich 32 Jahre alt war, wurde ich Executive Chef bei Hyatt International und durfte in verschiedenen Ländern Hoteleröffnungen unterstützen. Mit 38 Jahren wurde ich Produktionsleiter im Swissair Catering in Buenos Aires, Argentinien, eine ganz neue Dimension meines Arbeits-und Verantwortungsbereiches. Ein stetig wachsender Betrieb mit anfänglich 125 Angestellten und ca. 6'000 Mahlzeiten pro Tag für unsere internationalen Airline Kunden, wenige Jahre später waren es 600 Angestellte und 26'000 Mahlzeiten pro Tag, plus ein sehr gut laufender Partyservice "The BUE Party Service" mit Anlässen mit bis zu 6'000 Gästen.
 
Bedingt durch das schnelle Wachstum unseres Betriebes kamen wir an den Rand des Machbaren, da es keine ausgebildeten Köche gab in Argentinien. So erhielt ich von meinem Vorgesetzten, Josef Stirnimann, den Auftrag, eine Kochschule aufzubauen mit dem Ziel Köche für unseren Betrieb auszubilden. Der Aufbau dieser Schule sollte dann zu meiner schönsten "Nebenbeschäftigung" werden, denn ich musste ja auch meinen normalen täglichen Aufgaben nachkommen, und dies waren nicht wenige, wenn man bedenkt, dass wir nun bereits über zwanzig internationale Airlines betreuten. Nun zahlte es sich aus, dass ich gelernt hatte lange Tage zu arbeiten und eisern ein Ziel zu verfolgen. Im Jahre 1990 konnten wir unser neu gebautes Schulgebäude eröffnen und den ersten Lehrgang mit 12 jungen lernbegierigen Damen und Herren (alles Mitarbeiter unserer Firma) starten. Leider konnten wir zu Anbeginn keinen der lokalen Hotel - Restaurantbetreiber für unsere Pläne begeistern, dies sollte sich aber schnell ändern. Was uns in die Hände spielte, war die Tatsache, dass die meisten Studenten/Lehrlinge eine zweite Stelle hatten, das heisst sie arbeiteten, um ihr Einkommen aufzubessern, eine Schicht in unserem Betrieb und eine andere Schicht in einem Restaurant oder Hotel in der Stadt. In ihrer Begeisterung für die Möglichkeit, einen Beruf richtig zu erlernen, erzählten sie an ihrem zweiten Arbeitsplatz von unserer Schule und was da so gelehrt wurde, dadurch wurde das Interesse geweckt, und plötzlich hatten wir Anfragen von den verschiedensten Betrieben, ob wir eventuell einige ihrer Mitarbeiter aufnehmen könnten. Dies freute uns enorm, und es zeigte uns auch, dass wir mit unserer Initiative auf dem rechten Weg waren.
 
Hier ist noch wichtig anzufügen, dass ich in den wenigen Jahren in der Schweiz im Nebenamt Fachlehrer an den überregionalen Fachkursen für Köche in Adelboden war. Die durch diese Tätigkeit  entstandenen Kontakte in der Fachkommission für das Gastgewerbe sollten sich nun auszahlen. Auf meine Anfrage für Lehrmaterial für unser kleines Schulprojekt wurden uns die ganzen Unterlagen für die Ausbildung von Köchen zur Verfügung gestellt, dabei handelte es sich um die "alten" Unterlagen, welche in der Schweiz nicht mehr für den Unterricht verwendet wurden. Der Erhalt dieser Unterlagen war für uns ein absoluter Glücksfalls, denn damit hatten wir einen der wichtigsten Bausteine für den Aufbau einer Kochlehre nach Schweizer Vorbild in den Händen. Natürlich mussten die Unterlagen übersetzt werden und an lokale gesetzliche Verhältnisse angepasst werden, aber der Grundstein für eine nachhaltige und gute Ausbildung war nun gelegt.

In all den Jahren in Buenos Aires übte ich verschiedene Funktionen neben meiner Haupttätigkeit als Produktionsleiter aus. Zum einen war da der Aufbau und die Leitung der bereits erwähnte Schule - The BUE Trainers - und der Aufbau und die Leitung des - The BUE Party Service - des grössten und exklusivsten Catering Unternehmens in Argentinien. Obwohl all dies mit viel Arbeit verbunden war, hat es mir immer enorm viel Freude gemacht, mit unseren Teams tolle Anlässe abzuliefern. Ich denke, all dies hat mitgeholfen, dass ich dann mit 53 Jahren noch die Gelegenheit erhielt, als Managing Director eine neue Firma in China aufzubauen. Verantwortung übernehmen war für mich immer etwas Schönes, es forderte einem, und man war wieder einmal auf einem neuen Weg in die Zukunft, dies war für mich immer sehr motivierend und inspirierend zugleich.


(1) Eingang zum BUE Trainers
Eingang zum BUE Trainers

 

Musstest du je Entscheide von grosser Tragweite fällen? Worum ging es?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Musstest du je Entscheide von grosser Tragweite fällen? Worum ging es?
Dass sich unsere Kochschule so gut entwickeln würde, hatten wir nie erwartet, daher waren wir auch nicht vorbereitet auf die grosse Nachfrage für freie Plätze in der Schule schon nach einem Jahr.
 
Schon bald wurde klar, dass es mir zeitlich nicht möglich sein würde, mehr als eine Klasse zu betreuen und zugleich eine gute Ausbildung zu garantieren. Im Gespräch mit meinem Vorgesetzten wurde schnell klar, dass alle Entscheidungen für die Schule von mir getroffen werden mussten, aus diesem Grunde bat ich um die Erlaubnis, eine junge Fachkraft in der Schweiz zu rekrutieren, um mir in der Führung und weiteren Aufbau der Schule zur Seite zu stehen. In diesem Gespräch erwähnte ich auch, dass, falls die Nachfrage in diesem Tempo fortschreite, wir schon bald einen weiteren Ausbau der Schule ins Auge fassen sollten. Auch in diesem Punkt erhielt ich grünes Licht: "tun sie was sie für nötig finden"! Ich erhielt eine "Carte Blanche" und konnte fortan die Schule wie mein eigenes Unternehmen führen und leiten, ich musste aber auch die volle Verantwortung für den ganzen Betrieb übernehmen, alle Entscheidungen selber trefffen, es durfte einfach kein negatives Finanzresultat geben.
 
Es würde den Rahmen dieser Biografie sprengen, wenn ich nun hier ins Detail ginge, so viel sei aber verraten, die Anzahl der Schüler nahm rasant zu, wir mussten schon bald zwei neue Schulgebäude bauen um der Nachfrage nach Kursen und Schulräumen gerecht zu werden. Dank einem guten Netzwerk von Lieferanten gelang es uns, viele von ihnen als Sponsoren für die Schule zu gewinnen. Die einen unterstützten uns mit Geld, andere mit Produkten (Fleisch, Fisch, Früchte, Gemüse etc.). Wieder andere gaben uns Bücher um unsere Bibliothek zu bestücken. Eine grosse Rolle spielten hier auch viele Schweizer Firmen, z.B Nestle stellte uns Produkte und Lehrmittel zu verfügung, Franke lieferte Kücheneinrichtungen, Rational moderne Backöfen und Swissair sponserte Flugbillete für unsere Gastlehrer aus der Schweiz (N. Zjörjen, A. Jäger, G. Knecht, L. Rosenblatt, H. Rossier, A. Bachmann, A. Stalder, Peter Wyss vom Gstaad Palace Hotel, Fassbind Sugar Art, Culinary Institue of America etc.) Die Hotelfachschule Glion ermöglichte einen kostenlosen Austausch der Lehrkräfte und stellte Praktikantenplätze für unsere Studenten zur Verfügung. Der BUE Trainer wurde eine Referenz für die Berufsbildung in Argentinien und 1993 wurde unsere Berufslehre von der argentinischen Regierung offiziell anerkannt, somit waren wir das erste offiziell anerkannte Berufsbildungs-Zentrum in der ganzen südlichen Hemisphere.
 Dieser Erfolg erfüllte mich mit Stolz und Freude, der Einsatz und die vielen Stunden Arbeit hatten sich gelohnt. Aber um all dies zu erreichen, brauchte es ja auch fähige Mitarbeiter, und ich durfte in all den Jahren als Leiter dieser Schule mit tollen Berufsleuten aus der Schweiz und Argentinien zusammen arbeiten, und ich bin allen ewig dankbar für die Hilfe und volle Unterstützung während all den Jahren des Auf-und Ausbaus der Schule.
Natürlich gab es auch Momente mit Entscheiden, die wenig bis keine Gegenliebe fanden, aber solches gehört auch zu den Aufgaben einer Führungskraft. Als die Airlines Mitte der neunziger Jahren anfingen, den Druck auf die Kosten unserer Dienstleistungen zu erhöhen, mussten wir uns mit einer kompletten Reorganisation unserer Firma befassen. Dies führte dazu, dass wir ganz neue Arbeitsprozesse entwickeln mussten, um den steigenden Kostendruck aufzufangen. So kam es, dass ich innerhalb kürzester Zeit 65 Mitarbeiter, vor allem der mittleren Führungsebene, entlassen musste. Dies war eine sehr intensive Zeit, denn ich suchte mit jedem einzelnen Mitarbeiter das Gespräch, um die Entscheidung zu erklären, ich wollte die Kündigung nicht mit einem unpersönlichen Brief abwickeln. Diese Gespräche waren nicht einfach, manchmal war es sehr schwierig und hart, denn hinter jedem Angestellten stand eine Familie, sehr oft sogar mehrere Generationen waren abhängig vom Einkommen dieser nun zu entlassenden Person. In meiner Erinnerung war dies die Entscheidung mit der grössten Tragweite, denn sie beeinflusste und veränderte das Leben vieler Personen, ich rang oft mit meinem Gewissen, obwohl ich wusste, dass es unternehmerisch die richtige Entscheidung war.
Gibt es Menschen, denen du Unrecht getan hast?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Gibt es Menschen, denen du Unrecht getan hast?
Wissentlich habe ich kein Unrecht getan, aber wenn man in einem internationalen Grossbetrieb tätig ist, können Entscheide welche auf Grund einer Umstrukturierung gefällt werden mussten, als Unrecht wahrgenommen werden. 
Ich habe in meinem Berufsleben immer versucht, ein fairer und korrekter Vorgesetzter zu sein, vorallem habe ich auch immer versucht, bei Entscheidungen die Verhälnisse und spezifischen kulturellen Eigenheiten des Landes und der Personen zu berücksichtigen um Unrecht zu vermeiden.
Gab es auch lustige Episoden in deinem Arbeitsleben?
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13.1.  Arbeiten – Beruf oder Berufung?.

Gab es auch lustige Episoden in deinem Arbeitsleben?
In meinem wie vielen anderen Arbeitsleben gab es immer wieder lustige und unterhaltsame Momente, manchmal durfte oder konnte man sich auf Kosten anderer amüsieren.
 
Das erste lustige Erlebnis betraf mich selber, als ich meine Kochlehre im Restaurant Huguenin an der Bahnhofstrasse begann. Eines schönen Morgens rief mich der Chef zu sich ins Büro und sagte, ich soll doch schnell in die Küche des Carlton Elite Hotels gehen und fragen, ob sie uns den "Kümmelspalter" leihen könnten. Der Chef bat mich, den Auftrag zu wiederholen und dann hiess es, so nun geh und komm bald wieder! Als frisch gebackener Lehrling strotzte man noch nicht vor Selbstvertrauen, und so beeilte ich mich, um den Auftrag auszuführen, ich wollte ja nicht den Zorn des Chefs auf mich ziehen. Als ich endlich die Küche des Carlton Elite Hotels gefunden hatte, fragte ich nach dem Chef, doch man beschied mir, dass der Chef nicht mit  "Grünschnäbeln" wie ich reden würde. Ich soll einfach einmal mein Anliegen vortragen, und sie würden dann sehen, wie sie mir helfen können. So getan brachen alle Anwesenden in schallendes Gelächter aus. Dies verunsicherte mich und ich fragte, ob ich was Falsches gesagt hätte. Aber man beschied mir, dass alles in Ordnung sei, dass sie nun meinen Auftrag bereit machen würden. Nach ein paar Minuten erschien ein Koch und händigte mir einen enorm schweren Jutesack aus und sagte mir, mach den Sack ja nicht auf, sonst rennt es davon ! Gesagt, getan, ich schulterte den Sack und machte mich auf den Rückweg, um den Auftrag erfolgreich abzuschliessen. Als ich mit dem Sack in der Küche auftauchte, gab es bei den anwesenden Köchen kein Halten mehr, sie lachten sich krumm und gröhlten was die Kehle hergab. Ich war natürlich irritiert und fragte den Chef, was ich denn verkehrt gemacht hätte. Schweigend nahm er mir den Jutesack ab und sagte, schau mal - im Sack befand sich ein rostiger Amboss - offensichtlich etwas zu gross um Kümmel zu spalten,  erst jetzt wurde mir klar, dass man Kümmel ja gar nicht spalten kann. Es war peinlich und hat mich geärgert, dass ich auf so etwas reingefallen war, aber dieses Erlebnis war auch eine Lehrstunde für mich, denn durch diesen Vorfall lernte ich immer zu fragen was genau gebraucht wurde und wofür es gut sei. Schon Herr Kleisli, Lehrer in der Realschule gab mir einen wichtigen Rat auf den Weg - wer viel fragt weiss viel - dieser Rat hat sich oftmals in meinem Leben bestätigt.
 
Einige Jahre später im Restaurant Maxim's in Paris gab es des Öfteren lustige Erlebnisse und dies war gut so, denn unser Arbeitsalltag war hart und die Tage waren extrem lang. Also wir hatten eine Toilette mitten in der Küche, kein Sitz-WC sondern die in Frankreich üblichen Latrinen. Die Türe reichte nicht bis auf den Boden und hatte eine ca. 30 cm hohe Öffnung zwischen Boden und Türunterkanten. Einer der Köche in der Brigade war immer zu Spässen aufgelegt, und er machte sich einen Spass daraus seine Kollegen zu ärgern. So kam es, dass er eines morgens, als der Chef Patissier auf die Toilette ging, eine fast leere Flasche Brennsprit nahm (wir benötigten Brennsprit um unseren Kohlenherd in Gang zu bringen) und sie durch den Deckel mit einer Lunte versah. Dann schaute er nach, ob der Mann in der Toilette seine Hosen unten hatte, dann entzündete er die Lunte und rollte diese Flasche unter der Türöffnung durch. Man kann sich vorstellen was für ein Schreck der Chef Patissier beim Verrichten seines "Geschäftes" erlebte! Es war ein riesen Gaudi zu sehen, wie dieser aus der Toilette stürmte, seine Hosen noch halb unten und voller Entrüstung über diesen Scherz. Aber es gab keinen Streit und auch kein böses Blut, er machte gute Miene zum bösen Spiel und lachte mit uns über das Vorgefallene.
Wie und wann hast du dich das erste Mal beruflich verändert?
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13.2.  Arbeiten – Berufs- und Stellenwechsel.

Wie und wann hast du dich das erste Mal beruflich verändert?
Mein erster Stellenwechsel erfolgte direkt nach Abschluss der Kochlehre im Jahre 1966 als ich 18 Jahre alt war. Mit diesem Stellenwechsel begannen meine Wanderjahre durch die Küchen der besten Luxus-Hotels der Schweiz. Um als Koch vorwärts zu kommen musste man sich "durchdienen" und in den damals besten Häusern bei den besten Küchenchefs gearbeitet haben. Die Küchenchefs dieser Hotels waren damals kleine "Könige" und hatten enorm viel Macht, und sie waren, wie man es heute nennen würde, gut vernetzt. Wenn man es schaffte, zu den vom Chef geschätzten Mitarbeitern zu zählen, dann musste man sich nie mehr für eine Stelle bewerben, er wusste wo/ bei wem wieder eine Stelle frei war/wurde, und so wurde man herumgereicht und konnte Referenzen / Zeugnise sammeln.
 
Also meine erste Stelle nach der Lehre führte mich auf die Rigi, die Königin der Berge, dort wurde gerade das neue Hotel Hostellerie Rigi Kaltbad, welches das abgebrannte Grand Hotel ersetzte, eröffnet. Dies war ein gutes Einstieg in meine Wanderjahre, war doch alles neu und modern, und es machte Freude dort zu arbeiten. Eine Küche mit Tageslicht und Aussicht auf die Zentralschweizer Bergwelt und moderne, saubere Personalzimmer, ich sollte später merken, das die Hotelwelt auch anders sein und aussehen kann.
 
 
Was waren die Folgen dieser Veränderung oder späterer Veränderungen?
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13.2.  Arbeiten – Berufs- und Stellenwechsel.

Was waren die Folgen dieser Veränderung oder späterer Veränderungen?
Die folgen dieser Veränderungen war, dass ich in den Kreislauf der empfehlenswerten Köche kam, und so arbeitete ich in den folgenden Jahren nach der Hostellerie Rigi Kaltbad im Hotel Carlton in St. Moritz (Wintersaison), von dort ins Palace Hotel Luzern (Sommersaison), Palace Hotel St. Moritz (Wintersaison), Dolder Grand Hotel Zürich (3 Jahre) Hotel St. Gotthard Zürich ( 1Jahr).
 
Bei jedem Stellenwechsel wurde mir, was wichtig war, ein neuer Arbeitsbereich zugeteilt, auf diese Weise lernte man alle Facetten der Französischen Küche kennen und zugleich konnte man die ersten Stufen der Karrierenleiter erklimmen. Es waren interessante und lehrreiche Jahre, es waren aber auch harte Jahre. Lange Arbeitstage mit bis zu 16 Stunden waren die Norm, wochenlang keinen freien Tag gehörte dazu, und wer sich beklagte bekam zu hören, wenn es dir nicht passt, dann kannst du ja gehen, es warten bereits andere auf deine Stelle! Aber wer als Koch vorwärtskommen wollte, der wusste, dass man da durch muss, und dass dies ein integraler Teil unserer Lehr-und Wanderjahre ist.
Bei welcher Arbeit bzw. bei welchem Arbeitgeber hast du dich am wohlsten gefühlt?
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13.2.  Arbeiten – Berufs- und Stellenwechsel.

Bei welcher Arbeit bzw. bei welchem Arbeitgeber hast du dich am wohlsten gefühlt?
Als junger Berufsmann hat mir die Stelle im Dolder Grand Hotel in Zürich (1968-1971) bei Herrn Paul Spuhler am meisten Spass gemacht. Herr Spuhler war nicht nur ein ausgezeichneter Koch, er war ein ausserordentlicher Mensch, und seine Menschenführung war einfach super. In seiner Küche herrschte Ruhe, es wurde nicht geflucht oder geschrien, und alles war bestens organisiert. In dieser Küche herrschte Respekt auf allen Ebenen, und es wurde viel Wert auf guten Umgang gelegt. Obwohl wir auch hier, wie an den meisten Orten vorher, in der Küche unsere Mahlzeiten einnahmen, ging es gesittet zu und her. Der Tisch wurde fein säuberlich gedeckt, es gab Mineralwasser zum Trinken und was wichtig war, wir konnten die vollen dreissig Minuten Essenspause nutzen, keine Selbstverständlichkeit an den meisten Orten.


(1) Mein Vorbild Küchenchef Paul Spuhler 1969
Mein Vorbild Küchenchef Paul Spuhler 1969

Die Jahre im Dolder unter der Führung von Paul Spuhler haben mich geprägt, und er ist die Person, die mich als Berufsmann und Mensch geprägt hat. Über die Jahre haben wir uns unzählige Briefe geschrieben und einen regen Gedankenaustausch gepflegt, die daraus entstandene Freundschaft dauerte bis zu seinem Tode im Jahre 2014. Ich habe viel von diesem grossen, schweizweit bekannten Küchenchef gelernt und beruflich profitieren können. Paul Spuhler wird mir immer als fairer, manchmal gar als väterlicher Freund und unvergesslicher Chef in Erinnerung bleiben. Grundsätzlich kann ich aber sagen, dass es mir bei allen Arbeitgebern gut gefallen hat und die Arbeit mir immer Freude machte, und so habe ich mich auch immer sehr wohl gefühlt beim Arbeiten.

Falls du im Ausland warst, wo überall hast du gearbeitet und was?
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13.3.  Arbeiten – Auslandaufenthalte.

Falls du im Ausland warst, wo überall hast du gearbeitet und was?
Als ich den Beruf des Koches erlernte, war mir schon bald klar, dass ich einmal im Ausland arbeiten wollte, denn was ich auf meinen Wanderjahren durch die Schweizer Luxushotellerie lernte, würde mir Türen und Tore öffnen im Ausland. Dazu kam mein Fünf- respektive Zehnjahresplan, den ich nach Abschluss meiner Berufslehre für meinen beruflichen Werdegang aufgestellt hatte. Darin enthalten waren natürlich Sprachaufenthalte mit dem Ziel einmal französisch, spanisch und englisch sprechen zu können, und so brach ich im Jahre 1971 auf, um die Welt zu entdecken.
 
Durch die Hilfe von Paul Spuhler, Küchenchef des Dolder Grand Hotels war es mir möglich im März 1971 eine Stelle im damals besten Restaurant der Welt "Maxim's of Paris" anzutreten. Es war eine unglaubliche Erfahrung, in diesem Restaurant unter Mr. Menant und Mr. Albert zu arbeiten, und vor allem zu wissen, dass man für berühmte und gekrönte Häupter (alles was damals Rang und Namen hatte, ging ins Maxim) kochen darf. Zugleich aber war es eine harte Schule, lange Arbeitstage waren die Regel, der Umgangston war fast wie im Militär und der Lohn war so klein, dass man nicht davon leben konnte,wer sich damit nicht abfinden konnte, der wurde schnell einmal auf die Strasse gestellt, es gab viele andere, die auf eine Stelle im Maxim's warteten. 
 
Arbeitsbeginn war in der Regel um 08:30, da musste man pünktlich sein, aber man wusste nie, wann es Feierabend gibt. An manchen Tagen wurde durchgearbeitet bis um 23:00 Uhr! An guten Tagen gab es eine Pause von ca. 14:30 bis 17:00, und am Abend ging es dann weiter bis nach 23:00 Uhr, auch wenn es hart war und man sich sehr oft unfair behandelt fühlte, so machte man weiter im Wissen um die wertvolle Referenz, die man am Ende der Dienstzeit erhalten würde. 
 
Natürlich war es nicht einfach als Schweizer Koch in Frankreich zu arbeiten, man nannte mich "Le petit Suisse", als einziger Ausländer unter 30 Köchen war es nicht immer einfach, zumal man immer versucht hat, mich für irgendeinen Schabernack zu missbrauchen. Aber ich liess mich nicht beirren, mit der Zeit gewann ich durch meine Arbeit und mein Auftreten den Respekt meines Vorgesetzten, und so wurde ich befördert, bei gleichem Lohn wohlverstanden, mein Arbeitsalltag wurde vielseitiger und es machte mir enorm viel Spass zu wissen, dass ich mir den Respekt verdient hatte und von den französischen Köchen geachtet wurde.  
 
Wir arbeiteten sechs Tage die Woche, der Sonntag war unser einziger freier Tag, was gar nicht so schlecht war, denn ich hatte kein Geld für grosse Sprünge. Mein Lohn reichte gerade einmal, um das kleine Zimmer (beim ehemaligen Französischen Botschafter in China) im 7. Arrondissement zu bezahlen, für den Rest musste ich schauen,  dass ich mit meinem ersparten über die Runden kam. Das Gute als Koch war immer dass man an den Arbeitstagen im Betrieb zu essen bekam, und somit musste ich nur schauen, wie ich mich am Sonntag durchschlagen würde. In der Regel begnügte ich mich mit einem Baguette-Sandwich und einem Glas Rotwein, als einzige Mahlzeit an einem Sonntag. Zum Glück lernte ich durch meine Zimmervermieterin (die ehemalige Frau Botschafter) eine junge Dame kennen, und ich wurde schnell Teil dieser Familie und wurde des Öfteren am Wochenende in deren Ferienhaus in Orléans sur Loire eingeladen. Man holte mich am Samstagabend nach der Arbeit ab und setzte mich am Montag früh wieder vor dem Maxim's ab. Ich fühlte mich sehr wohl in Paris und schon fast wie zuhause, als ich ein Angebot von einem bekannten Hotel in London erhielt, das Angebot enthielt zwei für mich wichtige Komponenten, zum einen das Erlernen der Sprache und zum anderen eine erneute Beförderung auf die nächst höhere Hierarchiestufe. Und so entschied ich mich schweren Herzens, die Stadt an der Seine und meine neuen Freunde zu verlassen, um erneut einen Schritt ins Ungewisse zu tun.
 
Nach kurzen Vorbereitungen, lag das für die Einreise nach England notwendige Work permit vor. Mit der Unterstützung meiner Eltern war es mir möglich, ein Flugbillett für die Reise nach London zu kaufen (CHF 450), und so traf ich kurz vor Weihnachten 1971 in London ein, was für ein Kontrast! Paris war eine lebensfrohe und bunte Stadt, hier war ich plötzlich in einer grauen, nass kalten und nebligen Stadt, und die Leute schienen so fremd und unnahbar. Dazu kam, dass der Empfang im Hotel alles andere als freundlich war, niemand wusste Bescheid über mein Kommen, und da es bereits 18:00 Uhr abends war, hatten alle Entscheidungsträger den Betrieb bereits verlassen. Was für ein Kontrast zu Paris, da waren immer alle vor Ort und verfügbar, aber ich sollte schnell lernen, dass man in London eine Fünftagewoche hatte und nur acht Stunden am Tage arbeitet. 
 
Nun wie so oft im Leben lösen sich Probleme manchmal fast von selbst, als ich mich schon davonmachte um irgendeine Unterkunft zu finden, sprach mich vor dem Hotel ein junger Schweizer an und bot mir an, mich für ein paar Tage bei ihm einzuquartieren. Es stellte sich heraus, dass er seit ein paar Wochen als Metzger im Hotel tätig war und eigentlich recht froh war, einen WG Partner zu finden, wenn auch nur für ein paar Nächte. Denn die Wohnung befand sich in Sheperd's Bush, eine nicht sehr inspirierende Gegend London's und ziemlich weit weg vom Arbeitsplatz. Ich war auf jeden Fall froh, dass ich fürs erste eine Bleibe hatte und einen ersten Kollegen für einen Meinungsaustausch über London und den neuen Arbeitsplatz.
 
Früh am nächsten Morgen nahmen wir den Bus in die Stadt, Arbeitsbeginn war um 07:00, es sollte eine ganz neue Erfahrung werden, denn um 15:00 Uhr war bereits wieder Feierabend. Ein ganz ungewohntes Gefühl, plötzlich nach so kurzer Zeit schon wieder über seine Zeit verfügen zu können, es kam mir vor, wie wenn ich nur halbtags arbeiten würde! Für mich als Neuankömmling war dies natürlich super, ich konnte mich auf die Suche nach einer mir passenden Unterkunft machen. Einmal mehr war mir das Glück hold, ich fand am zweiten Tag in einer ruhigen Seitenstrasse, keine fünf Minuten Gehdistanz zu meinem Arbeitsplatz, bei einer irischen Landlady namens Miss Golden, ein schönes und sauberes Zimmer. Dies sollte mein Zuhause sein für die nächsten drei erlebnisreichen Jahre.
 
Mit der Gewissheit einer guten Unterkunft sah London schon viel besser aus, dazu kam, dass mir auch mein Arbeitsplatz sehr gut gefiel. Das Portman Intercontinental Hotel am Hyde Park Corner war ein neues Business Hotel mit einem Schweizer Hoteldirektor (Michel Favre) und der Küchenchef (Peter Kromberg) kam aus Überlingen am Bodensee, beide hatten viele Jahre in Übersee und Asien verbracht und verfügten über ein enormes Wissen. Durch den Antritt der Stelle in diesem Hotel öffnete sich mir eine ganz neue und faszinierende Welt - die Welt der internationalen Hotellerie mit all ihren Facetten. Die beruflichen Anforderungen für mich als Sous Chef waren gross, es wurde viel verlangt, und man musste sich auch hier seine Sporen abverdienen. Die ganze Küchenbrigade des Hotels umfasste 60 Köche, die meisten waren Briten und etwa zehn waren Schweizer oder Deutsche. Dazu kamen etwa 30 Hilfskräfte aus verschiedenen Ländern, viele aus Nordafrika und Indien, und somit waren wir eine Multikulti-Truppe, die sich mit Händen und Füssen verständigte. Was aber wichtig war, alle wurden gleich behandelt, die Hautfarbe oder die nicht so guten Sprachkenntnisse spielten keine Rolle, man respektierte und unterstützte sich gegenseitig. Dies war nach Paris eine weitere lehrreiche Station auf meinem Berufsweg, diese Erfahrung hat mein Leben geprägt und hat mein Verhalten für den Rest des Lebens nachhaltig beeinflusst.
 
Nach drei Jahren London war es Zeit, um zu neuen Ufern aufzubrechen, und so sollte es im Mai 1974 nach Buenos Aires (Argentinien) weitergehen, wo ich im Swissair Restaurant die Stelle als Küchenchef antreten sollte. Aus politischen Gründen (Ex Präsident Peron kehrte zu der Zeit aus dem Exil zurück) wurde ich kurzerhand nach Madrid geschickt um dem lokalen Team bei der Eröffnung des Swissair Restaurants in Madrid an die Hand zu gehen. Nicht ganz was ich wollte, aber in nachhinein darf ich sagen, dass auch dies eine schöne und interessante Zeit war. Meine Kenntnisse der spanischen Sprache waren sehr limitiert, doch wurde ich mit offenen Armen aufgenommen, und ich fühlte mich vom ersten Tage an sehr wohl in meiner Umgebung. Die lokalen Mitarbeiter waren in jeder Hinsicht sehr hilfsbereit, sei es auf der Arbeit oder in der Freizeit, um mir die nähere Umgebung und die Schönheiten der Stadt zu zeigen. Die Tatsache, dass ich mich nur noch auf spanisch unterhalten konnte (anfänglich sehr mühsam, da mein Spanisch sehr limitiert war) half mit, dass ich in kurzer Zeit die Sprache recht gut beherrschte, denn ich musste gezwungenermassen schnell lernen, auch hier waren die lokalen Mitarbeiter sehr offen und machten mich auf Fehler aufmerksam. Die Zeit verging im Fluge, und ende Juli 1974 hiess es wieder Abschied nehmen, einmal mehr fiel es mir schwer die Koffer zu packen, da ich mich hier schon wie zu hause fühlte und viele neue Freunde gewonnen hatte.
 
So kam es, dass ich im August 1974 nach Buenos Aires aufbrach, zum ersten Mal über den grossen Teich (Süd-Atlantik) zu fliegen, war schon eine neue Erfahrung und ich bestieg recht ehrfurchtsvoll das Flugzeug der Swissair. Es sollte eine lange Reise werden mit Zwischenlandungen in Genf, Dakkar, Recife, Rio de Janeiro und Sao Paulo, wir waren 22 Stunden unterwegs. Eine ganz neue aber faszinierende Erfahrung als Auftakt in mein neues Leben in Buenos Aires. Die Ankunft auf dem Flughafen in Buenos Aires werde ich nie mehr vergessen, im Wissen, dass ich in eine Millionenstadt gehe, erwartete ich einen grossen Flughafen mit entsprechender Struktur, doch da waren nur zwei kleine, einstöckige Gebäude und alles wirkte sehr improvisiert, und ich fragte mich, ob ich am richtigen Ort angekommen sei. Meine Zweifel verflüchtigten sich schnell, als der lokale Direktor des Restaurants mich  noch vor der Passkontrolle ansprach und willkommen hiess in Buenos Aires. Ab jetzt war ich in einer anderen Welt, in einer "lauten", in einer überschwänglichen Welt und vor allem aber in einer Welt mit viel menschlicher Wärme. Die Leute waren extrem freundlich und hilfsbereit gegenüber dem "Gringo", so nannte man die Ausländer damals, aber ich fühlte mich nie als Fremder in diesem Land und gewann recht schnell Anschluss und fühlte mich bald sehr wohl in dieser für mich so faszinierenden Stadt. So wohl ich mich in der Stadt fühlte und eigentlich zufrieden war mit meinem Entscheid, so weit von zuhause ein neues Leben anzufangen, so schwierig wurde mir das Leben auf der Arbeit gemacht. Mit der Rückkehr Perons hatten die Gewerkschaften wieder an Macht gewonnen, und wir hatten im Swissair Restaurant sehr militante und aggressive Gewerkschafter der Peronistischen Partei. Die vordergründige Freundlichkeit der meisten Mitarbeiter machte sehr oft einem Hass auf alles mit kapitalistischem Hintergrund Platz. Als ihr Vorgesetzter repräsentierte ich all das, was sie aus tiefer Überzeugung verabscheuten, den Kapitalismus, für sie war ich einfach nur ein "Ausbeuter" mehr, und als solchem machten sie mir das Leben schwer wo es nur ging. Sabotage, extrem langsames Arbeiten, zu spät kommen oder einfach der Arbeit fern bleiben, jeder Tag war voller Überraschungen, und meine Frustration über die Situation war sehr gross. Ich liess mich nicht entmutigen und versuchte jeden Tag mit Freundlichkeit und Respekt das Beste aus den Leuten heraus zu holen, und so gelang es mir nach einigen Monaten, etwa die Hälfte der Mitarbeiter auf meine Seite zu ziehen, und damit wurde der Arbeitsalltag wieder etwas einfacher. Leider wurde die politische Situation im Lande immer schlechter, die Sicherheit wurde sehr prekär, Leute wurden auf offener Strasse entführt oder im schlimmsten Falle gleich erschossen. Das Swissair Restaurant musste zigmal evakuiert werden (immer Freitag- oder Samstag- Abend, wenn wir volles Haus hatten) wegen Bombendrohungen und anderen Warnungen vor extremistischen Anschlägen. Für mich war dies eine unbekannte Welt, ja ich hatte mir doch nie Gedanken gemacht, was für Probleme in Südamerika vorhanden sind, zumal damals ja sehr wenig Information erhältlich war über andere, ferne Länder. Als ob dies nicht genug wäre, verstarb auch noch der hoch verehrte Präsident Juan Domingo Peron und seine zweite Frau Isabelita wurde als Präsidentin vereidigt. Damit ging der Machtkampf zwischen den Peronisten, Montoneros und der Armee erst recht los, zu den Unruhen kam nun auch noch der Niedergang der Wirtschaft, hohe Inflation und die kontinuierliche Geldentwertung führten zu einem absoluten Chaos im Lande. So kam es, dass ich im Dezember 1975 von der Swissair aus dem Lande abgezogen wurde, in Ermangelung einer alternativen Stelle führte mich mein Weg wieder nach London, wo ich im Portman Intercontinental Hotel die Stelle als Executive Chef antreten konnte.
 
Da ich mein einmal formuliertes Berufsziel erreichen wollte, ging es 1979 zurück in die Schweiz, wo ich die Meisterprüfung zum Eidgenössisch Diplomierten Küchenchef ablegte. Aber es sollte mich nicht lange in der Schweiz halten, nach Stationen in Luzern und Montreux ging es im Januar 1986 erneut nach Buenos Aires, um die Stelle als Produktionsleiter im Buenos Aires Catering anzutreten (Tochtergesellschaft der Swissair). Obwohl die Erlebnisse meines ersten Aufenthaltes in Buenos Aires mich geprägt hatten, liessen mich der Kontinent Südamerika und das Land Argentinien nicht mehr los. So musste ich nicht lange überlegen, als Swissair mich kontaktierte und mir die oben erwähnte Stelle offerierte. Es sollte eine gute Entscheidung sein, mein Aufenthalt in Argentinien dauerte bis zum Sommer 2000. Es waren für mich und meine Familie die besten Jahre unseres Lebens, Land und Leute gefielen uns, und das Land machte gute Fortschritte, hier fühlte ich mich endlich angekommen und zuhause. Im beruflichen war ich sehr gefordert, da wir zur gleichen Zeit neue Betriebe in ganz Südamerika aufbauten, und dadurch bekam ich die Gelegenheit, in vielen anderen Ländern tätig zu sein (Brasilien, Chile, Peru, Ecuador, Venezuela) was natürlich eine grosse Reisetätigkeit mit sich brachte und damit verbundene längere Absenzen von zu Hause. Zeitgleich durfte ich in Buenos Aires eine Kochschule aufbauen, eine Herzensangelegenheit für mich, denn hier konnten wir jungen Leuten ohne anderweitige Ausbildungsmöglichkeiten eine Perspektive für die Zukunft bieten. Die fast siebzehn Jahre in Buenos Aires waren beruflich wie im Privaten wunderbare Jahre, und als ich schon Pläne machte für meinen Ruhestand wurde diese "heile" Welt erschüttert, mein Arbeitgeber informierte mich, dass mein Wissen und Erfahrung andernorts gebraucht würde. Für mich und meine Familie stürzte eine Welt ein, und ich konnte diesen Entscheid nicht verstehen, zu meinem Unglück kam nun dazu, dass die Wirtschaft in Argentinien wieder einmal sehr schlecht lief, und so kam es das es mir nicht möglich war, eine neue Stelle in Argentinien zu finden, da alle Firmen Leute entlassen mussten um nicht unterzugehen. So fügte ich mich letztendlich und akzeptierte fürs Erste eine Versetzung nach Atlanta (USA) um beim Aufbau einer neuen Gesellschaft  mitzuarbeiten.
 
Im Juni 2000, direkt nach den Ferien mit der Familie in der Schweiz, ging es für mich nach Atlanta, um beim Aufbau einer B2B Plattform meines Arbeitgebers mitzuhelfen. Meine Frau machte sich derweil in Buenos Aires daran, unser Haus zu verkaufen und sich auf einen, nun fast sicher anstehenden Umzug vorzubereiten. Obwohl meine Arbeit in Atlanta interessant war, vor allem dass es sich um ein sehr zukunftsorientiertes Projekt handelte, wurde ich hier nicht heimisch. Man könnte denken, dass man mit einer Green Card in der Tasche glücklich und zufrieden sein sollte, leider traf dies auf mich nicht zu, das Land hatte sicher viel zu bieten, aber das ganze Umfeld war mir zu oberflächlich und unpersönlich, so dass ich mich im Dezember 2000 entschloss, nach Buenos Aires zurückzukehren, im Wissen dass es dort für mich keine Arbeit gab.
 
Nach meiner Rückkehr nahm ich Kontakt auf mit unserem Head Office in der Schweiz, um zu klären wie es weiter gehen soll. Man informierte mich, dass eine Stelle für den Aufbau eines neuen Betriebes in Shanghai ausgeschrieben worden sei, ich könne mich da bewerben! Da ich bereits 52 Jahre alt war, machte ich mir keine grosse Hoffnungen, schickte aber im Januar 2001 meine Bewerbung an das HR Büro der Division Asia in Bangkok. Zu meiner Überraschung erhielt ich nach ein paar Tagen einen Anruf, und man lud mich an ein Vorstellungsgespräch in Barcelona ein. Das Gespräch fand im Februar statt, im März durfte ich für eine Woche nach Shanghai fliegen, um mir das Ganze anzusehen. Ich war nicht beeindruckt, alles war grau und schmutzig, die Sonne sah man nie vor lauter Luftverschmutzung, und dazu kam, dass ich nichts verstand, alles war in chinesischen Schriftzeichen angeschrieben. Zum ersten Mal war ich in einer Welt in der ich nichts verstand und nicht lesen konnte, ein ziemlicher Schock für mich,. Der Gedanke hier zu leben und zu arbeiten war so abstrakt, dass ich sehr verunsichert nach Buenos Aires zurück ging. Nach einem eingehenden Gedankenaustausch mit meiner Frau entschieden wir, in Ermangelung anderer alternativen, uns dieser Herausforderung zu stellen, und so informierte ich unser Head Office in Zürich, dass ich die Stelle annehmen würde. So kam es, dass ich mich Ende April 2001 endgültig nach Shanghai aufmachte, um meine neue Stelle als General Manager für Gate Gourmet Shanghai anzutreten. Es sollte die grösste Herausforderung meiner Berufskarriere werden, aber auch zehn bereichernde Jahre im Reich der Mitte, die Kultur und Eigenheiten dieses Landes sind einmalig. Das Leben und Arbeiten mit den Chinesen war eine inspirierende Erfahrung, wenn es anfänglich nicht immer einfach war, die Leute richtig zu verstehen oder zu deuten, so hat es mir enorm viel Freude bereitet, und ich möchte diese Jahre nicht missen. Ich fühlte mich absolut privilegiert, dass ich mit 52 Jahren die Gelegenheit bekam, etwas komplett Neues anzufangen, etwas, das mir Zugang zu einer ganz neuen Welt und Kultur ermöglichte. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Wie war das bei deiner Ankunft im Gastland?
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13.3.  Arbeiten – Auslandaufenthalte.

Wie war das bei deiner Ankunft im Gastland?
Wie bereits im vorherigen Kapitel beschrieben, die Ankunft im Gastland war immer sehr freundlich und positiv. Ich glaube aber, dass dies auch etwas mit meiner mir eigenen Geisteshaltung zu tun hat. Ich ging immer ohne Vorurteile auf Land und Leute zu, und so war es einfacher Zugang zu den Menschen zu finden. Ich ging nie mit dem Gedanken, dass ich mehr Wert bin oder mehr weiss, ich habe auch nie versucht, gleich alles zu verändern, oder zu sagen, dass es bei uns so oder so ist. Ich habe mich in jedem Land angepasst und versucht, die verschiedenen, nicht immer einfachen Situationen zu akzeptieren und Lösungen zu suchen ohne grossen Lärm, und vor allem ging ich immer mit grossem Respekt für die lokalen Gegebenheiten und Kultur ans Werk.


(1) Nach meiner Ankunft in Shanghai im April 2001
Nach meiner Ankunft in Shanghai im April 2001

 

 

Was sind deine wertvollsten Erfahrungen und Lehren?
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13.3.  Arbeiten – Auslandaufenthalte.

Was sind deine wertvollsten Erfahrungen und Lehren?
Meine wertvollste Erfahrung ist sicher die, dass alle Menschen auf dieser Welt, egal welcher Rasse oder Hautfarbe, die selben Bedürfnisse haben. Alle wollen zur Schule gehen, eine Ausbildung erhalten, damit sie genug verdienen um sich zu ernähren, ein Dach über dem Kopf zu haben und um für die Familie sorgen zu können - Maslow lässt grüssen !
 
Diese Klischees die wir immer wieder hören, jene sind faul und unpünktlich, die anderen sind schmutzig etc., sind für mich ein Zeichen des nicht Verstehens und fehlenden Respektes für andere Kulturen. Viele nehmen alles als normal an und machen sich nie Gedanken was wäre, wenn sie nicht zur Schule gehen oder eine Berufslehre machen könnten. Auch wenn man der Intelligenteste ist, wenn man keinen Zugang zu Schule und Ausbildung hat, dann hat man keine Zukunft. Ich glaube etwas mehr Demut würde manchmal gut tun, um die "anderen" etwas besser zu verstehen und um nicht in Klischees zu denken und zu urteilen.
 
Ich habe gesehen und erlebt, was junge Leute, die wir aus den Elendsvierteln in unsere Schule holten, aus ihrem Leben machten und heute als erfolgreiche Berufsleute auf der ganzen Welt tätig sind. Es ist für mich sehr befriedigend zu sehen und zu hören, was die jungen Leute von damals alles erreicht haben und noch erreichen werden. Dank Facebook und LinkedIn kann man heute ohne Problem Kontakt halten, und so macht es Spass und Freude, den Erfolg dieser jungen Leute zu verfolgen.
 
Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch, wenn er oder sie die Möglichkeit erhält etwas zu lernen, die Gelegenheit nützt, um sich aus der Umlammerung der Armut zu befreien. 
Welche Erfahrungen hast du mit den Menschen gemacht? Wie wurdest du als Ausländer aufgenommen? Ergaben sich Freundschaften?
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13.3.  Arbeiten – Auslandaufenthalte.

Welche Erfahrungen hast du mit den Menschen gemacht? Wie wurdest du als Ausländer aufgenommen? Ergaben sich Freundschaften?
Meine Erfahrung als "Ausländer" war immer und überall sehr gut, ich fühlte mich nie ausgeschlossen oder schlecht behandelt, natürlich musste man manchmal etwas unten durch, man wollte ja etwas lernen, um im Leben weiter zu kommen. In jedem Land findet man Unterstützung, wenn man freundlich und respektvoll ist trotz der manchmal vorhandenen Unzulänglichkeiten.
 
Ich bin überzeugt, dass, wenn man sich an Land und Leute anpasst, die lokalen Eigenheiten respektiert und auch Anstrengungen macht, um die Sprache zu lernen man bald akzeptiert wird. Auf jeden Fall so habe ich es erlebt, ich denke es wäre nicht gut gegangen, wenn ich meine neue Lebenssituation immer wieder mit der Schweiz verglichen hätte und versucht hätte, alles und jedes zu verändern, damit es meinen Vorstellungen entspricht. Die Eigenheiten eines jeden Landes und seiner Bewohner machten ja die Faszination des Reisens aus, sich mit einer neuen Kultur und Mentalität auseinander zu setzen, war immer wieder spannend. Es war aber auch interessant zu erleben, wie man mit Menschen überall auf der Welt Resultate erzielen kann, vorausgesetzt man hat Geduld, Respekt und Verständnis für das Anderssein der Mitarbeiter. In jedem Land haben sich dauernde Freundschaften ergeben, langanhaltende Freundschaften trotz der Distanzen die uns heute trennen. Dank der modernen Technik kann man ja über Skype oder andere moderne Medien der Kommunikation Kontakt mit der ganzen Welt halten. Leider sind mittlerweile, auf Grund des Alters oder Krankheit, bereits einige dieser Freunde und Kollegen verstorben, dies gehört leider auch zu diesem nicht immer einfachen Prozess des Alterns.
Vielleicht musstest du auch einmal wieder von vorne anfangen? Wie war das genau?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Vielleicht musstest du auch einmal wieder von vorne anfangen? Wie war das genau?
Das Weggehen aus Buenos Aires und der damit verbundene Neuanfang in Shanghai (PR.China) waren sehr schmerzvoll. Es war eine grosse Herausforderung, mit 52 in einem neuen Land und einer total anderen Kultur einen Neuanfang zu wagen. Die ersten Monate in Shanghai waren sehr schwierig, auf Grund der Eigenheiten und der ganz anderen Kultur meiner Mitarbeiter, musste ich mich und meine Art zu arbeiten und führen total neu überdenken. Im Grunde genommen war es nicht mehr und nicht weniger als eine neue "Lehre", um in diesem Lande ein Unternehmen erfolgreich zu führen und geschäftlichen Erfolg zu haben. 
Wer etwas Bescheid weiss über China, der kann sich vorstellen, dass es nicht einfach war im China der Jahrhundertwende einen Betrieb aufzubauen. Anfänglich hatte ich noch die Unterstützung von drei europäischen Abteilungsleitern, leider warfen sie schnell einmal das Handtuch und verabschiedeten sich, um in einem weniger komplexen Umfeld zu arbeiten. So kam es, dass ich als Geschäftsführer und einziger Ausländer weitermachte, um den Betrieb zum Erfolg zu bringen. Es war eine riesige Herausforderung, die Englischkenntnisse der lokalen Abteilungsleiter/innen waren sehr rudimentär oder gar nicht vorhanden, das Verständnis für die Arbeit in einem Airline Catering war gleich null. So wurde jeder Schritt für eine erfolgreiche Zukunft des Unternehmens zu einer grossen Geduldsprobe und vor allem sehr zeitaufwendig. Da der Chinese nie nein sagt, merkt man nicht, wenn etwas nicht verstanden wurde, es wird einem erst bewusst, wenn die vereinbarten Arbeiten / Schritte nicht zum Tragen kommen oder gar nicht erst ausgeführt werden.
Als einziger Ausländer unter 450 Chinesen (45% weibliche Mitarbeiter) im Betrieb wurde das Leben und Arbeiten mit den chinesischen Mitarbeitern letztendlich zu einer inspirierenden Erfahrung, wenn es auch anfänglich nicht immer einfach war, die Leute richtig zu verstehen oder zu deuten, so hat es mir enorm viel Freude bereitet, und ich möchte diese Jahre nicht missen. Dank harter Arbeit und etwas Glück ging alles gut, und es wurden zehn in jeder Hinsicht bereichernde Jahre im Reich der Mitte, die Kultur und Eigenheiten dieses Landes sind einmalig. 
Wie reagierte deine Umfeld auf solche Aufs und Abs? Speziell deine Lebenspartner(in)?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Wie reagierte deine Umfeld auf solche Aufs und Abs? Speziell deine Lebenspartner(in)?
Ohne meine Frau, ihrer Unterstützung und ihr Verständnis, hätte ich dieses berufliche Zigeunerleben niemals führen können. Sie war vom ersten Tage an immer positiv eingestellt wenn es darum ging, Arbeit und Land zu wechseln, sie hat immer positiv reagiert, auch wenn es für sie sicher nicht immer einfach war. Bei jedem Wechsel kam eine neue Sprache dazu, sie musste sich neu orientieren und ihren Weg finden, damit das zuhause funktionierte. Zu Anbeginn unserer Partnerschaft waren wir nur zu zweit, da war das Umziehen einfach, später kamen zwei Kinder, ein Schäferhund und vier Katzen dazu, und sie hat das alles souverän organisiert. In den meisten Fällen ging ich immer zuerst weg, um die neue Arbeitsstelle anzutreten, sie organisierte den Umzug und besorgte alle nötigen Papiere, damit bei der Einreise alles seine Ordnung hatte. Ich bin ihr ewig zu Dank verpflichtet, ihre Unterstützung in allen Situationen und ihr Verständnis haben diese wunderbare Zeit in fremden Ländern erst möglich gemacht. 
 
Meine Eltern und Geschwister haben mich und meine Neugier nach Neuem nicht immer verstanden, aber ich bin meinen Weg gegangen, vor allem weil ich wusste, dass meine Mutter es versteht. Denn als mein Vater schwer erkrankte, wollte ich zurück in die Schweiz. Als ich meine Mutter informierte, sagte sie mir "Mach nicht diesen Fehler, du musst dein Leben leben und glücklich sein, wir (die Eltern) gehen irgend einmal von dieser Welt, und dann ist es wichtig, dass du glücklich bist". Ich bin auch meiner Mutter dankbar, das sie immer Verständnis hatte für meinen Drang nach neuen Horizonten und mich immer unterstützt hat.
Warst du einmal wirklich verzweifelt? Wie gingst du damit um und hast das überwunden?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Warst du einmal wirklich verzweifelt? Wie gingst du damit um und hast das überwunden?
Als mir klar wurde, dass wir Buenos Aires verlassen müssen, kam für eine Weile schon so etwas wie Verzweiflung auf, der Gedanke, die von mir geliebte Arbeit an der Schule und im Betrieb aufzugeben und an einem neuen Ort wieder ganz von vorne anzufangen, machte mir zu schaffen. Auch die Tatsache, dass mit einem Umzug einmal mehr unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt wird, beschäftigte mich sehr, denn zum ersten mal in meinem Leben fühlte ich mich zuhause und war glücklich. Buenos Aires / Argentinien war nicht nur für mich zur Heimat geworden, meine Frau und die Kinder (obwohl schon ausgezogen) fühlten sich hier geborgen und zuhause. Anfänglich suchte ich verzweifelt nach einer anderen Arbeitsstelle, kontaktierte alle meine Kollegen in meinem über Jahre aufgebauten Netzwerk in der Hoffnung, dass sich irgendwo eine Türe öffnen würde. Auf Grund der beginnenden Finanzkrise im Jahre 2000 in Argentinien wurde mir schon bald klar, dass es keine lokale Lösung für eine neue Stelle geben würde, überall wurde mir beschieden dass Stellen abgebaut wurden, und dass man im Moment keine Möglichkeit sehe mich zu beschäftigen. 


(1) Mit meiner Frau auf der Reise durch Tibet im Jahre 2005
Mit meiner Frau auf der Reise durch Tibet im Jahre 2005

Als klar war, dass wir wohl oder übel unsere "Zelte" abbrechen mussten, machten wir, meine Frau und ich, uns gegenseitig Mut für die vor uns liegende Zeit, und auf diese Weise wich die Verzweiflung, und langsam kam Hoffnung auf für den Schritt in eine uns fremde Welt. Ich glaube, dass mir in dieser Situation auch meine positive Lebenseinstellung sehr geholfen hat, um den nächsten Schritt in unserem Leben mit Optimismus anzugehen.

 
 
Hast du deine Berufsziele erreicht? Welche? Welche nicht?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Hast du deine Berufsziele erreicht? Welche? Welche nicht?
Habe ich meine Berufsziele erreicht? Ich denke schon, auf jeden Fall sind alle "milestones" in meinen ursprünglich formulierten Fünfjahresplänen abgehakt, und ich bin sehr zufrieden mit meinem Berufsleben und meiner Karriere. Rückblickend gibt oder gäbe es immer Sachen, die man anders hätte umsetzen können, aber ich bin überzeugt, dass solche Gedanken müssig sind, denn man kann die Vergangenheit nicht  ändern. Wichtig ist doch, dass man zufrieden ist und auf ein glückliches und befriedigendes Berufsleben zurückschauen darf.
Welche Chancen hast du nicht genutzt?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Welche Chancen hast du nicht genutzt?
Wenn ich eine Chance nicht genützt habe, dann war es im Jahre 1994 das Angebot, bei einer grossen Hotelkette in Mittelamerika den Posten als General Direktor für zwei Hotels zu übernehmen. Da ich die Einladung zu einem Gespräch angenommen hatte, konnte ich mich vor Ort umsehen, und es handelte sich wirklich um zwei sehr schöne fünf Sterne Hotels, das eine in Guatemala City, der Hauptstadt von Guatemala und das andere in San Salvador, der Hauptstadt von El Salvador. Die Versuchung war gross, aber zum einen waren wir glücklich in Buenos Aires, und ich hatte einen sehr guten Arbeitgeber, so dass sich ein Wechsel eigentlich nicht aufdrängte. Dazu kam, dass unsere Kinder erst gerade ihre Studien in der Schweiz angefangen hatten, und somit war ich angewiesen auf ein gesichertes Einkommen. Bei einem Wechsel hätte ich all das aufs Spiel gesetzt, und dies konnte und wollte ich nicht riskieren. Ich bereue meinen damaligen Entscheid  nicht, die Sicherstellung der Ausbildung meiner Kinder war mir wichtiger, und dies konnte ich nur garantieren, wenn ich weiterhin auf meinen Arbeitgeber setzte.
Worauf bist du besonders stolz? Gibt es eine Leistung, die dich überleben wird?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Worauf bist du besonders stolz? Gibt es eine Leistung, die dich überleben wird?
Ich bin mir nicht sicher, ob man stolz sein soll auf etwas das man im Leben geschaffen hat, denn das Leben ist vergänglich und vieles wird neu gemacht und verändert sich laufend. 
 
Auf was ich sicherlich stolz bin, ist der Aufbau des BUE Trainer's (www.Thebuetrainers.com.ar ), einer Koch- und Gastronomie- Fachschule in Buenos Aires, das erste offiziell anerkannte Berufsbildungzentrum in der südlichen Hemisphäre 1991. Mit dieser Schule veränderten wir das Berufsbild und die Wahrnehmung des Kochberufes und des Handwerkers im allgemeinen in der argentinischen Gesellschaft. In Argentinien als Einwanderungsland konnte man keinen Handwerklichen Beruf lernen, ja man konnte keinen Beruf erlernen, man musste an die Universität um zu studieren, die Familie wollte einen Dottore oder Abogado aber keinen Handwerker! Niemand machte sich Gedanken darüber, dass die meisten dieser studierten Leute nach Abschluss des Studiums als Taxifahrer oder Verkäufer (im besten Fall) sich durchs Leben schlagen mussten, man hoffte einfach auf bessere Zeiten. Ich denke diese für viele frustrierende Situation führte dazu, dass unsere Schule sehr schnell sehr erfolgreich war, man konnte einen Beruf erlernen mit Perspektiven für die Zukunft. Neben den bereits erwähnten jungen Leuten aus den Elendsvierteln (sie wurden von meinem Arbeitgeber gesponsert) welchen wir eine Chance gaben, hatten wir Studenten die bereits einen Hochschulabschluss hatten (Ärzte, Anwälte etc.), die sich bei uns für eine zweijährige Ausbildung anmeldeten. Die Ausbildung basierte auf dem Prinzip einer Berufslehre in der Schweiz, das heisst man arbeitete an vier Tagen in einem gastronomischen Unternehmen (Restaurant oder Hotel), und an einem Tag ging man bei uns in die Schule (Theorie und Praxis)
 

(1) Graduation des 1. Kurses für Köche im Jahre 1993 - Autor in der Mitte mit Anzug
Graduation des 1. Kurses für Köche im Jahre 1993 - Autor in der Mitte mit Anzug

Was ursprünglich als one-man-show angefangen wurde, musste sehr schnell verstärkt werden, und so suchten wir junge, gut ausgebildete Köche (Marianne Weiss, Samuel Schneeberger, Boris Walker, Daniel Kühne, um nur einige zu erwähnen) in der Schweiz, um an der Schule als Lehrer tätig zu werden. Auf diese Weise waren wir in der Lage, das schnelle Wachstum aufzufangen ohne das Niveau der Ausbildung zu senken oder vernachlässigen. Als ich im Jahre 2001 Buenos Aires verliess, übergab ich die Leitung der Schule ( mit 220 Studenten) an einen unserer ersten ehemaligen Studenten, Diego Gera mit der Überzeugung, dass es das Beste ist für das Weiterbestehen der Schule. Heute weiss ich, dass die Schule gut weiter geführt wurde und noch immer zu den besten Ausbildungszentren gehört, das erfüllt mich mit Freude und grosser Befriedigung.

Wo stand dir das Glück zur Seite? Oder war es etwas Anderes?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Wo stand dir das Glück zur Seite? Oder war es etwas Anderes?
Ich bin mir nicht sicher, ob es Glück war oder einfach das Resultat guter und seriöser Arbeit, als ich im Jahre 1972 & 1976 an der Olympiade der Köche IKA in Frankfurt die Goldmedaille gewann für meine Showplatten der kalten Küche.


(1) Goldmedaille IKA Frankfurt 1972
Goldmedaille IKA Frankfurt 1972

 Den gleichen Erfolg hatte ich 1978 an der Hotelympia, in London, wo ich zweimal Gold gewann in verschiedenen Kategorien. Als mir der Hoteldirektor, Michel Favre, zu diesen Erfolgen gratulierte, sagte ich, dass ich wahrscheinlich auch etwas Glück gehabt habe. Worauf er erwiderte:" Glück ist, wenn man zur rechten Zeit am richtigen Ort ist", und vielleicht hat er es so auf den Punkt gebracht, viele Faktoren müssen stimmen damit man zum Erfolg kommt. 

In welchen Schritten ging es lohnmässig aufwärts?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

In welchen Schritten ging es lohnmässig aufwärts?
Die Verdienstmöglichkeiten im Hotel- & Gastgewerbe waren in meinen frühen Jahren sehr limitiert und man konnte keine grossen Sprünge machen. Mein Lohn im ersten Lehrjahr betrug CHF 10.00 pro Monat und im zweiten Lehrjahr dann CHF 20.00, nicht gerade viel Geld. Ein Eintritt ins Kino kostete damals CHF 2.75 (Kino Astoria an der Nüschelerstrasse in Zürich) wenn man dann noch das Bus- oder Tram Billett kaufen musste, dann war der Lohn schnell einmal weg. Um etwas Geld auf die Seite zu bringen, ging ich meisten mit dem Fahrrad zur Arbeit, viermal im Tag 8 km! Zu jener Zeit wurde im Gastgewerbe noch mit Zimmerstunde gearbeitet - 08:00 - 14:00 und 17:00 bis 21:00 -, und somit musste ich den Weg gleich viermal unter die Räder nehmen.
 
An meiner ersten Stelle nach der Lehre erhielt ich CHF 450.00 (Hostellerie Rigi Kaltbad 1966/67) an meiner zweiten Stelle in St. Moritz wurde ich mit CHF 550.00 entlöhnt und so ging es weiter in der Saisonhotellerie bis ich Ende 1968 eine Stelle im  Grand Hotel Dolder in Zürich annahm, dort erhielt ich CHF 620.00 im Monat. Wie bereits erwähnt war mein Lohn in Paris klein, nur gerade FFR 650.00, das reichte gerade um die Unterkunft zu  bezahlen, die restlichen Ausgaben musste ich mit meinen Ersparnissen decken. Finanziell ging es erst aufwärts in London 1971-1974, ich bekam 38.00 GBP - ausbezahlt 24.00 GBP netto, genug um zu leben und um jede Woche (Wochenlohn) etwas auf die Seite zu legen, dort wurde mir auch klar, dass ich, falls ich eine Familie gründen wollte, im Ausland Karriere machen muss. Nach London folgten die Stellen für die Swissair 1974/75  in Madrid und Buenos Aires, und hier verdiente ich zum ersten Mal einen für meine Verhältnisse guten Lohn - CHF 2415.00 plus eine bezahlte Unterkunft vor Ort, nun war ich auch sicher, dass meine Entscheidung, meine Berufskarriere im Ausland voranzutreiben, richtig war, ab jetzt entwickelte sich der Lohn schön gleichmässig, und meine Zukunftsängste wurden immer kleiner, denn ich war mir nun sicher, dass ich genug verdienen würde, um eine Familie zu ernähren und den Kinder einmal eine gute Ausbildung zu ermöglichen.
 
In den Jahren 1979 - 85 war ich zurück in der Schweiz, um die Meisterprüfung zu absolvieren und um mich auch anderweitig weiter zu bilden. In dieser Zeit verdiente ich anfänglich CHF 4500.00 brutto pro Monat, die Stellen in Luzern und später in Montreux waren mit einem etwas höheren Lohn dotiert. Als ich im Jahre 1986 der Schweiz wieder den Rücken kehrte, um in Buenos Aires eine neue Stelle als Produktionsleiter anzutreten, erhielt ich bei ICS - International Catering Services (Tochtergesellschaft der Swissair) einen Lohn von CHF 7200.00, den grösseren Teil in Lokalwährung ausbezahlt in Buenos Aires und einen kleineren Teil auf mein Konto in der Schweiz. Mein Arbeitgeber ICS, später Gate Gourmet International (Tochtergesellschaft der SAir Group, nach dem Konkurs der Swissair der Gate Group) war ein guter und fairer Arbeitgeber. Es wurde viel verlangt, man musste viel leisten und die Arbeitstage waren sehr oft sehr lang, und Freizeit war spärlich vorhanden. Aber wir durften/konnten auch mit vielen Freiheiten arbeiten, und der Lohn wurde stets den gewachsenen Anforderungen angepasst, alles in allem hat es sich gelohnt, das Leben fern der Heimat zu verbringen und sich den nicht immer einfachen Herausforderungen zu stellen.
 
Hast du jemals über deine Verhältnisse gelebt?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Hast du jemals über deine Verhältnisse gelebt?
Da ich aus einer einfachen Familie komme, habe ich immer geschaut, dass das Geld reicht, vor allem aber, dass ich etwas auf die Seite legen konnte. Ich bin nie in Versuchung geraten, über meine Verhältnisse zu leben, zum einen hatte ich gar keine Zeit, da ich immer am Arbeiten war und ganz klare Ziele hatte für mein Leben. Zum andern interessierte es mich nicht, etwas zu sein was ich nicht bin, ich erinnerte mich immer wieder an einen Leitspruch eines meiner ehemaligen Vorgesetzten - Alles Grosse ist klein, und alles Kleine ist Gross !
Wie stark hat dich Geld in deinen beruflichen Entscheiden beeinflusst?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Wie stark hat dich Geld in deinen beruflichen Entscheiden beeinflusst?
Meine beruflichen Entscheidungen wurden nie vom Geld beeinflusst, ich habe immer geschaut, was mir eine Veränderung beruflich bringen wird, in der Überzeugung, dass sich der Lohn dann von selber geben wird. Ich denke, dass ich mit dieser Einstellung gut gefahren bin, ich hatte und habe nicht das Gefühl, dass ich zu irgend einem Zeitpunkt zu kurz gekommen bin.
Hast du finanziell das Maximum erreicht?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Hast du finanziell das Maximum erreicht?
Ob ich finanziell das Maximum erreicht habe, weiss ich nicht, ich war bei meinem Arbeitgeber in den letzten 26 Jahre meines Berufslebens gut aufgehoben und gut entlöhnt, somit hatte ich keinen Grund, mich auf dem Markt umzuschauen, ob ich irgendwo mehr erhalten würde. Vielleicht hätte ich irgendwo mehr verdienen können, aber wäre ich dann glücklicher gewesen ? Ich weiss es nicht und werde es auch nie wissen, da ich nun pensioniert bin und mir eigentlich keine Gedanken mache über das, was ein Stellenwechsel gebracht hätte. Was mir fremd war und ist, ist diese Gier die man heute beobachten kann, wenn es um die Löhne und Boni geht, man will immer mehr und hat nie genug, weil man meint, man müsse sich immer mehr Luxus leisten. Ob man damit glücklicher ist oder wird, bleibe dahingestellt.
 
 
Falls du pensioniert bist, was vermisst du am meisten? Kannst du deine Kenntnisse noch brauchen?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Falls du pensioniert bist, was vermisst du am meisten? Kannst du deine Kenntnisse noch brauchen?
Seit Ende 2011 bin ich nun pensioniert, ein Zustand der nicht einfach zu akzeptieren ist, vor allem dann, wenn man immer viel Freude und Befriedigung an der Arbeit hatte. Aber es ist wie es ist, mein Arbeitgeber war der Ansicht, dass man nach so vielen Jahren in der Fremde den Ruhestand mehr als verdient habe, und dass man jetzt einfach das Leben geniessen soll. Das ist ja sehr schön und verständnisvoll, aber wenn man von einem Tag auf den andern von 100 auf 0 runterfahren muss, dann ist das ein doch einschneidendes Erlebnis im Leben eines Menschen. Vor allem dann, wenn man in einem Internationalen Umfeld tätig war mit einer sehr grossen Eigendynamik wie die Airline Catering Industrie, dann ist der Ruhestand so was wie eine Qual.
 
Nun, ich habe mich auf die neue Situation eingestellt und bin zufrieden mit dem "Unruhe Zustand"! Zum Glück gibt es ja noch soviel zu tun auf dieser Welt und so habe ich mich entschieden einen Teil meiner Zeit und mein Wissen für das Senior Expert Corps bei Swiss Contact (www.swisscontact.org) einzusetzen. Es handelt sich hierbei um freiwillige Einsätze auf meinem Fachgebiet - Gastronomie & Hotellerie - in Entwicklungsländern, vor allem in Zentral- und Südamerika, Asien und Osteuropa. Es macht mir sehr viel Spass solche Einsätze zu leisten, man kann Leuten helfen, die nicht soviel Glück im Leben hatten, sei es weil sie nicht zur Schule konnten oder keine Möglichkeit hatten, einen Beruf zu erlernen. Diese Einsätze fordern auch mich, ich muss mich auf den Einsatz und die Aufgabe vorbereiten, muss mich über Land und Leute informieren, damit ich keinen Fauxpas begehe und damit ich in kurzer Zeit das Maximum herausholen kann. Seit 2011 haben mich diese Einsätze siebenmal nach Nepal gebracht, je einmal in die Mongolei, Honduras, Nicaragua, Galapagos Inseln (Ecuador), Bolivien und viermal nach Kosovo. Jeder Einsatz dauert in der Regel vier Wochen, manchmal können es auch sechs Wochen sein, also eine relativ kurze Zeit, um etwas umzusetzen und zu verändern. Doch bin ich immer wieder erstaunt, was man alles erreichen kann mit den Leuten vor Ort, das Interesse zu lernen und das eigene Leben zu verbessern sind enorm, und so macht es immer viel Freude und es ist sehr befriedigend. Es ist aber auch schön zu sehen, wie positiv Änderungen aufgenommen und umgesetzt werden, aber auch die Dankbarkeit der Menschen in diesen Ländern ist etwas ganz Besonderes und ich hoffe, dass ich gesund bleibe, damit ich diese Tätigkeit noch eine Weile ausüben kann.
 
Was hat dir die Arbeit alles in allem gegeben?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Was hat dir die Arbeit alles in allem gegeben?
Ich bin extrem zufrieden mit meinem Arbeitsleben, ich habe immer Spass und Freude an der Arbeit gehabt, das Arbeiten war nie eine Last sondern eine Quelle der Inspiration und grosser Zufriedenheit. Meine berufliche Tätigkeit hat mir auch ermöglicht, die Welt, andere Länder und Kulturen kennen zu lernen, Sprachen zu lernen und wunderbare Freundschaften mit Personen aus anderen Kulturkreisen zu schliessen. Was mir mein Arbeitsleben auch ermöglicht und gegeben hat, sind vor allem auch wertvolle Erlebnisse und Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Menschen aus vielen unterschiedlichen Gesellschaftsschichten.

Als junger Koch in der Luxushotellerie war ich stolz, dass wir für Leute wie den Schah von Persien, Familie Onassis, Familie Niarchos, Madame Swift, La princesse - Schwester von König Faruk, Herbert von Karajan, Leonard Bernstein, Yehudi Menuhin und viele andere berühmte Persönlichkeiten kochen durften. Auch im Maxim in Paris gaben sich die Reichen und Berühmten die Tür in die Hand, es war für normal sterbliche Leute praktisch unmöglich einen Tisch zu reservieren, es wurde alles unter der Hand vergeben! Der Maitre d'Hotel, Monsieur Albert, hatte sehr viel Macht und Einfluss und er bestimmte, wer wo sitzen durfte und duldete keine Diskussionen. Da jedermann gesehen werden wollte, war es sehr wichtig einen guten Tisch zugewiesen zu bekommen, also musste man sich gut mit Monsieur Albert stellen um zu verhindern, das man in den "Omnibus" gesetzt wurde, denn dort wurde man nicht gesehen und konnte auch nicht sehen, was vorne im Hauptsalon alles für Persönlichkeiten sitzen.
Ein ganz besonderes Erlebnis hatte ich aber in Argentinien im Jahre 1990, kurz nachdem Carlos Saul Menem als Präsident der Republik installiert war, gab er bekannt, dass er als erster argentinischer Präsident in der Geschichte der Nation die Truppen auf der Antarktik Station Marambio besuchen werde. Da wir als Catering Unternehmen immer alle offiziellen Anlässe der Regierung ausrichteten, war mir klar, dass hier ein ganz spezieller Einsatz bevorstand und gute Leute bereit stehen müssen, um diese Reise zu einem Erfolg zu machen. Zu meiner Überraschung bestand man darauf, dass ich mich persönlich um das Wohl des Präsidenten kümmern sollte, und so kam ich zu einem einmaligen und unvergesslichen Erlebnis: ich verbrachte Weihnachten / Neujahr mit dem Präsidenten auf der Antarktik.


(1) Zeugnis meines Besuchs 1990 auf der Base Marambio - Antarktik
Zeugnis meines Besuchs 1990 auf der Base Marambio - Antarktik

Hier noch ein Foto des Präsidenten mit seinen Ministern


(2) Besuchs 1990 auf der Base Marambio - Antarktik

Besuchs 1990 auf der Base Marambio - Antarktik

Die geschilderten Erlebnisse waren immer wieder eine Entschädigung für vielleicht entgangene andere Vergnügen, und darum habe ich immer viel Freude an meiner Arbeit gehabt. Meine Arbeit hat mir ein so facettenreiches Leben ermöglicht, so das ich keinen Moment missen möchte.

Da ich immer mit viel Freude und Elan unterwegs war, hatte ich Mühe die bevorstehende Pensionierung zu akzeptieren. Ich war der Meinung, dass wenn man gesund ist und gerne weiter arbeiten möchte, dann sollte man diese Gelegenheit erhalten. Nur leider ist dies mit Schweizer Firmen nicht möglich, und so musste ich ende 2011 eine neue Etappe meines Lebens in Angriff nehmen. Nach meiner Rückkehr in die Schweiz wurde mir dann auch klar, zumindest glaube ich, dass dies ein Grund für die fixe Altersgrenze ist, warum die Pensionierung als Angestellter nicht verschiebbar ist. Die meisten Leute, die ich  in der Schweiz kennenlernte, träumten von der Pensionierung und sehnten den Tag X heran, etwas, was ich bis heute nicht verstehen kann. Aber ich glaube, dass mich das Leben und Arbeiten in weniger entwickelten Länder enorm geprägt hat, vor allem fehlt mir die "Gabe" zum ewigen Klagen über alles und jeden, was in meinen Augen mit ein Grund ist, dass die Menschen hier ihr Glück nicht bei der Arbeit sondern nur in der Freizeit beim Konsumieren finden.

Von wem oder was bist du am meisten enttäuscht worden?
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13.4.  Arbeiten – Berufliches auf und ab.

Von wem oder was bist du am meisten enttäuscht worden?
Die grösste Enttäuschung meines Lebens ergab sich während meiner Zeit in Buenos Aires, es war eine schmerzhafte Erfahrung, und mein Vertrauen in meinen Arbeitgeber kam schwer ins Wanken. Was war passiert ?
 
Mein Vorgesetzter (Josef Stirnimann) in Buenos Aires war zugleich auch verantwortlich für die Entwicklung der Division Latein-Amerika, was zur Folge hatte, dass er viel reisen musste und im Betrieb abwesend war. So ergab es sich, dass er mir mehr und mehr Verantwortung übergab. In seiner Abwesenheit leitete ich das Unternehmen, kümmerte mich um unsere internationalen Airline Kunden und wurde so über die Jahre immer mehr als der Geschäftsführer wahrgenommen. Natürlich war all dies nur möglich, weil ich ein eingespieltes und hoch motiviertes Team hatte, welches mir in meiner angestammten Tätigkeit als Produktionsleiter den Rücken stärkte. Als wir im Jahre 1998 informiert wurden, dass die Firma die internationalen Divisionen neu organisieren werde, wurde mir schnell klar, dass mein Vorgesetzter ein Kandidat für "Höheres" sei. So kam es, dass er zum Präsidenten der Division Amerika befördert wurde, unsere Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter waren der festen Überzeugung, dass ich nun der neue Geschäftsleiter werden würde. Gross war die Überraschung, als dann ein bisher nie in Erscheinung getretener Mitarbeiter unseres Führungsteams in Buenos Aires vom abtretenden Geschäftsführer (Josef Stirnimann) zum neuen Geschäftsleiter ernannt wurde. Für mich brach die Welt zusammen, über all die Jahre hatte ich mich mit viel Elan und Herzblut für das Unternehmen eingesetzt, und nun wurde ich kommentarlos übergangen. Trotz mehreren Versuchen, in einem Gespräch eine Erklärung für diesen Entscheid zu erhalten, blieb mir Josef Stirnimann die Antwort schuldig. 
 
Nach diesem für mich sehr schmerzvollen Entscheid riet mir meine Frau zu einem Stellenwechsel. Leider hörte ich nicht auf sie, obwohl ich kurz nach diesem Vorfall ein gutes Angebot (erwähnt in einem vorhergehenden Kapitel) erhielt, um in El Salvador und Guatemala die Führung zweier Hotels zu übernehmen. Ich wollte und konnte, zumindest glaubte ich dies, die Führung der von mir so geliebten Schule nicht abgeben und war überzeugt, dass ich dank der Schule noch gute Jahre in Buenos Aires erleben würde. So kam es, dass ich das Angebot ablehnte, und ein paar Jahre später musste ich mich neu orientieren, da meine Stelle aufgehoben wurde. Das schmerzte noch einmal, und alte Wunden wurden geöffnet, hätte ich auf meine Frau gehört und die angebotene Stelle angenommen hätte ich mir diese zweite Enttäuschung erspart.
Hast du bewusst versucht, Arbeit und Zeit für Familie und Freizeit zu trennen? Wie hast du das geschafft – oder eben nicht?
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13.5.  Arbeiten – Arbeit, Familie und Freizeit.

Hast du bewusst versucht, Arbeit und Zeit für Familie und Freizeit zu trennen? Wie hast du das geschafft – oder eben nicht?
Das bewusste Trennen von Arbeit und Familie war nie ein Thema während meiner beruflichen Laufbahn. Ich habe einfach versucht, an meinen freien Tagen so gut wie möglich für die Familie da zu sein. Wobei bei einer Sechstagewoche nicht sehr viel Zeit für die Familie blieb, aber ich glaube trotz allem hatten wir ein gutes und vor allem auch harmonisches Familienleben. Meine Frau hat geschaut, dass unsere "kleine Welt" zuhause immer stimmt, vor allem, dass sich die Kinder trotz meinen häufigen Absenzen nicht von mir vernachlässigt fühlten. Sie hat ihnen auch erklärt, dass man im Leben arbeiten muss, damit man ein sorgenfreies Leben geniessen kann, dass dies in unserem Fall nun der Vater ist, der jeden Tag zur Arbeit geht um Geld zu verdienen.
 
 
Gab es Perioden in deinem Berufsleben, in denen du unter Stress gelitten hast?
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13.5.  Arbeiten – Arbeit, Familie und Freizeit.

Gab es Perioden in deinem Berufsleben, in denen du unter Stress gelitten hast?
Ich denke es gab auch Stress in meinem Berufsleben, aber ich habe immer versucht, meine innere Ruhe und die Gelassenheit zu bewahren, um in Perioden mit erhöhten Anforderungen allen Aufgaben gewachsen zu sein. Dazu kommt, dass das Wort Stress erst nach der Jahrhundertwende wirklich an Bedeutung gewonnen hat und in aller Leute Mund ist.
 
Wenn ich bedenke, was für ein vielfältiges Pensum ich an einem Arbeitstag als Produktionsleiter erledigte, um dann am Abend nach Feierabend in meiner "anderen" Funktion als Leiter des BUE Party Service noch quer durch die Grossstadt Buenos Aires zu fahren um eine Dinner Party bei einem unserer Party Service Kunden zu leiten. Oder mit Vertretern einer unserer internationalen Airline Kunden zum Nachtessen und einer Tango Show zu fahren, in solchen Fällen endete der Arbeitstag einiges nach Mitternacht. Ich bin nicht stolz darauf, aber meine Nachtruhe war sehr oft sehr kurz und betrug nur vier bis fünf Stunden pro Nacht, am nächsten Morgen musste ich wieder frisch, munter und motiviert um acht Uhr meine Arbeit aufnehmen. Aber wie bereits einmal erwähnt, empfand ich meine Arbeit und alles was mit der Arbeit einherging nie als Belastung, und darum glaube ich, hat mich der Stress nie auf die Knie gezwungen.
Kam dein privates Umfeld wegen deiner Arbeit zu kurz?
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13.5.  Arbeiten – Arbeit, Familie und Freizeit.

Kam dein privates Umfeld wegen deiner Arbeit zu kurz?
Meine Familie und die wenigen Freunde kamen sicher immer zu kurz, aber ich hatte keine andere Wahl, zumindest sah ich es so, vielleicht war ich zu egoistisch mit dem Setzen von Prioritäten, so dass ich meine eigenen Interessen über die Interessen der Familie und Freunde setzte. Im Nachhinein ist man immer klüger, es gibt sicher einiges, das ich heute anders machen würde. Aber zu jener Zeit stimmte es für mich und meine Familie, wir haben trotz allem viel Schönes erlebt und gemeinsam genossen, und so blicke ich mit grosser Befriedigung auf mein aktives Leben zurück.
An welche Arbeitskollegen und Vorgesetzte erinnerst du dich gerne?
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13.6.  Arbeiten – Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?.

An welche Arbeitskollegen und Vorgesetzte erinnerst du dich gerne?
Über die Jahre hatte ich das Glück, nicht nur mit guten Berufsleuten sondern auch einzigartigen Menschen zu arbeiten, und dies nicht nur hier in der Schweiz sondern auch in den vielen Ländern,  die ich mein Zuhause nennen durfte.
 
Zuerst gibt es hier meinen guten Freund Rolf, wir gingen zusammen in die Schule, absolvierten zur gleichen Zeit die Kochlehre in Zürich in den sechziger Jahren. Dann trennten sich unsere Wege, jeder versuchte sein Glück auf einem anderen Wege zu finden. Trotz den grossen Distanzen, die uns sehr oft trennten, blieben wir bis heute  in Kontakt und nun sind wir wieder beide in der Schweiz zuhause und treffen uns regelmässig. Ich finde es toll, dass uns dies gelungen ist, denn es gab ja noch kein Internet, und wir mussten uns hinsetzen und ab und zu einen Brief schreiben, damit der Kontakt erhalten blieb.
 
Dann ist da noch René, er kam als junger Koch 1974 mit mir nach Argentinien und arbeitete als mein Sous-Chef im Swissair Restaurant in Buenos Aires. In dieser Zeit lernte er eine hübsche und charmante Argentinierin kennen, aber zu jener Zeit war es unziemlich dass eine junge Dame mit einem jungen Herrn alleine in den Ausgang ging, und so kam es, dass er immer einen "Chaperon" mitführte, wenn er mit der jungen Dame etwas unternehmen wollte. So kam es sehr gelegen, dass wir ab und zu einen Babysitter für unseren Sohn benötigten, so kam René mit seiner jungen Dame als Babysitter zum Zuge, und damit hatten die Eltern der jungen Dame kein Problem, und so hatten sie endlich ungestört Zeit für einander. Nach unserer Zeit in Buenos Aires trennten sich unsere Wege, René ging zurück in die Schweiz und übernahm den Betrieb seiner Eltern, und ich zog weiter. Aber auch hier hat unsere Freundschaft über all die Jahrzehnte hinweg gehalten, mit Briefen und ab und zu mit einen Besuch bei ihm, wenn ich einmal in der Schweiz war oder wenn er mit seiner Frau die Schwiegereltern in Buenos Aires besuchte, kamen sie bei uns vorbei, und so verbrachten wir viele gemütliche Stunden. Jetzt da wir beide im Ruhestand sind, treffen wir uns des Öfteren auf ein Glas Wein oder ein gutes Essen.
 
Dann gibt es an vielen Ecken der Welt gute Kollegen und Freunde die mir viel bedeuten, und den Kontakt zu ihnen pflege ich, heute dank Internet, sehr intensiv. Da gibt es die beiden Jorge's in Buenos Aires, beides Unternehmer der Lebensmittel-Industrie mit viel Herzblut, dann ist da noch Alejandro, welcher sich die Mühe nahm, eine meiner verrückten Ideen aufzunehmen und neue, in Argentinien unbekannte Gemüseprodukte anzupflanzen. Auch  Dr. Ricardo Sobol, seines Zeichens Lebensmittelinspektor darf nicht unerwähnt bleiben, mit seinem enormen Fachwissen war er eine wichtige Stütze in all den Jahren und wurde einer meiner guten Freunde. 
 
Dann natürlich meine Freunde und Berufskollegen vom Club of 9 in London (Peter Kromberg, Guy Moullieron, Richard Sheperd, Uwe Zahnder, Anton Mosimann, Bernard Gaume, Michel Bourdin, Hans Huber).  Sie alle waren in grossen Hotels als Küchenchefs oder als selbständige Gastronomen tätig, aber als Mitglied im Club of 9 nahmen wir uns einmal im Jahr Zeit, um ein Charity Dinner für einen wohltätigen Zweck zu organisieren. Da standen wir dann zusammen in der Küche und jeder war für einen Gang des Menüs verantwortlich, da ging es manchmal heiss zu und her ,aber es hat uns zusammen geschweisst, und wir sind bis heute gute Freunde geblieben.



(1) Charity Dinner Club 9 London 1976 - von links- G.Mouilleron, B.Gaume, F.Muntwyler, M.Favre, R.Sheperd, B.Bourdin, U.Zander, A.Mosimann, P.Kromberg, J.Huber
Charity Dinner Club 9 London 1976 - von links- G.Mouilleron, B.Gaume, F.Muntwyler, M.Favre, R.Sheperd, B.Bourdin, U.Zander, A.Mosimann, P.Kromberg, J.Huber

Nicht vergessen darf ich hier mein grosses Vorbild - Herr Paul Spuhler, ehemaliger Küchenchef im Dolder Grand Hotel und ein guter Freund bis zu seinem Tode vor ein paar Jahren (siehe auch frühere Kapitel).

Zu guter Letzt  muss ich auch meine Kollegen in China erwähnen, zu erst Mrs. Abby Ding, meine Übersetzerin und Nachfolgerin als Geschäftsführer in Shanghai, Mr. Wang, mein Deputy, und Mr. Ma als Mitglied des Verwaltungsrates und nicht zu vergessen die gute Seele des Betriebes in Shanghai - Mr. Richard Shen. Sie alle waren wichtige Stützen beim Aufbau des Betriebes in Shanghai, und zusammen haben wir vieles erlebt und erreicht.


(2) Auf Besuch in der Schweiz 2004 - von links - Mr.Wang, Mr.Hu, Mr.Ma, Mrs.Ding (meine spätere Nachfolgerin), Mr.Muntwyler
Auf Besuch in der Schweiz 2004 - von links - Mr.Wang, Mr.Hu, Mr.Ma, Mrs.Ding (meine spätere Nachfolgerin), Mr.Muntwyler

 

 

 



Aus welchen Arbeitskollegen und Vorgesetzten sind Freunde fürs Leben geworden?
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13.6.  Arbeiten – Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?.

Aus welchen Arbeitskollegen und Vorgesetzten sind Freunde fürs Leben geworden?
Kollegen hat man viele, aber wirkliche Freunde gibt es wenige, in meinem Falle sind dies die im vorhergehenden Kapitel erwähnten Rolf und René hier in der Schweiz. Dann in London Anton Mosimann und Michel Bourdin, in Buenos Aires die beiden Jorge's und Alejandro und in China Abby Ding und Richard Shen.
Gibt es auch solche, die du lieber vergessen möchtest?
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13.6.  Arbeiten – Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?.

Gibt es auch solche, die du lieber vergessen möchtest?
Da ich nicht nachtragend bin, habe ich niemanden den ich lieber vergessen will, wir alle machen irgend einmal Fehler oder haben eine Meinungsverschiedenheit, aber deswegen muss man sich nicht feindlich gesinnt sein.
Wie warst du als Arbeitskollege/-kollegin oder Mitarbeiter/-in?
Seite 207
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13.6.  Arbeiten – Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?.

Wie warst du als Arbeitskollege/-kollegin oder Mitarbeiter/-in?
Ich denke diese Frage sollte man meinen früheren Arbeitskollegen  und Mitarbeitern unterbreiten, denn sie könnten eine viel bessere Einschätzung abgeben. Auf Grund der Rückmeldungen darf ich aber sagen, dass ich immer als ein guter Teamplayer und später als sehr guter, aber auch sehr fordernden Vorgesetzter wahrgenommen wurde, man hat immer hervorgehoben, dass ich ein Talent habe um Leute zu motivieren und zu fördern.

In meiner Zeit in China wurde unser Betrieb (Gate Gourmet hat 120 Betriebe weltweit) zum besten Betrieb Asiens (Asia unit of the year) und im folgenden Jahre zum besten Gate Gourmet Betrieb (Global unit of the year) weltweit erkoren. Mein Arbeitgeber hat mich immer als Beispiel eines inspirierenden Leaders hervorgehoben, und ich denke die hier erwähnten Auszeichnungen für den von mir geführten Betrieb legen davon Zeugnis ab.


(1) Preisübergabe für das Global Unit 2004 with Guy Dubois, CEO Gate Group und Division Asia HQ Members
Preisübergabe für das Global Unit 2004 with Guy Dubois, CEO Gate Group und Division Asia HQ Members

 

 
Gibt es etwas, das du von hervorragenden Vorgesetzen übernommen hast?
Seite 208
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13.6.  Arbeiten – Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?.

Gibt es etwas, das du von hervorragenden Vorgesetzen übernommen hast?
Herr Paul Spuhler, Küchenchef im Dolder Grand Hotel, hat mich sehr fest beeinflusst und von ihm habe ich die Überzeugung übernommen, dass man nur mit Respekt und Menschlichkeit zum Erfolg kommen kann.
Hattest du in deinem Leben einen oder mehrere Mentoren bzw. Mentorinnen? Jemanden, dem bzw. der du viel verdankst?
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13.6.  Arbeiten – Arbeitskollegen ? Vorgesetzte ? Vorbilder?.

Hattest du in deinem Leben einen oder mehrere Mentoren bzw. Mentorinnen? Jemanden, dem bzw. der du viel verdankst?
Meiner Ansicht nach hat man im Leben immer wieder Momente, in denen man bewusst oder unbewusst gefördert wird, oder man vertraut einem neue Aufgaben zu, die einem Helfen zu wachsen, sei es als Berufsmann oder Mensch. Darum bin ich der Meinung, dass ich auf jeder Station meiner Berufslaufbahn etwas mitbekommen habe, welches mir geholfen hat weiter zu kommen. Natürlich gibt es jene Vorgesetzten, die mir speziell im Gedächtnis sind, zuallererst Herr Paul Spuhler als aussergewöhnlicher Berufsmann und Person, er hat mich inspiriert und war ein lebenslanges Vorbild.
 
Dann ist da noch Peter Kromberg, mein Vorgesetzter in London, er war auch als Mensch und Berufsmann eine Inspiration für uns junge Berufsleute. Er hat mir von Anfang an vertraut und übertrug mir viel Verantwortung innerhalb der Küchenbrigade, er war es auch, der mich nach meiner Rückkehr aus Buenos Aires 1975 ins Spiel brachte als sein Nachfolger als Küchenchef in London. Mit meinen 26 Jahren war ich noch sehr jung für die Übernahme einer Brigade mit 60 Köchen in einem der führenden Hotels in London, aber er hat an mich geglaubt und mich nach seinem Weggang aus der Ferne unterstützt.
 
 
Wie hast du deine Frau bzw. deinen Mann kennengelernt?
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14.  Eheleben

Wie hast du deine Frau bzw. deinen Mann kennengelernt?
Ich lernte meine Frau in London kennen, sie arbeitete im Brown's Hotel in London und unsere Wege kreuzten sich in einem Tanzlokal am Leicester Square. Interessanter Weise nicht beim Tanzen, sondern sie fiel mir auf mit ihrem eingegipsten Arm und dem grossen Pflaster im Gesicht (auf Grund eines Autounfalls als Beifahrerin). So kamen wir ins Gespräch und vereinbarten, das wir uns wieder einmal treffen würden, ohne Datum und Zeit. Es gab auch noch keine mobile Telefonie, und jemanden auf der Arbeit anzurufen war verpönt, und so musste ich hoffen, dass sie wieder einmal im Tanzlokal auftauchen würde. Einige Wochen gingen ins Land bis sie wieder einmal im Tanzlokal auftauchte, diesmal bereits ohne Gips und Pflaster im Gesicht. Ich suchte wieder das Gespräch mit ihr, konnte sie auch zum Tanzen überreden aber leider nicht für ein weiteres Treffen, sie war eine richtige Knacknuss!
Was tatet ihr, um euch zu umwerben und zu erobern?
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14.  Eheleben

Was tatet ihr, um euch zu umwerben und zu erobern?
In unserem Falle hat die Zeit für uns gearbeitet, obwohl London eine Grossstadt ist, kreuzten sich unsere Wege des Öfteren, und so ergab sich eine Einladung zu einem Essen im Swiss Center. Das sich daraus ergebende Gespräch war dann der Beginn unserer Beziehung, wobei zu sagen ist, dass unsere Arbeitszeiten nicht gerade hilfreich waren. Ich hatte meistens Frühdienst von 06:00 bis 15:00 und sie hatte Spätdienst 15:00 - 23:00, und so musste ich auf Schlaf verzichten, wenn ich mich mit ihr Treffen wollte. Dies führte dazu, dass wir uns manchmal uneins waren, ich wollte relativ früh nachhause, weil ich ja früh wieder aufstehen musste, und sie wollte länger bleiben, um den Abend noch zu geniessen. So waren wir des Öfteren uneins, und manchmal stoben die Funken oder sie war für ein paar Tag sauer auf mich, trotzdem haben wir uns letztendlich gefunden und ein Leben zu zweit in Angriff genommen.
Wann wurde klar, dass ihr zusammenleben wolltet? Wann, dass ihr heiraten wolltet?
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14.  Eheleben

Wann wurde klar, dass ihr zusammenleben wolltet? Wann, dass ihr heiraten wolltet?
Der Entscheid zu heiraten kam eigentlich sehr spontan und war so nicht geplant. Im Vorstellungsgespräch bei der Swissair im Jahre 1974 in Zürich für die Stelle im Swissair Restaurant in Buenos Aires wurde ich gefragt, ob ich eine Freundin hätte oder verlobt sei, ich bejahte und wurde daraufhin gefragt, ob wir geplant hätten zu heiraten. Worauf ich erklärte, dass dies eigentlich noch kein Thema sei, aber es sei durchaus möglich, dass wir uns einmal für diesen Schritt entscheiden würden. Auf das Warum dieser Frage wurde mir erklärt, dass sie mir gerne die Stelle offerieren würden, aber es wäre begrüssenswert, wenn ich verheiratet wäre. Da musste ich zuerst einmal leer schlucken und bat um Bedenkzeit, damit ich mich mit meiner Freundin austauschen konnte. Nach meiner Rückkehr brauchte ich zwei Tage bis ich meine Freundin endlich erreichen konnte, und so kam ich recht unter Zeitdruck, denn ich sollte ja der Swissair meinen Entscheid bekanntgeben.
 
Als ich meiner Freundin die Sachlage erklärte und sie auf die daraus resultierenden Veränderungen aufmerksam gemacht hatte, sage sie zu meiner Überraschung ohne zögern - ok, dann heiraten wir und gehen nach Südamerika! Das ging einfach, und ich war erleichtert und besorgt zugleich, denn alles ging ja so schnell, und im Prinzip waren wir gar nicht vorbereitet auf diesen Schritt.

Es zeigte sich dann schnell, dass Heiraten gar nicht so einfach ist, vor allem wenn man nicht die gleiche Nationalität hat. Da meine nun zukünftige Frau aus Jugoslawien stammte, musste sie zwingend in ihre Heimat reisen, um all die notwendigen Dokumente für die Heirat und das Visum für Argentinien zu besorgen. Wie es sich herausstellte, war dies gar nicht so einfach, sie musste viele Tage und Stunden aufwenden und sich bei den Behörden in Belgrad und Sarajevo erklären, stundenlang anstehen und sich wieder erklären, um die benötigten Papiere zu erhalten. Obwohl Jugoslawien 1974 ja ein recht offenes sozialistisches Land war hatten die Behörden doch Mühe mit solchen Anträgen ihrer Bürger. 

Nach ihrer Rückkehr mussten alle Unterlagen (auch meine)  übersetzt und beglaubigt werden, zuerst auf englisch für unsere Ziviltrauung in London und später für die Behörden in der Schweiz. Es gab einiges zu tun, aber alles lief gut ab, und so wurden wir im März 1974 in der Claxton Hall in London getraut.


(1) Hochzeit 1974 in London mit Marcel, unserem Trauzeugen
Hochzeit 1974 in London mit Marcel, unserem Trauzeugen

 

 



Seid ihr in eine neue Wohnung gezogen?
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14.  Eheleben

Seid ihr in eine neue Wohnung gezogen?
Nach der Hochzeit hiess es Koffer packen für eine kurze Hochzeitsreise nach Paris, anschliessend ging es zurück in die Schweiz, um den Visaantrag beim argentinischen Konsulat einzureichen. In Paris wohnten wir in einem kleinen Hotel in der Nähe des Gare de l'Est, und in der Schweiz konnten wir bei meinen Eltern einziehen, also keine Wohnung, nur immer ein Zimmer, und wir lebten aus dem Koffer, denn wir besassen ja nicht viel.
Was ist dir vom ersten Ehejahr in Erinnerung geblieben?
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14.  Eheleben

Was ist dir vom ersten Ehejahr in Erinnerung geblieben?
Ich habe eigentlich nur gute Erinnerungen an unser erstes Ehejahr, natürlich war es ein sehr hektisches Jahr. Die Hochzeit im März, dann das Beschaffen der Visas für Argentinien, den am 1. Mai sollte es in Buenos Aires losgehen. Wegen der politisch instabilen Lage ging es dann zuerst für ein paar Wochen zum Arbeiten nach Madrid, und so wohnten wir im Hotel und unser Leben war eigentlich ziemlich improvisiert, ein Leben aus dem Koffer war angesagt, und wir mussten uns an viel Neues gewöhnen. Auch das Zusammenleben musste gelernt werden, vor allem für meine Frau war es nicht einfach, da ich morgens früh aus dem Hause ging und abends relativ spät wieder "nachhause" kam. Sie sprach damals noch kein Spanisch, und Spanien war nicht das Land das es heute ist, alles war noch sehr einfach und praktisch niemand sprach Englisch, so verbrachte sie abenteuerliche Stunden unterwegs in der Stadt. Aber sie hat dies mit Bravour gemeistert und war immer guten Mutes und ihrem Naturell entsprechend sehr fröhlich, und so vergingen die Wochen bis zu unserer definitiven Abreise nach Buenos Aires ohne Problem und wie im Fluge.

Dann kam die Reise nach Buenos Aires und damit der Neuanfang in diesem fernen und uns fremden Land. Wir erhielten eine schöne Wohnung im Zentrum von Buenos Aires an der Strasse Carlos Pellegrini, nur etwa zehn Minuten zu Fuss von meinem Arbeitsplatz. Die Wohnung lag im 7. Stock und war ganz neu und sehr gross, wir hatten für uns zwei drei Schlafzimmer, ein sehr grosses Wohnzimmer, zwei Badezimmer und einen grossen Balkon, und so fühlten wir uns anfänglich recht verloren, in dieser recht grosszügigen Wohnung. Am Tage nach der Ankunft musste ich gleich meine Stelle antreten, und so musste meine Frau einmal mehr ihren Weg in der neuen Heimat selber finden. Kein leichtes Unterfangen, aber die Portenos (so nennen sich die Bewohner von Buenos Aires) sind sehr hilfsbereite Leute, und so war es gar nicht so schwierig sich zurecht zu finden.

In der Zwischenzeit war meine Frau auch schwanger geworden, und so mussten wir uns auch noch auf die Suche nach einem Arzt mit Zugang zu einem guten Spital machen. Also wir waren enorm beschäftigt, und so vergingen die ersten Monate wie im Fluge, ein Jahr voller Herausforderungen und schönen gemeinsamen Erlebnissen.

Auch die bevorstehende Geburt unseres ersten Kindes hielt uns auf Trab. Da man das genaue Datum nicht vorhersagen kann, war es für uns fern der Heimat und ohne Unterstützung der Familie eine zunehmende Belastung. Je näher das geschätzte Datum rückte, umso mehr Sorgen machte ich mir, denn ich ging ja jeden Tag arbeiten und meine Frau blieb alleine zu hause, wir hatten kein Telefon in der Wohnung, es gab damals noch keine Mobile phones! Und so kam es, dass ich am Abend des 6. Dezembers 1974 um ca. 19:30 auf der Arbeit informiert wurde, dass meine Frau im Spital sei, aber ich sollte mich beeilen, wenn ich bei der Geburt dabei sein möchte. Das war leichter gesagt als getan, mitten in der Stosszeit ein Taxi zu bekommen war schwierig genug,  und damit noch durch die halbe Stadt zu fahren, war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Als ich endlich im Spital ankam und die Treppe in den ersten Stock hocheilte, kam mir der Arzt entgegen und gratulierte mir zur Geburt unseres Sohnes, alles sei gut und schnell gegangen und Mutter und Kind seien wohlauf.

Drei Tage später konnte ich meine Frau und den Sohn abholen, und an diesem Tage begann eine neue, schöne und verantwortungsvolle Etappe in unserem Leben. Damit ist auch alles gesagt zur Erinnerung des ersten Ehejahres, welches voller neuer Eindrücke, grossen Wechseln und einer recht grossen Belastung fern der Heimat war.
 
Wie sah euer finanzielles Arrangement aus?
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14.  Eheleben

Wie sah euer finanzielles Arrangement aus?
Da wir sprichwörtlich bei null anfingen, war alles ganz einfach, ein Bankkonto und beide hatten uneingeschränkten Zugang zum Konto mit der Bankkarte und der Kreditkarte. Wir basierten unsere Ehe auf Vertrauen und gleichen Rechten und sind unser ganzes Leben gut gefahren damit. 
Was machtet ihr und macht ihr gemeinsam?
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14.  Eheleben

Was machtet ihr und macht ihr gemeinsam?
Da mein Leben ziemlich von der Arbeit geprägt war, gab es nicht viele Momente für gemeinsame Unternehmungen. Ich denke, was unsere Ehe auszeichnet ist und war die gegenseitige Unterstützung mit all den vielen Umzügen in andere Länder und den damit verbundenen Herausforderungen. Sicherlich war und ist das Reisen eine Gemeinsamkeit, getrieben von unserer Neugier für andere Länder und Kulturen, sind wir immer wieder aufgebrochen um neue Horizonte zu entdecken aber auch, um unseren Kindern zu zeigen was es da draussen zu sehen und entdecken gibt, aber auch um gemeinsam neues zu erleben. Auch heute als Pensionierte ziehen wir immer wieder los, mit dem Zug, mit dem Auto oder mit dem Flugzeug, um neue und uns unbekannte Ecken kennen zu lernen. 
Welches waren die Hochs und Tiefs in eurer Beziehung?
Seite 217
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14.  Eheleben

Welches waren die Hochs und Tiefs in eurer Beziehung?
Wie in den meisten Ehen gab es auch bei uns Hochs und Tiefs, meistens waren es Momente mit viel Arbeit und der dadurch bedingten Abwesenheit von zuhause und der Familie. Die schwierigste Zeit durchlebten wir, als die Kinder von zuhause auszogen, zuerst entschied sich der Sohn, seine Ausbildung in der Schweiz abzuschliessen und knapp zwei Jahre später zog auch die Tochter in die Schweiz, um ihre Ausbildung an der Hotelfachschule aufzunehmen.

Innert knapp zwei Jahren fanden wir uns plötzlich alleine zuhause wieder und mussten unser gemeinsames Leben neu erfinden, dies war eine grosse Herausforderung, denn es war mir nicht möglich meine Arbeitslast zu verringern, um mehr Zeit für meine Frau zu haben. Es folgte eine recht schwierige Zeit für uns beide, es schien als ob wir auf getrennten Schienen fahren würden, denn für lange Zeit fanden wir keinen Weg mehr zu einander. Meine Frau hatte sich ausschliesslich dem Haus und den Kindern gewidmet, und mit ihrem Wegzug war ihr Lebensinhalt weg, und sie kam sich sehr verloren vor. In dieser Zeit versuchte ich sie zu motivieren für die Suche nach einer Arbeitsstelle, nicht des Geldes wegen, sondern um ihrem Leben einen neuen Impuls zu geben. Nur leider war ich nicht erfolgreich damit, ich habe nie ganz verstanden, warum sie sich nie wirklich mit der Idee einer Arbeitsstelle anfreunden konnte. Aber wie so oft im Leben - kommt Zeit kommt Rat - meine Frau wurde angefragt ob sie Lust hätte sich im Schweizer Altersheim als freiwillige Mitarbeiterin nützlich zu machen. Dies war eine gute Sache, nun hatte sie wieder eine Aufgabe, und vor allem es machte ihr viel Freude und gab dem Nutzen der Zeit einen neuen Sinn. 
Hat sich mit der Zeit eine Eheroutine ergeben? Wie sah diese aus?
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14.  Eheleben

Hat sich mit der Zeit eine Eheroutine ergeben? Wie sah diese aus?
Ich denke, die Tatsache, dass wir oft umgezogen sind hat verhindert, dass bei uns so etwas wie Routine aufkam. Denn jeder Umzug war ein Einschnitt in unser Leben, und wir mussten von neuem unseren Weg finden. Da gab es immer viel zu organisieren, vor allem in Argentinien war das tägliche Leben sehr herausfordernd. Die Infrastruktur war nicht gut und die staatlichen Unternehmen funktionierten nicht wie sie sollten, so gab es des Öfteren kein Gas, dann wieder kein Wasser, und es wenn es ganz schlimm kam, fiel auch noch der Strom aus, man musste immer für alle Fälle gerüstet sein um über die Runden zu kommen. Auch die Versorgungslage in den Läden war nicht sehr gut, vor allem in den Sommermonaten gab es kein Toilettenpapier, Mineralwasser, Mehl, Zucker, Bier, Seife und vieles mehr war immer wieder nicht erhältlich, und so wurde es einem nie langweilig, denn man musste viel Zeit aufwenden, um das nötige in der Stadt doch noch zu finden. In Shanghai waren die Herausforderungen anderer Art, alles war nur auf chinesisch angeschrieben, und so wurde das Einkaufen auch wieder zur Herausforderung, es dauerte seine Zeit bis wir auch hier unseren Weg fanden und immer das Richtige einkauften und zuhause keine Überraschungen erleben mussten.

Dazu kam, dass wir ein reich befrachtetes Sozialleben hatten und eigentlich immer viel unter die Leute kamen, sei es für ein Dinner, Tangoshows oder Konzerte, es gab immer viel Abwechslung in unserem Leben, so das es gar keinen Platz hatte für Routine. Die Eheroutine stellte sich erst nach der Pensionierung ein, denn unser Leben hier in der Schweiz wurde viel einseitiger, als wir es je zuvor erlebt hatten, ja ich finde sogar, unsere Welt ist seit der Pensionierung sehr klein geworden.
Gabe es eine Arbeitsteilung zwischen euch?
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14.  Eheleben

Gabe es eine Arbeitsteilung zwischen euch?
Von Anbeginn unserer Ehe war bei uns klar, dass wir eine vollwertige Partnerschaft leben werden, das heisst, jeder hat seinen Verantwortungsbereich und hat des andern Vertrauen. So kam es, dass meine Frau unser "Innen-Minister" war und ich der "Aussen-Minister", das heisst Haus und Kinder, Einkaufen etc. war des Innen-Ministers Verantwortung, und ich als Aussen-Minister kümmerte mich um alles was darum herum anfiel. Diese Arbeits-und Verantwortungsteilung hat bis heute bestens funktioniert, und ich denke, dass wir dank diesem System bis heute ein wunderbares Miteinander hatten.
Wie war eure Hochzeit?
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14.  Eheleben

Wie war eure Hochzeit?
 Unsere Zivilhochzeit fand in London statt und war einfach, wir hatten nicht viel Geld für ein Fest. Zum Glück erwies sich mein Arbeitgeber als sehr grosszügig, es wurde eine Cocktailparty organisiert, wo ich/wir mit unseren Freunden und Bekannten auf unsere Zukunft anstossen konnten. Dem Druck meiner Familie nachgebend, organisierten wir ein paar Wochen später noch eine kirchliche Trauung in Zürich, bevor wir uns ins Ausland verabschiedeten.

Es war für uns recht einfach, denn ich durfte hier auf die Hilfe meiner Eltern und meines Patenonkels (seines Zeichens Katholischer Pfarrer) zählen, und so gab es für uns wenig zu organisieren, alles oder das meiste war schon getan. Wir mussten vor der Trauung noch zu einem Gespräch beim Kath. Pfarrer vorstellig werden, aber bevor es zum Gespräch kam, erlebten wir noch eine Überraschung, eine die ich so nie erwartet habe, vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass wir im Jahre 1974 waren. Denn es stellte sich heraus, dass der Pfarrer mit dem wir unser Gespräch führen sollten, ein alter Bekannter aus London war, einer, auf den ich nicht immer gut zu sprechen war, denn er machte sich einen "Sport" daraus, mir die Tanzpartnerin auszuspannen. Mein Erstaunen war gross und ich denke, er wäre am liebsten im Boden versunken, als er mich so vor sich sah. Wie man sich vorstellen kann, hat das Gespräch dann seinen eigentlichen Zweck nicht erfüllt, denn mit welcher Glaubwürdigkeit kann ein Pfarrer sprechen, wenn er in einem Zwischenjahr (wie er uns erklärte) so richtig auf den Putz gehauen hat?!

Wie dem auch sei, die Hochzeit fand an einem Samstag-Nachmittag in der Kirche St. Gallus in Schwamendingen statt. Nach den obligaten Fotos vor der Kirche mit Familie und Freunden gab es eine Car-Rundfahrt durch das Zürcher Weinland und am Abend ein Essen im Rest. Alter Tobelhof in Gockhausen. Alles in allem ein gelungener Tag im Kreise der Familie, mit einem guten Essen, einem guten Tropfen und viel Musik zum Tanzen und Fröhlichsein. Es sollte für viele Jahre das letzte Mal sein, das die ganze Familie so zusammen feiern und fröhlich sein konnte. 


(1) Hochzeit Zürich 1974 mit den Trauzeugen Marcel und Alice sowie meinen Freunden Rolf (ganz links) Rene (hinten) und Caesar (ganz rechts)
Hochzeit Zürich 1974 mit den Trauzeugen Marcel und Alice sowie meinen Freunden Rolf (ganz links) Rene (hinten) und Caesar (ganz rechts)

 

Würdest du wieder heiraten?
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14.  Eheleben

Würdest du wieder heiraten?
Würde ich wieder heiraten? Diese Frage habe ich mir oft gestellt, denn wenn ich ehrlich bin mit mir selbst, so war für mich der Beruf immer wichtiger als alles andere, oft genug warf mir meine Frau vor "du bist mit deiner Arbeit verheiratet"! Nicht gerade schmeichelhaft, und ich habe mir auch immer wieder ein schlechtes Gewissen gemacht, konnte mich aber nie dazu überwinden mein Leben neu aufzustellen, zu sehr liebte ich meine Arbeit und die faszinierenden Aufgaben die sich mir immer wieder boten. 

In meinem ursprünglichen Lebensplan war Heiraten nicht vorgesehen, bis ich dann diese sympathische und hübsche junge Dame kennen lernte, dann war es um mich geschehen und als mir dann, wie beschrieben, noch die Stelle in Buenos Aires angeboten wurde, gab es kein Halten mehr und ich heiratete. Auch wenn wir es schön hatten und haben, so denke ich doch, dass ich nicht unbedingt ein guter Partner war, nur dank dem grossen Verständnis und der Geduld meiner Frau ist es gut gekommen. Wäre ich noch einmal in der selben oder einer ähnlichen Situation, so würde ich wahrscheinlich aufs Heiraten verzichten, denn es ist unfair gegenüber der Partnerin wenn man dann so wenig Zeit und Aufmerksamkeit für die Familie hat.


Falls du Kinder hast, inwiefern warst du selbst für ihre Arbeit und Einstellung zur Arbeit ein Vorbild? Oder eben nicht?
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14.  Eheleben

Falls du Kinder hast, inwiefern warst du selbst für ihre Arbeit und Einstellung zur Arbeit ein Vorbild? Oder eben nicht?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich für die Kinder ein gutes oder ein schlechtes Vorbild war, sie sahen sehr wenig von mir, und meine Präsenz in ihrem Leben war sehr limitiert. Die Kinder haben sich oft beklagt, dass ich selten Zeit hätte und immer am Arbeiten sei. Meine Frau hat ihnen dann erklärt, dass ich arbeiten gehe, um Geld für unser Leben zu verdienen und um ihnen später eine gute Ausbildung zu ermöglichen, ohne Arbeit gibt es kein Geld und ohne Ausbildung keine Arbeit. Ich glaube diese Argumentation hat gepasst und den Kindern einen nachhaltigen Eindruck gemacht, beide sind erfolgreiche Berufsleute geworden und sind mit viel Elan und Freude in ihren Berufen unterwegs.

Trotzdem muss ich sagen, dass ich bei beiden lange Jahre auf Ablehnung gestossen bin, der Vorwurf, dass ich ja nie Zeit gehabt hätte, und dass ich kein Interesse für sie gezeigt habe, wog schwer in unserer Beziehung. Auf Grund dessen glaube ich, dass ich nicht unbedingt ein gutes Vorbild als Vater war, ich habe auch gemerkt, dass ich keine Erinnerung an die jungen Jahre meiner Kinder habe, zu sehr war ich von der Arbeit absorbiert. Nicht gerade vorbildlich, und im Grunde genommen bereue ich, dass ich meine Prioritäten mit der Ankunft der Kinder nicht neu gesetzt habe.
Falls ihr Kinder habt, war das ein gemeinsamer Wunsch?
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15.  Kinder

Falls ihr Kinder habt, war das ein gemeinsamer Wunsch?
Wir waren uns von Anfang einig Kinder zu haben, wir waren uns auch einig, dass wir die Kinder früh in unserer Ehe haben möchten. Diese Entscheidung war gesteuert von dem Gedanken jung zu sein für die späteren Grosskinder, aber wie es so ist im Leben, es kam alles anders als geplant, denn so wie es aussieht, wird es bei uns keine Grosskinder geben.
Welche Erinnerungen hast du an die Schwangerschaft(en) und die Geburt(en)?
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15.  Kinder

Welche Erinnerungen hast du an die Schwangerschaft(en) und die Geburt(en)?
Wie bereits einmal erwähnt, habe ich wenige Erinnerungen an die ersten Jahre unseres gemeinsamen Lebens. Mit dem Umzug 1974 nach Argentinien, der neuen Arbeitsstelle und allem was bei so einem Wechsel auf einen zukommt, war ich mehr als ausgelastet. Ich war froh, dass sich meine Frau alleine zurechtfand und ihr die Schwangerschaft keine Probleme bereitete. Bei der Geburt des ersten Kindes kam ich zu spät, als ich im Spital eintraf war der junge Mann bereits auf der Welt, alles war gut gegangen und Mutter und Kind waren wohlauf.
Ich erinnere mich sehr wohl an den Tag, an dem ich beide aus dem Spital abholen durfte, ein extrem heisser Sommertag, der sonst schon hektische Verkehr war an diesem Tage einfach noch etwas chaotischer und zu Fuss wäre man schneller vorwärtsgekommen. An so einem Tag mit einem wenige Tage alten Kind im Auto (ohne Air condition) unterwegs zu sein, war eine riesige Herausforderung, und ich denke der Taxichauffeur war glücklich, als er uns endlich vor unserem Wohngebäude absetzen konnte. Wir waren übrigens auch froh, dass wir endlich aus dem "Brutkasten" aussteigen konnten.
Unsere Tochter erblickte das Licht der Welt 1976 in London, diese Geburt war ein  Abenteuer der anderen Art. Meine Frau weckte mich so gegen zwei Uhr früh und meinte, dass es Zeit wäre um ins Spital zu gehen, einfacher gesagt als getan, wir hatten auch hier kein Telefon in der Wohnung um einen Transport zu organisieren. Also musste ich die unter uns wohnenden Nachbarn mitten in der Nacht wecken und um Hilfe bitten, sie hatten ein Telefon in der Wohnung und waren zum Glück sehr hilfsbereit. Denn wir brauchten nicht nur einen Taxi, wir brauchten auch jemanden, der während unserer Abwesenheit unseren mittlerweile zweijährigen Sohn betreute. Da der Arzt in einer Geburtsklinik ausserhalb Londons tätig war, mussten wir den Taxifahrer überzeugen, uns nach Stanwell (Surrey) zu fahren, kein leichtes Unterfangen, denn er hatte Angst, nicht schnell genug im Spital zu sein. Nachdem er endlich einwilligte, ging es zügig durch die nächtlichen Strassen Richtung Stanwell, aber die Wehen wurden immer stärker und wir machten uns Sorgen, dass wir das Spital nicht rechtzeitig erreichen würden. Nach fast einer Stunde Fahrt schafften wir es rechtzeitig ins Spital, und zwei Stunden nach unserer Ankunft wurde unsere Tochter geboren. Kurze Zeit später musste ich nachhause eilen, denn unsere Nachbarn, die netterweise unseren Sohn in ihre Obhut genommen hatten, mussten arbeiten gehen. Da wir sonst niemanden hatten, der auf unseren Sohn aufpassen konnte, entschied ich mich, ihn auf die Arbeit mitzunehmen im Wissen, dass mein Vorgesetzter dafür Verständnis haben würde. Nach einer kurzen Nacht und dem ganzen Stress war ich ziemlich geschafft, musste aber noch die Arbeit organisieren, damit ich nachher mit meinem Sohn ins Spital gehen konnte, damit er unser neues Familienmitglied kennen lernen konnte. Diese Geburt und das ganze drumherum habe ich als eine sehr belastende Zeit in Erinnerung, denn wir waren allein und hatten niemanden, der uns zur Seite stehen konnte. Die Belastung für meine Frau, nach der Rückkehr aus dem Spital, war enorm hoch, und sie musste alles, aber auch alles alleine besorgen, zu jener Zeit gab es noch keinen Vaterschaftsurlaub.
Wie habt ihr euch in den ersten Jahren organisiert? Gab es eine Arbeitsteilung?
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15.  Kinder

Wie habt ihr euch in den ersten Jahren organisiert? Gab es eine Arbeitsteilung?
Bei uns gab es nicht viel zu organisieren, wir waren fern von Familie und Freunden und mussten selber schauen, wie wir mit der neuen Situation über die Runden kommen. Natürlich waren wir anfänglich verunsichert, denn man lernt ja nicht, wie man mit einem Neugeborenen umgehen muss, und wir konnten auch niemanden um Rat fragen, wir waren ja neu zugezogen und kannten niemanden der uns beistehen konnte. 
Grundsätzlich gab es bei uns eine Gewaltentrennung, meine Frau kümmerte sich um Familie & Heim, und ich ging arbeiten und verdiente das Geld um die Familie zu ernähren. Ich habe meine Frau immer bewundert, wie sie mit der nicht immer einfachen Situation, ganz auf sich gestellt zu sein, Kinder gross zu ziehen, fertig wurde. Sie hat das immer mit Bravour gelöst, und ich habe mich oft gefragt, wie macht sie das alles so ganz alleine. Aber es gab keine Alternative, ich ging früh aus dem Hause und kam spät abends wieder nach Hause, und so lag die ganze Verantwortung immer auf ihren Schultern. Es war bewundernswert, wie sie alles immer unter "Dach und Fach" brachte, Kochen, Waschen, Putzen, sich mit den Kindern abgeben, Einkaufen etc. und dann noch Zeit finden, um mit den Kindern zu spielen oder an die frische Luft zu gehen.


(1) Als Familie 1977 - Park West Wohnung,London
Als Familie 1977 - Park West Wohnung,London

 

 

Wie waren die Auswirkungen der Kinder auf deine Ehe?
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15.  Kinder

Wie waren die Auswirkungen der Kinder auf deine Ehe?
Ich glaube zu der Zeit, als unsere Kinder in unser Leben traten, machte man sich noch nicht so viele Gedanken über das was sich mit ihrer Ankunft verändert hat oder verändern wird. Man hatte ganz andere Sorgen, als sich mit solchen Gedanken zu befassen, man war einfach glücklich und zufrieden, dass es den Kindern und der Familie gut geht, und man hat die gemeinsamen Momente genossen. Ich wage zu sagen, dass wir nicht bereits 45 Jahre verheiratet wären, wenn die Ankunft der Kinder oder auch die konstanten Veränderungen in unserem Leben ein Problem gewesen wären.
Wie veränderte sich durch die Kinder eure Beziehung zu euern Eltern bzw. Schwiegereltern?
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15.  Kinder

Wie veränderte sich durch die Kinder eure Beziehung zu euern Eltern bzw. Schwiegereltern?
Bedingt durch die Distanz zu den Eltern/Schwiegereltern ergab sich mit der Zeit so etwas wie eine Entfremdung. Natürlich versuchte man den Kontakt zu erhalten, ich schrieb jede Woche einen Brief nach Hause und erzählte von unserem Leben, erzählte von den Fortschritten der Kinder, sandte Fotos, damit sie an unserem Leben teilhaben konnten und sich ein Bild über ihre Grosskinder machen konnten.
Es dauerte im Schnitt zwei Wochen, bis ein Brief aus Argentinien in der Schweiz ankam, und ich weiss von meiner Mutter, dass sie jeweils kaum warten konnte bis wieder ein Brief eintraf. Trotz diesen Bemühungen stellte sich mit der Zeit die Entfremdung ein, die Kinder konnten keine Beziehung zu ihren Grosseltern aufbauen, das gleiche passierte im umgekehrten Sinne aber auch. Die Tatsache, dass wir nur alle zwei/drei Jahre einmal in die Heimat reisen konnten, hat natürlich auch eine Rolle gespielt und dazu beigetragen, dass die Beziehung vor allem zu den Kindern immer sehr distanziert und "unterkühlt"war. Im Prinzip finde ich es schade, dass die Kinder ohne wirklichen Kontakt zu den Grosseltern aufgewachsen sind, ich denke dieser Kontakt ist enorm wichtig im Leben eines heranwachsenden Kindes.
An was für unvergessliche Momente die Kinder betreffend magst du dich zu erinnern?
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15.  Kinder

An was für unvergessliche Momente die Kinder betreffend magst du dich zu erinnern?
Ich denke es gab immer wieder unvergessliche Momente im Bezug auf unsere Kinder, aber etwas wirklich Spezifisches könnte ich beim besten Willen nicht aufzählen. Was mich immer wieder beeindruckt und gefreut hat, ist die Art und Weise wie die Kinder mit dem ewigen Umziehen und neuen Sprache lernen umgegangen sind. Sie haben dies einfach weggesteckt und dort weiter gemacht, wo sie am vorherigen Wohnort aufgehört hatten. Sie fanden auch immer schnell Anschluss, fanden Kollegen und Freunde und fühlten sich nach kurzer Zeit schon wieder zuhause. Zu sehen und erleben wie sie nach kurzer Zeit wieder glücklich und zufrieden in ihrem neuen Umfeld waren, sind für mich unvergessliche Momente gewesen.
Wie waren eure gemeinsamen Ferien?
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15.  Kinder

Wie waren eure gemeinsamen Ferien?
Bei uns gab es zwei Sorten Ferien, so alle zwei / drei Jahre Familienbesuch in der Heimat (Schweiz und Jugoslawien) und dies waren aus naheliegenden Gründen nicht immer die besten Ferien. Meistens waren wir nach den Ferien nicht wirklich erholt, die ganzen Besuche waren doch recht anstrengend, vor allem im Jugoslawien von damals war das Reisen recht mühsam, da es kein wirklich funktionierendes öffentliches Transportwesen gab. 

Die zwischen diesen Jahren liegenden Ferien waren immer sehr schön und spannend, denn wir versuchten unseren Kinder unser jeweiliges Gastland näher zu bringen, und so ergaben sich immer tolle und unvergessliche Reisen. Es war wunderschön zu sehen, wie die Kinder all die neuen Eindrücke aufnahmen und wir alle die Zeit des gemeinsamen Entdeckens genossen. Ich glaube, dass wir als Familie sehr viel unternommen haben (Australien, China, USA, Kanada, Brasilien, Ecuador, Mexico, Dom. Republik ) und den Kindern Gelegenheit gaben, die Welt zu sehen, neugierig zu sein und sich von der Vielfalt der Kulturen inspirieren zu lassen. 
Wie würdest du euer Familienleben beschreiben?
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15.  Kinder

Wie würdest du euer Familienleben beschreiben?
Unser Familienleben war geprägt von meiner unregelmässigen Arbeitszeit, die einzige gemeinsame Mahlzeit war das Frühstück und sonst war ich abwesend am Familientisch, ausser an meinem freien Tag, welcher meistens auf den Sonntag fiel. Trotzdem wage ich zu behaupten, dass wir ein schönes und harmonisches Familienleben hatten und immer noch haben. Wie bereits in einem anderen Zusammenhang erwähnt, meine Frau hat das Zuhause bestens organisiert und immer dafür gesorgt, dass die "Familienwelt" funktionierte und sich die Kinder geborgen fühlten. Sie sorgte dafür, dass die Kinder keinen Termin verpassten, half bei den Hausaufgaben, war Chauffeur für die Kinder und organisierte die Freizeit so, dass es immer etwas gab für jeden Geschmack. 
Verfolgtet ihr klare Erziehungsprinzipien? Warst du damit erfolgreich?
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15.  Kinder

Verfolgtet ihr klare Erziehungsprinzipien? Warst du damit erfolgreich?
Meine Frau und ich kamen aus einfachen Verhältnissen, und wir mussten von früh an zuhause anpacken und lernten so Verantwortung zu übernehmen. Es hat uns nicht geschadet, im Gegenteil, es hat uns gut auf das Leben vorbereitet.
So wuchsen auch unsere Kinder mit kleinen "Aemtli's" auf, sie lernten Verantwortung zu übernehmen und sie lernten, dass man mit so kleinen Arbeiten auch etwas Geld verdienen konnte. Wir hielten sie an, das Geld nicht gleich wieder auszugeben, sondern es zu verwalten und es sinnvoll einzusetzen. Natürlich gab es ab und zu Diskussionen, vor allem dann, wenn sie andere Pläne hatten und glaubten, man könne sich einfach aus der Verantwortung stehlen weil man etwas anderes tun wollte. Wir fanden meistens eine gute und friedliche Lösung, so dass alle zufrieden waren und es keine langen Gesichter gab.
Es war für uns auch wichtig, dass wir, meine Frau und ich, nicht von den Kindern ausgespielt wurden. Wir waren immer einer Meinung, die Kinder konnten nicht darauf setzen, dass die Mutter eine andere Antwort als der Vater geben würde, oder umgekehrt. Die Einigkeit zwischen meiner Frau und mir hat sicher geholfen, dass unsere Erziehungsprinzipien ein gutes Resultat gebracht haben ohne, dass die Kinder das Gefühl hatten in ein Korsett gepresst zu sein.
Warst du ein strenger Vater bzw. eine strenge Mutter?
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15.  Kinder

Warst du ein strenger Vater bzw. eine strenge Mutter?
Bedingt durch unsere konstanten Wohnortswechsel war ich relativ flexibel, das heisst es gab gewisse Regeln, die mussten immer eingehalten werden (Respekt - Höflichkeit - Dankbarkeit) und diese waren nicht verhandelbar. In anderen Aspekten passte man sich jeweils dem neuen Land und seinen Gewohnheiten an, dies half mit, dass die Kinder schnell Anschluss fanden und sich relativ schnell einen Freundeskreis aufbauen konnten. Dazu kamen die kleinen "Aemtli", sie mussten lernen, kleinere Arbeiten für die Mutter zu erledigen, dazu gehörte den Tisch decken, Abtrocknen, Geschirr versorgen etc., die eigenen Schuhe selber putzen und das Zimmer aufräumen. Ab und zu, wenn es die Sicherheitslage erlaubte, mussten sie auch kleinere Einkäufe tätigen in den naheliegenden Geschäften, dies, damit sie auch lernten mit Geld umzugehen und vor allem damit sie verstanden, dass alles im Leben einen Preis hat, nichts bekommt man gratis.
Der Sohn wie die Tochter erhielten monatlich ein dem Alter angemessenes Taschengeld, über welches sie selber verfügen konnten. Mit diesem Geld konnten sie tun und lassen was sie wollten, etwas kaufen oder es auf die Seite legen war immer ihre eigene Entscheidung. Sie wussten auch, dass der monatliche Betrag für den ganzen Monat reichen musste, es gab nicht noch etwas dazu wenn Ebbe in der Kasse war.  
Ich bin überzeugt, dass dies den Kindern geholfen hat, selbstständige und verantwortungsvolle Personen zu werden und ihnen auch einen guten Start in ein selbst bestimmtes Leben ermöglicht hat.
Hattest du das Gefühl, dass dir deine Kinder alles anvertraut haben?
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15.  Kinder

Hattest du das Gefühl, dass dir deine Kinder alles anvertraut haben?
Ich glaube nicht, dass die Kinder mir viel anvertraut haben, und zwar nicht aus Misstrauen oder ähnlichen Gedanken, ich war schlichtweg viel zu wenig zuhause. In den Worten meiner Tochter ausgedrückt - "ich erinnere mich nicht sehr an die Präsenz des Vaters in meiner Kindheit !"
Wie wurde das Spielen, Fernsehen oder Computerspielen geregelt?
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15.  Kinder

Wie wurde das Spielen, Fernsehen oder Computerspielen geregelt?
Zur Zeit, als unsere Kinder klein waren, gab es noch keine Computerspiele, im Jahre 1989 kauften wir einen Commodore 64 Computer (MS DOS operating system) weil die lokale Schule in Argentinien den Umgang mit Computern in den Lehrplan aufnahm. Dies war ein grosser Schritt und verlangte von allen Beteiligten viel Aufmerksamkeit, inklusive von uns Eltern, die wir die Benutzung von Computern auch erst lernen mussten. Anfänglich waren die Kinder nicht so begeistert vom Computer, denn aus verständlichen Gründen war der Umgang mit dem Gerät nicht ganz einfach. Aber je mehr sie lernten, umso mehr Spass hatten sie, und es fing an ihnen Freude zu machen, zumal sie lernten kleinere Programme selber zu schreiben (Basic). Aber es war nicht so, dass sie sich für nichts anderes mehr interessierten, Zeit für Freunde oder ein gutes Buch zu lesen war trotz allem noch die bevorzugte Freizeittätigkeit.

Wir brauchten keine Regeln für das Fernsehen, denn der Fernseher befand sich im dritten Stock des Hauses, im ausgebauten Dachstock, und so war es im Sommer extrem heiss dort oben und im Winter meistens kalt und unfreundlich (es gab keine Zentralheizung), und somit war Fernsehen keine gute Option um die Zeit zu vertreiben.
Welche Vorschriften gab es für den Ausgang?
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15.  Kinder

Welche Vorschriften gab es für den Ausgang?
In Argentinien wo unsere Kinder die meiste Zeit ihrer Jugend verbrachten, war das Ausgehen eigentlich kein Problem, denn es gab keine open air's oder andere Plätze/Orte, wo sich Jugendliche treffen konnten. Die Feste wurden immer bei irgend einem Freund/in gefeiert, das heisst das Haus der Eltern diente als Partylokal und die jungen Leute wurden vom "Elterntaxi" gebracht und am morgen früh auch wieder abgeholt. In der Regel wurde der Transport zwischen den Familien so organisiert und koordiniert, das mehrere Jugendliche unterwegs zusteigen konnten, nach Abschluss der Party wurden die Jugendlichen auf die gleiche Art wieder zuhause abgeladen. Solche Party's / Feiern starteten normalerweise so gegen 23 Uhr und endeten so gegen 5 Uhr morgens, somit wusste man wo die Kinder sind und vor allem wusste man bei wem sie sind, also man musste sich keine Sorgen machen.
In den achtziger und anfangs der neunziger Jahre war Argentinien kein sehr sicheres Land, und die Kriminalität war sehr hoch. Aus diesem Grunde gab es praktisch keine Feste und Party's ausser Haus, man feierte zuhause, denn da war man sicher und musste nicht fürchten überfallen zu werden. Mit der verbesserten politischen Lage anfangs der neunziger Jahre wurden dann auch mehr Restaurants und Discotheken eröffnet, und damit begannen die Jugendlichen sich nach aussen zu orientieren. Aber die Methode des Transports blieb die selbe, entweder ein Elternpaar spielte den Taxi oder man organisierte einen vertrauenswürdigen Privat Taxi (Remise) der die Jugendliche von Tür zu Tür brachte, um 23 Uhr hin und um 6 Uhr morgens wieder nach Hause. Alle Jugendlichen wussten, dass wenn sie aus irgendeinem Grunde früher nach Hause wollten, mussten sie zuhause anrufen und warten bis jemand vor Ort war um sie abzuholen. Trotz dem politischen Fortschritt war die Sicherheitslage noch nicht so gut, als dass man einfach ein Taxi hätte rufen können um nachhause zu fahren.
Was wusstest du über die Freunde und Freundinnen deiner Kinder?
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15.  Kinder

Was wusstest du über die Freunde und Freundinnen deiner Kinder?
Zu meinem Leidwesen muss ich sagen, dass ich wenig bis gar nichts weiss über die Freunde und Freundinnen meiner Kinder. Ich war schlichtweg zu wenig zuhause und somit auch nicht unbedingt ein Ansprechpartner für sie.
Wie ist dein Verhältnis zu deinen Enkelkindern?
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15.  Kinder

Wie ist dein Verhältnis zu deinen Enkelkindern?
Der Sohn ist geschieden (kinderlos) und die Tochter hat den richtigen "Prinz" noch nicht gefunden, und damit ist das Thema Enkelkinder abgeschlossen.
Welches Verhältnis hast du heute zu deinen Kindern?
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15.  Kinder

Welches Verhältnis hast du heute zu deinen Kindern?
Ich glaube, dass das Verhältnis mit meinen Kindern besser geworden ist, vor allem seit wir wieder in der Schweiz leben. Es brauchte seine Zeit bis wir uns näher kamen, denn man darf nicht vergessen, dass wir als Familie über zwanzig Jahre getrennt waren, das heisst auf verschiedenen Kontinenten lebten.
Die Kinder gingen zur Ausbildung in die Schweiz, und wir blieben in Argentinien, nach dem Abschluss der Ausbildung gingen die Kinder relativ schnell ins Ausland um Berufserfahrung zu sammeln. So kam es, dass der Sohn für eine Schweizer Bank in Brasilien tätig war und die Tochter für eine Hotelgruppe in Thailand, und ich wurde in der Zwischenzeit nach China versetzt und somit lebte jeder in einer anderen Zeitzone und Kultur. Ich denke dies erklärt, warum wir uns nach meiner Rückkehr in die Schweiz so fremd waren, die Kinder wussten wenig bis gar nichts über mein Leben und umgekehrt wusste ich auch nichts von ihrem Leben.  Mittlerweile verstehen wir uns recht gut, und wir treffen uns ab und zu um ein paar gemütlich Stunden miteinander zu verbringen, ein gutes Essen und ein guter Tropfen sind immer ein gutes Argument für gemeinsame Stunden.
Was hat dir in deinem Leben am meisten Freude bereitet?
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16.  Lebensfreude

Was hat dir in deinem Leben am meisten Freude bereitet?
Rückblickend kann ich nicht sagen, was mir am meisten Freude bereitet hat, ich hatte und habe ein in  jeder Beziehung tolles und spannendes Leben. Ein Leben, das mich in viele Länder geführt hat, mir die Möglichkeit gab, verschiedene Kulturen kennen und schätzen zu lernen und mit Menschen verschiedenster Kulturen zu arbeiten und dabei erst noch tolle Projekt umzusetzen und zum Erfolg zu führen

Hier darf natürlich auch meine Frau nicht fehlen, denn ohne sie wäre all dies nicht möglich gewesen, sie hat immer geschaut dass die "Welt der Familie" intakt war, sie hat geschaut, dass die Kinder trotz der vielen Wohnortswechsel nie den Boden unter den Füssen verloren, und dass sich unser zuhause immer wieder "heimelig" anfühlte, und man sich dort geborgen fühlen durfte. Wenn ich die Familie als das Wertvollste Gut in meinem Leben betrachte, dann hat sie mir am meisten Freude bereitet, die Geburt und das Aufwachsen der Kinder, und es ist wunderbar, dass wir gemeinsam so vieles sehen und erleben durften. Vor allem aber, dass wir heute alle gesund und zufrieden durchs Leben gehen und uns noch immer mit Freude an all die gemeinsamen, und sicherlich auch nicht immer einfache Zeit als Familie erinnern.
Wie erlebst du dein aktuelles Leben im Vergleich zu früher, z. B. deiner aktiven/aktivsten Berufszeit?
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16.  Lebensfreude

Wie erlebst du dein aktuelles Leben im Vergleich zu früher, z. B. deiner aktiven/aktivsten Berufszeit?
Ich bin mir nicht sicher, wie andere Leute sich nach dem Austritt aus dem Erwerbsleben fühlen oder fühlten, ich weiss nur, dass mir für eine Weile der Lebensinhalt fehlte und es mir schwer fiel zu akzeptieren, dass ich aufgrund einer willkürlich gesetzten Zahl im Gesetz nicht mehr arbeiten durfte. Das Gute war, dass ich mich bereits vor der Pensionierung entschloss, mich beim Senior Expert Corps (www.seniorexpertcorps.org) nützlich zu machen, um junge Leute und verschiedene Projekte in Entwicklungsländern zu unterstützen. So kam es, dass ich nun schon einige Einsätze in verschiedenen Ländern leisten durfte, jeder Einsatz ist anders, und man muss mit viel Flexibilität und Geduld ans Werk gehen. Was mir sehr entgegenkommt ist die Tatsache, dass ich fünf Sprachen spreche, Auslanderfahrung habe und gut mit Menschen unterschiedlichster Kulturen arbeiten kann. In den sieben Jahren seit meiner Pensionierung durfte ich Einsätze leisten in Mongolia, Ecuador - Galapagos Inseln, Bolivia, Honduras, Nicaragua, Nepal - 6 x, Kosovo - 6 x, Jeder Einsatz hat eine Dauer von vier Wochen und man kann so einiges sehen und erleben, das Schönste ist aber immer wenn man sieht, was man unter einfachsten Bedingungen alles aufbauen und erreichen kann. Dazu kommt, dass man mit so einem Einsatz Leuten helfen kann, die nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens stehen und sich alles schwer erarbeiten müssen. Diese Einsätze gaben meinem Leben im Ruhestand einen Sinn, ich kann mein Wissen und Erfahrung weitergeben, ich lerne neue Orte und Länder kennen und kann wieder einmal in die Einfachheit des Lebens eintauchen. Es braucht so wenig um glücklich zu sein, und wir Schweizer könnten von diesen Leuten lernen, dass man sich nicht immer über alles und jeden beklagen muss.
Wenn ich nicht unterwegs bin, dann unternehme ich mit meiner Frau sehr viele Bergwanderungen, oder wir sind sonst unterwegs, um die verborgenen Winkel der Schweiz zu entdecken. Es gibt ja so viel Schönes in diesem Lande, aber auch im nahen Ausland gibt es viel zu entdecken, und ich denke es wird uns nicht langweilig werden, vorausgesetzt, dass wir gesund bleiben. Dann geniesse ich natürlich auch die viele Freizeit, um meiner Leidenschaft des Lesens zu frönen, das ist so wunderbar, dass man jetzt ungestört ein Buch lesen kann und es nicht nach ein paar Seiten auf die Seite legen muss.
Falls du in einer Partnerschaft oder Ehe lebst, inwiefern ist das heute Teil deiner Lebenslust?
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16.  Lebensfreude

Falls du in einer Partnerschaft oder Ehe lebst, inwiefern ist das heute Teil deiner Lebenslust?
Ich bin seit 45 Jahren verheiratet und meine Frau ist ein wichtiger Teil meines Lebens, wir haben immer alles gemeinsam gemacht und viel erlebt zusammen. Ich kann mir ein Leben ohne sie an meiner Seite nicht vorstellen, ihre Lebensfreude und Energie ist für mich die Lebenslust, die ich nicht missen möchte.
Gibt es Dinge, die du dir bzw. die ihr euch im Gegensatz zu früher leistet oder mehr geniesst?
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Seite 242 wird geladen
16.  Lebensfreude

Gibt es Dinge, die du dir bzw. die ihr euch im Gegensatz zu früher leistet oder mehr geniesst?
Eigentlich hat sich unsere Lebensweise nicht gross geändert, die grösste Veränderung war der Umzug, die Rückkehr in die Schweiz im 2011. Es war kein leichtes Unterfangen in der Heimat wieder Fuss zu fassen, ich war mir bewusst dass ich/wir uns in all den Jahren im Ausland verändert hatten. Was ich aber unterschätzte ist die Tatsache, dass sich auch die Schweiz verändert hat, und so musste ich schon bald feststellen, dass mir/ uns die Heimat fremd geworden ist.
Aber wir geniessen dieses schöne Land mit seinen vielen Annehmlichkeiten, vieles von dem war uns vorher fremd. Wir geniessen die natürlichen Schönheiten des Landes, die uns immer wieder aufs Neue überraschen, wir geniessen, dass hier alles funktioniert und vor allem, dass hier alles nahe ist, praktisch vor der Haustüre. Wir geniessen die Sauberkeit und Sicherheit im Lande, wir geniessen, dass man nicht immer über die Schulter schauen muss um sich abzusichern, dass man nicht plötzlich unliebsame Überraschungen hat. Ich denke es sind die kleinen Dinge des Lebens, die wir schätzen und geniessen, weil wir diese in vielen Ländern nicht so erlebt haben. Ich denke da an den doch sehr oft sehr blauen Himmel, die angenehmen Temperaturen, das Fehlen einer wirklichen oder so nicht sichtbaren Luftverschmutzung und die Qualität des Wassers. So vieles ist auch heute in der Schweiz noch gut, trotz dem konstanten Klagen vieler Schweizer über Land und Leute. Auch das gut ausgebaute Netz von Wanderwegen macht uns viel Freude, und bis heute haben wir jede einzelne unserer vielen Wanderungen genossen und hoffen natürlich, dass und die Gesundheit erhalten bleibt, damit wir noch ein paar Jahre die Schönheiten der Schweiz erwandern können.
Unternimmst du bzw. unternehmt ihr Reisen? Was gibt euch das?
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Seite 243 wird geladen
16.  Lebensfreude

Unternimmst du bzw. unternehmt ihr Reisen? Was gibt euch das?
Wir sind immer gerne gereist, und so lange wir können werden wir dies auch weiterhin tun. Es immer spannend eine Reise zu planen, sich mit dem Reiseziel zu befassen und sich Gedanken über den Aufenthalt zu machen, damit man die Zeit geniessen kann. Eine Reise gibt uns neue Impulse, man lernt viel, sieht viel Neues und Interessantes, und es bereichert den Geist. Unsere Reisen führen uns immer in Länder oder an Orte, die wir noch nie besucht haben, und zum Teil an Orte, die schon lange auf unserer Liste stehen. 
Meiner Meinung nach sollte man die Neugier, Neues zu entdecken nie aufgeben im Leben, es ist so bereichernd, Neues zu sehen und Neues zu lernen.
Was vermisst du?
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16.  Lebensfreude

Was vermisst du?
Das Einzige was ich wirklich vermisse ist das internationale Umfeld, das ich mein ganzes Leben lang geniessen durfte, die Freunde überall auf der Welt und all das Neue, das es immer zu entdecken und erleben gab. Skype sei Dank, kann man zum Glück auch aus der Ferne Kontakt halten, dies hilft mit, das Vermissen von Freunden und Bekannten etwas einfacher zu machen.
Wie geht es dir bzw. euch finanziell?
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16.  Lebensfreude

Wie geht es dir bzw. euch finanziell?
Um in der Schweiz leben zu können, muss man seine Hausaufgaben gemacht haben, denn sonst reicht es nicht, um seinen Lebensstil aufrecht zu erhalten. Das wichtigste Kapital eines Menschen ist die Gesundheit, und wir sind dankbar, dass wir noch immer jeden Tag aufstehen können, ohne dass uns etwas schmerzt oder zwickt, damit sind die Grundlagen geschaffen, um jeden Tag zufrieden und glücklich zu sein.
Vor kurzem (Herbst 2017) sind wir umgezogen, damit wir für die Zukunft gerüstet sind, ÖV und alle Einkaufsmöglichkeiten sind zu Fuss und in Gehdistanz hindernisfrei erreichbar. Wir sind der Meinung, dass man sich, so lange man noch fit und gesund ist und selber entscheiden kann, darum kümmern soll, eine Wohnung an einem Wohnort zu haben, damit man auch im Alter noch ein selbstständiges Leben führen kann. Dies ist uns nach dreijähriger Suche gelungen, und wir sind sehr glücklich an unserem neuen Wohnort und geniessen die Annehmlichkeiten, die uns der neue Wohnort bietet. Finanziell geht es uns sehr gut, wir haben immer geschaut, dass wir etwas auf die Seite legen konnten, denn mir war immer bewusst, dass man mit AHV und PK alleine nicht über die Runde kommt.
Was ist für dich Luxus?
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16.  Lebensfreude

Was ist für dich Luxus?
Was ist Luxus ? Dazu gibt es viele unterschiedliche Meinungen und Ansichten, für mich ist die Antwort einfach - Luxus bedeutet für mich -  gesund und zufrieden zu sein mit sich selbst und dem Leben, keine finanziellen Sorgen und ein anständiges Dach über dem Kopf zu haben. Für mich bedeuten all die Hochglanz-Prospekte für Luxusferien, Luxus Spa und was einem da noch so um den "Mund geschmiert" wird, überhaupt nichts, es sind alles Oberflächlichkeiten die überhaupt nichts zum Glücklichsein beitragen.
Was schätzt du heute mehr?
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16.  Lebensfreude

Was schätzt du heute mehr?
Seit ich im Ruhestand bin, entdecke ich immer wieder Neues und Interessantes, Sachen und Dinge die immer schon existiert haben, für welche ich aber während meinem Arbeitsleben keine Zeit oder schlichtweg kein Interesse hatte. Es sind Kleinigkeiten die mir fast täglich zeigen, wie interessant das Leben ist, und es zeigt mir aber auch das man nicht immer in die Ferne schweifen muss, um Schönes und Interessantes zu sehen und zu erleben. 
Nachdem ich auf vier Kontinenten gelebt und gearbeitet, viel gesehen und erlebt habe, entdecke ich nun die Schönheit der Heimat. Nicht nur die Szenerie und die Natur, auch die Ruhe, die Sicherheit, die Tatsache, dass alles gut funktioniert und man nicht jeden Tag mit Überraschungen rechnen muss, weil es wieder keinen Strom oder kein Gas gibt. Auch das gut ausgebaute ÖV System ist etwas Wunderbares und vor allem kann man sich darauf verlassen, es funktioniert und bringt einen sicher ans Ziel. Diese Dinge des täglichen Lebens sind für mich Gold wert, und ich schätze es, dass ich all diese Annehmlichkeiten nutzen kann.
Die zusätzliche Freizeit als Rentner ist Segen und Fluch zugleich, zum einen hat man viel Spielraum um die Zeit frei zu gestalten, auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass man sich "treiben" lässt und träge wird. Es braucht schon etwas Selbstdisziplin damit dies nicht geschieht, zum Glück habe ich dieses Problem nicht, geniesse und schätze es, dass ich den Ruhestand gesund und voller Lebensfreude geniessen kann.
Wie haben sich deine Ess- und Trinkgewohnheiten verändert?
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16.  Lebensfreude

Wie haben sich deine Ess- und Trinkgewohnheiten verändert?
Essen und Trinken haben in meinem Leben immer einen hohen Stellenwert gehabt, und ich habe es immer genossen gut zu essen und ein gutes Glas Wein zu trinken. Sicherlich hat dies auch mit meiner beruflichen Tätigkeit zu tun, aber auch damit, dass ich gelernt habe das Essen zu geniessen. Und zwar alles, von der einfachen Mahlzeit bis zum Gourmet-Essen, das eine schliesst das andere nicht aus. Als Anekdote sei erwähnt, dass für mich, in all den Jahren meines Lebens im Ausland, der Genuss eines Cervelats mit einem Bürli das höchste der Gefühle war, und Besucher die mich kannten, machten mir mit diesem einfachen Mitbringsel eine riesige Freude.
In all den Jahren im Ausland, und dank meiner beruflichen Tätigkeit, hatte ich die Gelegenheit, viele der besten Restaurants dieser Welt zu besuchen und dort Kulinarik auf höchstem Niveau zu geniessen. Ich war auch immer sehr neugierig auf Neues, neue Geschmäcker, neue und mir unbekannte Produkte zu probieren und zu sehen und erleben, wie Kulinarik auch in anderen Kulturkreisen ein hohes Ansehen geniesst, und man durchaus uns fremde Produkte schätzen und lieben kann.  Im Laufe der Zeit und über die Jahre hinweg habe ich aber gemerkt, dass die auf hohem Niveau zelebrierte Gastronomie mit der Zeit langweilig wird, vielfach wirkt das Angebotene gekünstelt, denn man will ja unbedingt kreativ und innovativ sein und vergisst ganz, dass das Rad bereits einmal erfunden wurde. Über die Jahre haben sich meine Ess- und Trinkgewohnheiten insofern verändert, dass ich heute selten einen dieser Gourmettempel besuche. Zum einen sind die Preise absolut überrissen, und zum anderen habe ich keine Lust mehr auf endlos lange Menüs. Ich denke es hat auch damit zu tun, dass ich nicht mehr so einen grossen Appetit habe, und mich auch mit dem Konsum von Wein zurückhalte. Einen guten Tropfen in Ehren schätze ich noch immer, aber es muss nicht jeden Tag sein.
Grundsätzlich ist es mir heute wichtig, dass ich/wir uns gesund und ausgewogen ernähren, mit Produkten die nicht um die halbe Welt gereist sind, um auf unserem Tisch zu landen, aber vor allem auch Produkte entsprechend der Jahreszeit zu geniessen. Wir gehen sehr oft bei einem Bauern einkaufen, er verkauft vor allem Früchte und Gemüse in bester Qualität und, was auch noch wichtig ist, ohne lange Reise- und Lagerzeit.
Wenn du auf dein Leben zurückblickst, worauf bist du besonders stolz?
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17.  Worauf ich stolz sein darf

Wenn du auf dein Leben zurückblickst, worauf bist du besonders stolz?
Es gibt viele tolle Momente im Leben, auf die man ganz für sich selber stolz ist, ich bin mir aber nicht sicher, ob diese Momente auch für andere von Wichtigkeit sind.
Anstelle von Stolz möchte ich von Befriedigung sprechen, wenn ich auf mein Leben und das Erreichte zurückschaue. Zum einen ist da die Familie, meine Frau, der Sohn und die Tochter, auf die ich sehr stolz bin, denn sie haben sich immer wieder angepasst an eine neue Welt und Realität des täglichen Lebens, jeder Umzug war eine grosse Herausforderung und stellte sie immer wieder auf die Probe. Ich bin stolz, und froh, dass sie alle diese Herausforderungen gemeistert haben, und wenn ich heute sehe, wie die Kinder beruflich sehr erfolgreich unterwegs sind, dann erfüllt es mich mit grosser Befriedigung und Zufriedenheit.

Im Beruflichen stehen da ein paar Meilensteine die mich mit grosser Befriedigung erfüllen,
zum einen ist da die Tatsache, dass ich bereits mit 26 Jahren Executive Chef in einem Londoner Luxus-Hotel wurde, der Gewinn der Goldmedaillen an der Olympiade der Köche 1972 & 1976 in Frankfurt. Der erfolgreiche Abschluss der Meisterprüfung zum Eidg. Dipl. Küchenchef/Produktionsleiter 1980, und dann natürlich der ganze Verlauf meiner Berufskarriere im Ausland. Dass ich es als Sohn eines "Büezer's" einmal so weit bringen würde, ist und war nicht selbstverständlich. Ich war immer überzeugt, dass man mit Fleiss, Einsatzwille und kontinuierlicher Weiterbildung etwas erreichen kann im Leben, natürlich muss ich hier auch erwähnen, dass es im Leben auch immer wieder Personen braucht, die einem eine Chance geben und vor allem daran Glauben, dass man es schaffen kann und das man sie nicht enttäuschen wird.
Gibt es in deinem Leben Dinge, die du heute bereust?
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18.  Reue

Gibt es in deinem Leben Dinge, die du heute bereust?
Meiner Ansicht nach bringt es nichts, wenn man etwas bereut, was man in der Vergangenheit hätte tun wollen,aber nicht getan hat. Ich glaube man muss immer vorwärts schauen und von der Vergangenheit lernen, aber man kann das, was man nicht getan hat, nicht nachholen. Folglich ist das Bereuen fehl am Platz, denn die Energie die man aufwendet, um die Vergangenheit zu bewältigen, kann man besser hier und jetzt einsetzen, um die Zeit die einem noch bleibt zu geniessen.
Gibt es Dinge, über die du in dieser Autobiografie nicht reden willst oder kannst?
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18.  Reue

Gibt es Dinge, über die du in dieser Autobiografie nicht reden willst oder kannst?
Als die Kinder das Zuhause verliessen um in der Schweiz zu studieren, stürzte ich in eine kleine Lebenskrise und verlor kurzzeitig den "Faden" meines Lebens. Es waren zwei schwierige Jahre bis ich meinen Weg wieder fand, aber über Details dieser Krise möchte ich mich hier nicht äussern.
Ab wann hat dich das Älterwerden beschäftigt?
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19.  Gutes Leben im Alter

Ab wann hat dich das Älterwerden beschäftigt?
Eine gute Frage, das Älterwerden wurde ganz plötzlich zum Thema, es geschah ohne irgendwelche Vorzeichen im selben Jahr, als ich in China ein "neues Leben" anfangen musste, also kurz nach meinem 53. Geburtstag. Plötzlich waren die Gedanken zum Altwerden im Kopf und liessen mich nicht mehr los, alle Versuche, diese Gedanken zu ignorieren, fruchteten nichts. Zum Glück bin ich ein positiv denkender Mensch, und so entschloss ich mich, das Älterwerden nicht als Problem sondern als eine neue Etappe im Leben, welche mir auch wieder viele schöne Momente bringen wird, zu sehen. Damit bin ich bis heute gut gefahren, und hoffe, dass es auch so weiter gehen wird.
Welche konkreten Vorstellungen oder Erwartungen hast oder hattest du in Bezug auf älter werden?
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19.  Gutes Leben im Alter

Welche konkreten Vorstellungen oder Erwartungen hast oder hattest du in Bezug auf älter werden?
Ich hatte keine Vorstellung, was mit dem Älterwerden anders werden würde, natürlich wusste ich von meinen Eltern, dass Älterwerden auch mit Krankheiten und Gebrechen verbunden sein kann, ja dass sogar der Tod ganz plötzlich eintreten kann. Auch wenn uns all dies bewusst ist, so haben wir überhaupt keinen Einfluss auf den Zeitpunkt eines Unfalls, einer Krankheit oder des Todes. Somit habe ich mir zu Herzen genommen, was mir meine chinesischen Kollegen immer wieder gesagt haben: "achtzig Prozent dessen was im Leben geschieht, können wir nicht beeinflussen, besinne dich auf die zwanzig Prozent, die du beeinflussen kannst". Diese Art zu denken hat mir in vielen Momenten geholfen, den Mut nicht zu verlieren und immer mit positiven Gedanken vorwärts zu gehen, mich des Lebens und der anhaltend guten Gesundheit zu erfreuen.
Wie reagiert dein Umfeld generell auf dein Älterwerden?
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19.  Gutes Leben im Alter

Wie reagiert dein Umfeld generell auf dein Älterwerden?
Da wir nirgends wirklich lange gelebt haben, ist mein Umfeld von Kollegen und Freunden ziemlich limitiert, aber mir fällt auf, dass bei den meisten Senioren Krankheit und Gebrechen ein Dauergesprächsthema sind. Ich finde, es ist dem eigenen Wohlbefinden nicht zuträglich, wenn man sich dauernd auf das Negative fokussiert und darob vergisst, sich der schönen und guten Dinge zu erfreuen, die es täglich zu sehen und erleben gibt.
Gibt es Veränderungen im Aussehen, in der Sexualität, in anderen Dingen?
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19.  Gutes Leben im Alter

Gibt es Veränderungen im Aussehen, in der Sexualität, in anderen Dingen?
Die grösste Herausforderung beim Älterwerden ist sicher, dass sich das Aussehen verändert, man sieht sich im Spiegel und wird sich bewusst, dass unser Körper sich verändert. Da wir im Kopf immer noch gleich fühlen und denken neigt man ab und zu dazu sich zu überschätzen, in der Regel merkt man aber schnell, dass der Körper und die Kraft doch nicht mehr gleich sind.
Die Sexualität nimmt im Alter nicht mehr einen so hohen Stellenwert ein wie in jüngeren Jahren, dabei spielt sicher eine Rolle, wie sich der Partner zum Thema stellt. Aber wenn wie bei uns, beide gleich denken und fühlen, dann kann man auch im Alter eine erfüllte Sexualität leben. 
Was tust du für deine geistige und körperliche Fitness? Welche Veränderungen stellst du fest?
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19.  Gutes Leben im Alter

Was tust du für deine geistige und körperliche Fitness? Welche Veränderungen stellst du fest?
Das Thema Fitness hatte immer einen hohen Stellenwert in meinem Leben, und so halte ich es auch heute noch. Regelmässiges Krafttraining für Beine, Oberkörper, Rücken und Bauch hält und stützt die Gelenke, dazu kommt täglich mindestens eine Stunde laufen in der Natur. Im Sommer kommen ausgedehnte Bergwanderungen dazu, diese Bewegung in der freien Natur ist eine wunderbare Medizin für Körper und Geist. Natürlich merke ich auch, dass der Körper nicht mehr die selbe Leistung erbringt, und dass man die Kräfte anders einteilen muss, man mehr Erholungszeit braucht, bis man wieder bereit ist für die nächste Aktivität. Aber deswegen mache ich mir keine Sorgen, es gehört zum Älterwerden, das Schöne ist, dass man niemandem etwas beweisen muss.

Die geistige Fitness erhalte ich mit Lesen von Zeitungen in verschiedenen Sprachen, aber auch mit dem Lesen von Büchern aller Art. Ein guter Zeitvertreib ist auch das Gehirnjogging beim Rätsel lösen, es macht Freude, wenn man merkt, das man plötzlich etwas besser geworden ist, und es scheinbar einfacher geht die Lösung zu finden. Trotzdem gibt es Momente, in denen einem das Gedächtnis im Stich lässt, man kann sich manchmal einfach nicht an einen Namen oder ein Geschehen erinnern. In solchen Momenten fühle ich mich dann schon etwas "alt", und es ärgert mich, dass man Dinge, die man einmal einfach wusste, plötzlich "verloren" hat.
Wie wichtig ist dir deine Selbständigkeit in der Gestaltung deines Alltags? In welchem Ausmass könntest du mit Einschränkungen leben?
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19.  Gutes Leben im Alter

Wie wichtig ist dir deine Selbständigkeit in der Gestaltung deines Alltags? In welchem Ausmass könntest du mit Einschränkungen leben?
Die Selbständigkeit ist ein wertvolles Gut, und diese zu erhalten ist mir sehr wichtig, ich kann mir im Moment nicht vorstellen, wie es wäre, auf Hilfe angewiesen zu sein. Sollte es aber zu Einschränkungen kommen, so glaube ich muss man dies dann annehmen und sich der neuen Situation stellen.
Meiner Meinung nach muss es sehr schwierig, wenn nicht entwürdigend, sein, im Alter ganz auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Ich habe das bei meinem Vater erlebt, der mit 69 Jahren bettlägerig wurde und nichts mehr selber erledigen konnte, obwohl er nicht mehr sprechen konnte, gab er auf andere Art und Weise zu verstehen, wie sehr ihm alles zuwieder war. Ich kann mir nicht vorstellen, so meine letzten Lebensjahre zu verbringen und hoffe, dass ich gesund bleibe und irgendwann einfach sterben kann. 
Welche Bedeutung haben deine Erinnerungen mit dem Älterwerden?
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19.  Gutes Leben im Alter

Welche Bedeutung haben deine Erinnerungen mit dem Älterwerden?
Das Älter werden ist ein interessanter, wenn auch schmerzhafter Prozess im Leben, auf der einen Seite wird einem die Endlichkeit des Lebens bewusst, auf der andern Seite kommen plötzlich alte Erinnerungen auf. Es ist erstaunlich, an was man sich plötzlich wieder erinnern kann, Sachen und Dinge, die nicht mehr präsent waren, tauchen plötzlich wieder auf, und die Vergangenheit läuft fast wie ein Film wieder vor unseren Augen ab. Erlebnisse und Situationen aus der Kindheit werden plötzlich wieder lebendig, manchmal sind solche Momente "Augenöffner" und man sieht gewisse Erlebnisse mit anderen Augen. Natürlich führt dies auch dazu, dass man Vergleiche anstellt mit dem heutigen Leben, und es verleitet einen zu denken, dass die späteren Generationen ein einfacheres Leben haben. Was natürlich nicht so ist, denn jede Generation muss sich mit der aktuellen Situation auseinandersetzen und ihren Weg finden. Ich glaube nicht, dass das Leben an sich einfacher geworden ist, was sich verbessert hat sind der Wohlstand und der Komfort für den einzelnen, zumindest hier in der Schweiz.  
In welcher Form hast du oder ist dein Leben dokumentiert? Wie wichtig ist das für dich?
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19.  Gutes Leben im Alter

In welcher Form hast du oder ist dein Leben dokumentiert? Wie wichtig ist das für dich?
Mein Leben ist eigentlich nicht fest dokumentiert, in jungen Jahren machte ich mir eigentlich keine Gedanken über die Endlichkeit des Lebens. In meiner Jugend sprach man noch nicht so sehr von Tagebüchern, die Mädchen hatten diese Albums, in die Kollegen und Freunde einen Text eintragen durften, aber auch dies war ein sehr selektiver Prozess, es wurden nur "genehme" Freunde und Kollegen angefragt, die anderen blieben aussen vor. Ich habe auch sehr wenige Fotos aus meiner Kindheit, meine Eltern hatten kein Geld für eine Kamera, und so wurden nur Fotos gemacht an Familienfeiern wenn ein Verwandter eine Kamera bei sich hatte.

Mit dem Beginn meiner Lehrzeit änderte sich das, mein Lehrmeister war ein Hobbyfotograph, und er dokumentierte meine Schritte, und so entstand ein erstes Fotoalbum über den Eintritt ins Berufsleben. Nach dem Lehrabschluss konnte ich mit einem meiner ersten Löhne eine günstige Kamera kaufen, was für ein Moment in meinem Leben - sich mit dem eigen verdienten Geld etwas leisten zu können!

Mit dem Beginn meiner Berufskarriere dokumentierte ich, was ich an jedem Arbeitsort gemacht habe, von den Menüs zu den Rezepten, Namen von Kollegen, die zur selben Zeit mit mir an diesem Ort tätig waren. So ergab sich über die Jahre eine ansehnliche Sammlung von Bundesordner und Fotoalben, die meinen beruflichen Werdegang zeigen. Da wir des Öfteren umgezogen sind, wurden diese Unterlagen zuerst bei meinen Eltern im Keller, später dann in einem professionell geführten Lagerraum eingelagert. Über die Jahre sammelte sich einiges an, und als wir ein paar Jahre nach unserer Rückkehr in die Schweiz anfingen das Lager zu räumen, war ich erstaunt was sich da alles angesammelt hatte. 

Da meine Kinder kein Interesse zeigten an diesen Unterlagen, entschied ich mich Schritt für Schritt diese Sammlung zu entsorgen, ich behielt nur Unterlagen, die für mich einen gewissen sentimentalen Wert hatten, der Rest wurde entsorgt. Seit etwas mehr als zwei Jahren bin ich nun dabei, auf Meet-my-life mein Leben zu dokumentieren, eine gute Therapie für die Vergangenheitsbewältigung. Ich glaube aber auch, dass es wichtig ist festzuhalten, wie das Leben kurz nach dem Krieg war und wie man sich ohne all die modernen Hilfsmittel von heute seine Zukunft mit Zielstrebigkeit, Durchhaltewillen und Fleiss erarbeiten konnte.
Inwiefern beschäftigt dich der Gedanke an deine Endlichkeit und seit wann?
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20.  Ausblick

Inwiefern beschäftigt dich der Gedanke an deine Endlichkeit und seit wann?
Mit der Rückkehr in die Schweiz vor sieben Jahren mussten wir viel Neues lernen, dazu gehörte auch das Erarbeiten der ganzen Unterlagen in Hinblick auf den Tod. Obwohl ich bereits mit vierzig, auf Grund meiner enormen Reisetätigkeit, ein Testament erstellt hatte, kam es mir doch komisch vor, dass ich Dokumente erstellen musste, die sich mit dem Ende des Lebens befassten. Ich fand es fast ein bisschen makaber, wie man sich mit dem eigenen Ableben auseinandersetzen musste, dass der Ehevertrag, das Testament und der Vorsorgeauftrag auch notariell beglaubigt sein mussten, fand ich dann schon etwas heftig. Für mich ist das alles fast zu viel des Guten, typisch Schweiz versuchen wir alles geplant und abgesichert zu haben, leider kann man sich dessen nicht erwehren, denn die Verlierer wären der überlebende Ehepartner und die Kinder. Auch das Erstellen einer Patientenverfügung wurde uns empfohlen, als ich nun vor kurzem hörte, dass so eine Verfügung keine Garantie sei, dass die Ärzte diesem Auftrag auch Folge leisten, war ich dann doch sehr erstaunt. Das kann es doch nicht sein, offensichtlich geht es auch hier nur wieder ums Geschäft der Ärzte und Spitäler.
Hat das konkrete Auswirkungen auf deine aktuelle Lebensgestaltung und deine Einstellung zum täglichen Leben?
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20.  Ausblick

Hat das konkrete Auswirkungen auf deine aktuelle Lebensgestaltung und deine Einstellung zum täglichen Leben?
Eigentlich hat das Ganze keine Auswirkung auf meine aktuelle Lebensgestaltung, ich gehe meinen Aktivitäten nach und versuche die Jahre die ich noch habe so gut wie möglich zu leben und zu geniessen. Ich reise nach wie vor in ferne Länder, gehe meiner Tätigkeit als Experte beim Senior Expert Corps nach und geniesse jeden Einsatz und Tag in fernen Ländern. Ich denke, dass das Ende kommen wird, aber man soll sich deswegen nicht jeden Tag Gedanken machen, sondern jeden Tag nehmen wie er kommt und das Leben und das all das Schöne auf dieser Welt geniessen so lange wir können.
Wie würdest du bzw. dein Lebenspartner/deine Lebenspartnerin mit dem Ableben des andern umgehen? Ist das ein Thema, über das ihr spricht?
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20.  Ausblick

Wie würdest du bzw. dein Lebenspartner/deine Lebenspartnerin mit dem Ableben des andern umgehen? Ist das ein Thema, über das ihr spricht?
Ich habe mich mit meiner Frau über dieses Thema unterhalten, und wir sind zum Schluss gekommen, dass man sich diese Situation, sollte sie dann einmal eintreten, nicht wirklich vorstellen kann. Vieles kann passieren, und daher denke ich, dass es keinen Sinn macht sich zu fest mit diesem Moment auseinanderzusetzen, denn in so einem Moment kann die eigene Reaktion auf dieses Ereignis ganz anders sein als man sich das zu Lebzeiten vorgestellt hat.
Hat sich deine Einstellung zu Zeit mit dem Älterwerden verändert?
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20.  Ausblick

Hat sich deine Einstellung zu Zeit mit dem Älterwerden verändert?
Wie bereits einmal erwähnt, das Altwerden ist für mich ein Prozess der Gutes und Schönes vereint, aber es ist für mich auch ein schmerzhafter Prozess. Plötzlich werden einem Grenzen gesetzt, was man gestern noch ohne Problem bewältigte, wird auf einmal zu einer Herausforderung, und dies hat meine Einstellung zum Älterwerden schon etwas verändert. Vor allem auch wenn ich sehe, wie schwer es für viele ältere Personen ist, sich durch den Alltag zu kämpfen, seien es finanzielle Probleme oder körperliche Beschwerden, die ihnen den Lebensabend verbittern.
Wie stellst du dich zu einem Leben in einem Altersheim?
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20.  Ausblick

Wie stellst du dich zu einem Leben in einem Altersheim?
Über das Thema Altersheim habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, und wenn ich ehrlich bin dann hoffe ich, dass ich nie in ein Altersheim gehen muss. Altersheime kommen mir immer vor wie ein Wartsaal auf den Tod, die Leute leben dort ohne irgendwelche Perspektiven und warten bis der Tag vorbei ist. Ich sage dies mit allem Respekt für all die, die ihre alten Tage in einem Altersheim verbringen müssen/dürfen. Aus dem sozialen Umfeld gerissen, stellt sich eine soziale Verarmung ein, die niemandem gut tut und die wahrscheinlich auch dazu beiträgt, dass die Personen mehr und mehr vereinsamen.
Wie soll dein Nachlass geregelt werden? Hast du ein Testament verfasst?
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20.  Ausblick

Wie soll dein Nachlass geregelt werden? Hast du ein Testament verfasst?
Aus Respekt und aus Verantwortung gegenüber meiner Familie habe ich für den Falle meines Todes alles geregelt. Mein Testament habe ich 1990 erstellt, um sicherzustellen, dass für die Familie gesorgt ist, falls mir etwas zustossen sollte. Nach meiner Pensionierung habe ich mich beraten lassen und das Testament neu aufgesetzt, einen Vorsorge-Auftrag erstellt für den Fall, dass ich plötzlich urteilsunfähig sein sollte, und ein Ehevertrag regelt die Situation für meine Frau, damit sie sich für die Zukunft keine Sorgen machen muss.
Hattest du mit Organisationen wie Exit Kontakt bzw wie stellst du dich persönlich dazu?
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20.  Ausblick

Hattest du mit Organisationen wie Exit Kontakt bzw wie stellst du dich persönlich dazu?
Die Sterbehilfe-Organisationen waren schon ein Thema in Gesprächen mit meiner Frau, aber ich / wir haben noch keinen Kontakt aufgenommen. Grundsätzlich bin ich der Meinung wir sollten, im Falle einer schweren Krankheit, die nur Leid und Sorgen für die Angehörigen bringt, die Möglichkeit haben, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Ich denke, dass ich/ wir uns in den nächsten zwei Jahren bei Exit oder Dignitas anmelden werden, um für den Ernstfall gerüstet zu sein.
Welche dieser Wünsche wirst du dir wahrscheinlich noch erfüllen? Wie, mit wem, wann?
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20.  Ausblick

Welche dieser Wünsche wirst du dir wahrscheinlich noch erfüllen? Wie, mit wem, wann?
Im Prinzip bleiben mir keine unerfüllten Wünsche, ich habe so ein spannendes und interessantes Leben gehabt, dass ich all das und wahrscheinlich vieles mehr als geplant bereits erlebt und gesehen habe. Falls noch etwas anstehen würde, so würde ich mir dies zusammen mit meiner Frau erfüllen, wir haben immer alles gemeinsam gemacht, und so soll es bleiben bis an unser Ende.
Was ist dein grösster Wunsch für die nächsten Jahre?
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20.  Ausblick

Was ist dein grösster Wunsch für die nächsten Jahre?
Mein grösster Wunsch ist gesund zu bleiben, und dass ich die verbleibenden Jahre noch lange gemeinsam mit meiner Frau geniessen kann.
Was möchtest du nie mehr missen?
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20.  Ausblick

Was möchtest du nie mehr missen?
Was ich nicht mehr missen möchte, ist ein schönes und komfortables Zuhause, gute Gesundheit und Zeit zum Geniessen, das sind für mich die wichtigsten Zutaten für ein erfülltes Leben im Alter.
Würdest du es geniessen, nochmals in der heutigen Zeit 20 zu sein?
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21.  Jugend heute

Würdest du es geniessen, nochmals in der heutigen Zeit 20 zu sein?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch einmal zwanzig Jahre jung sein möchte, das Leben ist ja nicht grundlegend anders geworden für die jungen Leute von heute. Was sich verändert hat, ist die Art und Weise wie wir Leben, dadurch ist auch die Verunsicherung gestiegen, und durch die Digitalisierung hat sich der Rhythmus des Lebens erhöht. Ob es heute einfacher, schöner und interessanter ist zwanzig zu sein, bezweifle ich, mir scheint als ob alles viel komplizierter geworden sei, aus diesem Grunde würde ich es kaum geniessen noch einmal zwanzig zu sein. 
Gibt es Rastschläge, die du gerne an junge Menschen weitergeben würdest?
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21.  Jugend heute

Gibt es Rastschläge, die du gerne an junge Menschen weitergeben würdest?
Mein Ratschlag an junge Menschen ist relativ einfach, es ist wie beim Bauen eines Hauses. Ein gutes Fundament ist die beste Basis für einen guten Start ins Berufsleben, erstellt einen Plan, der die Linie vorgibt für eure Entwicklung über die nächsten fünf / zehn Jahre.  Was heisst das, legt fest, welche Sprache ihr noch lernen wollt, welche Weiterbildung ist nötig, um das anvisierte Ziel innerhalb der vorgegebenen Zeit zu erreichen. Kurz gesagt, lässt euch nicht einfach treiben in der Hoffnung dass es dann schon etwas geben wird das passt, grosse Ziele werden nur erreicht, wenn man konsequent und planmässig vorgeht.
Was geht dir durch den Kopf, wenn du junge Leute betrachtest, die ihr Leben noch vor sich haben?
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21.  Jugend heute

Was geht dir durch den Kopf, wenn du junge Leute betrachtest, die ihr Leben noch vor sich haben?
Wenn ich junge Leute hier in der Schweiz betrachte, fällt mir auf wie selbstzufrieden sie bereits sind, nichts wird in Frage gestellt, und alles wird als selbstverständlich angenommen. Der Wohlstand dieses Landes wurde durch Weitsicht, Fleiss und viel Arbeit erreicht, und dies scheint vielen nicht klar zu sein, es ist selbstverständlich, dass es so ist. Dazu kommt, dass sich die meisten immer beklagen, zu viel Arbeit, zu viel Stress und... und....! Schuld sind immer die andern, dass man aber sein Leben selber in die Hand nehmen muss um etwas daraus zu machen, das scheinen die wenigsten verstanden zu haben. 
Ich glaube nicht, dass es die Jungen von heute besser haben, es ist einfach anders geworden, und es gibt mehr Möglichkeiten für die jungen Leute. Angefangen bei den viel besseren Verdienstmöglichkeiten, über die Angebote für Weiterbildung und nicht zu vergessen, der Überfluss an Freizeitangeboten macht das Leben für die Jungen nicht leichter. Ich glaube, dass die Jungen von heute viel zu früh im Leben bereits vieles erlebt und besessen haben, und aus diesem Grunde hat sich bei ihnen eine gewisse Perspektivenlosigkeit eingestellt. Denn auf was soll man sich noch freuen, was will man noch mehr machen, ich kenne es doch schon ..! 
Dann macht es mir Sorgen zu sehen, wie leichtfertig unsere Politiker immer mehr Ausgaben für den Unterhalt der Flüchtlinge und all derer, die nicht arbeiten wollen, bewilligen. Es ist ja gut sozial eingestellt zu sein, aber dass die Schweiz zu einem Land verkommt, in dem der Staat alles oder vieles finanzieren soll geht mir doch zu weit. Den Effekt und die Konsequenzen dieses Tuns werden die jungen Leute spüren, und ich bin sicher, dass die komfortable und reiche Schweiz in etwa zwanzig Jahren unter der Last der Vergangenheit ächzen wird.
Praktizierst du eine Religion und wie? Falls nicht, weshalb nicht?
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22.  Religiosität

Praktizierst du eine Religion und wie? Falls nicht, weshalb nicht?
Ich bin in einer streng katholischen Familie aufgewachsen, mein Patenonkel war Pfarrer in Zürich, und eigentlich sollte ich den selben Weg gehen wie mein Patenonkel. Dass es dann anders gekommen ist habe ich in einem vorhergehenden Kapitel erzählt.
Ich glaube meine Zweifel an der katholischen Kirche fingen an nach dem Konzil in den sechziger Jahren. Nachdem man uns jahrelang eingetrichtert hat, was Sache ist im katholischen Glauben wurde derselbe innert kürzester Zeit "modernisiert". Das konnte und wollte ich nicht verstehen, ich habe dieses Thema oft mit meinem Patenonkel diskutiert aber seine Argumente konnten mich nicht überzeugen, und so blieb ich wohl dem Glauben erhalten, aber ich ging nicht mehr zur Kirche. Ich kam zum Schluss, dass ich ein genauso guter Christ sein kann wie jene, die jeden Sonntag in die Kirche rennen. Beten und dankbar sein für das Leben, das kann ich auch im Stillen bei mir zuhause.
Stellst du bei dir mit dem Älterwerden eine veränderte Einstellung zu religiösen Fragen fest?
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22.  Religiosität

Stellst du bei dir mit dem Älterwerden eine veränderte Einstellung zu religiösen Fragen fest?
Meine Einstellung zu religiösen Fragen hat sich mit dem Alter nicht verändert, ich bin nach wie vor überzeugt, dass der Einfluss der religiösen Gemeinschaften grossen Einfluss auf das Verhalten der Menschen hat. Wen ich sehe, wie schicksalsergeben Buddhisten sind, und wie sie alles was ihnen zustösst als "Karma" abtun, dann erstaunt es mich nicht, das viele dieser Länder nicht vorwärtskommen. Denn wenn eine Masse im Glauben lebt, dass erst das nächste Leben besser wird, dann gibt es keinen Fortschritt, sehr oft passt dies ja auch ins Regierungsschema der jeweiligen Regierung, sie können sich die Taschen füllen ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. Dies kann man in fast allen asiatischen Länder beobachten. Ähnliches passiert mit den Moslems, sie werden instrumentalisiert um die Welt zu "erobern" und sie leben in konstanter Angst, das ihnen oder ihrer Familie etwas zustossen wird. Es gab schon einmal so eine Zeit als religiöse Gemeinschaften auszogen, um die Welt zu erobern und zu verbessern, die Resultate dieser Unterfangen sind bekannt, sie alle sind gescheitert.
Hast du dich auch mit anderen Religionen beschäftigt? Mit welchem Ergebnis?
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22.  Religiosität

Hast du dich auch mit anderen Religionen beschäftigt? Mit welchem Ergebnis?
Ich habe mich in meiner Zeit in Asien wohl mit dem Buddhismus und Hinduismus beschäftigt, dies aber aus reiner Neugier, und nicht weil ich die Absicht hatte, mich einer anderen religiösen Gemeinschaft anzuschliessen.
 
Wen oder was unterstützt du konkret mit Zuwendungen? Weshalb machst du das, oder allenfalls nicht?
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22.  Religiosität

Wen oder was unterstützt du konkret mit Zuwendungen? Weshalb machst du das, oder allenfalls nicht?
Grundsätzlich unterstütze ich keine religiösen Kongregationen, ich unterstütze auch keine Hilfswerke, in meinen Augen wird zu viel Geld für die Administration dieser Organisationen aufgewendet, und zu wenig bleibt übrig um Gutes zu tun. Ich habe in all den Ländern wo ich lebte immer die Patenschaft für Kinder übernommen, die Kosten für die Schule und Lehrmittel getragen und konnte direkt vor Ort die Resultate meiner von mir unterstützten Kinder sehen. Solche Hilfe ist für mich nachhaltig, alles Geld in der Welt hilft nichts, wenn die Leute keinen Zugang zu Schulen haben, um das Fundament für das Leben zu bauen.
Glaubst du an Gott?
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Seite 277 wird geladen
22.  Religiosität

Glaubst du an Gott?
Ich glaube an eine höhere Macht, die uns leitet und uns Halt gibt im Leben, für mich ist und war dieser Glaube an eine höhere Macht enorm wichtig im Leben. Dieser Glaube gab mir immer wieder Kraft, um schwierige Situationen zu meistern und gestärkt daraus hervor zu gehen.
Bezahlst du Kirchensteuer? Weshalb bzw. weshalb nicht?
Seite 278
Seite 278 wird geladen
22.  Religiosität

Bezahlst du Kirchensteuer? Weshalb bzw. weshalb nicht?
Seit ich zurück in der Schweiz bin bezahle ich die Kirchensteuer für die Röm. Kath. Kirche, auch wenn ich nicht in die Kirche gehe, so finde ich es nicht mehr als recht, dass ich die anfallenden Steuern bezahle. Kirchen und der damit zusammenhängende Glaube sind ein integraler Teil unserer Kultur, und mit dem Bezahlen der Steuer tragen wir hoffentlich dazu bei, dass Kirchen und der Glaube auch in fünfzig Jahren noch Teil unserer Kultur sein werden.
Warum hast du für deine autobiografischen Aufzeichnungen diesen Titel gewählt?
Seite 279
Seite 279 wird geladen
23.  Nachgedanken

Warum hast du für deine autobiografischen Aufzeichnungen diesen Titel gewählt?
Dies ist eine gute Frage, warum dieser Titel? Ganz einfach, weil ich zeitlebens auf der Suche war, ich wollte Neues entdecken, andere Kulturen erleben und verstehen, Sprachen lernen und meinen Horizont erweitern. In all den Jahren auf verschiedenen Kontinenten und Länder habe ich viel Neues gelernt, habe auch gelernt, dass es nicht per se eine korrekte Art und Weise zu leben gibt, man kann auf viele Arten glücklich sein oder glücklich werden. Ich habe auch gelernt, dass das Gras auf der anderen Seite des "Flusses" nicht grüner ist, überall muss man arbeiten um Leben zu können, nirgends wird einem etwas geschenkt. Ganz nach dem Motto - Ohne Fleiss kein Preis !!
Wie hast du das Aufzeichnen deiner Erinnerungen erlebt?
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23.  Nachgedanken

Wie hast du das Aufzeichnen deiner Erinnerungen erlebt?
Das Aufzeichnen meiner Erinnerungen war sehr interessant und spannend, denn man erinnert sich an Dinge, die man längst vergessen hat. Aber wenn man Orte besucht, die in irgend einer Form im Leben eine Rolle gespielt haben, dann läuft plötzlich ein Film ab, man erinnert sich an Details, an spezielle Momente, und plötzlich sind auch wieder Namen von Schulkollegen präsent, die man längst vergessen hatte. Für mich hat es sich gelohnt, mir die Zeit zu nehmen um meine Biographie zu schreiben, ich fühle mich wie befreit, denn es gab mir die Möglichkeit bis heute Unausgesprochenes zu Papier zu bringen.
Weshalb bzw. für wen willst du über dein Leben, oder wenigstens Teile davon, schreiben?
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23.  Nachgedanken

Weshalb bzw. für wen willst du über dein Leben, oder wenigstens Teile davon, schreiben?
Eigentlich habe ich das Ganze nur für mich geschrieben, denn ich glaube ich habe ein spannendes und interessantes Leben gelebt. Natürlich hoffe ich, dass meine Kinder, wenn sie dann einmal Zeit haben, die Biographie lesen werden und dann vielleicht ihren Vater besser verstehen werden. Ich hoffe, dass sich auch meine Frau einmal Zeit nehmen wird um darin zu "schmökern", den sie war immer eine grosse Stütze, und ohne sie wäre vieles nicht möglich gewesen.
Gibt es Dinge, die du nicht erzählen konntest oder wolltest?
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23.  Nachgedanken

Gibt es Dinge, die du nicht erzählen konntest oder wolltest?
Sicherlich gibt es da ein paar Kleinigkeiten die ich nicht erzählt habe, aber ich bin der Meinung, dass man negative Erlebnisse nicht aufwärmen soll, es bringt nichts und ist letztendlich auch nicht wichtig. 
War das Schreiben eher Freude und Spass oder ein dir selbst auferlegtes Muss?
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23.  Nachgedanken

War das Schreiben eher Freude und Spass oder ein dir selbst auferlegtes Muss?
Das Schreiben hat mir eigentlich Spass gemacht, ich verlor dann aber durch meine Reisen und die dadurch entstandenen Unterbrüche etwas die Freude. Es fühlte sich plötzlich an wie eine grosse Last, im Kopf war alles vorhanden aber ich fand keine Ruhe mehr um  an den PC zu sitzen um zu schreiben. Die Freude und die Leichtigkeit fürs Schreiben kam erst nach unserem Umzug von Luzern nach Zürich zurück, ich kenne den Grund nicht, aber seit wir eingerichtet sind, fällt mir das Schreiben wieder leicht, und es macht mir richtig Freude, diese Biographie zu Ende zu schreiben.
Wie lange hast du daran geschrieben? Geschah das regelmässig?
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23.  Nachgedanken

Wie lange hast du daran geschrieben? Geschah das regelmässig?
Falls ich mich richtig erinnere, dann hat es fast zwei Jahre gedauert, aber wie erwähnt mit vielen und langen, durch meine Einsätze für das Senior Expert Corps bedingten Unterbrüchen. Aber ich glaube es ist wichtig dass man so ein Projekt zu Ende bringt, die Zeit die es dauert ist im Prinzip nicht relevant.
Inwiefern befriedigt dich, was nun von dir schriftlich zurück bleibt?
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23.  Nachgedanken

Inwiefern befriedigt dich, was nun von dir schriftlich zurück bleibt?
Ich spüre so etwas wie Befriedigung, dass ich es geschafft habe, etwas auf Papier zu bringen, welches der Nachwelt einen Eindruck über das Leben zwischen 1948 und 2018 gibt. Aber auch, dass sie sehen wie man im sich im Leben verschiedenen Herausforderungen stellen kann, egal wo und in welchem Kulturkreis, wenn man etwas erreichen will, kann man es immer schaffen.
Was soll von deinem Leben und von der Zeit, in der zu gelebt hast, nicht vergessen gehen?
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23.  Nachgedanken

Was soll von deinem Leben und von der Zeit, in der zu gelebt hast, nicht vergessen gehen?
Ich wünsche mir, dass der eine oder andere von der Freude und dem Enthusiasmus, mit dem ich mein Leben gelebt habe, inspiriert wird. Ich hoffe aber auch, dass man nie vergisst, dass auch die heute reiche Schweiz ein relativ armes Land war, und dass all das was erreicht wurde nur durch harte Arbeit geschaffen wurde. Ich hoffe sehr, dass sich die nächsten Generationen dieser Tugenden besinnen, um dem Land den Wohlstand zu erhalten.
Wie stellst du dir den Leser deiner Lebensgeschichte in Hundert oder Zweihundert Jahren vor?
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23.  Nachgedanken

Wie stellst du dir den Leser deiner Lebensgeschichte in Hundert oder Zweihundert Jahren vor?
Ich denke, dass der Leser der Zukunft, sollte er meine Lebensgeschichte lesen, diese nicht als Buch im heutigen Sinne zu Gemüt führen wird, sondern er wird mit einem digitalen Gerät ausgerüstet das Buch durchforschen. Er wird wahrscheinlich mit Stichworten nach für ihn interessanten Stellen suchen, ich glaube nicht, dass er sich durch das ganze Buch lesen wird.
Wie glaubst du, wird man dich erinnern?
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23.  Nachgedanken

Wie glaubst du, wird man dich erinnern?
Ich glaube, dass man mich auf der einen Seite als sehr guten Berufsmann mit viel Freude an der Sache in Erinnerung halten wird, auf der andern Seite wird man sich aber auch an einen Mann mit viel Empathie für andere Menschen erinnern. Im Prinzip ist es ja nicht so wichtig, ob sich jemand an mich erinnert, denn alles ist vergänglich, und letztendlich ist nicht wichtig, was ich gestern oder in der Vergangenheit getan habe.
Was war, was waren die herausragendsten Veränderungen in der Zeit deines Lebens?
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23.  Nachgedanken

Was war, was waren die herausragendsten Veränderungen in der Zeit deines Lebens?
Der technologische Fortschritt, den wir in unserer Lebenszeit erleben durften ist einmalig, und derselbe hat das Leben doch viel einfacher aber auch komplexer gemacht.
Ich denke da ans Telefon, früher hatten nur einige wenige ein Telefon zuhause, um zu telefonieren musste man aufs Postamt gehen und das Gespräch anmelden, später dann wurden die Haushalte mit einem Telefon ausgerüstet, welch ein Luxus!
Mit der Ankunft des Fernsehens veränderte sich die Gesellschaft ein erstes Mal, es gab jene, die es sich  leisten konnten, ein TV Gerät zuhause zu haben, die anderen pilgerten ins Restaurant, um diese neue Errungenschaft einmal hautnah zu erleben.
Kurz nach der Ankunft des Fernsehens setzte der wirtschaftliche Aufschwung ein, die Leute konnten sich ein kleines Motorrad leisten und mussten nicht mehr mit dem Velo fahren, wie waren wir stolz als wir das Velo auf die Seite stellen konnten.
Der Telex und die Telegramme wurden durch den Fax ersetzt, plötzlich konnte man in kurzer Zeit mit Personen auf der andern Seite der Welt kommunizieren, ohne dass man wochenlang auf eine Antwort warten musste. 
Nach dem Fax dauerte es nicht lange bis die ersten PC's im Arbeitsleben Einzug hielten und unser Arbeitsleben total veränderten, nun war Lernen angesagt, um in der neuen, sich abzeichnenden Arbeitswelt bestehen zu können. Ein paar Jahre später kamen das Internet und E-mails dazu und man musste wieder Neues lernen um weiter bestehen zu können. Mit der Digitalisierung der Arbeitswelt taten sich neue Möglichkeiten auf, und es ergaben sich sehr spannende Jahre mit vielen und vor allem konstanten Changes, die uns als Arbeitnehmer sehr forderten. Plötzlich war man mit der ganzen Welt vernetzt, und vieles was man vorher auf Papier ausdruckte wurde nun von Punkt zu Punkt online abgewickelt, noch vor der Jahrhundertwende gab es in unserer Firma ein Intranet, an dem alle 125 Einheiten auf der Welt angeschlossen waren. Es würde den Rahmen des Buches sprengen, wenn ich hier in Details gehen würde, aber eines ist sicher, die Airline Industry wurde mit der Ankunft des Internets und der Digitalisierung total revolutioniert. Ich bin froh dass ich Teil dieses enormen Wandels sein durfte, es war spannend dabei zu sein, und diese grosse Herausforderung in der Arbeitswelt zu meistern.
Inwiefern waren deine Freunde und Bekannten, die du zur Mitarbeit eingeladen hast, für deine Arbeit wertvoll?
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23.  Nachgedanken

Inwiefern waren deine Freunde und Bekannten, die du zur Mitarbeit eingeladen hast, für deine Arbeit wertvoll?
Leider erwiesen sich die eingeladenen Freunde und Familienmitglieder als nicht sehr interessiert, und haben sich nicht einmal die Mühe genommen, einmal zu schauen was ich da zu Papier bringe. Meine Kinder fanden, dass sie arbeiten müssten und daher keine Zeit hätten für triviale Banalitäten! Ich bin enttäuscht, aber was soll's, letztendlich habe ich mir die Zeit genommen, weil es für mich so etwas wie eine Therapie war, und weil es so für mich wichtig war, meinen Weg durchs Leben zu dokumentieren.
Planst du noch weitere Selbstzeugnisse? Falls ja, dokumentierst du jetzt mit Blick darauf dein aktuelles und zukünftiges Leben, z. B. mit einem Tagebuch?
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23.  Nachgedanken

Planst du noch weitere Selbstzeugnisse? Falls ja, dokumentierst du jetzt mit Blick darauf dein aktuelles und zukünftiges Leben, z. B. mit einem Tagebuch?
Für den Moment habe ich genug geschrieben, aber wer weiss, vielleicht packt mich der Schreibvirus wieder, und dann könnte ich mir vorstellen meine zehn Jahre China auf diese Art und Weise aufzuarbeiten. Das Führen eines Tagebuches ist nicht geplant, aber wahrscheinlich werde ich die digitalen Tagebücher, die ich während jedem Senior Expert Einsatz geführt habe, einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen um zu sehen, ob ich diese Notizen für ein neues, in sich geschlossenes Projekt verwenden soll.
Gibt es Texte, Fragmente früherer Versuche, dein Leben zu dokumentieren? Wie und wo bewahrst du diese auf?
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Seite 292 wird geladen
23.  Nachgedanken

Gibt es Texte, Fragmente früherer Versuche, dein Leben zu dokumentieren? Wie und wo bewahrst du diese auf?
In meinen jungen Jahren als Koch habe ich Buch geführt über jeden meiner Arbeitsplätze, alle Menüs und Rezepte aufgeschrieben, und eine Liste mit den Namen aller Kollegen erstellt, mit dem Ziel, später einmal zu schauen, was aus dem Leben dieser ehemaligen Mitstreiter geworden ist. Über die Jahre ergab sich eine ansehliche Sammlung von Unterlagen, auf Grund meiner ewigen Reiserei schickte ich immer wieder etwas ins Lager in Zürich mit dem Plan und Glauben, dass solche Unterlagen später einmal von Interesse sein würden für junge Berufsleute oder irgendeine Hotelfachschule. Leider war und ist dem nicht so, als ich nach meiner Pensionierung verschiedene Institutionen und Kollegen kontaktierte, gab man mir zu verstehen, dass solche Unterlagen in Zeiten von Internet überhaupt nicht mehr gefragt seien. Das Gleiche wurde mir beschieden, als ich versuchte meine grosse Kochbuchsammlung auf diese Weise in gute Hände zu geben. So kam es, dass ich über die letzten paar Jahre, schweren Herzens, alles was mir lieb war, und ich mit viel Herzblut geschaffen hatte, entsorgt habe. Das einzig Gute war, dass ich eine Bücher Broki fand, die grosses Interesse an meinen Kochbüchern hatte, und so ist der Grossteil meiner Sammlung in der Bücher Broki in Littau gelandet. 

Wenn ich denke, wieviel Zeit und Herzblut, vom Geld gar nicht zu sprechen, in den Aufbau dieser Sammlung geflossen sind, dann ist es schwierig zu verstehen, dass heute kein Interesse vorhanden ist, solches der Nachwelt zu erhalten.
Wie soll mit deinem literarischen Nachlass verfahren werden? Oder mit deinem Nachlass überhaupt?
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23.  Nachgedanken

Wie soll mit deinem literarischen Nachlass verfahren werden? Oder mit deinem Nachlass überhaupt?
Für den Falle meines Ablebens habe ich bereits alles soweit geregelt, alten Ballast entsorgt, ein Testament erstellt und einen Nachlassverwalter bestimmt, damit die Familie sich nicht um die Details nach meinem Ableben kümmern muss. Meiner Ansicht nach ist dies Teil meiner Verantwortung für mein Leben, alles zu Lebezeiten zu regeln, damit man gewisse Details des Nachlasses noch mit der Familie besprechen kann um sicherzustellen, dass alles einmal in guter Ordnung und vor allem in Frieden ablaufen wird. 
Welches war die schönste Zeitperiode deines Lebens?
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23.  Nachgedanken

Welches war die schönste Zeitperiode deines Lebens?
In meinen Augen gibt es keine "schönste" Zeit Periode im Leben, ich empfand jede Periode meines Lebens als schön und bereichernd. Die Jugendjahre waren nicht immer einfach, aber in meiner Erinnerung waren diese Jahre wichtig, um mich zu dem zu machen was ich geworden bin. Das selbe gilt für meine Lehr-und Wanderjahre, diese Jahre waren geprägt von harter Arbeit, nicht immer fairen Vorgesetzten und manchmal auch Ungerechtigkeiten, aber all diese Erfahrungen waren wertvoll, inspirierten und motivierten mich für mein ganzes Leben.

Dank meines erlernten Berufes mit einem guten Fundament, meinen Sprachkenntnissen und meinem Interesse für Neues, öffneten sich mir die Türen zu einmaligen Erlebnissen als Mensch und Berufs Mann auf verschiedenen Kontinenten. Ich blicke mit grosser Dankbarkeit auf ein wunderbares, interessantes und vor allem ereignisreiches Leben zurück, aber auch auf eine sehr befriedigende Berufslaufbahn, welche mir ungeahnte Entfaltungsmöglichkeiten bot. Somit kann ich mit Überzeugung sagen, dass ich jede Zeit Periode genossen habe, auch wenn das jetzt etwas abgedroschen tönen mag, ich habe jeden Tag meines Lebens genossen. Die Arbeit war mir nie eine Last, nein ich ging gerne auf die Arbeit, genoss die Herausforderungen und alles Neue und Schöne was ich über die Jahre erleben durfte.
Wem schuldest du ganz besonderen Dank? Für die Höhepunkte in deinem Leben und für dieses Buch.
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23.  Nachgedanken

Wem schuldest du ganz besonderen Dank? Für die Höhepunkte in deinem Leben und für dieses Buch.
Dass mein Leben so geworden ist, verdanke ich in erster Linie meinen Eltern, die mir eine gute Schulbildung ermöglichten, vor allem auch meiner Mutter, die mich in den ersten Jahren als Koch immer wieder ermuntert hat meinen Weg zu gehen. Auch wenn es für sie wahrscheinlich nicht einfach war, mich ins Ausland ziehen zu lassen, vor allem als mein Vater bereits schwer krank war und auf tägliche Pflege und Hilfe angewiesen war. Meiner geliebten Ehefrau Milena verdanke ich enorm viel, ohne ihr Verständnis und Unterstützung auf unserem gemeinsamen, bereits 45 Jahre dauernden Wege, wäre vieles nicht möglich gewesen. 
Ich bin aber auch dankbar, dass ich in der Schweiz geboren wurde, die Tatsache, dass hier ohne Rücksicht auf sozialen Status alle eine gute Schulbildung bekommen konnten, war Gold wert. Denn Bildung bildet die Grundlage für die Zukunft eines jeden Menschen, und mit dieser Grundlage kann man sich, wenn man will eine erfolgreiche Zukunft aufbauen.
Du konntest nun mit dem Schreiben dein Leben ein zweites Mal erleben. Bist du rückblickend mit deinem Leben zufrieden?
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23.  Nachgedanken

Du konntest nun mit dem Schreiben dein Leben ein zweites Mal erleben. Bist du rückblickend mit deinem Leben zufrieden?
Ich bin mit meinem Leben voll und ganz zufrieden und möchte keinen Tag missen, es war so spannend und schön, dass es gut wäre, wenn man langsamer alt werden, ja vielleicht die Zeit etwas anhalten könnte.
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