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Von Ralph Schmid Narzissmo! Mein Leben als Narzisst.
Es werden nur Texte von über 10 Internet-Seiten publiziert.
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Vollendete Autobiographien: 176
 
Ralph Schmid
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Neuanfang / 02.10.2023 um 19.41 Uhr
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Geburt und erste Jahre / 13.03.2024 um 9.14 Uhr
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1.
Geburt und erste Jahre
2.
Kindergarten und Schule
3.
Illmitz 1
4.
Rotkreuz
5.
Camping
6.
Leben in Rotkreuz
7.
Schnupperlehren 
8.
Kellnerlehre in Sihlbrugg
9.
Illmitz 2
10.
Wieder im Gastgewerbe
11.
Costa Brava
12.
Freie Marktwirtschaft
13.
Intermezzo mit Autofahrstunden
14.
Hochzeit mit Schrecken
15.
Luzern
16.
Vom Gastgewerbe ins Autogewerbe
17.
Müllhausen, Vorarlberg und Pussycats
18.
Tiroler Weinzeit und Tessiner Überdosis
19.
Venedig im Winter
20.
Arcachon
21.
London
22.
Gesangsunterricht
23.
 Bahnhoffbuffet, Rotkreuz
24.
Kampf der Titanen
25.
 Vaters Technical Problems und Amoklauf
26.
Volksmarsch
27.
Ruedi der grosse Holzskulpteur und Ibiza
28.
Gleitschirmfliegen
29.
Lampenfieber und Geistheiler
30.
 Auftritt in der Gymnastikhalle von Rotkreuz
31.
Ein Gauner
32.
Noch ein Gauner
33.
Ein schrecklicher Unfall
34.
Zivilschutz
35.
Dr. Bucher
36.
Statist
37.
Ein grossartiger Gastronom
38.
Mörderisches Heroin
39.
 Schlagzeugunterricht und Konzentrationslager
40.
Faszination des Bösen
41.
Reisen
42.
Portugal
43.
Mexico
44.
Kleine Reisen und Ausflüge
45.
Amerika
46.
Musik und Dampfdruckreiniger
47.
Schlagzeugschule
48.
Nebenjobs
49.
Eine seriöse Weinfirma
50.
Transporte in der Nacht und Gheorghe Zamfir
51.
Helena
52.
 Barcelona
53.
Therapie
54.
Zombie Hämorrhoids und Deathstorm to Hell
55.
Mit Franky in Thailand
56.
Müllhausen
57.
Sucht, Kinski und Argento
58.
 Wirteschule Luzern
59.
 Restaurant Rössli in Hochdorf
60.
Klinik Oberwil
61.
Geburtstag im Bären, Sattel
62.
 Amerika
63.
Las Vegas
64.
 Im Skigebiet
65.
 In den Bergen
66.
 Littenheid
67.
Zurück in den Bergen
68.
Verrücktes Hotel
69.
 Zahngeschichten
70.
Sri Lanka
71.
 Was geht ab ??
72.
H.R.GIGER
73.
Jassy
74.
Bergleben
75.
 Retter der Ziegen
76.
Mutters Benehmen
77.
 Joes  Heirat
78.
Mit Jassy im Tessin und Zypern
79.
Email aus Amerika, Mike Oldfield in Sisikon 
80.
Wilder Westen im Emmental
81.
Illmitz III
82.
Umbrien
83.
Umzug
84.
Bisistal
85.
Gersau
86.
King Arthurs Nachfolger
87.
Trennung von Jassy
88.
 Schrecklicher Geburtstag
89.
Joe, Bhagwan und das Ende
90.
Mutter
91.
Neuanfang
92.
Anschauen kostet nichts
93.
Bobi und Maitä
94.
Epilogius
Geburt und erste Jahre
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1.  Geburt und erste Jahre

Narzissmo! Mein Leben als Narzisst.



Namen und Ortschaften wurden geändert
Anhang: Fotos 





Mein Name ist Ralph Schmid. Geboren wurde ich im Jahr 1963, im Zeichen des Löwen. Während dem Jahr, als der Bodensee zufror, und der erste Pink Panther Film in den Kinos gespielt wurde. Das Licht der Welt erblickte ich in Frauenfeld. Als ich einjährig war zogen wir nach Cham, in den Kanton Zug. Da beginnen auch meine Erinnerungen. Ich hab zwei ältere Brüder, Frank und Alphons. Meine Mutter ist Östreicherin und kam mit 17 Jahren in die Schweiz. Ihr Vater kämpfte noch unter Hitler und ging nach dem Krieg in die Kriegsgefangenschaft. Danach hatte er extrem getrunken. Ihre Mutter war Religiös und hat ihr schon mal als Strafe die Zöpfe abgeschnitten. Sie hatten wenig zum Leben.
Mein Vater wuchs auch arm auf, durfte keine Lehre machen, und musste schnellstens Geld nach Hause bringen. So war das damals. Ich fragte meine Mutter, wie das so war, zu Beginn, zwischen ihr und meinem Vater. Sie sagte, sie wollte nur ihn, von Beginn an, und es wäre Liebe auf den ersten Blick gewesen. Als eine Serviceangestellte meinem Vater schöne Augen machte, lauerte sie dieser armen Frau auf und schlug ihr mit einem Schirmstock ins Gesicht. Da war meine Mutter stolz drauf, und er hat sie ohne Wiederrede geheiratet. Mutter hatte immer das Sagen.
Meine allererste Erinnerung war, wie ich zu Fuss auf einem Feld Richtung Sonne lief und dann herzerweichend weinte, weil ich die Sonne nicht erreichen konnte. Mein Vater nahm mich dann beiseite und sagte: "Da kommst du nicht hin, Ralph!" 
Das könnte auch ein Traum gewesen sein, ich bin mir nicht mehr sicher. Die andere sehr frühe Erinnerung war, als ich im Kinderwagen lag und meine Mutter den zwei umstehenden Frauen sagte, ich sei ein hässliches Kind. Später, als ich älter war, sagte sie oft nur noch: "Der ist genau die Brigitte!"
Brigitte ist eine Verwandte mit etwas Überbiss, und ich hatte ja auch ordentliche Hasenzähne. Wir wohnten in Cham an der Hünenbergerstr. 3 und mein Vater führte das Lebensmittelgeschäft in der untersten Etage. Wir hatten fast alles, auch offener Käse und Fleischwaren waren im Angebot. Die Leute holten am morgen ausgeschenkte Milch in ihren kleinen, mitgebrachten Milchkesseln ab. Meine Mutter hat viel ausgeholfen und im Geschäft gearbeitet. In diesem Haus gab es auch einen Tierarzt und ein Eisengeschäft. Der Eigentümer des Eisengeschäfts hat sich eines Tages am Morgen um fünf erschossen. Zum Glück hab ich den Knall verschlafen. Meine Eltern hörten den Knall und im Treppenhaus war danach die Hölle los.
Im Haus nebenan war ein Elektrofachgeschäft das auch Waffen verkaufte. Da wurde schon damals oft eingebrochen. Im ersten Stock wohnte eine Opernsängerin, die generell bei offenem Fenster übte, was meine Eltern gar nicht mochten. Wir Kinder schon. Zwei Häuser weiter war die Metzgerei Schmucki. Da bekam man als Kind immer einen Stückchen Lyoner geschenkt. Neben der Metzgerei befand sich das Blumen und Gemüsehaus Arnold. Da holte ich oft preiswertere Kartoffeln oder Rüebli. Der Geruch von diesem Laden war so erdig, den werd ich nie mehr vergessen. Das Haus links von unserem Laden steht immer noch. Da war ein Haarschneider, ein Wolllädeli und unten bei den Garagen hatte sich ein Schirmflicker einquartiert der ständig miese Laune hatte. Auf dem Dach züchtete jemand Tauben. Ein Haus weiter gab es auch eine tolle Bäckerei namens Ryser. Im unteren Stock arbeiten die Bäcker. Wir Lausbuben gingen immer an die vergitterten Fenster und bettelten um etwas Süsses. Sie schoben uns immer etwas durch das kleine Gitter.
Da war auch noch ein Schuhmacher in der Nähe, der war gleichzeitig auch leidenschaftlicher Fischer. Er hatte im Geschäft riesige Netze gespannt mit Fischatrappen darin. Dieser Mensch hatte immer einen Spass auf Lager, wenn wir einfach schelmisch in seinem Lokal auftauchten.Wir gingen auch oft ins Wolllädeli indem man viele Sorten Wolle und alles zum Nähen kaufen konnte. Darin sass immer eine nette alte Frau auf einem Sessel am Nähen. Wir fragten sie, ob sie nicht etwas zum spielen für uns hätte. Das hatte sie niemals, aber immer gab sie uns leere Garnrollen, die wir dann gar nicht brauchen konnten.  Gegenüber, im gleichen Stockwerk, befand sich auch ein Coiffeur der noch für fünf Franken die Kinderhaare auf Millimeter trimmte. Wenn der Frisco Lastwagen frische Glace ins Geschäft lieferte, waren wir immer zur Stelle und der gute Mensch schenkte uns immer ein Cornet. Einmal hatten wir über die Nacht einen Stromunterbruch im Laden und alles Eiscreme schmolz im Tiefkühler. Da gabs dann halbzerlaufene Glacé für alle bis zum Abwinken. Mein bester Freund hiess Dani und wir waren stets unzertrennlich. Seine Eltern waren wohlhabend und führten ein grosses Geschäft. Da konnten wir manchmal im kleinen Lieferwagen der Monteure mitfahren. Wir sassen dann hinten im Wagen bei den Werkzeugen. Die Arbeiter fuhren dann immer extra wild, damit es uns so richtig hin und her warf. Das war immer eine unglaubliche Gaudi. Am Einsatzort angekommen stiegen wir aus, an einem vielleicht uns unbekannten Ort, im damals schon sehr grossen Cham. 
Das waren noch richtige Abenteuer. Wenn niemand da war tobten wir auf den vielen  Baustellen herum, gingen auf den Gerüsten hoch hinauf an den Häusern und genossen Stolz die Aussicht. Wir klauten auch manchmal Draht auf den Baustellen um aus ihm Hagraffen zu machen. Dazu schnitt man den Draht in etwa 3cm kleine Stücke und formte aus jedem Teil ein U. Mit einem kleinen Gummi, gespannt zwischen den Fingern, konnte man dann die Hagraffen abfeuern.
Cham hat einen schönen Seeanstoss mit hübschem Schloss und Inselchen. Dahin zog auch immer der Zirkus und seine zwei Löwen hörte man Brüllen, bis weit ins Dorf hinein.
Wir sprangen dann runter zum See, direkt vor das Raubtierkäfig. Hier war der versoffene Tierdompteur tüchtig am angeben. Er sagte dann sowas wie:
"Ich weiss genau, eines Tages macht er mich kaputt!"
Nachher machte er die Runde und kassierte etwas Trinkgeld ein. Der Löwe drehte sich manchmal, streckte den Po zum Gitter hin und pisste dann die Leute an. Das war dann immer sehr lustig. Immerhin lustiger als die Clowns, die noch versoffener als der Löwendompteur waren. Auf diesem grossen Platz, an dem auch die damals noch sensatiollen Grümpelturniere stattfanden, war auch unser Lieblingsbaum. Da sassen wir stundenlang oben. Das war ein riesiger Baum mit grossem Umfang. Man kam nur hoch, wenn man genau wusste an welcher Stelle. Dani und ich kletterten auf alle Bäume die wir nur konnten. Unter der Brücke zum Inselchen konnten wir den Frauen unter die Röcke schauen. Am See hatten auch die Ruderer von Cham ihr Quartier. Einmal war ich da ganz alleine unten, bei ihrer Anlagestelle, als die Ruderer keinen Steuermann hatten. Das war ein riesiges Ruderboot mit mindestens 6 Personen drin. Der Steuermann sitzt ganz hinten, schaut in die andere Richtung der Ruderer und muss einwenig lenken. Ich durfte einspringen als kleiner Rudermann, und draussen am See haben die Jungs dann echt Gas gegeben. War ja leicht zu lenken, immer geradeaus. Sie lobten mich alle und ich war stolz. Das war sehr schön.
Wir liessen auch oft Drachen steigen oder gingen ins Donnerwäldli. An der Fastnacht kauften wir stets eine Menge Frauenfürze im Locher-Warenhaus. In Cham gab es eine Grossfamilie welche sehr arm war. Die hatten nur zerissene Bettücher über den Kopf gezogen, zwei Löcher reingemacht und fertig war das Gespensterkostüm. Das wahr jedes Jahr so. Durch das Jahr spielte niemand mit ihnen, aber an der Fastnacht war die Zeit ihrer Rache gekommen. Sie jagten und schlugen alles nieder was nicht schnell genug auf den Bäumen wahr. Wir hatten ordentlich Angst vor ihnen. Nach der Fastnacht sassen sie dann wieder alleine und schüchtern im Schulzimmer, stotterten und hofften in Ruhe gelassen zu werden. Der Chamer Fastnachtsumzug ist was besonderes und ich lief einige Male mit. Die
Verbrennung des Pöögs war immer ein grossartiges Finale. Ein Riesenteil was man da jeweils angezündet hat. Die Donner waren sehr laut. Wir wussten auch in welcher Scheune der Pöög stand, kurz vor dem Umzug, schlichen uns hinein und bestaunten dieses Monster.

Manchmal zogen wir los, zur Papierfabrik. Es hiess, da sei vor langer jemand gestorben, in die Maschine reingezogen und zermalmt worden. Es gab ein Fenster in das wir immer durchschauten. Im Raum dahinter stand eine grosse Maschine. Da konnten wir ewig reinschauen und dachten dabei: Hier muss es passiert sein!
Cham hatte auch ein Spital und immer wenn wir die Sirene des Krankenwagens hörten, rannten wir zum Spital. Zum Notfalleingang. Oft waren wir schon vor dem Wagen angekommen und gafften blöd. Das machte den immer selben Sanitäter sehr staubig. Eines Tages hatte er die Schnauze voll und jagte uns zum Teufel. Im Haus von Dani gingen wir ein und aus. Seine Mutter war nicht sehr gesprächig. Am Nachmittag kam sie oft von den oberen Büros runter und schob auf der Durchreiche, ein Butterbrot mit Zucker obendrauf durch. Aber niemals eines für mich. 
Manchmal waren wir eine richtig, grosse Bande. Guido klaute gern in unserem Laden. Er wurde beim Klauen von meiner Mutter erwischt. Als ich dann, einige Zeit später, einmal bei Guido zuhause spielen war, sperrte mich seine Mutter im Schrank ein. Für Stunden. Sie war Wirtin, geschieden, betrunken und sehr übergewichtig. Eine gefährliche Mischung.
Einmal fischten Dani und ich Muscheln aus der Lorze. Das waren schöne grosse Muscheln, aber essen konnte man sie nicht. Die haben wir dann in der Badewanne bei ihm zuhause, ausgesetzt. Diese armen Viecher verendeten und das Wasser war danach wie weisse Brühe. Als am Abend seine Mutter von den Büros runterkam hat es gestunken in dieser Wohnung, man kann sich das nicht vorstellen. Ich glaub der Geruch blieb in der Toilette, für immer. Wahrscheinlich hat sie mir darum nie ein Butterbrot gemacht. Einmal hatten wir tolle Kreide gefunden und malten auf den teuren Teppichen vom Kinderzimmer bis in die Stube eine Autorennbahn. Da flippte sie dann schon ein wenig aus. Dani hatte auch eine Schwester, welche viel älter als er war. In ganz Cham sagte man, (vor allem meine Mutter), die nimmt bestimmt Drogen. Aber sie war nur eine nette, harmlose Kifferin, die immer ultralaut Musik hörte. Eine richtige Hippifrau war das. Als sie einmal nicht da war, legten wir von der Musikgruppe -T.Rex- Children of the Revolution, auf den Plattenspieler. Die Eltern waren ja immer bei der Arbeit, wir waren alleine und flippten total aus. Tanzten, sangen, sozusagen das erste gewaltige Musikerlebnis. Sein älterer Bruder Bruno war nicht böse, hatte ein gutes Herz, aber er plagte uns immer. Er hat immer viel mit seinem Bruder Dani gestritten. Im obersten Stock befanden sich auch unbenutzte Büros. Da hat Bruno die Kommandobrücke von Raumschiff Enterprise nachgebaut. Aus Kartonkisten und Silberpapier. Das hat er sehr ernst genommen. Liess uns aber niemals darin spielen. Wir warteten einfach bis er zur Schule musste und spielten dann darin. Diese zwei Brüder foppten sich immer. Vor dem Haus hatten sie einen kleinen Garten in dem Bruno seine heissgeliebte Schildkröte vergraben hatte. Da hatte Dani die glorreiche Idee sie wieder auszubuddeln. Es war nur noch der Panzer vorhanden. Bruno erwischte uns und wurde sehr zornig. Da ging ich ihm eine Zeitlang aus dem Weg. Viel schlimmer war Brunos Freund. Der war ein richtiger kleiner Teufel. Stammte aus einer sehr wohlhabenden Familie. Aber der konnte nur würgen, schlagen und bissig sein. Seine Augen glühten dabei und er biss sich die Zähne zusammen bis sie knirschten. Einmal war ich eingeladen in sein Zuhause. Eine unglaubliche Villa am See. Dreistöckig, wie die Villa Kunterbunt. Aber da ging ich gern wieder raus. Keine benutzten Spielsachen, kein Leben darin. Es war einfach Nichts in diesem Haus. Im Keller baute derselbe Mensch eine Geisterbahn. Nachdem er mich und Dani einmal reingelockt hatte, ging es ihm nur noch darum, mir eine Schlinge um den Hals zu legen und dann zu würgen, bis ich weinend fast in die Hosen machte. 
Unsere Truppe bestand ja nicht nur aus Dani und mir. Wir waren manchmal eine ganze Horde. Tobten am alten Bahnhof rum. Im Wartesaal hatte es sogar noch Tische und es war immer wohlig warm darin. Da saßen wir oft und packten Wundertüten aus die wir zuvor am winzigen Bahnhofskiosk gekauft hatten. Da gab es diese Wildwest Wundertüten mit Cowboys und Indianern drin, die wir alle am Sammeln waren.
Es gab auch viele schöne Sammelalben, nicht nur Fussballbildchen. Bei einem Sammelalbum zeigten die Abziehbilder, Blumen und Gewürze, alles was duftete. Da konnte mann dann die Oberfläche aufreiben und es roch immer gemäss dem Bild. Ich weiss noch die Banane roch am grossartigsten. Die gute Kioskfrau hatte kaum Platz in ihrem Häuschen. Im Winter hatte sie einen kleinen Gasofen zum Heizen neben ihren Füssen. Da war auch ein sehr stolzer Bahnhofsvorstand, der die Weichen noch von Hand stellte. Er hatte eine Kelle zum Winken und einen schönen Hut. Im Winter waren die Holzbretter zwischen den Geleisen brutal glitschig, und fast bei jedem Halten eines Zuges flog jemand hin. Der Kondukteur schrie laut:
"Einsteigen bitte, Richtung Zug-Baar!"
Wenn alle eingestiegen waren pfiff er laut auf seiner Pfeife. Er musste sich  alle Zusteigenden merken, und dann im Zug das Ticket kontrollieren. Nach jedem neuen Halt musste er dafür den ganzen Wagen durchgehen. In den Zügen wurde tüchtig geraucht und man konnte alle Fenster öffnen. Auch hatte jedes Abteil einen eigenen Papierkorb und Aschenbecher. Etwas weiter vorne, vom Bahnhof entfernt, wo die Autos die Gleise überquerten, war eine rotweisse Bahnschranke, die vom schönen Dingdong einer Glocke begleitet, hochgezogen wurde. Da hingen wir uns dann immer drann, aber sie hatte niemals genug Kraft uns beide hochzuheben. Wir liessen dann jeweils schnell los. Man konnte auch unter das linke Gebäude des Bahnhofs kriechen. Unten versteckt, rauchten wir zum erstenmal Villigerstumpen, die wir zuvor für 20 Rappen aus dem Automat gezogen hatten. Da wurde uns grausam schlecht. Ich bekam ein rotes, kleines Kindervelo geschenkt. Da fuhren wir oft bis nach Hünenberg in die Burg. Da konnte man toll "Überfall auf die Burg" spielen. Ein paar mal ging meine Mutter mit mir in den Donnerwald um Cervelats zu grillieren. Dazu häuften wir sicher ein Meter hoch Holz und Stauden übereinander und Mutter goss dann einen Liter Brennspritt drüber. Das gab jeweils ordentlich eine Explosion. Wir hatten Meerschweinchen die Junge bekamen. Mein Vater ersäufte die Jungen, im Lavabo im WC. Ich schrie, weinte und polterte an die Türe. Das hab ich ihm nie verziehen. 
Im Fernseher gab es drei Sender, die spätestens um Mitternacht Feierabend machten.
Dementsprechend klein waren die Programmhefte. Jahrelang holte ich in der Metzgerei Schmucki das gratis Programmheft namens "En Guete." Ich konnte früh lesen und lernte das Heftli immer auswendig. Meine Brüder, und auch Vater fragten mich oft: "Ralph, was läuft heute im Fernsehen?" Ich wusste immer das ganze Programm auswendig, was keine so grosse Kunst war: Es gab ja nur drei deutsche Sender!
Am Himmel flogen die Venom und Vampire Flugzeuge noch so tief, dass man die Piloten darin gut sehen konnte. Wir winkten dann immer. Einmal stand die Türe des hohen Kirchturms offen und wir schlichen uns hinauf. Oberhalb der Zifferblätter konnte man rausgehen und wir krochen auf allen vieren rundherum. Weiter nach oben trauten wir uns nicht mehr, weil nur noch hölzerne Leitern nach ganz oben führten. In der Leichenhalle schauten wir uns immer die Toten an. Der Friedhofswärter war nicht unser Freund, und wenn er uns sah, sprangen wir sofort davon, in Richtung See. Im Winter war Cham besonders schön. Auf dem oberen Pausenplatz des Kirchbühl Schulhauses übergossen die Schüler den ganzen Platz mit Wasser. Am Abend wurde dann Eishockey gespielt. An einem Winter war es so kalt, dass Richtung Donnerwald eine riesige Eisfläche mit Wasser darunter entstand. In der grossen Pause sind dann alle Schüler dorthin gelaufen. Bis einer einbrach und Patschnass wurde. Dann wurde es vom Schulrektor verboten. Die Geschäfte mussten diese schöne Weihnachtsbeleuchtung montieren, die aus wunderschönen grossen, beleuchteten Kerzen bestand. Das war das Elend als sie später durch eine wirklich hässliche Beleuchtung ausgetauscht wurde. Schnee gabs reichlich und wir gingen viel Schlitteln am Röhrliberg. Ein toller Schlittelhügel war das. Da steht heute das Schulhaus Röhrliberg, der Hügel wurde komplett abgetragen. Dieselbe Frau die mich früher im Schrank eingesperrt hatte, fuhr mich  hier einmal mit ihrem Schlitten brutal über den Haufen. Das war Absicht, ich seh sie heute noch vor mir Lachen. Manchmal im Winter musste das Militär Stellungen beziehen, in der Nähe vom Donnerwald. Und wenn es dann sehr kalt war brachte meine Mutter Kaffee und Schnaps zu den Soldaten. Die freuten sich jeweils riesig. In unserem Laden hatte es auch ein grosses Zeitschriftengestell mit tollen Comics. Mein älterer Bruder Frank musste sie mir alle vorlesen, während ich ihn dafür am Rücken kratzte. So lernte ich dann schnell und ohne Probleme lesen. Die Pfarreibibliothek war das grösste. Ich hab erst vor einer Woche wieder ein altes Buch in der Hand gehabt, mit einem Stempel markiert: Pfarreibibliothek, Cham. Der Pfarrer war einfach ein zu guter Christ, um uns Mahnungen zu schicken, auch wenn die Rückgabe längst fällig war. Vielleicht sollte ich das Buch nehmen und zurück bringen, mit 50 Jahren Verspätung. Im November, am Chamer Märt, bekamen wir etwas Geld von unseren Eltern. Die Putschbahn, (Autoscooter) interessierte uns wenig. Wir interessierten uns für immer die gleiche Plastikpistole. Die hiess X-44, kostete so um die zwei Franken und schoss die Plastikbolzen mit Saugnapf unglaublich weit. Dann haben wir Räuber und Polizei gespielt, bis zur Erschöpfung. Weihnachten war bei uns zuhause in diesen Jahren immer schön. Wir mussten im Zimmer warten bis Mutter mit einer kleinen Glocke läutete. Der Christbaum war auch immer sehr schön dekoriert, aber Mutter musste ihn ständig neu behängen, da wir die Schoggianhänger klauten. Ich bekam als jüngster wahrscheinlich immer die schönsten Geschenke. Viel war es ja nicht, aber wir waren soweit glücklich. Wir hatten nicht viel, oft bekamen meine Brüder und ich nur den Kotelettknochen zum abnagen oder gar kein Fleisch. Vater war viel wichtiger ein tolles Auto zu haben um bei seinen Brüdern anzugeben. Er hat einmal ein schneeweisses amerikanisches Cabriolet gekauft. Sehr alt, sehr teuer. Wenn er den dreimal gefahren hat, ist es viel. Meine Brüder bekamen keine Fussballschuhe und ein Velo schon gar nicht. Auch durften sie niemals in ein Skilager, sie hatten ja keine Ski. Manchmal fuhr unser Vater mit uns Kindern nach Matzingen zu seinen Eltern. Das mochte meine Mutter gar nicht den sie hasste meine Grossmutter. Meine Mutter hast generell alle Frauen. Am meisten Verwandte oder solche die es werden wollen. Oma las immer diese tollen Groschenromane. Vor allem Western und Butler Parker Krimis. Es gab Kaffee und immer denselben Kuchen. Zu mir war sie immer gut. Dann hat sich mein Vater mit seinen Brüdern ins hintere Zimmer zurückgezogen. Da haben sie um Geld einen Schieber oder Differenzler gespielt. Immer friedlich, oft mit Kaffeeschnaps. Einmal hat einer seiner Brüder Super-8 Sexfilme mitgebracht. Da sperrten sie dann das Zimmer ab und von drinnen hörte man die Männer lachen und die Frauen sich laut entrüsten. Oft gab uns Oma ein bisschen Münz und wir Kinder liefen zum Bahnhof. Da konnte man noch für 20 Rappen eine kleine Schoggi aus dem Automaten rausziehen. Opa war auch immer lieb zu uns. Leider ist er viel zu früh an Krebs gestorben. Er sagte zu uns noch:
"Die verdammte Bestrahlung hat mich kaputt gemacht!"
Der Unterleib war verbrannt. Als ich ihn das letzte mal sah hat er mir leid getan. Oma verbrachte ihre letzten Jahre bei meinem Onkel.
Kindergarten und Schule
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2.  Kindergarten und Schule
Zwischen all den kleinen Geschichten musste ich irgendwann auch in den Kindergarten.
Davor hatte ich grausame Angst. Zuerst hat mich meine Mutter, am ersten Tag, alleine hingeschickt. Ich habe aber immer an der Ecke Blumen-Arnold, weinend umgekehrt. Beim dritten Versuch hat mich meine Mutter mit Schokolade bestochen, aber erst der Verweis, dass Vater sich der Sache annimmt, und das es dann nicht mehr so gut geht, liess mich endlich einrücken in den Kindergarten. Der steht immer noch, neben dem Gemeindehaus. Letzthin war ich mal da und öffnete die schwere Holztüre am Eingang. Dieses Haus riecht immer noch gleich. Es war wie ein altes vergessenes Parfum, das man nach vielen Jahren wieder riecht und einem Erinnerungen der vergangenen Zeit zurückholt. Ich ging zwei Jahre in den Kindergarten. Beim Eignungstest für die erste Klasse bin ich durchgefallen. Zwei kleine Teile Karton zu einem Rechteck zu formen war zu kompliziert für mich. Ich war ein Träumer und es tat mir gut. nochmal ein Jahr in den Kindergarten zugehen. Dafür war ich dann in der Primarschule immer einer der ältesten. Der Zeit im Kindergarten war sehr schön. Die Lehrerin liebte es uns fantasievolle Kinderbücher vorzulesen. Auch Spielecken gab es. Die riesige Holzeisenbahn mit viel Zubehör gefiel mir am meisten. Geblieben als schöne Erinnerung sind mir auch die vielen tollen Kasperletheater die im obersten Stock aufgeführt wurden. 
Ungefähr zu dieser Zeit musste ich auch Schuhe binden lernen. Zuhause fand das Praktikum mit Vater statt. Ich schaffte es einfach nicht. Erst als Vater mich angeschrien hat, ging es plötzlich, zitternd, sehr schnell. Vater hat mich nie geschlagen. Er hat mich jahrelang gequält. Impfen nannte er das. Wenn ich nackt oder in Unterhosen war, packte er mich auf seinen Schoss und hat mich minutenlang überall gebissen. Man sah oft die Zahnabdrücke im Fleisch. Zuerst weinte ich immer und dann später geschrien. Das war grausam und aus diesem Grund suchte ich auch immer einen Vaterersatz. Ich konnte ihn nicht mehr bewundern, er lobte mich ja auch nie. Im Gegenteil. Er sagte z.b. :
"Dich hätten wir besser das Scheisshaus runterspülen sollen!"
Fürs Schlagen war nur Mutter zuständig, aber tüchtig. Heute glaube ich, dass auch Vater von Mutter geschlagen wurde, ich habe es aber nie gesehen. Mutter packte mich an einem Arm, in ihrer rechten hielt sie einen Stock, Besen oder Regenschirm. Da schlug sie dann solange zu, bis mann sich um sie im Kreise drehte, um zu entkommen. Aber das passierte niemals. Sie schlug immer bis man nur noch geschrien hat. Da hat sie all ihren Frust über ihr Leben abgelassen. Sie hörte oft erst auf wenn man wimmerte oder der Stock zerbrochen war. Ich hatte mein Leben lang Angst vor meiner Mutter. Später waren es dann mehr ihre bösartigen Worte die mich kaputt machten.
Ich konnte ja früh lesen, und einmal fand ich einen beschrieben Zettel in der Stube auf dem Tisch. Da stand drauf: -Ich bin weg.-
Ich verstand nur das, obwohl da ja mehr drauf stand. So dachte ich, sie sei weggegangen und vielleicht für immer fortgezogen. Ich suchte sie überall. Die Liebe von einem Kind zur Mutter ist unerschütterlich. Ich fand Mutter hinten im Keller, im Magazin. Sie holte Waren rauf für den Laden im ersten Stock. Ich hatte unglaublich Freude sie endlich gefunden zu haben, sprang mit offenen Armen auf sie zu. Da packte sie mich und warf mich drei Meter weit, wie einen Sack, auf die Harassen. Da bin ich weinend davongelaufen. Irgendwo in Richtung Wald hab ich mich verkrochen und geweint. Schlimm war das. Auch hat meine Mutter jeden Abend ein sexuelles Spiel mit mir gemacht. Bis zum einsetzten der Pubertät. Sie hörte erst damit auf, nachdem ich dabei meine erste Erektion bekam. Mutter und Vater hatten es nicht gerne wenn man sie berührte. Kuscheln oder Schmusen war niemals. Ich war auf Gedeih und Verderb den Stimmungen meiner Mutter ausgesetzt. Vater hatte ja gar keine Gefühle für mich oder konnte sie halt einfach nicht zeigen. Für meine Mutter war ich entweder der Star, das Genie, das über allem steht oder der hässlichste Goof den es gibt. Und das konnte innert Sekunden kippen bei ihr. Ich hab meinen Vater auch niemals nackt gesehen, er schämte sich scheinbar und hielt immer ein Handtuch vor seinen Lümmel. Meine Eltern gaben meinen Brüdern Übernamen. Frank hiess Giggeli und Alphons hiess immer Kudi. Ich sollte Uschi heissen und Mutter machte mir oft zum Vorwurf dass ich nicht ein Mädchen geworden wäre. Sie hätte schon einiges in rosaroten Farben eingekauft. Sie nannte mich nie Uschi. Ich war Ralfli. Mein Vaters grösstes Hobby war das Fernsehen. Mein erster Horrorfilm den ich im Fernsehen sah hiess: Frankensteins Braut. Da hatte ich wirklich Angst bekommen. Am nächsten Tag imitierten ich und meine Freunde, mit vorgestreckten Armen und steifem Gang, den Frankenstein. Immer hatte ich im Kindergarten ein Pausenbrot dabei. Immer war es ein Mutschli mit Camembert darin. Das hatte ich sehr gerne. Zu dieser Zeit lernte mich mein Bruder Alphons das Schwimmen im Strandbad Hirsgarten. Dazu musste ich einen Gürtel anziehen, mit vielen Korkteilen dran. Dann hat er mich knapp über dem Wasser gehalten und ich musste Schwimmbewegungen machen. Jeden Tag mit einem Korkteil weniger. So hab ich schnell schwimmen gelernt. Am Strandbadkiosk gab es für zehn Rappen diese Ziehstengel. Ein Stengel aus Zuckermasse, in verschiedenen Farben und Aromen erhältlich. Je länger man daran zog umso länger wurden sie. Darum Ziehstengel. Wenn man darauf gebissen hat, zogen sie einem manchmal auch die Füllung raus.  Es gab auch diese kleinen halben Muscheln mit einem Dot Zuckermasse drin. Die liebten wir alle sehr.
Während der Schulmesse sass ich in vorderster Reihe, direkt neben dem riesigen Pot mit Weihrauch darin. Denselben schwenkten sie ständig vor meiner Nase, bis mir richtig schlecht wurde. Ich musste raus an die frische Luft. Das war mein erster Kontakt mit Drogen. Zur Schule ging ich ins Schulhaus Kirchbühl, nur einen Steinwurf von unserer Wohnung entfernt. Der Hauswart war die Wucht. Herr Schmidt stand immer, während der grossen Pause, am Haupteingang und wachte mit scharfem Auge über alle Primarschüler. Bei Schlägereien ging er furchtlos dazwischen. Zog schon mal einen sehr miesen Typen am Ohr aus der Rauferei. Toller Mensch, mit Rückgrat. Dank ihm hatten wir noch kein gewalttätiges Mobbing, zumindest während den Pausen. Ich wollte immer ein Instrument lernen und ging dazu einmal pro Woche in den Elementarunterricht. Da hatte ich sehr Angst vor dem Lehrer. Der war immer sehr freundlich, aber ich spürte 100% das ihn im eine verdammte Zeitbombe lauerte. Er könnte explodieren, aber bitte nicht wegen mir. So ging ich nur ein paarmal hin. Lernte dann zweihändige Blockflöte, war aber nicht sehr begeistert davon. Ich wollte lieber Schlagzeug lernen, das war aber viel zu teuer. Während diesem Musikunterricht habe ich mich auch zum erstmal verliebt. Sie hiess Corinne und war sehr schön. Sie hielt ihre Arme beim Gehen immer so adrett vom Körper. Ich lief ihr ein paarmal nach, bis zu ihrem Zuhause, traute mich aber nie sie anzusprechen. In der zweiten Schulklasse bekamen wir einen Neuzugang in unsrer Klasse. Yuki Baba aus Japan. Das muss ein Kulturschock für sie gewesen sein. Ihre Eltern waren auch Japaner. Ihr Vater, ein erfolgreicher Geschäftsmann der die Familie gleich mitgenommen hat. Sie sprach noch kein Deutsch. Wir alle hatten diesen einen, selben langweiligen Radiergummi vom Coop oder der Migros. Ihre Gummis waren schon damals alle in knalligem Neon und auf ihrem Etui waren Comicfiguren abgebildet. Wir alle mochten sie sehr.
Im Zivilschutzkeller vom Schulhaus übte eine Hardrockband. Die hiess Rabenburg oder Rabenberg. Das waren unsere Helden. Ein paarmal liessen sie Dani und mich ans Schlagzeug in ihrem Übungsraum. An einem Sonntag hatten sie ihr zweiminütiges Coming-Out. Sie stellten ihre gesamte Anlage auf den Pausenhof und rockten los. Mein Bruder
Franky und ich sind sofort zum Pausenplatz hochgesprungen. Schon nach dem ersten Song hörte man  Leute schreien aus den umliegenden Häusern:
"Sofort Ruhe oder wir rufen die Polizei."
Sie hörten leider sofort auf zu spielen, hatten vielleicht etwas Gras dabei und verzogen sich sofort in ihren Bunker zurück. Vor dem Haus von Zahnarzt Ritter hatte es einen kleinen Kiosk, mit zwei schmalen Gestellen Zeitschriften davor. Da hatte es auch Sexheftli. So eines wollte ich klauen. Die Kioskfrau hatte mich vom ersten Moment an im Auge. Ich klemmte das "Schlüsselloch" Heftchen (so hiessen die) unters T. Shirt und lief wichtig und gelangweilt davon. Die Kioskfrau sah alles und kam aus ihrem Häuschen gesprungen. Ich lief dann etwa 5 meter davon, aber schon hatte sie mich eingeholt und packte mich am Kragen. Ich war voll am abweinen und sie ganz lieb zu mir:
"So was macht man doch nicht, gell!"
Hab dann wirklich lange Zeit nichts mehr geklaut. Ausser die sauteuren Citterio-Salami, denen kann ich nicht wiederstehn. Ja und einmal klaute ich noch einige Briefmarken meines Bruders und hab sie für 2 Franken verkauft. Er war dermassen traurig darüber, das es mir dann gar nicht mehr recht war. Ich ging auch in die Jungwacht. Da waren wir einmal im Sommerlager in Schanf. Da plagte mich brutales Heimweh. Mein Bruder Alphons, der auch mit seiner Gruppe da war, tröstete mich dann. Einmal sollte jede Gruppe was tolles aufführen. Wir bauten einen Turm aus Menschen, aber während der Aufführung hatte es keinen Platz mehr oben, war ja nur zweistöckig. Ich lief in Panik drumherum. War leider alles schon besetzt. Da wurde ich ausgelacht, nahm das aber locker hin. Nachher sollte ich, der sicher der dünnste von allen war, einen angesägten Holzpfahl mit Karate durchschlagen. Da brauchte ich drei Anläufe bis er endlich zerbrach. Lachen ist ja auch Applaus. Damals musste man ja auch einmal pro Woche in die Kirche mit seiner Schulklasse. Das hiess Schulmesse. Wir sollten ein kleines Stück vorbereiten über die Trompeten von Jericho. Jemand sollte dann im richtigen Moment die Trompete blasen während der Messe. Ich konnte das recht gut, so bekam ich die Rolle. Rechts vom Altar, bereit zu blasen und voll Adrenalin, wartete ich auf meinen Einsatz. Als der kam, brachte ich keinen Ton aus der verdammten Trompete. Da lachte das ganze Kirchenhaus. Nachher stellte sich heraus, dass gar kein Mundstück an der Trompete war. Monika, die mir die Trompete geliehen hatte, sah ich dreissig Jahre später in einer grossen Blasmusikkapelle spielen. Immer noch ohne Mundstück, wahrscheinlich. Meine Eltern hatten nie echte Freunde. Immer nur ganz kurze Zeit tauchte jemand auf und verschwand dann wieder aus ihrem Leben. Mutter hatte sicher sieben Freundinnen in Cham. Die kamen zum Kaffee, aber immer nur solange bis Mutter die Schnauze voll hatte. Danach mussten wir still sein, die Türglocke wurde abgeklebt und stillgelegt. Da haben wir Kinder uns schon oft fremd geschämt. Vor allem Frau Geiss aus Holland war die Liebste. Sie hat mir immer tolle Bücher mitgebracht. Diese sehr schönen Fünf Freunde Geschichten von Enid Blyton.
Meine Eltern hatten einen Wohnwagen auf einem Jahresplatz im Emmental stehen. Da gingen sie nicht oft hin, weil es zu weit zum hinfahren war. Da musste ich einmal mitgehen. Im Wohnwagenvorzelt durfte man nur auf allen Vieren gehen, damit niemand bemerkte, das wir angekommen sind. Meine Eltern waren nicht fähig soziale Kontakte aufzubauen. Auf diesem Campingplatz waren scheinbar alles Arschlöcher ausser sie. Oft gaben meine Eltern mich am Wochenende ab. Einmal, bei irgend einer weit Verwandten meines Vaters. Eine alte Frau, mit muffigem Holzhaus. Die war nicht sehr lieb. Der Geruch gewisser alter Holzhäuser erinnert mich noch heute blitzartig an die Atmosphäre damals, in diesem Haus. Da war noch ein Kind da, der war noch viel ärmer dran als ich. Hatte rein gar nichts zum spielen, immer kam sie rein mit bösem Blick, und wir hörten sofort auf zu sprechen. Einmal bekamen wir eine Handvoll Sugus. (Bonbons.)
Mit den Papierli haben wir dann gespielt. Am Nachmittag sperrte sie uns in ein dunkles Zimmer für sicher 4 Stunden. Da haben wir beide sehr geweint. Auch gaben meine Eltern mich übers Wochenende bei einer Angestellten vom Lebensmitteladen ab.
Irgendein Bauernhof weit weg, mit Schweinezucht. Die Schweine haben immer geschrien und gestunken hat es bestialisch. Gefüttert hat man sie mit immer derselben Brühe, jeden Tag. Mit dem Sohn konnte man nicht spielen, der war komplett in seiner eigenen Welt. Ich kam mir da so verloren vor und alleine. Sonst konnte ich immer sehr gut alleine spielen, da funktionierte das überhaupt nicht mehr. Ich hab mich voll verkrochen im oberen Stock der Scheune und weinte. In Cham ging ich bis zur vierten Primarklasse in die Schule. Danach zogen wir nach Rotkreuz. Vater hatte einen neuen Job als Gewürzlieferant bekommen.
Illmitz 1
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3.  Illmitz 1

Illmitz ist der Geburtsort meiner Mutter. Es liegt im hintersten Teil Österreichs im Burgenland, nahe der ungarischen Grenze. Es gibt auch ein riesiges Vogelschutzgebiet, dass heute Unesco Weltkulturerbe ist. Illmitz liegt im Zentrum. Viele Häuser sind mit Schilf bedeckt und auf den Schornsteinen brüten immer noch die Störche. Da fuhren wir oft hin, zu meiner Oma in die Sommerferien. Die Ferien in Illmitz gehörten zu den schönsten meines Lebens. Es war eine komplett andere Welt. Kaum raus aus Wien auf der Landstrasse Richtung Burgenland, haben Frank und ich begonnen die Kreuze am Strassenrand zuzählen. Burgenland ist ein riesiges Weinanbaugebiet. Alles ist flach und nur Rebberge sind zusehen, links und rechts der Strasse. Da konnte man sich noch für 5 Schweizerfranken einen Weissweinrausch antrinken der sich gewaschen hat. Dann blochten sie von Illmitz nach Apetlon zum Ganglwirt, einen heben, und von Apetlon nach Podersdorf in die Tenne zum weitersaufen. Nachher wieder zurück zum Tschidawirt in Illmitz, austrinken. Darum die Kreuze am Strassenrand. Das waren oft traurige Massaker und gefühlt jeden Monat gab es tödliche Unfälle. Zu allem Elend sind immer links und rechts der Strasse Bäume gepflanzt worden. Da hängen dann die Kränze dran. Ist man damals von der Hauptstrasse abgebogen, in die Quartiere, waren die Strassen kaum noch betoniert. Die Häuser waren oft nicht verputzt und alte Frauen sassen den ganzen Tag vor ihren Häusern. Schwarz angezogen, mit Kopftuch boten sie allerlei feine Handwerkskunst an.

Es gab viel geflochtenes Zeugs im überschaubaren Angebot. Auch schöne Porzellanteller mit lustigen Sprüchen konnte man kaufen. So ein Teller hing lang in der Küche meiner Eltern. Diesen Spruch kenne ich bis heute auswendig. Er lautete:

"A gsunder Hunger und a Durscht,

 olles andere is mir Wurscht!"

Diese Frauen die den ganzen Tag vor ihren Häusern auf den Bänken sassen, sind, wenn man heutige Youtube Videos anschaut, leider verschwunden. Das schöne Handwerk hat aber überlebt.

Die Strasse meiner Oma und Tante hiess Zickhöhe. Meine Cousinen und Cousins behaupteten strikt, von Omas Haus zu ihrem, gehe es die Zickhöhe hinauf. 

Da haben wir Brüder den Kopf geschüttelt, denn alles war flach wie Flunder. Niemals hat sich ein Ball von alleine bewegt, auf dieser Strasse. Lief man die Zickhöhe drei, vier Kilometer weiter zum Dorf raus, konnten wir Kinder schon die hölzernen Wachtürme an der ungarischen Grenze sehen. Jedes Haus hatte ein Tor oder eine Holztüre die zum Garten und Innenhof führte. Da stand meistens auch die Wasserpumpe mit der man von Hand das Wasser hochpumpte. Das brauchte man dann zum Kochen und Waschen. Weiter hinten, etwas Abseits vom Haus stand das Plumpklo. Ein Loch im Boden mit einer kleinen Holzhütte obendrauf. Die mochte ich nicht wegen dem Geruch und den tausenden Fliegen. In der Mitte vom Dorf steht bis heute die öffentliche Mineralquelle. Die St. Barhtolomäusquelle. Da sah man die alten Frauen, auf ihren einfachen Fahrrädern, mit Korbflaschen an der Lenkstange, Wasser holen. Das tat ich oft für Oma. Diese Fahrräder hatten nur Rücktritt, keine Schaltung und auch kein Licht. Nummernschilder waren noch nicht erfunden. Die Strassen waren nicht betoniert und man musste immer aufpassen wegen den vielen Schlaglöchern. Es ging aber immer gut. Dann schenkte sie mir fürs Wasserholen ein paar Schillinge. Auch gab es oft selbstgebackenen Kuchen von ihr. In der kleinen Abstellkammer hinter der Küche war immer einer am auskühlen. Meine Grosseltern hatten auch sicher 20 Gänse, Hühner mit Hahn und in der winzigen Scheune neben dem Plumpsklo, eine Kuh. Dazu einen Hund, der immer dann bellte, wenn man spät nach Hause kam. Opa hatte sehr gern Katzen, davon hatten sie sicher immer etwa fünf. Oma hatte, genau wie meine Tante und viele andere in diesem Dorf, ein paar Zimmer zum vermieten. Diese preiswerten Gästezimmer, der günstige Weisswein und die Gastfreundlichkeit locken bis heute viele Deutsche und Wiener nach dem schönen Illmitz. Im Dorf, an den Häuserwänden, hingen überall diese orangefarbenen Automaten. Mit Spielzeug in Kugeln drin, die niemals das Geld wert waren. Es gab auch Automaten, die nur mit gebrannten Mandeln gefüllt waren. Diesen Automaten konnte mein Cousin geschickt manipulieren.

Also zuerst den Schilling reingesteckt, dann die Kurbel ganz drehen bis das Geld fällt, und danach nur halb drehen, bis die ersten Mandeln in den Ausgabeschacht fallen. Dann haben wir mit den Füssen auf den Kasten geschlagen, bis er fast leer war. Niemals nahmen wir alle Mandeln, denn wir waren edel und fast alle hatten schon den Robin Hood gelesen. Unsere Horde war recht gross, denn wenn meine Tante und Onkel aus Wien auch noch ihre Ferien in Illmitz verbrachten, waren wir schon mindestens sechs Kinder die miteinander verwandt waren. Dann gingen wir "Fensterln." Die Häuser hatten die Küche oder Stube, im Zimmer zur Strasse hin. Da haben wir uns angeschlichen und fest an die Fenster geklopft. Bis von drinnen sich jemand laut meldete. Dann, unter lautem Gelächter, sind wir davongelaufen, in die vielen Gassen. Ich musste ja immer alles ein wenig übertreiben, und so hab ich mal etwas zu fest zugeschlagen und die Scheibe ging voll zu Bruch. Da sind wir dann weiter davon gesprungen als üblich. Wir wurden nie erwischt, aber ich hatte ordentlich Schiss bekommen und mochte fortan nicht mehr "Fensterln."

Heute gibt es 39 Winzer in Illmitz. Auch meine Grosseltern und Verwandten besassen Rebberge. Sie gaben aber die Weintrauben dann jeweils zum Auspressen im Dorf ab. Der Abfall aus trockenem Trester häufte sich meterweit an, und wenn keine Arbeiter mehr zu sehen waren, kletterten wir daran hoch. Der Trester war weich und man konnte sich von weit oben fallen lassen. In Illmitz durfte ich auch zum ersten mal diese tollen Schundromane lesen wie Oma aus Matzingen sie liebte. Am liebsten las ich diese "Dämonenkiller" Taschenromane. Mein Cousin aus Wien hatte auch immer eine schöne Auswahl von Comics dabei, es gab immer fett zum Lesen. Und die Kronenzeitung natürlich. Die lag jeden Tag auf dem Küchentisch. Oma tötete ein Huhn und kochte dann diese herrliche Nudelsuppe mit Huhn. Da haben meine Eltern dann immer sehr viel gegessen. Meine Mutter konnte nicht wirklich zugeben, dass sie Knödel nicht mochte, und war jeweils froh um die Abwechslung. Sie kochte ja in der Schweiz niemals einen Knödel. 

Oma wünschte von meiner Mutter immer, dass sie Kartoffelstock aus der Schweiz mitnahm.

Dieser feine Kartoffelstock in silbernen Beuteln, den man mit Milch und etwas Butter und Salz zubereitet, ist vielleicht der beste der Welt.

Gegenüber von Omas Haus stehen bis heute das Schulhaus und zwei Fussballplätze. Die Sommer sind extrem heiss in Illmitz und eine Handvoll Rasensprenger mussten die Plätze, den ganzen Nachmittag mit Wasser besprühen. Der Wasserstrahl veränderte ständig seine Richtung und wir sprangen oben oder unten durch. Am Ende waren wir immer patschnass. Die Kleider trockneten in der Sonne. Wir hatten ja alle nur kurze Hosen und ein T.Shirt an.  Vor manchen Häusern wuchs noch wild ein Baum und es hatte auch viel Gestrüpp und Klettenbüsche. Diese Blüten der Klette haben wir oft aufeinander geworfen. Man bringt sie fast nicht mehr von der Kleidung weg. Wenn sie im Haar gelandet sind, musste man sie rausschneiden. Das tat meistens meine Mutter. Wir hatten danach alle brutale Frisuren mit Löchern. Zum Baden fuhren wir an den Neusiedlersee. Der ist gefühlte fünf Kilometer entfernt, obwohl es immer hiess; Illmitz am Neusiedlersee. Es gab keine Busverbindung zum See, darum hat uns meist ein Familienmitglied im Auto mitgefahren. Manchmal machten wir Kinder auch Autostopp. Einmal hat uns jemand Fremder mitgenommen und der war mir gar nicht geheuer. Ich habe voll gedacht, der Mensch sei ein Killer oder Mörder und verlangte das Auto anzuhalten. Danach mussten wir die letzten Kilometer auf dem heissen Asphalt latschen. Vielleicht war der "Dämonenprinz" Roman am Tag zuvor, doch etwas zu hart für mich. Meine Freunde haben das mit stoischer Ruhe hingenommen. Wahrscheinlich haben sie gedacht: Mit dem Ralph ist schon was los, da lauft immer was! Der Neusiedlersee ist im Durchschnitt ein Meter tief und der grösste Steppensee Mitteleuropas ohne Abfluss. Da hab ich mich einmal mit meinem Schwimmgurt zu weit ins Schilf vorgewagt. Als ich wieder an Land ging, saugte ein fetter Blutegel am Oberschenkel. Ich bekam ordentlich Angst und schrie um Hilfe. Dann packte mich mein Vater und brannte den Egel mit einem Feuerzeug ab. Das war wie ein kleiner Horrortrip. Als Belohnung für die nicht vorhandene Tapferkeit konnte ich mir dann ein Eis mit zwei Kugeln kaufen gehen. Die sind mir dann noch beim Rückweg vom Restaurant runtergefallen. Das war definitiv nicht mein Tag, damals am Neusiedlersee. 

Das schönste von Illmitz war das kleine Kino. Da liefen die Blockbuster mit 5 Jahren Verspätung und der Besitzer liess uns 12 jährigen zu allen Filmen rein. Ausser am Freitag und Samstagabend um 22.30 Uhr. Da liefen diese "Drei Schwedinnen in Oberbayern" oder "Drei Lederhosen in Schweden" Softsexfilme. Immer mit den gleichen drei Darstellern. Sonst liefen Karatefilme, Western und tolle Actionfilme. Auch viele dieser Jules Verne Verfilmungen mit Kartonmonstern hab ich da gesehen. Jede Woche lief mindestens ein neuer Film und wir durften immer hin. Die Wochentage waren noch nicht wichtig und ich lief jeden Tag zu den Aushängefenstern mit den Vorankündigungen und Filmbildern. Da hiess es dann: "Hunde wollt ihr ewig Leben" oder " Die im Staub verrecken." Das hat mich zum Strahlen gebracht und die Vorfreude war jeweils riesig. 45 Minuten vor Einlass waren wir alle schon da und warteten vor dem grossen Holztor, bis es endlich vom Besitzer aufgesperrt wurde. Drinnen gab es Popcorn und eine grosse, gläserne Vitrine mit günstigem Naschzeug. Da konnte man sich ein kleines, individuelles Säcklein mit Gummibären oder Lakritzebonbons füllen lassen. Es hatte auch einen Flipper und Töggelikasten. Der Besitzer machte und koordinierte das alles alleine. Er bediente auch den Filmprojektor. Damals rissen die Filme noch oft während der Vorführung. Dann musste er den Film zusammenkleben und neu einspulen. Während dieser Pausen johlten wir alle natürlich wild rum. Ein Fest war das. Auch gab es jedesmal 30 Minuten Vorfilme mit Dick und Doof oder Tom und Jerry. Dafür gab es noch fast keine Werbung. Die Sitzplätze hatten, da wo wir sassen, in der ersten Reihe, noch keinen Stoffbelag. Wir sassen auf Holz, was schnell wehtat. Es war uns aber eigentlich egal. Wir feierten wie Bruce Lee der Bösewichte verprügelte oder versanken 20 000 Tausend Meilen im Meer. Nach dem Film war jeder Junge ein kleiner Bruce Lee und Kung Fu Meister!

Illmitz hatte auch eine Disco. Sehr improvisiert aber voller Charme. Da tanzten wir  am Wochenende. Jeder wollte Discokönig sein. Die Mädels waren immer in der Überzahl und die Jungens eher scheu. In Podersdorf, die "Tenne", war eine wirklich tolle, grosse Disco. Als wir etwas älter waren gingen wir auch da hin. Da gefielen mir am meisten die vielen Flipperkästen und die sehr alten elektromechanischen Spielautomaten. Da konnte man noch für wenig Geld Schiffe versenken oder auf Panzer ballern. Es hatte auch Kegelbahnen, Billard und Tischfußball. Das Haus war Legende und lockte die Menschen aus allen umliegenden Ortschaften an. Mein Vater feierte den 1. August auch oft in Illmitz. Aber schon etwas geizig, mit ein paar Raketen. Da wurde dann tüchtig in Omas Innenhof gesoffen, schon am Nachmittag. Danach wurde gegrillt bis es dunkel genug war, für Vaters Budget Feuerwerk. Bestimmt sahen aber einige, durch den hohen Alkoholkonsum ausgelöst, die doppelte Anzahl Raketen am Himmel. Ich hatte auch einen Sack mit Knallern, Vulkanen und Bengalischen Zündhölzern dabei. Aber meine Freunde haben mich schon am Nachmittag dazu überredet alles anzuzünden. Das hab ich am Abend dann bereut. Während eines Sommers hatte ich mein Skateboard dabei. Die allerersten Rollbretter der Schweiz, die man nur in wenigen, grossen Warenhäusern kaufen konnte. In Illmitz hatte so etwas noch niemand in der Hand gehabt. Das Teil war heissbegehrt. Der Abschied und die Abfahrt von Illmitz war immer sehr tragisch und theatralisch. Früh um drei Uhr nachts,  fuhren wir jeweils ab. Grossmutter winkte und weinte. Rannte dem Auto zum fünften mal hinterher. Einmal hat sie sich auch auf den Boden geworfen, bis auch der letzte von uns Kindern geweint hat. Das beschäftigte mich immer schon einen Tag vorher. Ich wollte ja nicht weinen. Aber da hattest du keine Chance. Es war gewaltig. Erst wenn alle weinten war es gut genug. Das hatte damals noch Tradition in Illmitz. Oma ging fast jeden Tag auf den Friedhof weinen. Mutter musste oft mit und mochte das gar nicht. 

Rotkreuz
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4.  Rotkreuz

Während der vierten Primarklasse zogen wir von Cham nach Rotkreuz in den achten Stock eines Hochhauses. Das war grausam, man verliert alle Freunde auf einen Schlag. Ich bin noch ein paarmal mit dem Zug nach Cham gefahren, aber da war der Freund nicht zuhause oder es begann zu regnen wie aus Kübeln. Die Magie war auch weg. Auch hatten wir anderes Lernmaterial in Cham gehabt und ich musste Lernstoff nachholen. Die Lehrerin war nie fair. Sie war eher bösartig und verludert. 

Der Rädelsführer meiner Klasse war ein unzufriedenes Adoptivkind. Er war kalt wie Eis und durchtrieben. Links und rechts von sich scharte er den klügsten und den schönsten der Klasse um sich. Sie hassten mich vom ersten Moment an. Das morgendliche zur Schule gehen war oft wie ein Spiessrutenlaufen. Auf der Mauer, die die Treppe zum Schulhaus säumt standen sie dann und riefen: 

"Wixer! Wixer!"

Das riefen sie, weil mich mein Bruder Frank schon längst aufgeklärt hatte und ich ihnen das Masturbieren erklärte. Das Wort hatte sie scheinbar durcheinander gebracht. Im Gegensatz zum Schulstoff waren sie in dieser Sache meilenweit hinter den Chamern. In der grossen Pause hetzten sie den stärksten auf mich, der mich dann zusammenschlug. Wenn mein Bruder zur selben Zeit zur Schule musste wie ich, und er mit mir zusammen ging, waren sie nicht zu sehen. Da haben sie sich versteckt. Wie die Hasen, wenn der Wolf durchs Revier geht. Weil ich lange Haare hatte oder knallbunte Regenstiefel, sie fanden immer einen Grund mir aufzulauern. Die Lehrerin hiess Melchior, bestrafte die Dummen und hofierte die Schlauen. Die durften dann jeweils in ihrem aufgemotzten, roten Mini Cooper zur hinteren Turnhalle mitfahren, während wir normal sterblichen latschen mussten. Sie stellte jeweils, die welche schlecht abgeschnitten haben, an der letzten Prüfung, vor allen anderen bloss. Alle mussten die dümmsten auslachen, das mochte sie sehr. Ein armes Mädchen blieb mir in Erinnerung, weil sie bestimmt zweimal pro Woche von der Lehrerin, ob ihrer Dummheit, zum Weinen gebracht wurde. Bei meiner ersten Schulstunde bei ihr, musste ich eine Art Fragebogen ausfüllen. Ich kannte meinen Heimatort auswendig. Homburg im Thurgau. Das hat sie gelesen und vor allen Schülern verkündet was für ein Scheissdreck das sei. Hamburg sei in Deutschland und ich würde lügen um mich wichtig zumachen! Werter Leser, so etwas kann man fast nicht glauben, aber so war das. Ich musste alleine, vor allen, eine schriftliche Prüfung absolvieren, um meinen exakten Standort im Lernstoff zu eruieren. Weil Cham etwas zurück im Lehrstoff war, brachte ich es da nur zu einer Note 2.  Sie sagte, vor allen anwesenden Schülern, da könne sie leider kein Erbarmen zeigen. Ich weinte wieder vor allen andern, und die Hundesöhne lachten. Ich hatte immer eine 5,5 Note im Durchschnitt, jetzt in der vierten Schulklasse hatte ich nur noch eine vier. Erst in der sechsten erholte ich mich und hatte wieder eine 5,5. Dumm war diese Lehrerin auch. Als ich ihr im Gesangsunterricht klar darstellen konnte, wo exakt die Betonung beim Singen von Tom Dooley liegt, hat sie das beeindruckt und sie lobte mich sogar dafür. Das mit den Schikanen der Mitschüler hörte erst auf nachdem Joe, mein bester Freund geworden war. Joe hiess eigentlich Hans und kam aus einer Familie mit 10 Kindern. Da wurde die Hose von oben nach unten durchgereicht. Jo hatte das beste Herz und er war gerecht, und mit Abstand der stärkste von allen. Als der Anführer, der miesen Horde, einmal in der grossen Pause verlangte, dass alle mir auf die Füsse treten sollten, packte Joe den ersten und warf ihn die Treppe runter. Nachher hat mich keiner mehr von ihnen angefasst, und schnell hatte ich mehr Freunde. Joe war auch der König auf dem Rollbrett und in der 10 Uhr Pause rasten wir so oft es ging, vom Pausenplatz die Strasse runter. Wir waren eine Handvoll Skateboardenthusiasten und gingen mit unsren Brettern zu Fuss hoch auf den Michalskreuzerberg. Dafür brauchten wir sicher 2 Stunden. Dann alles runtergedonnert, auf der anderen Seite, Richtung Meierskappel. Dieses Gerät hat ja keine Bremsen und man musste immer früh genug abspringen. Dumm wenn da ein Zaun gespannt war. Kurz vor Meierskappel hat Guido einmal den Absprung verpasst und dachte dann, er lasse voll sausen. Da begann das Brett mit etwa 50 kmh heftig zu schlendern und da hats ihn brutal hingehauen. Er kam nie wieder mit, und wir fuhren danach auch viel vorsichtiger. Nach der Schule, am frühen Abend hingen wir auf der Hochsprungmatte unten bei den Sportsplätzen ab. Da waren auch schon einige aus der Oberstufe dabei, die später gute Kollegen wurden. Die haben immer geraucht und wegen den Brandlöchern im Überzug der Matte, war der Hauswart ständig auf Kriegsfuss mit ihnen. Auf der Matte liegend hatten wir einen guten Blick auf das untere Spielfeld, auf dem die stolzen und starken Rotkreuzer Faustballer trainierten. Die spielten echt in einer hohen Liga und hatten einen dunkelhäutigen Spieler, der einer der besten des Teams war. Da stachelte Jimmy aus der Oberstufe uns jüngeren an, wir sollen doch laut "Bimbo" runter zum Platz zu rufen. Wir wollten die älteren beeindrucken und riefen laut:

" Heh Bimbo!" oder noch bösartiger: "King Kong!" 

Wie von einer Tarantel gestochen sprang der Spieler zu uns hoch und war gar nicht mehr freundlich. Da war die Hölle los und wir mussten uns alle ernsthaft bei ihm entschuldigen. 

In der fünften Schulklasse hatten wir einen tollen Lehrer. Einmal wurden eine Handvoll meiner Freunde und ich, einzeln aus dem Schulzimmer beordert. Draussen wartete die Kriminalpolizei. Einzelbefragung. Wir sind alle einem Pädo aufgesessen. Der praktizierte schon vorher in der Jungwacht. Er hatte immer seinen Berhardinerhund dabei, gab sich sehr gesellig, lässig und jung. Er nannte sich "Hausi". So sind wir einmal zum ihm nach Hause gefolgt, wir waren etwa zu siebt. Da hat er dann Sexheftli ausgelegt und wir haben uns ausgezogen. Da hat er dann dazu masturbiert. Angefasst hat er niemanden an diesem Tag. Das erzählte ich dem Polizisten. Den "Hausi" haben sie nachher abgeholt und ward nie mehr gesehen.

 

Rotkreuz hat auch eine hübsche Badeanstalt, damals mit einem coolen Badewart. Der war ein echter Frauenheld, und seine Frau mit grosser Oberweite liebte es auch, alle geil zu machen. Der ist immer im Tanga Badehösschen rumstolziert. Im Leopardenmuster! Einmal hatte so ein Idiot ins Becken geschissen, und Tarzan der Bademeister musste tauchen und die Wurst mit einem Netz hochholen. Da hat er schon ein wenig sein Gesicht verloren. Sein Angebot an die Kleinkinder, sie sollen doch den "Schiss" für ein leckeres Eis rausfischen, wurde schon vorher dankend abgelehnt. 

Ein paar Jahre später, im Winter, hatte ich bereits ein tolles Sachs Motorrad. Zwei Gänge und gut von Joe frisiert. Ich donnerte immer durch die Fussgängerunterführung im Zentrum von Rotkreuz, obwohl da ein Fahrverbot war. Da kamen die Arbeiter in den Zügen an und liefen unten durch die Unterführung. Auch der Macho Bademeister. Als ich bei ihm vorbei raste hat er ziemlich fies die Hand ausgestreckt, so dass es mich richtig hingehauen hat. Er hatte schon Rückgrat, dieser Mann. Vielleicht hatte ich nur etwas zu laut gelacht, damals, als ich ihm bei seinem Hobby, dem Tauchen zusah. Nach diesem Vorfall, hab ich auf jeden Fall immer genau geschaut, ob Leute mit den Zügen ankommen, bevor ich mit dem Mofa durchraste. Man konnte auch am Zugersee toll baden. Buonas war herrlich und etwas abseits kostete es auch keinen Eintritt. Man konnte an der Reuss entlang wandern bis nach Bremgarten und schwimmen wo man wollte. 

Eine liebe Frau schenkte mir in der fünften Schulklasse Holländerholzzoggeli. Ich schlüpfte barfuss da rein, in diesen geschlossenen Schuh aus Holz. Die hab ich nur einmal angezogen. Beim Schulhaus angekommen, war alles voll Blut. Der ganze Fuss war aufgeschürft. Geschnitzte Schuhe fühlen sich gar nicht weich an. Die spinnen, die Holländer. In der sechsten Schulklasse hatten wir eine echt grossartige Lehrerin. In jeder freien Minute rannten wir vom obersten Stock im alten Schulhaus, runter in den Turn und Gymnastikraum. Dort lehrte sie uns alte Volkstänze, und auch ein kleines Theaterstück spielten wir ein. Das war jeweils ein grosser Spass und hat allen gefallen. Vor allem das Tanzen. Wie bei Aschenbrödel, beim Tanz im grossen Ballsaal. Immer im Kreis herum, von einem Tanzpartner zum anderen wechselnd. Unsere Lehrerin hatte immer ihren monophonen Plattenspieler dabei, dessen Deckel zugleich auch die Boxe war. Am Schluss spielte sie immer eine Popsingle ab, und forderte uns auf, frei dazu zu tanzen. Meist war das "Co-Co" der Gruppe "The Sweet." Alle tanzten noch sehr verhalten, aber ein Jahr später hatte uns alle die Discowelle erwischt. Ob in Cham, Zug oder Rotkreuz, in allen Oberstufenklassen bildeten sich Gruppen die Discos organisierten. Meist wurden ihnen zur Durchführung Zivilschutzräume oder Turnhallen zur Verfügung gestellt. In Rotkreuz fanden Discos auch im Zivilschutzraum der evangelischen Kirche statt. Da hab ich dann mit Leidenschaft abgetanzt. Der Raum dort war extrem klein und hatte nur dieses eine kleine Fenster mit 30 cm Betonlucke zum lüften. Da mussten dann alle raus, nach jeder Stunde um voll durchzulüften. Weil alle geraucht haben wie die Indianer. Die Frauen dufteten nach Patchouli und alle 45 Minuten rufte der DJ zum geschlossenen Tanz auf. Dazu legte er eine langsame Single auf. Wahrscheinlich "Lady in Black" von Uriah Heep oder "Angie" von den Rolling Stones. Ich mag beide bis heute nicht mehr hören, wahrscheinlich weil ich nie den Mut hatte, eine der Frauen zum Tanz aufzufordern, und meist betrübt am Rande zuschaute. Da haben wir jüngeren immer neidisch zugeschaut, wenn sie da so eng umschlungen tanzten. Nachher lagen diese Paare immer am Knutschen, versteckt in den dunklen Ecken. Aber wir jungen geilen, einsamen Böcke hatten sie immer im Blick. Nur zum geschlossenen Tanz, lösten sich ihre Zungen wieder, um verschwitzt auf die Bühne zu schweben. AC/DC hatte sich noch nicht durchgesetzt. Für uns Jungs war zur Zeit die härteste Band: StatusQuo. Spielte der DJ Status Quo sind wir alle durchgedreht. Wir hatten auch unseren eigenen Tanz dazu einstudiert. Den Quo-Move. Das sah dann idiotisch aus, wie Primaten beim Line Dancing. Die Mädels präsentierten im Gegenzug, perfekt eingeübte Tanzsynchronisationen zur Musik von Boney M oder Silver Convention. Das war herrlich zum Zuschauen. Ein Genuss für Augen und Ohren.

Im Winter gab es viele Hügel zum Schlittenfahren. Ich hatte Glück, mein flacher Plastikbob war auf jedem Schnee sehr schnell. Es gab solche die wachsten ihre Schlitten und Skis. Wachs gab es nur im Warenhaus Locher in Cham oder in Zug. Darum haben ein paar schlaue, Schallplatten angezündet, und mit dem flüssigen Vinyl ihre Ski gewachst. Sie bauten eine Schanze, von welcher sie locker acht Meter weit gesprungen sind. Ein paarmal sind Joe und ich zu Fuss, mit den Schlitten im Schleppzug, auf den St. Michael im Tiefschnee gelatscht. Aber das Runterfahren zahlte immer gut aus und war ein grosses Gaudi. Manchmal donnerten die alten Venom und Vampire Flugzeuge über uns hinweg. Man konnte die Piloten gut erkennen im Cockpit, so tief durften sie damals noch fliegen. Etwa zu dieser Zeit hatte ich auch meinen ersten Alkoholrausch. Bei einer Kollegin die einiges älter war als ich, haben wir den Martini aus dem Stubenschrank leergetrunken. Ich konnte nicht mehr stehen und Anita und ihr Bruder haben mich danach zu zweit aufs Töffli gepackt und mich heimgefahren. Dann mit dem Lift hoch in den achten Stock, an der Tür geklingelt und weg waren sie. Mutter öffnete die Türe und war gar nicht erfreut. Danach bekam ich brutale Schläge mit dem Schirm. 

In der ersten Sekundarschule begann ich mit Rauchen. Joe und ich mussten dazu in der grossen 10 Uhr Pause jeweils runter schleichen, zu den Fahrradabstellplätzen. Dort haben wir uns in einer Ecke hin gesessen und genussvoll geraucht. Bis uns Hausabwart Wermelinger oder noch schlimmer Lehrer P. erwischt hat. Letzterer ist dann immer in sein Hochdeutsch, was er im Unterricht generell sprach, zurückgefallen und schrie uns an: 

"Was fällt euch ein!"

Da mussten wir dann jeweils am Mittwochnachmittag als Strafe, um 14.00 Uhr zum "Fötzelen" antraben. Das war nicht schlimm, so knapp zwei Stunden Papierli, Kaugummis und Zigarettenstummel rund ums Schulhaus und die Turnhalle aufsammeln. Unten bei den Veloständern hat uns Edith auch unsere Ohrlöcher gestochen. Das war schmerzhaft. Am wenigsten gern gingen wir zu  Herrn P. in den Unterricht. Aber gelernt haben wir bei ihm mit Sicherheit am meisten. Nach 10 Minuten im Unterricht musste man ihm einfach zuhören. Er konnte sehr gut erklären und erzählen. Viele praktische Sachen. Zum Beispiel lasse ich, wenn ich Wasser vom Hahnen brauche, noch heute kurz das Wasser vorher laufen. Weil Herr P. mich gelehrt hat, dass das Wasser eventuell schon seit Tagen in der Leitung gestanden hat. Genial. Im Biologieunterricht ging er so oft er konnte mit uns in den Wald. Er wusste alles über Pilze und Bäume. Ein zufriedener Mensch der immer verlangte, dass man ihm zuhörte. Mein Hauptlehrer in der Oberstufe hiess Meier. Sein Hauptfach hiess Alkohol. Er kam oft zu spät oder gar nicht zur Schule, was uns natürlich immer freute. Im Unterricht gab er uns Stoff zum durchlesen und verzog sich in den Kaffeeraum. Im Französisch und im Singen hatten wir Lehrer Jonny der jeden Tag mit dem Velo von Buonas kam. Er rauchte immer filterlose französische Zigaretten und hatte eine tolle Gesangsstimme. Er las uns auch oft aus tollen Büchern vor. Einmal, in seiner Rauchpause, hat mir Birgit den nassen Schwamm der Schreibtafel an den Kopf geworfen. Da hab ich sie dann geschlagen. Das tut mir heute noch Leid. Sonst hab ich in meinem Leben nie mehr eine Frau geschlagen. Lehrer Jonny starb noch während der Schule an Lungenkrebs. Das war tragisch und traurig. Seine sehr schöne Tochter hat, wenn ihr Vater im Spital war, für ihn oft den Unterricht übernommen. Sie hatte es nicht leicht mit uns. Da liegt ihr Vater am Sterben im Spital und sie muss sich jetzt noch mit so frechen Idioten rumschlagen. Das Recht an Abstimmungen teilzunehmen sollte meiner Meinung nach nicht auf 16 Jahre gesenkt werden. Wir alle verhielten uns respektlos und wie dumme Affen. Zu dieser Zeit ging es auch zum ersten und letzten mal in ein Skilager. Nach Saas Grund. 

Lehrer Meier hatte einige seiner Exschüler ins Skilager eingeladen, die später alles gute Kollegen von mir wurden. Die haben ordentlich Weißwein weggeputzt in dieser Woche. Joe und ich mussten nicht im Zug und Bus dorthin fahren, wir fuhren mit Lehrer Meier in seinem Privatauto nach Saas Grund. Die ganze Fahrt hörten wir nur Edith Piaf. Wir waren nachher alle Experten. Rauchen und Alkoholtrinken durften wir Schüler noch nicht im Skilager. Wenn er jemanden beim Rauchen erwischt hätte, wäre das dass Nachhauseticket gewesen, per sofort. Wir haben trotzdem heimlich und versteckt geraucht. Da schlurfte plötzlich Lehrer Meier um die Ecke. Da rutschte uns das Herz in die Hose, aber Meier schaute sofort theatralisch in die andere Richtung. Wir hatten Schwein gehabt und hatten verstanden. Wir passten danach besser auf. Wir machten auch geniale Spiele. Zum Beispiel, wer spät nachts, barfuss am weitesten die verlassene Skipiste hochlaufen kann. Lehrer Meier war ein harter Hund und hat mit grossem Abstand gewonnen. Ich fuhr nur einmal Ski, und zwar beim Skirennen. Da wurde ich letzter. Ich beherrschte knapp den Stemmbogen und donnerte praktisch in jeder Kurve geradeaus. In der Hälfte der Strecke machte ich Pause und schob mir einen Kaugummi in den Mund. Für das wurde ich danach wie ein Held gefeiert. Es gab auch einen Flipperkasten an dem wir ein Meisterschaft durchführten. Man sagt, dass Frauen nicht so gut Flippern können, weil sie beide Flippertasten unten immer gleichzeitig drücken. Aber gewonnen hat Sandra. Sie hat uns alle tüchtig abgewischt. Im Restaurant Kreuz in Rotkreuz stand auch immer ein toller Flipperkasten. Leider stand der im kleinen Säli und um dahin zukommen musste man immer durchs Restaurant gehen. Oft hatten wir nur Geld fürs Flippern, aber keinen Rappen fürs Cola oder eine Stange. Das mochte die Wirtin gar nicht. Wenn sie uns dann erwischte beim durchs Restaurant schleichen, rief sie laut: 

"Heute ist besetzt!" 

Was niemals der Wahrheit entsprach.

Zum Glück gabs noch einen anderen Flipper im Restaurant Engel, Holzhäusern. Da fuhren wir oft mit den Velos hin. Da war kein Konsumzwang. Diese kleinen Spielhallen in Arth und Küssnacht waren ja noch strikt ab 18 Jahren. Leider sind diese heute alle verschwunden. In Muri und auch in Sins existieren heute Flipperclubs. Da kann man einmal im Monat, für einen kleinen Betrag, so viel Flippern wie man will. Tolle Sache.

In Rotkreuz gibt es bis heute diesen grossen Klausumzug mit ein paar hundert Trychlern. Dann war jeweils Freinacht und die Hölle los in allen Restaurants. Egal in welcher Kneipe man sass, alle 20 Minuten stürzten zehn besoffene Trychler ins Restaurant, ihre Glocken so laut schwingend, dass dadurch jede vernünftige Kommunikation unmöglich wurde. In in der Primarschule jagten wir immer den Klaus. Da waren wir oft 30 Kinder und mehr. Die Samikläuse waren schon damals sehr modern, und zogen im Auto von Haus zu Haus. Die Schmutzlis hingegen waren altmodisch, und wenn sie einen von uns erwischten, gab es voll einen mit der Rute übergezogen. Nichts bösartiges aber schon so dass es recht gezwickt hatte. Wir waren gut verteilt und egal wo sie hinfuhren, in diesem kleinen Dorf, waren wir sofort zur Stelle. Ein Schlauer wusste immer ganz bestimmt wer sich unter dem Samiklauskostüm versteckte und wir riefen alle ganz laut: 

"Herr Wermelinger! Herr Wermelinger!"

Camping
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5.  Camping

Unsere Familie machte auch oft Camping. In Spanien auf dem Campingplatz hab ich mich dermassen verirrt, dass Mutter mich beim Eingang abholen musste. Ich kann mich genau erinnern wie ich komplett verloren zwischen den Wohnwagen umherstürchelte und laut weinte. Vater kaufte mir als Trost einen grossen Sombrero und zeigte mir eine Stierkampfarena. Das war eine sehr grosse Arena und da als Junge in der Mitte zustehen, auf dem Sägemehl, beeindruckte mich sehr. Man wurde ja auch komplett angefixt von dem Zeug. Den ganzen Tag und noch mehr Nachts donnerten die Promoter der Stierkämpfe in ihren aufgemotzten Autos durch die Strassen. Vorne immer einen gewaltigen Stierkopf mit glühenden Augen aufs Dach montiert und aus zwei Lautsprechern auf dem Dach riefen sie dann laut: 

"Toreros, Toreros, Muchachos Sombreros!" 

Ungefähr sowas. Ich hatte ja nichts verstanden. Einmal fuhren wir zum Campen nach Porec, in Kroatien. Nach der Ankunft haben wir alle, Vater voran, eine kleine Rutschbahn ins Meer benutzt. Der steinige Meeresgrund war übersät mit Seeigeln. Wir sind alle blind reingelatscht. Vater hats am schlimmsten erwischt und er musste kurz zum Arzt. Danach haben wir völlig überteuerte Plastiksandalen gekauft, die damals alle trugen die im Meer schwimmen wollten. Als mein Vater sich noch nicht mit seinen drei Brüdern verkracht hatte, traf man sich sporadisch zum Picknick im Klöntal oder in der Nähe von Äegeri. Das war dann jeweils eine Völlerei wie bei Sodom und Genua. Sie hauten sich die Ranzen voll und tranken zum Schluss Kaffee mit Schnaps. Danach spielten die Erwachsenen immer Dart oder Boccia. Immer um ein wenig Geld, immer friedlich. Manchmal spielten sie auch einen Schieber. Für uns Kinder war das immer sehr schön. Wir spielten im Wald, an Berghängen oder schauten beim lauten Boccia zu. Manchmal hatten wir einen Drachen zum steigen lassen dabei.

Leben in Rotkreuz
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6.  Leben in Rotkreuz

Zurück nach Rotkreuz. Oft musste ich meine Mutter "Züpflen." Das hasste ich wie die Pest.

Ich musste ihr die Hornhaut von den Füssen wegschneiden. Aber diese Füse konnte man nicht retten. Hühneraugen, Halux und eingewachsene Nägel. Sehr unschöne Füsse. Bis heute liebe ich schöne Füsse und schau auch gern darauf. Das Anschauen von männlichen Füssen verweigere ich. Ich fragte mich lange Zeit, immer wenn ich Frauen mit "hässlichen" Füssen sah: -Kann diese Person trotzdem einen guten Charakter haben?-

Während der ersten Sekundarklasse strandete ich an einem Abend in der Wohnung meines Hauptlehrers Meier. Er hatte die Handarbeitslehrerin zu Besuch. Wir waren total besoffen. Das war dann zuviel Schnaps für mich und ich habe quer über den Tisch gekotzt. Danach lag ich flach. Am nächsten morgen wurde ich natürlich zuhause zur Rede gestellt, aber da ich bei meinem Lehrer übernachtete führte der Vorfall zu keinen Konsequenzen. Vater dachte: Das wird ein Säufer, und Mutter dachte: Das wirkt sich bestimmt gut auf seine Noten aus! 

Wir wohnten im achten Stock unter uns wohnte Frau Mörgeli. Sie war Bacchus verfallen und trank locker zwei Liter Wein am Tag. Sie gab mir immer ein kleines Taschengeld. Dafür musste ich ihr zwei Flaschen Kochwein im Coop besorgen. Sie führte ein legendäres Restaurant in Brunnen. Das lief Anfangs noch gut, aber wie so oft, Alkohol macht vieles kaputt. Sie nahm auch eine Single auf, die da hiess:"Geissepeter."

Beim Einsingen war sie bestimmt nicht nüchtern und mein Bruder Frank und ich lachten uns einen Schranz beim Anhören dieses Kleinods. Alphons, mein ältester Bruder hörte mehr Progressive Rockmusik wie Pink Floyd oder Yes. Er hörte auch Mike Oldfields "Tubular Bells" rauf und runter, was meinen musikalischen Gehörsinn zu einer funktionierenden Sache machte. Frank hörte mehr die rockigen Sachen wie Thin Lizzy. Beide besitzen vortrefflichen Musikgeschmack. Alphons hat mit angezogenem Kopfhörer oft laut gesungen zur Musik, was ein Graus war. 

 

Damals fuhr einmal pro Woche das Migros Auto in die Quartiere. Das war ein riesiger Bus mit Fahrer und Kassiererin. Bei Ankunft wurde dreimal gehupt, danach stellten sie die Frischwaren wie Gemüse und Früchte vor den Bus. Ich musste nur zum Lift raus und hundert Meter laufen um die vier Liter Milch zu kaufen. Immer war eine Frau und ein Mann in dem Fahrzeug. Der Mann fuhr und die Frau bediente nachher die Kasse. Da der Mann nun während des Stopps rein gar nichts zu tun hatte, riss er oft einen blöden Witz, was mir immer sehr gefiel. In der Käserei von Rotkreuz konnte man durch die Fenster zuschauen wie sie Käse herstellten. Im kleinen Milchladen ist mir immer aufgefallen wie schön die Frau des Käsemeisters war. Wir hatten auch zwei Veloflicker im Dorf. Einer davon war ein schon damals sehr alter Mann. Mann musste zwei Wochen aufs Velo oder Töffli warten, bis es repariert war. Ständig ging man fragen, wenn es denn endlich fertig sei. Da hat er dann immer grummelnd vor die Türe gezeigt. Da standen jeden Tag in Reih und Glied etwa 20 Zweiräder. Die holte er jeden morgen aus der Garage und stellte sie draussen auf, damit auch jedermann sah, was für eine Heidenarbeit er noch vor sich hatte. Zu dieser Zeit gab es, im Vergleich zu heute, massenweise tödliche Unfälle. Viele fuhren komplett besoffen herum. Da fuhr einer am helllichten Tag in eine Familie. Die Beerdigung der zwei Kinder und die schreiende Mutter werde ich nicht vergessen. Die ganze Schule ging dahin. Das Mädchen war aus einer Klasse unter uns gewesen. Auf derselben Brücke knallte es im selben Monat nochmal tödlich. Ich nannte sie die Todesbrücke, lief oft darüber und schaute mir die Blutflecken und mit Kreide angedeuteten Umrisse der Körper an. Zwischen Rotkreuz und Cham hätte man einen Friedhof anlegen können, so oft krachte es da. Dazwischen, in Holzhäusern, war eine sehr schöne, klassische Tankstelle. Der Inhaber sass den ganzen Tag hinter einem grossen Schreibtisch. Wollte man Tanken, legte er seine Literatur zur Seite, sprang aus seiner Kabine und füllte einem den Tank. Danach kontrollierte er den Luftdruck und putzte die Scheiben. Alles gratis. Die Zapfsäule war überdacht und hinten standen Auto Occasionen zum Verkauf bereit. Zum Bezahlen konnte man im Auto sitzen bleiben. Herr Müller wohnte im selben Hochhaus wie wir. Mit seiner Familie, drei Etagen unter uns. Mit seinem Sohn spielte ich oft Fussball, unten auf der kleinen Wiese. Einmal schlichen wir in den kleinen Raum, indem sein Vater immer sass um die ankommenden Autos früh genug zusehen. Sein Vater war nicht da, und wir durchwühlten die Schubladen des Schreibtischs. Da fanden wir ein Schwedisches Pornomagazin in der obersten Schublade. Und die Leute dachten immer er würde da feine Belletristik studieren.

 

Am Sonntag wenn die Messe in der Kirche war, kam von Richtung Hünenberg immer eine sehr religiöse Bauernfamilie, zu Fuss pilgernd zur Kirche. Zuvorderst der Grossvater mit einem Holzkreuz, danach im Gänsemarsch, die vielen Kinder und seine Frau. Stefan war unser Klassenkamerad und musste da auch mitlaufen. Er hat sich mir und meinen zwei besten Freunden nur einmal mitgeteilt, aber wir dummen Menschen wollten ihn nicht in unserem Zirkel. Ein halbes Jahr später hat er sich erschossen. Meine Mutter auf dem Balkon im achten Stock, beobachtete diese Prozession am Sonntag immer sehr sorgfältig. Sie regte sich immer sehr auf über diese Menschen. Meine Eltern gingen nie freiwillig in die Kirche. Meine Mutter klaute auch gerne kleine Sachen. Schirme die im Coop oder anderswo liegengeblieben sind, landeten bei uns. Mutter hatte immer mindestens 12 Schirme. Aschenbecher und Löffel sammelte sie auch. Sie klaute auch gerne Citterio Salamis. Die verschenkte sie grosszügig, aber in Wahrheit gab es natürlich nichts gratis von ihr. In der Nacht schlichen wir aus unserer Wohnung, Richtung Acker vom Gemüsebauer Glanzmann. Da musste ich dann jeweils Schmiere stehen und Mutter buddelte und klaute Rotkraut. Wenn jeweils Kleidersammlung war, musste ich Säcke im Dorf zusammen klauen und dann spät nachts zu ihr bringen. Da hat sie dann alle aufgemacht und nach brauchbaren Kleidern gesucht. Da war niemals was drin und wir waren ja auch nicht so arm. Das war eher ein Verlangen in ihr, der Wunsch, was unvorstellbar Teures zu finden.

 

Damals kamen noch Artisten und Stuntmengruppen in die Dörfer. Eine davon waren die Hell Drivers. Mit farbigen grossen Plakaten wurde dann vorher Werbung im ganzen Dorf gemacht. Auf grossen langen Zeltplachen wurde die Hölle angepriesen, mit explodierenden Autos und gefährlichen Stunts. Der Höhepunkt der Show war ernüchternd. Er bestand darin mit einem 125 ccm Motorrad über fünf lebensmüde Trottel zu hüpfen. Das Areal der Show wurde jeweils strickt abgeschirmt vor fremden Blicken, so dass niemand der nicht bezahlt hatte, etwas sehen konnte. Leider war neben dem Gelände die Landi, und der Besitzer liess all seine Bekannten, zuoberst auf dem hohen Getreidesilo gratis die Show schauen. Genau darum wurde der Sprecher der Hell Driver, während der Show immer zorniger hinter seinem Mikrophon. Der Typ hatte sicher schon ordentlich geladen und viele der Zuschauer lachten sich einen Schranz. Alle fünf Minuten rief er in sein Mikrophon in gebrochenem Deutsch: 

"Dieser Mann da, von der Landi da oben. Ist kein guter Mann!" 

Da haben wir noch sehr lange gelacht darüber.

Rotkreuz hatte auch eine Metzgerei und Slimi, ein älterer Freund von mir hatte ein Geschleick mit der Tochter vom Metzgermeister. Dabei bin ich in der Wohnung des Metzgers, zu meiner ersten Langspielplatte gekommen. Slimi hatte natürlich eine Heidenangst vor dem Metzgermeister und als er seine Tochter in ihrem Zimmer vernaschte, musste ich Schmiere im Gang stehen. Ich hätte sie warnen sollen, sollte der Metzger auftauchen. Als Dank hab ich die Schallplatte "Solar Fire" von Manfred Mans Earth Band geschenkt bekommen. Derselbe Metzger verteilte jeweils nach dem langweiligen Fastnachtsumzug gratis Wienerli an die Kinder. Trotzdem sollte man einem Metzger genauso wenig trauen wie einem Jäger.. Die Regel bestätigt die Ausnahme.

Einmal wollten Jo und ich aussteigen, allem Adieu sagen. Um unserer Ablehnung der allgemeinen Gesellschaftsnormen Ausdruck zu verleihen. Dazu machten wir Autostop auf der Autobahn und wurden schlussendlich bis Stans mitgenommen. Wir wollten Richtung Süden, ins Tessin. Morgens um drei wurden wir von der Polizei in Stans von der Autobahn vertrieben. Nachher froren wir uns vor dem kleinen Shoppingcenter zu Tode, bis es endlich um 9.00 Uhr öffnete. Das waren lange Stunden. In der Migros Frühstück genommen, Zigaretten aus dem Automaten gezogen und mit dem ersten Zug wieder nach Hause gefahren. Bei diesem Ausflug war definitiv zu wenig Absicht dahinter. Am Zigarettenautomaten konnte man auch die letzten Pesetas aus den Spanienferien sinnvoll verwerten. Bei diesem Betrug hat mich die aufgeweckte Serviertochter, vom Bahnhofsbuffet erwischt. Anna ist aufgefallen, dass immer wenn ich Zigaretten holte, sich danach Peseten im Automat befanden. Sie hat mit den Nerven einer Psychoanalytikerin gewartet,  um mich in Flagranti zu erwischen. Nachdem ich eine Zigarettenschachtel gezogen hatte, hat sie gleich den Schlüssel geholt, die Maschine geöffnet, und ist mir dann sofort nachgesprungen. Da hat meine gespielte Scheinheiligkeit nicht mehr geholfen, sie hatte die Peseten in der Hand. Ich bekam ein Jahr generelles Zutrittsverbot zum Bahnhoffbuffet. Die dritte Sekundarklasse erreichte ich nicht mehr. Mein Durchschnitt war zu schwach. Ich hatte einfach zu wenig gelernt. Die französischen Wörter auswendig zu lernen war mir zu blöd. Da hatte ich dann eine 2-3 Note im Zeugnis die den Notendurchschnitt brutal runterzog. Lieber hab ich zuhause freiwillig Englisch gelernt. Ich wollte meine Stars verstehen beim Singen. Wir waren Hippies. Joe, mein bester Freund, hatte beim Austritt seine sämtlichen Schulmaterialien auf dem Pausenhof verbrannt. Bereits in der zweiten Sekundarklasse hatten wir schon ordentlich Marijuana geraucht. Ich hatte gar keinen Plan was ich für eine Lehre machen sollte, also absolvierte ich eine Handvoll Schnupperlehren.

Schnupperlehren 
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7.  Schnupperlehren 

Als erstes probierte ich mich als Autospengler in Cham, bei der Firma Autorondo aus. Den Namen Autorondo bezog diese Firma aus der Tatsache, das das Gebäude komplett rund war. An einer runden Wand kann man aber keine Wagen oder Schränke bündig hinstellen. Das führte schlussendlich dazu, dass der gesamte Innenraum vollgestellt war, mit Schränken und Maschinen, die eigentlich an den Rand des Raumes gehört hätten. Oft arbeiteten darum einige Mechaniker mit ihren kantigen Instrumenten vor dem Gebäude. Autospengler war für mich ein ganz falscher Ansatz, denn ich besitze zwei linke Hände. Zu allem Verdruss arbeitete da auch ein Autospengler, der wollte mir vom ersten Moment nur die Fresse verhauen. Zum Glück war da aber auch ein Bodybuilder, der ein sehr fairer Mensch war. Als in der Umkleidekabine der andere mich verhauen wollte, hat der Bodybuilder ihn gepackt und kurz durchgeschüttelt. Dann war dann Ruhe. Aber die Arbeit hatte mir nicht gefallen, in diesem Bunker, im unteren Stock, ohne Fenster. 

Also hoch aufs Dach. In Baar machte ich eine Kaminfegerschnupperlehre. Bis heute, wenn ich am Spital Baar vorbeifahre, denke ich: Da schau, auf diesem hohen Turm bist du gestanden. So riesige Kaminabzüge von oben zu reinigen hatte schon was. Härter war es den Russ zu entfernen. Im Liegen in einer Heizung, beim Klettern im Kamin. Am Abend war man immer komplett schwarz im Gesicht. Gegessen am Mittag, und am Abend geduscht wurde beim Kaminfegermeister. 

Diese grossen mit Zacken versetzten Metallkugeln, die man den Kamin runterliess, waren an langen Seilen befestigt. Diese Seile musste man fachgerecht zusammenrollen. Das hab ich nie geschafft. Auch musste ich mit dem fünf Uhr Zug jeden Tag nach Baar fahren. Ich war kein Frühaufsteher und schaute nach Alternativen. Noch eine Schnupperlehre als Kaminfeger, diesmal in Rotkreuz, nur einen Steinwurf von meinem Wohnort entfernt. Dasselbe, mit einem sehr grantigen, alten Kaminfegermeister. Das Essen am Mittagstisch war eine Folter. Niemand sprach, niemand lachte. Seine Frau war auch keine Partygranate, produzierte aber immerhin währschafte Schweizer Küche. Rauchen war generell verboten aber sein lieber Arbeiter liess mich in den Pausen rauchen. Während einer Pause kam unangemeldet der Meister um die Ecke, erwischte mich eiskalt beim Rauchen. Da hat er mich am dritten Tag der Schnupperlehre gleich zum Teufel gejagt. Er sagte ich sei für gar nix zu gebrauchen. Naja, die verdammten Knöpfe an den Seilen begriff ich wirklich nie. Der Arbeiter hatte noch Partei für mich ergriffen aber es machte keinen Sinn mehr. Einige Jahre später haben dieser nette Kaminfeger und ich, diese Zeit abgefeiert, im Bahnhofsbuffet. Er spielte auch für das Leben gern Schlagzeug. 

Danach machte ich eine Schnupperlehre als Papiermacher in der Papierfabrik Cham. Ich hoffte, dass ich nicht an der Maschine des Todes arbeiten musste, die wir als Kind immer von aussen angegafft haben. Ich erinnere mich an die Fabrik als ein dunkler Ort. Viel schwach beleuchtete Gänge mit einem minimum an Kunstlicht beleuchtet. Alle zwei, drei Tage arbeitete ich an einem anderen Ort. Dort, wo frisches Holz zum verarbeiten angeliefert wurde war, war es sehr strenge körperliche Arbeit. Da wo die ewig langen, extrem lauten Papiermaschinen standen, sass ich nur den ganzen Tag vor der Maschine. Das taten die Papiermacher auch. Jeder sass stolz auf seinem eigenen kleinen Schemmel vor seiner Maschine, sah das Papier durchrauschen, rauchte Kette und hustete mit den anderen um die Wette. Tags darauf arbeitete ich in einer Halle, in welcher es so laut war, dass alle Arbeiter Gehörschutz trugen mussten. Alle verständigten sich nur nervös mit Handzeichen. Zum Glück hatte ich schon viele Wildwestfilme mit Indianern gesehen und hatte eine Handvoll zweideutige Handzeichen in meinem Repertoire.

Einmal musste stundenlang in einer anderen Halle warten mit einem Mädchen, dass auch die Schnupperlehre absolvierte. Wir hockten uns auf die grossen Papierrollen. Es war eines dieser Mädchen die sich Jahre zuvor abknutschen liessen in den Discos. Für sie war ich zu jung, ich aber bewunderte ihre vollkommene Schönheit und flirtete auf dümmliche Art mit ihr. 

Danach machte ich eine Schnupperlehre im Coop, Rotkreuz. Bevor ich die Schnupperlehre als Verkäufer im Coop, Rotkreuz antreten konnte, arbeitete ich als Hilfskraft für alles, im führenden Delikatessengeschäft von Baar. Das schönste bei dieser Arbeit war: Der Chef hat mich immer persönlich mitgenommen auf seinen Ausfahrten am Morgen. In einem kleinen Auto lieferte er die teuersten Sachen persönlich an die Kunden. Wir brachten edelste Salami, nicht die mit dem unverschämt überhöhten Preis, Lachs und frische Fische aus dem Meer, Weine, Champagner und viele exotische Früchte. Der Chef war den edlen Weinen verfallen. Der Restalkohol in seinem Blut am Morgen entsprach immer noch dem eines Vollrausches. Er kannte alle und überall gab es ein Kaffee Schnaps oder Wein. Wenn wir zurückkamen vom Ausliefern hat man ihn jeweils nicht mehr lange im Geschäft gesehen. Er war oft schon zu betrunken.

Nach dieser Erfahrung war die Schnupperlehre im Coop dann sehr nüchtern. Aber es gefiel mir sehr. Die Filialleiterin war von der Sonne geküsst, strahlte soviel Harmonie aus, dass alle angesteckt wurden. Leider hatte sie einen tödlichen Autounfall. Die besten Sterben zuerst.

Coop lehnte mich für eine Verkäuferlehre ab, da mein zweites Sekundarzeugnis keine 4 im Durchschnitt erreichte. Aber ich fand Ersatz. In einem grossen, privat geführten Lebensmittelladen in Steinhausen konnte ich eine Lehre beginnen. Ich musste jetzt einfach eine Lehre machen, da ich bereits ein Jahr nur mit Schnupperlehren vergeudet hatte. Mein Chef war ein Mensch den ich nicht verstand und er mich auch nicht. Er war immer auf der Flucht, immer am springen und ultranervös. Man hatte das Gefühl, dass er wie eine Granate, jeden Moment hochgehen könnte. Ich war ein so verträumter Mensch, wenn er mir etwas erklärte, schwor ich mir selbst, immer ganz genau zuzuhören. Aber meine Gedanken waren an ganz anderen Orten und oft wusste ich nachher nicht mehr was er gerade gesagt hatte.  Im Keller war das riesige Warendepot und oft musste ich spontan was raufholen. Frau Meiers Kochwein hatten wir zum Beispiel nur noch im Keller. Egal was ich raufholen musste, ich hab es niemals gefunden. Da wurde er dann immer sehr zornig. Als er mir eine Holzharasse an den Kopf warf bin ich abgehauen. Rauf auf mein geliebtes Töffli und wieder nach Hause zu Mami. Zuhaus hab ich mich im Zimmer eingesperrt. Ich dachte wirklich er würde mich holen. Ich klebte einen Zettel an die Haustüre auf dem in etwa geschrieben stand: Wermelinger du mieses Schwein, komm ja nicht zur Tür herein!

Kellnerlehre in Sihlbrugg
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8.  Kellnerlehre in Sihlbrugg

Für meinen Vater war ich eh ein trostloser Fall und Mutter verhätschelte mich. Nach 6 Monaten die Verkäuferlehre abzubrechen war ganz schlecht. Ich suchte nach einer möglichst kurzen Lehre. Verkäufer hätte zwei Jahre gedauert und die Lehre als Kellner war damals auch zwei Jahre. Meine Eltern fanden eine Lehrstelle in Sihlbrugg, im Mövenpick Löwen. Dort konnte ich sofort beginnen. Bis zum Lehrbeginn arbeitete ich am Buffet, nachher als Kellner. In Sihlbrugg bekam ich auch ein Zimmer und wenn ich frei hatte fuhr ich mit dem Moped in 50 Minuten nach Rotkreuz. Mein Töff war mit Sprayfarben von mir angemalt worden und auf dem Walkman dröhnte volles Volumen "Chinatown" der Band Thin Lizzy. Einmal verlor ich in tiefer Nacht den Auspuff beim Nachhausefahren. In einem sehr dunklen Waldstück. Da hatte ich zuvor soviel Marijuana geraucht oder wieder diese verdammten Dämonenkiller Romane gelesen, dass ich für kein Geld nochmal in den Wald gefahren wäre um den Auspuff aufzuheben. Ich habe ihn dann mit Vater zusammen, am nächsten Tag am Strassenrand aufgelesen .

Das Mövenpick Löwen in Sihlbrugg war ein grosser Betrieb. Zuunterst befand sich die Löwenbar, mit jeden Tag Livemusik und einer kleinen Tanzfläche. Im Parterre war das sehr grosse, übliche Mövenpick und im ersten Stock das Lion Dor. Ein hübsches, gepflegtes Restaurant. Dazu gab es noch Hotelzimmer und Konferenzräume. Ich arbeitete meist im goldenen Löwen, im ersten Stock. Ueli Prager der Besitzer von Mövenpick war ein genialer Gastronom. Er hat viele Sachen erstmals in die Gastronomie eingeführt. 

Durch ihn konnte man husch eine halbe Portion Graved Lachs essen oder einen sehr teuren Wein im Offenausschank geniessen. Jeden Monat einen andern. Sein in der Wildsaison erfundener Spruch -Wild auf Wild?- findet sich immer noch auf manch abgegriffener Wildkarte. Mövenpick, dieses einzigartige Glacé mit ganzen Stücken drin, wurde später von allen Eisanbietern kopiert. Dieses Bauernzmorgen ging auch wie eine Welle durch die Schweiz. Alle Gasthäuser boten plötzlich, am Sonntag, "Buräzmorgä"an. Dies hatten wir jeden Sonntag. Das hat auch Ueli Prager eingeführt. Heute heisst das oft Brunch. Ziel war es, durch ein feudaleres Frühstück, das schwere, fettige und teure Mittagessen auszusparen. Trotzdem warteten immer alle Gäste wie gierige Geier auf den Schinken um 11.00 Uhr. Unser Bauernzmorgen war jeden Sonntag zwei Jahre lang ausverkauft. 

Im Sommer lief die Aktion: Sommerdrinks. Da durfte man jeweils den kitschigen Becher behalten. Unvorstellbar wieviele wir von diesen Drinks verkauft haben. Jeder Kellner konnte die Drinks herstellen. Es war perfekt organisiert. Oder der Coup Eiscreme für zwei Personen: Téte à téte. (Kopf an Kopf). 

Da hatten wir einen sehr dicken Philippiner als Kellner und eine Liveband an diesem Abend, im ersten Stock. Eine grosse Hochzeitsgesellschaft. Er war ein stolzer Kellner mit einem geschmeidigem Gang. Mit dem Kinn immer nach oben übersah er aber das Stromkabel der Musik und fiel mit dem fünfzehn Kugel Coupe flach hin. Wir haben Tränen gelacht. Toll war auch die Zusatzausbildung als Kellner bei Mövenpick. Man konnte sich nach der Lehre locker weiterbilden zum Chef de Service. 

Wir hatten interne Ausflüge ins Welschland zu Weinbetrieben, oder Chocolatfabriken.

Man bekam sogar einen kleinen finanziellen Zustupf, sollte man die Kurse besuchen. Ich hatte immer einen guten Lohn. Als Lehrling machte ich auch eine Menge Trinkgeld. Jede Etage des Restaurants wurde von einem Chef de Service geführt und den obligaten halbwahnsinnigen Küchenchef gab es auch. Das Personalessen war lausig, aber wir vom Serviceteam konnten alles zum Schnäppchenpreis bestellen. So bestellte ich mir oft nach 22.00 Uhr ein feines Schnitzel mit Pommes oder Zürchergeschnetzeltes. Manchmal wollte man seine Ruhe und ich ass im Zimmer. Das leere Geschirr hat meine Mutter danach immer gestohlen und nach Hause genommen. Wir hatten noch Jahrelang Mövenpickteller und Tassen zuhause. Alkohol durften wir nach Feierabend konsumieren und ich nahm immer einen viertel Wein mit aufs Zimmer. Zu Beginn schlief noch ein Koch in meinem Zimmer. Seiner Sprache war ich nicht gängig und er meiner auch nicht. Er hörte immer brutal laut Radio wenn ich schlafen wollte. Ich hörte natürlich dann auch laute Musik wenn er schlafen wollte. So hörten wir immer aneinander vorbei. In der Zimmerstunde mal eine Stunde schlafen, für beide unmöglich. Es war zur Ehrensache geworden nicht zu schlafen wenn einer von uns beiden wach wahr. Ein unsäglicher Zustand. Ich ging zum Wirt und seiner Frau und bat um ein Zimmer in dem ich alleine war. Ich erklärte das Problem und mein Chef war eher ablehnend. Als ich aber erwähnte, dass der Koch Käsefüsse des Todes besitze, ist seine Frau sofort darauf angesprungen. Sie hatte wirklich eine grosse Nase. Beide waren herzensgute Menschen. Von da an hatte ich mein eigenes Zimmer. Ich zerrte grosse Baumstämme aus dem Wald um mein Zimmer damit zu schmücken. Verpackte alles in Alufolie. Bei den jährlichen Drogenkontrollen liess der Wirt die Polizei niemals in mein Zimmer. Sie schauten nur kurz in zwei Zimmer, gleich am Anfang des Ganges.  Ich hatte auch einen extraordinären Oberstift. Ein echtes Unikat. Sein Zimmer war gleich neben mir und er hörte Trans-Formation von Eberhard Schöner. Plötzlich begann er zu schreien: "Das Zimmer brennt! Hilfe! Hilfe! Es brennt."

Alle die nicht arbeiteten sind raus auf den Gang gestürzt. Seine Türe war abgeschlossen und Steve darin war immer noch am schreien. Aus dem Türrahmen strömte leicht Rauch heraus. Da hat Guido, der rothaarige Koch, die Türe aufgebrochen. Beat lag total zugedröhnt, wegen dem Rauch kaum sichtbar, auf seinem Bett. Mit einer metergrossen Wasserpfeife neben sich, hatte er voll den Höllentrip seines Lebens erwischt. Was er sonst eventuell noch geschluckt hatte wussten wir nicht. Wir beruhigten ihn und er kam wieder runter. 

Mein Chef de Service hiess Graber. Ein waschechter, älterer Österreicher. Er trank den ganzen Tag Weisswein, hatte überall seine Verstecke für die Flaschen. Eins war hinter der Kaffeemaschine. Anfangs wusste er mich nicht einzuordnen und er war etwas kühl. Er nannte mich immer: "Paysanne!"(Bauer). Nachdem er gesehen hatte, dass auch ich, junger Hippie, 13 Stunden durchackern konnte, bekam ich seinen Respekt. Im ersten Stock schöpften wir noch viele Sachen am Tisch auf die Teller. Nachschlag wurde am Tisch geschöpft. Das war alles sehr vornehm gehalten. Tatar oder Crèpes Suzette, alles am Tisch zubereitet. Auch das Chateau Briond haben wir am Tisch geschnitten. Ab 20.00 haben wir alle gehofft, dass Töpfe mit noch etwas Leberli oder Geschnetzeltem darin, vom Tisch zurückkommen. Wenn das Personalessen lausig war in der kurzen Pause hat man sich so durch den Abend geschlagen. Chef de Service Graber hat immer die Bestellungen am Tisch aufgenommen und die Tagesempfehlungen der Küche angepriesen.

Er kannte die Namen von gefühlt Tausend Menschen, nahm den Damen immer den Mantel ab und liess seinen Östereicher Charme sprühen. Den ganzen verflucht langen Tag, zwei Jahre lang liefen dieselben Richard Claydermann Kassetten im Kasettenspieler hinter dem Buffet. Erst nachdem die letzten Gäste gegangen waren, knallten wir Rockkasetten rein. Und dann wurde es immer laut. Graber war schon längst am Saufen unten in der Bar. Damals gab es noch sehr viel Schweizer Kellner. Alle fuhren grosse Amerikanerschlitten. Wir hatten alle eine grossartige Zeit. Am Feierabend gingen viele Kellner für einen Schlummertrunk nach unten in die Bar. Die hatte jeden Tag bis 02.00 Uhr geöffnet. Am Wochenende bis um 04.00. Da war dann jeweils voll die Party los. Beim Eingang, in Glaskästen hingen die Bilder der aktuellen Musik Duos die für die musikalische Unterhaltung verantwortlich waren. Von drei kleinen, farbigen Glühbirnen angestrahlt lockten sie mit ihrem besten Gesicht die Leute an. Meist waren das homosexuelle Paare die sich 24 Std. am Tag gegenseitig ertragen mussten. Manchmal waren sie etwas zu tuntig geschminkt auf den Photos und sahen in ihren silbernen Dresses aus wie Kosmonauten. Wir lachten dann sehr darüber. Dann kam zum Beispiel der Kellner Düggelin und rief laut: "Habt ihr gesehen? Neues Duo in der Bar "Dreamboys" ist Granate!" 

Ich konnte schon damals ein wenig Schlagzeug spielen und ein Duo liess mich dann, am Personalfest, einen Song am Schlagzeug begleiten. Der Keyboarder musste mich etwas bremsen, aber am Schluss haben alle applaudiert. Das waren noch wirkliche Personalfeste. Die Leute wollten mehrheitlich ihre Haltung verlieren und nicht behalten. Der Küchenchef und auch der Betriebsleiter waren am Ende gesellig und vor allem betrunken.

Am nächsten Morgen verteilte der Küchenchef Alka Seltzer. Alle mussten am nächsten Morgen wieder arbeiten. Von der Buffetangestellten bis zum Tellerwäscher, alle hatten einen gewaltigen Hangover an diesem Tag. Ich kiffte damals schon ordentlich und Sandy im Service kiffte noch mehr. Sie war sicher 10 Jahre älter als ich. Mit ihrem Freund Markus hatte ich mich sehr gut verstanden. Unten, beim Eingang zum Restaurant schenkte er mir oft, in Silberfolie eingewickelt, gutes marokkanisches Hasch. Sein Freund hiess Blackie und war der grösste Hippie den ich je kennengelernt habe. Ein echter Jamaicaner. Er war immer Barfuss und lehnte Deoderants ab. Sein Geruch erreichte einem stets vor ihm, aber er hätte einem alles geschenkt und das letzte Hemd gegeben. Blackie fuhr einen zum Wohnmobil umgebauten Bus, an dem alles kaputt war. Auf der einen Seite war der Bus angeschrieben mit: "Vera K." 

Mit dieser Punkband sei er auf Tour gewesen. Am kaputten Scheibenwischer hatte er eine Schnur rumgewickelt und ins innere des Autos gezogen. Als es zu Regnen begann, konnte man drinnen an der Schnur ziehen und manuell den Scheibenwischer betätigen. Hat nicht viel genützt. Am Schluss hat er halt den Kopf aus dem Finster gestreckt um besser zu sehen. In der Zimmerstunde blochten wir nach Zürich um im A.J.Z.(Autonomes Jugendzentrum) einen grossen Sack Gras zu verkaufen. Das dauerte jeweils nur Sekunden. Das A.J.Z.war noch nicht so kaputt wie es später war. Dort haben harte Drogen vieles kaputt gemacht. Später zogen sie alle zum Platzspitz. Damals ballerten die Polizisten noch grosszügig mit Gummigeschossen. Ein über ein Meter hoher Haufen von ihnen zeugte davon. Ich bewunderte diesen Menschen Blackie und auch seinen Freund Markus. Wir haben untereinander Schallplatten ausgetauscht. Markus hörte zum Beispiel die geniale Hardrockband "Quartz." Sie wurde produziert vom Black Sabbath Gitarristen, aber niemand ausser Markus kannte es. Er hatte einen vortrefflichen Musikgeschmack. Auch "Jefferson Starship" hörte ich das erste mal bei ihm. In meiner Zimmerstunde fuhren wir einmal auf der Autobahn mit zwei Autos nebeneinander. Da hab ich vom Beifahrersitz aus, bei 100 km/h den Joint zu Markus ins andere Auto gereicht. Das waren zwei grossartige Hippies, beide weit über 30 Jahre alt. Einer sah aus wie Jesus, der andere wie Bob Marley auf Kriegspfad. 

Mit den Oberkellnern ging es manchmal am Wochenende nach Zürich in die Nachtclubs. Solche Clubs, bei denen man die Drinks selbst mitnehmen musste. Dafür waren sie auch bis zum Morgen geöffnet. Wir tranken bis gar nichts mehr reinging. Graber war auch oft dabei. In der Zimmerstunde fuhr ich mit dem Töffli oft am rechten Ufer der Sihl entlang, Richtung Zürich. Rauchte dann friedlich einen Joint an einem idyllischen Plätzchen und hörte Musik vom tragbaren Kassettengerät.  

Im unteren Restaurant trafen sich auch die Reiter vom grossen Pferdehof in Sihlbrugg, an ihrem eigenen grossen Tisch. Die bediente ich nie gerne. Ihr Stallbursche war ein 60jähriger schwerer Alkoholiker. Der machte immer ordentlich Radau am Stammtisch. Ich machte ihm Kaffee Fertig mit soviel Schnaps, dass ich den Schnaps erhitzen musste, damit der Kaffee nicht kalt war. Leider hat der versoffene Held am Stammtisch immer allen gezeigt, dass das Kaffee brennt wenn man es anzündet. Da wollten plötzlich alle so einen Kaffee, aber ich konnte das unmöglich machen. Das wars dann mit Kaffee Extra. Später hat dieser Stallgehilfe Restaurantverbot bekommen. Er hat zwar das halbe Restaurant unterhalten aber andere leider auch belästigt. Viele Jahre später traf ich ihn in Baar. Sauber, Trocken. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst. 

Während der Lehre hatte ich wenig Kontakt zu Joe, meinem besten Freund. Er machte eine Lehre als Koch im Emmental und hatte selten die selben Wochentage frei wie ich. Ich traf mich oft mit Minel. Der war auch aus Rotkreuz und lernte in der nächsten Ortschaft Koch. Wir hörten von einem Hustensirup der einen unglaublichen Rausch auslösen sollte. Wir kauften in den Apotheken vier Flaschen davon und tranken sie am See von Cham auf dem Spielplatz. Das war keine so gute Idee. Zuerst hatte es einem überall gekratzt am Körper, später haben wir nur noch gekotzt. Und schöne Bauchschmerzen gab es auch noch.

Also mit Minel wollte ich unbedingt nach Illmitz meine liebe Grossmutter besuchen. Im Sommer meines zweiten Lehrjahrs machten meine Eltern Ferien im Burgenland und ich dachte mir: Minel und ich machen einen Überaschungsbesuch!

Illmitz 2
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9.  Illmitz 2

 

Der Plan war mit dem Nachtzug nach Wien und dann mit Bus nach Illmitz zufahren. Ich hatte das grosse umhängbare Kasettengerät dabei. An zwei Kasetten die wir ständig spielten, kann ich mich gut erinnern. "Galaxy" der Gruppe Rockets und "Oxygene" von Jean Michel Jarre. Die Musik auf den Kassetten hatte man zuvor Zuhause von den Schallplatten auf die Kassetten überspielt. 40 Gramm starken Hasch hatten wir auch dabei. Lange Papierchen gabs noch nirgends zukaufen. Also rauchten wir aus den Köpfen von Holzpfeifen. Den Stiel der Pfeifen brauchten wir nicht. Die Abteile hatten alle eine Türe zum Schliessen und wir hörten Musik und rauchten. Das meiste Reisegeld brauchte man für die grossen Batterien im Kassettengerät. Die Batterien waren damals schon sehr teuer. Plötzlich schaute ein afrikanisch aussehender Typ in unser Abteil, sicher 50 Jahre alt. Er hat sich frech zu uns gesessen. Dann hat er seinen marokkanischen Hasch gezeigt und innert wenigen Sekunden einen Joint gedreht. Er kam aus Marokko. Er hatte die Technik. Die Rauchmischung machte er in seiner hohlen Hand und füllte damit blitzartig eine Art von Jointhülse. Danach hatten wir es sehr lustig. Alles hätte ich von diesem Menschen gedacht, nur nicht das er kifft. An die Zollkontrolle  kann ich mich nicht mehr erinnern. Wir hatten keine Probleme. Auch der Marokkaner  nicht. Wahrscheinlich sagte der eine Zollbeamte zum anderen:

"Nein, den Marokkaner müssen wir keinesfalls filzen. Das wäre zu auffällig. Kein Mensch kann so dumm sein und als Marokkaner Hasch schmuggeln!" 

In Wien angekommen gingen wir auf einen Besuch in den Wiener Prater. Einer der ältesten Vergnügungsparks von Europa, berühmt für sein altes Riesenrad, die steinalten Geisterbahnen und damals noch die Pornokinos am Eingang, und die billigen Huren davor.

Die Geisterbahnen sind wir alle gefahren und haben dabei gelacht wie Zehnjährige. Da gab es ein Spuckhaus mit schiefen Zimmer. Eine Art Illusion mit schiefem Boden. Mit so viel Hasch im Kopf, sind wir da fast 30 Min. nicht mehr rausgekommen und haben Tränen gelacht. 

Hüpfburg, Rutschbahn, Spiegellabyrinth und Go-Kart: alles mitgenommen, nur die Achterbahnen waren uns zu heftig. Der Wiener Prater ist heute noch sehr schön und einige der alten, antiken Fahrgeschäfte haben überlebt.

Wir hatten ein Zweierzelt dabei und nahmen später den Buss nach Podersdorf, gelegen im schönen Burgenland. Dort wollten wir zwei, drei Tage Campieren und natürlich die berüchtigte Tenne-Disco besuchen. Hasch und Gras kannten sie im Burgenland noch nicht und es wurde allgemein mit Heroin gleichgesetzt. Wir haben brav unser Zelt im Campingplatz aufgebaut und am Abend schlenderten wir in die Provinzdisco. Im hinteren Teil haben wir dann unsere Pfeife geraucht. Einer der Einheimischen war mit uns sehr sympathisch, hatte lange Haare, traute aber nicht mit zu rauchen. Der Rest dieser sehr agressiven Truppe, von etwa 12 Mann, mochte uns weniger. Der Anführer war ein giftiger, kleiner Zwerg der laut rumschrie und die anderen aufhetzte, uns anzugreifen. Er schrie: "Heroin! Heroin!" 

Minel mein Freund war aber 195 cm gross und nicht beeindruckt. Er war als Bauernsohn mit Schwingen grossgeworden. Mich hatten sie in der Ecke fixiert und bevor sie zu fünft auf Minel losgehen konnten, hatte sich Minel den kleinen Giftzwerg in der zweiten Reihe gepackt und wie einen Sack, sicher 5 Meter über den Tisch geworfen. Der ist liegengeblieben. Weil der langhaarige Sympathisant laut für uns Partei ergriff, sind wir im Eifer des Gefechts davongekommen. Wir gingen schnurstracks raus. Draussen hatten wir unser gemietetes Tandem geparkt. Eines bei dem man neben aneinander sitzt, mit Dach über dem Kopf. Wir haben alles gegeben und sind wie vom Affen gebissen durch das Dorf gedonnert, immer Richtung Rebberge. Dort versteckten wir uns irgendwo. Die jungen Wilden von Podersdorf fuhren alle 50 ccm Mokicks, die man damals in der Schweiz noch gar nicht auf den Strassen sah, oder besser hörte. Diese Mokicks  konnten sie schon mit 16 fahren. Das Motorengeräusch von diesen extrem hochgedrosselten Motoren hörte man meilenweit. Auf dieses Geräusch achteten wir mit Angst, versteckt in den Rebbergen. Zum Glück haben sie uns nicht erwischt. Am nächsten Tag sind wir früher abgereist als geplant. Ich kann mich erinnern, dass uns während dem Warten auf den Bus nach Illmitz, bei jedem anrauschendem Mokick die Haare gehörig zu Berge standen. 

In Illmitz wollten wir uns Mut ansaufen bevor wir in der steilen Zickhöhe eintrafen. Wir gingen in ein Gasthaus Kegeln und tranken den süssen, mörderischen Weisswein. Die Kegel waren extrem klein. Eher grössere Bocciakugeln. Minel war sehr in Fahrt und warf die Kugel so hoch der Bahn entlang, dass sie neben der Anzeige im Kork steckenblieb. 

Minel war vermögend. Vom Bauernbetrieb seiner alten Eltern stand nur noch die alte Scheune. Alles andere wurde Bauland. Auch das Hochhaus, in Rotkreuz, in dem ich wohnte gehörte seinen Eltern. Minel musste zahlen und wir sind eher nüchtern bei Oma und Opa und meinen Eltern angekommen. Wir schlugen unser kleines Zelt im Garten auf und zogen mit meinen Cousins schnell wieder los. Im Kaffee trank man sehr gern "Kloine". Das waren "kleine" Shots mit Rum und Cola. Olgas Kaffeebar war Granate. Auf dem Weg dorthin sahen wir einen alten Mann der sich am Nachmittag an einem Strommast festhielt. Er schrie immer:

"Ich kann nicht mehr gehen. Ich kann nicht mehr stehen!"

Minel und ich waren leicht geschockt aber Cousin H. klärte uns auf, dass man bei einem Komplettrausch von starken billigem Rum, am Ende weder Gehen noch Stehen kann. Das wollten wir auch und tranken so jeder an die 25 "Kloine."  Danach, zwischen einem Wirtshauswechsel, wollte mein Cousin E. auch Hasch probieren. Er hat tief inhaliert und sich schon was ordentliches eingebildet. Auf jeden Fall hatte es ihn gleich flach auf den Boden geworfen. Er konnte ganzen Abend keinen klaren Satz mehr sprechen. Da haben auch Schmalzbrote (Schlachtfett von Schweinen und Gänsen auf einer Scheibe Brot) nicht mehr geholfen. Gegen morgen sind wir im Zimmer meiner Cousine gelandet. Als ihr Vater besoffen nach Hause kam mussten wir uns hinter dem Bett verstecken. Zum Glück hat er uns nicht erwischt. Sie hatte grosse Angst vor ihm. Er hatte sie früher schon geschlagen.

Er hat sich später zu Tode gesoffen. Einen Tag später mussten wir mit ihr zum Arzt. Mein Onkel hatte ihr beim Mittagessen eine schwere Dose mit Ravioli an den Kopf geworfen. Sie musste ihre langen Haare auf einer Seite abrasieren und die Wunde musste mit vielen Stichen genäht werden. Sie war traurig und weinte. Der Teufel Alkohol zeigte sein mörderisches Gesicht.

Alle tollen Freunde meiner Cousins wollten mit uns saufen und da waren einmalige Haudegen dabei. Mit ihren stark frisierten 50 ccm Mokicks hätten sie auch auf der Autobahn fahren können. Bei den Kirchweihfesten (wir sagen Chilbi), in und um Illmitz, galt es die Ehre zu verteidigen, um jeden Preis. Darum hatten sie alle fast keine Zähne mehr. Alle meine Cousins hatten schon teilweise Schubladen im Mund, wegen den ständigen Schlägereien an den vielen Volksfesten. Diese finden wie üblich immer am Ende so eines Festes statt. Wenn die Musik nicht mehr spielt. Darum hab ich als Kind in Illmitz, das nicht anschauen müssen. Geblieben sind mir die grossartigen Blaskapellen die einem den Marsch blasen und Spannferkel und "Steckerlfisch." (Am Stab gegrillter ganzer Fisch).

Am dritten Tag haben es Minel und ich dann endgültig übertrieben. Beim Nachhause torkeln verlor Minel seine Brille und sein Portmonnaie. Später in der Nacht, hatte ich im Zelt einen heftigen Alptraum. Ich schrie dermassen laut und lang, dass ich das ganze Haus geweckt habe. Minel kotzte vor allen Zuschauern noch mal einen riesigen Fladen auf den Rasen und ich war komplett zu nichts mehr zu gebrauchen. Ich kotzte aber auch noch schnell über das Zelt. Da hats Vater gereicht. Uns war es egal. Am nächsten Tag packten wir also wieder unsere Koffer. Zurück in die Schweiz, ins Gastgewerbe.

Wieder im Gastgewerbe
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10.  Wieder im Gastgewerbe

Während meiner Lehre kaufte ich ein tolles, altes Schlagzeug für 300 Franken. Die Scheune von Minels Eltern in Rotkreuz stand leer und wir gründeten "Frevel Börn". Das sollte eine Rockband werden. Minel kaufte auch billige Boxen, Gitarre und Microphon. Im ehemaligen Kuhstall stand das ganze Zeugs, ohne Heizung und Isolation. Einmal hat Minel den ausrangierten Traktor angeworfen und das Schlagzeug haben wir auf den Anhänger gestellt. So wollten wir durch das Dorf rasen und ich hinten, auf dem Anhänger, sollte Schlagzeug spielen. Das ging gar nicht gut. In der ersten Kurve rutschte das Schlagzeug dermassen hin und her, dass fast ein Teil auf der Strasse landete.  Die Übung wurde schnellstens abgebrochen. In der Scheune lungerte oft der steinalte Knecht rum. Minels Vater brachte es nicht übers Herz ihn zu entlassen. Er wohnte und arbeitete seit Jahrzehnten für Minels Eltern. Er machte den grössten Buckel beim Gehen den ich je gesehen habe. Sein Gesicht berührte beim Gehen fast die Knie und er brauchte fast eine Stunde für die dreihundert Meter vom Wohnhaus zur Scheune. Wir hatten ständig andere Gitarristen zu Besuch. Keiner konnte spielen, dafür waren aber alle betrunken. Die Clique wurde immer grösser und man traf sich zum saufen und kiffen im Bahnhoffbuffet. Danach gings oft in die Scheune, die Sau rauslassen. Knecht Rubrecht hasste alles laute und man kann nicht glauben wie er fluchen konnte. Als er einmal zu laut gegen uns wurde hat ihn Minel gepackt und ein wenig geschüttelt. Sicher ohne ihm körperliche Schäden zuzufügen tat er mir dann doch leid. 

Im Löwen in Sihlbrugg verliebte ich mich in die Freundin der Tochter vom Chef. Sie hiess Priska. Sie liebte mich sehr und wir wurden ein junges Pärchen.

Priska kam mit dem Zug nach Rotkreuz und ich stellte sie meiner Mutter vor. Am Abend als Priska wieder abgereist war rief mich Mutter zu sich.

"Hast du gerochen wie sie stinkt?

Sie ist das letzte!"

Da konnte ich nicht mehr schlafen, aber beim nächsten Treff in Sihlbrugg habe ich Priska sofort zum Teufel gejagt, ohne einen Anlass dafür nennen zu können. Priska hat dermassen geweint. 

Mit diesem System konnte meine Mutter jede andere weibliche Person die nächsten zehn Jahre aus meinem Leben fernhalten. Bestimmt war ich fünf Monate mit Priska zusammen und wir hatten nur ein wenig geschmust. Ich hatte Angst vor Sex. Später verlor ich meine Unschuld mit 19 Jahren bei einer ungarischen Hure in Luzern. Joe und Hösli waren auch dabei und taten dasselbe. Auch war etwa zu dieser Zeit meine Aushebung für den Militärdienst. Da hatten wir alle keine Lust dazu. Ich machte einen auf total Drogenabhängig und wurde ein Jahr zurückgestellt. Beim zweiten Mal sah ich dann aus wie jemand der schon länger unter der Brücke lebt. Ich bekam das Prädikat Untauglich.

Costa Brava
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11.  Costa Brava

Während der Lehrzeit fuhr ich auch ein letztes mal in den Campingurlaub. Mit meinen Eltern an die Costa Brava. Ich hatte mein kleines Zweierzelt vor ihrem Familienzelt aufgebaut. Zuerst musste ich mir was zum Rauchen besorgen. Es hiess in der nächsten Ortschaft, in einer Bar, könne man jederzeit vom Kellner feines, marokkanisches Hasch kaufen. Also bin ich gegen Abend losgezogen, alles der wunderschönen Küste entlang zum nächsten Dorf. Zwischen den Klippen hab ich ein paar gestrandete deutsche Hippies getroffen. Die waren seltsam radikal, vor allem weil sie kein Geld hatten. Sie waren sich auch nicht zu Schade um zu betteln.

In der Bar dann kaufte ich feine Platte Hasch. Zurück, der Küste entlang hab ich mir einen schönen einsamen Platz gesucht und einen fetten Joint gedreht. Die Sonne war bereits untergegangen. Das laute brechen der Wellen und der Geruch des Meeres. Das Zirpen der Grillen. In diesem Moment war ich zufrieden. 

Ich wollte nicht noch einmal diese teuflischen, deutschen Hippies treffen und bin landeinwärts losgelaufen. Weit entfernt hörte ich die Autos der Hauptstrasse. Der ganze Weg war nicht beleuchtet und ich erinnerte mich an all die Zeitungsberichte, dass viele Touristen in Spanien ausgeraubt wurden. Der Dämonenkiller Roman, den ich zum Lesen mitgenommen hatte, war übrigens auch nicht schlecht. Ich ging voll auf Horrortrip, links und rechts nur Pinienwald, leerstehende Bungalows und verlassene Tennisplätze. Die dunklen Passagen bin ich voll durch gehetzt und als ich endlich die Hauptstrasse erreichte war ich fix und fertig. Die restlichen Kilometer zurück nach Playa Daro gaben mir den Rest. Blasen an den Füssen wegen falschen Schuhen, aber immerhin hatte ich jetzt was feines zum Rauchen. Schnell lernte ich ein paar Einheimische kennen. Sie standen den ganzen Tag immer am selben Ort. Sehr viel ältere Kiffer, aber alle gut drauf mit positiver Vibration. In einem grossen Hotel am Strand kannten sie den Barkeeper. Da lief psychedelische Musik bis es Tag wurde und wir rauchten Hasch am Strand. Einmal kamen die "Guarda Zivil" und sprachen uns an. Da hatte ich ordentlich Schiss aber sie liefen dann einfach weiter. Ich schluckte an einem Abend Amphetamine und wollte blöd an einem Strommast rumturnen. Da hab ich mir schön wehgetan. Einer hatte auch Heroin und etwas abseits fragte ich ihn danach. Er war sehr erbost und hätte mir niemals etwas gegeben. Das hat mich gerettet.

In einer Spielhalle lernte ich einen Typen kennen, der jeden Tag ein Jahr älter aussah. Er stellte mir die Flipper auf Freispiel. Am nächsten Tag sah ich ihn zur Arbeit hetzen und er roch an einem Fläschchen. Ich rief sofort "Hallo"und überquerte zügig die Strasse. Den Stoff wollte ich auch probieren. Das kleine schwarze Fläschchen hatte es in sich. Ich führte es an die Nase und inhalierte tief, seine Warnung missachtend. Ich sah gleich die Sterne und fiel auf den Boden. Da bekam er Angst und sagte wahrscheinlich so etwas wie: "Ola, tranquill!" 

Ich lachte sicher schief und torkelte davon. Ich war bestimmt noch eine Stunde auf Trip und am Schluss kotzte ich mir die Seele aus dem Leib. Es hatte viele Discotheken und die berühmteste und teuerste war das Pascha. Das lag abgelegen und ich machte Autostop. Laufen wollte ich auf keinen Fall mehr. Meine Hosen hatten Blumenmuster und vielleicht hielt darum schon bald ein sehr teures Auto neben mir an. Darin sass ein Mensch der aussah wie ein Künstler. Er kannte den Besitzer vom Pascha, war gut befreundet. Er ging gleich mit mir hinein und ich musste nichts bezahlen. Da tanzte er noch lang mit mir. Als sein Freund der Besitzer auftauchte gingen sie weiter. Ich glaub heute, ich war dem Besitzer einfach noch etwas zu grün hinter den Ohren, sonst hätten sie mich sicherlich mitgeschleift. Wer weiss es. Zurück in die schöne Schweiz.

Die Abschlussprüfung der Kellnerlehre stand an.

Das ging erstaunlich gut und flüssig. Man musste einem Fachmann mit Begleitung und dem Pächterehepaar ein Menu servieren. Etwas Tatar am Tisch zubereiten, ein Chateau Brion am Tisch geschnitten, brav Wein empfohlen und generell darauf geachtet, dass keiner nüchtern bleibt. Test mit 5,3 bestanden!

Freie Marktwirtschaft
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12.  Freie Marktwirtschaft

Ich wohnte noch immer bei meinen Eltern in Rotkreuz. Fönsi mein ältester Bruder war längst ausgezogen. Das ständige Einmischen meiner Mutter, in jede seiner Beziehungen hat er nicht hingenommen. Gut gemacht. Ich fand eine Stelle als Kellner im Bahnhofbuffet von Zug. Ein Hoch auf diesen alten Bahnhof. Der heutige hat ja nicht mal mehr ein schönes Restaurant. Mit der Kaffeetasse aus Karton in der Hand, darf man heute in der grossen Halle durchaus auch mal frieren. Damals waren da vier Restaurants unter einem Dach. Die Zugerstube, eine Cafeteria, ein Italiener mit Pizzas und ein vornehmes Restaurant für feines Essen. Alle Restaurants wurden von einer Wirtin mit ihrem Mann geführt. Ich arbeitete in der Cafeteria. Ich arbeitete auf Umsatz . Das Problem war, dass alle Restaurants ausser die Zugerstube, schlecht frequentiert waren. Am Nachmittag hatte ich oft nur den ein und denselben Junkie auf Heroin als Gast, der zwei Stunden brauchte um sein Superman Comics zu lesen. Der ging mir sehr auf den Sack. Obwohl nix los war mussten wir immer im Stehen essen. Die Wirtin, mit italienischen Wurzeln, ass ständig scharfe Peperocini. Sie war heiss wie Lava. Sie waren korrekte Menschen die ihre Emotionen im Griff hatten. Ausser in einer Nacht. Ich hatte mein Zimmer ganz oben, unter dem Dach des Bahnhofs und als ich ziemlich fröhlich spät nachts nach Haus kam, musste ich an der Wohnung der Wirtin und ihres Ehemannes vorbei. Die befand sich einen Stock unterhalb meines Zimmers. Da öffnete die schöne Wirtin die Tür, stand im komplett durchsichtigen Negligé beim Türrahmen und bot mich sehr freundlich herein. Ich hab doch voll in die Hose geschissen, schaute auf den Boden und flüchtete in meine Zelle. Traurig ist das. Sie war Italienerin und ernährte sich nur von Peperocini. Dass ich da den Schwanz eingezogen habe. In diesem Moment hatte ich bestimmt tollen Sex verpasst.  

Ich las lieber in meinen Büchern. Von Naturgeistern und magischen Steinen. Ich lernte Tarotkarten legen und las: "Der Weg zum wahren Adepten" von Franz Bardon. Ich las auch alles von Carlos Castaneda. Viele mystische Dinge zogen mich magisch an. 

"Das Traumdeutungsbuch des fahrenden Volkes" von Sergius Golowin half mir meine Träume zu deuten. Ich träume heute noch fast jede Nacht und kann mich gut an sie erinnern. Dasselbe Buch liegt heute noch immer auf meinem Nachttisch, ich schau aber nur noch selten rein. Träume sprechen eine einfache klare Sprache die jeder versteht. Sind die Träume verwirrt, ist man selbst verwirrt. So einfach ist das. Wenn sich jemand interessiert, meiner Erfahrung nach, die beste Methode seine Aufmerksamkeit auf die Träume zu lenken ist allein in der Nacht durch tiefen Wald zu spazieren. 

Einmal fragte mich ein alter freundlicher Hippie, ob er im wärmeren Treppenhaus des Bahnhofs schlafen dürfe. Ich musste dazu die untere Türe aufschliessen. Hier ging es auch hoch zu den Personalzimmern. Ich liess ihn ins wärmere Treppenhaus.  Danach fuhr ich mit dem letzten Zug nach Rotkreuz. Meine freien Tage verbrachte ich bei Mutter. An diesem Abend räumte dieser gottlose Hippie alle Zimmer aus. Den anderen Serviceangestellten hatte er die Serviceportmonnais gestohlen. Mit dem Stock von 300.- Franken darin. Da der letzte Monatslohn auch nur knapp 1800.- war, hatte ich nun gar keinen Bock mehr auf diese Stelle. (Und ich hatte ordentlich das Gesicht verloren.) Ich lief einfach davon, ohne die Kündigungsfrist einzuhalten. Mutter wartete bereits vor dem Bahnhof. Sie unterstützte mein feiges Handeln. 

Ohne längere Pause fand ich eine neue Stelle in der Altstadt von Zug. Bei einem Sternekoch. Dieser Koch war ein Künstler, kaufte so viel es geht auf dem Markt ein und natürlich alles immer so frisch wie es geht. Niemals mehr hatte ich so feines Personalessen wie bei ihm. Es war ein sehr altes, mehrstöckiges Restaurant und der Wirt pflegte die Atmosphäre. Den reichen Damen nahm er immer persönlich den Pelzmantel ab und schloss ihn in einem Schrank ein. Dazu sagte er mit säuselnder Stimme:

"Ja grüezi Frau Mörgeli, darf ich ihrä Mantel abnäh?"

Dazu verbeugte er sich als ob die Queen vor ihm stehen würde. Aber er wedelte niemals mit den Händen. An machen Abenden machte er so oft den Beuger, dass ich dachte: Warum bleibt er nicht einfach hängen und muss den Rest des Lebens mit diesem Knick im Rücken rumlaufen. Einmal musste ich die Tableaus mit den kleinen Zinnkrügen vom oberen Stock holen.  Sie dienten als Blumenvasen auf den Tischen und beim runtergehen hat es mich in dem engen, steilen Treppengang voll hingehauen. Mindestens die Hälfte aller Vasen waren verbeult. Der Wirt war sauer auf mich aber er war ein fairer Mensch und emotional kontrolliert. Was man vom Chef de Service leider nicht sagen konnte. Er frönte dem Alkohol und lief jedem Rock nach. 

Wir servierten vor allem Menu "Surprise". Sieben Gänge bei denen die Gäste nur zwischen Fleisch oder Fisch entscheiden konnten. Alles andere war eine Überraschung. Wir servierten jeden Gang unter grossen Silberglocken verborgen. Dann mussten wir immer synchron alle Deckel auf einmal abheben. Das war dem Wirt sehr wichtig und in diesem Moment war er immer ein sehr glücklicher Mensch. Danach, und dass machte auch immer der Wirt persönlich, erklärte er die Speise. Dann sagte er etwas sinnfreies, wie etwa:

"Dies ist eine gelungene Mariage aus Rind und Huhn die sich in einem fröhlichen Dialog mit den Erbsen und Rüben befinden. En Guetä mitenänd!"

Obwohl da oft nur einsamer Sellerie auf dem Teller lag konnte er stundenlang über die Zubereitungsart philosophieren. In den Augen der Gäste konnte man lesen was sie dachten: -Mach doch bitte mal vorwärts, das Essen wird kalt!-

Das konnte niemals passieren, den die Teller waren immer glühend heiss. Da hätte man Spiegeleier drauf braten können. Auch wenn die Portionen jeweils klein waren, hatten alle immer mehr als genug am Ende. Zum Menu gehörte auch ein Gang mit Käse. Dazu fuhr ich den Käsewagen an den Tisch. Der war gekühlt und die Sorten die man probieren konnte waren vom feinsten. Feinster Käse aus den besten Regionen der Welt. Der Wirt konnte zu jedem Käse, seinen Käse abgeben. Wählte der Gast aber den einfachen, sensationellen, alten Emmentaler, sagte er immer den gleichen Witz auf: 

"Händs sie gwüsst, bim Emmentäler muess mer au d Löcher zahlä!"   

Der Chef de Service machte immer eine grosse Show wenn er "Crepe Suzette" (flambierte Süssspeise) am Tisch zubereitete. Er nahm wie jeder stolze Alkoholiker zuviel Schnaps und die Flamme war jeweils gewaltig. Zum Kaffee gab es automatisch drei Sorten mit Schnaps gefüllte Trüffes und 5 Sorten Zucker dazu. 

Wenn ich so zurückdenke, das war ein dermassen gepflegter Service. Auch ein prüdes Rivella wurde hinter dem Buffet in eine schöne Kristallkaraffe umgefüllt. Zu jedem Tisch gehört ja auch das servierte Brot. Wir servierten ganz dünn geschnittenes Kümmelbrotbaguette, dass wir vorher in den Toaster gesteckt haben. Dazu zwei Sorten Butter. Einer leicht gesalzen aus Irland. Die Butter mussten wir immer in ganz winzige, sehr teure Porzellandosen umfüllen.

So hatte jeder Gast zwei winzige Porzellangefässe mit seinem Butter vor sich. Wir mussten auch ein Muster auf die Oberfläche des Butters zeichnen. Dieser Wirt und sein Partner in der Küche waren Over the Top. Jahre später erreichten sie 18,5 Gault Millau Punkte. Damals aber ist mir ständig das Kümmelbrot verbrannt. Man musste vor dem Toaster stehen und auf die Sekunde genau das dünne Kümmelbrot rausnehmen. Wurde man da abgelenkt, verbrannte das Brot, weil mein genialer Wirt nie ein Zeitlimit am Toaster eingegeben hätte. Er stand dann vor dem Toaster und sagte: "Siehst du, jetzt ist es richtig!"

So weit ich mich erinnern kann löste ich mindestens zweimal den Feueralarm aus weil das verdammte Kümmelbrot verbrannte. Am Feierabend um 1.00 Uhr ging ich immer die Schwäne mit dem gesamten Restbrot füttern. Unten, bei der Altstadt am See, gibt es bis heute dieses magische Plätzchen. Gleich 80 meter weiter hatte ich mein lausiges Zimmer für 450.- Franken pro Monat. Ich war stets allein unter der Woche. Zu dieser Zeit trank ich auch nichts. Kiffen war auch nicht. In einer frischen Nacht haben einmal zwei Schwäne gestritten, so morgens um zwei. Der eine schneeweisse Schwan war scheinbar jünger und wurde vom zweiten sehr zurechtgestutzt. Vielleicht hat der traurige Schwan, mich vom vielen Füttern her, erkannt. Er kam zu mir und liess sich umarmen und streicheln. Das war sehr magisch. Schwäne haben auch Gefühle, wie Menschen. Dieser Schwan war so traurig und ich im innern auch. Ich träumte viel und in meinen Träumen konnte ich immer fliegen. Ich lebte in einer Traumwelt in der über Nacht grosse Wunder entstehen sollten. Wenn ich nicht schlafen konnte spazierte ich hoch zum Zugerberg. Dort oben sah ich Dinge die ich bis heute nicht erklären kann. Der Mensch kann sich eine Menge zurecht legen, vielleicht hatte ich nur zu viele Dämonenkiller Romane gelesen.

Intermezzo mit Autofahrstunden
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13.  Intermezzo mit Autofahrstunden

Ungefähr zu dieser Zeit begann ich mit meinen Fahrstunden. Dazu wählte ich den heissesten Chlapf im Kanton Zug aus. Das war ein knallbunter Opel Manta der Aussehen wollte wie ein Ferarri. Diesem Fahrlehrer erzählte ich zu viel über meine Ambitionen, vom fliegen beim Träumen und bewusstseinserweiternden Drogen. Im Kopf war ich ständig an einem anderen Ort. Ich brauchte 10 Stunden Fahrschule um endlich vom zweiten in den dritten Gang hochschalten zu können.Ich bin dann auch die erste Prüfung durchgefallen. Beim Retourfahren habe ich komplett die Orientierung verloren. Bei der zweiten Prüfung, mit bereits sechzig Fahrstunden war es noch schlimmer. Für die dritte Prüfung wollte ich den Fahrlehrer wechseln. Mein Fahrlehrer sagte immer ich sei nicht normal und etwas stimme nicht mit mir. Er bot mir auch Valium an, vor der zweiten Prüfung, dass ich ablehnte. Mein Wechsel zu einem anderen Fahrlehrer liess er sich nicht gefallen. Ich bekam eingeschriebene Briefe von ihm. Schade sind die nicht mehr in meinem Besitz. Ich hätte sie gern fotografiert und zum Text im Buch mitgeliefert. Er schrieb, dass er dafür sorge das ich niemals mehr Autofahren werde. Ich sei krank, ein Psycho und nicht fähig für das Fahren eines Autos. Er schuldete mir noch Fahrstunden. Man kaufte immer ein 10 Stunden Abo, bekam dafür eine Stunde geschenkt. 

Das wollte ich mir dann doch nicht gefallen lassen. Ich suchte ich mir einen der teuersten und bekanntesten Anwälte in der Stadt Zug aus. Der schrieb genau einen Brief an diesen Fahrlehrer, und dann herrschte Ruhe und alles war geklärt. Das Geld war wieder auf meinem Konto. Zum Glück, denn der Anwalt kostete ein kleines Vermögen. Aber er war das Geld wert. Beim Attentat von Zug, bei dem 17 Menschen erschossen wurden, war dieser Anwalt auch unter den Opfern. Ein halbes Jahr später konnte man in den Zuger Zeitungen lesen: Fahrlehrer setzte seine Schüler unter Drogen!

Mein Ex-Fahrlehrer musste seine Fahrlehrerlizenz abgeben. Danach wechselte ich den Fahrlehrer. Da hatte ich dann grosses Glück. Dieser neue Fahrlehrer war Granate. Der wusste wie er mich händeln musste. Er sagte: "Autofahren fängt beim Fühlen an!" 

Herr Pauleto verschmolz mit seinem Ford Escort. Das gefiel mir sehr. Nach 10 Stunden bei ihm, hatte ich die Prüfung bestanden.

Hochzeit mit Schrecken
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14.  Hochzeit mit Schrecken

Im Restaurant in der Altstadt war unter der Woche nicht so viel los, aber oft ging die ganze Zimmerstunde flöten, weil die vermögenden Herren bis um 16.00 römische Fress und Sauforgien feierten. Unter der Woche kam oft spät Abends nach 21.00 immer derselbe Gast. Er nannte mich immer "Garibaldi". Keine Ahnung warum. Da war ich oft von 22 bis 24 Uhr nur wegen ihm da und stand blöd rum. Nur weil er den Sinn des Lebens im 7 Gänge Menu suchte. Da hab ich ihn ein paarmal während dem Essen und beim Kauen angesprochen und langweiligen Blödsinn erzählt. Das mochte er gar nicht so. Und schon war er niemals mehr gesehen.

Am Wochenende fand eine kleine Hochzeit statt. Mit nur sieben Personen. Wir hatten oft sehr kleine Hochzeiten mit 4-8 Personen. Da fragt man sich, ob diese eher vermögenden Gesellschaften, bei ihrer jeweiligen offiziellen Hochzeitsfeier, die Gäste nur noch mit "Wienerli und Kartoffelsalat" abspeisen. Um eventuell das kleine verfressene Vermögen wieder reinzuholen. Der Chef de Service war ständig in der Küche am Flirten, bei einer sehr hübschen Köchin. Dazu soff er wie immer Cüpli mit Champagner und Orangensaft. Er war schon sehr laut und witzig. Da servierte ich die Desserts für eine kleine Hochzeitsgesellschaft. Darauf hatte er gewartet. Er kam um den Ecken geschlichen und fragte mich, ob die Braut als erste den Coupe "O Sole Mio" vorgesetzt bekam. 

Die Braut wird ja immer zuerst bedient. Das wäre ja seine Arbeit gewesen, er hatte ja bereits die Bestellung aufgenommen und nur er wusste welches Dessert zu welcher Person gehört. Ich hatte bereits sämtliche Desserts serviert und antwortete etwas frech und angepisst: 

"Das ist mir scheissegal!"

Das hat ihn ordentlich getriggert und er begann sofort auf mich einzuschlagen. Alles vor den Gästen. Zuerst schlug er mir mit seinem Fuss auf meinen Oberschenkel, so dass ich in die Knie ging. Danach schlug er mir mit den Fäusten ins Gesicht. Die Lippe war aufgesprungen und blutete über das weisse Hemd. Ich mochte ihn nie und er mochte mich auch nicht. Am Abend vor dem Wirtesonntag ging er immer saufen mit dem Küchenpersonal. Ich ging niemals mit.   

Nach den Schlägen bekam ich einen Weinkrampf  und lief sofort weg. Dieser Mensch hat mir noch nachgerufen: "Schmidi. Verblödeter Träumer. Hahahaha!"

Dann am nächsten Tag; Besprechung beim Chef. 

Er meinte, er hätte die besten Anwälte der Schweiz, unter diesen sei auch sein Bruder, und ich solle von einer Anzeige Abstand nehmen. Das tat ich dann auch. Ich bekam drei Monatslöhne und war ab sofort wieder freigestellt. Danach fand ich eine Stelle im Zunfthaus Pfistern, am Kornmarkt in Luzern. 

Luzern
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15.  Luzern

 

Ich arbeitete im oberen gepflegten Restaurant. Im unteren Restaurant servierten sie, an einem Sommertag, gefühlte 800 Portionen Käsefondue an asiatische Touristen. Im oberen Stock war es eher teuer und weniger frequentiert. Eine serbische Serviceangestellte hat mit mir die meiste Zeit Stoffservietten gefaltet, auch für andere Betriebe. Am meisten servierten wir Froschschenkel.

"Herr Kellner, haben sie Froschschenkel?"

"Ja."

"Dann hüpfen sie gefälligst in die Küche und bestellen welche!"

Auch hier hat mir ein Kellner ins Gesicht geschlagen und langsam hatte ich keine Lust mehr aufs Gastgewerbe. Den Kellner hatte ich aber zuvor provoziert und ich hätte was lernen sollen. Ich lief aber davon, ohne die Kündigungspflicht einzuhalten. Auf dem Kornmarkt wartete schon Mutter. Ich arbeitete noch kurz im Gütsch-Hotel. Das war grauenhaft. Eine Hetzerei, Massenabfertigung, und ein Chef der dauernd überall rumschrie. 

Vom Gastgewerbe ins Autogewerbe
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16.  Vom Gastgewerbe ins Autogewerbe

Als Ausgleich kaufte ich mir ein Alphorn. Hösi, mein Kollege kaufte auch eins und wir nahmen Alphorn Unterricht in Ebikon.

Noten lernen war schwer und wir konnten nur immer den selben Song spielen: "Dä Bärner." Geübt haben wir oft im Wald, und einmal spielten wir in den Gängen des "Sedels." In diesem stillgelegten Gefängniss gab es einen unglaublichen Hall. In den Zellen übten Bands und unten befand sich das Schweinesound Studio. Der Besitzer hatte schnell mal genug von unserer Improvisation, kam die Treppen hochgerauscht und schrie: 

"15 Minuten mag ja recht sein, jetzt ist aber genug!"

Danach haben wir das Alphorn zusammengepackt und unten an der Sedel-Bar ordentlich über den Frust getrunken. Ich kaufte mir damals auch eine singende Säge. Eine Säge die man mit Geigenbogen spielt. Das konnte ich ganz gut. In Rotkreuz mieteten Joe, Hösi und ich einen Musikübungsraum in der evangelischen Kirche. Der gleiche Zivilschutzraum in dem früher die Discos stattfanden. Der Evangelische Pfarrer war  genau der Mensch den man sich als evangelischen Pfarrer vorstellt. Lange Haare, mit dem Velo unterwegs. Er fuhr immer von Hünenberg mit dem Velo zur Kirche. Vier Jahre lang hat er uns bei jedem Gespräch gefragt, ob wir nicht einmal in die Messe kommen wollten. Wir sind nie gegangen. Hösi spielte Gitarre, Joe bediente den Synthesizer und ich das Schlagzeug. Joe und ich kauften eine Menge Synthesizer. Damals klangen noch nicht alle gleich wie heute.

Jeder Synthesizer hatte seinen eigenen, unverwechselbaren Klang. Jeder Oscillator in der Maschine wird zum Schwingen gebracht und beginnt zu Klingen. Heute wird der Klang leider oft Digital simuliert. Diese alten kiloschweren Synthies kosteten damals schon ein kleines Vermögen und sind heute das fünffache des Neupreises Wert. Das hatte ich komplett verschlafen. Ich besass auch die kleine Bassmaschine von Roland. Ich hatte um die 400.- bezahlt und sie für 50.- Franken verkauft. Die wurde 20 Jahre später für 3000.- gehandelt. Sie wurde zur Kultmaschine.

Mein Favorit ist bis heute der Elka Synthex Synthesizer. Eine italienische Firma. Mit ihm kann man einen mystischen, tiefen Klang erzeugen und bei hohen Frequenzen beginnt er zu singen. Jean Michel Jarre steuerte vier Synthex Synthesizer, wenn er die Laserharfe auf der Bühne spielte. Sehr gut zu hören ist dieser wunderschöne Synthie auf "The Garden" von John Foxx. Wer den unglaublichen Arp Odysee Synthesizer hören möchte kann sich "Dance" von Gary Numan anhören.  Für handgemachte japanische Klänge des "Prophet 10" Synthesizers kann man "Gentleman take Polaroids" der New Wave Band "Japan" anhören. Das sind bis heute auch meine drei Lieblingsschallplatten, inzwischen auch auf CD erschienen, die mich musikalisch sehr beeinflusst haben. 

Mein Bruder Alphons zog früh von zu Hause aus, machte das KV und gründete bald darauf seine eigene Firma. Pro Autoglas Schmid, später hiess sie Rapid Auto Glas. Da arbeitete ich die nächsten 7 Jahre und bekam mein eigenes Firmenauto. Einen alten Ford Taunus Kombi. Die Hintersitze waren immer unten, da hinten die Schaumstoffmatten lagen, um die

Autofrontscheiben auszuliefern. Zu Beginn bestand die Firma aus Fonsis bestem Freund, als Aushilfe, und mir. Er mietete eine alte Scheune und als Büro kaufte er einen kleinen ausrangierten Wohnwagen für wenig Geld. Das Büro war meiste Zeit nur vom Telefonbeantworter besetzt. Die einzige Konkurrenz, die auch Kopien von Frontscheiben lieferte, hiess Glas Trösch. Ein Gigant einer Firma, aber er lieferte nur wenn es ihm passte.

So verteilte er an alle Autokarosserien Schweizerkarten auf denen man ablesen konnte, an welchen Wochentagen die Firma in welche Kantone lieferte. Mein Bruder aber druckte Werbung, (Flyer/Abziehbilder), auf denen gross geschrieben stand: Wir liefern in die ganze Schweiz in 4 Stunden!

Alphons besuchte alle Carosserien der Innerschweiz persönlich und auch ich verteilte Kataloge so viel ich konnte. Das Geschäft war ein riesiger Erfolg. Das Telefon klingelte ständig und wir verkauften dutzende Scheiben bereits in der ersten Woche. Ein Neukunde mit Grossgarage und Carosserie bestellte zum ersten Mal aus Langnau a. Albis. Da wollte Alphons persönlich liefern. Ich fuhr mit ihm mit und wir banden die Frontscheibe auf das Dach seines Ford Escorts. Vorbeigerauscht beim Löwen in Sihlbrugg, indem ich meine Lehre machte, hat es uns dann im Sihltal, bei voller Fahrt die Scheibe abgeworfen. Zum Glück fuhr niemand hinter uns. Fönsi hat nur gelacht. Er hatte ja noch zwei Frontscheiben der gleichen Bauart in Reserve und in der Scheune. Ab sofort wurden keine Scheiben mehr auf dem Dach geliefert. Ich fahr bis heute für mein Leben gern Auto und ich habe diese Arbeit sehr geliebt. Oft fuhr ich 3 bis 400 km am Tag und ich sah eine Menge der schönen Schweiz.

Müllhausen, Vorarlberg und Pussycats
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17.  Müllhausen, Vorarlberg und Pussycats

 Am Wochenende fuhr ich oft nach Mulhouse in Frankreich. Kurz nach Basel war ich da plötzlich in einer anderen Welt. Das magische Hochhaus in der Mitte, die vielen dunkelhäutigen Menschen und der riesige Strassenverkehr. Ich fühlte mich wie in New York. Am Nachmittag tranken die Menschen Pastis in den Bars und Restaurants, um ihren Appetit anzuregen. Viele Chinesische Restaurants befanden sich im ersten Stock der Gebäude. Man erkannte sie an den roten Kitschlaternen am unteren Eingang. Sämtliche Chinarestaurants in Mühlhausen wurden von Chinesen geführt. Das Essen war fantastisch, immer frisch zubereitet und sehr preiswert, verglichen mit der Schweiz. Einmal sass ich in einem ganz kleinem Chinarestaurant mit vielleicht 6 Tischen. Wunderschön heimelig. Ich hatte ganz fein gespiesen. Zum Cognac, der auch nur drei Franken kostete, rauchte ich eine fette Havannazigarre. Wahrscheinlich, weil kein konformer Luftabzug vorhanden war schrie mich der Wirt plötzlich ordentlich an. Der Rauch war ihm zuviel geworden. Ich rauchte aber unbeeindruckt und cool, meine Zigarre  fertig, hatte ja auch schon ne Flasche Bordeaux getrunken. Dieser kleine asiatische Giftzwerg wollte mir die Freude nehmen. Ich legte zwanzig Franken Trinkgeld auf den Teller, was übertrieben viel wahr. Ich wollte ihn ein wenig provozieren. Da ist er dann explodiert und ich bin schleunigst raus. Die zwanzig Franken hat er mir nachgeworfen und chinesisch geflucht dabei, wie ein Muotathaler Bauer. In dieses Restaurant ging ich dann nicht mehr hin.

Ein paar mal fuhr ich auch nach Vorarlberg in Österreich. Viele tolle Abende habe ich da verbracht und dabei, wenn erhältlich, Leberknödelsuppe gegessen. 

Mit Joe und Hösi fuhr ich nach Lörrach in Deutschland, um endlich einmal eine ordentliche Sexshow zusehen. Der Laden war in der Schweiz berüchtigt und bekannt. 

Er hiess: Pussycat. Um jeden kleinen Tisch war eine runde, rote Polstergruppe angeordnet und vorne vor der Bühne lief auf einer Leinwand ein echter Porno. Das war schon mal was, damals. Wir waren alle euphorisch und die Huren waren blitzartig bei uns am Tisch. Bevor wir den sinnlos überteuerten Schaumwein bestellen sollten, gäbe es ein gratis Schnäpschen, auf Haus, für jeden uns. Freude herrschte. Die leicht bekleidete Dame servierte uns die drei kleinen, aber vollen Gläser auf dem Tablett. "Ex und runter!" riefen die Damen. Wir alle drei schütteten das Zeug in einem Schluck runter. Das war grauenhaft und wir mussten fast kotzen. Die Mädchen lachten sich fast zu Tode. In den Gläsern war reiner Urin von ihnen gewesen. Das war uns doch etwas zu intim und wir sind sofort abgehauen. Da ging ich nachher niemals mehr hin. 

Tiroler Weinzeit und Tessiner Überdosis
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18.  Tiroler Weinzeit und Tessiner Überdosis

Einmal fuhren wir zu viert nach Kalterersee im Tirol. Wir genossen vom feinsten, den einheimischen Rotwein und assen gigantische kalte Platten dazu.  Kollege Kurt hatte schon lang zu viel getrunken und als wir durch die Altstadt torkelten entdeckte er ein grosses Schaufenster. Darin standen diverse Puppen in knappen Kleidern und Pyjamas. Das hat ihn dann dermassen gefreut und angeturnt, dass er mit seinen schweren Stiefeln gegen das Glas trat, und es dann in tausend Stücke zerfiel. Da ja Sonntag war und alles geschlossen, lief Kurt sofort wie ein Blitz davon und wir alle hinterher. Hösi hats dann noch so richtig flach hingehauen beim davonspringen. Da lachten wir auf der Flucht wie die Idioten vor Schadenfreude, und flüchteten in die Rebberge.

Nach kaum zwei Minuten kam die Polizei mit Blaulicht und Sirene angerast. Wir stellten uns sofort. Der Besitzer des Ladens sass auch im kleinen, schwarzen Polizeiwagen. Wir zeigten uns sehr reumütig und freundlich. V. zahlte dann etwa 400.- an den Ladenbesitzer und derselbe sah von einer Anzeige ab. 

In unserer Band hatten wir einen neuen Bassisten und seine Tante besass ein Ferienhaus im Tessin. Da fuhren wir natürlich hin. Seine Tante hatte scheinbar psychische Probleme und im Spiegelschrank in der Toilette fand ich unbekannte Tabletten. Joe und ich dachten nur: Die fahren sicher excellent ein und haben eine wundersame Wirkung! Wir schluckten eine Handvoll. Am nächsten Morgen, in Locarno am See, konnte ich plötzlich nicht mehr richtig sprechen. Die Schultern, die Zunge und die Zehen, alles versteifte und verkrampfte sich. Auch die eigenen Gedanken waren kaum mehr zu ertragen. Ich hatte ein Überdosis geschluckt. Ich bat Röbi, unseren Bassisten, mich sofort retour in die Innerschweiz zu fahren, ins Spital von Cham. Die verabreichten mir sofort eine Spritze. Danach schwebte ich auf Wolke Sieben. Am nächsten Morgen aber, als ich meine Schuhe anziehen wollte, krümmte es die Zehen schon wieder und ich konnte kaum die Turnschuhe anziehen. Ich fuhr nochmal ins Spital und sie gaben mir noch einmal die selbe Dosis. Danach wars dann gut. Das war eine gefährlich hohe Menge die wir da aus Dummheit geschluckt haben.

Es gab noch kein Handy und Joe erzählte mir nach der Rückkehr aus dem Tessin, dass bei ihm die Symptome zwei Stunden später begonnen hätten. Er hat sich zwei Zahnfüllungen ausgebissen und musste sich im Spital von Bellinzona behandeln lassen.

Venedig im Winter
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19.  Venedig im Winter

Im Winter fuhr ich nach Venedig. Joe und Hösi waren auch dabei. Diesen Karneval mit den besonderen Masken und Gewändern wollten wir uns unbedingt ansehen. Ich knipste viele Fotos. Ich war diesen Menschen ihr unglaubliches Selbstbewusstsein neidisch, wenn sie so stolz vor alten Mauern posierten. In mir war bereits die Angst vor Menschen aufzutreten und je mehr ich trank um so mehr Selbstbewusstsein besass ich.  

Der Zugang zu innerem Reichtum und Zufriedenheit war mir irgendwie verschlossen. Wir spazierten nachts durch die leeren Gassen und über die vielen hübschen Brücken. Wir träumten viel und jeder erzählte am Morgen den anderen seine Träume. 

In einem Restaurant sahen wir einen sehr verrückten Menschen. Der war eher noch wie ein Kind. Er malte ein Bild von uns während wir an einem Tisch sassen. Das schenkte er uns bevor er das Restaurant verliess. Das kostete nichts und sah eher wie eine Kinderzeichnung aus. Darauf war meine Wenigkeit in der Mitte auf einem Thron und links und rechts kreisten Hösi und Joe um mich herum. Von mir gingen Strahlen aus. So interpretierten wir damals dieses Bild. Als wir die Pizzeria verliessen sahen wir diesen seltsamen Menschen nochmal. Er tanzte auf einer Mauer und spielte wie in Ekstase Querflöte. Das war unglaublich und wir konnten es nicht fassen. Er spielte voll die göttliche Querflöte. In diesem Moment und am selben Tag noch einmal, sahen wir uns für einen kurzen Moment in eine andere Zeit versetzt. Wenn das Herz berührt wird. Am Abend liefen wir durch die leeren Gassen von Venedig, weitab vom Touristenstrom. Da fielen uns richtige schöne grosse Fackeln auf, die auf ein Ziel zu weisen schienen. Wir liefen also den Fackeln nach. Plötzlich standen wir vor einem riesigen Palazzo. Es war dunkel und nur die Fackeln und kleine Feuerstellen gaben Licht. Ein riesiges gusseisernes Tor stand weit offen. Wir schlenderten ohne Probleme rein. Drinnen spielte eine Musik live, alte mittelalterliche Melodien und die verkleideten Venezianer tanzten miteinander. Hier waren keine Touristen ausser uns drei Spinner. Da wurden wir richtig klein und das war wirklich ein sehr magischer Moment. Das Parfum der Frauen und die Perücken der Männer, alles hat sich in mir eingeprägt. Wunderschön war das. 

Es gab auch eher ernüchternde Momente. So assen wir beispielsweise die teuerste und kleinste Lasagne meines Lebens. Etwa 4 auf 5 cm für damals stolze 25,- Franken. Aber sie schmeckte sehr gut! Wir kauften uns von Chanel das Eau de Toilette "pour Monsieur", das ich bis heute liebe. Wie vieles, ist es heute leider fast dreimal so teuer wie damals. 

Arcachon
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20.  Arcachon

 

Im folgenden Sommer fuhren wir drei nach Arcachon, an der Atlantikküste von Frankreich gelegen. Da war ich als kleines Kind mit meinen Eltern campen und ich wollte die Düne von Pilat unbedingt nochmal hochsteigen. Auch hatte mich das Meer, mit seinen an diesem Ort, sehr hohen Wellen beeindruckt. Die Sanddüne ist über 100 Meter hoch und mit drei Kilometern Länge auch die grösste von Europa. Als erstes, am Strand angekommen, bauten wir zuerst eine riesige Pyramide aus Sand. Die Strandaufsicht zeigte mit Fahnen an, ob man Schwimmen durfte oder nicht. Wegen den brutalen Strömungen, die hinterhältig hinter den Wellen lauerten. Rot bedeutete: Schwimmen verboten. Trotzdem sind in diesen drei Wochen zwei Menschen an diesem Strand ertrunken. Joe und ich mussten auch erfahren wie gefährlich das Meer dort ist. Die Brandung hörte man weit ins Land hinein und die Wellen waren an manchen Tagen 3 Meter hoch. Es wirft einem immer um aber wir machten einen Kopfsprung durch die Welle und sind so hinter die Welle gekommen. Da herrschte eine brutale Strömung und wir schnauften bereits wie die Rösser. Die Wellen branden ja auch zurück und wir mussten all unsere Kraft aufwenden. Joe und ich bekamen einen kurzen Moment sehr viel Angst. Schnaufend und voll Adrenalin sind wir schlussendlich wieder am Strand gelandet. Heute lästere ich gern über das schöne Meer:

"Salz in den Augen und der blöde Sand in jeder Ritze! Da kann ich gern verzichten!"

In Wahrheit hab ich nur eine Scheissangst vor dem Meer. Vor allem nachts bringt mich niemand zum Schwimmen ins offene Meer. 

London
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21.  London

Da flog ich lieber alleine nach London um Klamotten und Schallplatten zu kaufen. Englisch hab ich mir selbst beigebracht. Am Anfang durch mühsames Übersetzen von Schallplattentexten, später mit Kassetten und Büchern. Ich war gut informiert und kaufte die Klamotten in den verrückten Secondhandgeschäften, in denen auch Künstler und Stars ihre Kleider tauschten.

Unglaublich wie viele irre Lederjacken und pompöse Hemden man kaufen konnte.

1983 war die Zeit des New Wave und der wilden Frisuren. Männer trugen die gleichen Haare und Frisuren wie die Frauen. Es gab auch Plateauschuhe zu kaufen, für die Bühne und zum Knöchel brechen. Für eine ausgefallene Jacke zahlte man etwa 35 Franken. Ich kaufte mir unter vielen anderen Sachen auch einen exzentrischen Regenmantel im Armeeschnitt, der völlig durchsichtig war. 

Für Schallplattensammler wie mich war London natürlich ein Paradies. Ich kaufte auch eine Handvoll Maxisingles die heute mehr Wert sind als damals. 

Auf der Schallplattenhülle von Gary Numans "Assasins" und Phil Lynnots "Solo in Soho" sind die selben dunklen Toiletten abgebildet. Beide Künstler posieren vor dem selben düsteren Scheisshaus. Ein verkommener Ort in London, den ich suchte aber nicht gefunden hab. Ich ging auch in die berühmten Clubs um die Doppelgänger aller aktuellen Stars zu bewundern. Ich sah aus wie Gary Numan und der nicht ganz so echte "David Bowie" lud mich zum Bier ein. Der Kellner sah aus wie Boy George. Es war grandios. Weniger grandios war dann die Peepshow in Soho. In einer Peepshow steht man in einer Kabine, durch verdunkeltes Glas abgetrennt, hinter einer hoffentlich schönen Frau. Wenn man dann eine Münze in den Schlitz einwirft hebt sich die Verdunkelung auf dem kleinen Fenster für zwei Minuten auf. Meist sind das etwa 12 Kabinen, im Kreis, um ein sich drehendes Bett angeordnet. Hier waren die Kabinen nebeneinander und man schaute auf eine kleine Bühne direkt davor. Da kam eine sehr alte Frau auf einem Trottinett auf die Bühne gefahren und sie sah das Licht leuchten über meiner Kabine. Sie wusste sofort, dass meine Kabine besetzt war. Ich war wahrscheinlich auch der einzige Kunde. Sie legte das Trottinett langsam auf den Boden und kam langsam auf mich zu. Wir alle werden alt und faltig, aber ich war ja erst 22. Sie sah aus wie eine dieser Grossmütter in den alten, schwarzweissen Gruselfilmen. Wie eine knorrige Hexe aus dem Wald, mit Kerze in der Hand und Spinnweben im Gesicht. Bis heute hab ich nie mehr solche hängenden Brüste gesehen. Die hängenden Gärten von Babylon beeindruckten mich weitaus weniger. Ich hab mich sehr erschrocken, ob dieser Dame und bin wie ein abgeschossener Pfeil davon gesprungen. 

Auf den Strassen von London hielt ich die Augen nach meinen Idolen und Stars offen und ich hatte wirklich Glück. Auf der anderen Strassenseite lief Marc Almond, Sänger und Komponist der Band "Soft Cell." Mit Steve Strange und Boy George zusammen war er  eine Ikone dieser Zeit. Ich lief sofort zu Mister Almond hin und stotterte ein paar blödsinnige Sätze, wie zum Beispiel: "I am always singing your Hit, -Tainted Love!-" 

Ich zeigte ihm auch die vielen Armreife die ich trug. Das hatte ich von ihm abgeschaut. Er trug mindestens fünf an jedem Handgelenk. Da musste er lachen. Marc hatte nicht viel Zeit, war aber einfach grossartig. Beim Tschüss sagen wünschte er mir: "All the best!" hielt das erste vorbeifahrende Taxi an und weg war er. Sein Freund Steve Strange war ja Besitzer vom Blitzclub. David Bowie und viele andere Paradiesvögel trafen sich da jeden Abend. Ich sah eine Tafel auf der geschrieben stand: -Life Sex Show- und einen Preis den ich mir noch knapp leisten konnte. Ein Aufseher sass in einem Häuschen und eine schummrige Treppe führte einen Stock tiefer. Ich staunte nicht schlecht, das Haus war fast voll. In der Mitte, auf der ehemaligen Tanzfläche stand ein leeres Bett. Drumherum waren etwa zwei Dutzend kleine Tische angeordnet. Ich bestellte ein Bier und gleich hatte ich zwei Sexarbeiterinnen neben mir. Ob ich ihnen was spendierte kann ich mich leider nicht mehr erinnern aber sie wollten unbedingt vor dem Beginn der Live Sex Show einkassieren.

Die Rechnung war blödsinnig hoch und höher als ich überhaupt noch Geld besass. Das liess ich mir nicht gefallen und wollte gehen. Eine der Damen riss mir noch an den Haaren aber nichts konnte mich mehr aufhalten. Die Sicherheitskraft, oben in ihrer Kabine, konnte mir nur noch blöd nachschauen so flink war ich. Ich sprang ein paar Häuserblöcke weiter und lachte danach sehr. Manchmal muss man mutig sein. Der ganze Rest der Touristen, da unten im Loch wurde abgezockt!

Gesangsunterricht
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22.  Gesangsunterricht

 

Zurück in die Schweiz. Beim Autofrontscheiben ausliefern ölte ich immer meine Stimme. Ich sang wann immer ich konnte, aber immer heimlich. Vor anderen Menschen singen konnte ich nicht. Ich dachte dass das, was in mir solches Lampenfieber hervorrief, einfach irgendwann durch ein Wunder verschwinden würde. Mir fehlte ja nur, unter anderem, eine elfenhafte Freundin, die wie von Geisterhand, engelsgleich in mein Leben tritt. 

Ich beschloss Gesangsunterricht zunehmen. In Luzern fand ich einen alternden Opernsäger mit Stimmlage Bariton. Helmut wohnte mit seiner viel jüngeren Frau in einer schönen Villa. In der untersten Etage gab er seinen Schülern Unterricht. Helmut hatte Gesang studiert und war trockener Alkoholiker. Wir verstanden uns auf Anhieb grossartig und ich besuchte auch eine handvoll seiner Auftritte. In Möllis sang er in "Undine" kam aber zu spät, weil er vor dem Konzert irgendwo falsch abgebogen war. Dieser Mensch verstand sein Handwerk. In der ersten Stunde musste ich sein Klavierspiel singend begleiten. Sofort wusste er; meine Stimmlage war auch Bariton.

Eine Stimmlage tiefer als Tenor. Ich hatte jahrelang zu hoch gesungen, wenn man so will.

Ja, auch eine Spargel wie ich kann eine tiefe Stimme haben. Ich lernte vor allem richtig Atmen bei ihm. Dazu musste man fest auf den Boden stehen. Wie ein Baum, und immer mit dem Bauch atmen. Niemals die Schulter hochheben beim Einatmen. Opernsänger singen niemals den Buchstaben U. Beim singen des U klemmt es den Hals ab. So singen ausgebildete Sänger immer: Frao oder Blao. Niemals Frau oder Blau. Das musste ich sehr viel üben. Dafür sang ich den lustigen Hit: "Schöne Frao, schöne Frao, ihre Augen sind so blao..!" Auch wird kein hartes S gesungen in der Oper.  Nur ein lieblich, säuselndes S ist erlaubt. Etwas Dirigieren und Klavierspielen hat er mich auch gelernt. Nach dem Unterricht gingen wir hoch in die Stube und er schaute mit mir die Schwarzwaldklinik im Fernseher an. Klausjürgen Wussow war ein Meister des Spiels und wir schauten ihm beide gerne zu. Seine Frau servierte dann einen Kaffee und eine Tafel Schokolade auf einem Teller. Die Schokolade brach sie dann in viele kleine Portionen.

Als Hobby liebte er Flugzeuge über alles. Er hatte ein gewaltiges Archiv an Photos und Berichten. Wir fuhren zusammen an eine Militär und Flugschau irgendwo im Berneroberland und er musste mit seinen 75 Jahren in jeden gottverdammten Panzer klettern. Ich trank dann Kaffeeschnaps dazu. Als seine Frau eine schwere Grippe hatte, sangen Helmut und ich ihr ein Ständchen vor ihrem Bett. Das passte ihr nicht und wir verliessen schleunigst das Schlafzimmer. Weil ich doch so eine grosse Angst vor dem Vorsingen hatte und mich überwinden musste, regte ich mich danach über ihr Verhalten auf. Helmut hatte eine grosse Sammlung steinalter Pornos. Alle auf  Normal und Super 8 Rollen. Kann mich nicht erinnern ob Tonspuren zuhören waren. 

Das waren riesige Rollen, mit 50 cm Durchmesser und liefen jeweils sicher 20 Minuten. Die hat er seiner Frau und mir vorgeführt. Wahrscheinlich durfte er die Streifen gar nie persönlich sehen und er gaukelte seiner Frau (Frao) was vor, von wegen Ralph interessiere vor allem der künstlerische Aspekt der Filme! Sie hatte nach einer Rolle schon genug gesehen und Helmut und ich grinsten über beide Ohren. 

Ich hatte vieles von ihm gelernt aber nach 2 Jahren hatte ich genug. Vielleicht weil ich nicht mehr stabil genug war. Opernstimme ausbilden und kiffen und saufen, passt einfach nicht zusammen. 10 Jahre später besuchte ich ihn nochmal. Er war leider krank, erkannte mich nicht mehr wirklich. Ich besitze immer noch seine Schallplatte, die in Paris in einer Kathedrale aufgezeichnet wurde. Auf die schrieb er, ein wenig sarkastisch: Für meinen *Meisterschüler* Ralph!

 Bahnhoffbuffet, Rotkreuz
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23.   Bahnhoffbuffet, Rotkreuz

In Rotkreuz sassen wir ständig im Buffet. Diesem Bahnhofbuffet könnte man ein ganzes Buch widmen, da es für mich und alle saufenden, kiffenden, verlorenen Brüder mindestens zehn Jahre lang Unterschlupf, Wärme und Alkohol in grossen Mengen lieferte. Niemand störte es, wenn wir, manchmal 25 Personen, in und vor dem Restaurant kifften bis zum Abwinken. Am Stammtisch sass Anna, die stoische und etwas zu schlanke Servierdame.

Sie riss es immer. Jederzeit. Ausser am Klausentag und an der Fastnacht schmiss sie den Laden samt Küche alleine. Anna rauchte gern Kette Marlboro und trank Rotwein. Sie achtete darauf das die oberen Kippfenster bei uns im hinteren Bereich immer offen standen, damit wir kiffen konnten. Wenn Anna frei hatte wurde sie von Frau Ramseier abgelöst. Frau Ramseier war stark übergewichtig und machte die besten Schinkenbrote die man sich vorstellen kann. Mindestens zwei cm Schinken zwischen den Brotscheiben. Bei ihr musste man manchmal lang auf sein Bier warten, aber das Schinkenbrot machte alles wieder gut! Auf der Terrasse durften wir auch, nicht zu laut, unsere eigene Musik abspielen. Unter den Gästen hatte es auch sehr viele sogenannte Quartalsüffel. Fremde Leute, die sich nur ein paarmal im Jahr zu uns gesellten, dann aber soffen bis sie nicht mehr konnten. Da hörte man dann oft zu später Stunde, die gesamte Lebensgeschichte dieses Menschen. Rotkreuz hatte immer einen einzigen Dorfpolizisten zu dieser Zeit. Der erste wurde von meinem Sekundarlehrer Meier und seinen Freunden zusammen geschlagen. Sie versteckten sich und lauerten ihm auf. Kurz vor seinem Haus haben sie ihn dann gepackt und verprügelten ihn. Weil der Polizist meinte, er müsse alleine Alkoholkontrollen durchführen und Bussen verteilen wegen zu langem Sitzen im Restaurant Camaro.  

Wir tranken im Buffet, die älteren im Restaurant Camaro und im Kreuz. In unserer Truppe hatte es Schwarze, Rollstuhlfahrer, Menschen mit Kinderlähmung, stotternde Leute, Türken, Italiener, Yugoslawen, Rocker, Hippies mit ihren Bräuten, Schwule, arbeitslose, notorische Kaffeeschnapstrinker, gestrandete Versicherungsvertreter und Archipal der Künstler. Er behauptete betrunken gern, persönlich im Vietkong gekämpft zu haben. Das brachte uns alle immer zum Lachen. 

Die berühmte Death/Trash Band "Messiah" war auch zweimal pro Woche auf Besuch. Sie hatten ihren Übungsraum in Risch, waren diszipliniert und tranken immer nur 5dl kalte Schokolade. Dafür brach dann umso mehr die Hölle los auf ihren Schallplatten. Sie kanalisierten ihre gesamte Energie direkt in die brutale Musik.

Juno, der Bäcker sass auch immer da. Er war der ungekrönte Flipperkönig von Rotkreuz. Wenn er nicht am Flippern im Restaurant Kreuz war, sass er im Buffet. Er arbeitete in der Dorfbäckerei und ging oft um drei Uhr morgens direkt zu seiner Arbeit.

Da war auch ein sehr talentierten Steinmetz, der Grabsteine herstellte und sich beschwerte, wie eintönig und langweilig doch die meisten Grabsteine seien. Auch er gesellte sich oft zu unserer Truppe und testete sein Alkohollimit neu aus. Einmal setzte sich ein älterer Sozialarbeiter mit faltigem Gesicht und langen Haaren zu uns. Am späteren Abend stand er auf und rezidierte Schillers "Die Glocke" mit unglaublicher Inbrunst. 

Jeden Tag im Sommer sass jemand im Buffet. Lexi sass fast jeden Tag da. Er wurde adoptiert und geboren wurde er auf einer Karibikinsel. Er hatte edle Züge und sah an seinen besten Tagen aus wie ein Maharadscha. Er war Dreh und Angelpunkt aller Dinge und hatte immer feinen Hasch zum Rauchen. War er noch nicht da, konnte man zu ihm nach Hause laufen und Steine zu seinem Fenster hochwerfen. Immer hat er einem was kleines zum Rauchen runtergeworfen. Im Bahnhofbuffet blieb man nie lang alleine. Wir jassten oft oder spielten in grossen Runden das Würfelspiel "Maier." Ich habe 10 Jahre lang niemals eine Schlägerei gesehen. Die, welche schon früh anfingen mit harten Drogen wie Heroin zu experimentieren, taten das heimlich. Kokain hat man damals noch wenig gesehen weil es fast unbezahlbar war. Am Wochenende feierten wir im Wald Richtung Buonas oder unter der Autobahnbrücke an der Reuss. Sehr schöne Feste feierten wir auch am Zugersee, draussen am "Chiemen" oder rechts von der Badi Buonas. Für den Strom hatten wir eine Notstromdieselmaschine dabei. Diese Maschine war so laut, das man die Musik astronomisch hochdrehen musste, um sie zu übertönen. Ein Kollege hatte einen ausrangierten Wohnwagen unter die Autobahnbrücke gestellt, damit man bequem den Rausch ausschlafen konnte. Bewilligung brauchte man noch nicht für sowas und wir hatten auch nie Probleme mit der Polizei. In Buonas reklamierte mal ein Anwohner wegen zu lauter Musik, sonst blieben wir verschont. Es gab auch noch einen echten Dorfsüffel in Rotkreuz. Herr Wermelinger. Den sahen wir oft neben der Strasse im Graben liegen oder gleich auf dem Trottoir. Wahrscheinlich war er dem Rum verfallen! Er trank gern im Restaurant Camaro. Ich bin mir nicht mehr sicher, war es am Klaustag oder an der Kilbi, als er einen riesigen Topf Risotto für das halbe Dorf kochte. Da war er am späteren Abend stark angeschlagen und der Wirt musste ihm die Kelle aus der Hand nehmen. Das Risotto das er mit Litern von Weisswein kochte schmeckte fantastisch. 

Strassenpauli nannte man den rundum bekannten Strassenwischer von Rotkreuz. Er war bei  der Gemeinde angestellt und trug diese orangen Klamotten. Er hatte einen Handkarren dabei und man sah ihn immer nur beim Wischen der Strassen. Oder beim Saufen im Restaurant Kreuz. Er trank Schnaps wie ander Leute Wasser. Viele Leute offerierten ihm gern privat, während seiner Arbeit, einen Kaffee Schnaps. Sogar meine Mutter hat ihm aus dem achten Stock zugerufen, er solle doch hochkommen, es gäbe einen Kaffeeschnaps. Er war schon sehr kaputt aber scheinbar immer lustig. Strassenpauli wohnte nicht sehr weit von Joe, am Rande des Waldes in einer Hütte. Als Joe mir erzählte das Strassenpauli Katzen fresse würde, und die Felle zum Trocknen regelmässig vor der Hütte an Stricken aufhänge, war es aber mit jeglicher Sympathie meinerseits vorbei. Er ist bald gestorben und ich hoffe er ist an einem Happen Katzenfleisch erstickt. Wenn wir schon beim Essen sind, für Hösis Mutter haben wir oft Knoblauch geschält. Davon ass sie jeden Tag mindestens einen. Sie wurde über hundert Jahre alt.

Die Feste weiteten sich aus. Es gab sogennante Freakfäschter im Muotathal und im Frauental, unterhalb von Hünenberg. Im Muotathal waren wir sicher 150 und im Frauental 80 Hippies und Verrückte. Einige, die auf dem Indianertrip waren, hatten ihre Tippis aufgestellt. Und alle rauchten Friedenspfeife oder schluckten L.S.D. Mit Minel schluckte ich meinen ersten L.S.D Trip in Frauental. Diese Sternchen Trips waren sehr stark. Das Feuerwerk stand immer noch am Himmel, obwohl es längst vorbei war. Auch das riesige Maisfeld hat uns mit seinen Blättern gewunken; wir sollen doch reinkommen! 

Das traute sich niemand länger als eine Sekunde und wir alle lachten sehr. Einige spielten gediegen Boccia, während wir uns stundenlang einen leuchtenden Frisbee zuwarfen.

Meine Cousine aus Illmitz kam zu Besuch und ich konnte sie zum Freakfäscht im Muotathal mitnehmen. Da hatte es sogar eine Bühne für die Band und eine Tanzfläche. An diesem Tag spielte niemand da wir unter der Woche zu Besuch waren. Viele Boxen waren in den Bäumen aufgehängt und es dröhnte nonstop Musik. Diese grandiose Party im Muotathal lief mindestens über zwei Wochen. Es gab schon Zipplines und man konnte über das ganze Gelände schweben. Damals ernährten sich die Indianer noch nicht Vegan und wir assen lecker Spannferkel. Meiner Cousine hatte es sehr gefallen und Hösi unser gitarrenspielender Frauenheld und Adonis fuhr sie mit seinem Amerikanerschlitten nach Illmitz zurück. 

Kampf der Titanen
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24.  Kampf der Titanen

Mein Freund Nicki, der diese Zeit auch erlebt hat, schlug mir mehrmals vor vom "Kampf der Titanen" der sich auf der Terrasse des Bahnhofbuffets abspielte, zu erzählen. Weil wirklich alle Tränen gelacht haben und sich den Bauch halten mussten. Ich hatte lange meine Zweifel, aber ich verspreche Ihnen: Niemand kam zu schaden und es herrschte nachher grösserer Frieden als je zuvor! An diesem Tag zeigte der verhangene Himmel schon düstere Vorzeichen. "Schmutzi" kam wie fast jeden Tag mit seinem Rennvelo von Meierskappel ins Buffet gefahren. Er hatte Rente und eine schlimme Kinderlähmung. Eine Hand war komplett gelähmt, die andere stark beeinträchtigt. Er war ein notorischer Süffel der locker mal 16 halbe und ein paar Kaffee Schnaps trank. Er rauchte auch gerne Hasch. Ein todlieber Mensch der niemals aggressiv auffiel. Er hatte chronischen Schnupfen und ab einem gewissen Level lief ihm immer der Schneuz ins Bier. 

Franz, sein Kontrahent aus Küssnacht, bekam auch eine Rente und sass auch fast jeden Tag im Buffet. Er hatte fortgeschrittene Multiple Sklerose. Damals schon waren seine Beine so dünn, dass er sich praktisch nur noch mit Rollstuhl bewegen konnte. Er hatte immer einen riesigen Klotz schwarzen Hasch dabei, war aber etwas geizig. Er war auch ein lieber Kerl und sein Geiz ist heute verständlich. Seine Rente war sicher stets knapp. Beide waren sich nie einig und sollte es der Zufall einmal so wollen, und sie sassen alleine am Tisch, begannen sie laut gegeneinander zu referieren. Die Tische der Terrasse schoben wir zusammen und wir waren etwa 20 Personen. Schmutzi und Franz sassen sich gegenüber und plötzlich wurde es laut. Wir alle andern waren schon länger am Grinsen, denn einmal musste es doch raus! Die zwei Kampfhähne schrien sich an und wollten gegeneinander kämpfen. Franz hatte unglaublich Mühe überhaupt aufzustehen, hatte bestimmt schon 2,5 Promille. Seine Beine, so dünn wie Zahnbürsten, schlotterten beim Aufstehen und beim Halten an der Tischkante warf er noch sein Schnapsglas um. Er machte sich auf den beschwerlichen Weg um den Tisch herum. Schmutzi hatte es nicht leichter. Er hatte ja nicht nur einen komplett gelähmten Arm, sondern auch noch ein kaputtes Bein. Wenn er zuviel geladen hatte, konnte Schmutzi beim Sprechen keiner mehr verstehen. Diesen Zustand hatte er locker erreicht. Er fluchte unverständliches Zeug. Auch er brauchte gefühlte fünf Minuten um den Tisch herum und wir alle hielten uns die Bäuche vor Lachen. Schmutzis Waffe war brutal. Er schwang seinen gelähmten Arm um sich wie einen Propeller. Musste sich dazu aber drehen. Franz konnte sich als Antwort nur noch blitzschnell ducken und fiel dabei flach hin. Schmutzi rauschte in die falsche Richtung davon und fiel auch hin. Da lagen sie nun und konnten nicht mehr aufstehen. Sie hatten sich nicht einmal berührt und schauten sich mit grossen Augen an. Wir halfen ihnen dann wieder auf. Nikki offerierte ihnen eine Runde und es war wieder gut. Danach diskutierten die zwei Streithähne gesittet bis zum Morgen, aber in einer Sprache die wir anderen nicht verstanden.

 Vaters Technical Problems und Amoklauf
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25.   Vaters Technical Problems und Amoklauf

Vater hatte zuhause ganz andere Probleme. Jeden Tag störte das hyperaktive Kind im oberen Stock seinen heiligen Mittagsschlaf. Dieses Kind machte einem wahnsinnig. Den halben Tag rannte es den Gang der Wohnung hin und her. Einen Mittagsschlaf abzuhalten war unmöglich geworden. Aber noch mehr quälte ihn aber der Vater dieses komplett aufgedrehten Kindes. Der war nämlich leidenschaftlicher Amateurfunker. Seine Frequenzen störten immer unseren Fernseher und wir konnten alles gesprochene mithören. Zur besten Sendezeit, wenn Vater einen Wildwestfilm schaute, dröhnte es dann aus dem TV:

"Do isch zwohundertvieräzwang, i wünschä dir es siebähundertzwölfi, vom feinschtä gäll!"

Auch konnte mein Vater niemals den Timer seines neu gekauften Videorecorders programmieren. Niemand konnte das in den 80ern. Trotzdem hat sich mein Vater überall angeboten, exklusive Hochzeitsvideos zu drehen. Für 800 Franken. Für das Intro hat er  ganz laut "Ganz in Weiss" von Roy Black auf dem Plattenspieler in der Stube abgespielt. Dann hielt er selbstgeschriebene, grosse Karten vor die Kamera auf denen geschrieben stand:

                                               HOCHZEIT

                           von  Frau Wermelinger und Herrn Käppeli

 

Bei der Hochzeit hatte er mit eigens dafür gekauften und mitgebrachten Scheinwerfern die ganze Kapelle ausgeleuchtet. Leider ging ihm kurz vor der "Ich steck dir einen Ring an" Szene der Akku aus. Die doch wichtige Kussszene war auch nicht drauf.  Der Kunde zahlte keinen Rappen. Ich hör meinen Vater heute noch fluchen. Danach liess er es sein mit  Filmen. Etwa zu dieser Zeit fuhr ich an einem Wochenende nach Mailand um Schallplatten der Band "Goblin" zu kaufen. Mein Vater sollte mir mit seinem Videogerät eine Sendung im TV aufzeichnen. Als Erinnerung klebte ich zusätzlich eine kleine Notiz an den Rand des Fernsehers. Vater hätte um 20.00 Uhr am Videogerät den Aufnahmeknopf drücken sollen. Zurück aus Mailand wollte ich meine Videokassette abholen. Vater sass grinsend vor dem Fernseher, er hatte gar nichts für mich aufgenommen. Ich sagte ihm, er sei ein fauler Hund. Da sprang er auf und wie von Sinnen packte er mich am Hals. Er schrie wie von Sinnen:

"Ich mach dich kaputt du verdammter Drecksgoof!"

Er schleifte mich am Hals bis in mein Zimmer und warf mich aufs Bett. Dort drückte er meinen Hals noch mehr zu und Mutter begann hysterisch zu schreien. 

"Hör auf du bringst ihn um!"

rief meine Mutter und Vater liess mich los. Ich weinte sehr und verliess sofort die Wohnung. Das gab mir sehr zu schaffen. Von da an verspürte ich keine Gefühle mehr für meinen Vater. Er war einfach da aber ich verachtete ihn. Er entschuldigte sich nie.

Volksmarsch
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26.  Volksmarsch

Meine Freunde und ich gingen auch oft an Volksmärsche. Etwas das heute fast niemand mehr kennt, aber unbedingt unterstützt werden sollte. Auf der Website vsl.ch kann man die Termine der letzten wenigen, noch übriggebliebenen Volksmärsche abrufen. Damals fanden manchmal schweizweit, an einem Wochenende, bis zu vier Volksmärsche statt. Zu einem Volksmarsch geht man ohne Anmeldung hin und wählt zwischen 5, 10 oder 20 Kilometern. Das kostete 8 Franken und man bekommt dazu eine tolle Medaille mit Ort und Jahrgang graviert. Diese Medaillen findet man ab zu noch an Flohmärkten, haben aber nur persönlichen Wert. Das schöne am Volksmarsch: Man hat den ganzen Tag Zeit und braucht niemals Karten. Immer auf Sicht werden orangene Bänder an Bäume oder Wände geklebt, oder kleine Wegweiser aufgestellt. Man bekommt eine Stempelkarte und die muss man meist an einem Bauernhof abstempeln lassen. Als Beweis das man die 10 Kilometer auch abgelatscht ist. Da gab es auch immer ein improvisiertes Restaurant. Viele dieser Bauern hatten eine Schweinezucht und es gab Bratwurst und Cervelats in grandioser Qualität. Die Kaffeeschnaps der Bauern sind wohl allen bekannt. Immer hatte es Kuchen, welchen die Bauernfrauen selbst gebacken hatten. Um 17.00 mussten alle am Ziel sein und war man etwas spät dran gab es den Kuchen gratis zum nach Hause nehmen. Diese Kneipen in den Scheunen waren oft voll mit Menschen und es spielte jemand Schwyzerörgeli. Dann gab es die Stempelsüchtigen die auf die jährlichen Auszeichnungen aus waren. Sie mussten ums Verrecken den selben Volksmarsch fünf mal am Tag abmarschieren. Da ist mir ein 70jähriger Mann in Appenzellertracht in Erinnerung geblieben. Er war an diesem Tag schon dreimal den Zehner gelaufen, hatte die Knie einbandagiert und konnte kaum noch normal gehen. Seine Hüften waren auch ruiniert und wir fragten ihn warum er sich das antue.

"I muess halt!" 

gab er zur Antwort. Es gab Jahresauszeichnungen für den, welcher sich freiwillig über das Jahr am meisten gequält hat! Jeder Stempel war für ihn Kilometerwert!

Diese Sucht, sich Überwinden zu müssen.. Volksmärsche sind niemals steil und führen durch schönes Gebiet. Wer gerne mal etwas länger spazieren will, unterstütze doch einmal die Schweizer Volksmärsche!

Ruedi der grosse Holzskulpteur und Ibiza
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27.  Ruedi der grosse Holzskulpteur und Ibiza

In Langnau am Albis lernte ich einen tollen Künstler kennen. Oft lieferte ich an Carosserien in der Nähe Frontscheiben und mir fiel ein selbstgebautes Holzhaus mit dutzenden Holzskulpturen drumrum auf. Da fuhr ich dann einfach mal hin. Leo war ein echter Künstler. Er zerlegte Baumstämme in zwei eng umschlungene Hälften und bearbeitete beide Teile einzeln. Dann fügte er es zu einer einzigen Skulptur zusammen. Zu mir sagte er dann: 

"Lueg Ralph, das sind Mann und Frau. Sie sind getrennt und doch passen sie zusammen und geben zusammen eins!"

Leo schrieb jeden Tag 4 Seiten seines Lebens auf. Eine tolle Selbsttherapie. Ich besuchte ihn immer gestylt im New Wave Style und er mit seinen dicken selbstgenähten Pullovern schien wie aus anderen Welt für mich. Er mochte mich und ich mochte ihn auch. Wir tranken Weisswein bis in den Morgen und am Ende briet Leo frischen Fisch in der Pfanne. Einmal fragte er mich, ob ich Pornovideos hätte. Ich brachte ihm eine Handvoll. Er behauptete, ihn interessiere daran nur wie die Menschen in den Filmen, während dem Akt, umschlungen sind! Heute würde ich ihm das glauben, er war schon ein grossartiger "Siäch." Er schenkte Joe und mir auch schöne Skulpturen.

Die Beziehung zu ihm habe ich versaut, als ich 15 Jahre später besoffen anrief und ihn fragte, ob er für mich Gratisskulpturen im Garten rumliegen habe. Das war respektlos und dumm. 

1986 flog ich mit Hösi und Joe nach Ibiza. Im Casino gewann ich 400.- Franken, die ich aber ganz schnell los geworden bin. Ein junges Mädchen wollte mir eine Rose verkaufen. Der Preis war niedrig, nur ein wenig Münz. Ich fand die passenden Münzen nicht auf Anhieb und sie half mir dabei im Münz rumzuwühlen. Die restlichen ihrer Familie, die auf der 15 Meter entfernten Kirchentreppe sassen, rufen mir zu: 

"Hola Muchacho!" 

Ich rief zurück: 

"Hola Companeros!"

Alles in Ordnung Brothers, dachte ich, aber als ich um die nächste Häuserecke bog, schaute ich doch vorsichtshalber noch mal in mein Portemonnaie. Alles Geld weg. Sofort zurückgelaufen, aber es befand sich niemand mehr auf der Kirchentreppe. Das reute mich und ich bin seither vorsichtiger geworden.

Ibiza zog damals viele Transvestiten an, aber wenn mann ein Photo machen wollte verlangten sie viel Geld. Das hat uns sehr aufgeregt. Die Menschen zahlten in den Restaurants wahnsinnige Preise für ungeniessbaren Food, nur um von der ersten Reihe aus, die "Beautiful" People zu bestaunen, die gierig nach Koks die lange Reihe der Yachten abliefen. Da hatten wir ganz andere Probleme. Mit den Frauen lief bei Joe und mir gar nichts. In Rotkreuz verliebten wir uns in zwei Freundinnen. Wir beobachteten sie, trauten sie aber niemals konkret zu fragen. Ich glaubte eher, das ganze Universum meldet sich bei mir von selbst. Diese "Das Universum erfüllt deine Wünsche" Attitüde glaubten wir insbrünstig. Um komplett zu sein fehlte natürlich die Freundin. In Ibiza suchten wir darum die Hügel auf, auf denen angeblich die Ausserirdischen landen. Diese Bücher über Ausserirdische vom Pleyadischen Sternensystem. Glaube macht selig. Wir praktizierten spezielles Tao Yoga. Samenerguss war verboten. Ein zu grosser Energieverlust. Der Rekord von 3,5 Monaten ohne Orgasmus hielt ich inne. Man sollte den Samen innerlich, den Meridianen entlang den Rücken hochziehen. Wir tranken keinen Alkohol und gingen jeden Tag 35 Minuten Joggen. Wenn ich dann aber trank und verschiedenste Drogen nahm, dann immer umso mehr. Um zu vergessen das zwischen Wunsch und Realität Welten liegen. Ein Teufelskreis der sehr am Selbstbewusstsein nagt. Zum Frühstück musste jeder seine Träume erzählen. Wer sich nicht erinnern konnte wurde gemobbt. 

Wir gingen ans Nina Hagen Konzert. Hier sah ich das undankbarste Publikum das ich je an einem Konzert erleben durfte. Die meisten Leute waren zu faul oder zu stolz um zu applaudieren. Für U.F.O. Nina, (so nannte man sie) war das ein mühsamer Abend. Wir hatten auch kleine Mühen. Nach dem Bad am Hotelstrand sassen wir alle drei für zwei Tage auf der Toilette. Die Hotels leiteten damals noch die Fäkalien direkt ins Meer. Auf dem tollen Hippiemarkt liessen wir uns von einer talentierten Künstlerin malen. Das Bild hat überlebt und hängt in meiner Stube. Ich werde es fotografieren und als Anhang beilegen.

 

Gleitschirmfliegen
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28.  Gleitschirmfliegen

Zurück in der Schweiz wollten wir das Fliegen mit dem Gleitschirm erlernen. Dazu besuchten wir einen zweiwöchigen, sehr teuren Gleitschirmkurs im Engelbergertal. Den ersten und zweiten Tag hüpften wir noch in der Nähe von Stans einen Hügel runter. Danach das erste Mal in Wolfenschiessen, mit der Seilbahn hoch und alleine runter. Wir hatten noch nicht mal Funk in den Ohren. Über den Wolken war man komplett alleine. Während dem Landevorgang zeigte der Instruktor mit zwei Kellen an, welche Leine an der Seite des Schirms man jetzt besser ziehen sollte. Einer landete in einem Ententeich vor einem Bauernhaus. Wir waren zwei Gruppen zu je zehn Personen und flogen an verschiedenen Orten. Aus der anderen Gruppe landete jemand versehentlich auf einer Scheune. Mir war nie wirklich wohl beim fliegen. Ingesamt kam jeder auf auf etwa 24 Flüge und nur einen Moment fand ich es schön. Es war ein sehr langer Flug aus grosser Höhe und ich konnte locker eine Schleife ziehen über der kleinen Kirche. Es war neblig und unglaubliches Licht. Einfach sehr schön. Das war aber nicht immer so. Einmal hatte ich den Gurt unten bei den Beinen irgendwie falsch montiert. Eingeklemmt! Den längsten Flug lang drückte mein eigenes Gewicht gegen meinen, Sie wissen schon...Man konnte sich nicht hochziehen und es schmerzte.

Bei einem anderen Sprung, nach der Landung sprangen die Ausbilder zu mir her und sagten, sie seien sehr froh dass nichts passiert sei. Den ganzen Flug lang war der Schirm gar nicht ganz geöffnet. Das hatte ich beim Starten locker übersehen. Ein Kollege holte sich bei einer Landung einen offenen Bruch am Bein. Für die Prüfung sollte man in einem vorgegebenen Kreis landen können und nochmal einen Theoriekurs besuchen. Ein eigener Schirm kostete damals ein kleines Vermögen und für mich war es das, mit dem Gleitschirmfliegen.

Lampenfieber und Geistheiler
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29.  Lampenfieber und Geistheiler

 

Hösi, Joe und ich bezogen einen neuen Musikübungsraum in Hagendorn. Ich kaufte einen Atari 1040 und das teure Notatorprogramm. Ich komponierte ein wenig aber es war kompliziert all die Synthis anzusteuern. Ich kaufte auch zwei Elektrodrums die ständig Mühe bereiteten und nie fehlerlos liefen. Danach sparte ich und kaufte ein tolles schneeweisses Yamaha Drumset mit einer Sonor Signature Snare Drum. Die Becken waren von Paiste. Wir hatten von Zeit zu Zeit einen Bassisten aber niemals einen Sänger. Obwohl ich ständig im Auto gesungen habe war ich von meiner Unvollständigkeit völlig überzeugt. Kein Geld hätte mich zum Singen vor Menschen gebracht. Auch beim Schlagzeugspielen war ich total verkrampft und gehemmt. Ich suchte mir Hilfe bei den "besten" Geistheilern der Schweiz.

Ein sehr bekannter wohnte in der Nähe des Brünnig. Ich wurde am Bahnhof abgeholt, um das abgelegene Haus zu erreichen. 250 Franken kostete das. Eine Pyramide stand auch im Hof. Im Beratungszimmer erklärte ich ihm mein Lampenfieber, worauf er lapidar antwortete: "Nicht das sie noch vom Stuhl fallen! Haha! Möchten sie noch einen Energieausgleich? Der würde dann aber noch Extra kosten!"

Da war ich dann doch noch Schlau genug um zu verneinen. Ein anderer Heiler in Kriens verlangte auch 200.- Franken. Der wollte mich hypnotisieren. Ich lag auf einem weichen Sofa und er sagte dann: "Jetzt gehen sie tiefer und tiefer. Und nochmal tiefer!"

Die ganze Zeit kaute er auf einem verdammten Lutschbonbon rum und ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren. Ich hörte immer nur sein Lutschen. Das war dann auch nichts. An der Kasse, neben seiner Geistheilergehilfin sagte er noch zu mir: "Es wäre vielleicht gut wenn sie nochmal kommen könnten!" 

Darauf ich:

"Mal abwarten wie es wirkt. Ade, Herr Wermelinger!"

Eine andere Dame nannte sich Schwarzmagierin Marta und wohnte in Zürich. Sie verdiente scheinbar gut Geld, denn sie inserierte gross im Blick. Sie war auch die teuerste mit 300 Franken. Ihr Quartier war verraucht und sie besass einen Papagei. Sie trank versteckt Vodka mit Orangensaft aus einem Cüpli. Sie roch penetrant und ich glaubte ihr kein Wort von ihren Räubergeschichten. Sie war einfach ein kaputter Mensch. Ich blieb freundlich, stand auf und ging. Da kam ihr verbittertes Wesen zum Vorschein und sie rief (Ich kann mich exakt an jedes Wort erinnern):

"Wenn du stirbst, werde ich auf dich warten! Du wirst in der Hölle gegen mich kämpfen müssen!"

Da freu ich mich schon drauf. 

Damals gab es diese gebührenpflichtigen Helplines auch schon. Die 156er Nummern. Eine dieser Damen nannte sich "Vesna die Zigeunerin." Sie besass ein riesiges Haus im Thurgau und wurde scheinbar bedroht. Sie suchte etwas für ihre Verteidigung. Ich besorgte ihr eine Waffe und fuhr ins Thurgau. Bei der Übergabe in ihrem Haus tauchten ihre Brüder auf. Echte Leute, die den bösen Blick drauf hatten. Da war ich sehr froh als ich wieder gehen konnte.

Eine alte Kräuterheilerin besuchte ich im schönen Appenzell. Sie hat mir bittere Säfte für einen noch bitteren Preis verkauft. Eine andere Frau ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Sie wurde mir von meinem Schlagzeuglehrer aus Luzern empfohlen. Sie hiess Sarnesci und war auch Kunstlehrerin an einer Hochschule. Also fuhr ich an die Haldenstrasse in Luzern. Dort bewohnte sie die komplette oberste Etage eines sehr schönen, grossen, alten Hauses. Unglaublich heimelig eingerichtet. Auf Kerzenständern brannten viele Kerzen und kein Fleck an den hölzernen Wänden war nicht behangen mit irgendwas Eigenartigem. Von ihr wollte ich wissen ob das mit dem Musik machen überhaupt der richtige Weg sei. Dazu legte diese alte Frau die Tarotkarten für mich aus. Was sie ganz als erstes sagte war, dass sie nur zwei Freunde sehe. Der dritte sei falsch und eine Schlange. Erfolg oder sogar einen Hit sähe sie erst sehr spät in meinem Leben.

Diese Beratung war kostenlos. Ich gab ihr 50 Franken was sie sehr freute. Zurück in Rotkreuz waren Hösi und ich zunehmend fieser zu Joe. Joe hatte irgendwann die Schnauze voll und ohne Vorankündigung verliess er das Schiff und zog nach Zürich. Fünf Jahre hatte ich überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihm. 

Hösi erzählte mir von einem interessanten Menschen der in direkten Kontakt mit Engeln stehen würde. Dazu fuhren wir nach Bremgarten. Zwei von Hösis Kollegen aus Cham waren auch dabei. Eine gewaltige Villa erwartete uns. Auch mit Pyramide im Garten. Des Heilers Gabe war Menschen zu ihren eigenen Engeln zu führen. Alles war in goldenen Farben, in der Stube stand ein Steinway Flügel. Herr Wermelinger, der Heiler, mochte mich nicht so sehr. Er sagte ich sei total verwirrt und verdreht. Wir soffen alle teuersten Cognac und er zeigte uns das ganze Haus. Im Schlafzimmer hing ein gewaltiges Ölgemälde von ihm selbst, nackt mit viel zu grossen Genitalien. Er war schwul und stand sehr auf Hösi. 

Hösi ging da auch noch einmal hin. Ich nicht.

 Auftritt in der Gymnastikhalle von Rotkreuz
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30.   Auftritt in der Gymnastikhalle von Rotkreuz

Hösi war ein sehr zielstrebiger Mensch, ohne vergleichbare Selbstzweifel die ich hatte. Ein Mensch der vielleicht manchmal zu sehr über Leichen ging. Aber er war defintiv ein Macher. Er verschaffte uns zweien einen Auftritt als Vorgruppe der Rotkreuzer Band "Nickende Fichten." Im gleichen Saal in dem wir in der sechsten Klasse diese tollen Volkstänze geübt hatten. 

Der Plan war zuerst eine freie Improvisation hinzulegen, mit mir am Schlagzeug und Hösi an der Gitarre. Danach sollte ich nach vorne gehen und "We will Rock you" der Band Queen singen, während das Schlagzeug, (wer es kennt, es macht immer nur: Bumm, Bumm, Tschägg) von der Drummaschine abgespielt wurde. Um den Text auswendig zu lernen klebte ich ihn auf das Lenkrad meines Autos. Der Tag des Auftritts kam. Die Halle war fast voll. Etwa 200  Personen füllten den Raum. Viele treue Fans der Nickenden Fichten und auch unsere Freunde waren da. Die Stimmung war gewaltig und bestimmt niemand nüchtern. Also hinter das Schlagzeug und ordentlich abgerockt. Hösi an der Gitarre gab alles. Nach dieser Improvisation stürzte ich nach vorne, verlor den Halt und knallte flach hin. Ich hatte soviel Adrenalin in mir, die Leute feierten es. Nach "We will Rock you" wollten uns die Leute nicht gehen lassen. Was sollte ich noch sagen oder singen? Ich sang dann: "Schwarzbraun ist die Haselnuss" von Heino. Nur immer diesen Satz. Es war ein Riesengaudi.

Die Nickenden Fichten rissen nachher die Show vom feinsten, wir hatten ja auch gut angeheizt! Ich hatte aber während meinem Auftritt keine Stimme und schwor, mir sowas nie mehr freiwillig anzutun. Ich soff mich fast zu Tode an diesem Abend.

 

Ein Gauner
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31.  Ein Gauner

 

In den Zeitungen tauchten verschiedene Inserate auf, auf denen Photomodelle gesucht wurden. Da meldete ich mich. Für das Vorstellungsgespräch musste ich nach Luzern.

Zum Glück wurde im Schweizerfernsehen schon vorher von diesen Halunken gewarnt, denn es war genau so einer. Zwei blöde Scheinwerfer hat er hinter sich aufgebaut die mich ständig blendeten. Eine 40cm hohe Beige der aktuellsten Modemagazine sollte seine Zugehörigkeit zur Branche unterstreichen. Ich erzählte die ganze Zeit, ich sei doch viel zu dünn für ein männliches Model. Was auch der Wahrheit entsprach, ihn aber völlig kalt liess. Er sagte, ich sei das perfekte Hutmodel. Ich käme in seine weltweite Kartei, aber ein biesschen Laufsteg sollte ich schon lernen. Den Vertrag für den Kurs über 1500 Franken sollte ich gleich unterschreiben! Im Ernst, solches Verbrechen gehört bestraft. Ein Ferrari hatte er sich schon ergaunert und stand unten demonstrativ vor dem Eingang. Die angeblichen Kurse, wenn sie überhaupt stattfanden, führte er alleine durch. Ein Beschiss sondergleichen. Zum Glück konnte mich der Rattenfänger nicht fangen und ich zog von dannen.

Noch ein Gauner
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32.  Noch ein Gauner

Ich wollte mir ein Wohnmobil laufen. Oft schlief ich ja meine Räusche im hinteren Teil des Kombis aus, aber es könnte doch auch bequemer gehen. Also hielt ich die Augen offen und während der Arbeit sah ich manchmal Wohnmobile vor den Garagen und Carosserien rumstehen. Ein Angestellter der Garage/Carrosserie Schwegler in Siebnen hatte ein sehr schönes, knallrosa Bedford Wohnmobil für 4500 Franken im Kaufangebot. Er würde frisch ab Kontrolle liefern, müsse aber noch etwas weniges daran machen. Der Bedford stand aber nicht im Betrieb, er würde ihn aber persönlich zum Anschauen nach Hagendorn fahren. Das tat er auch und ich war begeistert. Diese 3,5 Tonner kann man mit normalen Fahrausweis fahren. Ich zahlte 2000,- als Anzahlung und wartete bis er das Auto beim M.F.K. vorgeführt hatte. Ich wartete und wartete. Ich rief auch in Pfäffikon bei der Motorfahrzeugkontrolle an. All seine Termine dort waren erlogen und er war nie beim M.F.K. Er wollte einfach die 2000.- einsacken und dachte er käme damit davon. Das erzählte ich meinem Bruder, denn beim Liefern seiner Frontscheiben lernte ich diesen Gauner ja erst kennen. Alphons rief den Besitzer der Garage an und am nächsten Tag konnte ich dort mein Geld wieder abholen. Herr Wermelinger, der Büetzer war nicht mehr da und der Chef der Garage entschuldigte sich persönlich bei mir. Nochmal gut gegangen!

Ein schrecklicher Unfall
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33.  Ein schrecklicher Unfall

Hösi und ich waren an der Chilbi in Root. Wir fuhren ein Fahrgeschäft und aus den Boxen dröhnte das Lied "Sunshine Reggae." Wir lachten wie kleine Kinder und es die Welt war gut. Wir fuhren zurück nach Rotkreuz, trennten uns und trafen uns am späteren Abend wieder. Hösi erschien komplett in Tränen aufgelöst am Treffpunkt. Seine Freundin Michaela sei gestorben. Sie bog am Nachmittag mit dem Velo nach links ab und übersah ein schweres Motorrad im Gegenverkehr. Sie war erst 17 Jahre alt. Sie starb ungefähr zu dieser Zeit als wir mehrere Runden im Discokreisel drehten. Sunshine Reggae war eines ihrer Lieblingslieder.

Hösi und mich, egal wo wir ihn hörten; dieser Song erinnerte uns immer an diesen schrecklichen Tag. Bis heute mag ich ihn nicht hören. Hösi hatte den Schlüssel zum Haus ihrer Eltern und wir warteten alleine darin bis sie mit dem kleineren Sohn vom Spital zurückkehrten. Das war sehr schlimm. Wir durften sie dann im Sarg ansehen. Nur nahe Verwandte, Hösi, Joe und ich. Man hat Michaela nicht mehr erkannt. Bis heute sehe ich das Gesicht, zweigeteilt und nothelfsmässig mit riesigen Klammern zusammengepresst. Hösli musste sich übergeben, war plötzlich schneeweiss und zitterte am ganzen Körper. Auch Michaelas siebenjähriger Bruder hat sich übergeben. Ein paar Jahre später erfuhr ich das diese Familie nochmal ein Mädchen bekommen hat. Alles Glück für sie.

Zivilschutz
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34.  Zivilschutz

Da ich ja für das Militär als untauglich befunden wurde, musste ich in Rotkreuz Zivildienst leisten. Die Zentrale, in der auch die Mittagsessensausgabe stattfand, befand sich in der unterirdischen Halle des Zivilschutzzentrums. Darin fanden auch viele Jahre vorher die ganzen grossen Discos statt. Ich wurde der Übermittlung zugeteilt. Wir mussten Telefonkabel legen, von Rotkreuz bis Risch, an die Reuss runter und auch weit hoch gegen den Michelberg. Zwei Wochen lang. Ich war der Leitermann. Dazu musste ich die bis 6 Meter hohe Leiter hochklettern und den Draht um eine vorher befestigte Masche knüpfen. Der exakte, militärische Begriff für den Knoten war: Doppelter Maischberger. Oder ähnlich. Ich war ja bereits beim Knoten ausgebildet worden, zweihundert Meter entfernt, beim Rotkeuzer Kaminfeger der mich zum Teufel gejagt hatte. Also knotete ich immer irgendwas zusammen und hoffte, vor allem beim Queren von Strassen, dass das Kabel oben bleibt und gefälligst niemand genauer hinschaut. Dafür ging ich die Leiter hoch, flink wie ein Wiesel. Derjenige welcher für nix zu gebrauchen war und in der Hierarchie ganz unten stand, musste immer den Verkehr stoppen beim Queren der Strassen. Mit kindischen Holzkellen auf denen Stop! stand. Unsere Truppe war ein ausserordentlicher Mix aus Menschen. Wir waren etwa zwölf Personen und alle waren viel älter als ich. Viele wohlhabende Villenbesitzer aus Buonas und Risch. Wohlhabend und unglaublich versoffen. Einflussreiche Menschen und Politiker waren wahrscheinlich auch dabei, denn wir hielten uns wenig an die Zeitregeln. Als das Telefonabel endlich in Buonas ankam, haben wir Kaffeeschnaps getrunken in den Häusern der Kameraden. Einer hatte sogar echte Flamingos im Garten. Ein anderer war sehr betrunken und wollte mir eine riesige Märklin Eisenbahnanlage schenken. "Die muess jetzt eifach emol wäg!" hat er gesagt.

Ich hatte keinen Platz. Schade, diese Anlage wäre schon damals ein kleines Vermögen wert gewesen. Ein anderer brachte uns belegte Brote und Weisswein. Es war eine tolle Zeit.

Im Zivilschutzzentrum beim Mittagessen war Herr Käppeli für die Getränke zuständig. Herr Käppeli war der Getränkehändler von Rotkreuz. Er belieferte die Restaurants und blieb gerne auch dort sitzen. Er stand also hinter der Getränkeausgabe und machte sehr grosszügige Kaffeeschnaps. Alles rauchte in dieser Halle. Das Essen war sehr gut und soviel man wollte. Es gab kein Catering, (ausser die alkoholischen Getränke von Herrn Käppeli.) Wer wollte konnte sich auch zum Küchendienst anmelden. Darunter waren sicher auch Köche, die keinen Militärdienst mehr machen mussten. Deshalb das feine Essen.

In meiner Gruppe waren auch Menschen, die es sehr genossen mal zwei Wochen auszubrechen vom Familienalltag. Darum die konstant gute Stimmung. Wir rauchten Villigerstumpen und Krumme Brissagos. Wenn die Übungen um 17.00 Uhr beendet waren tranken wir im Bahnhofbuffet oder im Restaurant Zentral weiter. Herr Widmer war sehr wohlhabend und in der Politik engagiert. Immer am Nachmittag, egal wohin wir die Kabel legen mussten, fuhr er mit seinem Kombi vor und stellte eine Harasse Bier für uns hin. Einen ganzen Morgen lang bezog ich Posten mit Herrn Bättig in einer alten Sägerei. Wir waren per Feldtelefon mit dem Hauptposten (HP) verbunden. Wir hatten fünf kleine Notizen bekommen, auf denen vorstellbare Horrorszenarien aufgeschrieben waren. Die mussten wir dann als Nachricht ins HP durchgeben. Da stand dann z.b. : -Scheune abgebrannt, alle Tiere gerettet. Halten Standort!-

Herr Bättig war ein grosser Humorist und änderte ständig den Text. Wir fügten "Wasserleiche gefunden" hinzu oder ähnlichen Blödsinn. Einer der sich freiwillig für den Dienst im HP gemeldet hatte antwortete dann: 

"So schtoht das aber nöd im Protokol!"

Herr Bättig arbeitete schon sein Leben lang als Ingenieur beim führenden Fahrstuhlproduzenten der Schweiz. So war er geschäftlich in den Sechzigern, in Afrika und Brasilien. Von dort hatte er einen echten Schrumpfkopf mitgebracht. Den ging ich mir Jahre später anschauen und wir tranken zusammen ein kleines Bier.

Dr. Bucher
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35.  Dr. Bucher

Ich fuhr mit fünf meiner besten Freunde mit dem Zug ins Tessin. Ich hatte die ganze Zeit unsägliche Kopfschmerzen. Den Hasch den wir rauchten war nichts wert und gestreckt.

Um den Hasch zukaufen musste man nach Zürich. Die Stelle am Ufer des Zürichsees hiess Riviera. Etwa gegenüber vom Bellevue. Das war eine heisse Sache, den Privatfahnder versuchten immer den Dealer oder einen von uns zu fassen. Alles musste immer blödsinnig schnell gehen. Die Dealer waren irgendwo unter der Menschenmenge, am Bellevue versteckt. Wenn genug Leute zusammen standen preschten sie hervor und gaben sich zu erkennen. 

"Ich ha schwarze Hasch!" 

rief der Dealer dann. Zeit zum Testen oder Riechen an der Ware blieb selten. Diese Hasch war bereits vorher abgepackt worden und es gab nur Portionen für 100 Franken. Innerhalb von zwei Minuten wurden 20 Personen abgefertigt und weg war der Dealer wieder. Die Dealer konnten sich in der Luft auflösen. Wem Kiffen nicht reichte konnte zu Dr. Bucher in Zug gehen. Dieser Arzt setzte voll auf die Eigenverantwortung des Einzelnen. Man konnte alles von ihm haben. An den Wänden hingen Bilder von erfolgreichen Bodybuildern mit Widmung. Auch sie bekamen ihre stärkeren, illegalen Aufbaupräparate von Dr. Bucher. Er attestierte vielen Menschen, die es brauchten, eine Militärdienstuntauglichkeit. An manchen Tagen standen schon am Morgen früh, vor der eigentlichen Öffnung, substanzabhängige Menschen und solche den es einfach beschissen ging, in der Schlange vor der Praxis. Die Rechnungen von ihm waren stets astronomisch, aber man bekam immer was man wollte. Hatte man eine Krise oder war auf Entzug, Dr. Bucher knallte einem eine Spritze in die Pobacke, dass man danach die Welt wenigstens für 24 Stunden lächelnd ansah. Heute, wenn ich bei schlimmen Zahnschmerzen nur noch Homöopathische Mittel verschrieben bekomme, sehne ich mir Dr. Bucher herbei. Für dreihundert Franken kam er auch zu einem nach Hause. Er war auch Chirurg und kleine Sachen, für welche man heute bestimmt ins Spital müsste, operierte er sofort und unkompliziert. Bei den Heroinsüchtigen versorgte er die offenen Wunden. Er hatte viele Probleme mit den Behörden und manchmal war seine Praxis kurzfristig geschlossen. Er gab einem immer was man wollte und helfen war sein oberstes Credo. Eigenverantwortung übernehmen heisst das magische Wort, dass uns vor vielen unnötigen Gesetzen schützen würde.

Statist
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36.  Statist

Ein paar mal versuchte ich mich auch als Statist in Filmen. Meine grösste Statistenrolle hatte ich in der Ortschaft Baden im "Justiz" nach Friedrich Dürrenmatt. Die Hauptrolle hatte Oscarpreisträger Maximilian Schell. Ihn sah ich nur einmal. Am späten Abend winkte er mir stilgemäss, von seinem Chauffeur mit weissen Handschuhen abgeholt, aus einem alten Oldtimer zu. Ich spielte den Kellner wie eine Handvoll andere auch. Man wartete den halben Tag auf seinen Einsatz in einem Zimmer. Der Chef de Service war unser Held. Er erzählte von seiner privaten Schauspielausbildung und er durfte vor der Kamera "Guten Abend." sagen und eine Menukarte den Gästen reichen. Im Hintergrund, selbstverständlich.

Das Schweizer Fernsehen sendete einen kleinen Bericht über die Dreharbeiten, den ich leider nie sah. Aber darin war ich scheinbar kurz zu sehen. In Rotkreuz wurde ich ein paar Mal darauf angesprochen: Heh Jonny! (so nannte man mich) Bisch im Färnsäh gsi?"

Im Endprodukt Film bin ich dann aber keineswegs zu sehen. Jedesmal steh ich zwei Meter neben dem Kamerawinkel. Das hat mich sehr aufgeregt!

Ein grossartiger Gastronom
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37.  Ein grossartiger Gastronom

 

In Meggen habe ich einen grossartigen Wirt kennengelernt. Er führte ein riesiges Unternehmen mit Hotel, Schloss, Bar, Restaurants, Zeltplatz, Swimmingpools und eigenem  Seeanstoss. Am Wochenende führte er Schweizweit die meisten Hochzeiten durch. Dazu hatte er einen verrückten Priester der Klarinette spielte als Angebot. Wer wollte konnte auch halbnackte Nonnen haben, die waren aber nicht echt. 

Er kannte das Königshaus von Belgien und das ein oder andere Memorandum hing an den Wänden. In der Nähe ist ja Königin Astrid von Belgien tödlich verunfallt. Der Adel nächtigte, wenn er dann einmal in die Schweiz kamen, stets bei ihm und er wurde danach nach Belgien eingeladen. Hans kannte die Prominenz. Seine Frau war 40 Jahre älter als er und eine wohlhabende Dame mit weissen Pudeln. Wenn wir in der wunderschönen Bar edlen Cognac tranken und dazu Davidoff Zigarren rauchten, lagen wir fast in den tiefen schönen Polstergruppen. Hans stand dann immer um Punkt 23.00 Uhr auf und verliess den Tisch. Seine Prinzessin, wie er sie nannte, brauchte dann etwas Zuneigung. Zu Fuss ging er dann in sein Chateaux, servierte ihr dabei auf einem Tableau immer zwei Cüpli und etwas heissen Toast mit Crevetten oder Kaviar. Er erzählte mir, er hätte seine Frau geheiratet, weil sie sonst von den Erben ins Altersheim gesteckt worden wäre. Er stellte die Pflegerinnen ein und gab ihr ein gutes Gefühl. Sie war Erbin einer grossen Möbelhauskette. Hans war ein sehr grosszügiger Mensch. In der Schloss Bar stürzten meine Freunde und ich einmal total ab. Wir schliefen in zwei Hotelzimmern, niemand musste etwas bezahlen. Egal mit wem ich ihn besuchte, immer stand innert kürzester Zeit ein kleines, kaltes Plättli auf dem Tisch. Dazu einen 3/8 eiskalten St.Saphorin. Offeriert vom Chef. Einmal im Jahr trank er einen Monat lang nur Wasser. Das nannte er dann immer den "Blööterlimonat." In der Bar spielte immer Ruedi. Ruedi war ein grosser Künstler. Bei ihm fand man keine alte, nervende, immer gleichklingende Orgel. Er verstand die Materie und steuerte verschiedene Synthesizer an. "Crockets Theme" von Jan Hammer spielte er genau so schön wie die Originalversion. Andere Keyboarder als Ruedi musste Hans oft entlassen. Die Ohren der Gäste vertrugen keinen anderen und sie beschwerten sich bei Hans. Ein Russe bei dem jedes Lied wie das vorherige Klang, spielte nur ein einziges Wochenende. In dieser Bar lernte ich einen sehr interessanten Herrn, einen Freund von Hans kennen. Er arbeitete für einen berühmten Milliardär aus Zürich. Er leitete sämtliche Anlässe, die Bankette und Feiern aller Anwesen dieses wohlhabenden Mannes. Er bildete auch die Bediensteten aus. Wir waren alle schön lustig und er lud mich nach Luzern in sein Penthouse ein. Sein Chauffeur hatte den ganzen Abend in einem Rolls Royce vor dem Hotel gewartet. Mit Hut und Handschuhen. Er war sehr vermögend. Sein Penthouse lag in der Nähe vom Hotel Palace und wir fuhren im Privatlift hoch zu seiner unglaublichen Wohnung. Wir soffen noch mehr exquisites Zeug, als sein Lover die Treppe runterkam. Ein halbnackter, verschlafener Adonis mit griechischem Körper! Er verzog sich aber gleich wieder gelangweilt. 

In der Schloss Bar lernte ich auch, einen anderen, sehr wohlhabenden Mann kennen. Er war aber ein egoistischer, unzufriedener Mensch. Er baute Getränkeabfüllanlagen in Afrika. In seiner Villa in Immensee hat er während meiner Anwesenheit, seine thailändische Frau abschätzig behandelt. Er fragte mich vor seiner Frau: "Was glaubst du, ist sie es Wert?"

Als ob er sie gekauft hätte. Sie war sehr traurig und das fröhliche thailändische Wesen verschwunden. Ich hörte von ihm den sinnlosen Spruch, den ich von den schlimmsten Alkoholikern immer wieder gehört habe: 

"Ich saufe zwar, aber mich sieht man nie betrunken. Ich habe es unter Kontrolle!"

Einmal habe ich Hans bei einer Hochzeitsfeier als Kellner ausgeholfen. Die nicht einmal zwanzigköpfige Hochzeit hatte die ganze Pepe Lienhard Band als Tanzusik engagiert. Es herrschte grossartige Stimmung. Bei solchen Anlässen kannte Hansi keine Sperrstunde. Jeder im Service bekam ein Goldvreneli vom Bräutigam geschenkt. Als reicher Mensch nicht geizig zu sein ist eine grosse Tugend!

In der Schloss Bar fiel oft ein junger Mann in schneeweissem Anzug auf. Er war Manisch-Depressiv. Eine schlimme Krankheit. Er war natürlich nur in der Hotelbar anzufinden, wenn er in einer manischen Phase war. Er imitierte alles und jeden, am besten gab er aber den Elvis. Als er mich mit seiner Freundin in Hagendorn besuchte, konnte er verdammt gut Schlagzeugspielen, um sie zu beeindrucken. Obwohl er niemals zuvor Schlagzeugstöcke in den Händen gehalten hatte. Er ruf mich morgends um drei aus dem Tessin an. Im Winter. Er käme jetzt vorbei. Mit dem Moped und seine verrückte Freundin hinten auf dem Packträger! Er rannte schon mal in den Unterhosen aus der Schlossbar und schwamm ein paar Meter im Vierwaldstädtersee. Viele Jahre später traf ich ihn in einem Pup in Küssnacht. Er wirkte komplett sediert und vor allem sehr traurig. Mich hat das damals auch sehr traurig gemacht. Noch zweimal hatte ich mit Menschen zu tun die von dieser teuflischen Krankheit geplagt wurden. Als ich später ein Schlagzeug verkaufen wollte und bis nach Solothurn gefahren bin, öffneten mir besorgte Eltern das Bauernhaus. Ich solle so lieb sein und das Schlagzeug wieder mitnehmen. Ihr Sohn sei Manisch-Depressiv. Die ganze Scheune sei bis unters Dach voll von Musikinstrumenten, Mixer, Boxen etc. Alles sinnlose, ohne Geld zusammengekaufte Ware. Da erinnerte ich mich bestimmt auch an den Menschen aus der Hotelbar und wir fuhren ohne dümmliches Verhalten wieder zurück.

Hans, der grosse Gastronom, sitzt jetzt bestimmt mit Ueli Prager vom Mövenpick im Himmel, am Tisch der ganz grossen Gastronomen!

Mörderisches Heroin
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38.  Mörderisches Heroin

 

Als wir einmal in einer grossen Gruppe nach Zürich fuhren um Hasch zu kaufen, bemerkte ich, dass etwa vier von uns, als wir in einem Cafe neben dem Bellevue sassen, Tee Citron  bestellten. Sie spritzten heimlich Heroin auf der Toilette. Die Zitrone brauchten sie bei der Zubereitung des Schusses. Als ich Lexi darauf ansprach wurde er zornig. Sie taten das immer heimlich. Man sah sie plötzlich nur noch wenig im Bahnhofbuffet. In zwei Biografien von bekannten Rockstars las ich, dass in den 80er Jahren reines Heroin in Europa auf den Markt geworfen wurde. Diesem hochprozentigem Heroin geschuldet, verloren viele Menschen ihr Leben. Lexi und Stephan starben innerhalb weniger Monate an einer Überdosis.

 Schlagzeugunterricht und Konzentrationslager
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39.   Schlagzeugunterricht und Konzentrationslager

In Luzern nahm ich Schlagzeugunterricht. Mein Lehrer war früher Drummer der  Progressivrockband "Flame Dream." Ein Künstler und Hippie mit sehr langen Haaren. Auf die Frage warum der Durchbruch mit Flame Dream nie gekommen sei, erzählte er mir, dass während der Italientour, der Vater des Sängers gestorben sei. Der Sänger wollte dann nicht mehr. Er ging danach in die Gastronomie und pachtete ein riesiges Hotel in Weggis. Kurz bevor ich bei meinen Bruder eine Stelle als Lieferant/Lagerist gefunden hab, sprach ich auch dort, in diesem Restaurant, für einen Job vor. Dieser Künstler hatte bestimmt eine Vision, konnte aber den von mir gewünschten Lohn nicht bezahlen. Ich nahm mich viel zu wichtig und lehnte ab. 

Peter mein Schlagzeuglehrer hatte eine Leidenschaft für alles was mit dem Zweiten Weltkrieg zutun hatte. Er war aber überhaupt kein Nazi. Ihn faszinierte, genau wie mich, alles was mit dem zweiten Weltkrieg zu tun hatte. Ein Frage lautet: War Gott während dem Holocaust in den Ferien? Jack fotografierte fleissig während seiner Exkursionen und er konnte mir auch aufzeigen, dass Deutschland ständig Beweise und Relikte aus der Öffentlichkeit zurückzieht. Konzentrationslager waren etwas vom schlimmsten was die Hitlerdiktatur hervorgebracht hat. Da wurden einfach alle interniert die nicht dem System entsprachen. Die Devise lautete: Vernichtung durch Arbeit. Dies geschah durch mörderische Arbeit und absichtliche Unterernährung. Wenn sie werter Leser Interesse haben auch so ein Konzentrationslager anzuschauen empfehle ich ihnen das kleine, mörderische Lager "Natzweiler Struthof" im Elsass. Gut zwei Stunden von Basel entfernt. Oder das Lager "Mauthausen" in Österreich. Niemals Dachau. Das nennt man das Kaffeefahrtenkonzentrationslager. Es ist alles so geputzt und sauber hergerichtet, dass man glaubt diese grausamen Apparaturen seien nie in Betrieb gewesen. Je weiter ein Lager von Deutschland entfernt ist, umso authentischer wurde es erhalten. Schaut man sich das Lager Majdanek in Polen an, bekommt man das beängstige Gefühl alles wäre vor 24 Stunden noch in Betrieb gewesen. Die Asche liegt noch in den Krematorien, die Wände sind dunkel und verschimmelt. Das Grauen wurde nicht mit frischer, hellweiser Farbe übermalt. Diese weltberühmten letzten, an die Wand gekritzelten Worte in der Folterzelle von Dachau: - Eine Laus, dein Tod!- 

Ein Kollege von Peter erzählte mir, dass einiges mit weisser Farbe übermalt wurde. Auch darf man in Dachau nicht mehr in den Bunker. (Bunker nannte man in den Lagern die Gefängnisse.) Man darf nur noch von aussen hineinsehen. Vor ein paar Monaten entfernten sie einen Teil des Stacheldrahtes der um das Lager führt. Ein Kind hätte sich verletzt.

Wenn man aktuelle, offizielle Führungen durch das Lager Dachau auf Youtube anschaut, da wo das ganz Böse passierte, lässt man Gras und Blumen darüber wachsen und will nicht hinschauen. Man könnte vom Boden im Krematorium essen, so sauber ist alles. Kerzen aufstellen ist auch nicht erlaubt. Man darf auch nirgendwo so nah ran wie früher, alles auf Abstand gesetzt.  Man kann dieses Lager anschauen ohne dabei Emotional berührt zu werden. Bis heute hängt vor der Gaskammer in Dachau, ein Schild mit der Aufschrift: -Diese Gaskammer war niemals in Betrieb!-

Dazu gibt es aber auch andere Aussagen. Es existieren Fotos auf denen Kleiderberge vor der Gaskammer zu sehen sind. Bis heute behauptet die Lagerleitung von Dachau, diese Gaskammer sei nur zum Testen gebaut worden...

Im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar wurde in den 80 und 90er Jahren vieles nivelliert. Auch Teile des Privatzoos von Ilse Koch, der Hexe von Buchenwald, liess man verschwinden unter Schutt und Asche. In diesem Zoo wurden Häftlinge lebendig den Bären zum Frass vorgeworfen, während die Aufseher des Lagers auf langen Holzbänken feierten. (Quelle: Eugen Kogon, Der SS-Staat) Heute graben sie wieder alles aus! In aktuellen Videos sieht man die grossen Mengen von Material, das man wieder ausgegraben hat. Töpfe, Kleider, Essgeschirr und alles was man zum Überleben oder Sterben im Lager brauchte. 

Jedes einzelne dieser Lager hat einen teuflischen Charakter, den man meint fühlen zu können. Mit Peter fuhr ich ins Elsass um das Lager Natzweiler Struthoff anzuschauen. Je mehr man vorher darüber gelesen hat, umso näher erscheint einem Schreckliche. Peter wusste eine Menge über das Lager zu erzählen. Auch die dutzenden Aussenlager kannte er alle. Wir liefen um das Lager herum, um verwilderte Gebäude und verlassene Hundezwinger anzuschauen. Alle Wachhunde, sämtlicher Konzentrationslager wurden durch Heinrich Himmlers Schergen speziell ausgebildet. Sie gingen sofort auf das Geschlechtsteil, danach ist man verblutet. Die Hunde wurden nach jeder Befreiung eines Lagers sofort erschossen, andere leider nicht. Damals war das Restaurant direkt neben der Gaskammer noch in Betrieb. (Das Haus steht noch heute, das Restaurant wurde aber inzwischen geschlossen.) Wir soffen Cola in dem Gasthaus in dem auch die Wärter des Lagers getrunken haben, mit Blick auf die Gaskammer. Man musste den Schlüssel für die Gaskammer oben am Haupteingang des Lagers verlangen um danach allein hinein zugehen. Beim Haupteingang des Lagers, das einem Fort aus dem wilden Westen gleicht, war auch die Kasse. Man konnte da auch tolle, aufschlussreiche Bücher kaufen. Einen mehrseitigen Lagerführer gab es beim Eintritt dazu. Darin war auch das schreckliche Foto vom Innern der Gaskammer. Dieses kleine Gebäude hatte zwei Räume. In einem kleinen Raum wütete Herr Wirt auf seinem Seziertisch. Dieses Photo findet mit ein bisschen Suchen immer noch auf Youtube. August Hirt trennte Unter und Oberkörper, schön aufbewahrt in zwei grossen steinernen Zübern, wie man auf Fotos sehen kann. Einer der grössten Sammlungen anatomischer Körpereile ist noch heute zugänglich in Strassburg und kann auf Anfrage angeschaut werden. Auch Schrumpfköpfe die Hirt angefertigt hatte sind noch erhalten. Bei einem anderen Ausflug fuhr Peter mit mir an einen anderen Ort in Frankreich. Wir wohnten bei Bekannten von ihm, in einem wunderhübschen Häuschen. Die Spezialität des Gebietes waren Froschschenkel. Während dem zweiten Weltkrieg, nannte man die armen Franzosen Froschfresser und die Deutschen nannte man Krauts. Hätten sie wohl besser Froschenkel mit Kraut zusammen gegessen!

Wir besuchten ein auf einem Hügel verstecktes Grab aus dem zweiten Weltkrieg. Leider bin ich mir nicht mehr sicher, aber es könnte ein Grab eines Widerstandskämpfers gewesen sein, eventuell verwandt mit den Menschen, welche wir besuchten.

Faszination des Bösen
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40.  Faszination des Bösen

Wenn Gott einfach nicht zu einem durchbricht, sucht man Plätze auf, wo er niemals war. Die Verzweiflung im Schnapsrausch. So war es auch an diesem Samstag. Ich hatte schon ordentlich getrunken im Bahnhofbuffet und beschloss, niemand wollte mitkommen, gleich alleine loszufahren nach Österreich ins Konzentrationslager Mauthausen. Das wollte ich mir unbedingt anschauen.  Ich nahm noch etwas Schnaps mit und fuhr los. Es regnete wie Katzen vom Himmel und kurz vor Salzburg hatte es mir den Scheibenwischer weggehauen. Um noch etwas sehen zu können hielt ich den Kopf aus dem Fenster raus und bin ab der Autobahn gefahren, um neue Scheibenwischer zu kaufen. Ich war richtig betrunken und kam etwa morgens um vier vor dem Lager an. Eines der wenigen Lager mit Steinmauern. Das Haupttor zum Lager wurde mit kleinen Scheinwerfern beleuchtet. Ein düsterer Anblick. So alleine und still am noch dunklen Morgen. Mindestens 90 000 Menschen sind darin ums Leben gekommen. Ich haute mich in den Schlafsack, hinten in meinem Kombi, konnte aber unmöglich schlafen. Also bin ich zurück gefahren, Richtung Linz. Ich fand eine Tankstelle mit Stehbar! Da wurde um fünf Uhr morgens schon Weisswein gesoffen. Da machte ich gleich mit. Sie waren aufgeschlossene Menschen, soweit ich mich erinnern kann. Wer sich sowas mal ansehen will: Mauthausen ist sehr authentisch und lässt einem sprachlos zurück. Ein Schweizer namens Louis Häfliger half bei der Befreiung des Lagers. Er führte die amerikanischen Truppen und das Rote Kreuz zum Lager. In Wien Weidling, wo er später wohnte, steht heute ein Gedenkstein. Mauthausen besass 40 Aussenlager. Das grösste davon war Gusen. Auch die Hölle auf Erden genannt. Das wollte ich mir auch ansehen.Von den 70 000 Häftlingen sind 35 000 gestorben. Das ist eine höllisch hohe Zahl denn es waren ja keine riesige Gaskammern in Betrieb. Nur ein Gaswagen pendelte ständig von Mauthausen nach Gusen. Die Abgase lenkte man ins innere des Wagens. In Mauthausen angekommen wurde man dann im Krematorium verbrannt. Im Konzentrationslager Gusen starb man durch Schläge, verhungerte, im besten Fall brach man tot während der Arbeit zusammen. Hunderte wurden ertränkt, in Kübeln und Fässern. Man spritzte auch Benzin ins Herz, was ein grausamer Tod war. Der Steinbruch in Gusen ist riesig. Man warf viele Menschen lebendig in den Steinbrecher. Einige Arbeitskommandos mussten riesige Stollen in den Berg brechen, darin wurden unter anderem Triebwerke für den Messerschmitt Düsenjäger produziert. Zum Glück war das alles viel zu spät, um noch das Ruder im Krieg, für die Deutschen rumzureissen. Wie in jedem Lager wurden auch hier medizinische Versuche gemacht. In Gusen machte man unter anderem Gebrauchsgegenstände aus menschlichen Organen. Betäubt wurde in keinem Lager. Gusen gehörte zu den tödlichsten, auch weil die Aufseher entlassene Schwerverbrecher aus Gefängnissen waren. Die waren die schlimmsten, sie mordeten mit Freude. Bei der Befreiung von Gusen waren die überlebenden Häftlinge nicht mehr zu halten. Es gab eine Lynchjustiz. Als ich Gusen anschaute war da noch keine Gedenkstädte. Nur das Krematorium war zugänglich. Da hing ein Schild: Bitte Schlüssel beim gegenüberliegenden Restaurant abholen. Das war ein chinesisches Restaurant. Es schmeckte gut, war preiswert und ich trank eine ganze Flasche Rotwein dazu. Eine Zigarre und den üblichen schlechten Cognac, den man damals bei fast allen Chinesen bekam, gönnte ich mir auch noch. Am Schlüssel hing ein schwerer Stein, nicht das jemand noch den Krematoriumsschlüssel klaut! Beim Krematorium ist heute die offizielle Gedenkstädte. Man kann auf vorherige Anfrage sehr lehrreiche zweistündige Führungen reservieren. Heute wohnen Menschen in den Originalbaracken des Lagers. Das Gebäude des Haupttors ist bis heute in Privatbesitz. Damals, in den Achtzigern, konnte ich in Gusen seltene Fotos machen. Unkraut auf dem ehemaligen Appellplatz und liegen gelassenes Spielzeug. Spielende Kinder vor den SS Baracken. Im Mai 2023 konnte Gusen neue Areale des ehemaligen Lagers zurückkaufen. Verschiedene SS Verwaltungsgebäude, Teile des Steinbruchs und der Appellplatz können jetzt angeschaut werden. Man kann mit Kopfhörern einen Audiorundgang machen. Gut wenn man Spuren des Krieges zum Vorschein bringt und nicht unter den Teppich kehrt. Wenn man anschaut, wie zum Beispiel die Mörder vom KZ Buchenwald freikamen und als Ärzte weiter praktizieren konnten. Gerichtsprozesse begannen erst 15 Jahre nach dem Ende des Weltkriegs. Das war von Anfang an der falsche Ansatz. Hier meinten die Deutschen sie müssen Milde zeigen. Hätte man alle samt und sonders aufgeknüpft, hätte Deutschland wenigstens getan was es konnte und wäre heute nicht mehr mit so viel Schuldgefühl ausgestattet. Gewalt ist out, dachten sie damals bei vielen Verurteilungen. 1955 gründeten sie bereits die FSK. Die jegliche Gewalt aus Filmen entfernte. Bis heute arbeiten 350 Menschen für die FSK und zensurieren Tag und Nacht Videospiele (am Anfang wurde einfach das Blut grün eingefärbt), Filme und Comics. Diese grossen Altershinweise auf DVDs sind von der FSK. Diese alten schwarzweiss Wildwestfilme aus Amerika. Praktisch alles wurde zensiert. Bestrafung wurde aus den Micky Mouse Comics entfernt. Werter Leser, schauen sie es sich an, man kann es nicht glauben, auf.- schnittberichte.com.- 

Hier ist doch genau, wie bei der Medikamentenausgabe eines tollen Arztes, Eigenverantwortung gefordert. Wenn einer wegen dem Lesens eines unzensierten Micky Maus zum Mörder wird ist das bestimmt nicht Ursache sondern höchstens Auslöser dazu. Man verbietet und bestraft am falschen Ort und durch das Abnehmen von Eigenverantwortung, (besoffen einen Unfall zu haben wird heute in Deutschland oft mildernd für das Urteil vor Gericht betrachtet, in den U.S.A. gilt das als erschwerend), macht man den Menschen immer kleiner als er eigentlich ist. Damals war ich verantwortunglos. Heute würde ich nicht mehr unter Alkoholeinfluss Autofahren. 

Von Gusen fuhr ich weiter nach Ebensee. Ein weiteres Aussenlager auf dem heute Einfamilienhäuser stehen. Es gab auch ein Restaurant auf dem Gelände. Noch heute fährt jedermann mit dem Auto durch das steinerne Tor des ehemaligen Lagerhaupteingangs zu seinem Häuslein. Ich fuhr also durch das Tor zu diesem Restaurant. Das war eine richtige "Beiz." Rund um den Stammtisch sass eine sehr junge Blasmusikgruppe, die laut und ordentlich am Saufen war. Sie hatten am Abend Konzert mit Umzug durchs Dorf! Ich hab mich gleich zu ihnen hin gesessen. Die "Zillertaller Schürzenjäger" waren damals die totale Nummer Eins und wir sangen drei Stunden lang: "Sierra, Sierra Madre del Su!" Diese Jungs konnten saufen. Ich war ja auch schon einiges gewohnt aber ich kotzte dann doch als erster. Der Wirt hatte mich schon lang vorher im Auge und ich kotzte brav in die Toilette. Für das feierten sie mich und soffen immer noch weiter. Immer einen grossen Kübel Bier, dazu einen kleinen Schnaps, der so hochprozentig war, dass man ihn anzünden konnte. Wir feierten das Leben mitten im ehemaligen KZ. Da würde ich gerne nochmal hingehen. Das schmucke Restaurant ist immer noch geöffnet. 

Ich wusste auch von den Kilometerlangen Stollen in den umliegenden Bergen. Die Häftlinge mussten dort Teile für die V2 Rakete herstellen. Achttausend Häftlinge starben dabei. Die Stollen waren untereinander mit einem Schienensystem verbunden. Viele Zugänge wurden nach dem Krieg zugemauert, aber die Blasmusiker konnten mir genau erklären welcher Stollen durch ein kleines Loch erreichbar war. Der Stollen war nur einen Kilometer entfernt und ich machte mich gleich auf den Weg. Es regnete in Strömen und vor den Stolleneingängen befanden sich grosse Regenpfützen. Da hats mich dann auch voll hingehauen. Ich war bis zu den Knien patschnass. Das Blitzgerät meiner teuren Canon hab ich auch noch verloren, was ich aber erst im Hotel bemerkte. Im Stollen war es stockdunkel und ich hatte nur mein Feuerzeug als Lichtquelle. Ich ging vorsichtig etwa hundert Meter hinein. Das war eigentlich sehr gefährlich, da am Boden bereits Trümmer der Decke lagen. Ich sah viele verrostete Eisenteile und zerschlagene kleine Holzbauten. Heute befindet sich in einem der Stollen die öffentliche Gedenkstädte und das Museum. Es werden auch Führungen angeboten und der Friedhof der ehemaligen Häftlinge ist mit aufschlussreichen Tafeln ausgestattet worden.   

Für mich wurde es dann schnell zu schaurig im Stollen und ich bin fluchtartig in mein Hotel zurück gekehrt. Inzwischen war es Abend und ich hatte einen gerechten Hunger. Das Hotel war vornehm und schick. Ich legte die Schuhe in meinem Zimmer zum trocknen auf die Heizung und ging hinunter in den Speisesaal. Da herrschte ganz vornehme Stimmung. Die Menschen unterhielten sich flüsternd bei Kerzenlicht an ihren Tischen und ich schlich in meinen nassen Socken hinein. Die sehr nette Servierdame fragte mich gleich etwas dümmlich: "Wie viele Personen sind sie denn?" und schielte dabei auf meine nassen Socken. Im Zimmer, kann ich mich noch gut erinnern, konnte ich lang nicht einschlafen, weil die im Zimmer nebenan so laut lieb gemacht haben.

Am nächsten Tag fuhr ich weiter zum Schloss Hartheim. Das Schloss des Grauens. Hier war eine der grössten Euthanasieanstalten der Nazis. In diesem kleinen, schmucken Renaissanceschloss wurden 30 000 Menschen mit Behinderung ermordet. Später kamen auch noch 12 000 KZ Häftlinge dazu. In diesem Höllenschloss waren die Gaskammern und das Krematorium 5 Jahre in Betrieb. Nach dem Krieg wurde schnellstens ein Waisenhaus eingerichtet und viele Jahre lang tat man so als wäre da nichts gewesen. Als ich es anschaute wohnten Menschen aus Osteuropa darin. Über dem Schlossinnenhof hingen an aufgespannten Seilen Kleider zum trocknen. 1940 wurden die armen Menschen in verdunkelten Bussen angekarrt. Man baute eine kleine Scheune direkt an die Schlossmauer. Hier fuhren die Busse hinein, das Scheunentor wurde geschlossen und niemand konnte sehen, dass da Menschen ausgestiegen sind, die niemals zurückkehrten. Ich fotografierte die Fundamente dieser Scheune im Gras, die noch immer versteckt zu sehen waren. Vor der Vergasung wurde man untersucht und sah der Arzt Goldzähne wurde einem ein Z auf den Rücken gemalt. So musste nach der Vergasung nicht mehr jedem in den Mund geschaut werden um die Goldzähne rauszubrechen.Nachher wurde die Leiche im Krematoriumsofen verbrannt. In den zwei Brennkammern konnte man acht Menschen gleichzeitig verbrennen. Weniger als 12 Personen ermordeten hier diese unvorstellbare Zahl an Menschen. Am Abend spielte der Chefarzt gern Querflöte und es wurde gefeiert. Das gesamte Schloss wurde im Winter mit der heissen Abluft des Krematoriums geheizt. Photos auf denen die Mörder die 10 Tausendste Vergasung feiern, kann man im heutigen Museum ansehen. Im Schloss selbst war damals, so um 1985, nur eine Gedenktafel angebracht. Heute ein wirklich grossartige Gedenkstädte, selbst die Scheune wurde aus Glas wieder aufgebaut. Sehr eindrücklich. Ich nächtigte in Alkoven, dem Dorf nebenan und sprach im Restaurant am Stammtisch einige ältere Herren an. Aber die reagierten sehr harsch und wollten keineswegs über ihr Nachbarschloss sprechen. Ich persönlich hatte auch genug Schlimmes gesehen und fuhr am nächsten Tag wieder zurück in die Schweiz.

Reisen
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41.  Reisen

Ich fuhr alleine im Geschäftsauto nach England. Ich durfte in der Schweiz die Tankkarte meines Bruders benutzen und so füllte ich den Tank ein letztes Mal an der Schweizergrenze. Für Notfälle hatte ich auch meinen 5 Liter Kanister hinten im kleinen Opel Kombi. Manchmal schlief ich auch hinten im Kombi. Das war aber unangenehm, weil dabei die Füsse hinten rausschauten. Ich suchte immer Pensionen und Herbergen die mir optisch gefielen. In den Herbergen waren das meist Privatfamilien die einem bewirtschafteten. Immer waren die Zimmer in diesen schönen Häusern preiswert, aber man erwartete von einem, das Nachtessen auch bei ihnen einzunehmen. Das war niemals schlecht, sondern ein mit Liebe gekochter kleiner Dreigänger. Das wusste ich nicht und ich suchte stets ein anderes Restaurant um das Nachtessen einzunehmen. Bis mich dann die Besitzerin einer Herberge so richtig zusammengefaltet hat. Von da an ass ich immer auch in der Herberge in der ich nächtigte. 

Damals las ich viel über Elfen, Kobolde, Steinkreise und solche Sachen. Ich glaubte alles.

Ich hab mir auch in Frankreich solche Steinmonumente angesehen. Obelix hat da seine Hinkelsteine hingesetzt. Interessante Geschichten, aber eher langweilig anzuschauen. Die Steine haben nicht zu mir gesprochen. Viel schöner waren all die Schlösser entlang der Loire. Ich fotografierte auch eine Menge halbzerfallener Schlösser und Gutshäuser. Einmal lief ich auf den ummauerten Hof eines etwas dem Zerfall ausgesetzten Gutshauses. Da kam ein kleiner, runzliger Mann rausgesprungen und quasselte mich unaufhörlich mit seinem unverständlichen Französisch voll. Mein Wortkabular beschränkte sich auf: -Oui oder No!- Und auch das nur mit Händen. Er bot mich hinein. Es war eher ein Schloss als ein Bauernhof. Er zeigte mir die alten Betten mit Baldachinen und den Kaminofen. Es hatte auch einen ausgetrockneten Schlossgraben, den ich von oben, aus der Küche fotografierte. In der Küche tranken wir dann zusammen einen halben Liter Rotwein aus einer steinalten Karaffe. Er erzählte mir sicherlich sehr interessante Geschichten. Leider hab ich nichts davon verstanden. 

Irgend in einem Provinznest blieb ich an einem schweren Alkoholiker hängen. Er lud mich ein, bei ihm zu Hause nächtigen zu können. Er hatte komplett den Narren an mir gefressen und ich wollte dann auf dem bequemen Dreiersofa in der Stube nächtigen. Er schlief in seinem Zimmer und plötzlich kam seine Mutter reingestürmt. Sie schrie rum, und ich verstand auch hier nix. Nur dass der Typ sich ständig entschuldigte. Ich wusste ja nicht einmal das seine Mutter in der selben Wohnung nächtigte. Ich habe mich sehr erschrocken und bin so schnell es ging abgehauen. Der doch inzwischen sehr angeschlagene Trinker rief mir noch ein paar Sachen hinterher, die ich dann glücklicherweise nicht verstanden hab. In Calais fuhr ich mit der Fähre rüber nach England. In einem kleinen Saal lief "Robocop" auf der Leinwand und eine Handvoll unverdrossen, trinkende Engländer lehnten an den Wänden und schütteten billiges Bier in sich hinein. In England, ich glaube ich landete in Dover, war ordentlich was los auf den Strassen. Man flanierte den Quai entlang, es gab ein Riesenrad und sehr viele Vergnügungsangebote. Ich wurde auch auf eine Privatparty eingeladen, ging da aber nicht hin. Ich hatte immer noch einen gewaltigen Hangover, vom letzten Rausch. Überhaupt wollte ich seriös Leben auf dieser Reise, und wie schon mein halbes Leben lang, mit dem Zigarettenrauchen aufhören. Dazu rauchte ich einfach den ganzen Tag, grosse, fette kubanische Zigarren.

Diese englischen Bed and Breakfast Cottages sind fast noch schöner als diejenigen von Frankreich. Während in Frankreich das Frühstück eher erbärmlich ausfiel und die Hauptmahlzeiten vom feinsten waren, war es in England genau umgekehrt. Ich lernte schnell, viel und spät das Frühstück einzunehmen. Das Essen war grauslig und wirklich, Pfefferminzsauce gab es überall. Sie schmeckte aber eher nach Hustensirup. Ich ass viel Fish and Chips. Das passte immer und schwamm ordentlich im Fett. Die Menschen waren sehr nett. Oft wurde einem am Morgen, mit Liebe, eine Kanne frischer Tee an die Zimmertür gestellt. Lange bevor dem Frühstück. Die Engländer haben eine alte Teekultur und gefühlte 150 Sorten Konfitüre. Bis man aber eine findet, ohne bittere Orangensplitter oder Pfefferminz darin, sind die Ferien leider vorbei. Das Megalithen Bauwerk von Stonehenge war eher eine Entäuschung. Man durfte überhaupt nicht nah ran. Die vielen Schlösser und Burgen aber waren alle eine Freude anzuschauen. Ein Schloss besass sogar einen riesigen privaten Safaripark. Da konnte man im Auto sitzend durchfahren und den Löwen zuwinken. Die Affen sassen auf meiner Motorhaube und ein unverschämter Kerl hat mir voll zwischen Haube und Frontscheibe reingekackt. Ich putzte alles an einer Tankstelle. Für zehn Tage aber blieb ein leichtes Dschungelaroma im Wageninnern. Ich schaute mir auch viele schöne Gärten und ein gewaltiges Heckenlabyrinth an, dass zu einem riesigen Schloss gehörte. Ohne die Hinweise an einigen Tafeln wäre man da locker zwei Stunden umhergeirrt und hätte den Ausgang nicht mehr gefunden. In Salisbury nächtigte ich in einem zentral gelegenen B&B. Das war ein schmuckes Häuschen in dem die Familie einfach ein Zimmer für die Nacht vermietete. Es war noch hell und ich lag bereits im Bett. Ich zündete mir eine grosse Havannazigarre an. Ich war schon sehr entspannt als die Besitzer plötzlich hektisch an meine Tür polterten. Der Feueralarm war scheinbar ausgebrochen, aber ich hatte gar nichts mitbekommen. Irgendwie haben sie mir nicht zugetraut solche Churchillzigarren zu rauchen. Als sie mich sahen mussten sie laut lachen. Ich auch. Draussen beim weiter rauchen in der Kälte, dann weniger. 

Ich suchte nach Elfen, Geistern, Goblins und all diesen Wesen, die sich irgendwo in den Zwischenwelten aufhielten. Dazu schlief ich im Dartmoor in der englischen Grafschaft Devon. Hier sollte es auch noch die letzten Einhörner geben. Ich kam spät am Abends an, schlief im Auto und meine Füsse ragten hintenraus. Mitten in der Nacht hörte ich plötzlich komische Geräusche. Wie immer ohne Taschenlampe unterwegs, zog ich blitzartig die Beine an und verharrte im Auto. Dann hörte ich ständig so etwas wie Husten und Gurgeln. Der "Dämonenkiller" Effekt hatte mich voll erwischt. Opfere was, dachte ich mir und legte drei schweineteure Zigarren hinter dem Auto auf den Boden. Ich blieb wach bis es hell wurde. Die Zigarren waren nun vom Tau patschnass geworden und nicht mehr brauchbar. Dafür sah ich die vielen Pferde, etwa hundert Meter entfernt. Eines musste husten als es mich sah. Genau dieses teuflische Husten das mich um den Schlaf gebracht hat. Einmal war ich noch mutiger, ich schlief auf einem alten Friedhof. Zwei Meter neben den Grabsteinen, auf dem Gras, im Schlafsack. 60 Minuten hab ich das probiert, voll angespannt, ohne Schlaf zu finden. Danach suchte ich ein sicheres Dach über dem Kopf. In einem wunderschönen Cottage hatte ich die Ehre, vor dem riesigen, angefeuerten Kamin, mit dem Besitzer zu plaudern. Alles war unglaublich heimelig eingerichtet. Es war einmalig. Er rauchte eine Pfeife, ich Zigarre und er erzählte mir alte Geschichten, vom Adel und von blutigen Schlachten. Um ehrlich zu bleiben, ob er mir wirklich vom Adel und seinen Schlachten erzählt hat, kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Aber es klingt natürlich besser, als wenn er von den Sonderaktionen im hiesigen Supermarkt erzählt hätte. Verstanden habe ich trotzdem fast nichts. Engländer können einen Akzent haben der sich gewaschen hat. Es war trotz Sprachbarrieren, mitunter einer schönsten Abende die ich in England erlebt habe. In England musste auch mein Schutzengel Einsatz zeigen. Bei uns herrscht ja Rechtsverkehr, aber bis das verständlich auf der Insel angekommen war, war er bereits links. Engländer fahren mit einer unvorstellbaren Konsequenz auf der falschen Strassenseite. Daran muss man sich erst gewöhnen. Einmal wurde ich zum Glück schon beim Rausfahren aus einem Parkplatz darauf aufmerksam gemacht. An einem anderen Abend aber fuhr ich den ganzen Weg zurück ins Cottage auf der falschen Strassenseite. Schön zügig, in bester Laune nach dem Steak mit Pfefferminzsauce. Nach einer Kurfe rauschte plötzlich ein Auto auf meiner Spur entgegen. Das ging unglaublich schnell. Genau in diesem Moment, und das ist das Wunder, tat sich auf meiner Seite eine Art kleine Ausweichstelle auf. Weder der Gegenverkehr noch ich konnten bremsen, so knapp war das. Ich konnte also eine Vollbremsung rechts ins Gelände machen, was noch fünfzig Meter vorher, wegen den Bäumen nicht möglich gewesen wäre. Da hatte ich unglaubliches Glück. Sicher fünf Minuten blieb ich sitzen. Blitzartig nüchtern geworden durch das Adrenalin. Ich habe viel Glück im Leben gehabt, darum versuche ich dankbar zu sein. Ein paar mal ging ich auch joggen in England. Dazu ist es ideal, weil es eher flach und hügelig ist. Beim Nachhause fahren in Frankreich schaute ich mir noch die Schlachtfelder von Verdun aus dem ersten Weltkrieg an. Im Hotel fand ich ein fantastisches, altes Buch über die Schlacht.

Das studierte ich genau. Diese unzähligen Krater der Bomben, die Original Schützengräben in denen noch Helme liegen. Es gibt da Militärfriedhöfe mit weissen Kreuzen, so gross das es einem die Sprache verschlägt.

Portugal
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42.  Portugal

 

Mit meinem Bruder Franky buchte ich zwei Wochen Ferien in Albufeira. Sehr schön in der portugiesischen Algarve gelegen. Eine Last-Minute Reise mit Flug. Wir hatten Glück und bekamen ein drei Zimmer Studio, zuoberst in einem 4 Sterne Hotel. Unser Balkon war wie eine grosse Terrasse mit Sicht aufs Meer. Schwimmen waren wir nie. Wir waren in totaler Partystimmung. Einmal am Tag gingen wir fein Essen. Diese schwarzen Miesmuscheln, frisch und nicht aufgetaut, mit Knoblauch in einem grossen Topf serviert, konnten wir Kiloweise verdrücken. Auch spätabends noch. Der Weg zu den Restaurants war ein Spiessrutenlaufen. Zu viele Verkaufsläden mit Verkäufern die einem ansprachen säumten den Weg zum Meer. Das waren Menschenkenner vom feinsten und konnten Kitsch als Kulturgut verkaufen. Frank hat danach eine tolle Taucherbrille gekauft. Wir hatten beim Nachhauseflug auch Portugal T-Shirts für Jahre im Gepäck! Wir lernten verrückte Portugiesen kennen, die uns zu sich nach Hause einluden. Vorher haben wir Vodka und Gin getrunken. In der Bar gab es einen Münzautomaten, um die eigenen Promille zu messen. Man warf eine Münze ein, zog einen Strohhalm und blies hinein. Da hatte ich weit über drei Promille. Niemals, wenn wir uns in dieser Bar befanden, lagen wir unter zwei Promille. Oft, bevor wir ins Hotel zurückkehrten, sassen wir da drin, bei einem Absacker oder Expresso. Diese zwei Portugiesen hatten auch Pulver dabei, dass wir schnupften. Es war kein Kokain, welches ja eher kurz wirkt. Wir waren zwei Nächte ohne Schlaf und fast drei Tage auf Speed von dem Zeug. Nach der ersten durchzechten Nacht gingen wir zum Frühstück, tranken aber eine Flasche Rotwein, da das Hungergefühl komplett weg war. Den Tag verbrachten wir am Pool oder am Pingpong spielen. Gegen Abend fanden wir uns fit genug für den Chinesen. Das hübsche, kleine Chinarestaurant befand sich im obersten Stock eines modernen Hauses und besass eine grosse Veranda. Der sehr freundliche Kellner wies uns einen Tisch am Rande der Terrasse zu. Wir wollten richtig reinhauen und der Kellner empfahl uns dazu das "7 Schätze Menu." Sieben Gänge quer durch China. Wir dachten wirklich wir hätten Appetit. Der Kellner bejubelte die Wungtang Suppe wie ein Kunstwerk. Aber wir konnten überhaupt nichts Essen. Unmöglich. Das Gift war noch in unseren Körpern und man hätte sich eher vorher übergeben als etwas schlucken zu können. Wir wollten den grossartigen Kellner aber auf keinen Fall enttäuschen. Wir waren, weil wir meistens sehr früh da waren, alleine auf der Terrasse. Der Kellner verzog sich immer nach dem Einsetzten eines Ganges ins innere des Restaurants zurück. Also flog jeder Gang über die Böschung, zwei Stöcke tiefer ins Gebüsch. Strassenkatzen warteten schon unten. Wir sagten schön brav, dass jeder Gang besser als der vorherige war. Zum Kaffee hatte Franky die grandiose Idee einen "Cointreau" dazu zu bestellen. (Orangenschalenlikör.) Der Kellner verstand uns sehr schlecht und Frank musste oft "Cointreau" sagen, was scheinbar wie "Quatro" für den Kellner klang. Am Schluss servierte er jedem vier Stück "Cointreau!" So gelacht wie in diesem Moment, haben wir die ganzen Ferien nicht mehr.  

Wir liessen uns T.Shirts anfertigen auf denen Franky und ich als Lady Diana und Prinz Charles abgebildet waren. Das berühmte Hochzeitsfoto. Ich, als Diana hatte eine dicke Zigarre im Mund und Frank einen Joint. Auch der Verkäufer musste Tränen lachen, so grausam sah das aus. Wir behielten die Shirts gleich an und es war ein echtes Gaudi.

Mexico
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43.  Mexico

 

Mit Frank flog ich nach Mexico in die Sommerferien. Wir beide hatten uns schon vorher gut bei Dr.Bucher mit Medikamenten eingedeckt. Gegen Flugangst, Schlaflosigkeit, Depressionen und Vitaminmangel. Unser Koffer war dem, welcher im Film "Fear and Laughing in Las Vegas" vorkommt, sehr ähnlich. Alles mit Rezept. Im Flug nach Mexico schluckten wir, wie immer bei langen Flügen, Schlaftabletten. Wahrscheinlich hatte ich auch noch Valium geschluckt, auf jeden Fall bin ich aus tiefem Schlaf erwacht und musste sehr dringend auf die Toilette. Ich konnte wirklich nicht mehr stehen und bin auf allen vieren quer durch den Jumbo Jet gekrochen. Die Stewardess hat mich schon etwas komisch angeschaut. Frank lachte sich zu Tode und bis heute erzählt er mir diese Geschichte. Zum Beispiel an Weihnachten, nachdem ich meinem 12 jährigen Neffen stolz von meinen vielen Reisen erzählt hatte! Franks Humor ist Legende! Wir haben auch nie gestritten. In diesen Ferien wollte Frank reines Koks kaufen. Er brauchte aber die ganzen Ferien dazu um rauszufinden wo es welches, reines zu kaufen gibt. Er verzockte ein paarmal mehrere hundert Franken für echtes Waschpulver. Am letzten Abend wussten wir, wo es zu kaufen war. Bei den Souvenir und Ponchohändlern. Da war es rein und billig, aber wir hatten keinen Rappen mehr im Beutel. Wir waren in Yucatan. Hier flogen viele Amerikaner hin um Ferien zu machen. Die Discotheken haben uns das Geld aus der Tasche gezogen. An der Promenade befanden sich Dutzende von Restaurants und die Kellner wollten einem reinlocken. Das taten sie, indem sie, manchmal sogar mit Megaphon, lauthals die Vorzüge ihrer Kneipe anpriesen. Sie standen etwas erhöht, auf einer Kiste vor dem Restaurant, und zogen eine kleine Show ab. Ein Desperado mit viel zu grossem Sombrero, hatte es geschafft uns in seine Kneipe reinzuziehen.

Es war auch ein DJ im Patio, im geschlossenen Innenhof, der Musik nur vom feinsten abspielte. Eine kleine Lichtshow war auch vorhanden. Der Wirt war sofort unser Companero und genau so versoffen wie der Kellner und wir zwei. Auch der DJ trank Tequila mit uns. Jeder legte selbst seine Lieblingsmusik auf, und alle anderen feierten es. Bis es hell wurde tranken und tanzten wir. Nur diese drei Vollblutmexikaner und wir zwei Spinner hatten eine grossartige mexikanische Fiesta. 

Zum Nachtessen gingen wir fast zwei Wochen lang ins selbe Restaurant. Wir bestellten immer dieselbe Hausspezialität. Auf einem Holzbrett brannte eine Flamme und oben hing ein Fleischspiess mit Fleisch, dass sehr gut schmeckte. Dazu gabs diese leckeren ganzen Kartoffeln gefüllt mit Sauce. Wir haben auch eine Handvoll tolle Ausflüge gebucht. In der Empfangshalle unseres Hotels stand jeden Tag ein kleiner Mexikaner hinter seinem Verkaufsstand. Und immer wollte er uns die besten Ausflüge verkaufen. Er tat uns leid, weil er echt nichts verkaufte. Unser Hotel war eher schwach belegt. Er freute sich jeweils riesig über jede Buchung und war dann den Rest des Tages verschwunden. Wir schauten uns die Pyramiden an und an einem anderen Tag wurden wir mit einem fast leeren Bus an eine wunderbare Beach gefahren. Unter den Sonnenschirmen haben wir lecker Fruchtcocktails getrunken und Jack Vance Romane gelesen. Wenn man ins Wasser tauchte sah man sofort hunderte Fische in allen Farben und Formen. Der schönste Ausflug war zu einem Höhlensystem das von kleinen Flüssen durchflutet wurde. Man zog eine Schwimmweste an und wurde dann automatisch durch die Höhlen getrieben. Die Luft war kühl und das Wasser lauwarm. 

Ich wollte keinesfalls von Mexiko zurückkehren ohne Sex gehabt zu haben. Am Strich fand ich, nach langem Suchen, eine sehr alte Dame, der ich dann zu Fuss folgen musste. Ich denke, es waren ehemalige Pferdeställe, zu denen sie mich hinführte. An einem langen, alten, verwahrlosten Gebäude waren etwa acht Türen, auf derselben Seite angeordnet. Dann gingen wir in eines dieser "Zimmer". Vor der Türe sassen zwei alte Mexikaner die gratis spannen und zuschauen wollten. Ich bat die Sexarbeiterin, sie fortzuschicken. Sie rief ihnen, in etwa, zu: "Caramba! Andale. Andale!!" Die sind dann flink wie die Wiesel abgehauen. Das Zimmer sah aus wie ein leerer Folterschlag aus den "SAW" Filmen. Eine völlig verdreckte Matratze lag direkt auf dem nassen Boden. Als Einrichtung stand nur ein verrostetes Fass in der Ecke, mit stinkendem Wasser gefüllt. Da konnte ich unmöglich Liebe produzieren. Ich zahlte aber das wenige Geld, dass sie dafür wollte.

Am Tag schliefen wir meistens und trollten dann am späten Nachmittag zum Strand. Die starken Schlaftabletten noch in den Gliedern, bestellte ich mir einen Hamburger an der Beach Bar. Während dem Essen bin ich Eingeschlafen und der Kopf klatschte voll auf den Teller mit dem Hamburger und Pommes. Frank erzählte mir später, das ich noch mindestens vier Stunden am Strand, wie im Koma, geschlafen hatte. Diese Geschichte erzählt er mir gerne, bis heute, immer wieder. Vor allem an Weihnachten, nachdem ich meinem 12 jährigen Neffen von der hochstehenden Esskultur der indigenen Völker aus Mexiko erzählt hatte.

Kleine Reisen und Ausflüge
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44.  Kleine Reisen und Ausflüge

 

Ich fuhr nach Sils Maria in der Nähe von St. Moritz. Das Friedrich Nietzsche Museum wollte ich mir unbedingt anschauen. Nietzsche half mir oft mit seinen Schriften. Sie befreien einem, vor allzu viel schlechten Gewissen. Wer den Geist sucht, hat keinen!, sagte Nietzsche. Ich fühlte mich nicht betroffen. 

Man kann im Nietzsche Haus die kleine Kammer anschauen in der er seine Meisterwerke geschrieben hat. Er spazierte oft zur Halbinsel hinaus, im idyllischen Silsersee. Das machte ich auch. Am äussersten Ende der Halbinsel steht ein Gedenkstein mit einem Zitat von Nietzsche, das keiner versteht. Ich fragte auch die freundliche Servierdame im Hotel, über die Bedeutung, auch sie konnte mir keine schlüssige Antwort geben. In St. Moritz träumte ich davon, eine reiche alte Dame mit Nerz und Pudel kennenzulernen. Ich konnte mich in eine dieser exklusiven Hotelbars reinschleichen. Ohne Anzug und in Jeans. Bei Feierabend sass nur noch Herr Wermelinger neben mir an der Bar. Sehr warm und sehr reich. Leider auch total unsympathisch und ich zog wieder von dannen. 

 

Ich fuhr nach Zermatt. Zermatt ist Autofrei und man erreicht das letzte Stück nur mit der Bahn. Das war über die Feiertage an Weihnachten. Da hatte ich mehr Erfolg. In einem Dancing tanzte ich gegen morgen, eng umschlungen mit einer älteren, gut situierten, einsamen Dame. Keine Ahnung was mich da geritten hat. Ja, innerer Wert ist gut, aber sie war so was von hässlich. Ihr Mundgeruch war so stark, dass er einem die Röte ins Gesicht trieb!  Wir verabredeten uns auf den nächsten Morgen, auf Sichtkontakt des Hotels. Ab 9.00 Uhr schaute ich versteckt, aus dem Hotelzimmer zum Vorplatz raus und hoffte das die Frau nicht erschien. Sie kam auch nicht. Sie hatte am Vorabend noch den grösseren Rausch als ich gehabt. Oder ich hatte den noch grösseren Mundgeruch. 

 

Ich sah mir auch das Märchenschloss Neuschwanstein in Bayern an. Da ist man erstaunt wie wenig König Ludwig, im Schloss selbst, vollenden konnte. Man läuft durch einen Schlauch, und Schwupps ist man wieder draussen. Aufgefallen ist mir damals die schiere Agression von Menschen die gebrochenes Deutsch sprachen. Einer zeigte mir gleich sein Messer, nur weil ich, seiner Meinung blöd geguckt hab. Solch Elend hab ich auf diesem Kurztrip gleich zweimal erlebt. Das kannte ich nicht aus Rotkreuz. Niemand trug ein Messer. In Rotkreuz hatten wir in frühen Neunzigern eine Handvoll junge Serben, angeführt von einem Stier von Menschen ohne Hirn. Drei, vier gleichgesinnte Idioten umkreisten ihn ständig. Dieser Serbe zeigte sich nie bei uns im Bahnhofbuffet, sondern schlich mit seiner Bande spätabends im Dorf rum. Einmal passte er einem unserer friedlichen Jungs ab, und klaute ihm den Hasch. Und einmal passte er Monika ab, machte sie an, konnte nicht bei ihr landen und schlug sie dann. Das war dann genug für uns. Mein Freund Nicki, Bruno der Bauer und Hörbi der Metzger schnappten sich ihn als er an einem späten Abend alleine unterwegs war. Sie lauerten ihm auf, packten ihn und zogen ihm sofort einen Sack über das Gesicht. Danach fuhren sie mit ihm in den nahen Sientalerwald. Da schlugen sie ihn dann zusammen. Sie hatten einen Strick dabei den sie über einen Baumast schwangen und ihm um den Hals legten. Auch eine Holzharrasse hatten sie dabei auf die er stehen musste. Da hat er dann in die Hose geschissen und ist völlig zusammengebrochen. Danach sah man ihn noch zweimal mit geschwollenem Gesicht im Dorf umher wandeln, dann war er weg und verschwunden aus Rotkreuz. Manche Menschen verstehen leider nur ihre eigene Sprache. Schläge sind nicht meine Sprache, aber zweimal kassierte ich brutale Knock-outs. Einmal war das an Sylvester in Emmen. Es war schweinekalt und etwa sieben Menschen standen frierend nach dem Tanzen, vor der einzigen Telefonkabine im freien. Alle wollten ein Taxi bestellen, um möglichst schnell nachhause zu kommen. In der Kabine war ein junger Albaner, der just in diesem Moment, seine 15 Minuten Ruhm einkassieren wollte. Er genoss  sichtlich die Aufmerksamkeit der wartenden Leute. Da öffnete ich die gläserne Türe und bat ihn doch höflich etwas vorwärts zu machen. Er winkte ab. Fünf Minuten später reklamierte ich nochmal. Da bekam ich einen Haken und war gleich bewusstlos. 

Das zweite Mal, als ich einen schönen Hacken kassierte, geschah auch an einem Sylvester. Wir feierten bei einem Freund, im Haus seiner Eltern. Das grosse Haus war sturmfrei und wir soffen wie die Esel. Ein Mädchen stand etwas abseits. Sie gefiel mir und ich sprach sie an. Ein Typ kam zu mir und sagte ich soll mich verziehen. Das tat ich, sprach das Mädchen aber später nochmals an. Jemand klopfte mir von hinten auf die Schulter, und Peng hatte ich eine krachende im Gesicht. Das war ein brutales Knock-out. Ich blutete wie Sau und der Typ war danach, genau wieder andere, schon längst abgehauen. Ich weinte, weil ich das sehr ungerecht fand, und ging nach Hause. Zuhause, als ich aus dem Fenster schaute, fiel mir ein Licht im Wald auf. Etwa drei Kilometer entfernt hatte ein Schäfer mit seiner Herde sein Lager aufgeschlagen. Das wusste ich, weil ich die Schafe beim Joggen am morgen gesehen habe. Ich dachte mir, der Schäfer ist sicher auch einsam und traurig. Ich zog mich warm an und lief zum Wald. Leider sprach der Schäfer kein Deutsch, aber er verstand mich zu hundert Prozent. Über dem grossen Feuer kochte er Reis. Es war nur Reis mit Sauce und ich ass mit ihm zusammen. Meine aufgeplatzte Lippe schmerzte sehr aber dieses Treffen tat mir dann sehr gut.  

 

Ich fuhr nach Interlaken, wollte mir auch diesen berühmten Wasserfall anschauen der in Dario Argentos Horrorfilm "Phenomena" zu sehen war. In Interlaken blieb ich an einem jungen Pärchen hängen, dass für mich völlig unerwartet, Heroin spritzte. In ihrer aufgeräumten Wohnung wollte ich das auch gleich probieren. Sie gaben mir nichts. Sprachen ehrlich auf mich ein. Da hatte ich Glück, wie auch an der Costa Brava. Da sagte man mir auch einmal, sehr vehement, das sei nichts für mich.  

 

Mit unserem damaligen Bassisten fuhr ich zwei Wochen nach Deutschland. Ich besass ein dickes Buch, einen Führer über alle Vergnügungsparks von Deutschland. Von denen wollten wir so viele als möglich anschauen. Wir schliefen oft einfach im Schlafsack, neben dem Auto im Wald. Da ging Jamie auf Horror und weckte mich. Jemand sei über ihn weggesprungen. Alkohol beruhigt und ich hab mich einfach weggedreht. Auch tranken wir mit einer Handvoll Deutschen "Berentzen" Liquor an einem Teich am Waldrand. Wir wollten beweisen das die Schweizer mehr saufen können als die Deutschen. Ich schwör bei den drei heiligen Königen, bis heute hab ich niemals mehr einen "Berentzen" getrunken. Der Zucker in diesem Zeug bringt einem um. Zwei Tage litten wir danach und kotzten uns völlig aus. Zum Glück fanden wir in der Notfallapotheke seines Autos noch ein paar Valium seiner Freundin.

 

Mit meinem Bruder Franky nahm ich die Fähre am Bodensee nach Deutschland. Für ein gediegenes Wochenende. Auch hier, kaum sassen wir in einer Disco ging die Scheisse los.

Kaum ging Franky auf die Toilette, kam so ein wahnsinniger zu mir und sagte meine verdammte Fresse passe ihm gar nicht. Wir sind dann sofort wieder gegangen. Wir haben auch ein paar Schlösser angeschaut und oft spielten dann Minensänger ihre mittelalterlichen Lieder. Die sind uns immer sehr auf den Sack gegangen. Frank hatte Methadon dabei und wir waren sowieso auf einem anderen Planet unterwegs. Das Zeug vertrug ich gar nicht. Ich glaubte in dieser Nacht echt ich müsse sterben, so übel war mir. Wir schliefen am Waldrand und am morgen musste ich mir die Seele aus dem Leib kotzen. Auf der Autobahn musste ich rechts ranfahren um nochmal zu kotzen. Methadon hab ich seither niemals mehr geschluckt. Franky blieb am Methadon hängen. Das war die richtige Entscheidung. Das Heroin der Strasse ist gestreckt und bringt einem langsam um.

 

Mit Jamie flog ich nach Mallorca. Nachsaison. Das hiess damals, dass jede einzelne Disco komplett leer war. In einer Bar lernte ich einen sehr interessanten Menschen kennen. Er war durch Geistheilung in der Schweiz zum Millionär geworden. Ich kannte mich aus und fragte ihn ob ich ihn in der Schweiz besuchen könne. Ich brauchte auch Heilung. Da war er sehr ehrlich und sagte in etwa: "Die Menschen die zu mir kommen heilen sich schlussendlich selbst. Da du das bereits weisst, würde das bei dir nicht mehr funktionieren." 

Jamie und ich gingen am letzten Abend lecker Paella essen. Wir tranken zwei Flaschen schweren spanischen Rotwein dazu. Die Rechnung betrug ernüchternde 250.- Franken, aber das Essen war sehr fein. Wir assen mitten in der Altstadt und zogen danach auf den Hauptplatz, von dem spanische Musik erklang. Es war ein grosses Volksfest im Gange. Auf einer sicher zwei Meter grossen Pfanne wurde Paella gekocht. Für alle gratis. Jamie holte davon noch ein wenig. Sie schmeckte besser als die im Restaurant kurz zuvor..

Amerika
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45.  Amerika

Mit meinen Brüdern und meinem Vater flog ich nach Amerika. Im Flugzeug konnte man Zigarren rauchen und jeder Sitzplatz besass einen eigenen Aschenbecher. Drüben mieteten wir ein Auto und schauten uns viele Nationalparks an. Diese sind oft so gross, dass man drei verschiedene Touren durch den Park fahren kann. Da fahren dann die Autos hintereinander, in der Schlange, durch den Park. Die Spinnen die Amerikaner! Der Amerikaner liebt Smalltalk in einer Weise, die bei uns weniger bekannt ist. Viele Menschen wollen wissen wo man herkommt. Aus Schweden, natürlich. Der durchschnittliche Amerikaner kann Schweden und die Schweiz nicht unterscheiden. Besser sie sagen gleich Schweden. Ich war oft in Amerika. Ich mag ihre Art. Die Texaner mit ihren Cowboy Hüten und die stolzen Polizisten. Jeder fragt dich: "How are you?" und freut sich über eine Antwort, wenn sie kurzgehalten ist.

Das Land ist riesengross und meist unverbaut. Die Strassen führen hunderte Kilometer immer geradeaus, die Landschaft wechselt die Farben und die Hügel und Berge ihre Strukturen. Es gibt nichts schöneres als ausserhalb der Millionenstädte, in Amerika mit dem Auto unterwegs zu sein. Hier fährt man einsam und nicht wie in der Schweiz, kaum ins Auto gestiegen schon hängt einem einer an der hinteren Stosstange. Wenn dir in den U.S.A. jemand am Heck klebt, und zwar mitten beim Durchfahren einer 300 Kilometerlangen Wüste, weisst du, dass du nicht mehr lange zu leben hast. 

Vom richtigen Amerikanischen Radiosender eingelullt gegen den Sonnenuntergang fahren.

Zudem fahren die Amerikaner unglaublich gesittet Auto. Langsam zwar, sagt man, aber mir gefällt das. Wir schauten uns verlassene Gold und Silbergräberstätten an. Im Vergnügungspark "Universal Studios" drehten wir ohne meinen Vater ein Video. Das kostete ein Heidengeld. In einem Tonstudio mussten wir zuerst den Text zum Lied unserer Wahl einsingen. Wir wählten von Madonna "Like a Virgin" und von Bruce Springsteen  "Born in the U.S.A." Danach konnten wir auf einer Bühne, auf der die Instrumente bereit standen, improvisieren. Ich setzte mich ans Schlagzeug. Unser vorher aufgenommener Song lief laut über die Lautsprecher und wir imitierten wirklich auf den Instrumenten zu spielen. Das war ne grosse Show und die Toningenieure an der Kasse fragten uns danach freundlich wo wir herkamen. Schade, dass dieses Video in der Schweiz nicht lief, auf herkömmlichen Videorecordern. Anderes System. In Las Vegas waren wir leider viel zu kurz, aber bis heute ist das meine Lieblingsstadt. Da habe ich viel verrückte Sachen erlebt und werde alles in einem nächsten Kapitel zusammenfassen. In Vegas kaufte ich mir Schockfeuerzeuge und Schockkugelschreiber. Ich kaufte auch ein Teil, dass man in der Hand verbarg. Beim Händeschütteln löste es dann einen sehr effizienten Schock aus. Am Flughafen haben mich bei der Handgepäckkontrolle drei Schwarze Menschen gefilzt.   Diese drei verrückten Typen, die bestimmt für einen Hungerlohn arbeiten mussten, waren also in bester Laune und nannten mich Bro. Ich warnte sie gleich: "Achtung Schockfeuerzeuge!" Das wollten sie gleich austesten und jeder drückte mindestens einmal auf das Feuerzeug. Da haben wir alle so gelacht und als sie auch noch den Schockkugelschreiber austesteten gab es kein Halten mehr. Ein grossartiger Moment, der mir in Erinnerung blieb. (Zuerst befürchtete ich ja, ich würde wegen Waffenbesitz verhaftet werden.) Heute kann man solche starken Spielzeugschocker gar nicht mehr kaufen. Freiwillig habe ich nur einmal auf den Auslöser gedrückt und musste danach die Unterhose wechseln. 

In Rotkreuz lehnte ich den 125er Yamaha eines Kollegen aus. Hinter dem Bahnhofbuffet, auf dem Kies, benutzte ich die Vorderbremse und flog voll hin. Blinker abgebrochen. Mutter bezahlte die Rechnung.

Tim, auch einer unserer Bande, lud mich und Hösi zu einer Veranstaltung auf dem Bürgenstock ein. Gratis Mittagessen und Vorführung von "Diamond Collection." Eine Bande von Verbrechern. Man sollte für 2500.- Waren kaufen und sie dann Privat weiterverkaufen. Alles billiger Grümpel mit grossem Schein. Alle die da unterschrieben haben, verdienten später eigentlich nur noch Geld, indem sie jemanden zu genau so einer Veranstaltung lockten, und derjenige dann einen Vertrag Unterschrieb. Das war alles extrem amerikanisch inszeniert. In der vordersten Reihe sassen die komplett verkauften Seelen, schrien hysterisch ob ihrer gewaltigen Gewinne. Das Essen war Kartoffelstock mit zähem Braten.. Am Nachmittag war dann Parfum Vorführung. Mit Blitz und Donner und gewaltiger Lichtshow wurde dann das  Herren Eau de Toilette vorgeführt. Das Duftwasser hiess: ALABASTER.

Da konnten Hösli und ich uns nicht mehr halten und lachten laut drauflos. Je mehr Blödsinn vorne auf der Bühne erzählt wurde umso lauter lachten wir. Wir lachten Tränen und wurden gebeten den Raum zu verlassen. Wir fuhren dann gleich heim, ohne Diamond Collection.

Aus dem Amerikaurlaub hatte ich eine lebensgrosse blutende Hand aus Silikon mitgebracht. Die konnte man geschickt am Kofferraum des Autos anbringen und jeder dachte man hätte eine Leiche geladen. Das tat ich nur einen Tag. Am Abend rief die Polizei an und als ich erklärte, dass sei eine Hand aus Silikon und aus Las Vegas, lachte der Polizist, bat mich aber höflich das bitte in Zukunft zu unterlassen, denn mehrere Leute hätten bei der Polizei angerufen. Hätte ich da wirklich eine Leiche transportiert wäre ich sauber davongekommen!

Musik und Dampfdruckreiniger
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46.  Musik und Dampfdruckreiniger

Im kleinen Musikübungsraum in Hagendorn übten wir viel, hatten aber keinen Sänger und suchten auch zwischenzeitlich einen Bassisten. Wir suchten ständig irgendwas. Ein Serbe namens Drago kam zum Vorsingen. Er hatte eine grossartige Rockstimme, was man auch auf einer mitgebrachten Tonbandkassette gut hören konnte. Leider war er immer erkältet und seine Stimme war an diesem Tag nicht zu gebrauchen. Das war sie auch die nächsten zwei Jahre nie. Er hatte immer was. Am Schluss behauptete er, sein Arbeitgeber, ein grosser Chemiekonzern aus Basel, hätte ihn vergiftet. 

Einmal spielte ein Bassist vor, der war so unglaublich schnell auf seinem Instrument. Beim Zusammenspiel mit uns wurde schnell klar, dass er komplett aus einer anderen Liga war. Er erzählte von einer eigenen Band die er gründen wollte. An den Namen erinnere ich mich noch genau: Absorber. Leider hab ich nie etwas von einer Band mit diesem Namen gehört, aber er ist bestimmt, mit diesem Können, in einer anderen Band untergekommen. Oberhalb unseres Übungsraums hatte sich ein Vogelzüchter einquartiert, auf den wir wenig Rücksicht nahmen. Er kam oft schreiend zu uns und erzählte seine Vögel würden sterben, wegen unserem Scheisslärm. Hösi wollte einen grösseren Übungsraum und wir zogen nach Cham. Da konnte er endlich sein Wasserbett aufstellen. Das war der Anfang vom Ende unserer Rockband. Es war der Wurm drin ins unserer Kombo. Hösi war der einzige, welcher nicht arbeitete. Dazu verkaufte er völlig überteuerte Dampfdruckreiniger. Auch in Altersheimen. Später verkaufte er diesen Abschnitt seines Lebens als sinnlose Sinnsuche, aber in Wahrheit war er der einzige von uns, dem Moral völlig scheissegal war. Er machte auch alle Frauen an. Hatte man eine an der Angel, durfte man nicht zur Toilette gehen, denn dann war sie weg. Hösli, in seinen schneeweissen Handschuhen hatte ihr bereits den Rockstar verkauft, sie in den amerikanischen Buick geladen und im Wasserbett vernascht. Den Übungsraum nannte er sein eigenes Tonstudio. Bezahlt dafür haben aber wir alle.

Hösi meinte ich soll doch auch mal probieren Dampfdruckreiniger, Stück für 1800.- Franken zu verkaufen. Sein Lieferant mietete dafür im Cash & Carry einen Stand für fünf Tage. Am zweiten Abend hab ich mich ins Komma getrunken und bin nicht mehr am Stand erschienen. Ich konnte mich unmöglich vor die Menschen stellen, nicht wegen dem Gerät, vielmehr wegen mir selbst. Ich verkaufte gar nichts und für Hösi war ich zuunterst auf der Leiter angekommen. Dann eskalierte die Lage an einem Samstagabend. Ich wollte Videos gucken in unserem Luxusübungsraum und Bier trinken. Hösli war bereits mit seiner Freundin da. Er wohnte wie ich, noch bei seinen Eltern. Er wollte mit seiner Dame lieber allein sein und befand sich darum im Übungsraum. Er nannte mich einen Versager und ist  mir an den Hals gesprungen. Danach musste ich sehr weinen und war traurig. Bis heute habe ich keinen Kontakt mehr zu Hösi. Fünf Jahre später an der Klassenzusammenkunft, konnte er nicht anwesend sein und lies einen Brief vorlesen. Er sei Fotomodell und jedes Wochenende an einem anderen Ort der Erde. Ausserdem sei er Weltmeister im "Barfuss über glühende Kohlen gehen" und ohne Betäubung unterbunden worden. 

Ich gründete nun meine eigene Schlagzeugschule und mietete erneut den kleinen Raum in Hagedorn. Nach sieben Jahren bei meinem Bruder Alphons, als Lieferant und Lagerist, kündigte ich und versuchte mich mit Nebenjobs und dem Einkommen der Schlagzeugschule durchzuschlagen. Mein Vater meinte, in zwei Jahren sei ich wieder am normal arbeiten. Ich könne eh nur besoffen spielen und man hätte mich besser nach der Geburt das Scheisshaus runtergespült.

Schlagzeugschule
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47.  Schlagzeugschule

Zuerst liess ich kleine Plakate drucken, die ich überall im Kantong Zug aufhängte. Im damals noch jungen Radio Sunshine konnte ich preiswert eine lustige Werbung aufschalten. Die Schule war ein toller Erfolg. Zur besten Zeit hatte ich fünfzehn Schüler pro Woche. Sehr viele Frauen. Ich nahm nur Anfänger in mein "Programm." Leute, welche von Beginn an schon besser spielten als ich, übergab ich meinem Schlagzeuglehrer in Luzern. Nun standen zwei Schlagzeuge nebeneinander in meinem Übungsraum. Zum Aufwärmen spielte ich immer einen einfachen Rhythmus auf meinem Yamaha. Der Schüler konnte sich dazu auf dem anderen Drums austoben wie er wollte. Einige Frauen wollten eh nur das. Etwas Aggression ablassen. Das ist eine gute Sache. Nur bei sehr talentierten Schülern beharrte ich darauf, das Noten lesen zulernen. Ich hatte auch eine geschiedene junge Frau mit ihrem komplett verzogenen Jungen als Schüler. Er hatte durchaus Talent, spielte aber schnoddrig und wollte partout nicht nach Noten spielen. Da fehlte der Papa, aber den konnte ich nicht ersetzen. Ich wurde von seiner lieben Mutter zum Mittagessen eingeladen. Es ergab sich aber nichts tieferes daraus. Eine andere Frau arbeitete selbständig als energetische Masseurin. Sie schluckte immer diese homöopathischen Globulis, konnte aber trotzdem niemals aus sich heraus gehen. Sie streichelte eher die Felle anstelle draufzuschlagen.

Ein Hippie, der leider viel zu früh verstorben ist, kam mit seinem etwa zehnjährigen Sohn ins Lokal. Ihm hatte der Vater noch Schlagzeugstöcke geschnitzt, als er fünf war, damit er überall draufschlagen konnte. Er war so klein, konnte die Pedale fast nicht bedienen. Das war der talentierteste Schüler von allen die ich hatte. Innerhalb einem Jahr spielte er mir alle Lehrbücher vor und ich schickte ihn zu meinem tollen Lehrer, der ihm dann auch das Spiel mit Doppelpauken beibrachte. Danach ging er zur Musikhochschule und als ich ihn, siebzehnjährig, nochmal getroffen habe, konnte er bereits alles spielen. 

Ich unterrichtete auch einen Wirt, der konnte echt nur zweiverschiedene Rhythmen spielen. Die aber in verschiedenen Tempos! Er besass den unverschämten Mut, mit seinem Freund als Duo "Golden Boys" aufzutreten. 

Ich hatte auch zwei Schüler die lieber gleich sofort Bier mit mir saufen gingen. 

Ein toller Typ kam immer mit einem Sixpack japanischen Bieres zur ersten Unterrichtsstunde. Er fuhr ein schnelles Motorrad. Eine Yamaha 1100 Strassenmaschine. Er prallte immer damit, dass wenn er einmal rund um die Rigi fuhr, einen ganzen Reifensatz verschliess! Sicher nüchtern, das hätte er sonst nicht überlebt. Später kaufte er mein Yamaha Schlagzeug, als ich auf Elektrodrums umgestiegen musste. Im Haus nebenan übte eine andere Band. Die "Roaring Elks." Da gingen wir ein paar mal zuhören. Ihr Sänger war ein cooler Hund, stand mit einem Bier in der Hand da und sang alles völlig frei und gelöst. Ich hasste ihn dafür und war neidisch. Woher er diese Kraft hatte, konnte ich gar nicht nachvollziehen. Ich hatte ja auch tollen Gesangsunterricht genommen, konnte aber unmöglich vor Zuschauern funktionieren. Ich war mir noch nicht bewusst, wie innerlich zerrissen ich war. Ich quälte mich mit stundenlangen Joggingexzessen und hatte schon mal 20 Kilo Untergewicht. 

Nach einem mörderischen Alkoholrausch, von der Seebodenalp auf die Rigi zu Joggen, ist nicht gesund für den seelischen Ausgleich. 

Nebenjobs
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48.  Nebenjobs

 

Ich hatte eine Menge Nebenjobs in meinem Leben. In einer Metzgerei in Rotkreuz durfte ich frühmorgens das Fleisch mit einem kleinen Wagen ausliefern. Meistens Restaurants, Altersheime und wenige sehr wohlhabende Privatpersonen. Einem Restaurant in Küssnacht, in dem ich bis heute niemals Essen würde, brachte ich immer die Köpfe der Schweine. Die hat der Wirt in einer angrenzenden Scheune, neben dem Restaurant, selbst ausgekocht. Schon am ersten Tag verlangten die Metzger von mir ein Glas Blut zu trinken. Das schmeckte Scheisse, donnert aber mehr rein als ein Red Bull. Meiner Meinung nach mussten die Tiere damals sehr leiden. Ich hoffe dass das heute besser ist. Franky wohnte genau oberhalb der Schlachterei in einer kleinen Wohnung. An den drei Tagen an denen geschlachtet wurde, hörte er immer die Tiere elend schreien. Ich musste oft während der Arbeit durch die Schlachterei gehen. Später vermied ich das, wann immer es ging. Den Kälbern, draussen wartend, fielen fast die Augen aus den Höhlen vor Angst. Sie liessen auch alles andere fahren. Das konnte man nicht ertragen. Drinnen wurden blutende, tote Schweine an Hacken über noch lebende Tiere, die auf den Stromstoss warteten gezogen. Man konnte da niemals miteinander sprechen, so laut schrien die Schweine in ihrer Todesangst. Am meisten leid tat mir einmal ein Stier. Es handelte sich um ein riesiges, schönes Tier. Nur einer der Metzger traute sich den Stier am Nasenring in die Metzgerei zu führen. Er sprach im ruhig zu aber kurz vor der Türe roch der Stier wahrscheinlich das Blut und wurde aufmüpfig. Dazu hatte der Metzger ein Stahlrohr dabei, dass er dem Tier über den Kopf schmetterte. Nach drei Schlägen, bei denen man die Knochen knacken hörte, ging der Stier auf seine Knie. Dann erschoss er ihn blitzschnell mit dem Bolzengewehr. Die Metzger fluchten. Sie mussten jetzt, das fast tonnenschwere Tier,  mit blosser Muskelkraft in die kleine Metzgerhalle hineinziehen. Für mich war der Tag gelaufen. Das war wirklich nur noch traurig. Ich hoffe, Gross und Klein Metzgereien lösen das heute besser.

Eine seriöse Weinfirma
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49.  Eine seriöse Weinfirma

In Steinhausen gab es eine Weinfirma die später in einen grossen Weinskandal verwickelt wurde. Man fand Frostschutzmittel in den Weinen. Die Qualität war schlecht, überzuckert und ohne jegliche Herkunftsbezeichnung. Die Weine lebten alleine von ihrer bunten Etikette, den protzenden Namen, die Qualität und Güte versprachen und den dutzenden Hausierern, die in der gesamten Schweiz diesen Rammschwein verkauften. Die Hausierer hatten alle einen Koffer voll Wein dabei, füllten die Kunden mit Alkohol ab. Danach wollten sie schnell eine Unterschrift auf einem eiligst hervorgebrachten Kaufvertrag. Ab sofort bekam man jeden Monat mindestens eine Kiste Wein zugeschickt. Mindestens ein Jahr lang. Um diese Weine ausliefern zu können musste man sein eigenes Auto mitbringen. Mein ehemaliger Sekundarlehrer Meier stellte seinen Ford Transit mit Hochdach zur Verfügung. Pro Tag lieferte ich immer zwei Paletten mit 6er Weinkisten aus. Bis ins Welschland. Das war ein strenger Job, da man jede Adresse suchen musste. Im Schnitt waren das etwa dreissig Privatkunden. Handy oder Navigationshilfen gab es noch nicht. Für Städte wie Luzern bekam man ein grosses Kartonstück mit auf die Reise. Da war dann die jeweilige Karte raufgeklebt und die Strassen mit Nadeln markiert. So konnte man viel Zeit sparen. Vor allem Nachts war es schwer die Hausnummern zu finden, den ich war wie immer in meinem Leben ohne Taschenlampe unterwegs. Die reinste Hölle waren die Bauernhöfe ohne Nummern, im Berneroberland. Sie zu finden kostete mich oft sehr viel Zeit. Ich fluchte oft wie ein Pirat.

Ich hatte einen exzellenten Lohn und wurde pro ausgelieferte Flasche bezahlt. Mindestens aber immer 300.- pro Tag. Oft sah ich da traurige Sachen bei den Kunden und nahm sofort den Wein wieder zurück. Im Geschäft freute das niemandens und man wurde nicht bezahlt für unausgelieferte Flaschen. Die Verkäufer gingen über Leichen und hätten auch in der geschlossenen Abteilung einer Irrenanstalt noch ihren "Rosé dAmour" verkauft.

Einer unserer Chauffeure hat als erster eines dieser teuren Koffertelefone gekauft. Er konnte nun die Kunden anrufen und höflich fragen, warum sie unbedingt an einem so abgelegen Ort wohnen glauben zumüssen. Er war echt immer zwei Stunden früher fertig mit seiner Tour. Auf meiner Weintour kam ich an Olten vorbei. Da fielen mir die zwei, drei Sexshops an der Hauptstrasse auf. Ich wurde richtig scharf. Auf einer rausgestellten Reklametafel stand: Lebensechte Puppe für nur 50.- Franken.

Die holte ich mir, und hinten im Ford Transit, auf dem Friedhofparkplatz habe ich sie ordentlich rangenommen. Nein, das war noch nicht der Tiefpunkt in meinem Leben! Danach wollte ich die Puppe schnellst möglichst loswerden und suchte einen öffentlichen Papierkorb. Am Friedhofpapierkorb wollte ich sie nicht loswerden. Schliesslich konnte ich sie unauffällig beim Coop entsorgen. Beim Plastik. Das Geld hätte ich mir sparen können. Puppen sind eiskalt und zeigen keine Gefühle. 

Eine andere wirklich unglaubliche Geschichte erlebte ich in Sins. Damals staute sich der Verkehr bei Rotlicht, vor der alten, hölzernen Brücke über die Reuss. Ich sass im Ford Transit, genau halb auf den Gleisen der Eisenbahn. Rechts auf der Wiese gastierte der Zirkus Stey. Da ging die Schranke runter und knallte auf mein Dach. Da ist gleich leichte Panik ausgebrochen. Vom Zirkus sprangen ein paar Leute herzu und halfen die Schranke anzuheben, während mit Geschrei die Fahrer der hinteren Autos aufgefordert wurden, zurückzufahren. Es ging alles nochmal gut. 

In Sursee wollte ich mit meinem Hochdach tanken und fuhr zügig unter das Dach einer alten Tankstelle. Da knallte es ordentlich. Voll eingeklemmt das Dach. Genial war die Lösung des Tankwarts. Er hat die Luft abgelassen und ich kam sofort wieder frei. Wäre mir niemals in den Sinn gekommen. 

Eine Kundin war bekannt für sexuelle Gelüste und die anderen Chauffeure grinsten mich verschlagen an, als ich sie zum ersten mal mit "Rose dAmour" beliefern sollte. Prompt hatte diese Frau, bei Entgegennahme des Weines, ein durchsichtiges Negligé an, dass rein gar nichts verbarg. Mein Energiehaushalt war aber gar nicht auf das ausgerichtet an diesem Tag. Zu gefährlich war mir das auch und ich hatte weiche Knie.

In Lausanne, am Bahnhof musste ich was abholen und vergass den Sackrolli. Das fiel mir erst zuhause auf. Manchmal musste ich am Nachmittag einen Hangover ausschlafen, kam dafür aber erst um 21.00 Uhr von meiner Tour zurück. Jedesmal wenn mir Alkohol angeboten wurde bin ich total versumpft. Eines Tages klingelte zuhause das Festnetztelefon. Die Weinfirma fragte an, ob ich nicht am Nachmittag schnell eine Fuhre zum Flughafen, in Kloten bringen könne. Das machte ich. Zwei Paletten. Als ich zurückkehrte, musste ich zur Bezahlung beim Boss im obersten Stock erscheinen. Man sah in nie persönlich, nur seinen weissen Lamborghini vor dem Haus. Ich wurde gewarnt. Ein launischer Mensch, der einen Stock tiefer von allen gefürchtet wurde. Im Büro roch ich sofort das teure, aufdringliche Parfum. Ein spargelartiger Mensch lehnte in einem luxuriösem Ledersessel. Ich machte ihm gleich eifrig Komplimente für sein Eau de Toilette Extraordinaire und zeigte Begeisterung, die er ganz für sich in Anspruch nahm. Er mochte mich und ich bekam 500.- Franken für drei Stunden Arbeit! Das war damals noch viel mehr Wert als heute. Geiler Job, dachte ich.

Im Hotel Ochsen in Zug, am Kollinplatz, habe ich eine Nacht als Nachtportier gearbeitet.

Mein Englisch war nicht so gut wie ich zuvor am Telefon angegeben habe. Der Wirt war sehr freundlich, erklärte mir die vielen Knöpfe und Kabel hinter der Reception. Die Zimmer konnten untereinander telefonisch verbunden werden. Dazu musste man die Kabel umstecken. Ich hätte mir Notizen machen müssen. Der erste Anruf kam etwa um 23.00 Uhr. Irgend ein Engländer, ich hab fast nichts verstanden und steckte die Kabel, weil ich gar nichts verstanden hatte, nach belieben rein. Das wiederholte sich ein paar mal mit englisch sprechenden Hotelgästen. Franzosen rufen auch noch an, da verstand ich noch weniger. Ob auch ein Chinese angerufen hat weiss ich nicht mehr, aber ein wahrscheinlich spanisch sprechender Mann erschien im Pyjama an der Reception und reklamierte. Ich konnte ihm nicht wirklich helfen, da ich nicht seiner Sprache mächtig war.   

Der Boss kam zu mir, frühmorgens um sechs, kurz vor meinem Feierabend: 

"Das war wohl nichts, Herr Schmid!" 

Es gab einige Reklamationen wegen dem desaströsen Telefonservice. Das war wirklich sehr schlecht, aber der Wirt und ich nahmen es mit Humor. 

Transporte in der Nacht und Gheorghe Zamfir
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50.  Transporte in der Nacht und Gheorghe Zamfir

Es gab damals noch viele Nebenjobs für mich. Für "Wermellinger Transporte" fuhr ich 4 Monate Qualinight. Das war ein strenger, gut bezahlter Job. Bereits um 17.00 Uhr fasste ich den 3,5 Tonnen schweren Iveco mit Hebebühne in Cham und fuhr dann nach Aarau in die Zentrale. Dort, in einer riesigen Halle, bekam jeder Fahrer sein kleines Quadrat zugeordnet, wo er auch sein Fahrzeug parkierte. Dann warteten wir auf die grossen Lastwagen die unsere Verteilware brachten. Beim Entladen wurden Nummern aufgerufen und mann wusste dann sofort, welche Ware man Laden musste. Alle sollten beim Ausladen helfen, nur eine Hyäne hielt sich nie daran. Der war dermassen aggressiv, dass es schlauer war den Mund zu halten. Manchmal kam der letze Lastwagen, mit grosser Verspätung, erst um Mitternacht an. Bis man dann seine Waren in der halben Schweiz verteilt hatte, wurde es morgens um 7.00 Uhr. Wenn man dann um 9.00 Uhr fix und fertig ins Bett fiel, und der pedantische Nachbar seinen Zweizillinder Rasenmäher anwarf, war man sowas von bedient.

Das meiste Zeugs das wir verteilten waren Autoersatzteile. Es gab jeweils nach dem Ausliefern Reklamationen von Anwohnern. Sie seien durch Autolärm geweckt worden. Das gab es oft und danach musste man all die schweren Eisenteile zu Fuss durchs Wohnquartier tragen. Wegen dem Profit waren unsere Autos schon damals komplett überladen, was im Winter sehr gefährlich war. Im Winter, morgens um vier, ist mir der Motor ausgestiegen. Ich trug nur ein T.Shirt und eine dünne Jacke. Ich hatte noch drei übrige, grosse Teile im Auto, die noch zum ausliefern waren. (Meist waren es total etwa zwanzig Posten die man während der Nacht auslieferte.) Weit und breit waren keine Häuser zu sehen, nur ein Bauernhaus indem kein Licht brannte. Ich ruf die Zentrale an und bekam irgendwann den zornigen Boss persönlich ans Telefon. Ich sollte warten bis um 9.00 Uhr. Dann käme der interne Automechaniker. Nachher sollte ich die drei Teile noch ausliefern. Da hatte ich aber gar keine Lust zu und ich hab dann gekündigt. Als mein Vater mich abholte, war ich schon fast am erfrieren. 

In der Nähe von Muri half ich am Wochenende in einem argentinischen Steakhouse aus. Während dem Service lief immer laut Panflötenmusik. Dafür aber nonstop. Ohne "Gheorghe Zamfir" im Ohr konnte meine Chefin gar nicht arbeiten. Das Haus war immer ausverkauft und ich bewältigte den Service mit der Wirtin allein. Sie hatte die Energie einer durchdrehenden Rinderherde und immer alles fest im Griff. Ihr Mann schmiss die Küche. Am Sonntagabend, nach getaner Arbeit, hat er immer ein Heineken mit mir getrunken. In der Zimmerstunde hat er mir seinen neuen Porsche vorgeführt. Wir blochten auf der Autobahn. So ein Auto hat die Beschleunigung einer Rakete. Im Parterre des grossen Betriebes befand sich auch eine Bar. Da darf man sagen, hat sich eine Menge sehr dummer Menschen getroffen. Alle machten einer grossbusigen, dümmlichen Blondine den Hof. Ich half auch einmal in der Bar aus und auch ich konnte nur immer auf ihren Busen schauen. Diese idiotischen Jungs prahlten zum Beispiel damit, ohne nach links und rechts zu schauen, besoffen mit 100 kmh über die naheliegende Kreuzung zu blochen. 

Mein Einsatz in dieser Bar war nur kurz. Der Rädelsführer der Bande der Idioten schrie, dass er sich niemals von einem schwulen Hund wie mir bedienen lassen würde und seine Freunde johlten dazu. Dass liess ich mir dann doch nicht gefallen und begann mit dem Trottel zu streiten. Der Chef musste einschreiten, sonst wäre das eskaliert. 

Die grossartige Barfrau konnte mit diesen Menschen sehr gut umgehen. Wir konnten es sehr gut zusammen und machten uns kleine Geschenke. Wir gingen auch einmal zusammen wandern. Da machten wir auf dem Sessellift unverschämte Dinge. Sie war eigentlich in einer Beziehung und sagte ihr Freund sei ausgelaugt und hätte wenig Lust Liebe zumachen.

Sie lud mich ins Tessin ein. Da hatten sie und ihr Freund, (der selbstverständlich abwesend war), einen grossen Wohnwagen auf einem Jahresplatz. Wir gingen in ein hübsches Grotto essen und tranken sehr viel. Wir schwankten zurück zum Wohnwagen und der anschliessende Sex war lausig. Ich kotzte voll den teuren Wohnwagen voll und am nächsten Morgen schickte sie mich freundlich zurück und beendete das Geplänkel.

Ich arbeitete als freier Journalist für verschiedene Werbeblätter, aber auch für den Boten der Urschweiz. Das mochte ich sehr. Beim Boten konnte ich nicht mehr meiner Arbeit nachkommen, weil ich wiedermal mein Fahrerlaubnis abgeben musste. In Hochdorf verdiente ich grossartig. Der Besitzer der Zeitung liess mich lange, positive Berichte über verschiedene Betriebe schreiben. Ich verdiente am verkauften Inserat, in der selben Ausgabe, auch nochmal locker 50.- Franken.  Es gab aber auch Schlaumeier die das Spiel durchschauten. Der Eigentümer eines Restaurants, in Küssnacht am Rigi, jagte mich zum Teufel mit den Worten: "Ihr wollt nur teure Werbung verkaufen und in ihrem stupiden Blatt inseriere ich schon gar nicht! Adieu, dort ist die Türe!"

Da hatte er wohl recht. Als mein Arbeitgeber einmal ein paar unglücklich geschriebene Worte von mir umformulierte liess ich mir das nicht gefallen und kündigte sofort. Mein krankhaft übersteigertes Ego nahm mir da eine grosse Chance im Leben. Wie oft. Ich arbeitete als DJ an verschiedenen Anlässen, aber niemand tanzte. Ich spielte immer nur die Musik die mir gefiel. Wünsche spielte ich nie. Auch da habe ich durch mein Verhalten schöne Chancen für gutes Geld verdienen verpasst.

Helena
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51.  Helena

Mit 27 Jahren lernte ich meine erste echte Freundin kennen. Mit Sex und Zungenkuss. Wir waren beide in Hochform und sassen im Restaurant Plaza in Cham. Verzogen uns danach in meinen Übungsraum in Hagendorn. Ich hatte zwar kein Wasserbett aber dafür ein Ausziehsofa. Helena war eine echte Hippiefrau, zehn Jahre älter als ich, mit grossem Herzen. Sie lebte getrennt von ihrem Mann und hatte einen zehnjährigen Sohn. Sie war ein sehr zufriedener Mensch. In dieser ersten Nacht hatten wir keinen Sex und auch sonst nicht gerade oft. Ihr war es nicht wichtig und ich hatte Angst davor. Ich wohnte immer noch bei meinen Eltern und Helena übernachtete bei mir. Am morgen zogen wir uns an und duschten. Da sah ich eine Unterhose auf meinem Bett liegen und fragt Helena, ob sie heute ohne Slip unterwegs sei. Dem war nicht so. Meine Mutter hatte ihre gebrauchte Unterhose dahin gelegt um zu zeigen wer der sexuelle Chef im Haus war. Ich stürzte in die Stube zu Vater, da Mutter sich versteckt hatte. Er meinte lapidar: "Das sind Revierkämpfe, Ralphli!"

Dazu muss man nichts mehr sagen. Helena und ich sind sofort abgehauen. Besser ich hätte meine Mutter zur Rede gestellt aber dazu war ich nicht in der Lage. Ich hatte immer grosse Angst vor meiner Mutter und sie hatte grosse Macht über mich. Ich konnte mich zum Beispiel zwei Stunden schön herausputzen, schminken und verkleiden für die Fastnacht. Sie konnte mich mit zwei Sätzen so zerstören, dass ich weinend zuhause blieb und mich für mich schämte. 

Helena schenkte mir auf Weihnachten eine dicke, bunte Winterjacke die ich immer gerne anzog. Meine Mutter klaute diese Jacke und lief vor der Wohnung von Gisela drei Stunden lang hin und her. In der Jacke die Helena mir geschenkt hatte! Helena hatte Angst, da meine Mutter ständig böse Blicke zum Fenster hochwarf. Diese Jacke hat mir Mutter nie mehr zurückgegeben, wahrscheinlich hat sie sie weggeworfen. Helena kam von da an nie mehr zu mir nachhause. Wir machten auch  Ausflüge zusammen. Wir fuhren am Sylvester nach Bludenz in Österreich. Wir rauschten mit einer Bergbahn hoch hinauf auf einen Gipfel und fanden ein richtig hübsches Bergrestaurant. Da spielte ich am Stammtisch Schach gegen einen Bergbauer und hab zweimal verloren. Wir tranken literweise Jagertee. Das ist eine Art Kaffeeschnaps, anstelle Schnaps nimmt man aber Jägermeister zur Zubereitung. Wir verpassten die letzte Talfahrt und wir mussten zu Fuss 90 Minuten runter gehen. Ich konnte kaum noch stehen. Für Helena war das grausam. Am späten Abend gingen wir hervorragend Essen. Ich konnte es nicht zurückhalten und kotzte quer über den Tisch, auf die Teller und es spritzte auch auf Helena. Sie stand auf und ging sofort zurück in die Pension. Das war dann einer meiner Tiefpunkte im Leben. Ich ging dann noch weiter saufen bis es Tag wurde. Als ich zurückkam in die Pension hat sie gleich unsere Beziehung für beendet erklärt. Da hatte sie natürlich recht. Ich blochte wie ein wahnsinniger zurück in die Schweiz und machte noch einen grossen Blechschaden am Auto. Bei der Ankunft in Rotkreuz parkierte ich so schroff, dass es den vorderen Reifen aufschlitzte. Danach riss ich alle Zierleisten rund ums Auto ab und auch die Scheibenwischer. Helena machte sich sofort vom Acker. Mein idiotisches Verhalten war wahrscheinlich mehr Show als Verzweiflung. Ich ging weiter saufen. Zuhause gab es Lob von Mutter: "Wurde langsam Zeit!" 

Hier möchte ich noch eine kleine Geschichte einfügen, die mir Susi, die tolle Frau meines ältesten Bruders, erzählte. Als mein Bruder Alphons, Susi als seine Freundin in der Wohnung in Rotkreuz vorstellte, lief meine Mutter oben ohne umher. Was sie sonst niemals tat. Das tat sie, so empfand es Susi, um ihr zu zeigen wieviel mehr Brüste sie hatte! Meine Mutter hasste Susi von Anfang an. Meine Mutter hasst alle Frauen.

 Barcelona
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52.   Barcelona

Eine Woche nach der Trennung fuhr ich mit dem Zug nach Kloten zum Flughafen. Ich wollte etwas weg von allem, wusste aber nicht wohin. Schlussendlich flog ich für eine Woche nach Barcelona. 1500.-  Franken hatte ich damals bezahlt. Eigentlich nur für den Flug, denn das Hotel war eher eine Absteige. Vor der Lobby auf dem breiten Sofa, soffen jeden Abend der Nachtportier mit seinem Freund. In Spanien spricht man mit Händen und Füssen. Kein Knochen spricht Englisch. Alkohol ist eine Sprache die auf der ganzen Welt verstanden wird und so schloss ich mich ihnen in der dritten Nacht für ein Besäufnis an. Wir tranken spanisches Büchsenbier und hatten viel zu lachen. Am späteren Abend bestellten sie mir eine Sexarbeiterin, die einem nicht, wie hier Gang und Gäbe, gleich auch noch das Portemonnaie klaute. Das war der schnellste Sex den ich je hatte. Als wir nach knappen elf Minuten schon wieder unten standen lachten die zwei Spanier sich einen Schranz. Wir tranken noch lange weiter.

Ich trank oft Brandy und rauchte die sehr preiswerten Kubanischen Zigarren dazu. Ich mag diese Tapas, kleine Häppchen die in vielen Bars angeboten werden. Diese alten schönen Restaurants die nur Wein anboten und einhundert verschieden Tapas. Auch in den Bars hingen Schinken von der Decke herab. Der wurde einem dann frisch geschnitten und man ass ihn auf leicht geröstetem Weissbrot mit Olivenöl. In Barcelona gibt es einen Hügel den man mit der Seilbahn erreichen konnte. Oben befand sich ein kleiner, toller Vergnügungspark mit wenig Gästen. Ich fuhr die Achterbahn mehrmals nacheinander. Nachher trank ich Sangria mit jemandem der kein Geld dafür hatte. Man lebt im Moment und ich verpasste die letzte Fahrt der Seilbahn. Ich musste nun Runterlatschen, mit meinen spitzen Schuhen, die auch noch sehr hohe Holzabsätze hatten. Ich lief durch Quartiere und die freundlichen Leute riefen oft: "Ola!" 

Ich war viel zu stolz die Schuhe auszuziehen und hatte am Ende ordentlich Blasen an den Füssen. Am Ramblas leuchtete schon am Nachmittag ein Neonpfeil, der einem zu einer Live Sex Peepshow locken sollte. Da ging ich hin. Schlechter als die in London konnte sie ja nicht sein. Das selbe System. Ich warf in meiner Kabine eine grosse Münze in den Schlitz und die Sicht wurde freigegeben. Da konnte ich es fast nicht glauben. Da trieb es wirklich ein Pärchen, nur zwei Meter von mir entfernt. Langsam, wie in Zeitlupe trieben sie es. Sie mussten wahrscheinlich ein Paar Stunden durchhalten.

Nachts lief ich oft durch die einsamen Gassen von Barcelona. Auf meinen Kopfhörern lief immer dieselbe traurige Musik. Ich befand mich für traurig. Helena war plötzlich weg, aber was Liebe eigentlich ausmacht, hatte ich sicher nicht begriffen. 

Man gibt sich diesen traurigen Gefühlen hin, was wie eine Sucht werden kann und nichts mit der Betrachtung der eigentlichen Sache zu tun hat.

In der Altstadt traf ich einen alten Deutschen mit Schäferhund der leicht muffelte. Er erzählte mir unglaubliche Geschichten aus dem zweiten Weltkrieg, die allesamt erlogen waren. Er wollte nur ein gutes, gratis Mittagessen. Ich fand ihn sympathisch und lud ihn ein. Er behauptete sein Hund stamme direkt von Adolf Hitlers Schäferhund ab. Kaum hatten wir gegessen war er verschwunden. Ich war mir sicher, das er sich mit dieser Geschichte hier in Barcelona über Wasser hielt. In Discotheken war schwer reinzukommen. Mein Lederjacken Outfit war zu rockig und passte gar nicht zu den tuntig angezogenen Gästen. Eines Nachts schleppte ich mich betrunken und geil nach Hause. Ich kam an einem kleinen Kiosk vorbei und kaufte Sexheftli. In Spanien konnte man an jedem Kiosk eingeschweisste Pornohefte kaufen. Auch Hefte die Sex mit Tieren zeigten. Sowas hatte ich noch nie gesehen und ich kaufte auch so eines. Im Hotelzimmer schaute ich mir die Sachen an, drehte vorher noch einen Joint mit feinstem marokkanischem Hasch. Das mit Tieren war gar nicht meines und im Suff warf ich das Heft einfach zum Fenster raus. Es landete genau einen Balkon unterhalb von meinem. Zu allem Elend lag es so ausgebreitet da unten, dass man scheu ein Pferd erkennen konnte. Ich hoffte sehr, das das Zimmer unterhalb nicht belegt war, und war froh am nächsten Tag wieder zurück in die Schweiz reisen zu können.

Therapie
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53.  Therapie

Zurück in der Schweiz las ich ein Inserat über eine freie Stelle in Wohlen. Als Schlagzeuglehrer der Musikschule. Dazu musste man vor dem Vorstand eine simulierte Lehrstunde mit einem Schüler vorzeigen. Ich hatte unglaubliche Angst vor dem Vorspielen und betrank mich am Abend vorher. Ich zitterte beim Vorspielen. Es war traurig und man schickte mich wieder nach Hause. Ich war, wie man so schön sagt, am Arsch. Ich weinte oft. Ich beschloss professionelle Hilfe anzunehmen und meldete mich für eine Psychotherapie an. Das war eine gute Entscheidung. Die nächsten 6 Jahre ging ich, anfangs zweimal pro Woche, in die Psychoanalyse. Ich hatte das Glück eine ausgebildete Psychoanalytikerin als Therapeutin zu haben. Sie kannte sich sehr aus, arbeitete auch mit meinen Träumen, die wir dann deuteten. 

Ich fuhr mit dem Bus nach Zug, weil ich wiedermal meine Fahrerlaubnis abgegeben hatte. Da sass ich ziemlich verloren auf einem Stuhl vor meiner Therapeutin. Sie hatte knallrote Haare und Nerven, dass können sie mir glauben, werter Leser. Ich erzählte von meinem Leben, den sinnlosen Versuchen, an jedem verdammten Ende. Am Schluss meiner ersten Stunde weinte ich erbärmlich und hoffte inbrünstig auf eine andere Reaktion, als meine Mutter mir in dem Moment gegeben hätte. Frau Annemarie Litschgi war geschockt. Sie wurde ernst, (ich kann mich an jedes Wort erinnern), und sie sagte: "Herr Schmid, sie wurden sexuell missbraucht und sollten schleunigst eine eigene Wohnung beziehen!" Sie sagte auch, mein Vater sei wahrscheinlich impotent. Von ihr bekam ich auch, Jahre später, die Diagnose: Narzisstische Persönlichkeitsstörung. Als ich zuhause offenbarte, eine eigene Wohnung zu suchen lachte meine Mutter laut. Sie hielt das für sinnlos und auch mein Vater hielt sich wenig zurück. "In einem Jahr stehst du wieder vor der Türe!" hiess es. 

Ich war auf der Seite meiner grossartigen Therapeutin und fand eine Einzimmerwohnung in Cham. Hier wohnte ich die nächsten drei Jahre. Nach etwa zwei Wochen in meiner eigenen Wohnung log ich zuhause meine Mutter an. Ich prahlte, ich hätte nächsten Samstag ein Rendezvous in meiner eigenen Wohnung. Mit einer Servicefachangestellten. Sie würde dann bei mir übernachten. Der Mund meiner Mutter zog sich hinunter, als ich ihr das erzählte. Und prompt, am folgenden Sonntag, morgens um acht, hämmerte es an meine Türe. Sie schrie im Treppenhaus wie eine Furie: "Mach sofort die Tür auf!! Ich will diese Hure sehen! Du weisst dass ich kein fremdes Blut in der Familie dulde!"

So war das, an jedes Wort erinnere ich mich ganz genau. Ich öffnete die Türe nicht. Ich sass auf der Bettkante, zitterte, weinte und hatte Angst. Davon hatte ich lange Zeit viele Alpträume. Manchmal träumte ich jemand käme die Treppen hoch. Sein Einatmen klang wie das Summen bösartiger Wespen. 

Ich liess Gras darüber wachsen und war schlussendlich froh, dass meine Mutter, meine kleine Unabhängigkeit akzeptierte. Man muss verstehen, hätte meine Therapeutin verlangt, jeden Kontakt zu meiner Mutter sofort abzubrechen, hätte das nicht funktioniert. Das ist ein langer Prozess. Selbstbewusstsein und gesunden Stolz entwickeln und die Mutter vom allmächtigen Thron stossen.

Bei einem Wiederholungskurs des Zivilschutz in Cham sah ich nach vielen Jahren, meinen alten Freund Joe wieder. Er war es, der das Mobbing in der Primarschule, gegen mich beendete. Er war immer mein bester Freund gewesen. Wir verstanden uns wieder prächtig und er zog wieder in die Nähe. Seine Synthesizer kamen in den Übungsraum. Wir steuerten alles über einen Atari 1040 und das Notatorprogramm. Wir wollten einen Spielfilm drehen. Ich schrieb das Drehbuch und an einem Samstagmorgen war es dann soweit.

Zombie Hämorrhoids und Deathstorm to Hell
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54.  Zombie Hämorrhoids und Deathstorm to Hell

Der Horrorschocker Zombie Hämorrhoids sollte  an einem Tag abgedreht werden. Wir waren zu viert. Mein Bruder Franky, Joe, Josef und ich. Wir hätten zu fünft sein sollen, aber einer hatte einen zu grossen Hangover und wir brachten ihn nicht aus dem Bett heraus. Das kostete bereits eine Stunde und mein Drehbuch war durch die verschiedenen Drehorte sehr zeitaufwendig. Die Wiese vor dem Friedhof und der Kirche in Meierskappel gehörte einem Bauer, den Franky von seiner Schulzeit gut kannte. So hatten wir die Erlaubnis ein Grab zu schaufeln. Joe schminkten wir weiss wie einen Untoten. Er legte sich ins Grab und wir schaufelten ihn zu. Atmen konnte er durch einen Gummischlauch in seinem Mund. Frank kam ans Grab um auf den Knien zu Beten. In seinem Mund verbarg er mit rotem Lebensmittelfarbstoff vermischtes Wasser. Für diese Szene kaufte ich den fettesten Holzrosenkranz den man in Einsiedeln finden konnte. Die Kugeln waren so gross wie Zwetschgen. Diesen Kranz betete er am Grab, als Joe aus dem Grab stieg. Joe warf Franky den Rosenkranz um den Hals, erstickte Franky, dem das Blut dann aus seinem Mund spritzte. Diese Szene ist sehr gelungen. In der Gesslerburg in Küssnacht drehten wir eine Vergewaltigungsszene. Ich hatte zur jeden Szene die passende Musik auf einem Ghettoblaster dabei. Die Musik mussten wir immer laut abspielen, damit sie am Ende auch zu hören war. An den Bahngeleisen in Rotkreuz drehten wir eine Selbstmordszene. Es wurde nichts im Nachhinein geschnitten und verändert am Video, darum mussten wir alles in Echtzeit drehen. Für die nächste Szene musste ich die vom Zug überfahrene Leiche auf dem Gleis spielen. Den Kopf zog ich geschickt unter den Mantel. Der Kopf wurde ersetzt durch eine zerschlagene Wassermelone. Wir hatten auch Kiloweise Abfallfleisch dabei, das meine Freunde um mich auswarfen. Und viel Kunstblut. Ich lag also da, die Musik spielte sehr laut und Josef filmte. Ich hörte und sah nichts, als ein Schnellzug heranrauschte. Alle schrien laut, aber ich blieb liegen. Josua warf die Kamera zu Boden und rannte zu mir. Es war echt knapp. Auf dem Video sieht man genau den Zug donnernd um die Ecke kommen. Dann bricht die Aufnahme ab. Meine Freunde hatten einen Adrenalinkick, ich nicht. Den hatte ich verschlafen, wir lachten alle.

Der Film hatte keine eigentliche Handlung. Nur eine Aneinanderreihung von Todesarten. Abends um 21.00 Uhr war in Affoltern a. Albis, Drehschluss. Wir waren alle extrem müde, der Film ist dann 20 min. lang und lustig geworden. Die Latexhand aus Vegas hatte auch noch ihren kleinen Auftritt. Das hatte alles sehr Spass gemacht und Franky wollte es mir gleichtun. Er drehte einen Kriegsfilm. Gut ausgestattet mit Waffen, Uniformen und selbstangefertigten Knallkörpern! Ich spielte Hitler, für den ich die gesprochenen Texte selbst schrieb. Am ersten Drehtag, unten am Reussufer, nahm einer der Darsteller eine Riesenflasche selbstgebrannten Kirschschnaps mit. Bei dieser ersten Szene waren alle Darsteller komplett betrunken. Keiner konnte noch ordnungsgemäss seine Texte aufsagen. Trotzdem ist diese Szene sehr lustig geworden. In einem leerstehenden Postgebäude filmten wir eine Rede von Hitler an seine Genossen. Das war ein sehr böser Text, den ich da verfasst hatte. Das Finale drehte Franky in einem grossen Wald, in der Nähe von Bremgarten. In einer Szene wurde ich als Hitler in einem schwarzen BMW chauffiert. Der Fahrer, genau wie ich, in schönen Uniformen. Am Auto haben wir vorne zwei kleine Hakenkreuzfahnen angebracht. Joe trug ein gestreiftes Kleid, dem aus einem Konzentrationslager nachempfunden. Mit Judenstern und grosser Nummer. Er wartete an einem Zebrastreifen und hielt brav die Hand hinaus, um die Strasse zu überqueren. Frank filmte aus dem Auto heraus und der Fahrer hielt an. Ich schrie nun den Chauffeur an, er sei ein Hurensohn, wegen einem Juden das Auto anzuhalten! Später im Wald überholt die Limousine den armen Joe und ich befahl sofort anzuhalten. Ich holte eine grosse Hakenkreuzflagge aus dem Kofferraum und forderte Joe zum Stierkampf heraus. Dazu spielte das Tonband laut QE2 von Mike Oldfield. Am Ende erlegt Hitler Joe mit einem sauberen Stich ins Herz. Danach folgten wilde Kampfszenen im Wald. Plötzlich waren wir umzingelt von Polizisten. "Waffen runter!" haben sie gerufen.

Ein halbes Dutzend Polizisten hatten uns umzingelt, teils mit Maschinengewehren bewaffnet. Eine Frau, die mit ihrem Hund spazieren ging, hat uns beim Filmen zugesehen und der Polizei angerufen. Man sieht sie auf dem finalen Video, während der Stierkampfszene kopfschüttelnd an uns vorbeigehen. Die schlauen Polizisten merkten schnell das wir keine rechtsradikalen Glatzköpfe waren. Wir hatten aber einen ganzen Kofferraum voll Waffen dabei. Alles wurde beschlagnahmt. Das Videomaterial bekamen wir erst drei Jahre später zurück. Es wurden bestimmt auch Bussen ausgesprochen, wegen den Waffen, aber der Film selbst wurde dann schlussendlich als Satire anerkannt und Frank musste nie eine Busse bezahlen.

Mit Franky in Thailand
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55.  Mit Franky in Thailand

Ich flog mit Franky für drei Wochen nach Thailand. In ein schönes Hotel am Strand, aber am Strand waren wir nie. Uns interessierten vor allem die schönen Frauen. Wir hatten den Koffer aus "Fear and Loathing in Las Vegas" mit dabei. Die Vergnügungsmeile war ein langer Schlauch mit dutzenden Bars an jeder Seite. Erstaunlich, dass diese Bars bis heute meist von Frauen geführt werden. In jeder Bar arbeiteten so um die zehn Frauen als Sexworker. Man hörte laut Musik, betrank sich, und suchte sich das Mädchen seiner Wahl aus. Man löste die Dame für einen ganzen Tag aus der Bar aus. Aber alle 24 Stunden mussten wir uns mit den Mädchen bei ihrer Bar zeigen. Franky wusste was er wollte und hatte drei Wochen die gleiche Dame. Die Huren, von der scheinheiligen Kirche verflucht, haben schon immer Ohren gehabt, für den Verzweifelten, Verlorenen. Ob es sich beim Kunden um einen Teufel oder Gott handelt, interessiert die professionelle Sexarbeiterin nicht. Sie will den Kunden zufrieden zurücklassen. Ob man das bei guten oder schlechten Menschen anwendet, die Absicht dabei bleibt eine gute Sache. Huren gaben ihre "Liebe" seit Menschengedenken auch an sehr bösartige Menschen, wodurch immer sehr viel schlimmeres verhindert wird! Darum alles Lob auf diese Menschen, die im ältesten Gewerbe der Welt arbeiten. 

Wir mieteten einen Jeep, durchquerten Phuket und schauten uns eine Elefantenshow an. Die Mädchen waren immer dabei. Jeden Abend gingen wir an diesem schönen Minigolfplatz spielen. Alle Löcher waren mit künstlichem Rasen überzogen. Jedes Loch mit Fantasie und Liebe gestaltet. Da gab es drei Kurse. Einer war dem Mittelalter nachempfunden. Mit feuerspeienden Drachen. In der Schweiz, die Löcher vom Minigolfplatz Brunnen sind identisch mit denen von Küssnacht und Gersau. Es heisst dann immer: "Das ist ein Meisterschaftsplatz!" 

Das macht es aber auch nicht spannender. Inzwischen gibt es auch in der Schweiz sehr schöne Indoor Minigolfplätze. Mit Schwarzlicht beleuchtet und vor der Schweizer Witterung geschützt. Manchmal gingen wir auch Go-Kart fahren. Das war preiswert und mit den Zweisitzern machte es mächtig Spass. Ich hatte keine Chance gegen Franky. Der fuhr immer wie eine gesenkte Sau. Um die Frauen zu beeindrucken! Selbstverständlich zahlten wir auch immer das Essen. Die Frauen durften immer wählen wo. Niemals gingen sie in diese Touristenfallen, die wie 5 Sterne Restaurants daherkamen. Immer etwas abseits, wurde in den Strassen gekocht, wie bei Mama. Aus riesigen Töpfen konnte man dann wählen und soviel essen wie man wollte. Rund um einfache Plastiktische, sassen da dutzende Einheimische und genossen das feine Essen. Frisch zubereitet und sehr preiswert. An einem anderen Ort probierten wir Käfer an Spiessen. Die schmeckten wie gerösteter Karton. Zurück im Hotel sassen wir, zu viert, bis in den Morgen auf unserer kleinen gediegenen Veranda. Es hatte fette Mücken, aber diese stinkenden, grünen Schlangen die man an einem Ende anzünden konnte, vertrieben sie. Wir leerten die Minibar fast täglich. Der Aufschlag gegenüber den Strassenpreisen war vielleicht 50 Rappen. Wir schluckten Valium oder Schlaftabletten und schliefen oft bis in den späten Nachmittag. Die Mädchen liebten aber Frühstück und einmal ergab es sich auch so, dass wir zusammen Frühstück essen gingen. Welche Substanzen Franky und ich gerade genommen hatten, kann ich mich nicht mehr erinnern. Wir brachten wieder einmal nicht mal einen Toast runter. Es war morgens um sieben und unsere thailändischen Begleiterinnen bestellten Seeigel, Seegurken, Krabben und Muscheln. Frank behauptet noch heute, eine Krabbe sei noch lebendig aus dem Topf geklettert. Die Frauen lachten, sie liebten dieses Essen über alles. In der Schweiz waren wir bisher, mit einem ordinären Fischstäbli im Monat, gut bedient. Ich war nie ein grosser Fischesser. Ein paar Tage vorher, ass ich eine schlechte, überbackene Auster. In dieser Nacht schlief ich im Zuhause der Prostituierten. Ich konnte wirklich gar nichts mehr halten. Vom Schlafzimmer bis zur Toilette hab ich alles vollgeschissen. Besoffen war ich auch noch und kotzte neben die Schüssel. Ich hatte brutale Magenschmerzen und Krämpfe. Ich bezahlte die Dame sehr gut und sie nahm das Geld mit verkniffenem Mund an sich. Ich schämte mich sehr und schwankte allein zum Hotel zurück. Am nächsten Abend schlich ich mit Frank, auf der gegenüberliegenden Strassenseite ihrer Bar entlang. Ich wollte ein neues Mädchen und keinesfalls wieder diese Dame, welche meine Misere mitansehen musste. Sie sah mich schon von weitem und rief in gebrochenem Englisch und auch in Thai zu mir rüber: "Zuerst einem das Haus vollscheissen und dann einfach abhauen!" (Man verstand auch ohne Sprachkenntnisse was sie meinte). Die anderen Damen der Bar klopften sich vor Lachen auf die Oberschenkel. 

Wir besuchten meinen alten Freund Minel aus der Lehrzeit, mit dem ich auch Illmitz viele Jahre besucht hatte. Minel hatte inzwischen geerbt und lebte in Thailand. Er hatte ein paar Häuser aufgezogen, die er an Touristen vermietete und er besass eine T.Shirt Fabrik. Hauptsächlich spielte er aber jeden Tag Golf. Er war sehr übergewichtig geworden. Obwohl er sicher mehr trank als Franky und ich zusammen, wollte er partout nicht mit uns trinken. Über alte Zeiten sprechen wollte er schon gar nicht. Seine thailändische Frau sagte Hallo und Tschau im gleichen Satz. Wohlhabende Menschen bauen manchmal diese gefühllose Wand zwischen einem auf, vielleicht weil sie meinen man könne ihnen etwas wegnehmen.  Wer weis was er dachte. Er war eiskalt, wahrscheinlich durfte er nur mit der Erlaubnis seiner Frau trinken. Traurig war das und wir zogen mit unseren Mädchen wieder ab. Ein paar Jahre später war Minel schon gestorben. Herzstillstand. 

Wir besuchten mit unseren Mädchen eine Paintball Farm. In einem grossem Waldgebiet ballerte man da mit Farbpatronen aufeinander. Unsere Truppe hiess Brothers und wir jagten die Mädchen durch den Wald. Einmal mehr zeigte sich die männliche Überlegenheit im Nah und Fernkampf. Am Schluss waren wir alle total versaut mit Farbe und wir fuhren zurück ins Hotel um zu Duschen. In der letzten Ferienwoche hatte ich immer das selbe Mädchen und ich verliebte mich sogar. Beim Abschied kam alles miteinander zusammen. Die Beruhigungsmittel gingen aus und die Laune war am Tiefpunkt. Ein Taxi brachte uns zum Flughafen und wir winkten den Mädchen ein letztes Mal zu. Diese schauten aber gar nicht zurück! Solche Sachen verdrängt man aber. Zurück in der Schweiz konnten Franky und ich zwei Tage nicht schlafen, wir hatten uns dermassen an die Schlafmittel gewöhnt. Mein Mädchen rief ich oft an, bekam aber viele andere Damen ans Telefon, nur nicht meine grosse Liebe. Alle wollten nur Geld. Ich bekam auch einen echt dummen Bettelbrief, der nicht von ihr geschrieben war. Ich schaute immer ihr hübsches Bild an, bis ich es dann endlich fortwarf. Ich dachte sie verkaufe echte Liebe, war dann am Ende doch noch schlau genug. 

Müllhausen
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56.  Müllhausen

 

Ich fuhr mit Franky und zwei Kollegen ins französische Müllhausen. Wir wollten chinesisch Essen gehen und ein paar unzensurierte Horrorvideos kaufen. Bobi hatte einen L.S.D Trip dabei. Ein "Filzli." Das kleine Schnipsel warfen wir in einen Tee und alle tranken davon. Eine Stunde später waren wir alle auf Trip. Bobi hatte das kleine Stück Papierchen schon ewig in seinem Portemonnaie und trotzdem hatte es immer noch eine grosse Menge L.S.D. darin gespeichert. Wir hatten es sehr lustig bis zum Abend, da geschah das Unglück. Neben meinem parkierten Auto hatte es eine 3-4 Meter hohe Mauer. Ich war immer noch übermütig und auf Substanz. Ich wollte ums Verrecken diese Mauer runterspringen und federte bei der Landung gar nichts ab. Es knallte richtig bei der Landung. Meine Freunde hörten gleich auf zu Lachen, als sie mich vor Schmerz schreien hörten. Zwei angebrochene Rückenwirbel. Zwei Jahre intensiv Therapie. Bis heute habe ich Rückenschmerzen. Viele Jahre Schmerzmittelabhängigkeit lagen vor mir. 

Schlussendlich genützt hat mir aber am meisten: 10 -15 Minuten Gymnastik am Tag.

Sucht, Kinski und Argento
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57.  Sucht, Kinski und Argento

Ich bin ein richtiger Suchtmensch und kann sprichwörtlich von allem abhängig werden.

Ich war Schnupftabak süchtig oder soff drei Flaschen Vicks Medinight jede Nacht. Ich soff drei Jahre lang jeden Morgen sechs Underberg Kräuterschnäpse und hatte um 8.00 morgens schon zwanzig Zigaretten geraucht. Das tat ich solang, bis ich endlos Bauchschmerzen hatte. Die Magennerven und  die Säure. Da hab ich zum Glück sofort aufgehört mit Kräuterschnäpsen auf nüchternen Magen. Diese Kisag Bläser Patronen, auch von denen konsumierte ich. Einmal frass ich jeden morgen sechs Schoggiosterhasen. Bis ich jedesmal kotzen musste. Ich rauchte Heroin auf Silberfolie bis ich Ausschlag bekam. Das war ein Teufelszeug und viel zu stark für mich. Ich war Jogging süchtig, sprang einen Winter lang 10 Kilometer über die Mittagpause, obwohl ich 24 Kilo untergewichtig war und ständig von Kopfschmerzen geplagt wurde. Später ass ich 10 Jahre lang fast jeden Morgen ein Käsefondue. (Ohne den verdammten Kirsch und Weisswein wäre das gar nicht so ungesund gewesen.) Bis heute mein Lieblingsessen. 

Der Pizzadienst in Cham lieferte mir gar nichts mehr. Ich war zweimal bereits am Schlafen, beim anliefern der Pizza und hörte die Haustürklingel nicht mehr. Zu früh geschluckte Schlafmittel.

In Zürich hatte der Kriegsfilm "Kommando Leopard" mit Klaus Kinski Premiere. Der Star sollte anwesend sein und zum Publikum sprechen. Es waren lausige 12 Menschen anwesend. Kinski kam rein ins Foyer und verschwand hinter einer Bürotüre. Joe und ich hatten lecker Kirschstängeli und Femina Cailler Pralinen für Kinski dabei. Wir haben unseren Mut zusammen genommen, angeklopft und sind ins Büro gegangen. Kinski hatte in dem Moment, den Mann hinter einem Schreibtisch laut angeschrien und zusammen gestaucht. Sonst war nur noch ein weiterer Darsteller des Films im Büro. Hansi Leuttenegger, ein guter Freund von Kinski. Er lenkte Klaus auch gleich ab, indem er sagte: "Klausi, schau mal, deine Fans!" Kinski liess vom Kinobesitzer hinter dem Schreibtisch ab. Er war sofort in seinem Element. Er würdigte uns keinen Blick, bis er genau vor uns stand. Erst dann hob er den Blick und fragte unglaublich höflich: 

"Habt ihr da was feines für mich mitgebracht?"

Sofort ass er die Pralinen und verteilte die Kirschstengeli. Kinski war am Grinsen und hat uns dann noch ein paar Autogrammkarten unterschrieben. Kinski war ein ganz kleiner Mensch, vielleicht  unter 1.60 Meter gross. Seine Ausstrahlung und Art machte aber den dümmsten Film noch zum Erlebnis. 

An einem Openair von Karel Gott kletterte ich hinter die Abschrankungen. Karel sprach mit einer Künstlerin, die ihm ihre Bilder zeigte. Da ging ich einfach rein und berührte ihn an der Schulter. Da wurde er leicht zornig. Ich dachte, ich wäre der angehende Schlagerstar und fragte ihn nach dem ultimativen Trick, um so eine Granatenstimme zu erhalten. Seine Antwort war lapidar: "Üben!" 

Nach einem Gary Numan Konzert in Basel hatte ich einen Lauf durch zwei Security Posten und landete im Raum, in dem die Künstler nach dem Konzert sassen. Gary und seine Frau waren sehr freundlich und unterschrieben uns hübsche Karten. Der Gitarrist Steve Harris, der wie ein Mohikaner aussah, sah meinen Joint und zog tief daran. Ich schenkte ihm alles Gras welches ich dabei hatte und er meinte: "You saved the Tour, Brother!"

Mit Joe fuhr ich nach Neuchatel zu einem Fantasiefilmfestival. Dario Argento, der Meister des italienischen Horrorfilms sollte auch da sein. Seine ersten Filme waren eine Art Edgar Wallace Filme mit sehr blutigen Todesszenen. Er schrieb auch viele Drehbücher. Zum Beispiel zum Western Klassiker, "Spiel mir das Lied vom Tod." Es lief eine Filmpremiere, aber wir wussten das der gespielte Film eher Schrott war. Also zogen wir direkt ins kleine Festzelt. Dort befanden sich vielleicht acht Personen. An einem Tisch mit Polstersesseln sass Meister Dario Argento mit Claudio Simonetti, dem Keyboarder der Progrockgruppe Goblin. Berühmt für den Horrorfilmsountrack von "Suspiria." Für viele die beste Musik die je für einen Horrorfilm komponiert wurde. Argento war bleich, wie immer, sah sehr zerbrechlich aus. Simonetti trug ein knallbuntes Spidermanhemd.

Wir haben uns gleich zu ihnen gesetzt, Bier geholt und angestossen. Wir sind sofort auf den lausigen Film zu sprechen gekommen, der gleichzeitig im Kino lief und hatten ein übereinstimmendes Gesprächsthema. Bei vielen von Argentos Filmen sieht man oft nur die Hände des Mörders. Sie stecken in schwarzen Handschuhen, waschen Messer oder legen sie hübsch hin. Da fragte ich Argento, ob ich diese Rolle in Zukunft übernehmen könne. Da musste er lachen. 

Zum Glück hatte ich viel Material, Cds und Schallplattenhüllen, dabei, dass beide gerne unterschrieben. Später erzählte Argento in einem Interview, er habe bis er siebzig Jahre alt gewesen sei, jeden Tag gekifft. Hätte ich das damals in Neuchatel gewusst. Ich hatte das beste Schweizergrass dabei das man sich vorstellen kann. Das haben sicher viele nicht gedacht, Argento der Kiffer!

In meiner Schlagzeugschule lief es sehr gut, aber mein linkes Handgelenk begann immer mehr zu Schmerzen. Zu verkrampft gespielt, die Schläge nicht abgefedert und das Gelenk zertrümmert. Kurze Zeit trug ich einen Gips, verschleuderte vorher noch ein paar Tausend Franken an so gennante Heiler, die allesamt nichts nützten. Ich musste alle Schüler entlassen. Das war eine schlimme Zeit für mich. Meinen Vater freute es sehr. Dass ich, auch wenn die Schlagzeugschule ein Erfolg gewesen wäre, von ihm nie ein Lob erhalten hätte, habe ich damals noch nicht verstanden. 

Ich meldete mich wieder im Gastgewerbe. Gegen die ständigen Rückenschmerzen schluckte ich Schmerztabletten. Ich arbeitete in einem Restaurant in Hünenberg. Das war eine eher traurige Zeit. Ausgerechnet der Vogelzüchter, dem die Vögel wegen unserer Musik nicht mehr brüteten, war Stammkunde. Er war auch bester Freund der Wirtin. Sie soffen locker 25 Goretto Grappa an einem Jassabend. Der Vogelzüchter liess sich von mir nicht bedienen. Wenn er am Stammtisch gefragt wurde, weshalb, hat er offen geantwortet, ich sei ein Arschloch. Einmal hatte ich hinten im Säli einen vier Personentisch, mit Schöpfservice von der Platte. Ich holte die Teller immer erst vom Tisch wenn alle fertig gegessen hatten. Als ich alle leeren Teller abgeräumt hatte, sah ich noch etwa vier, kalte, übrig gebliebene Kroketten auf der leeren Platte liegen. Davon schnappte ich eine und ass sie heimlich. Der Vogelmensch hatte mich drei Tische weiter genau beobachtet, sprang sofort auf und rief so laut, dass es auch hinten die Wirtin hörte: 

"Du verdammter Sauhund, das gehört den Leuten am Tisch!!" 

Zum Glück ging der Wirt am Stammtisch überhaupt nicht darauf ein.

In diesem Restaurant blieb ich nur zwei Monate.

 Wirteschule Luzern
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58.   Wirteschule Luzern

 

1994 besuchte ich die Wirteschule. Sie war teuer und schwierig. Vor allem das Fach Kochen bereitete mir Mühe. Nicht das Kochen selbst (die Prüfung selbst war nur theoretisch), sondern das Auswendiglernen von hunderten Rezepten. Man musste genau wissen aus was eine Mayonnaise besteht, ein Blätterteig oder eine doppelte Consommé. Wie man eine Sauce Hollandaise kocht oder eine Forelle Blau. Meine Unterarme waren an der Abschlussprüfung vollgeschrieben mit Rezepten. Beim Block waren nur die oberen drei Seiten unbeschrieben und selbst auf dem Lineal hatte ein kleines Rezept Platz gehabt. 

Wir hatten auch einen Arzt unter uns, der führte eine gut gehende Praxis. Wir musste uns ja alle vorstellen und er erzählte uns, er möchte mal etwas anderes machen, nebenbei. Dabei wollte er nur eins: Frauen. Die hatte er schnell zusammen und er gab ein grandioses Fest in seiner Villa. Leider fuhr ich an diesem Abend besoffen nach Hause. Der vernünftige Arzt wollte mich noch aufhalten, aber ich hörte wie leider viel zu oft, auf niemanden. Ich landete in einem Bachgraben mit 2,8 Promille. Sehr viel Glück gehabt und die Fahrerlaubnis abgegeben für 1 Jahr. Die Wirteprüfung habe ich schlussendlich bestanden.

 Restaurant Rössli in Hochdorf
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59.   Restaurant Rössli in Hochdorf

Ich hatte grosses Glück, mein ehemaliger Schüler Guschti, der als Wirt arbeitete, bezog eine grössere Wohnung und die Wirtewohnung oberhalb der Beiz wurde dadurch frei. Die bezog ich sofort und arbeitete ab sofort von 16.00 bis Schluss in seinem Restaurant. In der Küche arbeitete Guschti, das Buffet bediente ein Albaner. Für den Mittagsdienst waren verschieden Frauen angestellt. Oberhalb meiner Wohnung wohnte ein Mazedonier, der oft seine Frau halbtot geschlagen hat, in einer Einzimmerwohnung. Der flotte Arzt aus der Wirteschule schenkte mir einen 400 Kilo schweren Marmortisch, den ich in meiner Stube aufstellte. Ich kaufte mir ein Elektroschlagzeug mit weichen Aufschlagflächen, das gut in der Wohnung Platz fand und meine Handgelenke schonte. Ich hatte jetzt 4,5 Zimmer zur Verfügung.

Die Küche im Rössli war Legende. Zum Anbieten hatte ich drei Sorten Spaghetti, Pizzas und Pouletflügeli. Solche Pouletflügeli nahm ich zum Essen ein Jahr lang, jede Nacht mit auf mein Zimmer. Obwohl sie tiefgekühlt direkt in die Friteusse geworfen wurden, machte Guschttis genial, scharfes Gewürz alles wett. 

Eigentlich war es nur eine Sorte Spaghetti, für Diavolo oder Indiana, haute man einfach dementssprechend mehr Tabasco rein. Diavolo war schärfer als Indiana! Die Küche lebte von den Pizzas die fein waren. Shippi, der Albaner, bediente den Pizzaofen voller Stolz. Guschti trank gern Whiskey und hatte genau wie ich, um über den Tag zu kommen, ein breites Arsenal an Psychopharmaka zur Verfügung. Wenn Guschti der Wirt um 19.00 Uhr auftauchte, stoss er immer mit einem klaren Schnaps mit mir an. Schon morgens um zehn kamen die ersten,  pensionierten, alten Alkoholiker auf ihren Mopeds ins Rössli, um den Tag mit einem speziellen Kaffeeschnaps zu beginnen. Am Stammtisch war sprichwörtlich ab 16.00 die Hölle los. Wenn Guschti in Fahrt war, musste ich mein kleines Elektrodrum von meiner Wohnung runterholen und mit seinem Freund am Keyboard legte er dann los. Sie nannten sich: "The Golden Boys." Sein Freund konnte keine einzige Note lesen und Guschti spielte seine zwei Rhythmen in immer wieder neuen, ausgetüftelten Variationen. Der Keyboarder war eine Art Genie. Er war nie in einer Klavierstunde trat aber auch Solo als Boogie Woogie Enthusiast auf. Als sie am spielen waren, reklamierte eine Familie, die Musik sei viel zu laut. Der Frau schmeckten die Spaghetti auch nicht. Da hat Guschti sein Mikrophon missbraucht und die Songtexte gleich der Situation angeglichen. Er sang dann zum Beispiel: "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber die Spaghetti frass sie nicht!"

Ich hab niemals mehr eine Familie so schnell ein Restaurant verlassen sehen. 

"Das ist das Letzte!" rief die Frau noch, aber Guschti, ich und der gesamte Stammtisch lachten Tränen.

Guschti war bestimmt kein Nazi, aber ich hatte ihn schon ziemlich angefixt mit meinen Erlebnissen in den Konzentrationslagern. Er hängte eine grosse Karte von Deutschland hinter den Stammtisch an die Wand. Darauf waren sämtliche Konzentrationslager der Nazis eingezeichnet. Wie viele das waren ist schier unglaublich.  Zwei, drei Tage lang musste ich Guschti mit "Mein Führer"ansprechen. Er nannte mich "Kamerad" und Schippi machte einen korrekten Hitlergruss, wenn ich eine Pizza bestellte. Guschti war mutig und spielte mit seinem Freund auch als Hochzeitsmusik. Das war brutal, die Gäste und das Hochzeitspaar reklamierten über immer denselben Song! Die "Golden Boys" sind dann ausgerastet. Das liessen sie sich nicht gefallen. Ich war ja nicht dabei, aber es sei fast zur Schlägerei gekommen und Whiskeygläser flogen rum. Zu dieser Zeit gab es auch diesen Skandal mit dem Zwergenwerfen in England. Früher nannte man diese Menschen Liliputaner und ins Rössli kam auch oft einer, eine einsame Cola trinken. Er rauschte immer auf seinem benzinbetrieben Trottinett an und war stets schlecht gelaunt. Das Rössli besass eine riesige Terrasse und da wollte Guschti auch ein Zwergenwerfen durchführen. Es geht darum, wer einen kleinwüchsigen Menschen am weitesten auf einer Matte entlang werfen kann. Endlich kam dieser Mensch auf die Terrasse und Guschti flüsterte mir ins Ohr: "Los, frag ihn endlich!!"

Da ging ich hin und fragte mit meinem ganzen Charme: "Würden sie eventuell an einem Zwergenwerfen teilnehmen?" 

Der Mensch ist sowas von explodiert. Ich spielte Betroffenheit vor und Guschti musste sich, weil er so lachte, hinter dem Buffet verstecken. Der Kunde musste das Cola nicht bezahlen, kam aber nie wieder ins Rössli. 

Dann ging Guschti in die Sommererien und ich durfte das einzige Mal in meinem Leben Wirt spielen. Ich hatte eine grosse Glacekarte, die ich zu Beginn auch brav den Gästen aushändigte. Bis ich einmal einen Coupe verkaufte und die Tiefkühltruhe öffnete. Da war nur ein einsamer Kübel Wacholdereiscreme drin. Ich empfahl dann wieder lieber Spaghetti Diavolo und Eiskreme war gestrichen. Eines Nachts klingelte mein Festnetztelefon.

Es war die Serviceaushilfe, sie hatte sich in mich verliebt. In dieser Beziehung war von Beginn an der Wurm drin. Sie lebte getrennt von ihrem Ehemann und hatte zwei Kinder.

Sie dachte wohl, von Anfang an,  dass ihr Mann eines Tages wieder zu ihr zurückkehrt. Ich verliebte mich schnell. In ihrem Zuhause durfte ich nie auf den Balkon. Die Nachbarn durften mich nicht sehen. Ich war schon sehr dumm und naiv. In so eine Beziehung würde ich mich, hoffentlich heute nicht mehr stürzen. Die kleinen Kinder vermissten ihren richtigen Papa unglaublich. Ihre Mutter war ein sehr lieber Mensch, schluckte aber ständig diese verdammten Xanax Beruhigungsmittel. An denen blieb ich nachher brutal hängen. Eines Tages öffnete sie mir die Türe, mit völlig verweinten Augen. In einer Hand trug sie einen schwarzen grossen Müllsack. Dort hinein hat sie alle meine Sachen geworfen. Sogar den Schwarztee, den ich liebte. Sie liess mich nicht mehr in die Wohnung und beendete die Beziehung. Ihr Mann war wieder zurückgekehrt. Danach war ich drei Monate sehr traurig. Hörte immer dieselbe traurige Musik. Was blieb war die Sucht nach Xanax und Valium. Sonja war mit mir, während dieser kurzen Affäre auch einmal zu Besuch bei meiner Mutter. Da griff meine Mutter mir ständig in den Schritt und meinte zu Sonja:

"Das kriegst du nicht! Das ist meins!" 

Da wollte Sonja nicht mehr weiter meine Mutter besuchen. 

Mein Bruder stellte mir wieder einen Job zur Verfügung und mit Joe zusammen mietete ich ein kleines Haus in den Bergen. Zuerst machte ich aber einen Valium/Xanax Entzug in der psychiatrischen Klinik Oberwil.

Klinik Oberwil
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60.  Klinik Oberwil

Kurz vor der Einweisung erwischte mich noch mein Lieblingsarzt beim Klauen von Medikamenten. Ich bekam ein Jahr Hausverbot. Ich war süchtig nach dem Stoff. Vor dreissig Jahren war Oberwil kein schlauer Ort um einen Drogenentzug zumachen. Das Angebot war lausig. Ergotherapie gab es, wahrscheinlich, aber keiner von uns ging hin. Wir mussten den ganzen in einem Zimmer sitzen und rauchten allesamt Kette. Am Abend durfte man im Aufenthaltsraum unter Aufsicht Fernsehen schauen. Der Aufseher war ein richtiges Arschloch. Weil wir alle nicht genug Tabletten gegen die Entzugsschmerzen bekamen hat Jolanda manchmal nicht alle ihre Pillen geschluckt und uns danach eine der ihren gegeben. Sie hatte keinen Entzug, aber Beruhigunsmittel gaben sie allen. Yolanda hatte sich Monate vorher, bei einem missglückten Selbstmordversuch selbst angezündet und hatte grauenhafte Brandwunden am Unterkörper. Sie wurde vom Krankenhaus hierher verfrachtet, wo sie defintiv nicht hin gehörte. Wir mussten nach dem Schlucken der Medikamente immer den leeren Mund und die Zunge vorzeigen. Yolanda sagte immer, diese verdammten Neuroleptika und Beruhigungsmittel würden sie völlig kaputtmachen. Ihr gaben sie sicher sieben verschiedene Medikamente und sie sass immer kettenrauchend wie ein Zombi neben uns. Sie war ein herzensguter Mensch. Da erwischten die Wärter sie dabei, wie sie nicht alle Tabletten schluckte. Der teuflische Wächter kam zu uns ins Raucher-Zimmer zurück, mit der noch bösartigeren Oberaufseherin. Sie knallten Yolanda auf den Boden und sie schrie wie am Spiess. Sie banden ihre Hände zusammen und spritzen sie vor uns ab. Sie führten sie in die Gummizelle, die nicht weit von meinem Zimmer lag. Da hörte man sie winseln und weinen. Zwei Tage lang. Wir haben auch geweint. Da war eines der traurigsten Erlebnisse in meinem Leben. 

Wir waren etwa zehn Personen. Auch ein verurteilter Mörder war dabei, aber das könnte auch eine seiner Räubergeschichten sein, die er mir gern erzählte. Mit ihm verstand ich mich am besten. Wir lasen alle meine mitgebrachten Comics und lachten trotzdem so oft es ging. Am lustigsten fanden wir das Comic: Lobo, Paramilitärische Weihnachten. Vor einem Jahr ging das Gerücht im Internet rum, man wolle Lobo mit dem Hauptdarsteller aus Aquaman verfilmen. Das wäre was!  

Zum Kiosk durfte man nur in Begleitung eines Wärters. Es gab auch ein Angebot, das hiess "Spazieren mit der Oberaufseherin." Da gingen wir niemals hin. Sprechen war dabei verboten und man musste hintereinander gehen. Sie wollte das man "In Sich geht" und nicht miteinander spricht. Das kann man heute fast nicht mehr glauben. Die Oberaufseherin trug ein 15 cm grosses Kreuz um den faltigen Hals und im Fernsehraum durfte nur geschaut werden was sie wollte. Niemand durfte die Fernbedienung berühren ausser sie selbst. Als wir auf einem CD Gerät meine erste CD mit lustigen Liedern anhören wollten, schaltete sie nach einem Lied sofort das Gerät ab. Das sei nichts für uns und Teufelszeug. Ein anderes Angebot des Hauses hiess Klangtherapie. Da ging ich hin. Ich dachte da gäbe es etwas zum Trommeln. In einem kleinen Raum, von Duftkerzen imprägniert, sass eine Schweizer Frau mit Wurzeln aus Tibet, im Lotussitz vor mir. Sie klopfte mit einem Holzstück auf Metallschalen und flüsterte zu mir: 

"Herr Schmid, sie müssen sich auf die Schwingungen einlassen, sich treiben lassen!" 

Dazu war mir aber gar nicht zumute. Ich war ja auf Entzug und eine innere Unruhe liess mich kaum stillsitzen. Ich sagte freundlich zu ihr, ich würde mir das ganze nochmal überlegen.  

In einer Nacht brachten die Polizisten einen Amok laufenden, fremdsprachigen Mann und sperrten ihn die Gummizelle. Dort war alles fest montiert und nichts befand sich zum Zerstören darin. Er schaffte es trotzdem die fette, hölzerne Zierleiste beim Fenster rauszureissen und schlug damit auf das kleine Sichtfenster in der Türe ein. Das kleine Fenster zersplitterte und der Mann schrie laut in den Gang hinaus. Niemand schaute oder kümmerte sich um ihn. Ich ging raus und die Scherben bedeckten den ganzen Boden. Der verzweifelte steckte seinen halben Kopf durch das winzige Sichtfenster. Ich verstand nicht wirklich was er sagte, aber er wollte unbedingt eine Zigarette, die ich ihm dann auch brachte. Da gab er dann Ruhe und wir anderen konnten noch ein bisschen schlafen. Viel zu nah an unserem Zimmer, wir waren immer zu zweit im Zimmer, war auch der Pingpong Tisch. Da spielten immer dieselben zwei Alkoholiker auf Entzug. Morgens um halb acht legten sie los. Nach einer Woche hatten beide schöne Etuis für ihre Schläger organisiert und sie bekämpften sich noch härter. Sie wurden langsam professionell. Jeden Tag acht Stunden lang hörte man ihr wahnsinnig machendes Ping und Pong auf dem gesamten Stockwerk. In unser Raucherzimmer kam auch zweimal wöchentlich, der hauseigene Mönch aus dem zugehörigen Franziskanerkloster zu Besuch. Den haben mein Mörderkollege und ich stets dermassen runtergeputzt, bis er jeweils unchristlich fluchend den Raum verlassen hat. Das war noch ein echter Mönch, mit Sandalen und eingewachsenen Zehennägeln.

Genutzt hat mir Oberwil wenig. Zwei Tage nach dem Austritt schluckte ich schon wieder Tabletten. Bei einem Psychiater holte ich mir Antidepressiva in grossen Mengen. Plötzlich hatte ich den ganzen Tag Appetit und ich nahm 20 Kilo zu. Das hatte auch Nebenwirkungen. Zuckungen an Händen und im Gesicht.

 

 

                      

Geburtstag im Bären, Sattel
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61.  Geburtstag im Bären, Sattel

Meinen dreissigsten Geburtstag feierte ich im Restaurant Bären in Einsiedeln. Ich war vorher schon oft im Bären. Ein ganz spezielles Restaurant mit einem noch spezielleren Wirt. Ein Familienbetrieb durch und durch. Auf jedem Tisch gab es eine zwei cm dicke Karte bei der die Deckel aus Metall bestanden. Damit sie weniger gestohlen wurden. Er hatte jeden feinen Schnaps und Whiskey, von jedem Jahrgang im Angebot. Man konnte auch hundertjährige Sachen trinken, wenn man es finanziell vermochte. Als ich zur Reservation in den Bären ging, zeigte er mir den Wein und Spezialitätenkeller. Der war unglaublich gross. Zum Kaffe bestellte ich natürlich einen Cognac mit Jahrgang 1963. Dieselbe Auswahl an Zigarren gab es auch. Der Humidor war genau so gross wie derjenige in Montreux, unten am See gelegen. Der Wirt besass auch mehrere, sehr alte schwarze Oldtimer. Wir waren sechs Personen und tatsächlich holte er uns mit dem seinem grössten Rolls Royce im Bahnhofbuffet Rotkreuz ab. Er trug eine richtig schöne Uniform mit Hut und Handschuhen. Das machte mächtig Eindruck bei den Hippies im Buffet! Ich konnte ja nicht alle einladen. Der Sohn vom Wirt fuhr uns dann für 50 Franken auch wieder nach Hause. Das Essen war grossartig. Kalbsmedaillon mit Morchelsauce. Zur Vorspeise tranken wir einen sehr kalten Weisswein aus der Genferseeregion. Beim Rotwein zog der Wirt eine kleine Show am Tisch ab. Er goss nach dem Öffnen der Flasche einen Schluck in einen flaches Silbergefäss. Dann probierte er den Wein mit lautem Schlürfen. Ich machte einen wirklich dummen Witz, der dem Wirt sauer Aufstoos. Er zeigte uns auch den fantastischen Keller und ich wollte unbedingt wissen woher er sein Geld habe. Das war hier gar nicht angebracht und verstimmte den Wirt nun ganz. Ich war frech.

Man sollte immer Respekt zeigen, ob einem das Gegenüber sympathisch ist oder nicht. Das musste ich noch lernen.

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62.   Amerika

Ich flog mit Franky, meinem besten Freund Joe und unserem ehemaligen Bassisten für drei Wochen nach Amerika. Das war nun schon mein viertes Mal U.S.A. Mein ältester Bruder hatte mich und alle Angestellten seiner Firma, ein Jahr vorher für 4 Tage über Ostern nach Las Vegas eingeladen. Nach Las Vegas gingen wir erst am Schluss dieser Reise. Zuerst schauten wir all die schönen Naturparks an. Am Ende dann vier Tage nach Vegas. Für mich waren das etwas schwierige Ferien, weil ich wegen der Blutkontrolle in der Schweiz keinen Tropfen Alkohol trinken durfte. Das hielt ich etwa eine Woche durch. Dann kam der brutale Ausrutscher. Wir sumpften in einer Bar ab. Da gab es Cowboys und auch zwei sehr versoffene ältere Damen. Mit ihnen zu sprechen war ein Höllenritt. Ihre Emotionen waren sehr unstabil. Die älteren Herren in der Bar kannten sie schon lange, und wenn sie plötzlich extrem laut ihre Stimme erhob und losdonnerte, schauten die meisten nicht mal mehr hin. Amerikaner mit Cowboyhut sind relaxte Menschen. Die Stimmung war grossartig und ich gewann beim Karaokewettbewerb ein Gummihuhn. Da stand ich schon unter dem Einfluss von dutzenden von Jägermeistern. (Kräuterlikör.) Ich blieb in der Bar bis es draussen hell wurde. Ich trank bestimmt 25 grosse Gläser Jägermeister mit Cola. Das bescherte mir einen der grössten Hangover meines Lebens. Ich habe seither niemals mehr Jägermeister getrunken. 

Im Zion Nationalpark, Utah, gingen wir spazieren, fast schon Wandern. Wir standen vor einer riesigen Steinwand. So gross wie die halbe Rigi und wir waren komplett alleine. Das Echo war gewaltig und klang genauso wie das Echo, dass Hitler in Nürnberg auf seinem Mikrofon immer benutzte. Das konnte man kilometerweit hören und ich gab voll den Hitler. Da hab ich zur Wand gerufen: "Kameraden, seit 4.45 Uhr wird zurück geschossen!"

Wir haben alle Tränen gelacht.

Wir fuhren sicher viertausend Kilometer in diesen Ferien. Beim überqueren der Golden Gate Bridge in San Francisco hörten wir "Autobahn" von Kraftwerk. Das war ein magischer Moment. Man sieht auch keine Raser. Die Autos müssen eher gross als schnell sein. Das Tempolimit ist auch viel niedriger. Strafen sind drakonisch und das Justizsystem fordert Eigenverantwortung. So wird jeder Unfall, unter Einfluss von Alkohol oder Drogen, noch zusätzlich härter bestraft.

Die Strassen tun das ihrige um das Fahren möglichst relaxt zu gestalten. Die Strasse führt oft nur stundenlang geradeaus. Wir besuchten verlassene Gold und Silberminen.  

Auch ein Dorf das noch aussah wie damals im Wilden Westen sahen wir uns an. Alle ausser Franky waren ständig am Filmen. Die Aussicht im Auto war ständig von Interesse und wollte jemand aussteigen und einen "Schwenk" drehen rief er laut: 

"Schwenk, bitte!!" 

Nach zwei Wochen hatten wir so viele "Schwenks" gedreht, dass es niemand mehr hören konnte oder darauf reagierte. Fortan wurde nicht mehr angehalten wenn jemand "Schwenk!" rief. Ich filmte auch jeden Menschen der eine Gehbehinderung hatte. Ich hatte am Schluss der Ferien sicher 30 kleine Videoschnipsel, mit Menschen darauf zu sehen, die hinkten. Ich hab natürlich immer heimlich gefilmt. Man sollte sich über anderer Leute Gebrechen nicht lustig machen. Mehr im Sinne von "Monty Pythons Institut für komisches Gehen!" 

Wir schauten uns einen Salzsee an, der hiess Monolake. Das sah da aus wie auf dem Mars. Eine gewaltige, imposante Gegend. Komplett ohne Leben in ihm. Als wir den See einfach nicht fanden, fragten wir einen Amerikaner nach dem Weg. Seine dumme Antwort war: 

"Theres absolutely nothing to see!" (Da gibt es überhaupt nichts zu sehen.) 

Für einen Vergnügungssüchtigen Amerikaner war das nicht vorstellbar, was wir da anschauen wollten. Wir fuhren auch zu einem der heissesten Orte der Erde, ins Dead Valley. Eine lebensfeindliche Wüste. Dort lief Joe mit Pullover rum und fror trotzdem immer noch. Nachher hat er uns stundenlang erklärt, warum alles im Leben Paradox ist.

In Nevada hat es ja mehrere Ortschaften mit Casinos. Wir konnten nicht wiederstehen und landeten schon mehrere Tage vor Vegas in Laughlin. Hier hatte es viele grosse Casinos und die Preise sind da bis heute tiefer als in Vegas. Jeder bekam beim Einchecken ein kleines Gutschriftenheft. Ein freier Eintritt zu einer Show im Casino gehörte auch dazu. Ein Doppelgänger von Rod Stewart trat auch auf. Der machte volle drei Shows jeden Tag, sieben Tage die Woche. Den wollten wir sehen und nahmen auf bequemsten Polstersesseln Platz. Es gab zwei Drinks gratis zur Show und ich bestellte Rotwein. (Nach der Reise war mein Bluttest positiv und mein Führerscheinentzug wurde um einen Monat verlängert.) Der Künstler hatte eine grosse extrem professionelle Band hinter sich. Der Groove riss alle mit, von Anfang an. Der Sänger schien echter als der echte Rod Stewart. Am nächsten morgen sah ich ihn im Fitnessraum, ein hartes Programm durchziehen, ohne Perücke. Nach Laughlin schauten wir uns ein grossartiges Flugzeugmuseum an. Sämtliche Maschinen standen im Freien. Es war einfach alles da, was ein Flugzeugliebhaber sich wünschen konnte. Sämtliche Flieger aus dem zweiten Weltkrieg und auch ein wunderschöner Blackbird Lockheed waren anzuschauen. Wenn die Amerikaner etwas erfunden und besonders gut können, ist es eine Show abzuziehen. Das hat mir immer gefallen, vor allem in Vegas. Da fuhren wir jetzt hin. 

Las Vegas
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63.  Las Vegas

 

Las Vegas ist meine Lieblingsstadt und auch mein liebster Ferienort. Ich brauche keine einsamen Buchten, die hab ich schon in mir selbst. Im Verlaufe meines Lebens war ich achtmal in Las Vegas. Darum fasse ich hier Erlebnisse von verschiedenen Besuchen zusammen. Bei einer dieser Reisen nächtigten wir im "Golden Nugget" Casino. Das war die einzige Möglichkeit ein Ticket für die "Sigfried und Roy" Show zu bekommen. Sie war immer zwei Monate vorher ausgebucht. Wir sahen auch Montecore, den Tiger der Roy später fast tötete. Irgendwie wirkten die beiden Künstler sehr müde an diesem Abend. Die schwierigen und teuren Sachen, wie das Fliegen hatten sie gar nicht mehr im Programm. 

In Vegas sind alle am Feiern. Alles ist 24 Stunden geöffnet. Mann nennt Vegas auch Stadt der Sünde oder die Stadt die niemals schläft. Vegas kann an einem Tag locker 200 Tausend  Touristen aufnehmen. Nirgends werden mehr Heiraten an einem Tag beschlossen. Dazu muss man nicht einmal mehr aus dem Auto aussteigen. Es gibt einen Drive-Thru Schalter zum Heiraten. Für 50.- Franken kriegt man schon einen versoffenen Elvis Darsteller als Farbtüpfelchen während der Trauung. In den Casinos gibt es keine Uhren, und solange man spielt ist das Getränk gratis. Man kann auch gratis Zigaretten bestellen, da bringen sie einem vier Stück. Hier gilt die Regel, je grösser das Casino, umso geiziger sind sie. Lieber ein Casino im alten Las Vegas buchen. Im Downtown und nicht am Strip. Im El Cortez Casino, zum Beispiel, können sie für 10 Rappen am Einarmigen Bandit spielen, und bekommen feine Drinks. Für zwei Franken kann man noch Roulette oder Blackjack spielen.  Fast alle Bars haben Videopoker Maschinen an der Bar. Gute Barkellner sagen dann zu einem: "Put a Dollar in the Machine, Bro!" 

Wenn sie das befolgen sind die folgenden Drinks gratis. Nur wer spielt darf gratis trinken, aber ein Dollar genügt. Geben sie ein oder zwei Dollar Trinkgeld.  

Für die Sigfried und Roy Show gab es ja keine Abendkasse aber für alle anderen Shows schon. Tickets für die Shows in den jeweiligen Casinos zu kaufen ist teuer. Es gibt dutzende dieser kleinen Kioske in Las Vegas. Eine Gruppe davon heisst: Tix for Tonight. Da kriegt man alle nicht ausverkauften Shows des Tages zum halben Preis. Da hab ich oft gleich drei Tickets gekauft! Bei vielen Shows stehen die Künstler nachher draussen vor dem Showroom und man kann sehr ungezwungen mit ihnen quatschen. Ich durfte sogar mit Joseph Gabriel nach der Show ein Bier trinken. Er zauberte während der Show Tauben aus dem Ärmel und sass nun im Muscle-Shirt neben mir. Überall in Vegas ertönt Musik, und immer laut. Auch im Hotellift. Da stand ich neben einem Mann mit riesigem Cowboyhut. Er hatte die heissesten Lederschuhe an die ich je gesehen hatte. Sie gingen weit über die Knie und hätten auch zu einer Domina gepasst. Da ja alle sich verrückt kleiden in Vegas sagte ich zu ihm: 

"Heh Man, nice Shoes!" 

Der schaute mich mit riesigen Augen an und sagte gar nichts.

Als der Lift auf der Casino Ebene anhielt stiegen wir aus. Er konnte kaum gehen. Die Schuhe waren speziell angefertigt worden für ihn. Gesundheitsschuhe, angefertigt für einen Menschen mit schlimmer Gehbehinderung. Das war mir sehr peinlich und ich entschuldigte mich. Er blieb verstimmt, aber in Vegas ist man grosszügig. Meine Freunde lachten sehr als ich ihnen von diesem Vorfall erzählte und fragten, ob ich ihn wenigstens gefilmt hätte. 

An einer Slotmaschine quatschte mich eine besoffene Amerikanerin an. Sie hatte eine innige Beziehung zu Jesus. Ich sagte ihr, dass ich eher an Ausserirdische glaube als an Jesus. Da wurde sie sehr laut und begann rumzuschreien. Das ging wirklich nur Sekunden und zwei Securitys führten sie freundlich von mir weg. Beim Spielen am Blackjacktisch muss man keine Sprache sprechen. Auf den Tisch klopfen bedeutet: Noch eine Karte. Die Luft mit der Hand durchschneiden bedeutet: Keine Karte mehr bitte!

Wenn auch das nicht mehr funktioniert, kommt die Security und führt einem freundlich vom Tisch weg. Sie machen das mit einer unglaublichen Professionalität. Sie beruhigen echt die schlimmsten, schenken einem Besoffenen einen Casinogutschein für einen Hamburger. Ist er bösartig und wehrt sich, sind sie so stark, dass sie einem locker zum Casinoausgang befördern können, ohne das die eigenen Beine bis zum Ausgang jemals den Boden berührt haben. 

Die schlimmste Abzocke in Vegas sind diese Timesharing Angebote. An jeder Ecke lauern sie, versprechen Gratisshows für eine kurze Präsentation ihresgleichen. Dabei geht einem in Wahrheit der ganze Ferientag flöten. Unbedingt meiden. 

Man kann in Vegas eine Sexarbeiterin verpflichten für 100.- Dollar die ganze Nacht.  Sogenannte Freelancer schaffen alleine an und kommen auch zu Tausenden am Wochenende von Los Angeles nach Vegas. Egal wen man auf sein Zimmer nimmt, immer das Geld im Auge behalten oder noch besser in den Tresor legen. 

Wir feierten eine wilde Party im Hotelzimmer mit zwei Einheimischen die uns Speed verkauften. Danach waren wir 48 Stunden unterwegs. Beim Auschecken am Ende der Ferien an der Hotelrezeption, präsentierte mir die freundliche Rezeptionistin eine Rechnung von zweihundert Dollar. Für Caipirinhas die ich nie getrunken hatte. Sie präsentierte mir meine Unterschrift unter den Barrechnungen, aber das war nicht meine. Sie ging nach hinten und besprach sich mit dem Manager. Der Typ, der uns das Pulver verkauft hatte, gab sich als mich aus und soff ein Dutzend Caipis auf Zimmerrechnung. Nur er kannte unsere Zimmernummer. Vielleicht sollte man in Vegas, zur Vorsicht, einen falschen Namen benutzen. Ich musste aber gar nichts bezahlen. Da war das Golden Nugget Casino sehr kulant. 

Bei einem meiner ersten Besuche in Vegas musste ich eine Menge Lehrgeld bezahlen. Wir nächtigten im Tropicana und wurden durch die spärlich bekleideten Servierdamen mächtig angetörnt. Mein Kollege und ich fragten dumm einen Taxifahrer nach einem bezahlbaren Puff. 

"Yeahh Man, the Tramps Club is the Choice of the Day!" 

antwortete er und fuhr uns schnurstracks ziemlich weit aus der Stadt mitten in die Wüste. In Nevada ist Prostitution bis heute verboten. So das ein offizielles Bordell schon gar nicht existieren konnte. Wir waren so was von in der Falle, hatten aber  immer noch sehr viel Geld. Der Taxifahrer kassierte vor unseren Augen fünfzig Dollar vom Türsteher, fürs Anliefern der Ware. Ein schäbiges Neolicht thronte über dem Eingang. Wir gingen hinein und setzten uns an die Bar. Da blieben wir nicht lang alleine. Zwei sehr schöne Amerikanerinen luchsten uns eine Champagnerflasche nach der anderen ab und sassen sich auf den Schoss. Sie waren Extraklasse von schönen Frauen und unsere Augen so gross wie Melonen. Ständig versprachen sie, uns in zwei Séparées zu begleiten, die aber leider noch nicht frei waren. Sie lagen im hinteren Teil des Etablissements und wir konnten sie nicht Einsehen. So tranken wir noch mehr. Jetzt hiess es plötzlich eine kleine Tischgruppe sei hinten frei geworden. Standplatz gewechselt und nochmal Getränke bezahlt bis zum Abwinken.

Dann endlich, die Séparées wurden frei und wir trennten uns in zwei Gruppen. Das Séparée war nur durch einen Vorhang vom Gang getrennt und es befand sich nur ein Ledersessel darin. Ich sass mich hin, mit einem verzweifelten letzten Cüpli in der Hand und sie begann zu tanzen. Sehr aufreizend. Dann sagte ich zu ihr, sie solle herkommen zu mir, ein bisschen küssen. Da war sie gar nicht begeistert und erklärte mir laut: 

"I am a Showgirl, not a Whore!!" (Ich bin ein Showgirl und keine Hure.) 

Da antwortete ich laut: 

"Ja, scheiss die Wand an!" 

Ein Schwarzer, so gross wie ein Gorilla, lauerte bereits hinter dem Vorhang und packte mich sofort am Kragen. Am Ausgang des "Bordells" wurde behauptet, kein Taxi würde hier hinaus fahren und sie nahmen mir nochmal fünfzig Dollar für das Bestellen eines solchen ab. Es war bereits taghell und ich hatte über 1200.- Dollar verlocht, in der Wüste von Nevada. Das Taxi kam und unterwegs luden wir meinen Kollegen auf. Er war ein harter Hund und bereits zu Fuss unterwegs. Sein Showgirl hätte ihn auch nicht berührt und nur getanzt. Dazu habe er aber Masturbieren dürfen. 

 

Vor zwei Monaten hat das erste Marijuana freundliche Hotel in Vegas eröffnet und bereits existieren um die fünfzig Grasshops mit echtem Gras. Auch der grösste Grasladen der Welt steht jetzt in Vegas. Früher war das eher ein Spiessrutenlauf. Um Gras zu kaufen wurde mir einmal empfohlen, mich im kaputtesten Casino von Vegas umzuhören. Im Lady Luck Casino. Leider abgerissen inzwischen. Es war morgens um 11.00 Uhr und im Casino herrschte Bombenstimmung. Ich setzte mich gleich am Tisch dazu. Ein übergewichtiger, dunkelhäutiger Mann, behangen mit einer Tonne Gold, hatte einen gewaltigen Lauf am Blackjacktisch. Er verschenkte 100.- Dollar Noten ringsum. Der Blackjacktisch hatte tiefe Schlitze und Ritzen. Als ob jemand mit dem Messer seine Wut über schlechtes Kartenglück am Tisch ausgelassen hätte. Wechselte man einen Dollarschein direkt am Tisch zu Spielchips, markierte die Kartengeberin die Note mit einem fetten, schwarzen Filzstift. Sie malte ein X darauf. Das war eine Vorsichtsmassnahme des Casinobesitzers, damit Angestellte nicht Geld vom Casino klauen konnten! Im Lady Luck wurden einem immer gleich zwei Gratisdrinks seviert. Mein Lieblingsdrink ist Bloody Mary. Tomatensaft, Vodka mit etwas Tabasco und Pfeffer. (Vor allem in Vegas mit sehr viel Tabasco!) Im Lady Luck, und zum Glück auch heute noch im Casino Royale, wird eher Vodka mit einem Schuss Tomatensaft als umgekehrt, serviert. Ich war also schon im Schuss als ich das Casino verliess um einen Dealer zu finden. Ich sprach, naiv wie ich war, einen ziemlich kaputten, spindeldürren Typen an. Ja, er hätte Gras, ich solle ihm folgen. Er führte mich zu leerstehenden, kleinen Apartments bei denen wir versteckt unser kleines Geschäft abhielten. Er erzählte mir von Polizisten, die in privaten Kleidern verkleidet, vorgaben Gras kaufen zu wollen und ihn schon mehrmals beim Verkauf erwischt hätten. Dazu zeigte er mir einen Haftbefehl oder sowas ähnliches. Ich solle ihm meine Identitätskarte zeigen. Ich war so blöd und klappte mein Portemonnaie auf. In diesem Moment bekamen seine Augen einen komplett anderen Ausdruck und er packte sofort mein Portemonnaie. Diese Transformation zum Wahnsinnigen sah ich niemals mehr so klar in meinem Leben. Ich war echt mutig und riss ihm mein Portemonnaie sofort wieder aus seinen Händen. Es riss entzwei und jetzt sprang ich davon. Nach etwa 20 Metern blieb ich stehen, ich wusste ja nicht ob er sogar eine Waffe hatte, und schrie ihn an: 

"Du bist ein gottverdammtes Arschloch!" 

Er hatte keine Waffe und murmelte etwas unverständliches. Ich lief dann sehr schnell davon, vollgepumpt mit Adrenalin. Ich lief in mein Casino zurück und erzählte den einfach nur besten Securitys meine Geschichte. Das hätte gefährlich sein können, da ja damals Gras immer noch komplett verboten war. Sie lachten aber nur und rieten mir, beim nächsten mal besser aufzupassen. Das war im El Cortez Casino. Da würde ich auch heute noch Einchecken und meine Ferien verbringen. In allen Casinos ist 24/7 Zimmerservice. 

Im Imperial Palace Casino musste man immer die Zeit bestätigen während dem Bestellvorgang am Telefon im Zimmer. Brauchte der Zimmerservice länger als 40 Minuten bis zur Lieferung ins Zimmer, musste man nichts dafür bezahlen. Ein Riesengaudi. Die meist sehr alten, dunkelhäutigen Männer, die bei der Lieferung immer einen kleinen Wagen ins Zimmer schoben, waren allesamt sehr gut drauf. Man hatte das Gefühl das sie dass schon sehr lange taten. Sie sahen so aus als hätten sie schon eine Menge gesehen, in den 4500 Zimmern. Imperial Palace war damals ein Casino mit chinesischem Thema. An der Sake Bar hat man nur einen Dollar in den Videopoker werfen müssen, und bekam den ganzen Abend gratis, herrlichen, warmen Sake zu trinken. In einem Abschnitt des Casinos waren die Dealertainer. Alle acht Blackjacktische waren um eine Bühne angeordnet. Die Dealer (Kartengeber) waren alles "arbeitslose" Imitatoren der Superklasse.

Da konnte man sich die Karten geben lassen von Michael Jackson, Alice Cooper oder Celine Dion. Jede halbe Stunde verliessen sie den Tisch um auf der kleinen Bühne live zu singen. Ich setzte mich zu Tina Turner. Sie sah auch exakt so aus wie Tina Turner. Die Stimmung an diesen Tischen war wie an einer grossen Party. Die Dealer machten einem auch aufmerksam, wenn man einen Fehler spielen wollte. Zum Beispiel zwei Zehnen splitten...(Ich gehe übrigens nie in ein Schweizer Casino, wegen den Spielregeln sehr zu Ungunsten des Spielers.) Die falsche Tina erzählte mir das sie 25 Jahre lang in Vegas als Tina Turner aufgetreten sei. Der Elvis Dealer war hingegen schwer angeschlagen. Wahrscheinlich hat er am Nachmittag, ein Dutzend seiner Einsicht nach, komplett sinnlosen Trauungen durchführen müssen. Viele Menschen verdienen sich nach wie vor ihren Lebensunterhalt als Elvis in Vegas. Ich sah den "Fat Elvis." Der wog 250 Kilo. Einen kleinwüchsigen und  auch einen schwarzen Elvis sah ich. Im Hofbräuhaus von Las Vegas sah ich einen deutschen Elvis. 

Man kann heiraten ohne das geliebte Auto verlassen zu müssen und innerhalb 24 Stunden kann man sich auch wieder Scheiden! Auch einen Hochzeitsautomaten gibt es inzwischen. Papiere einscannen und 50 Dollar einwerfen. Unten dann das Ehedokument rausziehen. Vielleicht gibt es noch ein Snickers dazu! Auch um Gras einzukaufen gibt es inzwischen einen Drive-Thru. Wie bei Mc Donalds suchte man seinen Wunsch an einer grossen Neontafel aus und fährt zum nächsten Schalter. Da wird einem nach der Bezahlung die Ware übergeben. Für Ausländer reicht eine Identitätskarte, Pass oder Fahrausweis.

Ein Barkeeper zeigte mir seine eintätowierte Häftlingsnummer von Auschwitz. Der schien mir aber nicht die Wahrheit zu erzählen. Es war einfach seine Geschichte die er jeden Abend, den ständig wechselnden Touristen erzählen konnte. Im Downtown von Vegas trifft man ständig Geschichtenerzähler. Einer fuhr einen sehr schnellen Rollstuhl, ringsum mit LED und Glühbirnen behangen. Ein muskulöser Mann, der erzählte ein Ex Wrestler zu sein. Er hätte sich beim Kämpfen den Rücken gebrochen. Meist bekommt man dann irgendwas kleines geschenkt, gibt gern 20 Dollar, bis man merkt dass das heute schon hundert Dollar waren, die man verteilt hat. Drei schneeweiss gekleidete Rapper, rappten uns so lange voll bis wir ihre CD kauften. Aber alles ist gesittet, man muss niemals was geben und hat auch nicht das Gefühl bestohlen worden zu sein. Als ich an einer Casino Bar sass, fiel mir die ausserordentlich gute Stimmung an einem Blackjack Tisch auf. Ich trank meinen Bloody Mary Drink und schaute dem Treiben etwas genauer zu. Da verteilte wieder einmal einer kleinere Geldscheine an die Spieler links und rechts von ihm. Kein Wunder war der ganze Tisch hysterisch. Ein junger Mann, ganz in Schwarz gekleidet, lief immer vor dem Tisch auf und ab und beobachtete alles. Dieser schwarze Ninja, kam zur Bar, bestellte ein Wasser, ohne jemals den Blick vom Blackjack Tisch zu nehmen. Er sah sehr gefährlich aus und ich fragte ihn freundlich, was er so mache. Er erzählte mir, er sei der Bodyguard eben dieses grosszügigen Mannes. Der sei ein mächtiger Mann in Hollywood und lasse es einmal im Monat in Vegas krachen. Der eher kleine Mann im dunklen Anzug neben wir war ein Kampfsportler. Wir hatten eine gute Chemie zusammen und philosophierten etwas. Am Schluss auch noch über Nitzsche.

 

Ich erschreckte einen Arbeitskollegen auf perfide Art und Weise. Mein Bruder Alphons expandierte sein Geschäft und zahlte einigen Mitarbeitern den Flug nach Vegas. Über Ostern flogen wir nach Vegas. Wir nächtigten im Tropicana Casino. Ein grossartiges Casino damals. Es spielte jeden Abend eine andere professionelle Band in der Casinolounge und brachte die Menge zum Tanzen und Feiern. Thomas wollte unbedingt noch weiter Blackjack spielen, morgens um drei. Ich aber ging auf mein Zimmer und wollte ihn erschrecken. Ich sammelte zu dieser Zeit alle Arten von Spielzeugpistolen und hatte in der Schweiz sicher schon eine Sammlung von 30 Stück.

In Vegas kaufte ich Gewehre die mit vier riesigen Batterien betrieben wurden und Laser Pistolen aus der Zukunft, die in allen Farben leuchteten und geniale Geräusche machten. Die konnte ich damals ohne Probleme im grossen Koffer in die Schweiz einfliegen. Ich formte eine schlafende Person unter der Decke auf dem Bett und versteckte mich mit dem grossen Maschinengewehr im Schrank. Ich wartete etwa 45 Minuten bis Thomas leicht angetrunken ins Zimmer trödelte. Er sah mich schlafen und verhielt sich leise. Als er vor dem Bett stand knallte ich mit dem Fuss die Schranktüre auf, schrie laut dabei, und liess das Maschinengewehr krachen was es hergab. Den armen Thomas hat es gleich flach auf den Boden gehauen so ist er erschrocken.

Ich wollte mir schicke Lederhosen und einen Hut kaufen und landete dabei ein wenig ausserhalb von Vegas. Den Weg zurück lief ich zu Fuss. Da hielt vor mir ein sehr teures, grosses Auto. Ich lief sofort hin, den ich wäre froh über eine Mitfahrgelegenheit gewesen. Ich öffnete die Seitentüre und im Auto sass ein sehr schleimiger, dunkelhäutiger Mann mit Sonnenbrille und viel Goldschmuck. Alles war sehr sauber und er bat mich einzusteigen. Aber dieser Mann und das Auto roch irgendwie falsch. Da wäre ich niemals eingestiegen. Es roch nicht nach Schweiss sondern irgendwie abstossend. Dieser Mensch wurde sehr zornig und liess die Maske fallen. Er fuhr schnell und sehr wütend davon. Da glaube ich heute noch, dass mein Instinkt mich vor etwas schlimmen bewahrt hat. Man riecht an etwas um zu testen ob es verdorben ist. Meine Therapeutin sagte damals, ich sei ein Nasenmensch. Nur weil jemand riecht, wie Venedig bei Ebbe, muss er ja nicht zwangsläufig ein schlechter Mensch sein, aber in diesem Auto... 

Kann man eigentlich, wenn man als Kind zu viel "Dämonenkiller" Romane gelesen hat, einen bleibenden Schaden davontragen? 

 

Ich wollte Gras kaufen und platzierte mich an einem idealen Spot, um die flanierenden Leute zu beobachten. Ich bestellte ein kleines Bier und sah, wie immer in Vegas, die ganze Menschheit an mir vorbei gehen. Ich entdeckte einen dunkelhäutigen Snoop Dog Typ in knallgelbem Bruce Lee Overall. Den winkte ich auf ein Bier zu mir. Er arbeitete als Privatfahrer mit Stretch Limousine. Ich wollte unbedingt die privaten, grossen Villen von berühmten Künstlern aus Vegas sehen. Vor allem die von Sigfried und Roy, mit den dutzenden weissen Tigern, die ihren Wohnort auch dort hatten. Ja, das würde er für ein kleines Entgelt am Abend für mich tun. Er hole mich hier am Abend ab, mit seiner extra langen weissen Limousine. Zuerst holte er noch etwas Gras, das wir zusammen verqualmten. Er gab mir einen Ring, den ich heute noch besitze. Ich ging alleine zurück ins El Cortez Casino, um mich etwas frisch zu machen, vor dem Ausflug. Da begannen alle auf mich einzureden. Alle sagten, es sei viel zu gefährlich mit jemandem unbekannten mitzufahren. Jeden Tag würden Menschen ausgeraubt werden. Was ja auch stimmte. So bekam ich weiche Knie und ging nicht zum verabredeten Ort. Das Dämonenkillersyndrom hatte mich wieder voll erwischt. Ich sah mich schon bis zum Kopf eingegraben in der Wüste von Las Vegas. Ich spielte Blackjack, als ich im Casino den angeblichen Räuber, verzweifelt nach mir suchend, entdeckte. Jetzt konnte ich nicht mehr zurück und versteckte mich. Heute glaube ich, dieser Mensch hatte wahrscheinlich keine böse Absichten. Er wäre ja auch von allen Überwachungskameras erfasst worden. Das bereue ich, dass mir da der Mut gefehlt hat. Anthony, so hiess mein Freund, tut mir jedesmal leid, wenn ich seinen Ring trage. 

Im El Cortez Casino, wohnte der Besitzer Jackie Gaughan noch persönlich mit seiner Frau, im obersten Stock, in einer riesigen Suite. Der Mafia Boss Bugsie Siegel war der vorherige Besitzer. Ein alter Mann, der die alte Zeit der Mafia noch hautnah miterlebte. Ich sass im hauseigenen Steakhouse als plötzlich das ganze Servicepersonal applaudierte. Ich hatte Glück, der alte "Mafiosi" brauchte auch ein Steak. Jackie Gaughan war einer der guten. Er kannte sämtliche Angestellten mit Namen und viele der Kartengeber und Angestellten arbeitenfür ihn schon ihr Leben lang. Ich hatte in Vegas immer eine Handvoll dieser kleinen Victorinox Taschenmesser dabei, die ich an tolle Menschen verschenkte. Auch Schweizer Schokolade nahm ich immer mit. Die schenkte ich den Zimmermädchen. Das El- Cortez wird Jahr um Jahr ausgezeichnet. Beste Blackjack Regeln von ganz Vegas und grösste Gewinnausschüttung bei den Einarmigen Banditen. Man sollte immer dem Spielerclub (Playerclub) des Casinos beitreten. Man bekommt dann eine Karte, die man in die Slotmachines steckt. Und sehr wichtig: -Wenn man am Tisch während dem Spielen Geld wechselt, auch die Karte dazu abgeben!- Auch dem Zimmerservice. Es gibt für jeden Dollar Punkte die auf die Karte gutgeschrieben werden. Wie bei der Migros oder dem Coop. Diese Karten sind in allen Casinos gratis und meistens gibt es ein kleines Geschenk dazu. Ein T. Shirt oder Kaffeebecher. Im El Cortez, als wir beim abreisen unsere Rechnung bezahlten, musste Vater von insgesamt zwei Wochen, nur noch 3 Tage fürs Zimmer bezahlen. Meine Eltern spielten sehr viel an den Einarmigen Spielautomaten und hatten immer die Karte in den Slot eingesteckt. Das zahlte sich nun sehr aus.

Im Golden Nugget Casino machte ich Bekanntschaft mit einem netten Pärchen aus Ohio. Er wollte mit mir feiern, aber seine Frau weniger. Um seine Frau etwas mehr mit einzubeziehen und um die Stimmung zu heben schaute ich auf ihren gewaltigen Bauch und fragte, ob sie denn schon wisse, ob es ein Mädchen oder Junge sein werde. Das war schlechter Instinkt, denn sie war gar nicht schwanger. Sie hat ihren Mann gepackt und fluchend die Bar verlassen. Im Wynn Casino ass ich die teuersten Spaghetti meines Lebens. 100 Dollar kostete der Teller. Drei Kellner standen ständig gelangweilt um meinen Tisch und schauten mich wie einen Ausserirdischen an. Einer war nur fürs Brot zuständig, einer nur zum Wasser nachschenken. Der dritte war dafür zuständig, dass die zwei ihre Arbeit richtig machten. Hatte man aber konkret ein Anliegen an den Kellner, brach Panik aus, und alle liefen weg um den Chef de Service zu holen. Die Teigwaren schmeckten wie bessere "Miracoli" und waren verkocht. Zu empfehlen sind in Vegas die Hoteleigenen Buffets. Hier kann man für einen fixen Preis so viel Essen wie man will und die Auswahl ist immer riesig. Im Downtown Vegas hat es viele Bars und alles hat 24 Stunden geöffnet. Ich schlenderte eine Strasse entlang und sah das zwei Männer mit Cowboyhut, an einer Bar abgewiesen wurden. Da wollte ich sofort rein. Die Bar hiess "Beauty Saloon" und war vor hundert Jahren als Vegas gegründet wurde, ein Frisiersalon.

Mich liess der Tührsteher ohne Probleme rein. Drinnen erwartete mich bestimmt die lauteste Musik die ich jemals in einer Bar gehört habe. Sprechen war unmöglich. Einer schrie mich an, ob ich gesehen hätte, wie die Wände bebten! Alle waren auf dem Gothic-Trip und schwarz angezogen. Vampire und Knochenfürsten. Alle nahmen ihre Rolle sehr ernst. Kein Anschein von einem Maskenball. 

In Vegas muss man sich unbedingt auch mal alleine treiben lassen. Man kann die verrücktesten Sachen erleben. 

Um Gras zu kaufen besuchte ich einen Hiphop Club, der mir dafür empfohlen wurde. Ich solle zwanzig Dollar gleich beim Eingang in der Hand bereit halten. Und prompt drückte mir beim Einlass, der Türsteher ein kleines Päckchen Gras in die Hand. Drinnen im Club rauchten alle Gras. Die Künstler gingen auf die Bühne und rappten frei von der Leber. Nur ein Schlagzeug erklang vom Band. Das wurde ein toller Abend und ich sprach mit vielen Künstlern. 

In Las Vegas gibt es diese Oxygen Bars. Da trinkt man etwas und bekommt reinen Sauerstoff durch einen Schlauch in die Nase geblasen. Früher gab es diese Bars noch nicht. In den späten Achtzigern, sah ich im Tropicana Casino noch, wie wichtig aussehende Männer, frühmorgens am Swimming Pool, grosse Sauerstofftanks hinter sich her zogen!  Das geht heute eleganter. 

Ich kaufte Gras am Strip und lernte zwei glorreiche Typen aus Los Angeles kennen. Los Angeles gehört zu Kalifornien und man bekam damals Medizinalhanf bei passenden, vorweisbaren Gebrechen. Dieses Gras verkauften sie für viel Geld am Strip und hatten eine tolle Zeit zusammen. Sie spielten gern "Craps" dessen Regeln ich leider bis heute nicht wirklich verstehe. Wir mieteten ein Auto und fuhren zusammen nach Los Angeles. Wir nächtigten in einer wirklich schäbigen Absteige, ganz in der Nähe von Hollywood. Die Kakerlaken waren gewaltig und der Besitzer an der Rezeption befand sich hinter Panzerglas. Im Fernseher liefen nur Pornos. Die ganze verdammte Nacht hörte man Polizeisirenen. Wir tranken Caipirinha am Walk of Fame. Sehr viele eingebildete Menschen die sich für Superstars halten, hetzten umher. Schafften sie es in Los Angeles nicht, landen sie früher oder später in Las Vegas. Als Elvis. 

Man sagt, an der Freemont Street in Downtown Vegas sei der wahrscheinlich beste Spot um Menschen zu beobachten. Wenn man da am morgen in einer Bar sitzt, kann man es fast nicht glauben, was da an Menschen an einem vorbeizieht. Bei Menschen, die ihr halbes Vermögen verlocht haben, fängt es erst an. Die sieht man häufig. Huren die ihre Stöckelschuhe tragen, umarmen Hare Krishna Anhänger, die scheinbar von ihrem Glauben abgekommen sind. Übernächtigte Frauen im Bademantel laufen sinnlos auf und ab, und der als Spiderman verkleidete Spinner sauft sich an der Bar, seine gescheiterte Mission, mit einem letzten Bier schön. Man sieht viele verkleidete Menschen. Die Übergewichtigen auf ihren rasenden Elektrorollstühlen rasen auch schon wieder von einem Casino zum anderen. Las Vegas zieht alle Nationen an. Ein total verrückter Ort. Unbedingt, vor dem Besuch abklären, ob das Casino "Hotel Fees" verrechnet. Eine sehr hohe Steuer die zum Zimmerpreis angerechnet wird und einem vorher nicht wirklich genannt wird. Meine Empfehlung ist das El Cortez Casino. Hier kann man auch noch für wenig Geld Roulette, Poker oder Blackjack spielen.

 Im Skigebiet
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64.   Im Skigebiet

Ich nahm eine Stelle als Kellner an. Kurz vor Weihnachten, in einem Bergrestaurant das nur mit der Seilbahn erreichbar war. Den Wirt kannte ich gut, er kaufte oft Gras bei mir und wir kannten uns aus der Schulzeit. Am ersten Abend im Schnee rauchte er mit mir einen Joint in meinem Zimmer. Nachher durfte er das nicht mehr. Die Chemie zwischen seiner Frau und mir war gar nicht gut. Unter ihrem Fernseher standen die gesammelten Werke von Jakob Lorber. Der Gnadenstimme des Herrn. Mit brennendem Weihrauch hat sie am ersten Morgen mein Zimmer von Dämonen befreit. Zum Glück hatte ich meine Dämonenkiller Bücher nicht dabei. Die hätte sie sicher beschlagnahmt. Auf den Tischen standen Heinz Ketchupflaschen die wir vorher mit billigem Ketchup abfüllten. Ich schmiss den Service alleine. An den Wänden, im Speiseraum hat sie grosse Zettel aufgehängt auf denen geschrieben stand: Bitte vom Kellner keine handgeschriebenen Rechnungen akzeptieren!

Das liess ich mir nicht gefallen und ging zum Chef. Da musste sie die Zettel entfernen und wollte danach auch mich schnellstens loswerden. Am Silvester baute ich eine kleine Bar auf und der Wirt liess seine Lieblingsmusik laut abspielen. Als endlich zwei junge Gäste kamen und etwas tranken, schaute die Wirtin böse zu mir hin. Wahrscheinlich dachte sie, das wäre genug Freude gewesen und schloss die Bar sofort. Ich hätte zusätzlich und ohne Bezahlung auch am Morgen um vier Schnee schaufeln müssen, aber da weigerte ich mich. Jetzt waren beide sauer. Als ich zum ersten Mal, nach 14 Tagen, für die zwei freien Tage nach Hause fuhr, hatte ich schon ein ungutes Gefühl. Da braute sich was zusammen. Ich nahm Joe, meinen Freund zur Vorsicht mit. Wie im Arbeitsvertrag abgemacht kam ich mit der ersten Seilbahn an. Sie warteten schon und waren sehr bösartig, auch zu Joe. Sie hatten schon irgend einen Zettel aufgesetzt in dem geschrieben stand, ich hätte seine Frau sexuell belästigt. Das war komplett erlogen. Sie war ein fieser, hässlicher Mensch, der längst jede Art von sexueller Ausstrahlung verloren hatte. Sie war kalt wie ein Fisch. Es standen noch andere richtig dumme Sachen darin, die ich leider vergessen habe. Schade besitze ich diese "Kündigung" nicht mehr. Sie meinten auch, ich hätte schon am Abend vorher, zur Arbeit ankommen müssen. Genau so war das aber nicht abgemacht. Ich hab gar nichts unterschrieben und wir fuhren wieder Talwärts. Heute würde ich niemals mehr freiwillig an einen Ort gehen, indem Menschen  über längere Zeit, zusammen eingepfercht sind. Den Wirt sah ich nie wieder. Ich hörte nur noch, das er Jahre später Selbstmord begangen hat.

 In den Bergen
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65.   In den Bergen

Joe und ich mieteten ein kleines Chalet in den Bergen. 15 Jahre lang war das unser kleines Haus. Es lag fernab der Zivilisation zwischen zwei Bauernhöfen. Die untere Familie hatte 10 Kinder und Grosspapa wohnte auch noch bei ihnen. Der Bauer oberhalb von uns, fiel durch seine konsequente miese Laune auf. Wir konnten so laut, (auch im freien), musizieren, wie wir nur wollten. Wir bauten einen Swimming Pool und stellten Statuen auf. Wir verzierten das Haus wo wir nur konnten, bauten einen riesigen Grill mit Löwenkopf und eine kleine Bocciabahn. Auch ein Netz um Padminton zu spielen stellten wir auf. Die Aussicht auf die Berge war grandios. Wir hatten ein Vogelhaus das rege von Spechten, Eichelhähern, Kleibern und vielen anderen Vögeln besucht wurde. Auch Eichhörnchen schauten gern vorbei. Während der Nacht besuchten uns Marder und Füchse. Auch einen Dachs sah ich einmal. Unter dem Hausdach hatten sich auch Siebenschläfer einquartiert, die Joe oft den Schlaf raubten. Es nisteten auch Hausrotschwänze unter dem Dach aber sie hatten keine Chance. Die vielen Katzen lauerten 24/7 unterhalb des Nestes und erwischten die noch flugunfähigen Jungen. Der Nachbar bedankte sich bei uns. Unsere Katzen hätten die Wühlmäuse auf seinen Wiesen praktisch ausgerottet.      

Wir hatten genug Umschwung um darauf ein wenig Golf zu spielen und ich besuchte einen Golfkurs bei der Migros. Ich wohnte im Untergeschoss und Joe schlief unter dem Dachboden. Die Stube und Küche in der oberen Wohnung benutzten wir beide. Hier war auch das Büro und das Musikzimmer. Im Winter heizten wir mit Holz, was sehr teuer war. Meine Wohnung im unteren Stock bestand nur aus einem Zimmer und einer Sauna. Das Bett stand gleich neben dem Kamin. Im Winter war das herrlich. Wir zahlten 1700.- Miete pro Monat, ohne Holzkosten. In den umliegenden Wäldern baute ich Gras an, was sehr gut gedieh. Das gab mir einen zusätzlichen Obolus. Uns liefen ständig Katzen zu und bald hatten wir drei davon. Bobi, ein grossartiger Kater der neun Kilo wog, hatte ich neunzehn Jahre lang. Wir kämpften mit Fliegen und ich versprühte Kampfgas in der guten Stube. Plötzlich kam Bobi, von Joes Zimmer unter dem Dach, hinunter gesprungen. Mit Schaum vor dem Mund. Ich hatte ihn total vergessen, da oben versteckt. Da hatte ich mir grosse Sorgen um Bobi gemacht. Einmal erwischte er diese klebrigen Fliegenfänger im Gesicht. Das war danach ein Theater! Wir hatten auch einen roten Kater den wir ganz einfach "Rötsch" nannten. Der hat beim Nachbar einen grossen, männlichen Hasen gerissen und zu uns nach Hause geschleift! Bobi öffnete alle Türen in dem er daran hochsprang und den Türhebel runterdrückte. Die Nachbarn mit den vielen Kindern hatten auch einen grossen Berner Sennenhund namens Prinz. Der kam jeden Tag zu uns hoch, in seinem ganz eigenem Tempo, inmitten der Strasse, um Hallo zu sagen. Wir hatten viel Besuch. Ständig war etwas los. An einem Geburtstagsfest von mir hatten wir etwa fünfzig Gäste. Wir schossen jedes Jahr ein gewaltiges Feuerwerk ab. Jeder der sich traute konnte sich ein Instrument greifen und musizieren. Nebst dem Elektro Schlagzeug und Synthesizern hatten wir auch Bassgitarre, elektrische Gitarre und verschiedene Jagdhörner. Am Mikrofon gabs umsonst Antiaggressionstraining für die ganz hemmungslosen. Ich denke heute oft: -Ralph, wie schön du es hattest. Du hättest jeden Moment viel mehr schätzen und geniessen müssen.-

Zufriedenheit gibt es aber nicht für gratis. Ich dachte, ich kauf mir mal ein richtig geiles Auto. Vielleicht macht das glücklich. Ich kaufte einen Skoda Felicia Fun. Sehr seltenes Sondermodell das man fast nie auf den Strassen sieht. Es gab dieses Auto nur knallgelb und es war ein Pickup. Man konnte die hinteren zwei Sitze hochziehen und die Kollegen sasen im Cabriolet. Im Innenraum war alles aus gelben Leder und die Soundanlage war vom feinsten. Zweimal hatte ich innert kürzester Zeit grosse Blechschäden. Irgendwann hatte ich soviel Tabletten geschluckt, dass ich in den Gegenverkehr fuhr. Komplett eingeschlafen hinter dem Steuer. Niemand verletzt, aber mein Skoda hatte Totalschaden. Ich hatte wieder grosses Glück gehabt. Führerschein weg. Und das Auto auf Leasing gekauft! Mein Bruder verschaffte mir Arbeit im Lager und da Joe auch für meinen Bruder arbeitete, konnte ich jeden morgen zur Arbeit mitfahren. Ich ging nicht mehr zur Therapie und soff heimlich schon frühmorgens weissen Martini. Ich schluckte alle Arten von Tabletten und im Geschäft angekommen hatte ich bereits ein Pack Zigaretten geraucht. Joe ging das langsam sehr auf den Sack. Bei der Arbeit als Lagerist hatte ich viel zu wenig zu tun und ich meldete Depressionen an. Die hatte ich auch und lag ein Jahr lang, mehr oder weniger nur rum. Endlich bekam ich die Fahrerlaubnis zurück. Ich lud die Frontscheiben für eine lange Fahrt in den grossen Ford Transit. Über Mittag besuchte ich eine alte Freundin und wir soffen zwei Flaschen Champagner und etwas Bier. Ich schluckte auch locker noch acht Valiumtabletten. Ich konnte ein ganzes Pack der dunkelblauen pro Tag schlucken. Ich war wie ein Zombie. Da verlor ich die Kontrolle über den Lieferwagen und knallte links in eine Mauer. Danach fiel der Wagen auf die Seite und schlitterte die Strasse entlang. Zum Glück war keiner der zahlreichen Kipplaster mit Kies unterwegs, die in diesem Gebiet den ganzen Tag hin und her fuhren. Mein Fuss war eingeklemmt aber Schmerzen hatte ich keine. Ich war euphorisch und lachte. Die Polizisten begriffen gleich, dass ich unter Einfluss verschiedenen Substanzen, Auto gefahren bin. Ich bin sofort nach Zürich, in ein grosses Spital gefahren worden. Da dämmerte es mir langsam, ich war am Tiefpunkt angekommen. Ich hatte die Fahrerlaubnis ein Jahr abgegeben und am selben Tag an dem ich sie zurückbekam, machte ich diesen schlimmen Unfall. Am Abend traf ich meinen Bruder Alphons. Da weinte ich und schämte mich sehr. Föns weinte auch. Es war schlimm. Joe hatte ich auch komplett enttäuscht und ich liess mich zu Mutter fahren. Ich wartete auf einen freien Platz in der Klinik Littenheid. Mutter hat vom Arzt ein Pack Valium bekommen und ich bettelte jede Stunde um eine weitere Tablette. Mutter und Vater fuhren mich nach Littenheid im Kanton St. Gallen.

 Littenheid
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66.   Littenheid

In der Klinik Littenheid blieb ich fast 5 Monate. Zwei Monate dauerte alleine der Entzug. Ich bekam zu Beginn eine eine sehr hohe Valium Dosis als Depot Tablette. Das wurde dann immer mehr reduziert. Zum Schlafen gab es Neuroleptika. Es war Spätsommer und die grossen Hits, die ständig im Radio gespielt wurden, hiessen: "Maria" von Blondie und "Summer Sun" der Band Texas. Littenheid hat mir sehr gut getan. Ich konnte mich neu organisieren, begann wieder zu lesen und zu spazieren. Die Klinik ist riesig und unser Quartier hiess: "Pünt Mitte." Das waren drei Häuser nebeneinander. Im Pünt Nord waren die von Depression gequälten und im Punt Süd, bestimmt 20 magersüchtige Mädchen und Frauen. Wir in der Mitte waren alles Süchtler. Jeder hatte ein Einzelzimmer und wir durften uns frei bewegen, wohin wir wollten. Wir sassen oft vor dem Haus und es war oft sehr lustig und niemals war es bösartig. Die alte Bibliothek hatte eine tolle Auswahl von Büchern aus dem zweiten Weltkrieg und eine Menge interessanter Biografien. Ich lass die Erinnerungen von Speer und die Tagebücher von Göbbels. Von Woody Allen las ich ein sehr lustiges Buch. Dämonenkiller hatten sie leider keine. Ich las immer drei Bücher miteinander. So wie früher, in den besseren Tagen, wieder einmal ein Buch in die Hand nehmen und sich gemütlich auf eine Sitzbank am Waldrand setzen. 

Es gab eine tolle Musiktherapie mit einem Schlagzeug ohne Marschtrommel. Da schlug ich halt auf den Rest drauf, so laut ich konnte. Eine Frau weinte dann immer und verkündete: "Diese Agressionen tun mir so weh. Kannst du nicht ganz leise, mit mehr Gefühl spielen?"

Es war nicht immer einfach aber der Therapeut machte das sehr gut. Nach meinem Klinikaufenthalt, sendete ich ihm wie versprochen eine schöne Marschtrommel mit ordentlich Rumms! Littenheid hatte auch ein Restaurant das mitten in der Klinik stand, aber nicht zur Klinik gehört. Da trank ich oft am Nachmittag ziemlich entspannt einen halben Rotwein. Es ging ja jetzt in erster Linie um die elende Tablettensucht und da befand ich mich bestimmt auf dem richtigen Weg. Viele halb verrückte Menschen liefen den ganzen Tag frei herum und schnupperten um unsere Tische. Ein Mann zitterte unglaublich. Beim Sprechen lief ihm immer der Speichel aus dem Mund und man verstand kein Wort. Er bat immer um eine Zigarette. Martin gab ihm immer eine. Einmal aber wurde es Martin zu viel. Er warf ihm das ganze Pack Marlboro zu und rief:

"Nimm doch den verdammten Scheiss! Und gib mol Rueh!" 

Der alte Mann war so geschockt, sein Gesichtsausdruck, man konnte es nicht glauben. Wir haben alle gelacht bis uns die Tränen liefen. Einer von den mit Depression gequälten sas auch ständig bei uns, weil die Stimmung bei uns ausgelassener war! Er erklärte seine Strategie gegen zu lang abgehaltenen Mittagsschlaf. Er würde immer mit Schuhen und Jacke ins Bett gehen, so sein Rezept.

Bei den Parklätzen für die Besucher stolperte immer derselbe Mensch rum. Er war wie viele andere auch, fast schon sein ganzes Leben in der Klinik. Er machte immer wilde Handzeichen wenn ein Besucher einparkierte. Das tat er sieben Tage die Woche. Er konnte von Gammastrahlen erzählen, die ihn langsam verseuchten und von Ausserirdischen die auf dem Zugerberg gelandet sind.  Wir hatten zweimal Gruppentherapie und zwei persönliche Therapiestunden pro Woche. Es gab eine Ergotherapie, geführt von einer grossartigen Frau. Man konnte Malen, Stricken, Lesen und Skulpturen aus Speckstein anfertigen. Auch im Freien konnte man Werken und zum Beispiel Seidenmalen oder Teppiche knüpfen. Ich hab oft Gedichte geschrieben, die nie jemals jemand freiwillig lesen wollte. Mir hat das richtig gefallen und ich ging 5 Monate nie nach Hause. Joe wollte mich sowieso noch nicht sehen. Alle freuten sich auf das Wochenende, um zu beweisen dass sie auch ohne Drogen gut auskommen. Am Montag an der ersten Gruppensitzung erzählten dann alle weinerlich von ihren Rückfällen. Ein Zürcher erzählte sehr reumütig, er hätte es geschafft, sich zwei Tage mit zwei Flaschen Vodka einzusperren. Als Strafe durfte er das nächste Wochenende nicht nach Hause. Dann spielte er am Samstagmorgen so laut Musik ab, dass niemand mehr schlafen konnte. Jemand schrie runter: "Stell die verdammte Musik ab!!" Der trockene Trunkenbold rief retour: "Das ist Eurythmics!"

Als ob das was ändern würde. Seither höre freiwillig keine "Eurythmics" mehr. Wir hatten auch tolle Kochkurse. Das Käsefondue ohne Weisswein und Kirsch gab mir aber sehr zu denken. In der Klinik Oberwil konnte man zum Vergleich gar nichts Essen. Alles schmeckte grauslig. Hier in Littenheid war das Essen fantastisch. Oft brachte der Chefkoch den Wagen mit dem Essen persönlich. Er grüsste alle überschwenglich und fragte wie es einem denn so geht. Ich hatte bereits eine brutale Essstörung und nahm nur Milchshakes mit viel Protein zu mir. Seine Kochkünste halfen mir sehr. Jeden Tag machte er eine andere Suppe und schon bald ass ich jeden Tag mehr. Einmal gab es lecker Schwarzwälderkirschtorte mit echtem Kirschwasser darin. Eine Frau von uns bekam nach dem Verzehr der Torte, wieder mächtig Lust aufs Trinken und besoff sich heimlich auf dem Zimmer. Das gab dann einen kleinen Skandal und fortan nur noch Gugelhopf, ohne Alkohol, für uns alle. Eines Abends vermissten wir Yolanda. Sie war früher mit einem Künstler zusammen. Dreissig Jahre lang war sie seine Muse, dann hat er sich von ihr getrennt. Das hat sie dermassen aus der Bahn geworfen, dass sie einen Tee aufbrühte mit Engelstrompeten. (Ein sehr starkes Gift, nach dessen Konsum man nicht mehr weiss, was man macht.) Sie sprang aus dem zweiten Stock ihres Hauses und brach sich die Hüfte und ein Bein. Das war inzwischen alles mehr oder weniger gut geheilt, aber sie kämpfte immer noch mit Depressionen und Suchtproblemen. Wie wir alle anderen auch. Diese Yolanda wurde vermisst und einige machten sich auf die Suche nach ihr, in den vielen umliegenden Wäldern. Etwa um Mitternacht kam sie von selbst zurück. Mit blutenden Händen und komplett verweint. Sie hatte mit den Händen ein grosses Grab geschaufelt und in Gedanken, ihren Ex darin begraben. Das hat ihr sicher gut getan. Sie zeigte uns auch Gemälde ihres Künstlers. Leider ist mir der Name entfallen, der Mann konnte grossartig malen. Martin und ich trafen einen Mann der immer von Visionen erzählte. Vor allem Pharaonen schienen darin oft vorzukommen. Diesen Menschen wollten wir als Orakel benutzen. Um unsere Zukunft zu sehen. Das funktionierte gar nicht. Als wir mit ihm im Cafeteria sassen, konnte er keine Verbindung zum Pharao aufnehmen. 

Wir zwei Helden suchten auch Tollkirschen und psychoaktive Pilze im Wald. Martin hat dazu extra ein Buch in Wil gekauft . Das Buch hiess: Die Pflanzen der Götter. Wir assen jeweils eine Tollkirsche, aber wir spürten keine Wirkung. Hatten nur einen komischen Magen. Mit Macit fuhr ich nach Wil und wir kauften ein "Duftsäckli" im Hanfshop. Das Gras donnerte so mächtig rein, dass wir uns kaum mehr trauten zur Klinik zurück zukehren. Er wohnte in einer anderen Station der Klinik. Im Fernsehraum hatte es einen Videorekorder und Macit verbarg in den leeren Videohüllen immer einen Joint für mich, wenn er mich besuchte. Der Balkon im ersten Stock ging um das ganze Haus rum, und als ich da wieder einmal einen Joint rauchte, versank ich in einer anderen Welt. Die Angst erwischt zu werden löste noch zusätzliches Adrenalin im Körper aus. Es war schon Nacht und ich konnte in die beleuchteten Zimmer von Pünt Nord sehen. Die Depressionskranken. Eine Frau malte Bilder auf Seidentücher. Einer war am Lesen und ein anderer lief ständig auf und ab. Später übte noch jemand mit dem Saxophon. Es war magisch. Es gab auch wenig schönere Momente. Die Magersüchtigen, meist 17 jährigen Mädchen bestanden oft nur noch aus Haut und Knochen. Sie baten uns oft Abführmittel für sie in Wil zu besorgen. Das taten wir niemals. Sie selbst durften ja nicht nach Wil fahren. In diesen fünf Monaten, welche ich in Littenheid verbrachte sind zwei dieser Mädchen verstorben. Sie waren beide einfach zusammen gebrochen und waren auf der Stelle Tod. Eines dieser jungen Mädchen starb während dem Telefonieren. Wir kannten nur eines davon, und wir waren alle sehr traurig darüber. Meine Eltern besuchten mich nie und auch Joe hatte keinen Bock auf mich. Aber mein Bruder Alphons mit seiner Frau, und auch mein Onkel und Götti mit ihren Frauen besuchten mich, was mich sehr freute. Mein Bruder Frank hatte andere Probleme und befand sich im Methadon Programm. 

Im unteren Stock von Pünt Mitte befand sich eine lange Wand, die mit Papier überzogen wurde. Hier durfte jeder hinschreiben was er wollte. Ich schrieb in grossen Buchstaben:

-Ich habe Gott getötet, seither bin ich frei.- 

Da antworteten einige Menschen betroffen darauf und schrieben anonym darunter: 

-Du wirst in der Hölle schmoren!-

Oder noch besser: 

-Gott hat dich getötet!- 

Unsere Pfleger waren alle gut ausgewählt, alle Tolerant und irgendwie mit ihrem sehr gut bezahltem Job zufrieden. Sie sassen echt den ganzen Tag mit uns zusammen. Hansi war ein echter Hippie der Woodstock Generation. Er rauchte selbstgedrehte Zigaretten mit schwarzem Tabak und zum sich einen Kaffee aufbrühen brauchte er stolze 30 Minuten. Den trank er natürlich immer schwarz. Er trug, auch in der der grössten Hitze, einen selbst gestrickten Pullover seiner Frau. Mit aufgenähter Lama Symbolik. Seine Zähne verweigerten den Zahnarztbesuch seit Jahrzehnten. Er erzählte viel vom Alchemistentum und baute sich in seinem eigenen Garten eine Höhle. Er lehnte allen seine Schallplatten aus. Er besass eine Riesensammlung, aber ich fand das schon etwas naiv. Den viele Patienten, auch in Pünt Mitte, bei uns, erschienen nach dem Wochenende niemals mehr in der Klinik. 

Einmal rückte ein echter Schönling ein. Ein echter Adonis Mit langen Haaren und Akustikgitarre um den Hals. Martin lachte laut raus, ich hielt mich zurück. Ein unserer Ansicht zu eitler Mensch und viel zu selbstverliebt. Er hatte natürlich auch einiges an sich, was uns beiden komplett abging. Erfolg bei Frauen zum Beispiel. Neid ist ein schlechter Berater..

Er spielte vor allem Mani Matter Lieder. aber niemals vor Zuhörern. Nur an Weihnachten spielte er für eine kleine Gruppe im Aufenthaltsraum. Danach ward er nie mehr gesehen. Dani und ich waren nicht da, wir rauchten an Weihnachten, tief im Wald einen Joint. Ich wurde oft beim Rauchen von Joints und Trinken erwischt. Einmal sass ich in der Gruppentherapie und war sehr übermütig nach dem Genuss von 5 dl Rotwein. Ich sagte zum, meiner Meinung nach, eher dümmlichen Psychiater: 

"Ihren Job möchte ich haben!" 

Da antwortete er präzis analysierend: 

"Herr Schmid, haben sie Alkohol getrunken?" 

"Ja." antwortete ich. 

Ich musste sofort den Raum verlassen und durfte am Wochenende das Zimmer nicht verlassen. Da schaute ich dann trotzdem Fernsehen im Aufenthaltsraum, mit Hansi dem Hippie. Er war einfach ein lieber Kerl. Im selben Raum erwischte mich ein anderer Pfleger auch etwas betrunken. Bei der Urinprobe hatte ich ein mit fremden Urin gefülltes Kondom dabei. Bei der Abgabe fiel der Pflegerin sofort auf, dass der Urin keine Körpertemperatur hatte. Er war viel zu kalt. Erwischt! Im kleinen Lebensmittelladen von Littenheid viel mir eine sehr schöne Spanierin auf. Ich traf mich mit ihr. Aber sie konnte niemals weit weg von ihrem Quartier spazieren. Sie konnte dann plötzlich nicht mehr schlucken und erstickte jeweils fast. Ich organinisierte einen halben Rotwein und schmuggelte ihn in ihr Zimmer. Gleich während dem öffnen der Flasche stolperte die Pflegerin ins Zimmer. Erwischt! Das war dann genug. Entweder ich würde die Klinik verlassen oder ich müsste umziehen in die geschlossene Abteilung. Martin war schon vor einer Woche schon abgereist. Ich aber wollte noch die geschlossen Abteilung als Erfahrung mitnehmen. Im Handkarren fuhr ich meine sieben Sachen zur geschlossenen Abteilung. Dort darf niemand raus. Jedenfalls niemals ohne vorherige Bewilligung. Beim Eingang war alles aus Glas gebaut, damit die Pfleger alles im Blickfeld hatten. Ich schlief in einem Doppelzimmer mit einem Mann der niemals mit mir gesprochen hat. Er lebte in seiner eigenen Welt. Er besass auch eine schöne Handorgel. Leider hörte ich ihn nie spielen. Man hatte ohnehin das Gefühl in diesem Haus seien alle am flüstern. Niemals sass jemand im Aufenthaltsraum, alle waren den ganzen Tag in ihren Zimmern. Jemand flüsterte mir ins Ohr, mein Zimmerpartner glaube, er sei Elia aus dem alten Testament. 

Da hatte Nitzsche schon vor 150 Jahren recht gehabt:

-Willst du sehen, was die Religion mit Menschen anstellt, gehe ins Irrenhaus.-

Ich war ja auch oft mit magersüchtigen Mädchen spazieren. Im schlimmsten Fall wurden sie sexuell misshandelt aber meistens fühlten sie sich nicht geliebt oder abgeschoben. Ihre Fragen waren, auf einen einfachen Punkt gebracht, stets dieselbe: 

-Warum?- 

Diese Frage konnte ich ihnen nie schlüssig beantworten, solang dieselbige Person an einen Gott glaubt, der ihr diesen Verdruss ja schliesslich zugemutet hat. Dieses verdammte Schuldgefühl, bis heute wird es gepredigt und verkündet. Mir reichte es auch in der Geschlossenen und ich fuhr zurück zu Joe in unser schönes Chalet. Heute besitze ich das Austrittsprotokoll, in dem geschrieben steht:

-Ich wurde zwölf mal unter Alkohol oder Marijuana Einfluss erwischt. Meine Mutter küsste mich auf den Mund, beim Eintritt. Trotzdem gute Chancen.-

Meine Psychiaterin Dr. Vogel war hochintelligent. Sie wusste genau wo das Problem war.

Trotzdem fuhr ich wieder zuerst zu Mama, um von meinen Erfolgen zu erzählen. Da wurde mir zu 100% jegliche Selbstbeteiligung an diesem Erfolg abgesprochen. Vater sagte das mit mir alles Sinnlos sei und Mutter meinte ich sähe schrecklich aus.

Mein Leben lang war meine Mutter in meinem Kopf mein Gewissen. Ich liebte halt meine Mutter, wie jedes Kind es tut, obwohl sie mich ständig verletzte.

Zurück in den Bergen ging ich auch wieder jede Woche in die Psychoanalyse. Ich bekam eine halbe Invalidenrente für eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung.

Mein letzter Autounfall war schlimm, die Busse betrug 11 Tausend Franken und ich konnte wählen zwischen 6 Monaten Gefängnis oder 4 Monaten gemeinnütziger Arbeit in einem Altersheim. Ich wählte das Altersheim. Die Leiter waren sehr bösartige Menschen, die ständig in Lokalzeitungen auftauchten. Sie sonnten sich in Vernissagen, Austellungen und neuartigen Konzepten. In Wahrheit war es trauriger als Littenheid. Ein richtiges Loch. Wir hatten niemals Zeit für die alten Menschen. Wir hetzten von einem Schlag zum anderen und knallten das Essen hin. Einmal fanden wir Zeit eine Zigarette zu rauchen. Der Direktor sah uns und hat uns angeschrien. Ich arbeitete hart vier Monate lang und bekam keinen Lohn dafür. Nicht mal bedankt hat er sich. Ein paar Jahre später, wie sie lesen werden, konnte ich mich aber rächen!

Zurück in den Bergen
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67.  Zurück in den Bergen

 

In Unterägeri nahm ich eine CD in einem Tonstudio auf. Die komplette Musik hatte Joe auf Computer dabei und ich musste nur noch singen. Die Texte waren Schweizerdeutsch und handelten ausschliesslich vom Gastgewerbe. Ich nannte mich "Jonny Waiter" und das Album hiess: GastroZone. Damit konnte ich nichts verdienen. Ich fand eine Stelle als Aushilfskellner in einem sehr grossen Seminarhotel mit allen Schikanen.

Joe und ich kauften ferngesteuerte Flugzeuge. Ich sah mir hunderte Videos im Internet an um auch ja das passende Anfängerflugzeug zu kaufen. Das ist ein tolles Hobby aber auch etwas teuer. Inklusive Fernbedienung kostete das Flugzeug 400.- Franken. Ich malte meines an und verzierte es mit billigen Funkelsteinen. In der Nähe von Einsiedeln liessen wir sie von einem Profi einfliegen. Ausbalancieren. Zuhause mussten wir nur vor das Haus gehen um sie fliegen zu lassen. Joe startete seinen zuerst. Der flog 10 Meter gerade hoch und dann wieder gerade runter. Totalschaden. Ich war vorsichtiger. Meine Maschine flog etwa hundert Meter schön flach dem Boden entlang. Erst dann zog sie 10 Meter hoch um im Sturzflug wieder runterzukommen. Totalschaden.

Verrücktes Hotel
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68.  Verrücktes Hotel

Ich arbeitete die meiste Zeit in der Frühschicht von 6.00 bis 15.00 Uhr. Ich war oft übernächtigt, weil ich mir bis morgens um drei "Autopsie" im TV angeschaut hatte. Im Team waren an Nationen gefühlt die ganze Welt vertreten. Im Restaurationsbetrieb versuchten sie es auch einmal mit jungen Chinesinnen. Da bestand aber immer ein zu grosses Sprachproblem mit den Gästen. Die meisten von ihnen arbeiteten nachher in den Büros. Auch Frauen aus Afrika sollten im Service arbeiten. Sie waren leider einfach zu langsam. Nichts konnte ihren gemächlichen Trott stören. Auch wenn Gäste schrien und reklamierten, sie blieben immer fröhlich. Sie wurden nachher im Zimmerservice eingesetzt. Das konnten sie sehr gut. Es gab Fragebögen für die Gäste. Die Gäste durften ankreuzen, ob sie mit dem Hotelangebot oder dem Service zufrieden waren. Einmal im Monat füllte ich so einen Zettel selbst aus, lobte natürlich immer speziell den gepflegten Service von Herrn Schmid. Unser Team bestand hauptsächlich aus Frauen von Serbien und Kroatien. Vesna, Verka und Lydia. Sie waren immer da und konnten arbeiten wie Tiere. Wir hatten eine Menge Spass und nie Streit. Sie riefen mich immer: -Ralfic!- 

Im Service-Team war ein stetiges Kommen und Gehen. Ein junges Ehepaar aus Österreich wollte in der Steiermark ein Restaurant pachten und führen. Sie schufteten wie die Ochsen sieben Tage die Woche. Es fand an einem Abend ein riesiges Bankett mit ein paar hundert Gästen statt. Der derzeitige Getränke und Essensmanager, (F&B Manager), trat vor dem Mittagsservice an mich heran und sagte zu mir:

"Herr Schmid, sie haben ja die Wirteschule besucht und kennen sich mit Weinen aus. Testen sie die Weine bitte auf Zapfengeschmack. So sparen wir am Abend viel Zeit." 

Er stellte einen Champagnerkübel auf den Tisch, zum Ausspucken, und etwa 10 Kisten Wein. Als Herr Zimmermann später zurückkam hatte ich schon mächtig einen sitzen. Der Champagnerkübel war leer, wie Herr Zimmermann erstaunt feststellte. Ich hatte einfach den ersten Schluck zu sehr genossen und zog es dann einfach durch, bis zur letzten Flasche. Herr Zimmermann nahm mich zur Seite und sagte zu mir:

"Herr Schmid, jetzt gehen sie aber besser nach Hause!" 

Wir hatten einen Chef de Service aus Belgien. Er war auch Privat oft in unserem Chalet zu Besuch. Wir hatten eine Flasche Baileys (Cremeschnaps) im grossen Kühlschrank versteckt und einmal jeden Morgen nahmen wir einen ordentlichen Schluck davon. Einmal hatte er Valium Tabletten dabei. (Er war eine wandelnde Apotheke.) Ich dachte wegen einmal geht die Welt nicht unter und Jean schenkte mir vier Stück. Nach einer halben Stunde spürte ich noch keinen Effekt und schluckte die anderen drei auch noch. Nach einer Stunde war mir der Service komplett entglitten. Die Wirkung der Beruhigungsmittel war verheerend. Auf halbem Weg zum Tisch oder retour, ich wusste nicht mehr was ich gerade tun sollte. Ich vergass jede aufgenommene Bestellung. Auch fuhr es plötzlich brutal in die Beine und ich bekam den Schlaf. Als Jean einen Kontrollrundgang machte, sah er mich vor den Gästen auf dem ersten Tritt der kleinen Treppe sitzen. Er grinste sehr, half mir auf die Beine, und flüsterte mir ins Ohr: 

"Ralphi, jetzt gehst du aber besser nach Hause!"

Leider gab es schreckliche Tage, da waren wir so wenig Personal, die Gäste gingen dann oft ohne zu bezahlen. Die Kommunikation mit der Küche war auch schlecht organisiert. Es war eigentlich alles schlecht organisiert. Man muss sich mal vorstellen, auf der Terrasse fanden locker 200 Personen Platz. Wollte ein Gast eine kleine Flasche Cola, nicht kalt, musste man die Flasche unter den Dampf beim Kaffeeautomat stellen. Um sie zu erhitzen! 

Wurstsalat, Wurst-Käsesalat, Wurstsalat garniert, Wurstsalat garniert ohne Zwiebeln. Niemals wurde der richtige Wurstsalat den Lift hoch geschickt. Es wurde ein sehr bösartiger Restaurationschef eingestellt. Ein alter kleiner Giftzwerg, der seine Stelle im Hotel Palacio, Luzern verloren hatte. Dort liess er z.B. die Lehrlinge 70 Stunden arbeiten. So stand es damals in einer Luzerner Zeitung. Zu den schönen Frauen war er immer extrem galant und vor den Frauen aus Ex-Yugoslawien nahm er sich in Acht. Ich glaub es war die grossartige Verka, die ihm drohte, einen Schirm über die Rübe zu schlagen, sollte er nicht endlich Ruhe geben! Ich aber hatte eine Heidenangst vor ihm. Niemals arbeitete er. Er sass immer an seinem Tischlein, beobachtete den Service und trank dabei fünf Espresso. Doch irgendwann hatte auch ich genug. Vor den Gästen rief er zu mir runter: 

"Ralph, mach endlich vorwärts!" 

Das rief er einfach, damit er was gerufen hatte. Es handelte sich nicht mal um fundierte Kritik! Ich rief laut zurück: 

"Jetzt ist aber genug!" 

schmiss das Tableau auf den nächsten Tisch und lief zu ihm hoch. Der Feigling ist wirklich gleich davongerannt. Er spürte instinktiv, dass sich da der Zorn von Wochen bei mir entladen hätte. Eine Stunde später kam er grinsend zurück und fragte freundlich: 

"Wie lief der Service?"  

Von da an war er immer freundlich zu mir. 

Die Arbeitsatmosphäre im ganzen Betrieb wurde zusehends schlechter. Ich wurde in der Pizzeria eingeteilt. Der Lehrling und ich fanden um 9.00 Uhr Zeit eine Zigarette zu rauchen. Die Frau des Direktors sah uns und schrie danach laut rum. Im Mittagsservice wurde eine stark übergewichtige Dame als Chef de Service mit ihrer Freundin als Verstärkung eingeteilt. Dieser Chef de Service konnte gar nichts ausser Schwitzen. Ihre Freundin sagte gleich zu Beginn der Arbeitsschicht, sie hätte Menstruationsschmerzen und sie durfte dann während dem Mittagsservice Servietten falten. Das waren dann etwa zwanzig Tische die ich alleine mit dem Lehrling und dem dumm rumstehenden Chef de Service stemmen sollte. Wir nahmen das mit Galgenhumor, sprangen von der Getränke und Essensausgabe raus auf die Terrasse und wieder retour in einem soliden Tempo. Die idiotische Freundin des Chef de Service streckte mir während dem Serviettenfalten die Zunge raus. Es freute sie sehr , dass wir langsam die Kontrolle über die Tische verloren, sie aber nicht einmal arbeiten musste. Der spindeldürre Kellnerlehrling grinste trotz dem Stress und beim vorbeilaufen an ihm, grinste ich auch. Ich wollte gleich raus marschieren, mit drei Tellern auf der Hand, als mich die Chef de Service ansprach:  

"Ich möchte einfach nicht dass ihr lacht während dem Servieren!" 

Da bin ich solchermassen explodiert und produzierte danach den gewaltigsten Abgang meines Lebens. Ich knallte ihr meine vollen Teller mit Pizza Diavolo und Schnitzel direkt vor die Füsse. Vor allen Gästen. Dann ging ich langsam zur Essensausgabe. Da standen Unterteller und leere Suppentassen. Ich räumte alles ab. Sicher hundert Teller flogen durch das halbe Restaurant. Am Buffet riss ich die hoch gelegenen Ablagefächer für Gläser raus und sie flogen auch auf den Boden. Ich nahm einen Abrechnungszettel und rechnete meinen spärlichen Tagesumsatz ab. Ich legte das Geld hin und schlug mit dem Fuss noch schnell die Schranktüre ein. Ich war unheimlich wütend, hätte aber niemals jemanden verletzt. Der überforderte Chef de Service schrie rum: 

"Ruft die Polizei! Geht nicht zu nah an ihn ran!" 

Die hausinterne Arbeitsuniform legte ich gesittet auf den Tisch und fuhr danach mit meinem  Moped nach Hause. Am späteren Nachmittag rief mich der Direktor an. Das Arbeitsverhältnis war beendet. Ich konnte es immer gut mit dem Direktor. Er fand auch meine "Gastro-Zone" CD sehr lustig. Ich musste schliesslich gar nichts für den Schaden bezahlen und mich auch nicht bei jemandem entschuldigen.

 Zahngeschichten
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69.   Zahngeschichten

Leute fragen mich immer, warum meine unteren Zähne so schwarz seien. Weil ich kleine Chirurgische Eingriffe und auch eine professionelle Zahnreinigung, um zu sparen, an mir selbst durchführte. Ich hatte eine strombetriebe Hornhautraspel, die den Zahnbelag nur so wegfegte. Leider den Zahnschmelz auch. Schlimmer waren meine oberen Schneidezähne. Da hatte sich ein Eiterherd eingenistet. Schlussendlich, bis ich zum Ziehen derselben ging, wackelten sie alle vier.

Die Menschen von der Invalidenrente wollten einen Kostenvoranschlag von den Zahnärzten. Noch heute frage ich mich warum die Leute der IV nicht fähig sind, einen eigenen Zahnarzt zur Verfügung zu stellen. Da könnte man riesigem Betrug vorbeugen. Ich wurde ja auch von Zahnärzten gefragt, ob ich mitmache, eine höhere Rechnung der IV zu stellen, nachher bekäme ich auch ein Handgeld von ihnen! Meine Kostenvorschläge gingen von 2500.- bis 31 000.- Franken. Ein Zahnarzt in Goldau schrie mich an: "Abfahren, so IV Pack wird nicht bedient!" 

Ein anderer Arzt aus der Umgebung von Luzern, spürte sofort dass ich kein Selbstbewusstsein besass und machte sich sehr lustig über mich. Die Zahnarztgehilfinnen mussten laut lachen. Ihm bin ich heute noch sehr böse. Ich hasse ihn. Er führt heute noch am gleichen Ort eine riesige Zahnarztpraxis. Er sagte wortwörtlich zu mir: 

"Eigentlich müsste man ihr Gesicht spalten und den Kiefer in der Universität von Zürich als schlechtes Beispiel austellen!" 

Der unglückliche Zahnarzt nützte eiskalt aus, dass ich nur ein Häufchen Elend war. Er verlangte 31 Tausend Franken fürs Zähneziehen, was soviel hiess wie: -Mach dich vom Acker!- 

Eine andere schlaue Dame, aus Affoltern am Albis, hatte einen ganzheitlichen Ansatz. Da verlochte ich auch viel eigenes Geld, für idiotische, personifizierte Zahnschienen, die die Zähne neu richten sollten.  (Während der Eiterherd immer grösser wurde!) Schliesslich fand ich einen grossartigen Zahnarzt in Brunnen. Der riss mir alle vier Schneidezähne raus. Ich hatte, aus Vorsicht, schon vorher tüchtig Schmerzmittel eingeworfen. Ich habe dann auch wirklich gar keine Schmerzen gespürt. Er baute mir vier neue Zähne ein, die fest halten, bis heute! 

Ich fand eine Stelle in einem gutbürgelichem Restaurant. Geführt von einem älterem Ehepaar. Das waren tolle Menschen und ich hatte eine gute Zeit. Leider hörten sie bald mit dem Wirten auf.

Sri Lanka
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70.  Sri Lanka

Es war ein toller Sommer und mein Gras wuchs hoch. 

Wir buchten einen Last-Minute Flug nach Sri-Lanka, zum Schnäppchenpreis. Zwei Wochen im unzählbaren Sterne Hotel. Das Hotel lag zwischen einem mächtigem Fluss und dem Meer. Im Meer waren wir nie, aber jeden Tag im schönen Hotelpool. Auf der Flussseite des Hotels lagen beim Eingang immer 1,5 Meter lange Echsen faul rum. Die wurden sanft von einem alten Mann mit Turban und Besen in den Fluss zurückgefördert. Im Hotel war das Essen lausig und wir warfen es, wie in Portugal, über das Geländer. Da warteten immer schon halbtote Katzen. Überall liefen auch Horden von halbwilden und armen Hunde rum, um die sich niemand kümmerte. Im Dorf selbst sah man überall Ratten so gross wie Biber. Man konnte nicht mal eine Eiscreme kaufen ohne betrogen zu werden. Am Meer konnte man nicht liegen weil einem die "Beachboys" das Leben schwer machten. Sie waren aber in erster Linie, auf eine Heirat mit den vielen, alten Damen aus Deutschland und der Schweiz aus. Sie boten auch preiswerte Ausflüge und Exkursionen an, die allesamt ein Betrug waren. Aber immerhin verlangten sie nur den halben Preisaller anderen Anbieter. Genau wie man nach einem Busausflug in der Türkei, in der Teppichfabrik landet, so landete man hier beim überteuerten Holzschnitzer oder noch schlimmer, beim falschen Edelsteinverkäufer. Da sollte man sich vorher sehr gut informieren. Man kann in Sri Lanka, wenn man weiss wo, exzellenten Schmuck zu besten Preisen kaufen. Das Personal und alle Menschen im Hotel waren sehr freundlich. Bestellte man einen Cognac von stets guter Qualität, stellten sie einem gleich die ganze Flasche auf den Tisch. Wir warfen mit Trinkgeld nur so um uns und wurden vom ersten Tag an wie Könige im Restaurant behandelt. Meistens aber assen wir die leckere Pizza im Poolrestaurant. Neben dem Pool stand ein kleines Steinhaus, indem eine einheimische Frau traditionelle Massagen anbot. Für umgerechnet 10.- Franken. Vieles war damals noch sehr preiswert. Da ging ich hin. Die Massage war eine Wohltat und sie berührte einem zufällig manchmal da, wo die Hände in einer klassischen Massage gar nicht hingehören. Dazu erzählte sie mir in bemühtem Englisch von einer lesbischen Frau, die scheinbar vor längerer Zeit einen Spezialwunsch bei ihr anforderte. Ich verstand sofort und bekam von nun an für 10,- Franken Zusatzkosten, auch jedesmal einen Spezialwunsch erfüllt. Der Raum war nur durch einen langen Vorhang verborgen und der alte, geile Mann, der für den Pool verantwortlich war, lief ständig hin und her, um auch einen Blick erhaschen zu können. Ihm gab sie immer zwei Franken, dann verzog er sich. Fortan gingen Joe und ich, am späteren Nachmittag zur Spezialmassage. Der alte Poolmann hatte ein kleines Nebeneinkommen, denn bereits um 14.00 Uhr fragte er uns beim Sonnenbaden freundlich: 

"No Massage Today?"

Im Hotel trat ein greiser, versoffener Zauberkünstler auf. Die Kellner erzählten uns, dass der Magier einmal so besoffen war, dass er sich fast bei einem Seiltrick selbst erstickte!

Vor seiner Show sahen wir ihn eine Schnapsflasche ansetzen. Er soff die halbe Flasche in einem Zug. Sein Zustand war desolat, aber er hatte alle alten Klassiker im Sortiment. Ein alter Mann, der nun schwitzte und zitterte. Ganz bestimmt tingelte er schon sein ganzes Leben durch die Hotels von Sri Lanka. Er verstand sein Handwerk auch mit zitternden Händen noch gut zu verkaufen. Sogar der -Seil um den Hals- Trick ist ihm an diesem Abend gelungen. Im Hotel logierten auch einige Russen. Sie feierten gern bis in den Morgen und tranken unglaubliche Mengen hochprozentigem Zeugs dazu.

Wir wurden von einem Kellner zu einem privaten Essen bei ihm zuhause, bei seiner Familie, eingeladen. Die Armut erschreckte uns, aber auch die Tatsache dass wir uns im Taxi verstecken und bücken mussten. Die Beachboys hätten den freundlichen Kellner sonst zusammen geschlagen. Nur Beachboys durften Kontakt mit Touristen aufnehmen, sonst gab es Schläge. Wir hatten die Schnauze voll von den Beachboys. Jeden verdammten morgen sprangen sie wie dumme Hunde, am Zaun zum Poolbereich hoch, und wollten uns ihre Zahnschmerzen verkaufen. Der Strand wird von verschiedenen Gruppen mit je einem Boss kontrolliert, die jeweils ein paar hundert Meter ihr eigen nennen. Der Boss an unserem Abschnitt sah aus wie Michael Jackson und er kriegte jede der jungen Deutschen Mädels nebenan ins Bett. Wir kauften ihm eine teure Holzmaske ab, danach hatten wir etwas Ruhe. Wir fuhren an einen Fischerhafen. Da kamen die Fischerboote an. Wir durften auf ein Fischerboot und den Fang ansehen. Alle Boote hatten das gleiche geladen. Sie waren bis oben voll mit Haifischflossen. Nur die Rückenflossen. Das hat uns sehr schockiert. Die drei Deutschen Mädchen waren uns zu blöd und wir wollten professionelle Sexberatung in Anspruch nehmen. Dafür wurden wir von einem Tuktuk weit ins Land gefahren und an einem abgelegenen Haus abgesetzt. Der Fahrer wartete draussen auf uns. Wir gingen hinein und sahen einen sehr fetten unsympathischen Mann hinter einem riesigen Schreibtisch sitzen. Der Zuhälter. Es waren gar keine Damen im Haus und es dauerte eine ganze Weile bis eine Frau ankam. Ihre Augen waren traurig und ihre Körpersprache verriet ihre Angst. Das war uns gar nicht recht. Wir gaben ihr das nötige Geld und etwas für ihre Familie und fuhren sofort zurück. Wir hätten unbedingt dem Zuhälter auch etwas Geld stecken sollen. Bestimmt hat er es der Frau sofort wieder abgenommen. Wir waren schon sehr naive Menschen.Wir hatten eines Tages richtig Lust auf ein Steak oder Filet. Bei uns im Hotel war jedes Fleischstück zäh wie Leder, weil bereits seit drei Stunden auf dem Grill. Wieder fuhr uns das Tuktuk zwei Stunden im Kreis herum, bis wir nur zweihundert Meter entfernt neben dem eigenen Hotel, an einem Restaurant abgeladen wurden. Der Tuktukfahrer kassierte sein Geld vom Restaurantbesitzer und fuhr wieder davon. Das Fleisch war auch hier ungeniessbar. Schöner war die Natur. Auf unserem Balkon flogen einem die Flughunde um die Ohren. Am Tag sah man sie in den Bäumen hängen und schlafen. Auch konnte man Futter für die Streifenhörnchen kaufen. Sie waren sehr zahm. Immer wurde die ganze Horde von einem Männchen angeführt. Das Alphatier hatte jeweils Eier so gross wie Pingpongbälle und wir mussten darüber immer lachen. Einmal im Monat, am Vollmond, war das Vollmondfest. Da arbeitete niemand und es wurde im ganzen Land kein Alkohol ausgeschenkt. Nur in den Hotels gab es Alkohol zu trinken. Das war wie in einem fantastischen Jack Vance Roman. Das ganze Dorf roch schon am morgen nach Räucherstäbchen und die Menschen waren durch den Wind. Sie strömten alle in die Tempel um noch mehr Räucherstäbchen anzuzünden. Auch donnerten sie auf ihren ramponierten Fahrzeugen, noch schneller als üblich umher. Wir hatten am Ende der Ferien richtig grosse Lust, auf eine einfache Rösti mit Bratwurst und Zwiebelsauce, und flogen wieder zurück.

 Was geht ab ??
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71.   Was geht ab ??

In der Schweiz zog es uns gleich ins Tessin. Wir wollten ein Restaurant pachten und schauten uns dazu zwei an. Eines lag in Brissago. Die Gartenterrasse war völlig verwittert und obwohl das Restaurant/Hotel geöffnet war an diesem Sonntagmittag, war kein Gast zu sehen. Es waren so viele Baustellen nah am Hotel zu sehen, dass unserer Meinung nach, ein Vermieten von Zimmern unmöglich war. Ein einsamer Koch versteckte sich in der Küche. Der Vermieter traf ein, mit Mercedes, weissem, offenem Hemd und Rolex. Er verlangte 3500.- pro Monat, für ein total runtergewirtschaftetes Hotel. Er hielt uns schon für etwas dumm und sagte dann auch noch frech: 

"Das ist die reinste Goldgrube, aber ohne zu arbeiten geht das nicht!" 

Danke, und wir waren weg. Das zweite war mehr eine tolle Bar als Restaurant, mit ein paar Tischen und zwei Kegelbahnen. Eigentlich ein Traum, aber der Vermieter war sehr ehrlich und mochte uns zwei Spinner sehr gut. Auf jeden Fall warnte er uns, es sei teuer, es müsse was gemacht werden, etc. Da fuhren wir wieder nach Hause. Glück gehabt.

 

Ich lernte eine tolle Bardame kennen, hübsch und intelligent, und ging ein paarmal mit ihr aus. Ich schenkte ihr ein Chanel Parfum und sie erzählte von einem Geheimnis dass sie besitze. Ich kochte ein Käsefondue und sie brachte ihr Geheimnis gleich mit. Eine Kampflesbe wie aus dem Bilderbuch. 200 Kilo mit Glatze, tätowiert und Zippofeuerzeug.

Das hatte ich nicht erwartet und mir hat es fast die Schuhe ausgezogen. Ich hab rein gar nichts gegen homosexuelle Paare. Zum Glück. Diese Dame hätte mich schon zum Frühstück gefressen oder in einer Hand zerquetscht.

10 Jahre später traf ich die hübsche Bardame wieder. Dieses mal ohne Lesbe, dafür mit zwei eigenen Kindern. -Was für ne Scheisse!- dachte ich. Weitere fünf Jahre später traf ich sie nochmal. Geschieden. Ich solle doch mal anrufen. Dazu hatte ich keine Lust mehr.

 

In Goldau hatte jemand ein tolles, neues Gastrokonzept entworfen. Der Wirt wollte Vernissagen mit Künstlern abhalten und sämtliche Objekte im Restaurant konnten erworben werden. Ich fuhr nach Goldau und erschrak sehr über den psychischen Zustand des Wirts. Er kam daher wie eine Mischung aus Harald Klööckner und Ludwig dem Märchenprinz. Er lebte in einer eigenen Welt und schluckte eine Menge Psychopharmaka. Ich sollte den nächsten Samstag gleich durcharbeiten. Er sei das einzige Restaurant das 24 Stunden geöffnet sei. Mir war das recht, die Bezahlung gut und ich musste ja nur zwei Tage arbeiten. Also trat ich am folgenden Samstag zum Dienst an. Der Wirt befand sich in einer komplett manischen Phase. Er hatte schon soviel Champagner getrunken, dass man ihn kaum mehr verstand. Er schwafelte etwas von einem Märchenprinz im Tessin, überreichte mir die Schlüssel, und zog davon. Die zwei lustigen Damen an der Bar, hatten den ganzen morgen aufs Haus getrunken und verliessen mich auch bald. Anschliessend hatte ich keinen einzigen Gast mehr. Am Abend kam die andere Serviceangestellte, die eigentlich ihren freien Tag hatte. Sie nahm den Schlüssel vom Billardtisch aus dem Schrank und öffnete das Fach mit den fünffranken Stücken.  

"So hab ich wenigstens etwas verdient!" sagte sie zu mir. Da wusste ich was es geschlagen hatte. Um morgen um neun hätte die Ablösung kommen sollen, doch niemand erschien. Niemand antwortete auf Telefonanrufe. Nur der Wirt befand sich noch, nach zwei Tagen im bereits geschlossenen Restaurant. Ich fuhr mit Joe hin und bekam meinen Stundenlohn. Der Mann tat mir sehr leid. Man hat ihn nicht mehr erkannt, so tieftraurig war er. Auf seinem Polo Shirt sah man Kotze und er roch nach Urin. Das Restaurant öffnete nie mehr. Ich konnte ihm nicht helfen. 

Leider jammert man oft im Leben, aber man hätte noch viel schlechtere Karten erhalten können!

 

Einmal in meinem Leben hatte ich das Glück, eine echte Exhibitionistin zu sehen. Ich sass in einem Gartenrestaurant, kurz vor meiner Therapiestunde. Da fiel mir auf, dass die Frau, drei Tische neben mir, manchmal die Beine spreizte, wenn Männer vor ihr den Weg querten. Ich zahlte schleunigst, holte hundert Meter Anlauf und spazierte dann ganz zufällig langsam an ihr vorbei. Und prompt spreizte sie ihre Beine. Und sie trug wirklich kein Höschen. Ich sah einen gepflegten Urwald der vor der Abrodung bewahrt wurde. Ich wurde rot und stolperte weiter. Manchmal hat man richtig Glück im Leben!

H.R.GIGER
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72.  H.R.GIGER

H.R. Giger war ein bedeutender Schweizer Surrealist, der für seine Mitarbeit am "Alien" Film den Oscar erhielt. Seine grossformatigen Airbrush Bilder sind weltbekannt. Das erste Mal traf ich ihn als ich etwa 25 Jahre alt war. Ich holte mir für den Flug nach Amerika noch etwas für die Entspannung in einer Zürcher Apotheke. Hansruedi kam mir entgegen, er hatte gleich einen Sack voll "Vitamine" eingekauft. Ich erkannte ihn vom Fernsehen und von einer Austellung im Seedammcenter. Das freute ihn und er fragte, was ich so mache, wie meine Band heisse. Wie immer war er sehr freundlich.

Ich flog für drei Tage nach Prag um einen ehemaligen Freund aus dem Gastgewerbe zu treffen. Da besuchte ich die Galerie von Victor Safonkin. Ein Surrealist der sehr grosse Ölbilder malt. Im Gegensatz zu Giger war er, zumindest damals, immer schneeweiss gekleidet. Hansruedi liebte das schwarze. Safonkin war anwesend und ein totaler Fan von Gigers Kunst. Er zeigte mir seine Bilder. Ich hatte ja die Telefonnummer von Giger und wusste auch wo er wohnte. Also gab mir Safonkin eine Menge seiner Kunst und seine Visitenkarte mit in die Schweiz. Ich hätte einen echten Safonkin kaufen können für 500.- Franken. Aber ich hatte nur noch fünfzig. All diese Sachen brachte ich zu Giger. Vor 17.00 Uhr ist Hansruedi kaum aufgestanden und wir warteten mit Bäri zusammen, im unteren Stock, seiner zwei Reiheneinfamilienhäuser. Bäri war seit Jahren die rechte Hand und das Hausmädchen von Ruedi. Bäri war auch ein Künstler. Er behauptete, niemand auf dem Planeten könne so gut Terence Hill und Bud Spencer zeichnen wie er. Er führte mich in den Keller. Da lagen viele  Rollen von Zeltblachen in den Gestellen. Manche waren 8 Meter breit. Das waren Zeltblachen vom Zirkus Knie und anderen. Auf diesen riesigen Blachen malte er für die Kinos, die Werbung der Filme. Diese Plakate wurden dann zum Beispiel am Zürcher Bellevue an den Kinos aufgehängt. Seine Spezialität waren T. Hill und B. Spencer. Giger war immer freundlich und wir wurden vom Meister persönlich empfangen. Die Sachen von Safonkin freuten ihn ausserordentlich. Sie nahmen miteinander Kontakt auf und Safonkin wurde in die Schweiz eingeladen. Drei Monate lang war im Museum von Giger eine Sonderausstellung mit vielen Werken von Safonkin. 

Hansruedi, (wir duzten uns von Beginn an), schenkte mir eine Lithografie, zwei Bücher, ein Skizzenheft und hundert Autogrammkarten. Die Widmungen in meinen Büchern sind mit Hansruedi unterschrieben und nicht mit H.R.Giger. Meine CD Gastro Zone gefiel ihm sehr, und ich musste sie für ihn unterschreiben. 

-Für Hansruedi von Ralph-, durfte ich für ihn schreiben. Da bin ich bis heute stolz darauf. Er spielte die CD natürlich auch gleich laut ab. 

"Du machst alles auf einmal!"

sagte er zu mir, und nannte mich fortan den singenden Kellner. Auf dem Cover von Gastro-Zone sieht man mich auf einem Surfbrett als Kellner durchs Weltall rasen, dass fand Hansruedi lustig. 

Einmal erzählte uns Bäri, dass Ruedi sich seit Wochen nur noch von Gummibären ernähren würde. (Bäri kochte ja auch oft für Ruedi.) Ich schenkte Giger dann zwei Kilo davon. Ich hatte die Ehre Giger mehrmals zu treffen. Als ich mit Joe zu Besuch war, setzte er die Gartenbahn in Betrieb. Das war eine Lokomotive mit ein paar Wagen, die durch den Garten und in die Küche fuhr. Die Wagen entstammten aus dem Design für den Film "Species." Als ich Hansruedi fragte, ob er die Geisterbahn in Betrieb setze, antwortete er: 

"Das ist keine Geisterbahn. Das ist eine Gartenbahn!" 

Obwohl die Gartenbahn durch eine Horrorlandschaft fuhr, um die sich jeder Geisterbahnbesitzer gerissen hätte. Giger warf die Maschine an, fuhr selbst und Joe sass hintendrauf. Ich fotografierte. Leider sind die Photos nicht mehr in meinem Besitz. Gigers weisse Haare wehten im Wind und er lachte laut als er durch die Tunnels und all seine Horrorgestalten fuhr. Giger ist unglaublich populär, gerade gestern sah ich das Ibanez Gitarren wieder eine Sonderedition im Giger Design herausgegeben hat. Die Gitarre sieht unglaublich aus! Ein fantastisches Stück. Hansruedi liebte Horrorfilme genau so wie ich und ich ich lieh ihm eine ganze Menge aus. Die besten fehlten manchmal, wenn Bäri sie mir zurückgab. Das war mir egal. Ich gab Hansruedi auch mein Zombi Hämorrhoids Video zum angucken. Das hat ihm gefallen und er nahm es ihn seine Sammlung auf. Fürs 10 jährige Bestehen des Giger Museums bekam ich eine schicke Einladung. Es befindet sich in Gruyere, in einem kleinem Schloss. Perfekt für die Kunst von Giger. An der Bar nebenan arbeitete er viele Jahre am grandiosen Interieur und man sitzt in Stühlen die er zuvor für den Film "Dune" entworfen hatte. Im Schlossgarten traf ich einen sehr intelligenten Menschen. Tom G. Warrior, Gründer der Band Celtic Frost. Sie spielten Trash/Dark Rock. Aber da sollte man Tom am besten selbst fragen. Seine in den Siebzigern gegründete Band "Hellhammer" spielte damals die brutalste Musik die man sich vorstellen kann, und ist für viele erfolgreiche Musiker bis heute Kult und Vorbild. Er gilt als Gründer eines ganzen Musikstils.  Metallica spielten im Letzigrund einen Song von Celtic Frost. 

"Beschissen!" 

sagte Tom dazu, im Metal Hammer Magazin. 

Ich sass also im Schlossgarten, ass eine Bratwurst und trank ein Bier dazu. Tom kam mit seiner Freundin und setzte sich gleich zu mir. Es war sehr sonnig und schön und mir fiel auf wie bleich Tom war. "Herrliches Wetter!" schmiss ich in die kleine Runde. Tom ass auch eine Bratwurst und antwortete sicher sehr ehrlich: 

"Weisst du, ich hab es lieber wenns Dunkel ist, trüb oder neblig!" 

Tom trank keinen Alkohol und auch Gras rauchte er nicht. Er sagte, er stecke alle seine Energie in seine Musik. Das glaubte ich ihm sofort. Am Abend hätte ein Celtic Frost Konzert in Montreux stattfinden sollen, was leider nicht mehr passierte. Celtic Frost hatten sich getrennt. Tom engagiert sich heute auch bei der Leitung des H.R.Giger Museums. Das Schloss hat Hansruedi gekauft. Die Musik von celtic Frost höre ich mir immer wieder gern an. Eine dunkle, schwere Musik die eine therapeutische Wirkung auf mich hat. Keine Musik die ein Pfarrer schreibt. Im Museum fand auch einmal eine tolle Vernissage mit Ernst Fuchs statt. Ein grosser Künstler der in Wien die Schule des phantastischen Realismus gegründet hat. Am Abend verzogen sich alle Gäste in die vielen pittoresken Restaurants von Gruyeres. Ein sehr schöner Ort. Alle Restaurants bieten Käsefondue an. Ich wusste in welchem Restaurant Hansruedi Essen gehen würde. Im vorderen Raum sassen schon 12 Personen an einem Tisch, auch Bäri, und warteten auf den Meister. Ich ging gleich mit Joe in das hintere Säli. Joe und ich waren in Topform, assen "Moitie-Moitie" Fondue, versenkten jedes Stück Brot vorher tief im Kirschwasser. Hansruedi kam herein, mit seiner Frau und Ernst Fuchs mit seiner verrückten Muse. Die Frau oder Freundin von Ernst Fuchs sass bald an unserem Tisch und wir hatten eine kleine, feine Party. Sie lebte in Monaco und lud uns ein sie zu besuchen. Sie machte auch Musik und malte. Eine tolle, verrückte Künstlerin. Ich bekam ihre Karte, aber war zu blöd und zu faul, da jemals hinzu gehen. Kurz vor seinem Tod traf ich Hansruedi noch ein letztes Mal. Ich hatte ein paar kleine von mir angefertigte Skulpturen dabei. Eine schenkte ich Carmen seiner Frau, und sein Freund kaufte mir eine andere für 80.- Franken ab. An diesem Tag hat er mich nicht mehr erkannt. Er war gesundheitlich angeschlagen.

Als H.R. Giger starb musste ich weinen. Ein Genie das Boogie Woogie am Klavier spielte und fröhliche Menschen sehr mochte. Kein schwarzer Teufel. 

Jassy
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73.  Jassy

Ich fand Arbeit in einem grossen Restaurant, dass von einer Stiftung geführt wurde. Hier arbeiteten eine Handvoll behinderte Menschen mit Gastroprofis zusammen. Ein tolles Konzept. Andy, der Wirt, war ein absoluter Gastroprofi mit viel Erfahrung. Am Wochenende hat auch sein Freund ausgeholfen und wir waren, zu Beginn, ein Top Service Team. Hinter dem Buffet arbeitete Jassy, in die ich mich sofort verliebte. Jassy liebte mich auch und die nächsten 14 Jahre blieben wir ein Paar. Sie bezog eine ganze IV-Rente und hatte von Geburt an dieses Antiaufmerksamkeitssyndrom und noch was anderes. Das interessierte mich nie. Ich wollte sie da rausholen, aus dem Restaurant. Ich wusste, sie konnte an einem Tag Kinderhüten pro Woche mehr verdienen, als hier in einer Woche. Ihr Monatslohn war hier so um die dreihundert Franken. Mit einer hundertprozentigen Rente, darf man einen Tag pro Woche in der freien Marktwirtschaft arbeiten. Andy der Wirt hatte leider nicht viel zu sagen, da der ganze Betrieb ständig von oben herab überwacht wurde. Dazu mussten wir uns einmal pro Woche in einem hinteren Raum versammeln. Da wurde dann eine Art Protokoll erstellt. Die Frauen durften ihre Sorgen auf ein Blatt Papier schreiben und an die Pinwand peppen. Die paar Hausfrauen die auch als Aushilfen arbeiteten, machten Andy das Leben zur Hölle. Selten erlebte ich so ein durchtriebenes Mobbing wie da. Samstags, wenn Marc der Freund von Andy auftauchte, herrschte immer grosse Freude. Er war ein Mensch den alle liebten. Ausser die Hausfrauen. Wir stiessen immer mit einem Cupli an, vor dem Start in den Abendservice. Marc hatte ja vorher bereits den ganzen Tag gearbeitet, in Luzern, als Leiter einer grossen Parfumerie. Dies machten diese Hausfrauen zum Thema, an einer dieser Protokollsitzungen. Sofort wurde uns das verboten. Wir rauchten am Buffet. Das mochten sie auch nicht. Man klebte einen Zettel an die Wand und schrieb darauf: Rauchen muss aufhören! 

Ja da waren richtig bösartige Weiber dabei. Das Rauchen wurde uns verboten und in die Aschenbecher der Gäste mussten wir fortan kleine, passende Zettel legen auf denen in etwa, geschrieben stand:

-Wir würden uns freuen, wenn sie nicht rauchen.-

Den Vogel schossen diese Aushilfen aber ab, als sie mehrere Zettel an die Pinwand hefteten, auf denen geschrieben stand: 

-Der Chef muss weg!- 

Andy musste sie nun fragen weshalb. Sie sagten, er würde seinen Freund, vor den Gästen auf den Mund küssen und heimlich, immer noch saufen. Da hatte Andy dann tüchtig die Schnauze voll, aber leider nicht die Macht eine von ihnen zum Teufel zu jagen. Es war ja ein extrem sozial geführter Betrieb. Trotzdem hat er kurze Zeit später gekündigt. Einmal musste ich im Büro erscheinen, die Lehrtochter stand hilflos neben dem Bürotisch. Es wurde das Gerücht von den Hausfrauen verbreitet, ich hätte die Servicelehrtochter sexuell belästigt. Sie gab sofort zu, das ich sie nur, während dem Servieren aus Spass in die Seite geknufft hatte. Eine der Hausfrauen hatte das gesehen und sie gleich am nächsten Tag aufgewiegelt, das als Belästigung zu melden. Die Lehrtochter hat sich bei mir entschuldigt, ich aber hatte mehr als genug. Der Service war grauenhaft geworden. Mit mörderischer Inbrunst holten die Hausfrauen jeden leeren Teller vom Tisch. Wahrscheinlich um darzustellen, dass sie trotz ihrem Übergewicht immer noch ziemlich flink sind. Das niemals ein Teller abgeräumt wird, bevor alle am Tisch ausgegessen haben, habe ich auch bei Andy proklamiert. Die idiotische Antwort, der organisierten Hausfrauen lautete: "Niemand sollte vor einem leeren Teller sitzen!" Das aber derjenige am Tisch, der das Essen halt mehr geniesst als die anderen, plötzlich alleine beim Essen am Tisch sitzt, interessierte sie einen Scheiss. Eines Abends schwebten die zweihundert Kilo der Altersheimleiterin herein. Der Schatten an ihrer Seite war ihr Mann. Bei ihnen durfte ich drei Monate für gratis schuften. Jetzt war die Zeit meiner Rache gekommen. Sie assen scheinbar auch unter der Woche oft dort. Sie war sich gewohnt wie eine Königin hofiert zu werden und streckte ihre Hand mit dem ausgezogenem Pelzmantel zu mir hin. Ich solle ihn in der Garderobe sicher verstauen! Ich hab sie angeschaut und bin einfach weiter gegangen. Zu Andy sagte ich, dass ich keinesfalls diesen Tisch bedienen werde. Das war kein Problem für Andy, aber die Dame hatte ihr Gesicht verloren. Ich ignorierte ihren Tisch vollständig und warf ihnen ab und zu einen bösen Blick zu.

Das anstehende Personalessen stand unter einem sehr schlechten Stern. Bereits am Nachmittag trank ich drei Caipirinhas, die mir sehr schlecht im Magen lagen. Caipirinhas hab ich seither nie mehr getrunken. Er steht jetzt auf der selben Liste, zusammen mit Jägermeister und Berentzen Liquör. Andy, der Gastwirt, meinte es gut mit mir und platzierte mich mit meiner Freundin genau gegenüber vom Personalchef. Das Essen war billig und der Lohn von Jassy zu niedrig. Ich mochte den Personalchef gar nicht. Ich war ein Arschloch in meiner Ausdrucksweise und es kam zum Eklat. Plötzlich sass ich mit Jassy mehr oder weniger alleine da. Der Personalchef hatte das Essen sofort verlassen und viele folgten ihm auf der Stelle. Am nächsten morgen konnte ich die Kündigung abholen. Der Kündigungsgrund war respektloses Verhalten gegenüber Vorgesetzten. Das war es auch. Und sehr dumm. Narzisstisch, ganz bestimmt. Mit Andy und seinem Freund hatte ich noch lange Kontakt. Die Kündigung kam selbstverständlich vom Personalchef.

Bergleben
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74.  Bergleben

In unserem Chalet verflogen die Jahre wie im Flug. Ich arbeitete wieder als Teilzeit Journalist und schrieb Berichte über Theateraufführungen im Muotathal und Schlittelrennen auf dem Stoss. Über die Jahre drehte ich etwa 40 Musik Videos. Ein Teil davon kann man auf Youtube anschauen. Mein Künstlername ist Tiramisator. Mit dem Video "Alien" erreichte ich doch 3 Tausend Clicks. Die Videos sind leidig lustig und wir hatten jeweils, beim Dreh, einen Riesenspass. Ich drehte auch in einem Zoo. Da rief ich vorher an und sprach mit dem Inhaber. Danach durften Jassy und ich ins Gepardengehege. Diese Geparden besass der Zoobesitzer natürlich von Geburt an, aber den Instinkt besassen sie noch. Wir durften die Tiere streicheln und wie man auf dem Musikvideo erkennt, fehlte es mir hier gar nicht am nötigen Respekt. Geparden sind viel grösser als man meint, und als der gute Mann noch erklärte: 

"Wenn ihr auf den Boden fallen würdet, sofort Hände vor den Kopf halten!"

hatten wir ordentlich die Hosen voll. Ich drehte auch Musikvideos mit Aufnahmen von Las Vegas, dem Fliegerschiessen auf der Axalp oder der Chilbi in Arth. Im Skulpturenpark von Bruno Weber gelangen mir tolle Aufnahmen. Mit Bruno Weber konnte ich es gar nicht. Als ich ihn zum ersten mal sah, duzte ich ihn. Da fragte er saublöd:

"Wer bist du denn? Kenne ich dich?"

Keine Antwort die ein Narzisst gerne hört. 

Bei meinem Musikvideo "Hoodoo Man" spielt auch Marc der Freund von Andy mit. Er starb kurze Zeit später, innerhalb weniger Wochen an einer schweren Krankheit. Für Andy war das schlimm und er begann auf hohe Berge zu Klettern, was ihn sicherlich gut vom Leid ablenkte. Er schenkte mir schöne Schuhe und Hosen von Marc die ich noch heute gern anziehe. Ich knüpfte Kontakte auf Youtube. Ein Mann aus Holland wollte einen Horrorfilm drehen und ich sollte die Musik dazu komponieren. Ich komponierte ein Titelthema und vier Variationen, die allesamt einen viel zu niedrigen musikalischen Ansatz hatten. Aber sie waren sicherlich gut gemeint und mit Leidenschaft komponiert. Leider wurde meine Vorlage nicht für den Film verwendet, aber der Holländer fragte mich, ob ich mir irgend etwas wünsche. Wir waren beide angefressen vom Holländischen Schauspieler Rutger Hauer. Sein frühes Meisterwerk, die Fernsehserie "Floris von Rosemund" war hier nirgends erhältlich, aber in Holland ganz bestimmt. Prompt hat der gute Mensch mir die Komplett Box aus Holland zugesendet. Das freute mich riesig, auch wenn ich kein Wort verstand, weil alles niederländisch gesprochen war. Ich fertigte hunderte kleine Skulpturen an und besuchte einen Malkurs in Ibach. Das war eine tolle Sache und ich hab einiges gelernt. Ich malte wann immer das Geld es zuliess. Leinwände und Ölfarben sind sehr teuer. Die Leiterin des Kurses führte das Programm bei ihr zuhause durch. Sie glaubte an mein Talent und schenkte mir zum Abschluss eine schöne, grosse Stafelei. Nun konnte ich im Stehen malen. (So fern es noch nicht später als 16.00 Uhr war.) Die Psychotherapie kündigte ich, was ein Fehler war. Ich hatte ja jetzt eine Freundin und sei sehr glücklich. So ungefähr war meine Argumentation. In Wahrheit war noch wenig aufgearbeitet. Als ich mich einmal zwei Wochen nicht bei Mutter in Cham meldete, stand sie plötzlich unangemeldet mit Vater vor meiner Tür. Sie kamen sehr früh am Morgen, um mich aufzuwecken. Als ich die Türe öffnete, schrie sie mich an:

"Gib es zu, bist du wieder voll auf Drogen, nimmst du wieder Valium! Du bist schon für nix!" 

Da das aber wirklich nicht der Wahrheit entsprach wurde ich sehr zornig und schickte sie, ohne Einlass, wieder weg. Vater wurde sehr zornig und machte beim Runterfahren der Bergstrasse noch einen schönen Blechschaden am seinem Auto! Ein Jahr meldete ich mich nicht mehr bei Mutter. Später fuhr ich trotzdem wieder alle zwei Wochen zu Mutter, und meine gequälte Jassy musste mich immer mit ihrem Auto abholen. Jassy hatte sich einen abgebissen, bis sie die Autoprüfung packte. Über ein Jahr lang legten wir jeden Abend die Theorieprüfungs CD in den Computer ein, und übten bis sie jede Frage auswendig kannte.

 Retter der Ziegen
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75.   Retter der Ziegen

An einem schönen Sommertag sass ich hinter meinem Schlagzeug und hörte lautes Geschrei. Ich schaute zum Fenster raus und sah dass sich auf der Wiese vom benachbarten Bauer, eine Ziege im Weidezaun verfangen hatte. Der Strom musste schon lang durch ihren Körper gefahren sein. Sie schrie immer leiser und bewegte sich kaum noch. Ich lief die 150 Meter so schnell es ging zu ihr hin. Die Zunge hing ihr schon raus und ich konnte kaum meinen Finger zwischen den teuflischen Draht und den Hals des Tieres stecken. Gleichzeitig fasste ich einen Stromstoss nach dem anderen. Das war eine schlimme Situation. Ich schrie laut in Richtung des Bauernhofs. Grossvater kam mit den langsamsten Schritten die man sich vorstellen kann, vom Hof her auf mich zu. Er hatte schlimmes Knochenleiden. Ich schrie laut:

"Den Strom abschalten!" 

Mit dem gleichen gemächlichen Tempo, wendete er und nach einer gefühlten Ewigkeit unterbrach er in der Scheune die Stromzufuhr. Das arme Tier konnte ich nun befreien, aber es lag da wie tot. Opa kam zurück und kümmerte sich um das Tier. Erst 12 Stunden später ist es aufgestanden und hat sich wieder komplett erholt. Der Sohn des Bauers erzählte mir später, ich hätte bei Opa viele Punkte gut gemacht. Opa mochte mich vorher nicht so gut, denn er war stets der Meinung, wer zwei gesunde Hände hat, kann auch Tag und Nacht arbeiten. Geschenkt. Ich war ein kleiner Held an diesem Tag. Es gab auch einen sehr traurigen Vorfall mit einer Kuh. Sie verschluckte einen Teil einer Red Bull Büchse. Da hat es ihr die inneren Organe aufgeschlitzt. Die halbe Nacht hat sie gelitten bis der Tierarzt sie gegen Morgen von den Schmerzen erlöste. Seither rege ich mich dermassen auf, wenn ich solchen Dreck am Rand einer Wiese liegen sehe. Der Bauer auf seinem Traktor, wenn er das Gras schneidet, kann unmöglich jedes kleine Teil erkennen. 

Mutters Benehmen
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76.  Mutters Benehmen

 Mein Vater hatte einen Schlaganfall. Er verweigerte von Beginn jede Art von Therapie. Er bewegte sich nur noch wenn er musste. Mutter durfte ihm das Telefon abnehmen und auch wieder aufhängen. Sie betätigte ihm auch die WC Spülung. Er schaute den ganzen Tag TV. Vater war auch zu faul, seinen Hintern richtig zu wischen. Es stappelten sich die braunen Unterhosen, Pyjamas und Trainer. Auch mein Bruder Frank liess sich noch die Wäsche von meiner Mutter machen. Dann schnupperte meine Mutter immer vor mir an Frankys  Unterhosen. Richtig tief zog sie den Duft ein. Sie wollte jedesmal wenn ich auf Besuch kam, dass ich die verdammten Unterhosen von Vater für sie Wasche. Wenn wir zur Cafeteria gingen, wollte sie mir immer unterhacken, oder noch lieber gleich Hand in Hand mit mir spazieren. Auch wollte sie mir immer, bei Begrüssung und Verabschiedung, auf den Mund küssen. Frank war auch oft dabei, er war oft so stark auf Methadon, dass er am Tisch, im Sitzen eingeschlafen ist. Dann lief meinem Bruder der Speichel aus dem Mund, und aus der vom Koks ruinierten Nase der Rotz. Den liebte meine Mutter mit einem Taschentuch wegzuputzen. Da ging sie in ihrer Mutterrolle nochmal auf. Einmal nannte  ich sie "Mutter", da rief sie so laut, dass es jeder im Café hören konnte: 

"Ich bin dein Mami und nicht deine Mutter!" 

Ein kleiner aber aufschlussreicher Unterschied. Meine Mutter konnte mich manipulieren wie sie wollte. In alle Richtungen. Sie schaute mir dann niemals mehr in die Augen, sondern nur auf den Mund. Das war meine heikle Stelle. Dazu sagte sie vielleicht noch so etwas wie:

"Du siehst heute sehr schlecht aus." 

Dann war ich schon am Arsch und wollte mich nur noch betäuben. Ich trank immer, wenn ich bei Mutter auf Besuch war. Sie unterstützte das auch immer. Einmal fiel sie mit ihrem Fahrrad um. Seither bekam sie allerlei, sehr starke Schmerzmittel aus der Gruppe der Opiaten. Solche steckte sie mir auch immer zu. Meistens fragte ich aber sofort danach. Sie fiel oft hin. Im Coop oder im Parkhaus. Dann wurde sie ins Krankenhaus gefahren. Diese starken Schmerzmittel senkten ihren Blutdruck und riefen starken Schwindel hervor. Vor allem aber machen sie einem psychisch abhängig. Unter dem Einfluss von Opiaten ist einem immer "Vögeliwohl."

 Joes  Heirat
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77.   Joes  Heirat

Mein Freund Joe war so schlau, nochmal nach Sri Lanka zu Reisen. Er hat sich im Internet in eine 18 jährige Frau verliebt. Das hat er aber Jassy und mir nicht mitgeteilt. Uns erzählte er, er wolle einen Arbeitskollegen besuchen. Wir waren alleine im Chalet als plötzlich das Telefon klingelte. Joe rief euphorisch aus Sri Lanka an. Er habe soeben geheiratet. Ich sagte ihm, er sei nicht normal. Worauf er antwortete: 

"Sie ist eine Prinzessin. Eine Göttin. Ihr Hochzeitskleid war aus reinem Gold! Hättest du sie gesehen, hättest du sie auch gleich geheiratet!" 

Über diese Geschichte mussten Jassy und ich, von Beginn an, sehr lachen. Er kehrte zurück, alleine. Es mussten noch Formalitäten ausgefüllt werden. Er zeigte uns Fotos und Videos seiner wunderschönen Frau und der singalesischen Hochzeit. Joe bezahlte alles, was er aber noch nicht zugab. Sie rief ständig nachts aus Sri- Lanka an oder schrie auf den Anrufbeantworter unverständliches Zeug. Sie wollte Geld und verlangte dass Joe, Jassy und mich aus dem Haus warf. Dafür wollte sie sieben schneeweisse Kaninchen. Sie wurde immer bösartiger. Joe drehte langsam durch. Auch wollte sie weder Deutsch noch Englisch lernen. Ihre Nachrichten klangen am Schluss, als ob ein vom Teufel besessener Mensch spricht. Sie verfluchte Joe. Diese Nachrichten hat er zum Glück alle auf Tonband aufgezeichnet. Sie halfen ihm bei der anschliessenden Scheidung. Sie einigten sich auf einen Geldbetrag zur Abfindung. Sie war niemals in der Schweiz und Joe gingen endlich verschiedene Lichter an. Er erzählte von seiner Hochzeit. Die Mutter seiner Prinzessin habe oft ihrem Mann ins Gesicht geschlagen. Joe meinte, ihre Mutter sei noch böser gewesen! Die ganze, riesige Hochzeitsgesellschaft suchte den besten Wahrsager und Guru weit und breit auf. Das war Tradition und er verlangte eine Menge Kohle dafür. Er sollte seinen Segen und einen kurzen Zukunftsausblick für das Paar abgeben. Genau drei Monate würde die Ehe halten, prophezeite er. Was später sogar der Wahrheit entsprach, sorgte für einen lauten Streit während der Hochzeit. Die Mutter der Braut schrie den Guru an, wollte das Geld zurück und verfluchte ihn. Wir schauten das Hochzeitsvideo immer wieder an und sahen wie der Guru mit heiligem Wasser die Braut ein wenig besprenkelte. Das wurde die Braut fuchsteufelswild und benahm sich wie ein kleines Kind. Ich glaube, in dem Moment hatte der Guru die Vision seiner ernüchternden Voraussage. Diese Menschen wollten nur Geld von Joe. Schlussendlich hat er sehr viel Glück gehabt. 

Joe und ich nahmen eine CD auf. In Rain, in einem professionellen Studio. Das machte die Lieder auch nicht besser. Eine andere CD mischte Joe ganz alleine ab. Er lieferte grossartige Arbeit. Solche Sachen und viele andere nahm ich immer als gegeben hin. Andere Menschen die auf Besuch kamen, und mir nicht so sympathisch waren, behandelte ich respektlos. Manches tut mir heute leid und war nicht in Ordnung. Ich war mir immer zu Schade Joes kleine Wohnung abzustauben oder den Staubsauger in die Hand zu nehmen. Einmal hatte Joe tüchtig die Schnauze voll. Da mussten wir uns schleunigst in die untere Etage verziehen. Wenn Joe wütend wird, wächst kein Gras mehr. 

Mit Jassy im Tessin und Zypern
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78.  Mit Jassy im Tessin und Zypern

Ich fuhr mit Jassy ins Tessin, in die Ferien. Diese Woche im Tessin gehört zum Schönsten in meinem Leben. In Gambarogno mieteten wir in einem riesigen Ferienkomplex, eine kleine Parterre Wohnung, mit Gartensitzplatz, Küche und Fernseher. Einen gepflegten Swimmingpool gab es auch. Die Ferien fingen bereits vor dem Gotthardtunnel gut für mich zu laufen an. Jassy hatte Angst durchs Tunnel zu fahren. Von da an fuhr praktisch immer ich. Das geht auch ohne Fahrerlaubnis. Ich liebe Autofahren sehr. Das alleine brachte mich zum Strahlen. Und dann wie uns die Sonne nach dem Gotthard begrüsste. In Bellinzona war am Samstag Markttag und wir fuhren noch vor der Ankunft im Hotel, da hin. Wir füllten unseren Kühlschrank mit ganz feinen Sachen. Salamettlis und Salami vom feinsten. Hausgemachte Konfitüre und Käse aus der Region. In einer Seitengasse sassen Einheimische und pfiffen Jassy hinterher. Da tranken wir einen Pernod und hatten freudige Konversation. Wir assen immer spät ein fantastisches Frühstück in unserem Zimmer und am Abend gingen wir aus. Am Tag lagen wir oft am Pool oder machten kleinere Ausflüge. Ich fuhr Richtung Luino und sah ein Schild an der Strasse. "Seebar Paradiso!" Da gingen wir sofort hin. Man musste einen verschlungenen Pfad hinunter zum Lago Maggiore gehen. Die Bar war grossartig mit extrem bequemen Sofas ausgestattet. Es lief tolle 80er Jahre Musik. Der langhaarige DJ war ein Bilderbuchkiffer. Die Kellner auch. Unten dockten die Boote an. Alles sehr wohlhabende Menschen, die es hassten angeglotzt zu werden. Ich genoss das sehr. Nur Jassy glotzte vielleicht ein wenig zu viel. Damals war das noch ein Schock, diese sinnlos, gross aufgespritzten Lippen zu sehen. Auch die obligaten weissen Pudel sah man. Ein Hauch von Las Vegas. Die Preise waren krankhaft und die Karte sehr klein. Der DJ wendete auch die Bratwürste auf dem Grill. Die kosteten sage und schreibe 16 Franken! Aber die Leute liebten es. Dazu gab es herrlich aussehende Kartoffeln im Silberpapier, die er zuvor in der Kohle garen liess. Das konnten wir uns nicht leisten aber wir fanden ein anderes, grossartiges Restaurant. Der Duft von den Pizzas im Innenraum und der schattige Innenhof mit Pergola. So wie es im Tessin sein muss. Der Betrieb wurde von einer Tessinerfamilie geführt. Die Lasagne war ein Traum. Der Wein machte uns gesellig und über Tisch und Bein machten wir Kontakt zu einem sehr lässigen Typen, der auch schon sehr lustig war. Wir fuhren zu seinem Haus, hoch über dem See gelegen. Es war schon spät und er erzählte uns von seinem Leben. Er war früher Eishockeyprofi gewesen aber durch eine schwere Verletzung nicht mehr in der Lage seinen Beruf auszuüben. Heute mache er auf "Immobilien", erzählte er. Wir mochten seine Art sehr. Plötzlich ging eine hintere Zimmertüre auf. Seine Freundin kam im Morgenmantel hervor und zeigte sich gar nicht erfreut. Sie hat ihn ordentlich in Italienisch angeschrien. Von wegen Saufen und so. Das war uns peinlich und wir nahmen den Espresso im Gehen. So eine temperamentvolle Italienerin oder auch Tessinerin auf Hundert kann sehr gefährlich sein! In Pregadio, Italien fanden wir ein sehr abgelegenes Gasthaus. Fernab vom Touristenrummel. Es war ein sehr heisser Sommer mit locker 37 Grad und der ältere Wirt schwitzte sehr. Seine Frau kochte in der Küche. Wir waren die einzigen Gäste. Es roch unglaublich gut nach feinem Essen. Es gab keine Speisekarte. Mama kochte etwas, und dass war immer sehr gut! Ein deutsches, junges Pärchen parkierte ihr Cabriolet vor dem Restaurant. Sehr wichtig und von oben herab stürzten sie herein. Sie wollten unbedingt im Wintergarten sitzen, aber der ältere Wirt servierte nicht bei 35 Grad im Wintergarten. Es war ein unglaublich heimeliges Restaurant, aber die Deutschen wurden laut und gingen wieder ohne sich zu verabschieden. "Dumme Deutsche!" 

sagte der Wirt zu mir. An diesem Abend hatte ich wahrscheinlich das beste Essen meines Lebens. Der Hauswein wurde im Krug serviert und nach Auge des Wirts berechnet. Dazu tranken wir auch eine Menge Mineralwasser. Als Vorspeise wurde frischer, grüner Salat in einer Steinschüssel in die Mitte des Tischs gestellt. Zum Hauptgang kochte Mama gefüllte Ravioli. Danach gab es noch halb gefrorenen Kuchen. Die Spezialität des Hauses. Der Expresso war nicht zu schlagen und der Wirt stellte zwei Flaschen feinsten Grappa auf den Tisch. Der reinste Non-Profit Familienbetrieb. Wir sprachen mit Händen und Füssen mit den Gastgebern. Der Wirt hätte zweimal in seine Frau reingepasst und sie war einfach unbezahlbar. Für einen kurzen Moment vereinte uns alle die Liebe zum Essen und die Freude am Leben. In der Zeit mit Jassy war ich dreimal mit ihr im Tessin. Zweimal hatten wir auch echt lausiges Essen erwischt. Einmal Lasagne, die innen noch gefroren war und an einem anderen Ort gab es schimmlige Kalbsschnitzel. Das Kalbsschnitzelrestaurant war riesig und komplett leer. Wir sassen allein im Garten und der spindeldürre Koch rauchte Kette vor der Küchentüre. Seine Augen lagen in schwarzen Schatten und er sah so aus, als ob er das Kochen eines "7 Schätze Menus" eh nicht mehr überlebt hätte. Ein leeres Gasthaus und ein Magersüchtiger Koch, zwei Warnzeichen die wir sträflichst nicht beachtet haben. Das Fleisch war schon verfärbt und stinkte. Wir gaben alles gleich zurück. Wir wollten auch gar nichts anderes mehr bestellen. Dann bekamen wir noch einen gratis Schnaps und verzogen uns in eine der zahlreichen, umliegenden Pizzerias. In unserem kleinen Appartement liessen wir es uns gut gehen und lagen vor unserem Zimmer in der Sonne. Es gab unzählige hübsche Eidechsen, die an den flachen Mauern entlang rannten. Am Morgen weckten einem die Singvögel oder die hypnotische Kirchenglocke in Moll gestimmt. Unglaublich wie viele verschiedene Singvögel es im Tessin gibt. Vincenco besuchte uns. Ein älterer Herr und Freund, mit interessanter Geschichte. Er rauchte konsequent nur Hasch und brachte mir einen grossen Sack voll Gras mit. Vincenco spielte sehr gerne Brettspiele. Immer um wenig Geld. Wir spielten oft Blockus zusammen, bis ich ihn erwischte, bei Beginn des Spiels, einen kleinen Block in seiner Hosentasche verschwinden zu lassen. So musste er immer, von Start an, einen Block weniger setzen, was ein toller, heimlicher Bonus ist und ihn immer gewinnen liess. Der Geizhals! Vor vielen Jahren war Vinci noch sehr wohlhabend, hatte aber inzwischen alles verloren. Er war total abgebrannt. Ihm und seinem Freund gehörten die allerersten Sexshops der Schweiz. Das Auto von Vinci war zu dieser Zeit ein "Excalibur." Er erzählte uns, dass alles Geld für Koks (das er nicht mehr anfasste), und Huren draufging. Streit und falsch angelegtes Geld taten dann ihr seines. Vinci besuchte uns auch oft in unserem Chalet. Er hatte auch wie ich oft mit Appetitmangel zu kämpfen. Auffällig, wie oft ich über das Essen erzähle. Schon in der ersten Sprechstunde, mit 29 Jahren, bekam ich ja eine Esstörung diagnostiziert. Mein Appetit ist ein eigenes Wesen das ich überhaupt nicht steuern kann. Oder nur mit hinterhältigen Tricks. Oft kommt der Appetit erst nach dem Essen. Oder er macht sich davon, genau eine Sekunde vor dem ersten Bissen. Vinci kaufte sich einen teuren Mixer. Dort konnte er oben alles einwerfen was er wollte, und unten kam es als Brei wieder raus. Das reinste Schnabeltassenmenu! Das geht immer runter. Vinci bekam später viele körperliche Schmerzen, wurde bitter und zog sich bis zu seinem Tod zurück. Er führt jetzt die Sexshops im Himmel.

Ich flog mit Jassy nach Zypern. In unserem Hotel legten die Deutschen jeden Morgen ihr Badetuch auf die spärlich vorhandenen Liegestühle, um ihr Revier zu markieren. Am Donnerstag war Tag der zypriotischen Folklore. Es gab ein Buffet zur Selbstbedienung, aber das Essen war grauenhaft. Die Deutschen hatten alle -All inklusive- gebucht. Ihnen schmeckte das Essen natürlich hervorragend. Die Musik war auch traurig dargeboten und wir verzogen uns in eines der feinen Fischrestaurants. Am vierten Tag in Zypern vermisste ich mein Gras. Zwei Nächte suchte ich umher und fand nur Partydrogen wie Ecstasy oder Kokain. Das wollte ich nicht und trank dann die letzten zwei Tage etwas mehr Rotwein. Wir gingen auch in eine dieser grossen Discos. Jassy gefiel mein Tanzen gar nicht. Ich tanzte komplett reduziert. Also kaum Bewegung aber mit viel Gefühl.. Sie schämte sich sehr. Zu meiner Verteidigung; Snoop Dog tanzt heute ähnlich. Auch beim Karaoke wollte sie keinesfalls das ich die Bühne betrete. Das war auch besser so. Am Meer waren wir nie. Es ist immer noch nicht entsalzt worden und nach wie vor schleicht sich der Sand, vermischt mit Sonnencreme, in jede Ritze.

Wir liessen uns mit Hennafarbe tätowieren und waren glücklich.

Email aus Amerika, Mike Oldfield in Sisikon 
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79.  Email aus Amerika, Mike Oldfield in Sisikon 

 

 

Zurück in der Schweiz rauchte ich zu allererst einen schönen, grossen Joint von meinem eigenen Gras. Jahrelang hatte ich einen Freund in Amerika. Er schrieb auf Youtube, Kommentare unter meine Lieder, und wir kamen ins Gespräch. Er wohnte in Pennsylvania und was mir auffiel ist, wie viel ein Amerikaner arbeiten muss, um seine Familie zu ernähren. Bob arbeitete als Lastwagenfahrer immer 14 Tage durch und hatte dann einen freien Tag. Ferien hatte er als Festangestellter trotzdem nur 7 Tage im Jahr! Nicht bezahlt, selbstverständlich. Diese Ferien verbrachte er immer mit seiner Familie in einem Freizeitpark. Er sendete mir viele Videos und fünf Tage Achterbahnfahren hat sie wirklich glücklich gemacht. Auch liebten sie Käse sehr, hatten aber keinen. In Amerika kann man oft einen Chesseburger mit Swiss Cheese bestellen, der hat aber rein gar nichts mit der Schweiz zu tun. Ich sendete ihm Videos von Raclette und Fondue Orgien mit Joe zusammen aus unserem Chalet in der Schweiz. Er war sehr begeistert davon. Ich schnürte ein grosses Packet und schickte es nach Amerika. Ich schenkte ihm ein komplettes Fondueset mit jeder Menge Käsefondue. Und diese schmalen Käsescheiben die man über dem Hamburger schmelzen lassen kann. Dazu Schweizer Schokolade von den ganz feinen Sorten. Auch ein Schweizer Armeemesser legte ich dazu. Das legte er gleich zu seiner Sammlung und schickte mir ein Video davon. Er hatte, wie es sich für einen echten Amerikaner gehört,  eigene Waffen um eine halbe Armee auszurüsten. An Weihnachten schickte er mir ein sehr schönes Video. Seine Eltern und Familie assen Käsefondue neben dem Weihnachtbaum. Sie hatten das wirklich gern! Ob sie später auch Marshmallows in den Käse gehalten haben, ist nicht auf dem Film zusehen. Bob litt auch unter chronischen Rückenschmerzen und schluckte Suboxone. Ein süchtig machendes Schmerzmittel, was er aber abstritt. Heute liegt ganz Amerika am Boden wegen diesem Gift. Die Pharmamafia erlaubte es aber zu dieser Zeit für jedermann in Amerika, sein Opium (Oxycodine) an jeder Apotheke, ohne Rezept zu kaufen. Bob behauptete strikt, es gäbe keine Sucht und es sei ungefährlich. Ich wusste es damals auch nicht besser. Das Mittel besorgte ich mir beim einem stellvertetenden Arzt. Mein Arzt hatte sich eine Auszeit genommen. Schon nach einer Woche war ich sehr süchtig. Man rasiert sich weniger, die Blick Zeitung wird zum Gral an Weisheiten und man kann locker 24 Stunden Essen. Die Welt verwandelt sich in einen Ort der Zufriedenheit. Jassy und Joe fiel  allmählich auf, dass ich wie ein Heroinsüchtiger am Tisch einschlief, aber fünf Minuten später schon wieder enthusiastisch einen Film schauen wollte. Mit diesem Gift im Blut konnte man den ganzen Tag schlafen und hatte dabei immer diese beeindruckenden Opiumträume. Joe schrie mich an und Jassy schloss sich ihm an. Mein wirklicher Arzt war lange Zeit abwesend und als er mich erneut sah, war er sehr erschrocken. Er setzte das Mittel sofort ab und ich machte im Chalet den Entzug. Der war ein emotionaler Alptraum. Ich filmte mich selbst, wie ich auf einer Bettflasche Luftgitarre spielte. Dazu hörte ich den ganzen Tag den Song "Ingenuity" der Band Ultravox. Bob aus den U.S.A. machte erst viel später den Entzug. Auch er konnte ein paar Tage nicht mehr schlafen und hatte grosse Rückenschmerzen dabei.

Zu Besuch im Chalet war auch oft Charlie. Ein Punker aus Tschechien. Er arbeitete als Kellner in der Schweiz. Ein musikalischer Mensch der gern Bassgitarre spielte. Er erzählte, dass sie als Kinder die Lautsprecher an den Strassenlampen klauten um sie als Lautsprecher zu benutzen. Eigentlich wurden sie benutzt um kommunistische Propaganda zu verbreiten. Obwohl er wenig hatte, kam er immer mit Geschenken auf Besuch. Er postete auf Yourspace sehr viele Photos von seinen Ausflügen. Immer stellte er dabei einen dämmlichen Teddybär neben sich auf. Dann schrieb er darunter: "Schnüffeli ist auch dabei!" Das ging mir dermassen auf den Sack, dass ich das auch ungeniert und primitiv als Kommentar postete. Da machte er mich darauf aufmerksam, dass das auch andere Menschen lesen könnten, zum Beispiel sein Arbeitgeber. Da hatte er ja vollkommen recht, ich ging aber nicht darauf ein. Und weg war er und nie mehr gesehen. Das tut mir bis heute leid. So und ähnlich habe ich viele gute Kollegen verloren. 

Mein Bruder Franky kam auf Besuch. Mit seinem besten Freund campierte er in unserem Garten. Diese fünfzehn Jahre in denen wir im "eigenen" Häusschen wohnten, schaffte es Franky nur einmal zu uns. Er war im Methadon Programm. Wir fuhren alle gemeinsam zu einer Go - Kart Bahn. Da war nichts mehr übrig von dem brutalen Draufgänger in Thailand, der mit Affenzahn den King markierte. Trotzdem war es sehr lustig. Die zwei Spinner fuhren mit höchstens fünf Stundenkilometern im Kreis, hatten aber durch den enormen Drogenkonsum das Gefühl, sie würden im Kreis rasen wie die Irren! Fränky könnte heute auch ein Buch schreiben! Als sie abgereist waren fand Joe eine Spritze im Garten. Das regte Joe sehr auf und ich soff mir darauf wahrscheinlich einen an. 

Wir machten alle drei einen Ausflug ins Urnerland. Da hörten wir uns auch das riesige Glockenspiel bei der Tellsplatte an. Man konnte anhand von Knöpfen ein Lied oder eine Melodie anwählen. Diese spielte dann das Glockenspiel auf wundersame Art. Da fiel mir gleich die berühmteste Glockenmelodie aller Zeiten ein. "Tubular Bells" von Mike Oldfield. Tubular Bells ist bis heute das meistverkaufte Instrumentalalbum der Welt mit 16 Millionen verkauften Kopien. Richard Branson, der Mike als Producer unterstützte, besitzt heute Casinos und fliegt private, wohlhabende Klienten mit eigenen Raketen ins Weltall. Mike Oldfield gilt als Genie. Er spielt 20 Instrumente und war erst 17 Jahre alt, als er Tubular Bells komponierte. Hier aber, beim Tellsplattenglockenspiel hörte man nur was eh niemand mehr hören will. Zum Milliardstenmal: "Vo Luzern gägä Wäggis zue" oder "Vogelliesi chunnt vo Adelbodä här!" 

Wer in aller Welt mag das noch hören? Die anwesenden Japaner wirkten auch nicht sehr begeistert. Das wollte ich ändern. Ich suchte lange und telefonierte fiel, bis ich den zuständigen Mann endlich am Telefon hatte. Ich schlug ihm vor, Mikes wunderschöne Melodie auf dem tollen Glockenspiel spielen zu lassen. Seine dumme Antwort war:

"Muss man den kennen?" 

Was für ein engstirniger Mensch. Das halte ich heute noch für sehr schade und ungenützte Kreativität. "Chariots of Fire" von Vangelis oder eine andere berühmte Filmmelodie die die ganze Welt kennt. Das wäre doch auch etwas!

Wilder Westen im Emmental
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80.  Wilder Westen im Emmental

Nicki, ein guter Freund lud mich zu einem Urlaub mit Kutsche und Pferd ins Emmental ein. Diese Ferien endeten in einem totalen Fiasko. Er hatte seine zwei Töchter dabei, die er über alles liebte und auch verwöhnte. Ich hatte Jassy dabei, die ich über alles liebte und auch verwöhnte. Die Kutsche wurde von einem depressivem Pony gezogen und nachts schlief Nikki mit den Kindern darin und ich mit Jassy in einem Zweierzelt. Leider hatten wir das falsche Stangenset eingepackt und als es am dritten Tag zu Regnen begann, bekamen wir nasse Schlafsäcke. Es war einfach der Wurm drin. Die meiner Meinung nach zu sehr verwöhnte Tochter konnte es gar nicht mit Jassy und Nicki und Jassy verstanden sich plötzlich auch nicht mehr. Beim Essen gab es immer den grössten Streit. Jassy und ich hatten keine Lust den Tomatenravioli die Tomatensauce abzuwaschen, nur weil es Nikkis zehnjähriger Tochter nicht passte. Oft gingen die Streitereien auch um das Pony. Jassy und ich hatten nun genug Cowboy Romantik. Wir liessen uns mitten im Emmental absetzten, latschten zum nächsten Restaurant und fuhren schliesslich mit dem Bus zum Bahnhof. Danach hatte ich zwei Jahre lang keinen Kontakt mehr zu Nicki. Heute verstehen wir uns wieder gut. Er ist ein leidenschaftlicher Fischer und ich war auch schon ein paarmal mit ihm draussen auf dem Vierwaldstädtersee. Sein Boot ist gut zu erkennen, weil es in Lautschrift angeschrieben ist. Das Boot heisst: Suzie Cue. Ich behaupte bis heute, es müsste Suzie Q heissen, gemäss dem C.C.R. Song. Nicki ist wie Inspektor Clouseau, er würde den leichten Schreibfehler nie zugeben, aber wir lachen zusammen immer sehr darüber. 

Zurück aus dem Emmental zu Hause angekommen, legten wir zuerst die Zelte zum Trocknen aus. Auf dem Anrufbeantworter war die Nachricht eines Kollegen zuhören: 

"Hoi Ralph. Verdammte Zeltstangen zum Zweierzelt haben gar nicht gepasst!"

Mein ehemaliger Sekundarlehrer kam auch oft zu Besuch. Das war ein Mensch, hochintelligent und gebildet durch das Lesen tausender Bücher, der ums Verrecken das Saufen nicht aufgeben konnte. Leber, Niere und Magen, alles schon angeschlagen. Er war grosszügig und kaufte mir Bilder ab.

Ich arbeitete als Hauswart und kämpfte den Kampf, -Mensch gegen Maschine-, im Sommer gegen den Rasenmäher und im Winter gegen den Schneepflug. Schneeschaufeln war schlimm für meinen Rücken und ich schluckte wieder viel Schmerzmittel. Im selben Dorf in dem ich arbeitete, vergass der Bäcker am Dreikönigstag die Könige in die Kuchen zu stecken! Das war sogar der Lokalzeitung ein kleiner Bericht wert. Des Bäckers Ausrede war weit hergeholt, den wir alle wussten, der Bäckermeister ist ein grosser Anhänger von Bacchus, dem Gott des Weines.

Der Vermieter unseres Chalets, Herr Wermelinger, war ein Geizhals und niemand mochte ihn wirklich. Er war leidenschaftlicher Jäger und kam oft mit seinem scharfen Dobermann auf Besuch. Dieser Hund jagte meinen geliebten Kater Bobby auf brutale Art und er biss mich in die Hand, die danach blutete. Da wurde ich zornig. Von da an musste er seinen Sklaven im Auto lassen. Diese alten Speicheröfen stanken wie die Pest und funktionierten nie. Wir heizten darum im Winter mit Holz vom Bauern. Das bezahlten wir selbst und wir verbrauchten eine Menge Geld dafür. Als der steinalte Kühlschrank nicht mehr funktionierte haben wir einen gebrauchten in Rechnung stellen können. Aber nicht mehr als 200.- Franken. Wermelinger träumte von einer Villa, die er hier bauen wollte. Er schlich immer ums Haus, wenn wir nicht zuhause waren. Als wir einmal etwas länger abwesend waren, hatte er während unserer Abwesenheit einfach das ganze Baugespann aufgezogen. Das sind diese langen Stangen, die anzeigen sollen, wie hoch und breit die Villa einmal sein soll! Das tat er Jahre bevor wir schlussendlich auszogen. Da wir die hinteren Laden der Fenster durch die Stangen nicht mehr öffnen konnten riss Joe sie gleich wieder aus. Von da an sahen wir Herrn Wermelinger nicht mehr persönlich. Das kleine Chalet steht heute noch, dem Zerfall preisgegeben und ist nicht mehr bewohnbar.

Illmitz III
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81.  Illmitz III

Mein Cousin feierte Hochzeit in Illmitz, Österreich. Joe und ich fuhren hin. Franky, der in erstaunlich guter Form war, kam auch mit. Wir schliefen am gleichen Ort wie Kurt, bei seinen Eltern. Wir unterschätzten den Polterabend vor der eigentlichen Hochzeit sehr. Wir soffen den einheimischen, süsslichen Weisswein wie Wasser. Da konnten uns auch die Handvoll Schmalzbrote am Ende nicht mehr helfen. Es war ein ekstatisches Unternehmen, quer durch die vielzähligen Spelunken von Illmitz. Im Haus der Braut, wurden alle Geschenke die das angehende Ehepaar bislang bekommen hat, zur Schau gestellt. Das ganze Dorf wollte das sehen und wir auch. Eine Tradition die es, so glaube ich, in der Schweiz nicht gibt. Die Braut musste dann jedermann Rede und Antwort geben. Da sagte sie dann solche Sachen wie: "Das ist die Orangenpresse von Tante Heidi und das die Bettgarnitur von Onkel Gustav!" 

Der Hangover am nächsten morgen war nuklear und kaum zu ertragen. Bereits um neun Uhr morgens, trappte die komplette Blaskapelle von Illmitz an und spielte voller Inbrunst im Garten vor unserem Fenster! Ich hatte einen brutalen Schwindelanfall beim Duschen und knallte mit dem Kopf auf den Rand der Wanne. Das gab eine richtig schöne Beule. Meine Verwandten waren bereits wieder mit Weisswein am Anstossen. Sie waren es gewohnt viel leckeren, einheimischen Weisswein zu trinken. Die Tradition verlangte einen langen Marsch der gesamten Hochzeitsgesellschaft, hinter der Blasmusik, quer durchs Dorf zur Kirche. Der Pfarrer lief natürlich auch mit, obwohl er eigentlich schon in der Kirche hätte warten können. Die Menschen waren streng katholisch und dementsprechend lang gehalten war die Messe. Gefühlte drei Stunden lang  predigte der Pfarrer. Er begann mit der Schöpfungsgeschichte und endete erst wieder beim jüngsten Gericht. Wir drei mit unseren Brummschädeln und Elend waren am mitleiden. 

Die grosse Feier fand in einem schönen Restaurant am See statt. Aber erst am Abend. Wir fuhren trotzdem schon am Nachmittag zum See. Es war schönstes Wetter und wir knallten uns auf ein grosses Tuch, um den Hangover auszuschlafen. Das tat uns sehr gut. Die zwei Stunden schlafen und wir waren wieder beisammen. Die servierte Nudelsuppe mit Huhn war ein Traum und warf uns wieder zurück auf die Schienen. An diesem Abend hatte ich mein letztes Gespräch mit meinem Onkel aus Wien, den ich immer sehr mochte. Er hat mir oft einen Schilling zugesteckt, als wir noch Lausbuben waren. Sehr interessant war wie mit den schweren Trinkern umgegangen wurde. Mein etwa 40jähriger naher Verwandter Bruno, war bekannt ein notorischer Trinker zu sein und jeweils komplett aus dem Ruder zu laufen. Er startete langsam und als viele mit der Musik mitgesungen haben, hatte er die lauteste Singstimme. Danach setzte er sein 2dl Glas Rotwein an seine Lippen und trank es in einem Zug aus. Die Frauen hatten ihn die ganze Zeit im Auge. Seine Mutter ging zu ihm hin, sagte sanft, es sei gut jetzt. Cousin Bruno stand auf und verliess ohne Murren die Hochzeit. In einem Dorf, komplett umgeben von Rebbergen, wo jedermann mindestens zum Anstossen Weisswein trinkt, alles friedlich halten zu können ist eine grosse Kunst. Weisswein macht auch sehr jähzornig.  

Die Tanzmusik spielte grossartig. Eine Blasmusik vom feinsten mit Schlagzeuger. Und tanzen können die Illmitzer, jeder einzelne. Die Tradition verlangte auch einen Tanz für die nicht eingeladenen Leute. Schon vorher guckten viele ältere Frauen durch die Fenster in die Räumlichkeiten. Und prompt füllte sich die Tanzfläche mit wildfremden Menschen, für nur einen Tanz. Eine schöne Tradition. Illmitz ist grossartig!

Später kam ich in Fahrt und spielte ein Schlagzeugsolo. Das gefiel den Gästen sehr. Das war ein sehr schönes Hochzeitsfest und bis anhin mein letzter Besuch in Illmitz. 





Umbrien
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82.  Umbrien

Zurück in der Schweiz nahmen Joe und ich eine Cd auf, dessen Songs ich auch bei der SUISSA anmeldete. Die CD ist auch auf Spotify zu hören und ich sollte etwa einen Rappen pro Klick erhalten. Sie hat keine Aufrufe bis heute, aber sie ist bestimmt eine feine Sache, auf ihre Art. In Schweizerdeutsch gehaltener Wahnsinn. Ich kümmerte mich nie um fertige Produkte von mir. Ich dachte eher, wenn jemand das Genie in mir erkennt, meldet er sich von selbst. Narzisstischer Grössenwahn. Hunderte dieser Cds landeten am Ende im Müll. Joe liess Tausend Exemplare der CD drucken, mit Stempel der Suissa versehen, wie es sein muss. Ich kümmerte mich einen Dreck darum, produzierte einfach immer neues.

Ich buchte mit Jassy Ferien in Umbrien, Italien. Das Angebot war von Lidl oder Aldi. Betrug war es aber auf jeden Fall. Fünf Tage Umbrien für 200 Franken pro Person. Da hätte ich hellhörig sein sollen. Wenn man denkt Umbrien käme gleich nach der Schweizer Grenze täuscht man sich sehr. Das zieht sich unglaublich weit runter. Ich hatte Schmerztropfen gegen die Rückenschmerzen genommen und fuhr alles an einem Tag runter. Endlich angekommen sahen wir das herrliche Gutshaus, in dessen Umschwung wir, gemäss Foto nächtigen sollten. Die zuständige Frau winkte ab, war kalt und fuhr im kleinen Fiat voraus, in Richtung der eigentlichen "Hotelzimmer." Das waren umgebaute Kuhställe mit Betonboden! Die Betten waren die billigsten ich je gesehen habe. Sogar die 25 Dollar Motels in Amerika, oft Wanzen verseucht und nächtlich erscheinenden Riesenschaben, hatten bessere Matratzen. 

Kein Fernseher gab der Leseresistenten Jassy den Rest. Trotzdem machten wir frohen Mutes einen Ausflug nach Assisi. Der Heimat des heiligen Franz von Assisi. Ich hatte solche Rückenschmerzen, dass ich damit kaum gehen konnte. Ich sass mich auf einen Stein und weinte. Jassy schrie mich an: 

"Hör auf zu weinen!" 

Da raffte ich mich wieder auf. Viele Kirchen und Klostergebäude waren anzuschauen. Mönche querten ihn ihren dunklen Kutten und Sandalen den weiten Platz. Der Geruch in der grossen Kirche war sehr unangenehm. Das verschmitzte Lächeln der Mönche kann man nicht deuten. Wollen sie einem Segnen oder den Scheiterhaufen nebenan nochmal anfeuern? Heute liebe ich eigentlich vor allem diese gewaltigen Mosaikfenster mit hunderten Farben in den Kirchen. Um wirklich religiös zu sein besitze ich einfach zu wenig Geld! In Assisi bestellten wir naiv, Spaghetti Carbonara in einem sehr kleinen Restaurant, in einer verwinkelten Gasse. Die konnte man nicht Essen. Dem Betrieb war das egal. Bald kamen die Busse an, mit tausenden, dummen Touristen! Das ist schon traurig sowas. In Italien liegt das feinste Essen vorstellbar, so nah am totalen Abriss! Nebenan im Kloster, hätten die Mönche diese Carbonara bestimmt nicht angerührt. Aber so war das schon immer. Zurück im Schlag begannen wir zu streiten. Ich hatte viele Wundertüten mit Spielzeug darin gekauft, aber das konnte den Verdruss auch nicht aufhalten. Ich zerschmetterte meine Kamera an der Wand und Jassy begann zu weinen. Niemals habe ich Jassy geschlagen und sie tat mir leid. Meine Rückenschmerzen hatten mich zum gehässigen Arschloch transformiert. Ich stieg ins Auto und fuhr allein ins Spital. (Stets ohne gültigen Fahrausweis.) Die achtstündige Fahrt nach Umbrien im billigsten Autositz, und die Nächte im schäbigen Bett hatten meinen Rücken zerschreddert. Beim Gehen sah ich aus wie ein Zombie. Ich musste lange im Notfall Warteraum warten. Dann holten mich zwei sehr junge Ärzte ab. Sie waren unglaublich gut drauf und lachten ständig. Sie mochten mich sehr. Sie kamen mir vor wie zwei junge Künstler die Lachgas oder ähnliches konsumiert hatten. Sie knallten mir eine Spritze in den Po, die es in sich hatte. Innert zwanzig Sekunden waren die Schmerzen weg und ich konnte mich gerade noch knapp hinsetzen weil das Zeug so reindonnerte. Das fanden sie sehr lustig. Ich auch. Sie schenkten mir noch zwei grosse Packs mit stärkstem Schmerzmittel. Ein Teufelskreis. Trotzdem rettete es bestimmt die Ferien. Ich fuhr zurück zu Jassy, plötzlich sehr zufrieden mit der Welt. Ich sagte zu ihr: "Komm wir fahren ins Tessin. Ich zahl alles." 

Wir packten zusammen und fuhren nach zwei Tagen Umbrien zurück in die Schweiz. Wir übernachteten in einer grossen Stadt in Italien. Ja kein Stress mehr. Ich liess mich nicht lumpen und bezahlte fünfhundert Franken für eine Nacht in einer Suite. Mein Anbau von eigenem Gras lohnte sich immer noch sehr. Mit einer halben Invalidenrente alleine kann man nur knapp Leben. Das man in der Suite nicht rauchen durfte regte mich sehr auf und ich rauchte trotzdem. Am Abend lud ich Jassy zum Sushi Essen ein, was sie sehr mochte. Von Carbonara waren wir momentan geheilt. Am nächsten Tag fuhren wir weiter Richtung Schweiz. Im Tessin hatten wir dann noch zwei herrliche Tage. Wir fanden ein verstecktes Restaurant dessen Spezialität Kaninchen mit Polenta war. Da gingen wir gleich zweimal hin. Am Schluss waren wir doch zufrieden mit unseren Ferien.

Umzug
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83.  Umzug

Ich hatte schon immer einen Sammeltick, solang ich das Geld dazu hatte. Bares für Rares ist eine meiner Lieblingssendungen. Als ich einmal Schneekugeln sammelte fuhr ich dazu nach Einsiedeln. Vor dem Kloster befanden sich eine grosse Menge kleiner Läden die allerlei  Krimskrams verkauften. Von Socken mit Jesusmotiv bis zum kleineren Privataltar konnte man sich mit religiösen Motiven eindecken. Ich kaufte sehr schöne Schneekugeln, auch sehr alte. Mein Liebling war eine Schneekugel mit dem Ölberg und den drei Kreuzen. Schnee am Ölberg! Passt zur derzeitigen Klimahysterie. Zurück im Chalet hatte ich die tolle Idee, aufblasbare Jesussen in Lebensgrösse herzustellen. Einige Menschen haben ja eine Neigung zu Aufblasbarem. Der moderne Pfarrer würde dadurch sicher einen schnelleren Zugang zu solchen Menschen finden. Der schweineteure, aufblasbare Judas wäre nur in der Sonderedition "Dirty Dozen" erhältlich gewesen. Naja. 

Joe wollte die neunzig Rappen Münze erfinden. Weil alles 3.90 oder 4.90 kostet. 

Im Internet fand ich ein Angebot für einen alten Flipperkasten aus dem Jahr 1975. Mein Bruder Fonsi lehnte uns einen Bus von seinem Geschäft aus und wir fuhren ins Appenzell um den Flipper abzuholen. Dort angekommen fanden wir ein sehr grosses Haus mit dazugehöriger grosser Halle vor. Alles war voll mit Zauberartikeln. Diese Kisten mit doppeltem Boden, in denen man einen Tiger verstecken konnte, hingen von den Decken herab. Pyramiden um Menschen verschwinden zu lassen und auch ganzes, antikes Karussel stand im Raum. Sehr alte Puppenautomaten, ein Schifferklavier und antike Spielautomaten standen dem Staub ausgesetzt herum. Alles konnte man für wenig Geld kaufen. Der Zauberkünstler war nicht anwesend. Ob er im Ruhestand war oder finanziell abgebrannt, kann ich mich nicht mehr erinnern. Zurück im Chalet entdeckte ich, dass im Flipper die Glocken fehlten. (Eigentlich ein winziges Xylophon, das für die herrliche Geräuschkulisse beim Punkten zuständig ist.) Für den Flipperkasten bezahlte ich 700.- Franken, aber für die Glocken, die ich nachher mühsam im Internet suchen musste nochmal 250.- Franken. Die Glocken hatte jemand bewusst vorher entfernt. Ich liess einen alten Fachmann ins Haus kommen, der sehr streng roch und viel von Mutter Maria erzählte, an die er sehr glaubte. Er war einer der letzten seiner Art. Dieser Mensch kannte alle Schaltpläne dieser antiken Kisten, wachste das Spielfeld, ersetzte alle kleinen Glühbirnen und er ersetzte auch die Gummis. Wir holten ihn unten am Bahnhof ab und fuhren ihn nach fast 12 Stunden Arbeit zurück. Er hatte den Flipperkasten an einem Tag in einen Topzustand versetzt. Sogar 1 Franken Stücke konnte man wieder einwerfen. Dafür verlangte er dreihundert Franken. In diesem Zustand ist der Flipper heute 4000 Franken wert. Mit dieser Maschine und unseren Freunden hatten wir viele lustige Abende. Erstaunlicherweise konnte Joe nie gut flippern. Ich schon. Man nannte mich den Flipperkönig.

Die Zeit verging wie im Flug. Das Wasser der Herbstürme und Gewitter lief im inneren der Wände, unseres kleines Chalet hinab. Unbemerkt von uns, bildete sich gewaltiger, bösartiger Schimmel in meiner Wohnung. Ich hatte auch chronischen Husten und man bekam die Feuchtigkeit auch nicht mehr wirklich raus. Der geizige Vermieter wollte gar nichts sanieren. Er wollte uns eh seit Jahren loswerden. Wir begannen etwas zu suchen und wurden im Bisistal fündig. Es ging alles sehr schnell. Wir bestellten eine grosse Mulde um alles zu entsorgen was wir nicht mehr brauchten. Ich konnte diese teils filigranen, mit Sekundenkleber fixierten Skulpturen nicht im Bus transportieren. Ich hatte Rückenschmerzen, konnte nicht schwer heben und niemand wollte zweimal fahren. Es war etwas in der Luft, was wir nicht fassen konnten. Mein Zorn richtete sich an mich selbst. Ich warf praktisch alles fort. Auch sehr viele Bilder, Material und Werkzeuge. Ich machte auch keine Musik mehr im Bisistal.

Alle waren  grimmig beim Umzug. Es fühlte sich alles nicht mehr richtig an. Jassy besass eine eigene kleine Wohnung und zeigte sich auch nicht begeistert.  

Bisistal
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84.  Bisistal

Wir mieteten ein grosses Haus am Schattenhang im schönen Bisisthal. Wir zogen im Herbst ein. Im Winter konnte die Sonne das Haus für zwei Monate nicht erreichen. Zu Fuss musste man 50 Min die Berge hoch laufen. Im Winter, mit dem Auto, konnte man nur mit Schneeketten hochfahren. Jassy hatte Angst vor der einspurigen Bergstrasse und fuhr nie persönlich hoch. Beat musste sie jeweils am Samstag morgen hochfahren. Das Haus war riesig und preiswerter als das Chalet vorher. Die Besitzer wohnten gleich nebenan und betrieben einen kleinen Bauernhof. Das waren eher verschlossene, zurückhaltende Menschen. Könnte sein das der Bauer auch Jäger war, denn der arme, alte kranke Hund musste im strengsten Winter in seiner kleinen Hütte nächtigen und unserer Meinung nach fror er sehr. Er bekam auch immer denselben Frass. Manchmal, wenn er nicht angekettet war schaute er traurig bei uns vorbei. Da gab ich ihm die Reste unserer Spaghetti und der Hund hatte unglaubliche Freude. Der Bauer beobachtete uns scheinbar schon vorher und kam fuchsteufelswild von seinem Haus her zu uns hoch gesprungen, und sagte zornig und wortwörtlich: 

"So haben wir nicht miteinander gerechnet!" 

Das machte mich fuchsteufelswild und Joe schickte mich sofort in die Wohnung zurück. In dem Moment hätte ich den Bauer am liebsten totgeschlagen. 

Ich konnte mich gut ablenken. "Schlumpf", eine von Joes Katzen folgte mir bei jedem Spaziergang kilometerweit in die Berge. Ich konnte locker zwei Stunden unterwegs sein und der tolle Kater folgte mir immer wie ein Hund. Ich spazierte bis ins Muotathal und hörte oft Schlagzeuger, weit entfernt in Scheunen üben. Im Muotathal gibt es eine Menge guter Rockbands. Alle mit erstaunlichen Schlagzeugern. 

Ich wollte noch einmal die Autoprüfung machen. Dazu trank ich den ganzen Winter gar nichts. Ich kiffte auch nicht mehr. Nicht freiwillig, sondern wegen den zu erwartenden Haar und Blutproben. Das führte zu grossen Spannungen zwischen Joe und mir. Man sah augenfällig, dass er sich jeden Abend mit Rotwein betrank. 

Wir stritten nicht, aber jeder zog sich mehr und mehr in seine eigene Wohnung zurück. 

Zur Ablenkung schrieb ich jeden morgen an einem Westernroman, den ich auch wirklich nach drei Monaten fertig geschrieben hatte. Ich las viele Wildwest Romane als Studium und blieb bis heute daran hängen. Zu den schönsten gehören die Romane von R.S.Field. Hinter diesem Pseudonym steckt der 80 jährige Schweizer Werner J. Egli. Er liebt die Geschichte der Indianer und befand sich viele Jahre in Amerika. Heute wohnt er in Luzern und schreibt unter anderem sehr schöne Abenteuer Kinderbücher, die von den stolzen Indianern im Wilden Westen erzählen. 

Diese preiswerten Wildwest Groschenromane, die man immer noch an einigen Kiosken kaufen kann, werden leider unterschätzt. Ich fand Perlen unter diesen kurzen Geschichten, die auch Jack London und Karl May mit Genuss gelesen hätten.

Die Aussicht auf das Tal unter uns war unbezahlbar, aber niemand konnte es wirklich geniessen. Unvergessen sind die handvoll Ausflüge ins Hölloch Restaurant in Moutathal. Der Wirt ist Legende und auf seiner Wildkarte gab es damals nur ein einziges Gericht: "Hiesiger Hirschpfeffer". (Hiesig bedeutet Einheimisch). Ich sah zwar niemals Hirsche auf den Strassen von Muotathal aber der Pfeffer war sowas von fein. Zuerst gegen Jäger lästern und dann Pfeffer fressen gehen.. Der Mensch ist ein Widerspruch in sich selbst! Der erstaunliche Wirt servierte nur einfaches Rotkraut und Spätzli dazu. Immer schöpfte er nach, sollte man noch Hunger haben. Und in einem Nebenraum stand ein Flipperkasten an dem wir nach dem Essen spielten. Auch gibt es im Muotathal ein Restaurant, dessen Hausspezialität Pouletflügeli sind. Das Restaurant war sehr gut besucht und alle bestellten Poulet. Die Hühner waren vom eigenen Hof und ungeniert zufrieden bis zum finalen Cut. In diesem Restaurant assen wir einige Male die besten Pouletflügeli unseres Lebens. 

Mein Sekundarlehrer kam auch noch ein letztes Mal zu Besuch. Wir holten ihn unten im Dorf ab. Seine Frau hatte ihn liegend im hinteren Teil des Kombis transportiert. Er war schon sehr angeschlagen, mager und ordentlich betrunken. Wir fuhren hoch zu unserem Haus. Ich durfte nichts trinken er aber gab sich locker noch 5 dl Rotwein. Er kaufte mir noch eines der übrig gebliebenen Bilder für 40 Franken ab. Nach dem Besuch blieb ein traurig, bitterer Geschmack. Er schrieb mir E-Mails in denen er mir von seiner kaputten Leber und den angeschlagenen Nieren erzählte. Mir ging das auf die Nerven, denn die Antwort war doch immer dieselbe: Hör endlich auf mit der Sauferei! Ich schrieb scherzhaft zurück, er solle sich doch eine neue Leber beim Metzger kaufen. Das machte ihn zornig und er schrieb mir, ein letztes Mal, eine prophetisch gehaltene E-Mail. An die Worte kann ich mich sehr gut erinnern, denn sie gaben mir jahrelang zu denken. Da stand: 

Lieber Ralph, eine neue Leber kann ich mir nicht beim Metzger kaufen, aber du wirst die Autoprüfung niemals mehr machen. Dein Freund Joe, Jassy und alle deine Freunde werden verschwunden sein und keiner wird dir dann deine Bilder mehr abkaufen. Sie werden dir deine halbe Invalidenrente wieder wegnehmen und ich wünsch dir jetzt schon viel Spass.

 

Das war ein brutaler Denkanstoss und auch der Winter kam mit brutaler Härte. Ich bestand die Theorieprüfung und besuchte zum gefühlten vierten Mal in meinem Leben den Nothelferkurs. Schlussendlich sollte ich drei Haarproben pro Jahr abgeben, für jeweils 1000.- Franken. Das konnte ich mir unmöglich leisten. Also starb die Idee mit der Autoprüfung, was mich sehr niedergeschlagen hat. Die kilometerlange Strasse, hoch zu unserem Haus, war komplett eingeeist und Joe kassierte zwei Blechschaden an seinem Auto, weil der Bauer zu wenig gesalzen hatte oder zu wenig gepflügt wurde. Joe drehte fast durch und wollte so schnell wie möglich wieder wegziehen. Er hatte wirklich Angst vor dem runterfahren und es war sehr gefährlich. Ich fand ein Haus in der Nähe von Einsiedeln, aber Joe wollte es eigentlich schon gar nicht mehr ansehen. Er sagte, es wäre ihm ein zu weiter Arbeitsweg. Ich fuhr mit Jassy nach Gersau und schaute mir eine sehr kleine 2 Zimmerwohnung an, die mir gleich von Beginn an sehr gefallen hat. Claudina die Vermieterin verstand sich gut mit mir und ich hab den Zuschlag gleich beim Anschauen der Wohnung bekommen. Ins Schlafzimmer passte nur das Bett und ein Schrank und auch das Wohnzimmer ist klein. Dafür ist der kleine Balkon mit Ausblick auf den Gersauerstock wunderschön. Ich musste mich noch einmal von vielen Dingen trennen. Ich hatte ja eine 4 Zimmerwohnung im unteren Stock, im Muotathal. Joe bezog eine Dreizimmerwohnung in Brunnen. Dort verstaute ich auch meine grosse Plattensammlung, das Elektroschlagzeug, die Boxen und die Synthesizer. Hunderte Bücher und zwei Sofas hab ich gleich weggeworfen. 

Gersau
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85.  Gersau

Man sagt die Gersauer seien ein eigenes Volk. Auch heissen alle Einwohner Camenzind. Sie lieben sich sehr, untereinander. Gersau ist flächenmässig die grösste Gemeinde der Schweiz. Hoch in den Bergen findet man auch die Siedlung einer Sekte. In den Medien nennt man sie eine "Sexsekte!" Sie treiben viel Sport, ernähren sich vegetarisch und rammeln fürs Leben gerne. Als ich einmal an ihrem Hauptquartier vorbei spazierte, sah ich eine junge Frau verloren in ihrem Bio Müesli rumstochern. Ich traf ein anderes Mitglied dieser Sekte beim Sporttreiben und sprach lange mit ihm. Ich sagte ihm, dass am Ende jeder "Einführung" oder Lehre, nur er selbst stehe. (Das göttliche in dir, sozusagen.) Er brauche doch niemandem, sagte ich zu ihm, aber er sei glücklich, antwortete er. 

Jedem das Seine. Respekt zwischen allen Menschen ist das wichtigste. Ich spaziere gern, leider geht es links und rechts von Gersau steil hoch. Da könnte das Amt für Tourismus auch mal was machen, anstelle alte schöne Häuser abreissen zulassen, um dann hässliche Eigentumsblöcke hochzuziehen. Kaum in meiner Wohnung eingezogen ging es schon los. Das schöne, kleine Haus, 50 Meter entfernt wurde abgerissen. Drei nicht so hübsche Blöcke mit jeweils 3 Eigentumswohnungen folgten. Ein Jahr unglaublicher Lärm. Man muss verstehen, Gersau hat ein "Mediterrian" Klima. Es hat eine Menge Palmen in Gersau. Für diese hässliche Überbauung pflügten sie auch 20 steinalte Olivenbäume um. Die Überbauung heisst jetzt "Oliveres." Oliven. Ein einziger, trauriger Olivenbaum wurde eingepflanzt und wird nun in der Nacht von vier kleinen Scheinwerfern angestrahlt. Nur 30 Meter von meiner Wohnung entfernt, befand sich auch der zweitgrösste Baumbestand innerhalb des Dorfes. Das wurde auch alles ausgerissen, für ein Haus mit 9 Wohnungen. Auch da stand vorher ein schmuckes Häusschen. Der grösste Baum hatte bestimmt 1,5 Meter Durchmesser. Ich filmte alles. Der Mann mit der Kettensäge umarmte den Baum vorher, das erstaunte mich. Die grossen Bäume wurden durchgesägt und die kleineren wurden von einem Kran ausgerissen. Bäume wollen die Wurzeln nicht loslassen und in exakt dem Moment indem sie für immer loslassen müssen, macht es ein grauenhaftes Geräusch. Auf meinem Balkon hatte ich Eichhörnchen, Kleiber und Spechte zu Besuch, und jeden morgen wurde man von unglaublich vielfältigen Vogelgesang geweckt. Das war für immer weg.

Trotzdem ist es erstaunlich wie nah man der Natur in mitten von Gersau ist. Jede Nacht höre ich den Fuchs und jedermann hört die grossen Eulen vom Berg hinunter. Auch füttere ich seit Jahren die Raben und scheuen Elstern. Streunende Katzen klettern die Katzenleiter  hoch und bekommen immer etwas. Die Marder hört man oft Streiten, nachts auf den Strassen und einmal besuchte mich eine Mutter mit ihren Kleinen. Sie flohen in Panik als ich die Balkontüre öffnete. Eines der Jungen fand den Weg zu Katzenleiter nicht, zwang sich unter dem Geländer des Balkons durch und sprang 3,5 Meter in die Tiefe. Zum Glück blieb es unverletzt. Es herrscht ein eher warmes Klima, aber wenn es stürmt, donnern die Stürme jeweils zwischen den Bergen hinunter und die zwei Dorfbäche werden wild. Es gibt tolle Restaurants in den Bergen, die nur im Sommer geöffnet haben. Da ging ich mit Jassy oft hin. Ich bestieg auch den Gersauerstock, was mich an meine Grenzen brachte. Bei der steilen Leiter bekam ich Gummibeine und hatte sieben Tage Muskelkater danach. Von Beginn an besass meine Wohnung im ersten Stock noch keine Katzenleiter. Bobi mein schon sehr alter Kater drehte fast durch. Die Vermieterin machte mich darauf aufmerksam, dass meine Wohnungstüre ab und zu offen stand. Meine Haustüre schliesst man von aussen mit einem Schlüssel, innen aber ist es ein praktischer Drehknopf. Der schlaue Bobi sprang also immer hoch und drehte zuerst den Drehknopf, danach sprang er hoch zum Türgriff und offen war die Türe. Schnellstens baute ich mit einem der wenigen Kollegen, die noch vorbei schauten, eine Katzenleiter. Bobi war wieder glücklich. Eines morgens wachte ich auf und mir fielen sofort die vielen Wespen in meiner Wohnung auf. Ich öffnete die Balkontüre und wie im Horrorfilm "Der Schwarm" flogen hunderte Wespen in meine Wohnung. Sie warteten wohl schon einige Zeit, denn die Königin hatte sich oberhalb von meinem Lampenschirm eingenistet. Der Fachmann für Insekten konnte erst am Abend vorbeischauen und so musste ich den ganzen Tag mit den Wespen leben. Keine hat mich gebissen aber es umschwirrten einem ständig dutzende. Ich drehte auch ein kleines Video, da sieht man drei Wespen auf meinem Joint sitzen. Am Abend musste ich kurz die Wohnung mit Bobi verlassen. Es wurde Gift gesprüht und die Wespen starben.

 

Angelika Milster, die grossartige Musicalsängerin wohnte damals noch in Gersau. Ich hatte ein paarmal kurz Smalltalk mit ihr, beim Einkaufen. Einmal sah ich sie durch ein Wirtshausfenster, Weisswein mit einheimischen Bauern trinken. Da sah sie etwas verloren aus. Leider ist sie weggezogen. Auch die grosse Monika Kälin wohnt bis heute in Gersau. In einer hübschen bescheidenen Wohnung nah am See. Wenn ich mit meinem Fahrrad da vorbeifahre und sie sich auf dem Balkon aufhält, rufe ich laut: 

"Hoi Monika!"  

Sie grüsst immer freundlich zurück. Für mich ist sie die "Brigitte Bardot" von Gersau. Mitten im Dorf befindet sich ein Hühnerstall mit stolzem Hahn. Dort kann man, wie an vielen anderen Orten in Gersau, frische Eier oder hausgemachte Leckereien kaufen. Ich fragte die Besitzerin des Hühnerstalls, ob nicht die umliegenden Anwohner reklamieren würden, wegen dem imposanten Krähen des Hahns. Sie liesse ihn erst um 8.00 Uhr aus dem Stall. Dann legt er dann jeweils ordentlich los und zwar den ganzen Tag. Das mag ich sehr. Oft, wenn mich die eigenen Gedanken aufzufressen drohen, holt der Ruf des Hahns mich wieder gratis zurück. Jassy und ich stritten oft. Die Luft entwich immer schneller aus der Luftmatratze unserer Liebe. Jassys Eltern waren geschieden und lebten getrennt. Beide Elternteile liebten Jassy sehr. Vielleicht hatte sie auch deswegen, von Beginn an, viel mehr Liebe zu geben. Die ersten drei Jahre unserer Beziehung nörgelte ich ständig an ihr herum, was sich zum Glück dann später etwas beruhigte. Während sie zu Beginn noch vier Tage pro Woche bei mir schlief, kam sie nun nur noch von Samstagmittag bis Sonntagmorgen zu mir auf Besuch. Verdruss lag in der Luft. Ab und zu schlief ich auch bei Jassy. Ich regte mich jeweils auf, weil sie nicht fähig war, dass verdammte Aquarium sauber zu halten. Dafür war die eigene Haussauna umso besser. Ich saune fürs Leben gern. Ein fauler Weg Sport zu treiben, aber nur, wenn man sich auch wirklich mit sehr kaltem Wasser abkühlt!

Die Regeln des Herrn Kneipp sollte man dabei tunlichst befolgen. An das kalte Wasser sollte man sich langsam antasten. Schon mein halbes Leben beende ich das Duschen immer mit einem kalten Wasserstrahl im Gesicht. Immer im Uhrzeigersinn mit dem Schlauch im Gesicht herum. Das soll ein gutes Hautdesign hervorrufen. Bestimmt fördert es aber die Durchblutung und man ist nachher nicht mehr so bleich wie eine Hauptfigur eines Dämonenkiller Romans. 

Ich hatte Geburtstag und wir feierten in Joes grosser Wohnung. Vielleicht acht Personen. Die Gesellschaft war klein geworden. Ich kochte Voressen für alle. Ich war darin eigentlich sehr gut, aber an diesem Abend schmeckte es katastrophal. Wir tranken Rotwein und kifften. Das übliche Szenario. Gegen 22.00 Uhr schickte Joe jemanden zum Bahnhofshop, um Whiskey zu kaufen. Ich trank keinen Whiskey, Joe schüttete ordentlich in sich rein. Plötzlich kippte die Stimmung. Joe sass mir gegenüber und explodierte förmlich. Was er sagte hat sich Wort für Wort bis heute in mir eingeprägt. Er schrie: 

"Ralph, du gottverdammter, fauler Sauhund. Du bist ein Genie und hast nichts aus deinem Leben gemacht. Rein gar nichts. Mein ganzes Leben habe ich vergeudet, wegen dir. Ich schlag dich zusammen du Dreckshund!"

Die Freunde mussten ihn halten sonst hätte er mich angegriffen. Ich fuhr sofort mit Jassy nach Hause. Am nächsten Tag rief ich ihn an und forderte eine Entschuldigung. Ich konnte mich ja nicht für mich selbst entschuldigen. Der Gedanke, ein Star oder Künstler zu sein hatte ich mir ja nicht aus dem Ärmel gezogen. Meine Mutter nahm mir zu oft in jungen Jahren die Verantwortung ab. Lob und Tadel waren bei ihr niemals vernünftig. Ich hätte in allem besser sein können, fleissiger, aber ich wars halt nicht. Joe grummelte etwas, aber entschuldigt hatte er sich nicht wirklich. Für mich reichte das und wir blieben beste Freunde. 

 

Mein Bruder Fönsi schenkte Jassy und mir einen Hotelgutschein. Eine Nacht in einem Sporthotel mit Fresspalast. Unsere unstabile Schweizer Fussballmanschaft nächtigte auch oft in diesem 5 Sterne Resort. Ich liess mein Gras zuhause, da die Kifferei Jassy inzwischen ordentlich auf den Sack ging. Wir besassen auch einen Gutschein für ein 5 Gänge Menu im hausinternen, französischen Restaurant "Forfait." Das Essen war fein aber mein Appetit war woanders. Wahrscheinlich weil ich nichts gekifft hatte. Ich konnte gar nichts Essen. Ein wenig Suppe ging noch, dann wars dann aber auch gut. Jassy hatte mächtig Gewicht zugelegt während ich am Gewicht verlieren war. Das Essen war immer eine grosse Gemeinsamkeit zwischen uns.

Wir waren sprachlos machten aber in der Nacht trotzdem krampfhaft leidenschaftlichen Sex. Für die Zigarette danach musste ich in diesem, für Spitzensportler ausgerichteten Hotel, eine kilometerlange Odyssee auf mich nehmen. Schliesslich fand ich doch noch einen Platz zum Rauchen. Draussen, im November bei minus 25 Grad, im Pyjama. Das war definitiv nicht mein Wochenende. 

 

In einem Nachbarhaus, in Gersau, wohnte eine Magnetopatin. Sie bot auch energetische Massagen an. Eines Tages lief ihre Katze davon und diese Frau stand inmitten der Strasse und weinte bitterlich. Die Bewohner der Häuser, rings um mein Haus, mit ihren gepflegten Gärten und Palmen, sind keine Katzenliebhaber. Weil die gerne in den Garten kacken. Niemand wollte ihr helfen. Ich fragte sie, wo denn die Katze hingesprungen sei. Sie zeigte auf ein schmuckes Häuschen. Ich öffnete das Gartentor und lief hinter das Haus. Da sah ich die Katze, auf dem aufgereihten Kaminholz, zuhinterst in der Ecke. Sie konnte nicht mehr fliehen und ich packte den alten, aber immer noch wehrhaften Kater hinter dem Kopf. Er wehrte sich als ob es um sein Leben gehen würde. Beide Hände waren verkratzt und bluteten stark, aber ich liess ihn nicht mehr los und streckte die Hand mit der Katze weit von mir. In diesem Augenblick kam die Hausbesitzerin zur Tür hinaus. 

"So geht das aber nicht, das ist Privat!" rief sie. Ich hatte keine Zeit für Antworten und lief schnurstracks in die Wohnung der Naturheilerin zurück. Das mörderische Busi verzog sich unters Bett und sie desinfizierte und verband meine Unterarme. Sie war mir ewig dankbar dafür. Sie liebte ihren Kater ausserordentlich. Ich bekam eine Flasche Rotwein geschenkt und ein Buch mit dem Titel: Mit 12 Meditationen durch das Jahr. 

King Arthurs Nachfolger
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86.  King Arthurs Nachfolger

Nikki lud mich zu einem Ausflug ein. Im Glarnerland war ein grosses Mittelalterfest angesagt. Nicht etwa in einer Altstadt oder auf einer Burg. Nein, die Veranstalter mieteten eine riesige Wiese, ausserhalb des Dorfes für diesen Anlass. Da hätten wir skeptisch werden sollen. Wir bezahlten den krankhaft teuren Eintritt. Auf dem Festgelände selbst war alles viel zu teuer. Alle Menschen kamen uns wie Angestellte eines sehr hart geführten Betriebes vor. (Das ist es auch.) Sogar eine Wahrsagerin verlangte 50 Franken für ihr Spiel. Die Gaukler wollten für jedes Foto fünf Franken, sonst wurden sie zornig. Sie machten allesamt einen sehr kaputten Eindruck. Ein mittelalterlich verkleideter Mann lockte uns in sein Zelt. Wir sollen doch gratis diesen hervorragenden Wein probieren. Der Wein war die schlimmste Qualität die ich je trinken durfte. Ich sprach den Verkäufer darauf an, dass die italienischen Weine noch nicht mal eine Ursprungsbezeichnung haben. Er füllte uns zwei weitere "Fingerhüte" mit Fusel und wollte uns einen Knechtvertrag über ein Jahr unterschreiben lassen. Jeden Monat, eine Kiste Wein, frei Haus, und sauschwer zu kündigen! Es war exakt die gleiche Firma, für die ich etwa 25 Jahre vorher, den Wein ausgeliefert hatte!!

Trennung von Jassy
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87.  Trennung von Jassy

Es war Frühling. Wie immer am Samstag kam Jassy zu mir nach Gersau. Wir hatten uns komplett auseinander gelebt. Nach dem Essen ging Jassy gleich ins Bett und erwartete mich jeweils mit einem Schnarchkonzert. Am Sonntagmorgen fuhr sie immer zu ihrer Mutter zum Essen. Am Montag sah ich sie vom Bus aus in einem Restaurant sitzen, mit vier Herren. In dieses Restaurant, so hat sie mir versprochen, würde sie nicht mehr gehen. Weil der Wirt immer schlecht über mich gesprochen hat. Ich stieg an der nächsten Haltestelle aus und lief zum Restaurant zurück. Ich ging zu ihrem Tisch, legte die Schlüssel ihrer Wohnung hin und verlangte meine Hausschlüssel. Ich beendete die Beziehung. Nach 14 Jahren hat das beiden sehr weh getan. Der berühmte Schmerz in der Herzgegend, als ob was rausgerissen wird. Jassy hatte schon einen Monat nach der Trennung einen neuen Freund, von dem sie mir schon oft vorher erzählt hatte. Weil ich nach der Trennung dermassen am Arsch war, besuchte sie mich mit ihm zusammen in Gersau. Ich war respektlos und total besoffen. Zufällig sah ich sie Monate später am Bahnhof. Sie gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass sie keinen Kontakt mehr wünsche. Das habe ich akzeptiert. Ich war nie ein Stalker aber mich damit abzufinden, dass jemand einfach nicht mehr da ist, war schwer für mich. Ein paar Mal weinte ich mich bei Joe aus, aber wenn ich heute zurückblicke, sah ich da nicht ein hämisches Lächeln in seinen Mundwinkeln. Joe fühlte sich ja auch von mir manipuliert, konnte es mir aber nicht sagen. 

 Schrecklicher Geburtstag
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88.   Schrecklicher Geburtstag

Das Leben ging weiter. Ich besuchte meine Mutter, was mich jeweils noch viel tiefer runterzog. Sie fragte mich immer, wie es mir ginge, gab die Antwort aber immer schnell selbst: 

"Schlächt gäll!" 

Sie gab mir immer Oxycodine Tabletten die das reinste Gift für mich waren. Nachdem ich vielleicht zwei Tabletten geschluckt hatte, warf ich zuhause, zum Glück, jeweils den Rest in die Toilettenschüssel.

Ich hab mich nie ganz aufgegeben. Ich kaufte eine Sechsloch Ocarina und übte jeden Tag mehrere Stunden. Zuerst übte ich nur die Tonleiter, später spielte ich zu meinen Lieblingsliedern. Ich war richtig gut und sollte sie unbedingt wieder mehr hervor nehmen. Auch meditierte ich jeden Tag. Auf Youtube fand ich tolle Meditationsvideos die meiner Seele sehr gut taten und ich machte lange Spaziergänge. Ich begann wieder zu malen.

Einen Tag vor meinem Geburtstag fuhr ich nach Cham, zu meinen Eltern. Franky traf auch ein und wir fuhren in ein schönes Gartenrestaurant um meinen Geburtstag zu feiern. Vater war in schlechter Verfassung und Mutter bemutterte ihn wie ein kleines Kind. Die Pouletflügeli schmeckten hervorragend und mein Vater hatte, genau wie, ich gesunden Hunger. Vater und ich hatten in vergangener Zeit wieder oft zusammen Filme geschaut und es war gut so, wie es halt war. Die ganze Rechnung des Essens ging auf Vaters Kappe und er fuhr mich anschliessend zurück nach Gersau. Am nächsten Tag hatte ich Geburtstag und wollte auf meinem Balkon grillieren. Ich zündete die Kohle an als das Telefon klingelte. Franky war am Telefon. Vater war heute morgen früh gestorben. Das war schlimm. Er war einfach vom Stuhl gekippt und gestorben.

Eine Stunde später rief mein Bruder Alphons an, er wusste es noch nicht und fing sofort an "Happy Birthday" zu singen. Ich unterbrach ihn sofort und sagte das unser Vater gestorben sei. "Unser Vater?" fragte er und ich hörte wie stark er sein Auto bremste und seinen Wagen anhielt. Dann waren wir beide eine Minute ruhig und weinten. Wir trafen uns im Spital, wo wir ihn noch einmal anschauen konnten. Papa sah friedlich aus im Tod. Ich hatte sicherlich kein inniges Verhältnis zu meinem Vater, aber als unschuldiges Kind liebte ich ihn wie alle Jungen ihren Vater lieben. Für meine Mutter gab es nun kein Halten mehr. Sie schluckte schon vorher starke Betäubungsmittel, jetzt war sie schon langsam konstant im Opiumrausch. Ihre negativen Gefühlsausbrüche wurden unberechenbar. Ich besuchte sie gar nicht mehr gern in Cham. Die Freundin eines guten Kollegen machte mich darauf aufmerksam, ich solle doch die Beziehung zu Mutter beenden. Das lag für mich jenseits der Vorstellung und ich verscheuchte diese Frau. Ich dummer Mensch. Bei der Beerdigung trafen viele Verwandte aus Illmitz ein. Nach dem Essen fotzte mich meine Mutter quer über drei Tische an:

"Man hört nur immer deine -Schnorre-! Die ganze Zeit!"

Da nahm ich meinen Mut zusammen und rief gleich laut zurück:

"Entweder du bist lieb zu mir, oder ich besuche dich nie mehr!"

Joe, Bhagwan und das Ende
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89.  Joe, Bhagwan und das Ende

Der Winter nahte und Joe lud mich zum Nachtessen in seine Wohnung ein. Er war ein begnadeter Koch und das wenige, dass ich kochen kann, habe ich von ihm gelernt. Er kochte seine legendären Spaghetti Carbonara. Wir tranken ordentlich Rotwein und Joe wirkte sehr unzufrieden. Ich schlug ihm Meditation als Ausgleich vor und gleich noch "Oshos" Meditationstempel in Indien, als Ferienziel. Das buchte er sich und er flog für ein paar Wochen nach Indien zur Sekte Osho. Das kostete ein kleines Vermögen. Mehrere tausend Menschen können sich in diesem Zentrum aufhalten. Jede Art von Meditation wird angeboten. Auch Schreitherapie, Zen-Bogen-Kurse und pünktliche Rückführung in frühere Leben sind möglich. Auf vegetarischer Basis, selbstverständlich. Alle laufen in orangen Kutten rum und suchen verzweifelt sich selbst oder den längst verstorbenen Guru "Osho." Wer eine verheerende Selbsterfahrung gemacht hatte, bekam einen Sticker, den man sich an die Kutte heftete. Darauf stand: "In Silence." Solche Menschen durfte man dann nicht ansprechen. Joe schenkte mir seinen Sticker kurz nach seiner Rückkehr. Er schwärmte von einer Frau aus Russland, die sich Lakshmi nannte. Lakshmi ist der Name der indischen Göttin für Glück, Schönheit und Reichtum. Joe erzählte von tieferer Liebe als normale Liebe. Er werde sie heiraten und in die Schweiz einladen. Kurze Zeit später zog sie in seiner Wohnung ein. Ich wollte sie unbedingt kennenlernen und veranstaltete einen Käsefondueabend bei mir zuhause in Gersau. Ich hatte mir schon ordentlich Mut angetrunken und war übermütig. In Wahrheit war ich sehr traurig. Ich ahnte meinen letzten, besten Freund zu verlieren. Joe parkierte sein Auto und wir begrüssten uns. Joe hatte mir noch 3mal6 Flaschen Mineral und ein paar Kleinigkeiten mitgebracht. Wir trugen die Waren in die Wohnung und ich fand es seltsam dass Lakshmi keinen Finger rührte um etwas kleines reinzutragen. Sie wurde bereits im Meditationszentrum schwanger. Joe erzählte mir das nicht. Sie hatten sich Weissbier mitgebracht und setzten sich auf die Terasse. Lakshmi setzte sich auf seinen Schoss und Joe war hin und weg und glücklich wie ein Kind. Ich schnitt Knoblauch in der Küche und ich konnte es nicht fassen. Während dem Essen verging mir komplett der Appetit und ich griff zu meiner geliebten Ocarina. Ich spielte kurz eine gängige Weisheit der indigenen Völker was Lakshmi nicht so gefiel. Sie legte die Gabel gleich hin und ihr Blick zu Joe sagte mir alles. Ich besuchte Joe noch einmal bei ihm zuhause. Da sah ich ihn zum letzten Mal. Lakshmi liess sich 45 Min Zeit um aus dem Zimmer hervor zukommen. Er heiratete Lakshmi, ein paar Wochen darauf, ohne mich zu informieren, oder zur Feier einzuladen Ich hatte keinen Streit mit Joe aber er zog fort, nach Steinerberg. Kurze Zeit später nach Zürich. Ich rief noch einen guten Kollegen von Joe und mir an. Aus früheren Tagen. Er hätte mich auch nie einschätzen können, war seine Antwort auf den Verdruss. Lakshmi hätte ein gesundes Mädchen zur Welt gebracht, erzählte er mir auch noch. Und Joe hätte seit der Trennung von mir, eine viel gesündere Haut im Gesicht.

Joe ging ohne Verabschiedung. Das war schlimmer für mich als der Tod von Vater und die Trennung von Jassy, ein paar Monate zuvor. Joe und ich hatten niemals eine sexuelle Beziehung und waren 40 Jahre lang die besten Freunde. Jeder hat die Abgründe des anderen gesehen. Wir liebten uns ganz bestimmt. Mit Jassy wohnte ich ja nie zusammen, mit Joe alleine in den Bergen fünfzehn Jahre im selben kleinen Haus. Und wir hatten nur dreimal Streit. Das hatte ich mit Jassy oft an einem Tag. Unglaublich wie ich ihn vermisste. Den ganzen Tag hörte ich seine Sprüche und alles was wir erlebt haben, seit der vierten Schulklasse, ging mir nochmal durch den Kopf. Nun war ich komplett alleine. Das war brutal. Man hinterfragt sich selbst eine Menge. Meine Brüder sah ich vielleicht noch drei, vier mal im Jahr. Aber ich hatte niemals mehr Besuch. Die Wohnung wurde zu einem dunklen Loch. Das Bett entfachte einen Sog, der mich stundenlang weinend darauf liegen liess. Mörderische Depressionen quälten mich. Ich ass noch zwei Joghurte am Tag und hatte den gefühlten Tiefpunkt in meinem Leben erreicht. Ich dachte viel an Selbstmord. Jetzt hatte ich nur noch mich und das musste genügen. Ich macht einfach immer weiter.

An Sylvester hatte mich die Welt vergessen und um Mitternacht weinte ich im Wald, an meinem schönen Plätzchen, ehrliche Tränen. Ich sass auf einem Stein und eine Träne fiel zu Boden, zwischen meine Beine auf eine sehr schöne, grosse Vogelfeder. Die nahm ich mit nach Hause und ich besitze sie bis heute. Meine innere Stimme sagte einfach: Weitergehen! Und das sagte mir die Feder auch, symbolisch. Später fand ich ständig hübsche Federn beim spazieren. Ich ging ab sofort wieder fleissig zur Gesprächstherapie in Goldau. Mir hat das immer sehr geholfen. Wer sich da nicht so sicher ist, sollte sich einmal die Fernsehserie "Mein Leben mit 300 Kilo" anschauen. Der Impakt der dort angebotenen Psychotherapie ist jeweils enorm. 

Mutter
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90.  Mutter

Ich hasste es inzwischen sehr, meine Mutter in Cham zu besuchen. Als Joe heiratete und sich vom Acker machte war ihre hämische Antwort: 

"Der hat es dir aber gegeben!"

Das verletzte mich so, dass ich am liebsten gleich wieder nach Hause gefahren wäre.

Sie baute geistig und körperlich immer mehr ab. Liess den Wasserhahn laufen und flutete die ganze Wohnung. Mein Bruder Alphons kümmerte sich um einen Platz im Pflegeheim. Das alles zog sich lange hin und heute lebt sie im Altersheim. Beim Ausräumen ihrer Wohnung fanden wir insgesamt zwei grosse Kehrichtsäcke voller Betäubungsmittel. Sie bekommt nun ein Retard Oxycodin pro Tag, das sie 24/7 beruhigt.

An meinem nächsten Geburtstag fuhr ich mit der Bahn für einen Tag ins Tessin. Meine Mutter wollte ja meinen Geburtstag zu einem Trauertag machen, wegen dem am gleichen Tag stattgefundenen Todes meines Vaters. Im Tessin fühlte ich mich sicher. Ich fuhr nach Lugano und staunte sofort über die vielen älteren Damen, die mit ihren winzigen, weissen Hunden über die Plätze flanierten. Ich lachte mit dem Pedalovermieter. Diese roten Pedalos sind wunderschön und gehören zu den ältesten von Europa. In den Gassen von Lugano fand ich eine Bar mit zwei, drei winzigen Tischen davor. Da trank ich einen Pastis und konnte mich versenken in meine Traumwelt. Die Tessiner reden auch mit den Händen, wie die Italiener. Das ist toll, wenn man ihre Sprache nicht versteht. Irgendein Geschäftsmann traf ein, mit weissem Hemd und filterloser Zigarette im Mund. Seine Rolex spiegelte das Licht, als er einen Sambuco mit Kaffeebohne darin, in einem Schluck runterspülte. Einen kurzen Smalltalk noch, mit dem alten Kellner und weg war er. 

Mutter rief mich niemals mehr an und ich besuchte sie auch niemals mehr. Das ist jetzt etwa vier, fünf Jahre her. Ich sah sie noch einmal bei der Hochzeit meines Neffen. Sie versaute manches fröhliche Hochzeitsfoto mit ihrem bösen Blick. Meine Brüder besuchen sie noch, aber keiner geht gern hin. Kein Zahnarzt will sie mehr behandeln, weil sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hat.

Neuanfang
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91.  Neuanfang

In Gersau machte ich mich widerwillig auf die Suche nach neuem Kontakt. In gewissen Restaurants war das sehr zäh. Ein Restaurant war leer, bis auf die Servierdame die am Stammtisch sass. Ich wollte am Stammtisch hinsetzen aber der Wirt liess es nicht zu. Er sagte, dass sei Privat. Das machte mich richtig giftig, ich ass meine Worte und verliess zornig den Stall. Später hat er sich, gut in Schwung, in einem anderen Restaurant, quasi entschuldigt. Er nannte mich hochintelligent. Andere weniger schlaue meinten: 

"Du hast doch zwei gesunde Hände und von deiner Mutter wäre sicher jeder schon als Kind davon gesprungen! Also erzähl keinen Scheiss!"

Da musste ich weinen. Es ist bis heute das einzige Restaurant, dass ich nicht besuche. Zum Glück gibt es wirklich eine Menge toller Restaurants in Gersau. Man kann auch fantastisch Essen. In den Kneipen fand ich jedoch keinen Anschluss. In einer Bar behauptete einer: "Du bist doch noch nie in Las Vegas gewesen. So einen Mist zu erzählen!"

Ich war insgesamt sicherlich achtmal in Las Vegas und mit solchen Menschen überhaupt zu sprechen, ist vergeudete Zeit. Schon immer sah ich die kleine Horde Jugendlicher am Hafen unten rumstehen. Jeden Abend, zu jeder Jahreszeit. Diese Bande bestand   hauptsächlich aus jungen Kiffern und das war ich ja auch. Ich nahm allen Mut zusammen und gesellte mich mit einem Sixpack Bier zu ihnen. Sie waren eine harte Bande, hatten nie ein warmes Bahnhofbuffet wie wir es hatten. Ich ging oft zu ihnen, egal in welchem Zustand. Schon bald spielten wir Blackjack bei mir zuhause. Damals hatte ich im Winter oft bis zu acht Personen in meiner Wohnung. Das beruhigte sich später. Dani sagt immer: "Keiner ist Normal, genau wie du!"

Mit ihm spiele ich fürs Leben gern Blackjack. Leo kann ich anrufen, und wir fahren zusammen Einkaufen. Der Volg in Gersau ist ein Herzstück, aber auch etwas teuer. Mit Ari, Leo und Dani fuhren wir zu meinem Bruder Franky. Wir gingen Kegeln. Es war ein toller Abend, aber keiner konnte mir das Wasser reichen. Ich baute mit Dani eine neue Katzenleiter und Renato installierte mir die Software.

Anschauen kostet nichts
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92.  Anschauen kostet nichts

Ich liebe das Tessin und wollte mir ein kleines Häuschen anschauen. Für 1200.- wäre das preiswert gewesen. Ich zahle ja auch hier in Gersau 1000.- Franken. Also fuhr ich mit dem Zug zum ersten mal durch das neue Tunnel, was sehr eindrücklich war. Das kleine Haus lag am einem Hang, auf der Seite von Ascona. Ich betrat das Gelände von oben herab. Die gegenwärtigen Mieter waren zugegen und sehr freundlich. Der Vermieter wohnte ein Haus unterhalb. Das Objekt war einfach grandios. Alles offen gebaut. Mit Steinkamin und Pergola. Links vom Haus war ein kleiner Wasserfall. Einen Brunnen und schöne Grillstation hatte es auch. Es war einfach sehr klein und ich hätte um mein Schlagzeug aufstellen zu können, den riesigen Esstisch entfernen müssen. Die Mieter warnten mich vor dem Vermieter. Sie selbst wollten so schnell wie möglich ausziehen. Er stehe plötzlich unangemeldet in der Wohnung, sei ein kranker, alter Stalker. Man dürfe gar nichts verändern im und ums Haus. Es sei die Hölle. Also ging ich dermassen vorgewarnt ein Haus runter zum Vermieter. Ein sehr schönes, grösseres Haus, dass einem Rustico ähnelte. Ich trat ein und mir viel sofort auf, das alles sehr dunkel war. Und es roch beschissen. Seine ältere Frau sass auch am Tisch. Keine Begrüssung, seine erste Frage war gleich: "Warum sind sie nicht zuerst zu uns gekommen?"

Dieser kleine Teufel konnte mich bestimmt nicht fangen. Seine Frau wollte ganz genau wissen, für was ich denn genau eine IV Rente bezog. Ich bekam nicht mal ein Glas Wasser angeboten. Ich verabschiedete mich freundlich, und war bestimmt um eine Erfahrung reicher. Da lebten sie immer noch gesund, oder reich genug, um nicht ins Altersheim zu müssen und sind trotzdem verbittert und böse geworden. Seine Frau hatte ein Gesicht wie aus Wachs, dass kann man sich kaum vorstellen. Da geht man dann gern wieder an die frische Luft! 

Bobi und Maitä
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93.  Bobi und Maitä

Ich musste meinen geliebten Kater Bobi nach 19 Jahren einschläfern lassen. Mein Tierarzt nannte ihn Methusalem. Die Nieren gaben nach langer Diätnahrung einfach ihre Funktion auf. Ein geliebtes Tier einschläfern zu müssen ist was sehr schlimmes. Ohne Katze hielt ich es nicht lange aus und ich rief das Tierheim an. Sie hatten ein einziges, einjähriges Weibchen abzugeben. Das bekam ich für 100.- Franken. Geimpft und kastriert. Der Leiter des Altersheim brachte "Maitä" persönlich mit dem Auto vorbei. Er freute sich sehr, denn das Busi war ja immer eingesperrt gewesen. Er warnte mich, das Büsi sei unglaublich scheu, was ich als Herausforderung ansah. Ich habe mich informiert und man sollte die Katze erst nach zwei, drei Wochen Eingewöhnung ins freie lassen. Maitä blieb die ersten zwei Wochen immer unter dem Bett. Eine unglaublich scheue Katze. Nur für die Toilette und zum Essen kam sie raus. Als sie zum ersten mal vom Schlafzimmer um die Ecke schlich und sich in der Stube hinlegte hatte ich Riesenfreude. Ich baute ihr auf meinem Bett ein Nest, wo sie sich gerne hinlegte. Ich konnte sie inzwischen etwas streicheln und küsste sie auf den Kopf. In dem Moment entlud sich ein kleiner Stromstoss. Maitä und ich waren elektrisch aufgeladen, wie es sicher jeder schon erlebt hat. Maitä hatte den Schock ihres Lebens und verzog sich wieder für fünf Tage unter dem Bett. Heute geht sie vor allem nachts auf die Jagd und ist zutraulich geworden. Am Kratzbaum jagt sie immer ihren eigenen Schwanz und beisst hinein. Dann mauzt sie laut vor Schmerz! Maitä ist eine verrückte Katze mit viel Charme.

Epilogius
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94.  Epilogius

Mit Leo fuhr ich in die Berge. Wir schauten nochmal das Chalet an, indem ich fünfzehn Jahre mit Joe gewohnt hatte. Die Aussicht über den See war immer noch unbezahlbar, aber das Haus war am verrotten. Niemand ist nach uns da jemals eingezogen und der Besitzer bekam nie eine Baubewilligung für was neues. Oder ihm ging das Geld aus. Schade, sowieso. An den Fenstern in der Stube klebten noch die farbigen Mosaike, die herrliche Lichtreflexe auslösten, wenn die Sonne durchschien. Überall ums Haus wucherte die Natur und holte sich zurück, was ursprünglich ihr gehörte. Das machte mich nicht unbedingt fröhlich und wir zogen wieder davon. 

Ich kaufte einen preiswerten Synthesizer und drehte auch wieder Videos für meinen Youtube Kanal. Mein Video "Geschichten aus Cleverland" drehte ich mit der Stop-Motion Methode. Dazu muss man für eine Sekunde Video etwa acht Fotos machen. Schnell abgespielt beginnen sich die Dinge zu bewegen. Ich komponierte auch die Musik dazu und das brachte mir viel Freude.

An Weihnachten treffen wir uns alle bei meinem Bruder Alphons in seinem Haus. Ohne unsere Mutter. Weil sie immer heimlich die Windeln ausgezogen hat und die Polstergruppen mehrmals einnässte. Alphons hat eine Tochter und zwei Söhne. Sein ältester Sohn wurde letztes Jahr stolzer Papa einer Tochter, und ich bin nun Uronkel von ihr. Fonsi und seine Frau Susi verwöhnen Franky und mich an Weihnachten mit Essen wie es die Römer geschlemmt haben. Franky braucht kein Heroinprogramm mehr, hat einen lässigen Hund und ist zufrieden. An Weihnachten lachen wir jeweils Tränen über alte Geschichten wie das "Siebenschätze" Menu in Portugal oder den Dreh von unserem "Kriegsfilm." 

Ich mache jeden Tag mindestens einen Dankesgruss. Dazu berühr ich zuerst mit der rechten Hand meine Brust beim Herzen und strecke sie danach aus gegen Himmel oder den Horizont. Wie es die Indianer in Amerika tun, um sich bei der Erde, der Natur und ihrer Schönheit zu bedanken. Um meine Gedanken zu beruhigen sage ich zu mir: 

"Ich bin, der ich bin." 

Das sagte Gott zu Moses. Auch mache ich, wenn ich nicht zu faul bin, jeden Tag etwas Gymnastik.

Nun bin ich am Ende meines Buches angekommen. Letzte Woche feierte ich meinen sechzigsten Geburtstag mit meinen besten, jungen Freunden hier in Gersau. Es war der schönste Geburtstag seit vielen Jahren. 

Und die Moral von der Geschichte?

Da halte ich es wie G.F. Unger, ein bekannter Westernautor, der einmal weise sagte: "Niemals aufgeben und immer an sich selbst glauben!"

Bedanken möchte ich mich speziell bei meiner derzeitigen Psychotherapeutin Frau M. Sie hat mich immer wieder aufgemuntert, meine Geschichte aufzuschreiben und Renato der meinen Computer gebändigt hat. 

 

Mit lieben Grüssen

 

Ralph Schmid

 

26.09.2023

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