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Von Annemarie Isemann Auf der Suche nach Liebe
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Annemarie Isemann
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Die leibliche Grossmutter
2.
Die leibliche Mutter
3.
Die Pflegeeltern
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Ausgebüxt
5.
Ein grosser Schrecken
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Eine Vision
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Ein Geschwisterchen
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Die böse Frau
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Der arme Vater
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Tante Ida
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Verliebt in den Lehrer
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Im Welschland
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Trauriger Abschied
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Umzug ins Rheintal
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Beim Physiater
25.
Ein guter Freund
26.
Albträume
27.
Das Leben geht weiter
28.
Nun sind sie erlöst
29.
Nachwort
30.
Jetzt sind sie erlöst
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  Vorwort




Auf der Suche nach Liebe 


In einem ruhigen Quartier etwas ausserhalb von Nidau standen links Einfamilienhäuser und auf der rechten Seite zweistöckige, aneinander gebaute Mehrfamilienhäuser. Es waren Genossenschaftswohnungen für SBB Arbeiter. Eine schmale Strasse führte um einen kleinen Park herum. In einem der Einfamilienhäuser wohnte die Hebamme. Sie nahm eines der Mädchen in Pflege. Auf der rechten Seite in einer der Wohnungen wohnte eine Familie Wernli mit ihren drei Jungen und einem Mädchen. Der Vater arbeitete als Rangierarbeiter im Bahnhof Biel. Die Mutter nahm Kleinkinder, die aus irgendeinem Grunde nicht bei Eltern sein konnten in Pflege.  Als nun der Sozialarbeiter vorsprach und ihr das andere Mädchen bringen wollte, lehnte sie zuerst ab. Sie liebte diese Kinder wie ihre eigenen und immer wenn sie sie wieder hergeben musste, drückte es ihr fast das Herz ab. Als sie aber vernahm, dass sie dieses Mädchen behalten durfte, nahm sie es bei sich auf. Nun wuchsen beide Mädchen nur durch dieses Pärkchen und die Strasse getrennt auf. Die Hebamme verbot aber Hilde, so hiess das Mädchen, den Umgang mit ihrer Schwester Margrit, genannt Gritli. Gritli ging es zunächst gut. Die Stiefschwester Klara war schon 17 und machte eine Anlehre in einer Uhrenfabrik.  Die Zwillinge und der andere Knabe waren noch kleiner.  Aber das Schicksal wollte es nicht gut mit der Familie Wernli. Einer der Zwillinge kränkelte und starb in den Armen seines Vaters. Kurz darauf erkrankte auch der Vater an Speiseröhrenkrebs und verstarb. Nun stand die Mutter alleine mit ihren drei Kindern und der Pflegetochter da. Sie versuchte wohl ihre Liebe an alle Kinder gleich zu verteilen, aber es stellte sich als sehr schwierig heraus. Die eigenen Kinder mochten Gritli gar nicht, ginge es ihnen doch besser, wenn dieses Balg nicht bei ihnen wäre. Als Gritli älter und ein hübsches Mädchen wurde, suchte sie die Liebe anderswo. Sie hatte schon sehr früh Freude am andern Geschlecht. Klara, die inzwischen in der ganzen Schweiz im Service arbeitete hätte so gerne einen Freund gehabt, aber keiner hielt es bei ihr aus. Sie war neidisch auf Gritli, die solche Chancen bei den Jungs hatte. Sie war nun schon 30 und immer noch alleine. Da besuchte sie mit ihrer Mutter Verwandte im Rombach bei Aarau. Eine einfache Bauersfamilie. Der Vater lebte nicht mehr und die zwei Söhne wohnten noch bei der Mutter zu Hause. Die Tochter Berta war verheiratet. Bei diesem Besuch verliebte sich Klara in Max, den älteren der Beiden. Nun liess sie nicht mehr locker, denn den wollte sie unbedingt. Max war bequem, sprich faul und ein ungehobelter Kerl. Manieren hatte er gar keine und an Intelligenz fehlte es ihm auch. Es reichte gerade noch für eine einfache Fabrikarbeit. Die zwei passten wie eine Faust auf ein Auge zu einander. Sie die weit gereiste und wie sie meinte gebildete Dame und er der einfache Bauernsohn. Der um ein Jahr jüngere Bruder hatte auch eine Freundin und als die beiden Frauen schwanger waren, wurde schnellstens eine Doppelhochzeigt gefeiert. Klara und Max wohnten bei der Schwiegermutter und Wilhelm und seine Frau Nelly bezogen die Wohnung im ersten Stock. Aber das Schicksal schlug wieder zu. Während Klara ihr Kind verlor, brachte ihre Schwägerin einen toten Jungen zur Welt. Wieder wurden Klara und ihre Schwägerin schwanger und auch diesmal verlor sie ihr Kind und die Schwägerin schenkte einem Jungen das Leben, der jedoch nur einen Tag leben durfte. Auch Fritz, der Bruder von Klara, musste inzwischen heiraten und auch Max der Lieblingsbruder von Klara hatte nun eine Freundin. Als diese auch schwanger wurde und er zur Hochzeit einlud, war Klara gerade das dritte Mal Schwanger. Der Arzt verbot ihr nun jede Aufregung und Erschütterung und verordnete strengste Ruhe. Obwohl sie genau wusste, dass sie ihr Kind wieder verlieren würde, wenn sie an dieser Hochzeit teilnahm, konnte sie nicht verzichten.  Nach der holperigen Fahrt mit dem Zug von Aarau nach Biel und retour, verlor sie zum dritten Mal ihr Kind. Nun konnte und durfte sie keine Kinder mehr haben. Natürlich zerfloss sie in Selbstmitleid. Eine Adoption kam nicht in Frage, sie war obwohl schon 36, noch zu jung. Da meldete Gritli, dass sie ein Kind erwarte und nicht heiraten könne, da der Kindsvater bereits verheiratet sei. Sie würde gerne das Kind Klara geben. Dann sagte sie noch, sie hätte es extra gemacht, weil sie wusste, dass Klara keine Kinder mehr bekommen könne! Wer der Vater war, wusste niemand, sie behielt es für sich. Am 1. Nov. 1947 erblickte ich im Spital Biel das Licht der Welt und eine Woche später holten mich die Pflegeeltern zu sich nach Hause

(Ich schreibe jetzt Vater und Mutter, denn ich wusste ja noch nicht, dass es meine Pflegeeltern waren). Mutter wollte unbedingt ein Meieli, aber das war kein Taufname. So wurde ich auf den Namen Annemarie Simon getauft. Meine Grossmutter, bei der wir wohnten, liebte mich sehr. Sie war eine grosse korpulente Frau. Lachte viel und zeigte dabei ihre letzten zwei Zähne. Ich hatte viel Spass mit ihr. Sie nähte ihre Kleiderschürzen selber und ich habe sie in einer königsblauen mit orangenen Halbmonden bedruckten Kleiderschürze in Erinnerung. Auch die Grossmutter in Biel war eine herzensgute Frau (ich nannte sie Mama). Auch von ihr bekam ich viel Liebe, obwohl ich die Tochter der ungeliebten Stieftochter war. Ich fühlte mich wohl bei ihr, denn dort durfte ich das Kind sein, das ich wirklich war und hatte auch Freundinnen.  Immer an Weihnachten und in den Sommerferien fuhren wir zu Mama.

 Ich war ca. 2 Jahre alt, konnte noch nicht richtig reden aber sehr, sehr schnell springen. Eines Tages riss ich von zu Hause aus. Ich rannte auf die Strasse und auf und davon. Meine nicht sportliche Mutter war viel zu langsam und konnte mich nicht einfangen. Der Nachbarsjunge fuhr mir dann mit dem Fahrrad nach, nahm mich unter den Arm und brachte mich wieder nach Hause. Mutter wollte dann wissen wohin ich wollte, da sagt ich uf Bieu ufe. (Nach Biel).

 Wie ich schon schrieb, nähte meine Grossmutter viel. Für die Zutaten musste sie nach Aarau. Einmal im Monat machte sie sich zu Fuss auf den halbstündigen Weg (mit ihr war er ein wenig länger), aber nicht ohne mich zu fragen, ob ich mitwolle. Natürlich wollte ich mit und wie. Mutter sah es gar nicht gerne, wenn ich mit Grossmutter loszog und das freute wiederum meine Grossmutter, denn sie hatte es nicht leicht mit der Schwiegertochter im gleichen Haushalt. Sie schmunzelte immer so verräterisch wenn sie Mutter ärgern konnte. So trotteten wir dann des Weges. Über die Kettenbrücke und den Rain hinauf in die Stadt. Während meine Grossmutter im Kaufhaus ihre Einkäufe erledigte, wartete ich geduldig, denn ich wusste sie stieg danach mit mir die breite Holztreppe hinauf in den 1. Stock, ins Paradies.  Ja für mich war es das Paradies. Alles voller Spielsachen. Ich konnte mich nicht satt sehen und immer kaufte mir die Grossmutter etwas Kleines, das ich dann hütete wie einen Schatz. Auf dem Heimweg waren wir dann ruhig und hingen unseren Gedanken nach. Wir dachten wohl dasselbe, wie Mutter schimpfen wird, weil Grossmutter mir schon wieder etwas kaufte. Es ist gemein, aber wir freuten uns Beide darauf.

An einem 6. Dez. war es dann wieder soweit, ich durfte mit Grossmutter in die Stadt. Während mir die Mutter die besseren Kleider anzog, wollte sie mich wieder davon abhalten zu gehen. Sie drohte mir, der Samichlaus würde mich in den Sack stecken und mit in den Wald nehmen, er wäre heute nämlich unterwegs. Ich wäre selber schuld, wenn ich in der Nacht noch unterwegs sei. Grossmutter sagte nur Paperlapap nahm mich an der Hand und weg waren wir. Auf dem Heimweg kamen wir an einer Bäckerei vorbei. Das Schaufenster war voller Gritibänzen. Grossmutter fragte mich, willst du solch einen Gritibänz. Natürlich wollte ich Schleckmaul so einen. Sie stellte ihre Tasche auf den Fenstersims, kramte ihren Geldbeutel hervor, drückte mir Geld in die Hand und sagte, du musst aber selber rein, ich warte hier. Die Bäckerei war voller Leute und die Verkäuferin, eine gutmütige rundliche Frau stand etwas erhöht hinter dem Verkaufstresen. Geduldig wartete ich bis ich an der Reihe war. Hinter mir war der Laden schon wieder voll. Die Verkäuferin beugte sich nun ein wenig zu mir herunter und fragte, na was möchtest du denn? Ich stand da und wusste nicht mehr wie dieser Teigmann hiess. Kurzerhand deutete ich auf das Gestell hinter der Verkäuferin, denn dort waren auch welche aufgereiht, und rief, na so einen Beijass möchte ich. Da fingen alle an zu lachen und auch der Busen der Verkäuferin hüpfte rauf und runter. Als ich aus dem Laden kam, lachte auch meine Grossmutter, denn sie hatte das ganze durch das Schaufenster beobachtet. Sie meinte dann, was hast du wieder angestellt, dass alle so lachen mussten. In diesem Moment merkte ich, das ich es ganz gerne hatte, wenn ich Leute zum Lachen bringen konnte.  Aber das Lachen sollte mir schon bald vergehen.

Nun kam ich in die Schule und ich ging auch gerne hin, denn ich hatte eine liebe Lehrerin, die mich nett behandelte. Ich war eine fleissige Schülerin und wollte immer alles perfekt machen. Eines Tages, als ich von der Schule kam, wartete die Nachbarin auf mich und sagte, ich müsse zu ihr kommen, denn meine Eltern wären im Krankenhaus. Ich erschrak zu Tode, getraute mich aber nicht zu fragen warum. So sass ich dann in der guten Stube am Tisch, während die Nachbarin in der Küche hantierte. Sie hatte keine Kinder, wusste also nicht was sie mit mir anfangen sollte. Der Nachmittag schien endlos zu dauern. Dann endlich durfte ich wieder nach Hause. Ich rannte durch den Garten mit schlimmen Vorahnungen, aber meinen Eltern schien nichts zu fehlen, die Grossmutter war im Spital. Am andern Morgen band mir die Mutter eine schwarze Schürze mit weissen Röschen um und eine schwarze Schleife ins Haar. Dann sagte sie zu mir, jetzt gehst du zur Lehrerin und sagst ihr, deine Grossmutter sei gestorben, aber lach dann nicht wieder so blöd. Ich war sowas von naiv, denn meine Eltern hielten alles von mir fern. Ich durfte das Wochenheft erst anschauen, wenn es zensiert war. Ich wusste also nicht was gestorben hiess und warum ich nicht mehr lachen durfte. Auch meine Cousinen kamen mit schwarzen Schürzen in die Schule und uns interessierte nur, wer die schönere hatte. Dann kamen uns viele Leute besuchen und jemand brachte einen Kranz. Es wurde nur gedämpft geredet und ich durfte ja nicht lachen. Plötzlich war Vater am Nachmittag zu Hause. Die Eltern zogen ganz schwarze Kleider an. Ich wollte auch die schönen Kleider anziehen und mit ihnen gehen, aber ich durfte nicht. Meine Mutter schickte mich dann zur Tante in den oberen Stock, ich müsste auf deren Sohn Wernerli aufpassen. Nach langer Zeit hatte Tante Nelly dann doch noch einen Sohn geboren der dann leben durfte. Natürlich wurde er umso mehr behütet, er war auch immer kränklich. Ich durfte am Sonntagsausflug nicht mal den Kinderwagen schieben und nun hatte ich die wichtige Aufgabe, ihn zu  hüten. Das erfüllte mich mit Stolz. Als ich die Stube betrat, sass dort das 14 Jährige Nachbarsmädchen und las in einem Buch. Ich dachte mir nichts weiter dabei und genoss denn Nachmittag mit all den vielen Spielsachen. Als Tante und Onkel wieder nach Hause kamen, holte die Tante aus dem Stubenbuffet eine riesige Tafel Schokolade hervor und gab sie dem Nachbarsmädchen. Ich stand daneben und wartete auf meine Schokolade, aber Tante Nelly lachte mich aus, du hast ja nichts gemacht, nur gespielt. Ich liess den Kopf hängen und verliess schnell die Wohnung, denn ich wollte nicht, dass die Tante meine Tränen sah. Warum Lügen sie mich immer an?  Nun wartete ich Sehnsüchtig auf meine geliebte Grossmutter, aber sie kam einfach nicht mehr.

Die Haustüre führte bei uns direkt in die Küche. Daneben war der Abwaschtrog und an der Wand direkt daneben führte eine Türe in die Stube.  Gegenüber der Haustüre war ein offener Durchgang und danach ging rechts eine Türe in den Schopf mit dem Plumsklo. In der Mitte der Küche stand der Tisch und wenn Vater daran sass, kam man nicht mehr hinter ihm durch. Etwa eine Woche nach der Beerdigung stand ich unter der Stubentüre, während die Mutter am Abwaschtrog hantierte und der Vater am Küchentisch sass. Plötzlich stand die Grossmutter in ihrer blauen Kleiderschürze unter dem offenen Durchgang, winkte mir zu und rief komm mit mir. Ich rief Grossmutter, Grossmutter und wollte hinter dem Vater durch. Der aber schaute mich nur komisch an und fragte mich, wo willst du denn hin. Ich rief zur Grossmutter. Mutter holte mich vom Vater weg und sagte, hier ist keine Grossmutter, sie ist tot und kommt nicht mehr. Ich rief, doch dort steht sie. Die Grossmutter winkte mir nochmals zu und verschwand für immer in den Schopf. Ich lief weinend in die Stube. Da kam die Mutter und erklärte mir, dass Grossmutter nun im Himmel und ein Engel sei. Dann erzählte sie mir eine Geschichte von einer Mutter, die ihr Kind verlor und immer weinte und traurig war. Da erschien ihr ihr Mädchen im Traum, wie es Himmel mit den andern Engelkindern spielte. Alle hatten schöne weisse Kleidchen, nur ihr Mädchen trug ein schwarzes. Als sie nach dem Grund fragte, sagte ihr die Tochter, ich möchte ja so gerne auch ein weisses Kleidchen wie die andern, aber solange du um mich weinst, muss ich ein schwarzes tragen. Bitte sei nicht mehr traurig, denn es geht mir gut, ich habe nun keine Schmerzen mehr. Ich wollte natürlich nicht, dass meine Grossmutter ein schwarzes Kleidchen tragen musste, nein ich wollte nicht mehr traurig sein. Doch meine Grossmutter fehlte mir noch lange, denn niemand lachte nun mehr mit mir, oder nahm mich in die Arme

Ich wünschte mir so sehr ein Geschwisterchen. Als meine Tante dann nochmals ein Kind erwartete, weinte ich, denn die hatten ja schon vier nur ich bekam kein Geschwisterchen. Dabei hatte meine Mutter mir ja gezeigt, wo die kleinen Kinder herkamen, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

 In der Fabrik, in der mein Vater arbeitete, gab es einen Ausschussladen. Wenn ich nun neuen Schuhe brauchte, schauten wir zuerst dort nach. Neben der Fabrik stand ein grosses weisses Haus. Als wir nun wieder mal den Laden aufsuchten zeigte meine Mutter auf das Haus und sagte, hier machen sie die kleinen Kinder. Natürlich wollte ich sofort hin um eines zu kaufen. Warum sie das sagte, war mir später ein Rätsel.

Da mich nie jemand besuchen durfte, war ich gewohnt alleine zu spielen. Meine Spielsachen waren auf einem Schrank in Schachteln verstaut. Mutter holte mir dann das gewünschte herunter und nach dem Spielen wurden sie wieder eingepackt. An einem sonnigen Frühlingstag sass ich auf dem Vorplatz und spielte mit meinen Puppen, als plötzlich eine fremde Frau vor mir stand zu mir herunterschaute und mich dabei auslachte. Was so ein grosses Mädchen spielt noch mit Puppen, schäme dich. Dann verschwand sie durch die Schopftür in den oberen Stock. Ich wollte mich aber nicht schämen und packte die Puppen zusammen. Mutter wunderte sich, dass ich schon wieder mit dem spielen aufhörte.  Ich erzählte ihr dann von der bösen Frau und es stellte sich heraus, dass es die Schwester von Tante Nelly war und dass diese nun immer hier wohnen würde. Mir ahnte Schlimmes, was dann leider auch eintraf. Mit Puppen spielte ich von da an nur noch selten und nur im Haus.

In der Stube hatte ich eine Ecke zum Spielen. Dort baute ich mit meinen Bauklötzchen Häuser, Burgen und Türme. Ich bat dann Mutter immer, sie solle es stehen lassen. Aber wenn ich wieder kam, war alles weggeräumt. Ich glaube es hat noch nie so viele Erdbeben gegeben, wie in meiner Kindheit!

An einem schwülen Sommertag spielte ich wieder auf dem Stubenboden, den draussen war es viel zu heiss. Plötzlich verdunkelte sich der Himmel und ein heftiges Gewitter brach los. Mutter befahl mir auf zu räumen, aber ich wollte nicht. Ich konnte recht zwängelen und stampfen und ich sah nicht ein, warum ich schon aufhören musste zu spielen. Plötzlich regnete es in Strömen. Wahre Sturzbäche kamen vom Himmel. Fasziniert sah ich aus dem Fenster, wie draussen auf der Strasse das Wasser in Bächen lief, denn die Gullis konnten nicht mehr alles schlucken. Da läutete das Tel. und kurze Zeit später kam Vater nach Hause. Mutter rannte nervös herum, half Vater die Feuerwehrs Uniform anzuziehen und dann war er auch schon wieder weg. Sie mussten einen Bach wehren, der vom Berg her Geröll und Holz brachte und über die Ufer trat. Als Vater weg war, schimpfte mich die Mutter aus. Der arme Vater muss bei diesem Wetter draussen sein, wenn ihm etwas passiert, bist du schuld, denn du bist so ein böses Mädchen. Schnell räumte ich nun meine Spielsachen weg, setzte mich ans Fenster und betete, lieber Gott pass auf Vater auf, damit ihm nichts passiert, ich will auch nie wieder ein böses Mädchen sein. Gottlob kam er nach für mich endlosen Stunden wieder heil nach Hause.

Sie drohte mir auch damit, mich in ein Kinderheim stecken. Ich durfte aber das Kinderheim in unserer Strasse anschauen und hatte dort sogar für kurze Zeit eine Freundin.  Leider durfte diese das Heim nicht verlassen und wir konnten uns nur durch den Drahtzaun unterhalten, da schlief die Freundschaft wieder ein. Mir gefiel das Heim, denn alle Mädchen waren so nett und auch die Betreuerinnen. So gab ich Mutter zur Antwort, dass ich sehr gerne dorthin gehen würde. Da hörten die Drohungen auf.


Da war noch diese Tante Ida. Sie war die Schwester von Mama und wohnte in unserer Nähe. Während Mama eine warmherzige liebevolle Frau war, war Tante Ida das pure Gegenteil. Eine unzufriedene gehässige egoistische Person. Auch ihre Ehe war Kinderlos geblieben und ihr Charakter glich dem meiner Mutter. Sie hasste meine leibliche Mutter und somit mochte sie auch mich nicht.  Das Begriff ich aber erst viel später, als ich erfuhr wer meine leibliche Mutter war. Wenn meine Mutter sie besuchte, musste ich immer mit. Dann sassen wir in der guten Stube am Stubentisch. Eine sterile, Stube mit gehäckelten Deckelis auf den Sessellehnen. Ich sass auf der einen Seite am Tisch und starrte auf meine Hände. Mutter und Tante mir gegenüber. Wie es so ist, bei kinderlosen Ehepaaren, sie wussten am besten wie man Kinder erzieht. Dann ging es auch schon wieder los. Sie fixierte mich mit ihrem giftigen Blick und schimpfte mich aus. Was ich doch für ein ungehorsames Mädchen sei, ich müsse unbedingt meiner Mutter besser gehorchen. Mutter sagte kein Wort, sondern schaute mich nur mit ihrem strafenden Hundeblick an. Der Nachmittag schien endlos zu dauern. Ich durfte mich nicht vom Fleck rühren. Dann endlich ging die Haustüre und Onkel Howald kam nach Hause. Nun hielt mich nichts mehr auf dem Stuhl. Ich rannte ihm freudenstrahlend entgegen und auch er freute sich sehr. Onkel Howald sah aus wie Papa Moll. Klein rund und mir einer Glatze. Er strahlte immer über das ganze Gesicht. Ich liebte ihn und er mich.  Er nahm mich dann bei der Hand und zusammen gingen wir in seine Schreinerwerkstatt. Dort roch es so herrlich nach Holz und überall lagen Sägespäne herum. Er zeigte mir all seine Maschinen, gab mir eine Papiertüte und ich durfte sie mit Abfallklötzchen füllen. Diese Klötzchen besitze ich heute noch. Sie liegen in unserem Bauernmuseum im Kinderzimmer in der Spielecke. Immer wenn ich Führungen mache und sie sehe, habe ich liebe Gedanken an Onkel Howald. Natürlich besuchte Tante Ida auch uns. Wenn sie dann an der Haustüre klingelte, verdrückte ich mich durch die Hintertüre und versteckte mich auf dem Holzschopf.  Dort blieb ich dann, bis die Luft wieder rein war. Ich hielt mich sehr gerne dort auf und zog mich auch dorthin zurück, wenn ich traurig war. Von Grossmutter lagen dort noch zwei Bilder mit Schutzengeln. Sie behüteten zwei kleine Kinder, die drohten über den Abgrund zu stürzen. Diese Bilder schaute ich immer wieder an. Sie spendeten mir Trost und ich fragte mich öfters, wo denn mein Schutzengel geblieben sei. Im Sommer suchte ich in der Wiese oberhalb des Hauses nach vierblätterigen Kleeblättern, die ich dann sorgfältig presste und aufbewahrte. Immer wenn ich eines fand, glaubte ich fest daran, dass nun alles wieder gut wird. Noch heute schaue ich an jedem Wegrand nach dem Glücksklee und glaube auch an seine glückliche Wirkung.

Eines Tages, ich war in der vierten Klasse, rief ein jüngeres Mädchen, als es an mir vorbei ging, du hast ja nicht einmal eine richtige Mutter, bist ja nur ein Waisenkind. Ich wusste nicht was das sein sollte und lief sofort zur Mutter. Ihre Antwort war, das stimmt nicht, wir sind deine richtigen Eltern, hau dem Mädchen eine runter und sage ihr, das wäre für das Waisenkind, was ich dann am nächsten Morgen mit gutem Gewissen auch machte. Das Mädchen zeigte keine Reaktion, hatte aber einen Bruder der in meiner Klasse war. Am andern Tag rannten mir nach der Schule alle Knaben von meiner Klasse hinter her und schlugen auf mich ein. Eine Frau die dazu kam, gebot ihnen Einhalt und so konnte ich entwischen. Am andern Tag wollte ich vor lauter Angst nicht mehr zur Schule. Die Mutter glaubte mir nicht, aber nun war sie machtlos. Erst als sie mir versprach mich nach der Schule abzuholen, machte ich mich auf den Weg. Auch diesmal rannte mir wieder die ganze Klasse hinterher, aber als sie meine Mutter entdeckten, machten sie kehrt.  Doch diese hatte genug gesehen und sprach nun mit dem Lehrer. Am andern Tag mussten alle Knaben aufstehen und als der Lehrer nach dem Grund fragte, wusste keiner warum sie mich verdroschen. Auch von meiner Cousine musste ich dann hören, dass ich nicht die richtige Mutter hätte. Diesmal fragte ich meine Mutter nicht mehr, denn ich kannte ja ihre Antwort. Ein Mädchen aus der Klasse, mit dem ich sonst keinen engeren Kontakt hatte, denn sie wohnte am andern Ende des Dorfes, lud mich eines Tages zu sich ein. Sie wollte etwas mit mir basteln. Ich freute mich sehr, wunderte mich aber gleichzeitig über ihre Einladung. Als ich ankam, führte sie mich in ihren Wintergarten und fragte mich geradeheraus, ob ich wisse, dass ich nicht die richtigen Eltern hätte. Nun stellte ich Mutter zur Rede und sie musste Farbe bekennen. Ich brach in Tränen aus. Nicht weil ich Pflegeeltern hatte, das änderte nichts an der ganzen Sache, sondern weil Mutter mich immer wieder angelogen hatte. Meine Mutter, die, wenn sie glaubte ich hätte sie angelogen nicht mehr mit mir sprach und mir immer wieder predigte man darf nicht Lügen sonst bekommt man ein schwarzes Herz, diese Mutter hatte mich immer wieder belogen. Ich hatte ihr immer geglaubt und zu ihr aufgeschaut und nun diese Enttäuschung. Für mich brach eine Welt zusammen. Natürlich wollte ich nun wissen, wer meine leibliche Eltern waren und da kam schon die nächste Lüge. Sie wisse es nicht und ich dürfte es auch gar nicht wissen. Ich dürfe mit niemandem darüber reden. Sie liess mich im Glauben, meine Eltern seien verstorben. Als der Lehrer die Impfausweise verteilte, war auf meinem anstelle des Namens ein dicker schwarzer Balken und darüber mein Nachname Bircher. Ich radierte solange, bis ich den darunter stehenden Namen lesen konnte. Nun wusste ich, dass ich früher Simon hiess. Dieses Wissen behielt ich für mich, denn ich traute meiner Mutter nicht mehr. Damit ich keine Fragen stellte, liessen meine Eltern vor der Einschulung meinen Nachnamen ändern. Ich erinnere mich noch ganz genau daran.  Wir fuhren nach Biel auf ein Amt. Im Vorzimmer nahmen mich zwei junge Frauen in Empfang, während die Eltern mit einem Herrn in einem andern Büro verschwanden, gaben sie mir Bonbons und liessen mich auf ihren Schreibmaschinen schreiben. Ich fand das herrlich. Als meine Eltern mit dem Herrn wieder erschienen, fuhren wir geradewegs  nach Hause. Es war schon dunkel, als wir vom Bahnhof am Kanal entlang nach Hause liefen. Ich hüpfte voraus, denn ich fand es spannend bei Nacht draussen zu sein. Plötzlich drehte ich mich um und rief meinen Eltern zu, heute habt ihr meinen Namen gekauft. Die Eltern schauten sich ganz komisch an, aber für mich war die Sache damit erledigt. Wie ich das mitbekam war allen ein Rätsel, denn auf dem Amt wurde nichts erwähnt.

Wernerli war inzwischen in einem schwierigen Alter.  Es musste immer alles nach seinem Kopf gehen und die Eltern liessen ihm auch immer alles durch. Wenn das Wetter schön war, sass ich gerne vor der Schule ein wenig auf der Bank auf dem Vorplatz. Wernerli schaute vom Küchenfenster aus auf mich hinunter und rief immer wieder, geh da weg das ist unsere Bank, da darfst du nicht sitzen.  Mutter rief sofort komm rein und die Tante, Wernerli hör auf. Aber Lea, die böse Frau stand neben ihm und so wurde er mutiger und spuckte mir auf den Kopf. Ein paar Tage später, ich kam von der Schule nach Hause, hatte meine Hausaufgaben erledigt und wollte auf der Bank sitzend eine Handarbeit machen. Mutter und Tante waren im etwas oberhalb angelgegten Garten beschäftigt. Wieder kam Werneli und rief geh da weg, geh weg, das ist unser Hausplatz.  Wieder schickte mich Mutter rein, aber ich wollte bei dem schönen Wetter nicht in der Stube sitzen, ich hatte auch das recht  draussen zu sein. Da fing Wernerli an mich mit Steinen zu bewerfen. Ich wich ihnen aus und ging langsam Rückwärts den Hang hinauf. Inzwischen war Lea nach Hause gekommen. Sie baute sich mit verschränkten Armen auf dem Vorplatz auf und beobachtete das Ganze. Ich wich den Steinen aus und drohte Wernerli, wenn du mich triffst, bekommst du von mir eine saftige Ohrfeige. Sofort rief Lea, sie darf dir nichts tun, ich bin ja hier. Da sprang er auf mich zu, holte mit dem Schuh aus und  kickte mich ins Schienbein. Dann machte er kehrt und rannte den Hügel runter. Lea rief, Wernerli komm zu mir, ich aber war schneller, holte ihn ein und haute ihm eine runter, dann überquerte ich den Vorplatz und ging ins Haus. Kaum war ich in der Küche, packte mich Lea von hinten und drosch auf mich ein. Ich drehte mich um, fasste mit beiden Händen in ihre Haare und wenn Mutter nicht dazwischen gekommen wäre, hätte ich ihr Büschelweise Haare ausgerissen. Von nun an musste ich immer ins Haus, wenn sie nach Hause kam. Ich habe nie wieder ein Wort mit dieser Frau gesprochen.

Ich besuchte inzwischen die Sekundarschule, aber ich hatte auch dort Schwierigkeiten. Ich war nicht dumm, obwohl ich immer etwas anderes zu hören bekam, nur dieses verflixte Französisch machte mir zu schaffen. Ich lernte zwar zu Hause viel, aber in der Schule war dann einfach alles wieder weg. Die Lehrerin war eine ältliche Jungfer, die gerne einen Mann gehabt hätte. Sie lief ständig zum Gaudi der Schüler den jungen Lehrern nach. Ein Junge, der schon fast ein Mann war und ich, die ich auch schon fast eine junge Frau war, schikanierte sie wo sie nur konnte. Ich war sonst in allen Fächern gut, aber sie fand bei den Prüfungsarbeiten immer etwas um mir auf die Noten zu drücken. Bei den Aufsätzen sagte sie, meine Mutter hätte sie geschrieben und gab mir die schlechteste Note. Beim Rechnen behauptete sie ich hätte dem Mädchen hinter mir die Lösungen zu gespielt und wieder bekam ich, obwohl Fehlerfrei, die schlechteste Note. So ging es immer weiter.  Sie drückte mir auf die Noten, wo sie nur konnte.  Ich wusste, mit diesem Notendurchschnitt blieb ich sitzen. Ich klopfte dann beim Lehrer meiner alten Klasse an die Türe und sagte zu ihm, ich möchte wieder zu ihnen in die Klasse kommen. Er lächelte, denn ich glaube er verstand mich. So warf sie den Jungen und mich hinaus. Wir waren noch nicht lange beim andern Lehrer, da nahm er mich zur Seite und sagte, du gehörst nicht in meine Klasse, du bist viel zu intelligent. Aber von nun an ging ich wieder gerne zur Schule.

Zu Hause spitzte sich die Lage zu und wir hatten nur noch Streit. Ständig sagte nun meine Pflegemutter, du sagst, oder machst das nur, weil ich nicht deine richtige Mutter bin. Das stimmte zwar nicht, wir waren nur zu Grundverschieden. Als ich es dann satt hatte, sagte ich einfach einmal ja, genau.

Ich wurde nun manchmal richtig zornig, schrie herum und warf mit Gegenständen. Meine Pflegeltern waren hilflos. Nie erhoben sie die Hand gegen mich. Meine Pflegemutter schaute mich dann nur mit ihrem Hundeblick an. Ich wurde auch immer frecher. Ich suchte meine Grenzen, aber es gab keine. Ich erwartete immer eine Ohrfeige, oder sonst eine Bestrafung. Da sie mir keinen Einhalt geboten, fing ich an sie zu verachten. Nachts lag ich dann lange wach und dabei hatte ich immer die gleichen schlimmen Gedanken. Wo kam ich her, wer waren meine Eltern. Ich bereute auch meine Ausbrüche und betete, lieber Gott hilf mir, dass ich nicht mehr so böse gegen mein Pflegeeltern bin, denn ich kann ja froh sein, dass sie mich aufnahmen und mir ein Heim gaben. Aber es half alles nichts, ich flippte wieder aus. Ich wusste selber nicht warum und was mit mir geschah. Es war einfach stärker als ich. Gerne hätte ich jemandem meine Nöte anvertraut, aber ich hatte ja niemand und ich durfte ja auch nicht darüber reden.

Wenn Mama für ein paar Tage zu uns kam, sass sie immer bei der Pflegemutter in der Küche, wenn diese kochte. Die Zwei schimpften dann über Griti, was sie wieder gemacht oder auch nicht gemacht hatte. Ich bekam alles mit und in meinen Augen war Griti eine ganz, ganz schlechte Frau. Sie log, stahl und trieb es mit Männern. Inzwischen war sie aber verheiratet, hatte drei Kinder und schaute jeden Tag nach Mama und machte ihr Besorgungen. Mama hatte ein offenes Bein und war froh über ihre Hilfe. Ihre zwei eigenen Söhne und die Tochter kümmerten sich ja nie um sie.  

Als ich aus der Schule kam, absolvierte ich ein Haushaltlehrjahr in Aarau. Die Familie war sehr nett. Ich schlief zu Hause und am Sonntag hatte ich frei. Zuerst musste ich lernen mit Messer und Gabel zu essen, denn zu Hause gab es keine Tischmanieren. Vater ass wie ein, na ja. Auch wieder ein Streitpunkt, der dazu führte, dass ich alleine in der Stube ass. Ich schloss mit einer guten Prüfung ab und wollte nun eine Lehre beginnen. Aber immer hiess es, das kannst du nicht lernen, du kannst kein Französisch. Dann entschloss ich mich für ein Welschlandjahr. Pflegeeltern waren froh, war ich doch wieder für ein Jahr vom Tisch. Ich kam dann zu einem alten Ehepaar, das einen Gemischtwaren Laden führte. Dort musste ich nur putzen und im Keller Kaffee, Zucker und Mehl abfüllen. Der Mann redete nur Deutsch mit mir und so lernte ich kein Wort Französisch.  Der versprochene Familienanschluss blieb aus und ich sass jeden Abend und an den Sonntagen allein in meinem spärlich eingerichteten Zimmer. Heimweh kannte ich bis anhin nicht, aber nun wusste ich wie schlimm es sein konnte. Dazu kam noch der Hunger, denn es kam sehr wenig auf den Tisch und das meiste bekam der Hausherr.  Zigaretten waren dann meine letzte Rettung. In meiner Not rief ich dann Griti in Biel an, denn trotz der schlechten Meinung die ich von ihr hatte, konnte ich mit ihr reden. Sie packte die Chance und lud mich für das nächste Wochenende zu sich ein. Ich könne bei Mama schlafen. Froh nicht wieder allein im Zimmer zu sitzen, nahm ich die Einladung  an. Als ich dann aber zu Mama wollte, liessen sie mich nicht gehen und ich musste bei ihnen im Ehebett schlafen. Obwohl sie mich in Ruhe liessen, konnte ich kein Auge zu tun. Als ich dann Mama fragte, warum ich nicht bei ihr schlafen durfte, wusste sie von nichts. Natürlich vernahm es meine Pflegemutter und verbot mir jeglichen Kontakt mit Griti. Diese gab jedoch nicht so schnell auf und lud mich wieder ein. Diesmal aber für einen Einkaufsbummel in Biel. Da konnte ich nicht nein sagen, denn ich wollte mir eine lange Hose, die gerade in Mode kamen, kaufen. So fuhr ich an meinem freien Nachmittag voller Vorfreude nach Biel. Griti holte mich beim Bahnhof ab und dann besuchten wir ein Kaufhaus nach dem andern. Leider fand ich keine Hosen, denn meine Beine waren einfach zu lang. Immer wieder hörte ich von Griti, du hast die gleichen langen Beine wie ich. Mich wunderte es, aber ich ging nicht weiter darauf ein. Nun brauchten wir eine Pause und suchten ein Selbstbedienungs  Restaurant in einem der Kaufhäuser auf. Diese waren gerade in Mode gekommen, hatten aber erstmal nur Stehtische. Griti holte uns etwas zu trinken, stellte es vor mich hin und sagte, ich bin deine Mutter. Ich wusste nicht wie mir geschah. Was sie noch sagte weiss ich nicht mehr und wie ich auch wieder nach Malleray kam war mir ein Rätsel. Die nächsten Tage lief ich wie in Trance herum. Der Schock sass tief. Ausgerechnet diese schlechte Frau war meine Mutter, darum war ich auch so schlecht. Ich wollte nun nur noch nach Hause zu meinen  Pflegeeltern.  Ich rief meine Pflegemutter an, dass ich am Samstag kommen würde. In Biel hatte ich lange keinen Anschluss und so besuchte ich den Bruder meiner Pflegemutter, der mit seiner Familie am Bahnhofplatz wohnte. Als es Zeit war begleitete mich meine Cousine zum Zug. Dieser fuhr jedoch ohne mich ab. Warum ich nicht einstieg war mir ein Rätsel. Wieder zurück zur Tante, liess diese mich nicht mehr gehen. Sie richtete mir in der Stube das Sofa und als ich im Bett lag, setzte sie sich zu mir und fragte mich nach meinem Befinden. Ich sagte es gehe mir gut, konnte sie aber nicht anschauen, denn ich war den Tränen nah. Meine Pflegemutter holte mich am Bahnhof ab. Sie wusste Bescheid, denn die Tante hatte sie angerufen und ihr gesagt, dass ich es nun wüsste. Ihre Begrüssung war recht kühl und ich sehnte mich doch so sehr nach einer tröstenden Umarmung. Aber es kam noch schlimmer. Kaum hatten wir den Bahnhof hinter uns gelassen fing sie an auf mich ein zu reden. Jetzt will sie dich wieder, jetzt da du Geld verdienst und vorher hat sie sich nicht um dich gekümmert. Ich dachte, wenn sie doch nur aufhören würde. Als wir an der Kirche vorbei kamen sah ich zum Glockenturm hinauf in der Hoffnung, meine Tränen würden dann nicht die Wangen runter kullern. Die Pflegemutter merkte aber nicht, wie schlecht es mir ging. Am Abend brachte sie mich wieder zur Bahn. Nun wusste ich was ich zu tun hatte. Ich musste meine Stelle kündigen und so schnell wie möglich Geld verdienen, damit ich diesen armen Leuten alles wieder retour zahlen konnte. Ich fand nämlich einmal im Stubenbuffet ein Heft in dem alle Kosten die ich verursacht hatte aufgeschrieben waren und im Estrich stand ein riesiger Stapel leerer Muttermilchersatz Büchsen. Meine Pflegemutter wies mich nicht nur einmal darauf hin, dass die alle für mich gewesen wären. Ich konnte also keine Lehre machen. Ich fand dann eine Stelle in einem Büro als Hilfskraft. Jeden Samstag waren meine Cousinen und ich auf irgendeiner Tanzfläche anzutreffen, denn ich tanzte fürs Leben gern. Einen Freund wollte ich jedoch keinen, denn ich hatte Angst vor den Männern. Ich wollte nicht, dass mir dasselbe wie Mutter und Grossmutter passierte, den Aufgeklärt war ich nicht. Ich wusste nur, was so unter uns Mädchen geredet wurde.  Zwar war ich einmal bis über beide Ohren verliebt, aber der Kerl wollte nichts von mir wissen. So bildete ich mir ein, dass ich mit so einer Mutter sowieso nie einen Mann finden würde. Inzwischen war ich eine jungen Frau geworden und glich immer mehr meiner leiblichen Mutter. Ich hasste mich deswegen, brachte es mir doch nur wieder Aerger ein. Meinen beiden Tanten, die bisher immer nett zu mir waren, konnte ich nun nichts mehr recht machen. Sie standen mir nun feindselig gegenüber. Griti konnte es gut mit ihren Männern und diese mochten sie auch. Da ich nun aber so wie sie aussah, bangten sie wieder um ihre Männer.  Ich wusste aber damals noch nicht, dass Griti meine leibliche Mutter war und konnte ihre Reaktionen nicht verstehen.

Dann lernte ich Erich meinen Mann kennen. Er imponierte mir, weil er nicht immer nach meiner Geige tanzte und sich getraute mir zu widersprechen. Ich vertraute ihm, denn er war elf Jahre älter als ich und somit reifer als die gleichaltrigen Jungs. Dass er immer meine Pflegeeltern verteidigte, wenn ich Ärger mit ihnen hatte, steckte ich einfach weg. Ich wusste, dass ich nur von meinen Pflegeeltern wegkam, wenn ich heiratete. Die Situation zu Hause spitzte sich immer mehr zu und manchmal hielt ich es fast nicht mehr aus. Am Anfang unserer Beziehung beichtete ich Erich von meiner leiblichen Mutter. Das kostete mich grosse Ueberwindung, denn ich hatte grosse Angst, dass er nun nichts mehr von mir wissen wollte, aber er lachte nur und sagte, das wüsste er längst. Als ich dann meinen 20. Geburtstag hinter mir hatte und es zu Hause wieder mal ganz besonders schlimm war, stellte ich Erich vor die Wahl, entweder wir heiraten oder ich laufe davon, ich halte das nicht mehr länger aus. Da er von seinem Lohn als Coiffeur keine Familie ernähren konnte, nahm ich die Sache in die Hand und suchte uns einen Coiffeursalon. Es dauerte nicht lange und wir hatten zwei Angebote. Da wir kein Auto besassen fuhren wir an einem Sonntag mit der Eisenbahn von einem Salon zum andern um sie zu besichtigen. Voller Eindrücke kamen wir zu Hause an und wollten den Pflegeeltern von unseren Erlebnissen erzählen. Diese wollten jedoch nichts wissen, sondern lieber Fernseh schauen. Von nun an sassen wir immer in meinem Zimmer um unsere Pläne zu besprechen. Wir entschieden uns für den Salon im Toggenburg. Ein alter Salon mit einer schäbigen Einrichtung integriert in einer Altwohnung, die schon lange keinen Farbanstrich mehr erhalten hatte. Der Zins war annehmbar und wir waren nur glücklich etwas Eigenes zu haben. Dann ging alles sehr schnell. Wir kündigten unsere Stellungen auf zwei Monate, suchten Möbel aus und organisierten die Hochzeit. Am Tag vor der Hochzeit zügelten wir, denn Erich musste bis dahin arbeiten. Am Samstag war dann die Hochzeit und am Sonntag fuhren wir voll bepackt mit Blumen und Geschenken mit der Bahn ins Toggenburg. Dort erwartete uns eine böse Ueberraschung denn die Wohnung war eiskalt. Das Feuer war im Ofen erstickt.

Meterhoch lag der Schnee um das Haus und auf dem Flachdach. Wir wussten noch nicht, was unter dem Schnee alles verborgen war. Nun kämpften wir erst mal um Kunden, denn unserer Vorgängerin hatte keine Existenz und musste deshalb aufhören. Für mich begann nun ein neuer Lebensabschnitt. Während Erich der Chef war, ging ich ihm zur Hand. Ich lernte schnell und war bei den Kunden beliebt. Nun zeigten sich aber sehr schnell die Mängel dieser Altwohnung. Als das Tauwetter einsetzte, tropfte das Wasser im Schlafzimmer von der Decke und wir mussten sämtliche zur Verfügung stehende Gefässe aufstellen. Nun tropfte es im dreivierteltackt und an schlafen war nicht mehr zu denken.  Erich steckte dann Stecknadeln in die undichten Stellen und befestigte einen Faden daran, der bis in die Eimer reichte. (Wir hatten das in einem Bond Film gesehen und fanden es trotz allem noch lustig). Die Eisblumen an den Vorfenstern waren verschwunden und auch dort lief das Wasser herunter. Als ich mich bei einem der Hausbesitzer beschwerte (das Haus gehörte zwei Brüdern, aber der eine ein Fabrikant wollte nichts mit uns zu tun haben), hiess es, wir müssten halt das Dach vom Schnee befreien.

Wir beheizten die ganze Wohnung von der Küche aus mit Kohlen und im Salon war ein Kachelofen. Die Heizung musste auch erneuert werden und man versprach uns eine Gasheizung, aber nichts geschah. Das erste Jahr ging vorbei und unser Geschäft lief inzwischen sehr gut. Wieder fiel haufenweise Schnee. Ich erwartete nun unser erstes Kind und mir war ständig übel. Da ich auch zu wenig Blut hatte, überfiel mich auch immer wieder der Schwindel. Ich weigerte mich nun auf das Dach zu steigen um den Schnee über das Geländer zu werfen, und so beauftragten sie ein Dachdecker. Es wurde Herbst, ohne dass wir die versprochene Heizung erhielten. Mein Termin rückte näher und näher.  Dann mussten wir plötzlich die Stube räumen und konnten nur noch die Küche und das Schlafzimmer benutzen. Am Montag sollte nun endlich die Heizung installiert werden. Durch das herum tragen der Möbel setzten bei mir die Wehen ein. Anstatt bei mir zu bleiben, ging Erich ins Rest. jassen. Als er dann um Mitternacht nach Hause kam, hatte ich schon in kurzen Abständen Wehen. Er aber ging ins Bett und schimpfte, was ich denn machen würde wenn es richtig los gehe, wenn ich mich jetzt schon so wehleidig anstelle, ich solle gefälligst ins Bett kommen. Als ich mich hinlegen wollte, wurde mir schlecht und dann brach mir das Wasser.  Nun stand er aber eilig auf, rief ein Taxi und fuhr mit mir ins Krankenhaus. Kaum angekommen, war unser Sohn auch schon auf der Welt. Während ich im Krankenhaus lag, waren die Handwerker fleissig am Werk und als ich nach Hause kam, war die Wohnung schön warm. Es war mir aber keine Ruhe vergönnt, denn nun hiess es wieder Möbel herumtragen und im Geschäft mithelfen. Im Nov. Konnte ich mich dann auf eine Woche Ruhe freuen, denn wir fuhren zu meinen Pflegeeltern in den Rombach. Da diese aber auch nur die Stube beheizen konnten, holte sich Erich eine Erkältung. Wir schliefen alle in meinem alten Zimmer und so war es unvermeidlich, dass auch unser Kleiner einen Schnupfen bekam.

Nach zwei Jahren wollte ich nun endlich wieder mal ein neues Kleid. Erich gab mir Geld und erbot sich bei Thomas zu bleiben. Meine Pflegemutter wollte aber unbedingt mit mir kommen. Als wir an der Bushaltestelle warteten, kam die Freundin meiner Pflegemutter und fing an mich zu beschimpfen. Sie drohte mir Thomas weg zu nehmen, wenn ich nicht besser auf ihn aufpassen würde. Ich brachte kein Wort heraus und war froh, dass nun endlich der Bus kam. Im Kleidergeschäft drängte sich meine Pflegemutter vor und bevor ich der Verkäuferin meinen Wunsch vorbringen konnte, rief sie, sie muss ein Kleid haben. Die Verkäuferin schaute mich nur lange so komisch an, brachte mir dann aber drei Kleider in die Kabine. Alle drei passten, aber mir gefiel natürlich das Teuerste und zum Missfallen meiner Pflegemutter, die natürlich auch in der Kabine war, kaufte ich es. Anstatt eines gemütlichen Nachmittags, endete er in einem Frusttag. Zu Hause angekommen erzählte ich Erich alles und so packten wir zusammen und brachen die Ferien ab. Wieder wollte mir die Pflegemutter den Kleinen wegnehmen. Kaum zu Hause angekommen, ging es diesem aber wieder viel besser.

Durch die neue Heizung tropfte es im darauffolgenden Winter sogar bis in den Hauseingang und im Kinderzimmer lief das Wasser die Wände runter. Inzwischen hatte ich längst bemerkt, dass sich Erich immer drückte, wenn es etwas zu beanstanden gab. So drohte ich den Hausmeistern mit der Polizei, wenn sie nichts unternehmen würden, Das wirkte und im Frühling wurde das Flachdach endlich erneuert.  Nach und nach stieg dann die Waschmaschine, der Kochherd und auch der Kühlschrank aus. Wieder war ich es, die mit den Hausmeistern verhandeln musste. Die Geräte waren sicher bald 40 Jahre alt und die Waschmaschine stand manchmal bis zu einem Meter hoch im Wasser, weil der Ablauf in der Waschküche  zu hoch angelegt war. Trotz allem Ärger gefiel es uns in dieser Wohnung und zwei Jahre nach Thomas bekamen wir noch die Zwillinge Markus und Monika. Nachdem unser Vertrag abgelaufen war, wollte ich nicht mehr in diesem veralteten Salon arbeiten. Zuerst musste ich aber Erich davon überzeugen, denn er scheute wieder die Verhandlung mit den Hausmeistern. Nach vielen Hürden waren sie damit einverstanden und wir einigten uns, dass sie den Raum renovieren und wir die Möbel übernehmen würden. Ich bestellte alle Handwerker, damit sie mit dem Architekten alles vor Ort besprechen konnten. Als ich nach dem letzten Telefonat den Hörer auflegte, lachte mich Erich aus und meinte, bilde dir ja nicht ein, dass da einer kommt.  Aber es klappte prima und ich war stolz. Endlich hatte ich auch mal etwas auf die Reihe gekriegt. Da ich seit einiger Zeit gesundheitliche Probleme hatte, war ich im Krankenhaus für die Entfernung der Mandeln und anschliessend einer Auskratzung angemeldet. Wir brachten unsere drei Kindern zu meinen Pflegeeltern. Anschliessend fuhren wir wieder nach Hause und ich räumten den Salon aus. Am andern Tag fuhr ich mit der Bahn nach St. Gallen ins Krankenhaus. Der Trakt in dem ich untergebracht wurde war noch sehr alt und im Zimmer standen 6 Betten.  Nach der OP verschwand meine Bettnachbarin und setzte sich mit zwei Männern in die Sitzgruppe an Ende des Flurs. Sie forderte mich zwar auf mit zu kommen, ich getraute mich jedoch nicht. Wenn ich die Toilette aufsuchte, musste ich an ihnen vorbei und als mich beim zweiten Mal einer der Männer fragte, warum ich mich denn nicht zu ihnen setzte, dachte ich ja warum eigentlich nicht. Sofort verwickelte er mich in ein Gespräch und wollte wissen, wieviel Kinder ich hätte. Als ich sagte drei, meinte er, haben sie einmal nicht aufgepasst. Nun war der Bann gebrochen. Er war ein richtiger Clown und wir lachten viel. Nach dem Abendessen trafen wir uns wieder und als die Nachtschwester ihren Dienst antrat, nahm sie ihre Strickarbeit und besuchte ihre Kollegin im oberen Stockwerk. Erst als sie um 12 Uhr wieder runterkam und uns im Spass ausschimpfte, wenn Mutter nicht da ist gehen die Kinder nicht ins Bett, legten wir uns schlafen. Ungern wechselte ich nach drei Tagen in ein anderes Haus. Wieder einmal kam ich vom Krankenhaus nach Hause und musste Möbel schleppen und das Haus putzen, denn wir hatten zusätzlich im ganzen Haus neue Fenster erhalten.
Es schien, als hätten sie mir im Krankenhaus nicht nur die Mandeln rausgenommen. Ich war plötzlich erwachsen geworden und sah nun meinen Mann mit andern Augen. Aber ich hatte den Schock meiner Herkunft noch immer nicht überwunden. Denn ich hatte ja niemand mit dem ich reden konnte. Erich wollte von diesem Gejammer nichts hören. Auch vermisste ich seine Zärtlichkeit. Wenn es mir nicht gut ging, hätte ich mir einfach eine kleine tröstende Umarmung von ihm gewünscht. Ich versuchte es ihm zu erklären, aber er wollte nichts wissen. Bei ihm gab es nur eine Umarmung, wenn er Sex wollte. Als es mir einmal wieder schlecht ging, bemerkte es ein Handwerker und legte mir tröstend die Hand auf die Schulter. Da bekam ich es mit der Angst, denn ich merkte wie Empfänglich ich war. Ich hatte ja eine schlechte Mutter und ich wollte nicht so sein wie sie, aber mein Blut war verdorben. Ich ging von nun an jedem Kontakt mit Männern aus dem Weg, denn ich wusste wie schwach ich war. Mein neuer Hausarzt sah mich an und meinte, sie haben ganz andere Probleme ich sehe es ihnen an der Nasenspitze an. Er bot mir an mit mir zu reden, was ich dann auch gerne tat. Nun konnte ich mir endlich alles von der Seele reden.  Er konnte mir mein schlechtes Gewissen, das mich nach jedem Besuch meiner Pflegeltern plagte, nehmen.  Meine Pflegemutter verstand es immer wieder mich mit ihren Hundeblicken strafend an zu schauen, auch bezichtigte sie mich eine schlechte Ehefrau zu sein, nur weil Erich seine Kleider selbst aussuchte und wenn ich keine Zeit hatte auch selbst einen Kaffee machte. Nach diesen Gesprächen ging es mir bedeutend besser. Ich wusste nun wie ich mich zu verhalten hatte. Dann erkrankte mein Pflegevater an Krebs. Meine Pflegemutter liess niemand zu ihm, auch ich durfte ihn nicht besuchen. Wenn ich sie fragte, wie es ihm gehe, gab sie mir keine Auskunft. Ich rief dann seinen behandelnden Arzt an und dieser riet mir ihn schnell zu besuchen, denn es gehe ihm sehr schlecht, er werde wohl nicht mehr lange leben.  Trotz des Verbotes meiner Pflegemutter besuchten wir ihn im Krankenhaus. Ich wollte, dass er seine Grosskinder nochmals sah, denn er hatte immer grosse Freude an ihnen. Eine Woche später schlief er für immer ein. An der Beerdigung schimpfte die Pflegemutter, ich hätte ihn besser früher besucht und nicht erst jetzt an seiner Beerdigung. Ich dankte im Stillen meinem Arzt, denn sie konnte mir nun nicht mehr ein schlechtes Gewissen einreden. Wenn sie uns nun besuchte, sass sie in meiner Küche wenn ich kochte und wie damals als uns Mama besuchte, beschimpfte sie meine leibliche Mutter. Obwohl ich für meine Mutter nie warme Gefühle aufbrachte, konnte ich ihr, seit ich selber Kinder hatte, nachfühlen was es hiess ein Kind weg zu geben. Als nun meine Pflegemutter wieder mal los schimpfte, war es plötzlich zu viel für mich. Gestärkt durch meinen Arzt sagte ich ihr nun meine Meinung. Es täte mir weh, wenn sie immer über meine Mutter herzöge, denn ich hätte ja ihr Blut. Auch wäre sie und ihre beiden Brüder um kein Haar besser. Alle hätten heiraten müssen. Sie und ihre Schwägerinnen hätten Glück gehabt, dass ihre Männer sie geheiratet hätten, während meine Mutter das Pech hatte an einen verheirateten Mann geraten zu sein. Darauf besuchte sie uns ein Jahr lang nicht mehr. Als sie wieder erschien, jammerte sie, sie hätte wegen mir einen Nervenzusammenbruch erlitten. Ich lachte sie dann aus und entgegnete, nachdem ich alles von euch zu anhören bekam, hätte ich mehrere Zusammenbrüche haben können. Kurze Zeit später rief mich meine Mutter an und erzähle mir Freudenstrahlend, dass meine Pflegemutter sie besucht hätte. Von nun an hatte ich Ruhe. Aber in all den Jahren passierte immer wieder etwas, dass meine Gefühle zu meiner Pflegemutter absterben liessen.

Inzwischen hatte einer der Brüder das Haus übernommen. Wieder lief unser Vertrag aus und bevor wir einen neuen abschliessen konnten verstarben die Besitzer innert einer Woche. Die Erben drei Töchter wollten uns nicht mehr unter Vertrag nehmen. Da unsere Kinder jedoch alle in die Ausbildung kamen, brauchten wir eine Sicherheit.  Wieder war ich es, die vorgeschickt wurde. Sie versprachen dann mit uns zu reden, aber als es soweit war, wollten sie nichts wissen. Ich setzte mich nochmals mit einer der Töchter in Verbindung. Sie war dann sehr freundlich, lud uns in ihre Ferienwohnung ein, stellte uns Wein auf und erzählte, dass der Willensvollstrecker ihres Vaters keinen Vertrag mit uns machen wolle, sie aber nochmals mit ihm reden würde. Ich fragte sie dann nach dem Namen des Anwalts, den sie mir auch bereitwillig mitteilte. Wir hatten unseren Hauseingang auf der anderen Seite des Hauses und als wir um die Ecke bogen schimpfte mein Mann los, das wären doch nette Leute und sie würde ja jetzt mit dem Anwalt reden. Ich sah das aber ganz anders, ich war ja auch nicht in Alkohollaune. Am andern Tag rief ich den Anwalt an und erfuhr, dass er Dement war und die Akten einem andern Anwalt abgeben habe. Die Sekretärin gab mir dessen Tel. Nr. Der neue Anwalt war erstaunt und fragte mich, was ich denn wolle und wer ich überhaupt sei.  Dann stellte sich heraus, dass er von dem Haus im Toggenburg und dessen Mietern nichts wusste. Er verstand aber unsere Lage und diktierte mir einen Brief, den ich dann an alle drei Schwestern und auch an ihn versandte. Nun erhielten wir wieder einen Vertag über 5 Jahre. Aber leider wurden wir nicht in Ruhe gelassen. Nach zwei Jahren wurden uns Geschäft und Wohnung gekündigt.  Sie konnten uns aber nicht rausschmeissen, denn der Vertrag galt auch für alle. Das Haus gehörte nun nur noch einer der Töchter, einer Frau Löhrer. Sie liess keine Gelegenheit aus im Dorf zu erzählen, dass sie uns gekündigt hätte. Wir brachten aber noch drei Jahre unser Einkommen und doch verliessen uns Kundinnen.  Beim Einkaufen und auch im Geschäft vielen immer wieder Bemerkungen. Mit der Zeit wurde es aber ruhiger, denn die Leute glaubten es wäre alles nur an ein Gerücht. Für Frau Löhrer wurde es zu ruhig und so rief sie unseren Sohn Thomas an seiner Lehrstelle an und wollte ihn aushorchen. Er stellte sich aber gottlob Unwissend. Es waren harte fünf Jahre mit immer neuen Schikanierereien Seitens Frau Löhrer. Wieder durfte ich mit niemandem darüber reden und Erich hüllte sich auch in Schweigen.  Wie immer wenn es Probleme gab, steckte er den Kopf in den Sand. Es lag wieder an mir eine neue Bleibe zu suchen. Alle Geschäfte waren aber nur kurzfristig zu mieten und so mussten wir uns noch fast drei Jahre lang gedulden. Ich schlief nicht mehr und wurde immer trauriger. Ich wollte nicht weg und unsere lieben Kundinnen im Stich lassen, denn sie waren mir ans Herz gewachsen. Sie vertrauten mir immer all ihre Sorgen an und ich kannte all ihre Familiengeschichten. Sie holten bei mir Ratschläge und ich auch bei ihnen. Wir hatten aber auch ganz lustige Stunden mit einander in denen wir viel lachten und scherzten. Erich war der Zuhörer und ich die Plaudertasche. Aber wehe wenn ich etwas sagte, das ihm nicht passte, dann schimpfte er Abends mit mir. Endlich fanden wir im Rheintal ein altes Geschäftshaus. Die Söhne waren inzwischen ausgezogen und die Tochter mussten wir im Toggenburg zurücklassen. Sie war noch in der Ausbildung. Es war höchste Zeit, denn Erich hatte die ganze Sache krank gemacht.

Eigentlich waren wir schon zu alt für einen Neuanfang und im Rheintal ist es sehr schwer Fuss zu fassen. Die Leute gingen uns aus dem Weg und die die uns gut gesinnt waren, wollten ja nicht mit uns gesehen werden. Schon bald stand fest, dass ich mir eine Arbeit suchen musste. Nun kam dieser Frust wieder hoch, weil ich keine Lehre machen konnte. Ich landete in der Fabrik und musste Schichtarbeit leisten. Als einzige Schweizerin hatte ich es am Anfang nicht leicht. Aber ich fing auch dort an zu kämpfen. Schon meine erste Abrechnung stimmte nicht. Es stellte sich heraus, dass auch bei den andern Mitarbeiter/innen immer ein wenig Zeit abgezogen wurde, sie aber nie reklamierten. Ich aber stand schon nach der ersten Abrechnung im Büro und verlangte eine Erklärung. Von nun an stimmte alles und meine Achtung stieg bei den andern. Nach anfänglichen Schwierigkeiten war ich bald die schnellste Arbeiterin und wurde nun auch von der Schichtleiterin geschätzt. Es war die Hölle für mich stundenlang zwischen diesen Maschinen zu sitzen und Autoteile zu putzen, aber ich machte das Beste daraus und nahm es mit Humor und so arbeitete bald alle gerne mit mir zusammen. Der Stundenlohn war sehr klein und ich arbeitete auch am Samstag um etwas mehr zu verdienen. Am Sonntag lag ich meistens krank im Bett, weil mir der Schichtwechsel zu schaffen machte. Nach neun Monaten fand ich dann endlich Arbeit in einem Büro. Ich war die Sekretärin des Disponenten und teilte mit ihm das Büro. Beim Vorstellungsgespräch wurde ich gefragt, ob ich die grobe Art der Rheintaler ertragen könne. Ich wusste nicht genau, was damit gemeint war, sollte es aber bald erfahren. Mein Chef hatte eine Freundin im Betrieb und tel. jeden Morgen mit ihr. Wenn ich dann zur Arbeit kam fühlte er sich gestört. Er war dann sehr grob zu mir. Ich war noch in der Probezeit und wollte die Stelle nicht verlieren, also verhielt ich mich ruhig. Er aber tel. fortan im Büro seines Freundes. Nun musste ich ihm etwas Dringendes ausrichten und fand ihn wieder am Tel. Als ich eintrat explodierte er, aber ich hielt mich auch nicht mehr zurück und so entstand ein nicht gerade leiser Dialog. Eigentlich konnte er ein ganz netter Kerl sein. Durch seine Frau, mit der ich Kontakt hatte, erfuhr ich, dass er als einziger Junge unter vier Schwestern eine nicht gerade leichte Kindheit hatte. Er war nur ein lieber Knabe, wenn er arbeitete. Sein Vater war recht böse und seine Mutter getraute sich nicht zu wehren. Ich führte dann einmal ein sehr ernstes Gespräch mit ihm und sprach ihn auf seine Kindheit an. Seine Chauffeure liefen ihm auch ständig davon, weil er nur mit ihnen nur schimpfte. Ich riet ihm diese auch einmal zu loben, wenn sie etwas Gutes gemacht hätten, dann würden sie sich auch mehr Mühe geben und siehe da, er hörte auf mich. Als dann die Wirtschaftskrise kam und die Aufträge immer mehr ausblieben, wurden etliche Angestellte entlassen. Leider gehörte ich auch dazu und obwohl sich mein Chef sehr für mich einsetzte, konnte er nichts erreichen und so musste auch ich gehen. Erich getraute ich eine ganze Woche lang nichts von meiner Kündigung zu erzählen, denn ich hatte Angst vor seiner Reaktion. Diese blieb dann auch nicht aus. Ich hatte ihm damals von meinem Streit mit dem Chef erzählt und so gab der mir die Schuld, weil ich mich gewehrt hatte. Ich hätte mir eine paar tröstende Worte und eine kleine Umarmung gewünscht, aber wieder vergeblich. Nun war es recht schwer wieder Arbeit zu finden. Vom Arbeitsamt aus, musste ich jede noch so schlecht bezahlte Arbeit annehmen. Meistens waren diese Stellen nur vorüber gehend. Das Arbeitsamt befand sich im Gemeindehaus. Im Gang standen eine Reihe Stühle mit wartenden Arbeitslosen. Manchmal musste man sehr lange warten, bis man an der Reihe war. Wenn ich dann endlich wieder nach Hause kam wurde ich wieder ausgeschimpft, weil ich so lange weg war. Ich viel immer tiefer in Depressionen. Eine Kundin merkte meine Not und holte mich von Erich weg, denn dieser liess mich nicht mehr aus dem Haus. Ich sass immer den ganzen Tag in der Wohnung, nicht fähig einer Arbeit nach zu gehen. Am Abend wunderte ich mich, dass ich noch lebte. Ich bekam es mit der Angst und flehte Erich auf Knien an, mir doch zu helfen. Er sagte nur das kann ich nicht und las ruhig weiter in seinem Buch, während ich neben ihm lag und weinte. Wenn er nur die Hand ein wenig auf meine Schulter gelegt hätte, wäre das tröstend gewesen, aber nichts geschah. Nie fragte er, wie es mir gehe, oder was mich so traurig machte. Dann erfuhr ich, dass mein ehemaliger Hausarzt in St. Gallen als Physiater praktizierte. Ich fasste mir ein Herz und suchte ihn auf. Er kannte ja mich und meine Familie schon von früher.  Er stellte mich dann vor die Wahl. Entweder sie gehen von diesem Mann weg, oder sie bleiben und gehen zu Grunde. Oder aber, sie bleiben und hören nun endlich auf ihr Gefühl und machen was ihnen guttut und nicht was andere von ihnen verlangen.  Für mich kam aber eine Scheidung nicht in Frage, denn ich liebte meinen Mann noch immer, wenn nun auch auf eine andere Weise. Für mich war er eher wie ein Vater, denn seit die Kinder aus dem Haus waren, war ich sein Kind. Er war ein treusorgender Vater, trank nicht und schlug uns auch nicht. Nein diesen Mann konnte ich nicht im Stich lassen. Ich blieb also bei ihm und versuchte so gut es ging meinen Bedürfnissen gerecht zu werden. Als er anfing auch im Bett an mir herum zur nörgeln zog ich kurzerhand ins Gästezimmer. Nun fragte ich nicht mehr, darf ich laufen gehen, sondern sagte nur, ich gehe dann weg. Er der nie laut wurde, fing nun plötzlich an auszurufen und drohte mir sogar mit Schläge. Er war völlig hilflos, denn er merkte dass ich ihm immer mehr entglitt und bekam es mit der Angst. Die Gespräche mit dem Arzt öffneten mir die Augen. Er las mein Horoskop und konnte mir vieles aus meiner Kindheit klarlegen. So auch, dass ich mein ganzes Leben lang immer nur Theater gespielt hatte um zuerst meinen Pflegeeltern und danach meinem Mann zu gefallen. Er erklärte mir auch, wie ich mich zu Hause zu verhalten hatte um eine Veränderung zu bewirken. Ferner nahm er mir den Glauben ein schlechter Mensch zu sein, weil ich das Blut meiner Mutter hatte. Nach ein paar Sitzungen war ich ein anderer Mensch. Ich sah plötzlich was alles schief gelaufen war und fing an mich zu wehren. Es war ein harter Kampf, aber es lohnte sich. Ich stellte Erich zur Rede und Erklärte ihm, dass ich wohl bei ihm bleiben würde, aber meine Freiheit wolle.  Es blieb eigentlich alles beim Alten, aber ich ging und kam von nun an wann ich wollte ohne lange zu fragen darf ich. Als ich im Geschäft arbeitete fuhr er immer mit mir an Ausstellungen und half mir, wenn ich selber meine Bilder ausstellte. Nun wollte er aber plötzlich nichts mehr wissen und als ich fragte warum, meinte er, ich würde ihm ja auch nicht mehr im Geschäft helfen. Dabei arbeitete ich die ganze Woche lang und der Lohn kam auf ein gemeinsames Konto um davon die Rechnungen zu bezahlen. Ich hatte ein Sackgeld zur Verfügung für meine persönlichen Bedürfnisse. Im Zorn rief ich dann, ich würde nun lernen Auto zu fahren. Wenn ich etwas sagte, dann machte ich es auch und das wusste Erich. Eigentlich wollte ich ja gar nicht und tat sehr schwer damit. Erich fuhr dann viel mit mir herum und hatte eine Engelsgeduld, glaubte aber, ich müsste schon so gut fahren wie er. Nun fühlte ich mich endlich frei und es ging mir auch wieder viel besser. Ich hatte die Depression ohne Medikamente überstanden. Das Leben fing endlich für mich an. Ich leitete die Turnstunden des Frauenturnvereins, gründete mit ein paar Gleichgesinnten einen Flohmarkt, spielte im Freilichttheater mit und der Gemeindeammann holte mich in die Museumskommission. Erich hatte sich nun an die neue Situation gewöhnt und die Streitereien wurden immer seltener. Zwischendurch verfiel der aber immer wieder in das alte Muster und ich ärgerte mich dann über mich selber, weil ich immer wieder darauf  herein viel. Zweimal hatte ich eine Arbeitsstelle bei der mich mein Chef versuchte übers Ohr zu hauen. Aber ich war nun eine starke Frau geworden und liess mir nichts mehr gefallen. So brachte ich Beide vor Gericht und gewann. Die letzten zehn Jahre vor der Pension arbeitete ich in einem Kleidergeschäft. Wieder durfte ich etwas Neues lernen. Ich liebte den Kontakt mit den Kunden und die Kunden mochten mich auch. Ich arbeitete 50 - 60 Prozent. In der Freizeit zog es mich immer in den Wald. Meistens kam ich mit kleinen Schätzen der Natur nach Hause und an Weihnachten sass ich dann Stundenlang in unserer Werkstatt im Estrich und bastelte Adventsgestecke die ich zum Teil verschenkte. So konnte ich meine Batterien wieder aufladen. Ich war nun ganz zufrieden. Da ich nie so richtig Liebe erfahren durfte, vermisste ich sie auch nicht. Bei einem dieser Ausflüge in den Wald, traf ich einen Holzer. Mein Ehemaliger Chef war tödlich verunglückt und so schlug er für seine Witwe Brennholz. Wir wechselten ein paar belanglose Worte. Es stellte sich heraus, dass er der Cousin meines ehemaligen Chefs war. Ich hatte mit der Witwe, Ottilie ist ihr Name, immer schon guten Kontakt. Sie arbeitete auch und so holte ich ihren Hund und nahm ihn mit auf meine Streifzüge. Baldo liebte ich vom ersten Moment an und auch er bekam vor Freude kaum Luft, wenn er mich kommen sah. So traf ich Martin hin und wieder bei Ottilie, oder wenn er im Wad arbeitete. Er war mir von Anfang an sympathisch und ich ihm auch, was ich jedoch lange nicht bemerkte. Seine humorvolle und fröhliche Art sprach mich an. Später arbeiteten wir miteinander im Flohmarkt Rest. Hie und da fuhr er an unserem Haus vorbei und winkte mir fröhlich zu. Bald merkte ich, wie mir diesem kurzen Augenblicke guttaten. War mein Mann früher schon Wortkarg, hatte er jetzt kein nettes Wort mehr für mich. Wir halfen einander immer noch wenn es Nötig war. Er wollte ja schon immer, dass ich es gut hatte, was mir aber gut tat, das bestimmte er. So ging es immer weiter. Die Woche durch Arbeit und am Sonntag ein gemeinsamer Spaziergang, schweigend wie immer. Danach frönte ich meinen Hobbys. Ich redete mir ein, dass ich zufrieden bin und wollte eigentlich nicht viel mehr. Erst die kurzen Begegnungen mit Martin öffneten mir die Augen. Nach einem gemeinsamen Abendessen mit den Flomarktkolleg/innen lud er mich noch auf einen kleinen Absacker ein. So fuhren wir in den nächsten Ort in eine Kellerbar. Wir plauderten über dies und jenes und ich fühlte mich wohl in seiner Gesellschaft. Es war nicht die Wirkung des Alkohols, der mich trunken machte, denn ich trinke nie welchen. Auch am andern Tag hielten die Glücksgefühle immer noch an. Seit ich Erich kennen lernte, war ich nie mehr von einem Mann eingeladen worden. Er sagte einmal zu mir, schau dich nur an, du würdest nie wieder einen Mann finden. So schlimm konnte ich doch wirklich nicht aussehen, denn nun war es doch passiert und ich wurde eingeladen. Von nun an waren wir wie zwei Magnete. Immer öfters liefen wir uns zufällig über den Weg, aber wir wussten Beide, dass es eigentlich gar keine Zufälle waren. Wir schafften von Anfang an Klarheit. Er hatte drei Kinder und würde seine Familie nie verlassen und auch ich machte ihm klar, dass ich bei meinem Mann bleiben würde. Das war auch gut so, denn wenn wir frei gewesen wären, hätte er mehr gewollt. Ich aber hätte ein zusammen sein mit ihm für immer nicht vorstellen können. Wir hatten Beide unsere Eigenheiten und die hätten unweigerlich zu Reibereien geführt. So aber konnten wir uns auf ein Wiedersehen freuen. So eine schöne Freundschaft. Für mich war er der kleine Bruder, den ich nie hatte. Mit ihm konnte ich lachen, manchmal auch streiten und Blödsinn machen. Bei ihm konnte ich so sein wie ich war, ohne dass er an mir herumnörgelte. Inzwischen ging er bei uns ein und aus und gehörte fast zur Familie. Wir arbeiteten viel zusammen. Er auch auch sehr kreativ und so entstanden viele schöne Dinge. Wenn ich wieder auf meinen Streifzügen im Walde voller Ideen nach Hause kam, meinem Mann meine Pläne unterbreitete und um seine Hilfe bat, denn ich durfte seine Maschinen nicht benützen, winkte er ab und sagte, das geht nicht. Martin aber meinte nur, kein Problem, stand wenig später vor der Türe und half mir dabei. Seit ich Erich nicht mehr im Geschäft half, blieb auch seine Hilfe aus. Auch die Ausflüge an Ausstellungen, die er früher ohne weiteres mit mir unternahm, konnte ich vergessen.  Auch Erich genoss es, wenn Martin uns überall zur Seite stand und immer öfters sagte er, frag Martin ob er uns helfen will.  Wenn er bei grossen Arbeiten mithalf bezahlten wir ihn, denn ich wollte nicht, dass er sich ausgenutzt vorkam. Bei kleineren Hilfen, buck ich ihm einen Kuchen, denn seine Frau konnte weder kochen noch backen.  So setzten wir mit viel Spass auf zwei Seiten des Hauses einen neuen Buchenhaag, oder verlegten einen neuen Stubenboden. Erich half  zwar mit, war aber immer mürrisch, denn wir hatten bei der Arbeit viel Spass und lachten viel, was ihm nicht passte. Das kannte ich aber nur zu gut, denn als unser jüngerer Sohn noch keine Freundin hatte und er hie und da nach Hause kam, hatten wir immer riesigen Spass und machten Blödsinn. Dann kam er auch immer und schimpfte uns aus. Aber nicht nur der Spass und das Lachen brachte Martin wieder in mein Leben. Durch ihn verlor ich meine Selbst Zweifel und lernte an mich zu glauben. Er machte mir Komplimente und merkte sofort, wenn ich traurig war, oder mich etwas beschäftigte. Dann nahm er mich einfach kurz in die Arme und dann ging es mir wieder viel besser. Wir redeten oder schimpften nie über unsere Ehepartner, aber die Themen gingen uns nie aus. Was ich ganz lustig fand, wir tauschten auch Rezepte aus, denn er musste öfters kochen. Natürlich stritten wir auch, denn er war es gewohnt, dass er immer im Recht war. Dann sagte ich einfach tschau, ich habe zu Hause genug Aerger, ich brauche keine Streitereien. Wenn er dann so dastand, Schuldbewusst, den Kopf hängen lassend, hätte ich ihn am liebsten in den Arm genommen. Aber es ging nie lange, dann rief er an und fragte ganz lieb, kann ich dir etwas helfen. Ich denke, das ist Liebe, wenn man hilft, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Das war ganz Neu für mich. Als ich ihn einmal fragte, warum er mir so ohne weiteres zur Seite Stand und half, meinte er, ich helfe gerne wo es nötig ist. Ich glaube, er war auch nicht glücklich in seiner Ehe und so tat uns Beiden dieses gemeinsame kreative arbeiten gut. Weihnachten stand vor der Türe und wir hatten wieder tausend Ideen. Er wollte einen Baum fällen und mit dem Holz wollten wir wieder Dekorationen basteln. Ich merkte aber, dass es ihm nicht mehr so gut ging. Er, der immer herumhastete, wirkte plötzlich müde. Darauf angesprochen gestand er mir, dass ihn Schmerzen in der Brust plagten. Sofort schickte ich ihn zum Arzt, er aber tat es als Nervenschmerzen ab. Da suchte ich seine Frau auf, aber auch die lachte mich aus und meinte, der hat nur sonst ein Weh-Wehchen und ausserdem hätte er eine gute Lebensversicherung abgeschlossen. Drei Tage später am 1. Nov. an meinem Geburtstag machte ich eine Torte und erwartete ihn und seine Frau wie jedes Jahr zum Kaffee, aber niemand erschien. Ich rief dann seine Frau an und vernahm, dass er auf einer Bergwanderung sei. Am andern Tag kam eine Kundin aus dem Dorf und erzählte mir, dass sie Martin tot geborgen hätten, er hatte einen Sekundentod erlitten. Ich wusste nicht wie mir geschah. Ich durfte mir nichts anmerken lassen und musste weiterhin lächelnd Kunden bedienen. Ich war nicht fähig zu weinen, war wie erstarrt und hatte schlaflose Nächte. Wenn ich dann doch in einen unruhigen Schlaf verfiel, quälten mich seltsame Träume. So hörte ich Martin vor meinem Fenster klagen, verstand aber seine Worte nicht. Wenn ich dann aus dem Fenster schaute, sah ich ihn auf seinem Fahrrad in den Himmel verschwinden. Ein andermal war ich auf der Bergstrasse unterwegs, als er mit dem Auto neben mir anhielt und mich bat einzusteigen. Als ich mich weigerte lachte er und fuhr auch wieder geradewegs in den Himmel. Noch heute, 13 Jahre nach seinem Tod, habe ich immer denselben Traum. Ich sehe sein Haus, das jedoch umgebaut war und er kommt wieder nach Hause. Auf meine Frage, wo er denn so lange gewesen sei, lachte er und meinte, in der Fremde. Wenn ich dann erwache, brauche ich immer eine Weile um mich zurecht zu finden und glaube zuerst wirklich, dass er wieder da ist. Nach seinem Tod stürzte ich mich in die Arbeit. Inzwischen pensioniert, half ich beim Kulissenbau im Freilichttheater und spielte auch mit. Danach baute ich mit dem Museumskurator ein altes Bauernhaus zurück, in eine Zeit da es weder Wasser noch Strom gab. Mir war keine Arbeit zu viel, auch wenn sie noch so schmutzig war. So malte ich Wände, putzte Stall und Heustock und nähte Vorhänge. Nun durfte ich 10 Jahre lang die Besucher mit viel Witz und Humor durch das Haus führen und bekam wieder langsam Spass am Leben. Die Besucher liebten meine Art und so kam ich immer müde aber glücklich nach Hause. Im Herzen schmerzt es immer noch und ich kann Fredi nicht vergessen. Nach seinem Tod schlich sich bei mir eine Nervenkrankheit ein. Ich kann immer weniger gut laufen und gehe inzwischen am Stock, denn mir fehlt das Gleichgewicht und meine Beine werden mit der Zeit lahm. Mein Arzt meinte, ich hätte zu viel erlebt und das wäre nun der Preis dafür. Wir verkauften unser liebgewonnenes Haus und zogen in eine kleinere Wohnung. Dieser Verkauf löste bei meinem Mann, inzwischen 87 Jahre alt, eine Demenz aus. Ich Pflege ihn zu Haus mit Hilfe der Spitex. Immer noch kann ich meiner geliebten Arbeit im Museum nachgehen jedoch nun ohne Führungen und so meine Batterien wieder ein wenig aufladen und für kurze Zeit alles vergessen. Die neue Museumsbetreuerin ist so alt wie mein Sohn, aber wir verstehen uns prima und haben auch viel Spass bei der Arbeit und lachen viel. Mein Humor hat mich in all den Jahren immer wieder gerettet. Ich merke auch, dass die Menschen gern in meiner Gesellschaft sind, da ich immer zu Spässen aufgelegt bin. Wenn ich mich wohl fühle, kann ich die Menschen einen ganzen Abend lang unterhalten. Erich passt das natürlich nicht und er beklagte sich, dich kennen alle Leute um mich bemerkt keiner. Im Gegensatz zu mir, ist er eher Menschenscheu. Wenn ich des Nachts im Bett liege und der Schlaf nicht kommen will, plagen mich düstere Zukunftsängste und dann frage ich Martin, warum musstet du so früh auf deine letzte Reise? Was habe ich getan, dass ich nun nur noch durchs Leben schleichen kann, denn meine Beine werden immer schwächer. Auch mein geliebtes Theater spielen musste ich aufgeben und so lebe ich in Erinnerungen an meine Lieblingsrolle als etwas verrückte Grossmutter.

Meine Pflegemutter war inzwischen mit 92 Jahren verstorben. Nach der Beerdigung kam der Pfarrer zu mir und meinte, jetzt sind sie erlöst. Er kannte sie wohl auch.  Die Nachbarn standen mir bei der Beerdigung und danach bei der Auflösung des Haushalts tatkräftig zur Seite. Sie meinten, ich sei ja immer ein anständiges nettes Mädchen gewesen und eine Nachbarin sagte zu mir, du hast alles gehabt, nur keine Liebe. So war es für mich trotz allem eine schöne Beerdigung.

Wenn auch mein Leben nicht so rosig verlaufen ist, gab es doch manchmal auch schöne Momente. Mein Pflegevater der, als ich klein war nichts mir anfangen konnte, mich nie herzte oder auf den Schoss nahm, lernte mich Fahrrad fahren. Er sass auf dem Gepäckträger und wenn er dann plötzlich neben mir herlief und in die Hände klatschte, stürzte ich. Als ich dann fahren konnte, nahm er mich mit auf sonntägliche Velotouren. Als leidenschaftlicher Fischer, fuhren wir immer an irgendein Gewässer und beobachteten die Fische. Noch heute halte ich an jedem See oder Fluss nach Fischen Ausschau und dabei kommt mir immer mein Pflegevater in den Sinn und ich denke dann, hier würde es ihm auch gefallen. Das schönste Erlebnis mit ihm war immer der Muttertag, denn dann fuhren wir in den Wald um für die Pflegemutter einen Strauss Maiglöckchen zu pflücken.

Ich hoffe mit dieser Niederschrift endlich zur Ruhe zu kommen, denn je älter ich werde, je mehr holt mich die Vergangenheit wieder ein. Als meine leibliche Mutter starb, fand meine Stiefschwester im Nachlass Gegenstände die darauf hinwiesen, dass sie einen sehr lockeren Lebenswandel geführt hatte und es mit der Treue nicht immer so genau nahm. Zuerst waren wir geschockt, aber dank meinem Arzt, kam ich sehr schnell über diesen Schrecken hinweg und sagte mir, das war ihr Leben. Auch meiner Pflegemutter habe ich ihre Herzlosigkeit und Kälte längst verziehen, denn sie konnte wohl nicht anders handeln, ich wusste ja nicht, was alles in ihrem Leben schieflief. Ich bin stolz auf unsere drei tollen und fleissigen Kinder und unseren lieben Grosskindern, denn dass sie so gut geraten sind, ist in der heutigen Zeit nicht Selbstverständlich und ich danke Gott dafür. Mit grosser Freude durfte ich nun auch noch die Geburt unserer Urenkelin  erleben.

 

 


 

 

Vorwort
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  Vorwort
Meine Geschichte beginnt bei meiner Grossmutter, die ich jedoch nie kannte. 
Die suche nach Liebe zieht sich wie ein roter Faden durch ihr, das meiner Mutter und meinem Leben. Ich hoffe nun, dass ich diesen Faden abreissen konnte und meine Kinder und Enkelkinder ein glücklicheres Leben führen können.
Die leibliche Grossmutter
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1.  Die leibliche Grossmutter

Auf der Suche nach Liebe 

Meine leibliche Grossmutter, Wohnhaft in Nidau, verlor in jungen Jahren ihre Mutter. Der Vater heiratete wieder, aber die Stiefmutter mochte ihre Stieftochter nicht. Nach der Schule machte sie eine Lehre im nahen Konsum. Dort verliebte sie sich in den Filialleiter. Dieser liess keine Gelegenheit aus, das junge Mädchen zu verführen. Ausgehungert wie sie war, hatte er ein leichtes Spiel, besonders, da er ihr die Ehe versprach. Aber es blieb nicht ohne Folgen. Als sie merkte, dass sie schwanger war, erschrak sie zuerst, aber dann freute sie sich, ihm diese Neuigkeit mitzuteilen. Nun würden sie heiraten und sie käme endlich von dieser lieblosen Stiefmutter weg. Sie wollte ihrem Kind eine gute Mutter sein und ihm alle Liebe der Welt schenken. Dann stellte sich heraus, dass ihr Freund bereits verheiratet war. Als die Stiefmutter ihren Zustand bemerkte, warf sie sie kurzerhand aus dem Haus. In Basel in einem Heim für ledige Mütter fand sie dann eine Bleibe und arbeitete fortan in einer Hotelküche. An einem sonnigen Herbsttag war es dann soweit und sie schenkte gleich zwei Mädchen das Leben. Aber wie sollte sie für die Zwillinge aufkommen? Schweren Herzens musste sie sie weggeben. Sie hätten wohl im Heim bleiben können, aber sie hätte für eins der Kinder mehr Unterhalt bezahlen müssen als sie verdiente. Die Zwillinge kamen dann wieder nach Nidau zu Pflegefamilien. Sie selber blieb in Basel, blieb aber unverheiratet.

Die leibliche Mutter
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2.  Die leibliche Mutter
In einem ruhigen Quartier etwas ausserhalb von Nidau standen links Einfamilienhäuser und auf der rechten Seite zweistöckige, aneinander gebaute Mehrfamilienhäuser. Es waren Genossenschaftswohnungen für SBB Arbeiter. Eine schmale Strasse führte um einen kleinen Park herum. In einem der Einfamilienhäuser wohnte die Hebamme. Sie nahm eines der Mädchen in Pflege. Auf der rechten Seite in einer der Wohnungen wohnte eine Familie Wernli mit ihren drei Jungen und einem Mädchen. Der Vater arbeitete als Rangierarbeiter im Bahnhof Biel. Die Mutter nahm Kleinkinder, die aus irgendeinem Grunde nicht bei Eltern sein konnten in Pflege.  Als nun der Sozialarbeiter vorsprach und ihr das andere Mädchen bringen wollte, lehnte sie zuerst ab. Sie liebte diese Kinder wie ihre eigenen und immer wenn sie sie wieder hergeben musste, drückte es ihr fast das Herz ab. Als sie aber vernahm, dass sie dieses Mädchen behalten durfte, nahm sie es bei sich auf. Nun wuchsen beide Mädchen nur durch dieses Pärkchen und die Strasse getrennt auf. Die Hebamme verbot aber Hilde, so hiess das Mädchen, den Umgang mit ihrer Schwester Margrit, genannt Gritli. Gritli ging es zunächst gut. Die Stiefschwester Klara war schon 17 und machte eine Anlehre in einer Uhrenfabrik. Die Zwillinge und der andere Knabe waren noch kleiner.  Aber das Schicksal wollte es nicht gut mit der Familie Wernli. Einer der Zwillinge kränkelte und starb in den Armen seines Vaters. Kurz darauf erkrankte auch der Vater an Speiseröhrenkrebs und verstarb. Nun stand die Mutter alleine mit ihren drei Kindern und der Pflegetochter da. Sie versuchte wohl ihre Liebe an alle Kinder gleich zu verteilen, aber es stellte sich als sehr schwierig heraus. Die eigenen Kinder mochten Gritli gar nicht, ginge es ihnen doch besser, wenn dieses Balg nicht bei ihnen wäre. Als Gritli älter und ein hübsches Mädchen wurde, suchte sie die Liebe anderswo. Sie hatte schon sehr früh Freude am andern Geschlecht. Klara, die inzwischen in der ganzen Schweiz im Service arbeitete hätte so gerne einen Freund gehabt, aber keiner hielt es bei ihr aus. Sie war neidisch auf Gritli, die solche Chancen bei den Jungs hatte. Sie war nun schon 30 und immer noch alleine. Da besuchte sie mit ihrer Mutter Verwandte im Rombach bei Aarau. Eine einfache Bauersfamilie. Der Vater lebte nicht mehr und die zwei Söhne wohnten noch bei der Mutter. Die Tochter Berta war verheiratet. Bei diesem Besuch verliebte sich Klara in Max, 
dem älteren der Beiden. Nun liess sie nicht mehr locker, denn den wollte sie unbedingt haben. Max war bequem, sprich faul und ein ungehobelter Kerl. Manieren hatte er gar keine und an Intelligenz fehlte es ihm auch. Es reichte gerade noch für eine einfache Fabrikarbeit. Die zwei passten wie eine Faust auf ein Auge zu einander. Sie die weit gereiste und wie sie meinte gebildete Dame und er der einfache Bauernsohn. Der um ein Jahr jüngere Bruder hatte auch eine Freundin und als die beiden Frauen schwanger waren, wurde schnellstens eine Doppelhochzeigt gefeiert. Klara und Max wohnten bei der Schwiegermutter. Wilhelm und seine Frau Nelly bezogen die Wohnung im ersten Stock. Aber das Schicksal schlug wieder zu. Während Klara ihr Kind verlor, brachte ihre Schwägerin einen toten Jungen zur Welt. Kurze Zeit später wurden Beide wieder schwanger und auch diesmal verlor Klaras ihr Kind und die Schwägerin schenkte einem Jungen das Leben, der jedoch nur einen Tag auf dieser Welt sein durfte. Auch Fritz, der Bruder von Klara, musste inzwischen heiraten. Max der Lieblingsbruder von Klara hatte ebenfalls eine Freundin. Als diese auch schwanger wurde und er zur Hochzeit einlud, war Klara gerade das dritte Mal Schwanger. Der Arzt verbot ihr nun jede Aufregung und Erschütterung und verordnete strengste Ruhe. Obwohl sie genau wusste, dass sie ihr Kind wieder verlieren würde, wenn sie an dieser Hochzeit teilnahm, konnte sie nicht verzichten.  Nach der holperigen Fahrt mit dem Zug von Aarau nach Biel und retour, verlor sie zum dritten Mal ihr Kind. Nun konnte und durfte sie keine Kinder mehr haben. Natürlich zerfloss sie in Selbstmitleid. Eine Adoption kam nicht in Frage, sie war obwohl schon 36 noch zu jung. Da meldete sich Gritli. Sie erwarte ein Kind, könne jedoch nicht heiraten, da der Kindsvater bereits verheiratet sei. Sie würde gerne das Kind Klara geben. Dann sagte sie noch, sie hätte es extra gemacht, weil sie wusste, dass Klara keine Kinder mehr bekommen könne! Wer der Vater war, wusste niemand, Gritli behielt es für sich. Am 1. Nov. 1947 erblickte ich im Spital Biel das Licht der Welt und eine Woche später holten mich die Pflegeeltern zu sich nach Hause
Die Pflegeeltern
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3.  Die Pflegeeltern

(Ich schreibe jetzt Vater und Mutter, denn ich wusste ja noch nicht, dass es meine Pflegeeltern waren). Mutter wollte unbedingt ein Meieli, aber das war kein Taufname. So wurde ich auf den Namen Annemarie Simon getauft. Meine Grossmutter, bei der wir wohnten, liebte mich sehr. Sie war eine grosse korpulente Frau. Lachte viel und zeigte dabei ihre letzten zwei braunen Zähne. Ich hatte viel Spass mit ihr. Sie nähte ihre Kleiderschürzen selber und ich habe sie in einer königsblauen mit orangenen Halbmonden bedruckten Kleiderschürze in Erinnerung. Auch die Grossmutter in Biel war eine herzensgute Frau (ich nannte sie Mama). Auch von ihr bekam ich viel Liebe, obwohl ich die Tochter der ungeliebten Stieftochter war. Ich fühlte mich wohl bei ihr, denn dort durfte ich das Kind sein, das ich wirklich war und hatte auch Freundinnen.  Immer an Weihnachten und in den Sommerferien fuhren wir zu Mama.





Ausgebüxt
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4.  Ausgebüxt
Ich war ca. 2 Jahre alt, konnte noch nicht richtig reden aber sehr, sehr schnell springen. Eines Tages riss ich von zu Hause aus. Ich rannte auf die Strasse und auf und davon. Meine nicht sportliche Mutter war viel zu langsam und konnte mich nicht mehr einfangen. Der Nachbarsjunge fuhr mir dann mit dem Fahrrad nach, nahm mich unter den Arm und brachte mich wieder nach Hause. Mutter wollte dann wissen wohin ich wollte, da sagt ich uf Bieu ufe. (Nach Biel).
mit Grossmutter in der Stadt
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4.  Ausgebüxt

mit Grossmutter in der Stadt

Wie ich schon schrieb, nähte meine Grossmutter viel. Für die Zutaten musste sie nach Aarau. Einmal im Monat machte sie sich zu Fuss auf den halbstündigen Weg (mit ihr war er ein wenig länger), aber nicht ohne mich zu fragen, ob ich mit wolle. Natürlich wollte ich mit und wie. Mutter sah es gar nicht gerne, wenn ich mit Grossmutter loszog und das freute wiederum meine Grossmutter, denn sie hatte es nicht leicht mit der Schwiegertochter im gleichen Haushalt. Sie schmunzelte immer so verräterisch wenn sie Mutter ärgern konnte. So trotteten wir dann des Weges. Über die Kettenbrücke und den Rain hinauf in die Stadt. Während meine Grossmutter im Kaufhaus ihre Einkäufe erledigte, wartete ich geduldig, denn ich wusste sie stieg danach mit mir die breite Holztreppe hinauf in den 1. Stock, ins Paradies.  Ja für mich war es das Paradies. Alles voller Spielsachen. Ich konnte mich nicht satt sehen und immer kaufte mir die Grossmutter etwas Kleines, das ich dann hütete wie einen Schatz. Auf dem Heimweg waren wir dann ruhig und hingen unseren Gedanken nach. Wir dachten wohl dasselbe, wie Mutter schimpfen wird, weil Grossmutter mir schon wieder etwas kaufte. Es ist gemein, aber wir freuten uns Beide darauf. An einem 6. Dez. war es dann wieder soweit, ich durfte mit Grossmutter in die Stadt. Während mir die Mutter die besseren Kleider anzog, wollte sie mich wieder davon abhalten zu gehen. Sie drohte mir, der Samichlaus würde mich in den Sack stecken und mit in den Wald nehmen, er wäre heute nämlich unterwegs. Ich wäre selber schuld, wenn ich in der Nacht noch unterwegs sei. Grossmutter sagte nur Paperlapap nahm mich an der Hand und weg waren wir. Auf dem Heimweg kamen wir an einer Bäckerei vorbei. Das Schaufenster war voller Gritibänzen. Grossmutter fragte mich, willst du solch einen Gritibänz. Natürlich wollte ich Schleckmaul so einen. Sie stellte ihre Tasche auf den Fenstersims, kramte ihren Geldbeutel hervor, drückte mir Geld in die Hand und sagte, du musst aber selber rein, ich warte hier. Die Bäckerei war voller Leute und die Verkäuferin, eine gutmütige rundliche Frau stand etwas erhöht hinter dem Verkaufstresen. Geduldig wartete ich bis ich an der Reihe war. Hinter mir war der Laden schon wieder voller  Leute. Die Verkäuferin beugte sich nun ein wenig zu mir herunter und fragte, na was möchtest du denn? Ich stand da und wusste nicht mehr wie dieser Teigmann hiess. Kurzerhand deutete ich auf das Gestell hinter der Verkäuferin, denn dort waren auch welche aufgereiht, und rief, na so einen Beijass möchte ich. Da fingen alle an zu lachen und auch der Busen der Verkäuferin hüpfte rauf und runter. Als ich aus dem Laden kam, lachte auch meine Grossmutter, denn sie hatte das ganze durch das Schaufenster beobachtet. Sie meinte dann, was hast du wieder angestellt, dass alle so lachen mussten. In diesem Moment merkte ich, das ich es ganz gerne hatte, wenn ich Leute zum Lachen bringen konnte. Aber das Lachen sollte mir schon bald vergehen.

 

meine Tante dann nochmals ein Kind erwartete, weinte ich, denn die hatten ja schon vier nur ich bekam kein Geschwisterchen. Dabei hatte meine Mutter mir ja gezeigt, wo die kleinen Kinder herkamen, aber das ist wieder eine andere Geschichte.

 In der Fabrik, in der mein Vater arbeitete, gab es einen Ausschussladen. Wenn ich nun neuen Schuhe brauchte, schauten wir zuerst dort nach. Neben der Fabrik stand ein grosses weisses Haus. Als wir nun wieder mal den Laden aufsuchten zeigte meine Mutter auf das Haus und sagte, hier machen sie die kleinen Kinder. Natürlich wollte ich sofort hin um eines zu kaufen. Warum sie das sagte, war mir später ein Rätsel.

Da mich nie jemand besuchen durfte, war ich gewohnt alleine zu spielen. Meine Spielsachen waren auf einem Schrank in Schachteln verstaut. Mutter holte mir dann das gewünschte herunter und nach dem Spielen wurden sie wieder eingepackt. An einem sonnigen Frühlingstag sass ich auf dem Vorplatz und spielte mit meinen Puppen, als plötzlich eine fremde Frau vor mir stand zu mir herunterschaute und mich dabei auslachte. Was so ein grosses Mädchen spielt noch mit Puppen, schäme dich. Dann verschwand sie durch die Schopftür in den oberen Stock. Ich wollte mich aber nicht schämen und packte die Puppen zusammen. Mutter wunderte sich, dass ich schon wieder mit dem spielen aufhörte.  Ich erzählte ihr dann von der bösen Frau und es stellte sich heraus, dass es die Schwester von Tante Nelly war und dass diese nun immer hier wohnen würde. Mir ahnte Schlimmes, was dann leider auch eintraf. Mit Puppen spielte ich von da an nur noch selten und nur im Haus.

In der Stube hatte ich eine Ecke zum Spielen. Dort baute ich mit meinen Bauklötzchen Häuser, Burgen und Türme. Ich bat dann Mutter immer, sie solle es stehen lassen. Aber wenn ich wieder kam, war alles weggeräumt. Ich glaube es hat noch nie so viele Erdbeben gegeben, wie in meiner Kindheit!

An einem schwülen Sommertag spielte ich wieder auf dem Stubenboden, den draussen war es viel zu heiss. Plötzlich verdunkelte sich der Himmel und ein heftiges Gewitter brach los. Mutter befahl mir auf zu räumen, aber ich wollte nicht. Ich konnte recht zwängelen und stampfen und ich sah nicht ein, warum ich schon aufhören musste zu spielen. Plötzlich regnete es in Strömen. Wahre Sturzbäche kamen vom Himmel. Fasziniert sah ich aus dem Fenster, wie draussen auf der Strasse das Wasser in Bächen lief, denn die Gullis konnten nicht mehr alles schlucken. Da läutete das Tel. und kurze Zeit später kam Vater nach Hause. Mutter rannte nervös herum, half Vater die Feuerwehrs Uniform anzuziehen und dann war er auch schon wieder weg. Sie mussten einen Bach wehren, der vom Berg her Geröll und Holz brachte und über die Ufer trat. Als Vater weg war, schimpfte mich die Mutter aus. Der arme Vater muss bei diesem Wetter draussen sein, wenn ihm etwas passiert, bist du schuld, denn du bist so ein böses Mädchen. Schnell räumte ich nun meine Spielsachen weg, setzte mich ans Fenster und betete, lieber Gott pass auf Vater auf, damit ihm nichts passiert, ich will auch nie wieder ein böses Mädchen sein. Gottlob kam er nach für mich endlosen Stunden wieder heil nach Hause.

Sie drohte mir auch damit, mich in ein Kinderheim stecken. Ich durfte aber das Kinderheim in unserer Strasse anschauen und hatte dort sogar für kurze Zeit eine Freundin.  Leider durfte diese das Heim nicht verlassen und wir konnten uns nur durch den Drahtzaun unterhalten, da schlief die Freundschaft wieder ein. Mir gefiel das Heim, denn alle Mädchen waren so nett und auch die Betreuerinnen. So gab ich Mutter zur Antwort, dass ich sehr gerne dorthin gehen würde. Da hörten die Drohungen auf.

Da war noch diese Tante Ida. Sie war die Schwester von Mama und wohnte in unserer Nähe. Während Mama eine warmherzige liebevolle Frau war, war Tante Ida das pure Gegenteil. Eine unzufriedene gehässige egoistische Person. Auch ihre Ehe war Kinderlos geblieben und ihr Charakter glich dem meiner Mutter. Sie hasste meine leibliche Mutter und somit mochte sie auch mich nicht.  Das Begriff ich aber erst viel später, als ich erfuhr wer meine leibliche Mutter war. Wenn meine Mutter sie besuchte, musste ich immer mit. Dann sassen wir in der guten Stube am Stubentisch. Eine sterile, Stube mit gehäckelten Deckelis auf den Sessellehnen. Ich sass auf der einen Seite am Tisch und starrte auf meine Hände. Mutter und Tante mir gegenüber. Wie es so ist, bei kinderlosen Ehepaaren, sie wussten am besten wie man Kinder erzieht. Dann ging es auch schon wieder los. Sie fixierte mich mit ihrem giftigen Blick und schimpfte mich aus. Was ich doch für ein ungehorsames Mädchen sei, ich müsse unbedingt meiner Mutter besser gehorchen. Mutter sagte kein Wort, sondern schaute mich nur mit ihrem strafenden Hundeblick an. Der Nachmittag schien endlos zu dauern. Ich durfte mich nicht vom Fleck rühren. Dann endlich ging die Haustüre und Onkel Howald kam nach Hause. Nun hielt mich nichts mehr auf dem Stuhl. Ich rannte ihm freudenstrahlend entgegen und auch er freute sich sehr. Onkel Howald sah aus wie Papa Moll. Klein rund und mir einer Glatze. Er strahlte immer über das ganze Gesicht. Ich liebte ihn und er mich.  Er nahm mich dann bei der Hand und zusammen gingen wir in seine Schreinerwerkstatt. Dort roch es so herrlich nach Holz und überall lagen Sägespäne herum. Er zeigte mir all seine Maschinen, gab mir eine Papiertüte und ich durfte sie mit Abfallklötzchen füllen. Diese Klötzchen besitze ich heute noch. Sie liegen in unserem Bauernmuseum im Kinderzimmer in der Spielecke. Immer wenn ich Führungen mache und sie sehe, habe ich liebe Gedanken an Onkel Howald. Natürlich besuchte Tante Ida auch uns. Wenn sie dann an der Haustüre klingelte, verdrückte ich mich durch die Hintertüre und versteckte mich auf dem Holzschopf.  Dort blieb ich dann, bis die Luft wieder rein war. Ich hielt mich sehr gerne dort auf und zog mich auch dorthin zurück, wenn ich traurig war. Von Grossmutter lagen dort noch zwei Bilder mit Schutzengeln. Sie behüteten zwei kleine Kinder, die drohten über den Abgrund zu stürzen. Diese Bilder schaute ich immer wieder an. Sie spendeten mir Trost und ich fragte mich öfters, wo denn mein Schutzengel geblieben sei. Im Sommer suchte ich in der Wiese oberhalb des Hauses nach vierblätterigen Kleeblättern, die ich dann sorgfältig presste und aufbewahrte. Immer wenn ich eines fand, glaubte ich fest daran, dass nun alles wieder gut wird. Noch heute schaue ich an jedem Wegrand nach dem Glücksklee und glaube auch an seine glückliche Wirkung.

Eines Tages, ich war in der vierten Klasse, rief ein jüngeres Mädchen, als es an mir vorbei ging, du hast ja nicht einmal eine richtige Mutter, bist ja nur ein Waisenkind. Ich wusste nicht was das sein sollte und lief sofort zur Mutter. Ihre Antwort war, das stimmt nicht, wir sind deine richtigen Eltern, hau dem Mädchen eine runter und sage ihr, das wäre für das Waisenkind, was ich dann am nächsten Morgen mit gutem Gewissen auch machte. Das Mädchen zeigte keine Reaktion, hatte aber einen Bruder der in meiner Klasse war. Am andern Tag rannten mir nach der Schule alle Knaben von meiner Klasse hinter her und schlugen auf mich ein. Eine Frau die dazu kam, gebot ihnen Einhalt und so konnte ich entwischen. Am andern Tag wollte ich vor lauter Angst nicht mehr zur Schule. Die Mutter glaubte mir nicht, aber nun war sie machtlos. Erst als sie mir versprach mich nach der Schule abzuholen, machte ich mich auf den Weg. Auch diesmal rannte mir wieder die ganze Klasse hinterher, aber als sie meine Mutter entdeckten, machten sie kehrt.  Doch diese hatte genug gesehen und sprach nun mit dem Lehrer. Am andern Tag mussten alle Knaben aufstehen und als der Lehrer nach dem Grund fragte, wusste keiner warum sie mich verdroschen. Auch von meiner Cousine musste ich dann hören, dass ich nicht die richtige Mutter hätte. Diesmal fragte ich meine Mutter nicht mehr, denn ich kannte ja ihre Antwort. Ein Mädchen aus der Klasse, mit dem ich sonst keinen engeren Kontakt hatte, denn sie wohnte am andern Ende des Dorfes, lud mich eines Tages zu sich ein. Sie wollte etwas mit mir basteln. Ich freute mich sehr, wunderte mich aber gleichzeitig über ihre Einladung. Als ich ankam, führte sie mich in ihren Wintergarten und fragte mich geradeheraus, ob ich wisse, dass ich nicht die richtigen Eltern hätte. Nun stellte ich Mutter zur Rede und sie musste Farbe bekennen. Ich brach in Tränen aus. Nicht weil ich Pflegeeltern hatte, das änderte nichts an der ganzen Sache, sondern weil Mutter mich immer wieder angelogen hatte. Meine Mutter, die, wenn sie glaubte ich hätte sie angelogen nicht mehr mit mir sprach und mir immer wieder predigte man darf nicht Lügen sonst bekommt man ein schwarzes Herz, diese Mutter hatte mich immer wieder belogen. Ich hatte ihr immer geglaubt und zu ihr aufgeschaut und nun diese Enttäuschung. Für mich brach eine Welt zusammen. Natürlich wollte ich nun wissen, wer meine leibliche Eltern waren und da kam schon die nächste Lüge. Sie wisse es nicht und ich dürfte es auch gar nicht wissen. Ich dürfe mit niemandem darüber reden. Sie liess mich im Glauben, meine Eltern seien verstorben. Als der Lehrer die Impfausweise verteilte, war auf meinem anstelle des Namens ein dicker schwarzer Balken und darüber mein Nachname Bircher. Ich radierte solange, bis ich den darunter stehenden Namen lesen konnte. Nun wusste ich, dass ich früher Simon hiess. Dieses Wissen behielt ich für mich, denn ich traute meiner Mutter nicht mehr. Damit ich keine Fragen stellte, liessen meine Eltern vor der Einschulung meinen Nachnamen ändern. Ich erinnere mich noch ganz genau daran.  Wir fuhren nach Biel auf ein Amt. Im Vorzimmer nahmen mich zwei junge Frauen in Empfang, während die Eltern mit einem Herrn in einem andern Büro verschwanden, gaben sie mir Bonbons und liessen mich auf ihren Schreibmaschinen schreiben. Ich fand das herrlich. Als meine Eltern mit dem Herrn wieder erschienen, fuhren wir geradewegs  nach Hause. Es war schon dunkel, als wir vom Bahnhof am Kanal entlang nach Hause liefen. Ich hüpfte voraus, denn ich fand es spannend bei Nacht draussen zu sein. Plötzlich drehte ich mich um und rief meinen Eltern zu, heute habt ihr meinen Namen gekauft. Die Eltern schauten sich ganz komisch an, aber für mich war die Sache damit erledigt. Wie ich das mitbekam war allen ein Rätsel, denn auf dem Amt wurde nichts erwähnt.

Wernerli war inzwischen in einem schwierigen Alter.  Es musste immer alles nach seinem Kopf gehen und die Eltern liessen ihm auch immer alles durch. Wenn das Wetter schön war, sass ich gerne vor der Schule ein wenig auf der Bank auf dem Vorplatz. Wernerli schaute vom Küchenfenster aus auf mich hinunter und rief immer wieder, geh da weg das ist unsere Bank, da darfst du nicht sitzen.  Mutter rief sofort komm rein und die Tante, Wernerli hör auf. Aber Lea, die böse Frau stand neben ihm und so wurde er mutiger und spuckte mir auf den Kopf. Ein paar Tage später, ich kam von der Schule nach Hause, hatte meine Hausaufgaben erledigt und wollte auf der Bank sitzend eine Handarbeit machen. Mutter und Tante waren im etwas oberhalb angelgegten Garten beschäftigt. Wieder kam Werneli und rief geh da weg, geh weg, das ist unser Hausplatz.  Wieder schickte mich Mutter rein, aber ich wollte bei dem schönen Wetter nicht in der Stube sitzen, ich hatte auch das recht  draussen zu sein. Da fing Wernerli an mich mit Steinen zu bewerfen. Ich wich ihnen aus und ging langsam Rückwärts den Hang hinauf. Inzwischen war Lea nach Hause gekommen. Sie baute sich mit verschränkten Armen auf dem Vorplatz auf und beobachtete das Ganze. Ich wich den Steinen aus und drohte Wernerli, wenn du mich triffst, bekommst du von mir eine saftige Ohrfeige. Sofort rief Lea, sie darf dir nichts tun, ich bin ja hier. Da sprang er auf mich zu, holte mit dem Schuh aus und  kickte mich ins Schienbein. Dann machte er kehrt und rannte den Hügel runter. Lea rief, Wernerli komm zu mir, ich aber war schneller, holte ihn ein und haute ihm eine runter, dann überquerte ich den Vorplatz und ging ins Haus. Kaum war ich in der Küche, packte mich Lea von hinten und drosch auf mich ein. Ich drehte mich um, fasste mit beiden Händen in ihre Haare und wenn Mutter nicht dazwischen gekommen wäre, hätte ich ihr Büschelweise Haare ausgerissen. Von nun an musste ich immer ins Haus, wenn sie nach Hause kam. Ich habe nie wieder ein Wort mit dieser Frau gesprochen.

Ich besuchte inzwischen die Sekundarschule, aber ich hatte auch dort Schwierigkeiten. Ich war nicht dumm, obwohl ich immer etwas anderes zu hören bekam, nur dieses verflixte Französisch machte mir zu schaffen. Ich lernte zwar zu Hause viel, aber in der Schule war dann einfach alles wieder weg. Die Lehrerin war eine ältliche Jungfer, die gerne einen Mann gehabt hätte. Sie lief ständig zum Gaudi der Schüler den jungen Lehrern nach. Ein Junge, der schon fast ein Mann war und ich, die ich auch schon fast eine junge Frau war, schikanierte sie wo sie nur konnte. Ich war sonst in allen Fächern gut, aber sie fand bei den Prüfungsarbeiten immer etwas um mir auf die Noten zu drücken. Bei den Aufsätzen sagte sie, meine Mutter hätte sie geschrieben und gab mir die schlechteste Note. Beim Rechnen behauptete sie ich hätte dem Mädchen hinter mir die Lösungen zu gespielt und wieder bekam ich, obwohl Fehlerfrei, die schlechteste Note. So ging es immer weiter.  Sie drückte mir auf die Noten, wo sie nur konnte.  Ich wusste, mit diesem Notendurchschnitt blieb ich sitzen. Ich klopfte dann beim Lehrer meiner alten Klasse an die Türe und sagte zu ihm, ich möchte wieder zu ihnen in die Klasse kommen. Er lächelte, denn ich glaube er verstand mich. So warf sie den Jungen und mich hinaus. Wir waren noch nicht lange beim andern Lehrer, da nahm er mich zur Seite und sagte, du gehörst nicht in meine Klasse, du bist viel zu intelligent. Aber von nun an ging ich wieder gerne zur Schule.

Zu Hause spitzte sich die Lage zu und wir hatten nur noch Streit. Ständig sagte nun meine Pflegemutter, du sagst, oder machst das nur, weil ich nicht deine richtige Mutter bin. Das stimmte zwar nicht, wir waren nur zu Grundverschieden. Als ich es dann satt hatte, sagte ich einfach einmal ja, genau.

Ich wurde nun manchmal richtig zornig, schrie herum und warf mit Gegenständen. Meine Pflegeltern waren hilflos. Nie erhoben sie die Hand gegen mich. Meine Pflegemutter schaute mich dann nur mit ihrem Hundeblick an. Ich wurde auch immer frecher. Ich suchte meine Grenzen, aber es gab keine. Ich erwartete immer eine Ohrfeige, oder sonst eine Bestrafung. Da sie mir keinen Einhalt geboten, fing ich an sie zu verachten. Nachts lag ich dann lange wach und dabei hatte ich immer die gleichen schlimmen Gedanken. Wo kam ich her, wer waren meine Eltern. Ich bereute auch meine Ausbrüche und betete, lieber Gott hilf mir, dass ich nicht mehr so böse gegen mein Pflegeeltern bin, denn ich kann ja froh sein, dass sie mich aufnahmen und mir ein Heim gaben. Aber es half alles nichts, ich flippte wieder aus. Ich wusste selber nicht warum und was mit mir geschah. Es war einfach stärker als ich. Gerne hätte ich jemandem meine Nöte anvertraut, aber ich hatte ja niemand und ich durfte ja auch nicht darüber reden.

Wenn Mama für ein paar Tage zu uns kam, sass sie immer bei der Pflegemutter in der Küche, wenn diese kochte. Die Zwei schimpften dann über Griti, was sie wieder gemacht oder auch nicht gemacht hatte. Ich bekam alles mit und in meinen Augen war Griti eine ganz, ganz schlechte Frau. Sie log, stahl und trieb es mit Männern. Inzwischen war sie aber verheiratet, hatte drei Kinder und schaute jeden Tag nach Mama und machte ihr Besorgungen. Mama hatte ein offenes Bein und war froh über ihre Hilfe. Ihre zwei eigenen Söhne und die Tochter kümmerten sich ja nie um sie.  

Als ich aus der Schule kam, absolvierte ich ein Haushaltlehrjahr in Aarau. Die Familie war sehr nett. Ich schlief zu Hause und am Sonntag hatte ich frei. Zuerst musste ich lernen mit Messer und Gabel zu essen, denn zu Hause gab es keine Tischmanieren. Vater ass wie ein, na ja. Auch wieder ein Streitpunkt, der dazu führte, dass ich alleine in der Stube ass. Ich schloss mit einer guten Prüfung ab und wollte nun eine Lehre beginnen. Aber immer hiess es, das kannst du nicht lernen, du kannst kein Französisch. Dann entschloss ich mich für ein Welschlandjahr. Pflegeeltern waren froh, war ich doch wieder für ein Jahr vom Tisch. Ich kam dann zu einem alten Ehepaar, das einen Gemischtwaren Laden führte. Dort musste ich nur putzen und im Keller Kaffee, Zucker und Mehl abfüllen. Der Mann redete nur Deutsch mit mir und so lernte ich kein Wort Französisch.  Der versprochene Familienanschluss blieb aus und ich sass jeden Abend und an den Sonntagen allein in meinem spärlich eingerichteten Zimmer. Heimweh kannte ich bis anhin nicht, aber nun wusste ich wie schlimm es sein konnte. Dazu kam noch der Hunger, denn es kam sehr wenig auf den Tisch und das meiste bekam der Hausherr.  Zigaretten waren dann meine letzte Rettung. In meiner Not rief ich dann Griti in Biel an, denn trotz der schlechten Meinung die ich von ihr hatte, konnte ich mit ihr reden. Sie packte die Chance und lud mich für das nächste Wochenende zu sich ein. Ich könne bei Mama schlafen. Froh nicht wieder allein im Zimmer zu sitzen, nahm ich die Einladung  an. Als ich dann aber zu Mama wollte, liessen sie mich nicht gehen und ich musste bei ihnen im Ehebett schlafen. Obwohl sie mich in Ruhe liessen, konnte ich kein Auge zu tun. Als ich dann Mama fragte, warum ich nicht bei ihr schlafen durfte, wusste sie von nichts. Natürlich vernahm es meine Pflegemutter und verbot mir jeglichen Kontakt mit Griti. Diese gab jedoch nicht so schnell auf und lud mich wieder ein. Diesmal aber für einen Einkaufsbummel in Biel. Da konnte ich nicht nein sagen, denn ich wollte mir eine lange Hose, die gerade in Mode kamen, kaufen. So fuhr ich an meinem freien Nachmittag voller Vorfreude nach Biel. Griti holte mich beim Bahnhof ab und dann besuchten wir ein Kaufhaus nach dem andern. Leider fand ich keine Hosen, denn meine Beine waren einfach zu lang. Immer wieder hörte ich von Griti, du hast die gleichen langen Beine wie ich. Mich wunderte es, aber ich ging nicht weiter darauf ein. Nun brauchten wir eine Pause und suchten ein Selbstbedienungs  Restaurant in einem der Kaufhäuser auf. Diese waren gerade in Mode gekommen, hatten aber erstmal nur Stehtische. Griti holte uns etwas zu trinken, stellte es vor mich hin und sagte, ich bin deine Mutter. Ich wusste nicht wie mir geschah. Was sie noch sagte weiss ich nicht mehr und wie ich auch wieder nach Malleray kam war mir ein Rätsel. Die nächsten Tage lief ich wie in Trance herum. Der Schock sass tief. Ausgerechnet diese schlechte Frau war meine Mutter, darum war ich auch so schlecht. Ich wollte nun nur noch nach Hause zu meinen  Pflegeeltern.  Ich rief meine Pflegemutter an, dass ich am Samstag kommen würde. In Biel hatte ich lange keinen Anschluss und so besuchte ich den Bruder meiner Pflegemutter, der mit seiner Familie am Bahnhofplatz wohnte. Als es Zeit war begleitete mich meine Cousine zum Zug. Dieser fuhr jedoch ohne mich ab. Warum ich nicht einstieg war mir ein Rätsel. Wieder zurück zur Tante, liess diese mich nicht mehr gehen. Sie richtete mir in der Stube das Sofa und als ich im Bett lag, setzte sie sich zu mir und fragte mich nach meinem Befinden. Ich sagte es gehe mir gut, konnte sie aber nicht anschauen, denn ich war den Tränen nah. Meine Pflegemutter holte mich am Bahnhof ab. Sie wusste Bescheid, denn die Tante hatte sie angerufen und ihr gesagt, dass ich es nun wüsste. Ihre Begrüssung war recht kühl und ich sehnte mich doch so sehr nach einer tröstenden Umarmung. Aber es kam noch schlimmer. Kaum hatten wir den Bahnhof hinter uns gelassen fing sie an auf mich ein zu reden. Jetzt will sie dich wieder, jetzt da du Geld verdienst und vorher hat sie sich nicht um dich gekümmert. Ich dachte, wenn sie doch nur aufhören würde. Als wir an der Kirche vorbei kamen sah ich zum Glockenturm hinauf in der Hoffnung, meine Tränen würden dann nicht die Wangen runter kullern. Die Pflegemutter merkte aber nicht, wie schlecht es mir ging. Am Abend brachte sie mich wieder zur Bahn. Nun wusste ich was ich zu tun hatte. Ich musste meine Stelle kündigen und so schnell wie möglich Geld verdienen, damit ich diesen armen Leuten alles wieder retour zahlen konnte. Ich fand nämlich einmal im Stubenbuffet ein Heft in dem alle Kosten die ich verursacht hatte aufgeschrieben waren und im Estrich stand ein riesiger Stapel leerer Muttermilchersatz Büchsen. Meine Pflegemutter wies mich nicht nur einmal darauf hin, dass die alle für mich gewesen wären. Ich konnte also keine Lehre machen. Ich fand dann eine Stelle in einem Büro als Hilfskraft. Jeden Samstag waren meine Cousinen und ich auf irgendeiner Tanzfläche anzutreffen, denn ich tanzte fürs Leben gern. Einen Freund wollte ich jedoch keinen, denn ich hatte Angst vor den Männern. Ich wollte nicht, dass mir dasselbe wie Mutter und Grossmutter passierte, den Aufgeklärt war ich nicht. Ich wusste nur, was so unter uns Mädchen geredet wurde.  Zwar war ich einmal bis über beide Ohren verliebt, aber der Kerl wollte nichts von mir wissen. So bildete ich mir ein, dass ich mit so einer Mutter sowieso nie einen Mann finden würde. Inzwischen war ich eine jungen Frau geworden und glich immer mehr meiner leiblichen Mutter. Ich hasste mich deswegen, brachte es mir doch nur wieder Aerger ein. Meinen beiden Tanten, die bisher immer nett zu mir waren, konnte ich nun nichts mehr recht machen. Sie standen mir nun feindselig gegenüber. Griti konnte es gut mit ihren Männern und diese mochten sie auch. Da ich nun aber so wie sie aussah, bangten sie wieder um ihre Männer.  Ich wusste aber damals noch nicht, dass Griti meine leibliche Mutter war und konnte ihre Reaktionen nicht verstehen.

Dann lernte ich Erich meinen Mann kennen. Er imponierte mir, weil er nicht immer nach meiner Geige tanzte und sich getraute mir zu widersprechen. Ich vertraute ihm, denn er war elf Jahre älter als ich und somit reifer als die gleichaltrigen Jungs. Dass er immer meine Pflegeeltern verteidigte, wenn ich Ärger mit ihnen hatte, steckte ich einfach weg. Ich wusste, dass ich nur von meinen Pflegeeltern wegkam, wenn ich heiratete. Die Situation zu Hause spitzte sich immer mehr zu und manchmal hielt ich es fast nicht mehr aus. Am Anfang unserer Beziehung beichtete ich Erich von meiner leiblichen Mutter. Das kostete mich grosse Ueberwindung, denn ich hatte grosse Angst, dass er nun nichts mehr von mir wissen wollte, aber er lachte nur und sagte, das wüsste er längst. Als ich dann meinen 20. Geburtstag hinter mir hatte und es zu Hause wieder mal ganz besonders schlimm war, stellte ich Erich vor die Wahl, entweder wir heiraten oder ich laufe davon, ich halte das nicht mehr länger aus. Da er von seinem Lohn als Coiffeur keine Familie ernähren konnte, nahm ich die Sache in die Hand und suchte uns einen Coiffeursalon. Es dauerte nicht lange und wir hatten zwei Angebote. Da wir kein Auto besassen fuhren wir an einem Sonntag mit der Eisenbahn von einem Salon zum andern um sie zu besichtigen. Voller Eindrücke kamen wir zu Hause an und wollten den Pflegeeltern von unseren Erlebnisse erzählen. Diese wollten jedoch nichts wissen, sondern lieber Fernseh schauen. Von nun an sassen wir immer in meinem Zimmer um unsere Pläne zu besprechen. Wir entschieden uns für den Salon im Toggenburg. Ein alter Salon mit einer schäbigen Einrichtung integriert in einer Altwohnung, die schon lange keinen Farbanstrich mehr erhalten hatte. Der Zins war annehmbar und wir waren nur glücklich etwas Eigenes zu haben. Dann ging alles sehr schnell. Wir kündigten unsere Stellungen auf zwei Monate, suchten Möbel aus und organisierten die Hochzeit. Am Tag vor der Hochzeit zügelten wir, denn Erich musste bis dahin arbeiten. Am Samstag war dann die Hochzeit und am Sonntag fuhren wir voll bepackt mit Blumen und Geschenken mit der Bahn ins Toggenburg. Dort erwartete uns eine böse Ueberraschung denn die Wohnung war eiskalt. Das Feuer war im Ofen erstickt.

Meterhoch lag der Schnee um das Haus und auf dem Flachdach. Wir wussten noch nicht, was unter dem Schnee alles verborgen war. Nun kämpften wir erst mal um Kunden, denn unserer Vorgängerin hatte keine Existenz und musste deshalb aufhören. Für mich begann nun ein neuer Lebensabschnitt. Während Erich der Chef war, ging ich ihm zur Hand. Ich lernte schnell und war bei den Kunden beliebt. Nun zeigten sich aber sehr schnell die Mängel dieser Altwohnung. Als das Tauwetter einsetzte, tropfte das Wasser im Schlafzimmer von der Decke und wir mussten sämtliche zur Verfügung stehende Gefässe aufstellen. Nun tropfte es im dreivierteltackt und an schlafen war nicht mehr zu denken.  Erich steckte dann Stecknadeln in die undichten Stellen und befestigte einen Faden daran, der bis in die Eimer reichte. (Wir hatten das in einem Bond Film gesehen und fanden es trotz allem noch lustig). Die Eisblumen an den Vorfenstern waren verschwunden und auch dort lief das Wasser herunter. Als ich mich bei einem der Hausbesitzer beschwerte (das Haus gehörte zwei Brüdern, aber der eine ein Fabrikant wollte nichts mit uns zu tun haben), hiess es, wir müssten halt das Dach vom Schnee befreien.

Wir heizten die ganze Wohnung von der Küche aus mit Kohlen und im Salon war ein Kachelofen. Die Heizung musste auch erneuert werden und man versprach uns eine Gasheizung, aber nichts geschah. Das erste Jahr ging vorbei und unser Geschäft lief inzwischen sehr gut. Wieder fiel haufenweise Schnee. Ich erwartete nun unser erstes Kind und mir war ständig übel. Da ich auch zu wenig Blut hatte, überfiel mich auch immer wieder der Schwindel. Ich weigerte mich nun auf das Dach zu steigen um den Schnee über das Geländer zu werfen, und so mussten sie einen Dachdecker beauftragen. Es wurde Herbst, ohne dass wir die versprochene Heizung erhielten. Mein Termin rückte näher und näher.  Dann mussten wir plötzlich die Stube räumen und konnten nur noch die Küche und das Schlafzimmer benutzen. Am Montag sollte nun endlich die Heizung installiert werden. Durch das herum tragen der Möbel setzten bei mir die Wehen ein. Anstatt bei mir zu bleiben, ging Erich ins Rest. jassen. Als er dann um Mitternacht nach Hause kam, hatte ich schon in kurzen Abständen Wehen. Er aber ging ins Bett und schimpfte, was ich denn machen würde wenn es richtig los gehe, wenn ich mich jetzt schon so wehleidig anstelle, ich solle gefälligst ins Bett kommen. Als ich mich hinlegen wollte, wurde mir schlecht und dann brach mir das Wasser.  Nun stand er aber eilig auf, rief ein Taxi und fuhr mit mir ins Krankenhaus. Kaum angekommen, war unser Sohn auch schon auf der Welt. Während ich im Krankenhaus lag, waren die Handwerker fleissig am Werk und als ich nach Hause kam, war die Wohnung schön warm. Es war mir aber keine Ruhe vergönnt, denn nun hiess es wieder Möbel herumtragen und im Geschäft mithelfen. Im Nov. Konnte ich mich dann auf eine Woche Ruhe freuen, denn wir fuhren zu meinen Pflegeeltern in den Rombach. Da diese aber auch nur die Stube beheizen konnten, holte sich Erich eine Erkältung. Wir schliefen alle in meinem alten Zimmer und so war es unvermeidlich, dass auch unser Kleiner einen Schnupfen bekam.

Nach zwei Jahren wollte ich nun endlich wieder mal ein neues Kleid. Erich gab mir Geld und erbot sich bei Thomas zu bleiben. Meine Pflegemutter wollte aber unbedingt mit mir kommen. Als wir an der Bushaltestelle warteten, kam die Freundin meiner Pflegemutter und fing an mich zu beschimpfen. Sie drohte mir Thomas weg zu nehmen, wenn ich nicht besser auf ihn aufpassen würde. Ich brachte kein Wort heraus und war froh, dass nun endlich der Bus kam. Im Kleidergeschäft drängte sich meine Pflegemutter vor und bevor ich der Verkäuferin meinen Wunsch vorbringen konnte, rief sie, sie muss ein Kleid haben. Die Verkäuferin schaute mich nur lange so komisch an, brachte mir dann aber drei Kleider in die Kabine. Alle drei passten, aber mir gefiel natürlich das Teuerste und zum Missfallen meiner Pflegemutter, die natürlich auch in der Kabine war, kaufte ich es. Anstatt eines gemütlichen Nachmittags, endete er in einem Frusttag. Zu Hause angekommen erzählte ich Erich alles und so packten wir zusammen und brachen die Ferien ab. Wieder wollte mir die Pflegemutter den Kleinen wegnehmen. Kaum zu Hause angekommen, ging es diesem aber wieder viel besser.

Durch die neue Heizung tropfte es im darauffolgenden Winter sogar bis in den Hauseingang und im Kinderzimmer lief das Wasser die Wände runter. Inzwischen hatte ich längst bemerkt, dass sich Erich immer drückte, wenn es etwas zu beanstanden gab. So drohte ich den Hausmeistern mit der Polizei, wenn sie nichts unternehmen würden, Das wirkte und im Frühling wurde das Flachdach endlich erneuert.  Nach und nach stieg dann die Waschmaschine, der Kochherd und auch der Kühlschrank aus. Wieder war ich es, die mit den Hausmeistern verhandeln musste. Die Geräte waren sicher bald 40 Jahre alt und die Waschmaschine stand manchmal bis zu einem Meter hoch im Wasser, weil der Ablauf zu hoch angelegt war. Trotz allem Ärger gefiel es uns in dieser Wohnung und zwei Jahre nach Thomas bekamen wir noch die Zwillinge Markus und Monika. Nachdem unser Vertrag abgelaufen war, wollte ich nicht mehr in diesem veralteten Salon arbeiten.  Zuerst musste ich aber Erich davon überzeugen, denn er scheute wieder die Verhandlung mit den Hausmeistern. Nach vielen Hürden waren sie damit einverstanden und wir einigten uns, dass sie den Raum renovieren und wir die Möbel übernehmen würden. Ich bestellte alle Handwerker, damit sie mit dem Architekten alles vor Ort besprechen konnten.  Als ich nach dem letzten Telefonat den Hörer auflegte, lachte mich Erich aus und meinte, bilde dir ja nicht ein, dass da einer kommt.  Aber es klappte prima und ich war stolz. Endlich hatte ich auch mal etwas auf die Reihe gekriegt. Da ich seit einiger Zeit gesundheitliche Probleme hatte, war ich im Krankenhaus für die Entfernung der Mandeln und anschliessend einer Auskratzung angemeldet. Wir brachten unsere drei Kindern zu meinen Pflegeeltern. Anschliessend fuhren wir wieder nach Hause und ich räumten den Salon aus. Am andern Tag fuhr ich mit der Bahn nach St. Gallen ins Krankenhaus. Der Trakt in dem ich untergebracht wurde war noch sehr alt und im Zimmer standen 6 Betten.  Nach der OP verschwand meine Bettnachbarin und setzte sich mit zwei Männern in die Sitzgruppe an Ende des Flurs. Sie forderte mich zwar auf mit zu kommen, ich getraute mich jedoch nicht. Wenn ich die Toilette aufsuchte, musste ich an ihnen vorbei und als mich beim zweiten Mal einer der Männer fragte, warum ich mich denn nicht zu ihnen setzte, dachte ich ja warum eigentlich nicht. Sofort verwickelte er mich in ein Gespräch und wollte wissen, wieviel Kinder ich hätte. Als ich sagte drei, meinte er, haben sie einmal nicht aufgepasst. Nun war der Bann gebrochen. Er war ein richtiger Clown und wir lachten viel. Nach dem Abendessen trafen wir uns wieder und als die Nachtschwester ihren Dienst antrat, nahm sie ihre Strickarbeit und besuchte ihre Kollegin im oberen Stockwerk. Erst als sie um 12 Uhr wieder runterkam und uns im Spass ausschimpfte, wenn Mutter nicht da ist gehen die Kinder nicht ins Bett, legten wir uns schlafen. Ungern wechselte ich nach drei Tagen in ein anderes Haus. Wieder einmal kam ich vom Krankenhaus nach Hause und musste Möbel schleppen und das Haus putzen, denn wir hatten zusätzlich im ganzen Haus neue Fenster erhalten. Es schien, als hätten sie mir im Krankenhaus nicht nur die Mandeln rausgenommen. Ich war plötzlich erwachsen geworden und sah nun meinen Mann mit andern Augen. Aber ich hatte den Schock meiner Herkunft noch immer nicht überwunden. Denn ich hatte ja niemand mit dem ich reden konnte. Erich wollte von diesem Gejammer nichts hören. Auch vermisste ich seine Zärtlichkeit. Wenn es mir nicht gut ging, hätte ich mir einfach eine kleine tröstende Umarmung von ihm gewünscht. Ich versuchte es ihm zu erklären, aber er wollte nichts wissen. Bei ihm gab es nur eine Umarmung, wenn er Sex wollte. Als es mir einmal wieder schlecht ging, bemerkte es ein Handwerker und legte mir tröstend die Hand auf die Schulter. Da bekam ich es mit der Angst, denn ich merkte wie Empfänglich ich war. Ich hatte ja eine schlechte Mutter und ich wollte nicht so sein wie sie, aber mein Blut war verdorben. Ich ging von nun an jedem Kontakt mit Männern aus dem Weg, denn ich wusste wie schwach ich war. Mein neuer Hausarzt sah mich an und meinte, sie haben ganz andere Probleme ich sehe es ihnen an der Nasenspitze an. Er bot mir an mit mir zu reden, was ich dann auch gerne tat. Nun konnte ich mir endlich alles von der Seele reden.  Er konnte mir mein schlechtes Gewissen, das mich nach jedem Besuch meiner Pflegeltern plagte, nehmen.  Meine Pflegemutter verstand es immer wieder mich mit ihren Hundeblicken strafend an zu schauen, auch bezichtigte sie mich eine schlechte Ehefrau zu sein, nur weil Erich seine Kleider selbst aussuchte und wenn ich keine Zeit hatte auch selbst einen Kaffee machte. Nach diesen Gesprächen ging es mir bedeutend besser. Ich wusste nun wie ich mich zu verhalten hatte. Dann erkrankte mein Pflegevater an Krebs. Meine Pflegemutter liess niemand zu ihm, auch ich durfte ihn nicht besuchen. Wenn ich sie fragte, wie es ihm gehe, gab sie mir keine Auskunft.  Ich rief dann seinen behandelnden Arzt an und dieser riet mir ihn schnell zu besuchen, denn es gehe ihm sehr schlecht, er werde wohl nicht mehr lange leben.  Trotz des Verbotes meiner Pflegemutter besuchten wir ihn im Krankenhaus. Ich wollte, dass er seine Grosskinder nochmals sah, denn er hatte immer grosse Freude an ihnen. Eine Woche später schlief er für immer ein. An der Beerdigung schimpfte die Pflegemutter, ich hätte ihn besser früher besucht und nicht erst jetzt an seiner Beerdigung. Ich dankte im Stillen meinem Arzt, denn sie konnte mir nun nicht mehr ein schlechtes Gewissen einreden. Wenn sie uns nun besuchte, sass sie in meiner Küche wenn ich kochte und wie damals als uns Mama besuchte, beschimpfte sie meine leibliche Mutter. Obwohl ich für meine Mutter nie warme Gefühle aufbrachte, konnte ich ihr, seit ich selber Kinder hatte, nachfühlen was es hiess ein Kind weg zu geben. Als nun meine Pflegemutter wieder mal los schimpfte, war es plötzlich zu viel für mich. Gestärkt durch meinen Arzt sagte ich ihr nun meine Meinung. Es täte mir weh, wenn sie immer über meine Mutter herzöge, denn ich hätte ja ihr Blut. Auch wäre sie und ihre beiden Brüder um kein Haar besser. Alle hätten heiraten müssen. Sie und ihre Schwägerinnen hätten Glück gehabt, dass ihre Männer sie geheiratet hätten, während meine Mutter das Pech hatte an einen verheirateten Mann geraten zu sein. Darauf besuchte sie uns ein Jahr lang nicht mehr. Als sie wieder erschien, jammerte sie, sie hätte wegen mir einen Nervenzusammenbruch erlitten. Ich lachte sie dann aus und entgegnete, nachdem ich alles von euch zu anhören bekam, hätte ich mehrere Zusammenbrüche haben können. Kurze Zeit später rief mich meine Mutter an und erzähle mir Freudenstrahlend, dass meine Pflegemutter sie besucht hätte. Von nun an hatte ich Ruhe. Aber in all den Jahren passierte immer wieder etwas, dass meine Gefühle zu meiner Pflegemutter absterben liessen.

Inzwischen hatte einer der Brüder das Haus übernommen. Wieder lief unser Vertrag aus und bevor wir einen neuen abschliessen konnten verstarben die Besitzer innert einer Woche. Die Erben drei Töchter wollten uns nicht mehr unter Vertrag nehmen. Da unsere Kinder jedoch alle in die Ausbildung kamen, brauchten wir eine Sicherheit.  Wieder war ich es, die vorgeschickt wurde. Sie versprachen dann mit uns zu reden, aber als es soweit war, wollten sie wieder nichts wissen. Ich setzte mich nochmals mit einer der Töchter in Verbindung. Sie war dann sehr freundlich, lud uns in ihre Ferienwohnung ein, stellte uns Wein auf und erzählte, dass der Willensvollstrecker ihres Vaters keinen Vertrag mit uns machen wolle, sie aber nochmals mit ihm reden würde. Ich fragte sie dann nach dem Namen des Anwalts, den sie mir auch bereitwillig mitteilte. Wir hatten unseren Hauseingang auf der anderen Seite des Hauses und als wir um die Ecke bogen schimpfte mein Mann los, das wären doch nette Leute und sie würde ja jetzt mit dem Anwalt reden. Ich sah das aber ganz anders, ich war ja auch nicht in Alkohollaune. Am andern Tag rief ich den Anwalt an und erfuhr, dass er Dement war und die Akten einem andern Anwalt abgeben habe. Die Sekretärin gab mir dessen Tel. Nr. Der Anwalt war erstaunt und fragte mich, was ich denn wolle und wer ich überhaupt sei.  Dann stellte sich heraus, dass er von dem Haus im Toggenburg und dessen Mietern nichts wusste. Er verstand aber unsere Lage und diktierte mir einen Brief, den ich dann an alle drei Schwestern und auch an ihn versandte. Nun erhielten wir wieder einen Vertag über 5 Jahre. Aber leider wurden wir nicht in Ruhe gelassen. Nach zwei Jahren wurden uns Geschäft und Wohnung gekündigt.  Sie konnten uns aber nicht rausschmeissen, denn der Vertrag galt auch für alle. Das Haus gehörte nun nur noch einer der Töchter, einer Frau Löhrer. Sie liess keine Gelegenheit aus im Dorf zu erzählen, dass sie uns gekündigt hätte. Wir brachten aber noch drei Jahre unser Einkommen und doch verliessen uns Kundinnen.  Beim Einkaufen und auch im Geschäft vielen immer wieder Bemerkungen. Mit der Zeit wurde es aber ruhiger, denn die Leute glaubten es wäre alles nur an ein Gerücht. Für Frau Löhrer wurde es zu ruhig und so rief sie unseren Sohn Thomas an seiner Lehrstelle an und wollte ihn aushorchen. Er stellte sich aber gottlob Unwissend. Es waren harte fünf Jahre mit immer neuen Schikanierereien Seitens Frau Löhrer. Wieder durfte ich mit niemandem darüber reden und Erich hüllte sich auch in Schweigen.  Wie immer wenn es Probleme gab, steckte er den Kopf in den Sand. Es lag wieder an mir eine neue Bleibe zu suchen. Alle Geschäfte waren aber nur kurzfristig zu mieten und so mussten wir uns noch fast drei Jahre lang gedulden. Ich schlief nicht mehr und wurde immer trauriger. Ich wollte nicht weg und unsere lieben Kundinnen im Stich lassen, denn sie waren mir ans Herz gewachsen. Sie vertrauten mir immer all ihre Sorgen an und ich kannte all ihre Familiengeschichten. Sie holten bei mir Ratschläge und ich auch bei ihnen. Wir hatten aber auch ganz lustige Stunden mit einander in denen wir viel lachten und scherzten. Erich war der Zuhörer und ich die Plaudertasche. Aber wehe wenn ich etwas sagte, das ihm nicht passte, dann schimpfte er Abends mit mir. Endlich fanden wir im Rheintal ein altes Geschäftshaus. Die Söhne waren inzwischen ausgezogen und die Tochter mussten wir im Toggenburg zurücklassen. Sie war noch in der Ausbildung. Es war höchste Zeit, denn Erich hatte die ganze Sache krank gemacht.

Eigentlich waren wir schon zu alt für einen Neuanfang und im Rheintal ist es sehr schwer Fuss zu fassen. Die Leute gingen uns aus dem Weg und die die uns gut gesinnt waren, wollten ja nicht mit uns gesehen werden. Schon bald stand fest, dass ich mir eine Arbeit suchen musste. Nun kam dieser Frust wieder hoch, weil ich keine Lehre machen konnte. Ich landete in der Fabrik und musste Schichtarbeit leisten. Als einzige Schweizerin hatte ich es am Anfang nicht leicht. Aber ich fing auch dort an zu kämpfen. Schon meine erste Abrechnung stimmte nicht. Es stellte sich heraus, dass auch bei den andern Mitarbeiter/innen immer ein wenig Zeit abgezogen wurde, sie aber nie reklamierten. Ich aber stand schon nach der ersten Abrechnung im Büro und verlangte eine Erklärung. Von nun an stimmte alles und meine Achtung stieg bei den andern. Nach anfänglichen Schwierigkeiten war ich bald die schnellste Arbeiterin und wurde nun auch von der Schichtleiterin geschätzt. Es war die Hölle für mich stundenlang zwischen diesen Maschinen zu sitzen und Autoteile zu putzen, aber ich machte das Beste daraus und nahm es mit Humor und so arbeitete bald alle gerne mit mir zusammen. Der Stundenlohn war sehr klein und ich arbeitete auch am Samstag um etwas mehr zu verdienen. Am Sonntag lag ich meistens krank im Bett, weil mir der Schichtwechsel zu schaffen machte. Nach neun Monaten fand ich dann endlich Arbeit in einem Büro. Ich war die Sekretärin des Disponenten und teilte mit ihm das Büro. Beim Vorstellungsgespräch wurde ich gefragt, ob ich die grobe Art der Rheintaler ertragen könne. Ich wusste nicht genau, was damit gemeint war, sollte es aber bald erfahren. Mein Chef hatte eine Freundin im Betrieb und tel. jeden Morgen mit ihr. Wenn ich dann zur Arbeit kam fühlte er sich gestört. Er war dann sehr grob zu mir. Ich war noch in der Probezeit und wollte die Stelle nicht verlieren, also verhielt ich mich ruhig. Er aber tel. fortan im Büro seines Freundes. Nun musste ich ihm etwas Dringendes ausrichten und fand ihn wieder am Tel. Als ich eintrat explodierte er, aber ich hielt mich auch nicht mehr zurück und so entstand ein nicht gerade leiser Dialog. Eigentlich konnte er ein ganz netter Kerl sein. Durch seine Frau, mit der ich Kontakt hatte, erfuhr ich, dass er als einziger Junge unter vier Schwestern eine nicht gerade leichte Kindheit hatte. Er war nur ein lieber Knabe, wenn er arbeitete. Sein Vater war recht böse und seine Mutter getraute sich nicht zu wehren. Ich führte dann einmal ein sehr ernstes Gespräch mit ihm und sprach ihn auf seine Kindheit an. Seine Chauffeure liefen ihm auch ständig davon, weil er nur mit ihnen nur schimpfte. Ich riet ihm diese auch einmal zu loben, wenn sie etwas Gutes gemacht hätten, dann würden sie sich auch mehr Mühe geben und siehe da, er hörte auf mich. Als dann die Wirtschaftskrise kam und die Aufträge immer mehr ausblieben, wurden etliche Angestellte entlassen. Leider gehörte ich auch dazu und obwohl sich mein Chef sehr für mich einsetzte, konnte er nichts erreichen und so musste auch ich gehen. Erich getraute ich eine ganze Woche lang nichts von meiner Kündigung zu erzählen, denn ich hatte Angst vor seiner Reaktion. Diese blieb dann auch nicht aus. Ich hatte ihm damals von meinem Streit mit dem Chef erzählt und so gab der mir die Schuld, weil ich mich gewehrt hatte. Ich hätte mir eine paar tröstende Worte und eine kleine Umarmung gewünscht, aber wieder vergeblich. Nun war es recht schwer wieder Arbeit zu finden. Vom Arbeitsamt aus, musste ich jede noch so schlecht bezahlte Arbeit annehmen. Meistens waren diese Stellen nur vorüber gehend. Das Arbeitsamt befand sich im Gemeindehaus. Im Gang standen eine Reihe Stühle mit wartenden Arbeitslosen. Manchmal musste man sehr lange warten, bis man an der Reihe war. Wenn ich dann endlich wieder nach Hause kam wurde ich wieder ausgeschimpft, weil ich so lange weg war. Ich viel immer tiefer in Depressionen. Eine Kundin merkte meine Not und holte mich von Erich weg, denn dieser liess mich nicht mehr aus dem Haus. Ich sass immer den ganzen Tag in der Wohnung, nicht fähig einer Arbeit nach zu gehen. Am Abend wunderte ich mich, dass ich noch lebte. Ich bekam es mit der Angst und flehte Erich auf Knien an, mir doch zu helfen. Er sagte nur das kann ich nicht und las ruhig weiter in seinem Buch, während ich neben ihm lag und weinte. Wenn er nur die Hand ein wenig auf meine Schulter gelegt hätte, wäre das tröstend gewesen, aber nichts geschah. Nie fragte er, wie es mir gehe, oder was mich so traurig machte. Dann erfuhr ich, dass mein ehemaliger Hausarzt in St. Gallen als Physiater praktizierte. Ich fasste mir ein Herz und suchte ihn auf. Er kannte ja mich und meine Familie schon von früher.  Er stellte mich dann vor die Wahl. Entweder sie gehen von diesem Mann weg, oder sie bleiben und gehen zu Grunde. Oder aber, sie bleiben und hören nun endlich auf ihr Gefühl und machen was ihnen guttut und nicht was andere von ihnen verlangen.  Für mich kam aber eine Scheidung nicht in Frage, denn ich liebte meinen Mann noch immer, wenn nun auch auf eine andere Weise. Für mich war er eher wie ein Vater, denn seit die Kinder aus dem Haus waren, war ich sein Kind. Er war ein treusorgender Vater, trank nicht und schlug uns auch nicht. Nein diesen Mann konnte ich nicht im Stich lassen. Ich blieb also bei ihm und versuchte so gut es ging meinen Bedürfnissen gerecht zu werden. Als er anfing auch im Bett an mir herum zur nörgeln zog ich kurzerhand ins Gästezimmer. Nun fragte ich nicht mehr, darf ich laufen gehen, sondern sagte nur, ich gehe dann weg. Er der nie laut wurde, fing nun plötzlich an auszurufen und drohte mir sogar mit Schläge. Er war völlig hilflos, denn er merkte dass ich ihm immer mehr entglitt und bekam es mit der Angst. Die Gespräche mit dem Arzt öffneten mir die Augen. Er las mein Horoskop und konnte mir vieles aus meiner Kindheit klarlegen. So auch, dass ich mein ganzes Leben lang immer nur Theater gespielt hatte um zuerst meinen Pflegeeltern und danach meinem Mann zu gefallen. Er erklärte mir auch, wie ich mich zu Hause zu verhalten hatte um eine Veränderung zu bewirken. Ferner nahm er mir den Glauben ein schlechter Mensch zu sein, weil ich das Blut meiner Mutter hatte. Nach ein paar Sitzungen war ich ein anderer Mensch. Ich sah plötzlich was alles schief gelaufen war und fing an mich zu wehren. Es war ein harter Kampf, aber es lohnte sich. Ich stellte Erich zur Rede und Erklärte ihm, dass ich wohl bei ihm bleiben würde, aber meine Freiheit wolle.  Es blieb eigentlich alles beim Alten, aber ich ging und kam von nun an wann ich wollte ohne lange zu fragen darf ich. Als ich im Geschäft arbeitete fuhr er immer mit mir an Ausstellungen und half mir, wenn ich selber meine Bilder ausstellte. Nun wollte er aber plötzlich nichts mehr wissen und als ich fragte warum, meinte er, ich würde ihm ja auch nicht mehr im Geschäft helfen. Dabei arbeitete ich die ganze Woche lang und der Lohn kam auf ein gemeinsames Konto um davon die Rechnungen zu bezahlen. Ich hatte ein Sackgeld zur Verfügung für meine persönlichen Bedürfnisse. Im Zorn rief ich dann, ich würde nun lernen Auto zu fahren. Wenn ich etwas sagte, dann machte ich es auch und das wusste Erich. Eigentlich wollte ich ja gar nicht und tat sehr schwer damit. Erich fuhr dann viel mit mir herum und hatte eine Engelsgeduld, glaubte aber, ich müsste schon so gut fahren wie er. Nun fühlte ich mich endlich frei und es ging mir auch wieder viel besser. Ich hatte die Depression ohne Medikamente überstanden. Das Leben fing endlich für mich an. Ich leitete die Turnstunden des Frauenturnvereins, gründete mit ein paar Gleichgesinnten einen Flohmarkt, spielte im Freilichttheater mit und der Gemeindeammann holte mich in die Museumskommission. Erich hatte sich nun an die neue Situation gewöhnt und die Streitereien wurden immer seltener. Zwischendurch verfiel der aber immer wieder in das alte Muster und ich ärgerte mich dann über mich selber, weil ich immer wieder darauf  herein viel. Zweimal hatte ich eine Arbeitsstelle bei der mich mein Chef versuchte übers Ohr zu hauen. Aber ich war nun eine starke Frau geworden und liess mir nichts mehr gefallen. So brachte ich Beide vor Gericht und gewann. Die letzten zehn Jahre vor der Pension arbeitete ich in einem Kleidergeschäft. Wieder durfte ich etwas Neues lernen. Ich liebte den Kontakt mit den Kunden und die Kunden mochten mich auch. Ich arbeitete 50 - 60 Prozent. In der Freizeit zog es mich immer in den Wald. Meistens kam ich mit kleinen Schätzen der Natur nach Hause und an Weihnachten sass ich dann Stundenlang in unserer Werkstatt im Estrich und bastelte Adventsgestecke die ich zum Teil verschenkte. So konnte ich meine Batterien wieder aufladen. Ich war nun ganz zufrieden. Da ich nie so richtig Liebe erfahren durfte, vermisste ich sie auch nicht. Bei einem dieser Ausflüge in den Wald, traf ich einen Holzer. Mein Ehemaliger Chef war tödlich verunglückt und so schlug er für seine Witwe Brennholz. Wir wechselten ein paar belanglose Worte. Es stellte sich heraus, dass er der Cousin meines ehemaligen Chefs war. Ich hatte mit der Witwe, Ottilie ist ihr Name, immer schon guten Kontakt. Sie arbeitete auch und so holte ich ihren Hund und nahm ihn mit auf meine Streifzüge. Baldo liebte ich vom ersten Moment an und auch er bekam vor Freude kaum Luft, wenn er mich kommen sah. So traf ich Martin hin und wieder bei Ottilie, oder wenn er im Wad arbeitete. Er war mir von Anfang an sympathisch und ich ihm auch, was ich jedoch lange nicht bemerkte. Seine humorvolle und fröhliche Art sprach mich an. Später arbeiteten wir miteinander im Flohmarkt Rest. Hie und da fuhr er an unserem Haus vorbei und winkte mir fröhlich zu. Bald merkte ich, wie mir diesem kurzen Augenblicke guttaten. War mein Mann früher schon Wortkarg, hatte er jetzt kein nettes Wort mehr für mich. Wir halfen einander immer noch wenn es Nötig war. Er wollte ja schon immer, dass ich es gut hatte, was mir aber gut tat, das bestimmte er. So ging es immer weiter. Die Woche durch Arbeit und am Sonntag ein gemeinsamer Spaziergang, schweigend wie immer. Danach frönte ich meinen Hobbys. Ich redete mir ein, dass ich zufrieden bin und wollte eigentlich nicht viel mehr. Erst die kurzen Begegnungen mit Martin öffneten mir die Augen. Nach einem gemeinsamen Abendessen mit den Flomarktkolleg/innen lud er mich noch auf einen kleinen Absacker ein. So fuhren wir in den nächsten Ort in eine Kellerbar. Wir plauderten über dies und jenes und ich fühlte mich wohl in seiner Gesellschaft. Es war nicht die Wirkung des Alkohols, der mich trunken machte, denn ich trinke nie welchen. Auch am andern Tag hielten die Glücksgefühle immer noch an. Seit ich Erich kennen lernte, war ich nie mehr von einem Mann eingeladen worden. Er sagte einmal zu mir, schau dich nur an, du würdest nie wieder einen Mann finden. So schlimm konnte ich doch wirklich nicht aussehen, denn nun war es doch passiert und ich wurde eingeladen. Von nun an waren wir wie zwei Magnete. Immer öfters liefen wir uns zufällig über den Weg, aber wir wussten Beide, dass es eigentlich gar keine Zufälle waren. Wir schafften von Anfang an Klarheit. Er hatte drei Kinder und würde seine Familie nie verlassen und auch ich machte ihm klar, dass ich bei meinem Mann bleiben würde. Das war auch gut so, denn wenn wir frei gewesen wären, hätte er mehr gewollt. Ich aber hätte ein zusammen sein mit ihm für immer nicht vorstellen können. Wir hatten Beide unsere Eigenheiten und die hätten unweigerlich zu Reibereien geführt. So aber konnten wir uns auf ein Wiedersehen freuen. So eine schöne Freundschaft. Für mich war er der kleine Bruder, den ich nie hatte. Mit ihm konnte ich lachen, manchmal auch streiten und Blödsinn machen. Bei ihm konnte ich so sein wie ich war, ohne dass er an mir herumnörgelte. Inzwischen ging er bei uns ein und aus und gehörte fast zur Familie. Wir arbeiteten viel zusammen. Er auch auch sehr kreativ und so entstanden viele schöne Dinge. Wenn ich wieder auf meinen Streifzügen im Walde voller Ideen nach Hause kam, meinem Mann meine Pläne unterbreitete und um seine Hilfe bat, denn ich durfte seine Maschinen nicht benützen, winkte er ab und sagte, das geht nicht. Martin aber meinte nur, kein Problem, stand wenig später vor der Türe und half mir dabei. Seit ich Erich nicht mehr im Geschäft half, blieb auch seine Hilfe aus. Auch die Ausflüge an Ausstellungen, die er früher ohne weiteres mit mir unternahm, konnte ich vergessen.  Auch Erich genoss es, wenn Martin uns überall zur Seite stand und immer öfters sagte er, frag Martin ob er uns helfen will.  Wenn er bei grossen Arbeiten mithalf bezahlten wir ihn, denn ich wollte nicht, dass er sich ausgenutzt vorkam. Bei kleineren Hilfen, buck ich ihm einen Kuchen, denn seine Frau konnte weder kochen noch backen.  So setzten wir mit viel Spass auf zwei Seiten des Hauses einen neuen Buchenhaag, oder verlegten einen neuen Stubenboden. Erich half  zwar mit, war aber immer mürrisch, denn wir hatten bei der Arbeit viel Spass und lachten viel, was ihm nicht passte. Das kannte ich aber nur zu gut, denn als unser jüngerer Sohn noch keine Freundin hatte und er hie und da nach Hause kam, hatten wir immer riesigen Spass und machten Blödsinn. Dann kam er auch immer und schimpfte uns aus. Aber nicht nur der Spass und das Lachen brachte Martin wieder in mein Leben. Durch ihn verlor ich meine Selbst Zweifel und lernte an mich zu glauben. Er machte mir Komplimente und merkte sofort, wenn ich traurig war, oder mich etwas beschäftigte. Dann nahm er mich einfach kurz in die Arme und dann ging es mir wieder viel besser. Wir redeten oder schimpften nie über unsere Ehepartner, aber die Themen gingen uns nie aus. Was ich ganz lustig fand, wir tauschten auch Rezepte aus, denn er musste öfters kochen. Natürlich stritten wir auch, denn er war es gewohnt, dass er immer im Recht war. Dann sagte ich einfach tschau, ich habe zu Hause genug Aerger, ich brauche keine Streitereien. Wenn er dann so dastand, Schuldbewusst, den Kopf hängen lassend, hätte ich ihn am liebsten in den Arm genommen. Aber es ging nie lange, dann rief er an und fragte ganz lieb, kann ich dir etwas helfen. Ich denke, das ist Liebe, wenn man hilft, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Das war ganz Neu für mich. Als ich ihn einmal fragte, warum er mir so ohne weiteres zur Seite Stand und half, meinte er, ich helfe gerne wo es nötig ist. Ich glaube, er war auch nicht glücklich in seiner Ehe und so tat uns Beiden dieses gemeinsame kreative arbeiten gut. Weihnachten stand vor der Türe und wir hatten wieder tausend Ideen. Er wollte einen Baum fällen und mit dem Holz wollten wir wieder Dekorationen basteln. Ich merkte aber, dass es ihm nicht mehr so gut ging. Er, der immer herumhastete, wirkte plötzlich müde. Darauf angesprochen gestand er mir, dass ihn Schmerzen in der Brust plagten. Sofort schickte ich ihn zum Arzt, er aber tat es als Nervenschmerzen ab. Da suchte ich seine Frau auf, aber auch die lachte mich aus und meinte, der hat nur sonst ein Weh-Wehchen und ausserdem hätte er eine gute Lebensversicherung abgeschlossen. Drei Tage später am 1. Nov. an meinem Geburtstag machte ich eine Torte und erwartete ihn und seine Frau wie jedes Jahr zum Kaffee, aber niemand erschien. Ich rief dann seine Frau an und vernahm, dass er auf einer Bergwanderung sei. Am andern Tag kam eine Kundin aus dem Dorf und erzählte mir, dass sie Martin tot geborgen hätten, er hatte einen Sekundentod erlitten. Ich wusste nicht wie mir geschah. Ich durfte mir nichts anmerken lassen und musste weiterhin lächelnd Kunden bedienen. Ich war nicht fähig zu weinen, war wie erstarrt und hatte schlaflose Nächte. Wenn ich dann doch in einen unruhigen Schlaf verfiel, quälten mich seltsame Träume. So hörte ich Martin vor meinem Fenster klagen, verstand aber seine Worte nicht. Wenn ich dann aus dem Fenster schaute, sah ich ihn auf seinem Fahrrad in den Himmel verschwinden. Ein andermal war ich auf der Bergstrasse unterwegs, als er mit dem Auto neben mir anhielt und mich bat einzusteigen. Als ich mich weigerte lachte er und fuhr auch wieder geradewegs in den Himmel. Noch heute, 13 Jahre nach seinem Tod, habe ich immer denselben Traum. Ich sehe sein Haus, das jedoch umgebaut war und er kommt wieder nach Hause. Auf meine Frage, wo er denn so lange gewesen sei, lachte er und meinte, in der Fremde. Wenn ich dann erwache, brauche ich immer eine Weile um mich zurecht zu finden und glaube zuerst wirklich, dass er wieder da ist. Nach seinem Tod stürzte ich mich in die Arbeit. Inzwischen pensioniert, half ich beim Kulissenbau im Freilichttheater und spielte auch mit. Danach baute ich mit dem Museumskurator ein altes Bauernhaus zurück, in eine Zeit da es weder Wasser noch Strom gab. Mir war keine Arbeit zu viel, auch wenn sie noch so schmutzig war. So malte ich Wände, putzte Stall und Heustock und nähte Vorhänge. Nun durfte ich 10 Jahre lang die Besucher mit viel Witz und Humor durch das Haus führen und bekam wieder langsam Spass am Leben. Die Besucher liebten meine Art und so kam ich immer müde aber glücklich nach Hause. Im Herzen schmerzt es immer noch und ich kann Fredi nicht vergessen. Nach seinem Tod schlich sich bei mir eine Nervenkrankheit ein. Ich kann immer weniger gut laufen und gehe inzwischen am Stock, denn mir fehlt das Gleichgewicht und meine Beine werden mit der Zeit lahm. Mein Arzt meinte, ich hätte zu viel erlebt und das wäre nun der Preis dafür. Wir verkauften unser liebgewonnenes Haus und zogen in eine kleinere Wohnung. Dieser Verkauf löste bei meinem Mann, inzwischen 87 Jahre alt, eine Demenz aus. Ich Pflege ihn zu Haus mit Hilfe der Spitex. Immer noch kann ich meiner geliebten Arbeit im Museum nachgehen jedoch nun ohne Führungen und so meine Batterien wieder ein wenig aufladen und für kurze Zeit alles vergessen. Die neue Museumsbetreuerin ist so alt wie mein Sohn, aber wir verstehen uns prima und haben auch viel Spass bei der Arbeit und lachen viel. Mein Humor hat mich in all den Jahren immer wieder gerettet. Ich merke auch, dass die Menschen gern in meiner Gesellschaft sind, da ich immer zu Spässen aufgelegt bin. Wenn ich mich wohl fühle, kann ich die Menschen einen ganzen Abend lang unterhalten. Erich passt das natürlich nicht und er beklagte sich, dich kennen alle Leute um mich bemerkt keiner. Im Gegensatz zu mir, ist er eher Menschenscheu. Wenn ich des Nachts im Bett liege und der Schlaf nicht kommen will, plagen mich düstere Zukunftsängste und dann frage ich Martin, warum musstet du so früh auf deine letzte Reise? Was habe ich getan, dass ich nun nur noch durchs Leben schleichen kann, denn meine Beine werden immer schwächer. Auch mein geliebtes Theater spielen musste ich aufgeben und so lebe ich in Erinnerungen an meine Lieblingsrolle als etwas verrückte Grossmutter.

Meine Pflegemutter war inzwischen mit 92 Jahren verstorben. Nach der Beerdigung kam der Pfarrer zu mir und meinte, jetzt sind sie erlöst. Er kannte sie wohl auch.  Die Nachbarn standen mir bei der Beerdigung und danach bei der Auflösung des Haushalts tatkräftig zur Seite. Sie meinten, ich sei ja immer ein anständiges nettes Mädchen gewesen und eine Nachbarin sagte zu mir, du hast alles gehabt, nur keine Liebe. So war es für mich trotz allem eine schöne Beerdigung.

Wenn auch mein Leben nicht so rosig verlaufen ist, gab es doch manchmal auch schöne Momente. Mein Pflegevater der, als ich klein war nichts mir anfangen konnte, mich nie herzte oder auf den Schoss nahm, lernte mich Fahrrad fahren. Er sass auf dem Gepäckträger und wenn er dann plötzlich neben mir herlief und in die Hände klatschte, stürzte ich. Als ich dann fahren konnte, nahm er mich mit auf sonntägliche Velotouren. Als leidenschaftlicher Fischer, fuhren wir immer an irgendein Gewässer und beobachteten die Fische. Noch heute halte ich an jedem See oder Fluss nach Fischen Ausschau und dabei kommt mir immer mein Pflegevater in den Sinn und ich denke dann, hier würde es ihm auch gefallen. Das schönste Erlebnis mit ihm war immer der Muttertag, denn dann fuhren wir in den Wald um für die Pflegemutter einen Strauss Maiglöckchen zu pflücken.

Ich hoffe mit dieser Niederschrift endlich zur Ruhe zu kommen, denn je älter ich werde, je mehr holt mich die Vergangenheit wieder ein. Als meine leibliche Mutter starb, fand meine Stiefschwester im Nachlass Gegenstände die darauf hinwiesen, dass sie einen sehr lockeren Lebenswandel geführt hatte und es mit der Treue nicht immer so genau nahm. Zuerst waren wir geschockt, aber dank meinem Arzt, kam ich sehr schnell über diesen Schrecken hinweg und sagte mir, das war ihr Leben. Auch meiner Pflegemutter habe ich ihre Herzlosigkeit und Kälte längst verziehen, denn sie konnte wohl nicht anders handeln, ich wusste ja nicht, was alles in ihrem Leben schieflief. Ich bin stolz auf unsere drei tollen und fleissigen Kinder und unseren lieben Grosskindern, denn dass sie so gut geraten sind, ist in der heutigen Zeit nicht Selbstverständlich und ich danke Gott dafür. Mit grosser Freude durfte ich nun auch noch die Geburt unserer





Ein grosser Schrecken
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5.  Ein grosser Schrecken

Nun kam ich in die Schule und ich ging auch gerne hin, denn ich hatte eine liebe Lehrerin, die mich nett behandelte. Ich war eine fleissige Schülerin und wollte immer alles perfekt machen. Eines Tages, als ich von der Schule kam, wartete die Nachbarin auf mich und sagte, ich müsse zu ihr kommen, denn meine Eltern wären im Krankenhaus. Ich erschrak zu Tode, getraute mich aber nicht zu fragen warum. So sass ich dann in der guten Stube am Tisch, während die Nachbarin in der Küche hantierte. Sie hatte keine Kinder, wusste also nicht was sie mit mir anfangen sollte. Der Nachmittag schien endlos zu dauern. Dann endlich durfte ich wieder nach Hause. Ich rannte durch den Garten mit schlimmen Vorahnungen, aber meinen Eltern schien nichts zu fehlen, die Grossmutter war im Spital. Am andern Morgen band mir die Mutter eine schwarze Schürze mit weissen Röschen um und eine schwarze Schleife ins Haar. Dann sagte sie zu mir, jetzt gehst du zur Lehrerin und sagst ihr, deine Grossmutter sei gestorben, aber lach dann nicht wieder so blöd. Ich war sowas von naiv, denn meine Eltern hielten alles von mir fern. Ich durfte das Wochenheft erst anschauen, wenn es zensiert war. Ich wusste also nicht was gestorben hiess und warum ich nicht mehr lachen durfte. Auch meine Cousinen kamen mit schwarzen Schürzen in die Schule und uns interessierte nur, wer die schönere hatte. Dann kamen uns viele Leute besuchen und jemand brachte einen Kranz. Es wurde nur gedämpft geredet und ich durfte ja nicht lachen. Plötzlich war Vater am Nachmittag zu Hause. Die Eltern zogen ganz schwarze Kleider an. Ich wollte auch die schönen Kleider anziehen und mit ihnen gehen, aber ich durfte nicht. Meine Mutter schickte mich dann zur Tante in den oberen Stock, ich müsste auf deren Sohn Wernerli aufpassen. Nach langer Zeit hatte Tante Nelly dann doch noch einen Sohn geboren der dann leben durfte. Natürlich wurde er umso mehr behütet, er war auch immer kränklich. Ich durfte am Sonntagsausflug nicht mal den Kinderwagen schieben und nun hatte ich die wichtige Aufgabe, ihn zu  hüten. Das erfüllte mich mit Stolz. Als ich die Stube betrat, sass dort das 14 Jährige Nachbarsmädchen und las in einem Buch. Ich dachte mir nichts weiter dabei und genoss denn Nachmittag mit all den vielen Spielsachen. Als Tante und Onkel wieder nach Hause kamen, holte die Tante aus dem Stubenbuffet eine riesige Tafel Schokolade hervor und gab sie dem Nachbarsmädchen. Ich stand daneben und wartete auf meine Schokolade, aber Tante Nelly lachte mich aus, du hast ja nichts gemacht, nur gespielt. Ich liess den Kopf hängen und verliess schnell die Wohnung, denn ich wollte nicht, dass die Tante meine Tränen sah. Warum Lügen sie mich immer an?  Nun wartete ich Sehnsüchtig auf meine geliebte Grossmutter, aber sie kam einfach nicht mehr.

 

Eine Vision
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6.  Eine Vision
Die Haustüre führte bei uns direkt in die Küche. Daneben war der Abwaschtrog und an der Wand direkt daneben führte eine Türe in die Stube.  Gegenüber der Haustüre war ein offener Durchgang und danach ging rechts eine Türe in den Schopf mit dem Plumsklo. In der Mitte der Küche stand der Tisch und wenn Vater daran sass, kam man nicht mehr hinter ihm durch. Etwa eine Woche nach der Beerdigung stand ich unter der Stubentüre, während die Mutter am Abwaschtrog hantierte und der Vater am Küchentisch sass. Plötzlich stand die Grossmutter in ihrer blauen Kleiderschürze unter dem offenen Durchgang, winkte mir zu und rief komm mit mir. Ich rief Grossmutter, Grossmutter und wollte hinter dem Vater durch. Der aber schaute mich nur komisch an und fragte mich, wo willst du denn hin. Ich rief zur Grossmutter. Mutter holte mich vom Vater weg und sagte, hier ist keine Grossmutter, sie ist tot und kommt nicht mehr. Ich rief, doch dort steht sie. Die Grossmutter winkte mir nochmals zu und verschwand für immer in den Schopf. Ich lief weinend in die Stube. Da kam die Mutter und erklärte mir, dass Grossmutter nun im Himmel und ein Engel sei. Dann erzählte sie mir eine Geschichte von einer Mutter, die ihr Kind verlor und immer weinte und traurig war. Da erschien ihr ihr Mädchen im Traum, wie es im Himmel mit den andern Engelkindern spielte. Alle hatten schöne weisse Kleidchen, nur ihr Mädchen trug ein schwarzes. Als sie nach dem Grund fragte, sagte ihr die Tochter, ich möchte ja so gerne auch ein weisses Kleidchen wie die andern, aber solange du um mich weinst, muss ich ein schwarzes tragen. Bitte sei nicht mehr traurig, denn es geht mir gut, ich habe nun keine Schmerzen mehr. Ich wollte natürlich nicht, dass meine Grossmutter ein schwarzes Kleidchen tragen musste, nein ich wollte nicht mehr traurig sein. Doch meine Grossmutter fehlte mir noch lange, denn niemand lachte nun mehr mit mir, oder nahm mich in die Arme.



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In der Stube hatte ich eine Ecke zum Spielen. Dort baute ich mit meinen Bauklötzchen Häuser, Burgen und Türme. Ich bat dann Mutter immer, sie solle es stehen lassen. Aber wenn ich wieder kam, war alles weggeräumt. Ich glaube es hat noch nie so viele Erdbeben gegeben, wie in meiner Kindheit!

An einem schwülen Sommertag spielte ich wieder auf dem Stubenboden, den draussen war es viel zu heiss. Plötzlich verdunkelte sich der Himmel und ein heftiges Gewitter brach los. Mutter befahl mir auf zu räumen, aber ich wollte nicht. Ich konnte recht zwängelen und stampfen und ich sah nicht ein, warum ich schon aufhören musste zu spielen. Plötzlich regnete es in Strömen. Wahre Sturzbäche kamen vom Himmel. Fasziniert sah ich aus dem Fenster, wie draussen auf der Strasse das Wasser in Bächen lief, denn die Gullis konnten nicht mehr alles schlucken. Da läutete das Tel. und kurze Zeit später kam Vater nach Hause. Mutter rannte nervös herum, half Vater die Feuerwehrs Uniform anzuziehen und dann war er auch schon wieder weg. Sie mussten einen Bach wehren, der vom Berg her Geröll und Holz brachte und über die Ufer trat. Als Vater weg war, schimpfte mich die Mutter aus. Der arme Vater muss bei diesem Wetter draussen sein, wenn ihm etwas passiert, bist du schuld, denn du bist so ein böses Mädchen. Schnell räumte ich nun meine Spielsachen weg, setzte mich ans Fenster und betete, lieber Gott pass auf Vater auf, damit ihm nichts passiert, ich will auch nie wieder ein böses Mädchen sein. Gottlob kam er nach für mich endlosen Stunden wieder heil nach Hause.

Sie drohte mir auch damit, mich in ein Kinderheim stecken. Ich durfte aber das Kinderheim in unserer Strasse anschauen und hatte dort sogar für kurze Zeit eine Freundin.  Leider durfte diese das Heim nicht verlassen und wir konnten uns nur durch den Drahtzaun unterhalten, da schlief die Freundschaft wieder ein. Mir gefiel das Heim, denn alle Mädchen waren so nett und auch die Betreuerinnen. So gab ich Mutter zur Antwort, dass ich sehr gerne dorthin gehen würde. Da hörten die Drohungen auf.

Da war noch diese Tante Ida. Sie war die Schwester von Mama und wohnte in unserer Nähe. Während Mama eine warmherzige liebevolle Frau war, war Tante Ida das pure Gegenteil. Eine unzufriedene gehässige egoistische Person. Auch ihre Ehe war Kinderlos geblieben und ihr Charakter glich dem meiner Mutter. Sie hasste meine leibliche Mutter und somit mochte sie auch mich nicht.  Das Begriff ich aber erst viel später, als ich erfuhr wer meine leibliche Mutter war. Wenn meine Mutter sie besuchte, musste ich immer mit. Dann sassen wir in der guten Stube am Stubentisch. Eine sterile, Stube mit gehäckelten Deckelis auf den Sessellehnen. Ich sass auf der einen Seite am Tisch und starrte auf meine Hände. Mutter und Tante mir gegenüber. Wie es so ist, bei kinderlosen Ehepaaren, sie wussten am besten wie man Kinder erzieht. Dann ging es auch schon wieder los. Sie fixierte mich mit ihrem giftigen Blick und schimpfte mich aus. Was ich doch für ein ungehorsames Mädchen sei, ich müsse unbedingt meiner Mutter besser gehorchen. Mutter sagte kein Wort, sondern schaute mich nur mit ihrem strafenden Hundeblick an. Der Nachmittag schien endlos zu dauern. Ich durfte mich nicht vom Fleck rühren. Dann endlich ging die Haustüre und Onkel Howald kam nach Hause. Nun hielt mich nichts mehr auf dem Stuhl. Ich rannte ihm freudenstrahlend entgegen und auch er freute sich sehr. Onkel Howald sah aus wie Papa Moll. Klein rund und mir einer Glatze. Er strahlte immer über das ganze Gesicht. Ich liebte ihn und er mich.  Er nahm mich dann bei der Hand und zusammen gingen wir in seine Schreinerwerkstatt. Dort roch es so herrlich nach Holz und überall lagen Sägespäne herum. Er zeigte mir all seine Maschinen, gab mir eine Papiertüte und ich durfte sie mit Abfallklötzchen füllen. Diese Klötzchen besitze ich heute noch. Sie liegen in unserem Bauernmuseum im Kinderzimmer in der Spielecke. Immer wenn ich Führungen mache und sie sehe, habe ich liebe Gedanken an Onkel Howald. Natürlich besuchte Tante Ida auch uns. Wenn sie dann an der Haustüre klingelte, verdrückte ich mich durch die Hintertüre und versteckte mich auf dem Holzschopf.  Dort blieb ich dann, bis die Luft wieder rein war. Ich hielt mich sehr gerne dort auf und zog mich auch dorthin zurück, wenn ich traurig war. Von Grossmutter lagen dort noch zwei Bilder mit Schutzengeln. Sie behüteten zwei kleine Kinder, die drohten über den Abgrund zu stürzen. Diese Bilder schaute ich immer wieder an. Sie spendeten mir Trost und ich fragte mich öfters, wo denn mein Schutzengel geblieben sei. Im Sommer suchte ich in der Wiese oberhalb des Hauses nach vierblätterigen Kleeblättern, die ich dann sorgfältig presste und aufbewahrte. Immer wenn ich eines fand, glaubte ich fest daran, dass nun alles wieder gut wird. Noch heute schaue ich an jedem Wegrand nach dem Glücksklee und glaube auch an seine glückliche Wirkung.

Eines Tages, ich war in der vierten Klasse, rief ein jüngeres Mädchen, als es an mir vorbei ging, du hast ja nicht einmal eine richtige Mutter, bist ja nur ein Waisenkind. Ich wusste nicht was das sein sollte und lief sofort zur Mutter. Ihre Antwort war, das stimmt nicht, wir sind deine richtigen Eltern, hau dem Mädchen eine runter und sage ihr, das wäre für das Waisenkind, was ich dann am nächsten Morgen mit gutem Gewissen auch machte. Das Mädchen zeigte keine Reaktion, hatte aber einen Bruder der in meiner Klasse war. Am andern Tag rannten mir nach der Schule alle Knaben von meiner Klasse hinter her und schlugen auf mich ein. Eine Frau die dazu kam, gebot ihnen Einhalt und so konnte ich entwischen. Am andern Tag wollte ich vor lauter Angst nicht mehr zur Schule. Die Mutter glaubte mir nicht, aber nun war sie machtlos. Erst als sie mir versprach mich nach der Schule abzuholen, machte ich mich auf den Weg. Auch diesmal rannte mir wieder die ganze Klasse hinterher, aber als sie meine Mutter entdeckten, machten sie kehrt.  Doch diese hatte genug gesehen und sprach nun mit dem Lehrer. Am andern Tag mussten alle Knaben aufstehen und als der Lehrer nach dem Grund fragte, wusste keiner warum sie mich verdroschen. Auch von meiner Cousine musste ich dann hören, dass ich nicht die richtige Mutter hätte. Diesmal fragte ich meine Mutter nicht mehr, denn ich kannte ja ihre Antwort. Ein Mädchen aus der Klasse, mit dem ich sonst keinen engeren Kontakt hatte, denn sie wohnte am andern Ende des Dorfes, lud mich eines Tages zu sich ein. Sie wollte etwas mit mir basteln. Ich freute mich sehr, wunderte mich aber gleichzeitig über ihre Einladung. Als ich ankam, führte sie mich in ihren Wintergarten und fragte mich geradeheraus, ob ich wisse, dass ich nicht die richtigen Eltern hätte. Nun stellte ich Mutter zur Rede und sie musste Farbe bekennen. Ich brach in Tränen aus. Nicht weil ich Pflegeeltern hatte, das änderte nichts an der ganzen Sache, sondern weil Mutter mich immer wieder angelogen hatte. Meine Mutter, die, wenn sie glaubte ich hätte sie angelogen nicht mehr mit mir sprach und mir immer wieder predigte man darf nicht Lügen sonst bekommt man ein schwarzes Herz, diese Mutter hatte mich immer wieder belogen. Ich hatte ihr immer geglaubt und zu ihr aufgeschaut und nun diese Enttäuschung. Für mich brach eine Welt zusammen. Natürlich wollte ich nun wissen, wer meine leibliche Eltern waren und da kam schon die nächste Lüge. Sie wisse es nicht und ich dürfte es auch gar nicht wissen. Ich dürfe mit niemandem darüber reden. Sie liess mich im Glauben, meine Eltern seien verstorben. Als der Lehrer die Impfausweise verteilte, war auf meinem anstelle des Namens ein dicker schwarzer Balken und darüber mein Nachname Bircher. Ich radierte solange, bis ich den darunter stehenden Namen lesen konnte. Nun wusste ich, dass ich früher Simon hiess. Dieses Wissen behielt ich für mich, denn ich traute meiner Mutter nicht mehr. Damit ich keine Fragen stellte, liessen meine Eltern vor der Einschulung meinen Nachnamen ändern. Ich erinnere mich noch ganz genau daran.  Wir fuhren nach Biel auf ein Amt. Im Vorzimmer nahmen mich zwei junge Frauen in Empfang, während die Eltern mit einem Herrn in einem andern Büro verschwanden, gaben sie mir Bonbons und liessen mich auf ihren Schreibmaschinen schreiben. Ich fand das herrlich. Als meine Eltern mit dem Herrn wieder erschienen, fuhren wir geradewegs  nach Hause. Es war schon dunkel, als wir vom Bahnhof am Kanal entlang nach Hause liefen. Ich hüpfte voraus, denn ich fand es spannend bei Nacht draussen zu sein. Plötzlich drehte ich mich um und rief meinen Eltern zu, heute habt ihr meinen Namen gekauft. Die Eltern schauten sich ganz komisch an, aber für mich war die Sache damit erledigt. Wie ich das mitbekam war allen ein Rätsel, denn auf dem Amt wurde nichts erwähnt.

Wernerli war inzwischen in einem schwierigen Alter.  Es musste immer alles nach seinem Kopf gehen und die Eltern liessen ihm auch immer alles durch. Wenn das Wetter schön war, sass ich gerne vor der Schule ein wenig auf der Bank auf dem Vorplatz. Wernerli schaute vom Küchenfenster aus auf mich hinunter und rief immer wieder, geh da weg das ist unsere Bank, da darfst du nicht sitzen.  Mutter rief sofort komm rein und die Tante, Wernerli hör auf. Aber Lea, die böse Frau stand neben ihm und so wurde er mutiger und spuckte mir auf den Kopf. Ein paar Tage später, ich kam von der Schule nach Hause, hatte meine Hausaufgaben erledigt und wollte auf der Bank sitzend eine Handarbeit machen. Mutter und Tante waren im etwas oberhalb angelgegten Garten beschäftigt. Wieder kam Werneli und rief geh da weg, geh weg, das ist unser Hausplatz.  Wieder schickte mich Mutter rein, aber ich wollte bei dem schönen Wetter nicht in der Stube sitzen, ich hatte auch das recht  draussen zu sein. Da fing Wernerli an mich mit Steinen zu bewerfen. Ich wich ihnen aus und ging langsam Rückwärts den Hang hinauf. Inzwischen war Lea nach Hause gekommen. Sie baute sich mit verschränkten Armen auf dem Vorplatz auf und beobachtete das Ganze. Ich wich den Steinen aus und drohte Wernerli, wenn du mich triffst, bekommst du von mir eine saftige Ohrfeige. Sofort rief Lea, sie darf dir nichts tun, ich bin ja hier. Da sprang er auf mich zu, holte mit dem Schuh aus und  kickte mich ins Schienbein. Dann machte er kehrt und rannte den Hügel runter. Lea rief, Wernerli komm zu mir, ich aber war schneller, holte ihn ein und haute ihm eine runter, dann überquerte ich den Vorplatz und ging ins Haus. Kaum war ich in der Küche, packte mich Lea von hinten und drosch auf mich ein. Ich drehte mich um, fasste mit beiden Händen in ihre Haare und wenn Mutter nicht dazwischen gekommen wäre, hätte ich ihr Büschelweise Haare ausgerissen. Von nun an musste ich immer ins Haus, wenn sie nach Hause kam. Ich habe nie wieder ein Wort mit dieser Frau gesprochen.

Ich besuchte inzwischen die Sekundarschule, aber ich hatte auch dort Schwierigkeiten. Ich war nicht dumm, obwohl ich immer etwas anderes zu hören bekam, nur dieses verflixte Französisch machte mir zu schaffen. Ich lernte zwar zu Hause viel, aber in der Schule war dann einfach alles wieder weg. Die Lehrerin war eine ältliche Jungfer, die gerne einen Mann gehabt hätte. Sie lief ständig zum Gaudi der Schüler den jungen Lehrern nach. Ein Junge, der schon fast ein Mann war und ich, die ich auch schon fast eine junge Frau war, schikanierte sie wo sie nur konnte. Ich war sonst in allen Fächern gut, aber sie fand bei den Prüfungsarbeiten immer etwas um mir auf die Noten zu drücken. Bei den Aufsätzen sagte sie, meine Mutter hätte sie geschrieben und gab mir die schlechteste Note. Beim Rechnen behauptete sie ich hätte dem Mädchen hinter mir die Lösungen zu gespielt und wieder bekam ich, obwohl Fehlerfrei, die schlechteste Note. So ging es immer weiter.  Sie drückte mir auf die Noten, wo sie nur konnte.  Ich wusste, mit diesem Notendurchschnitt blieb ich sitzen. Ich klopfte dann beim Lehrer meiner alten Klasse an die Türe und sagte zu ihm, ich möchte wieder zu ihnen in die Klasse kommen. Er lächelte, denn ich glaube er verstand mich. So warf sie den Jungen und mich hinaus. Wir waren noch nicht lange beim andern Lehrer, da nahm er mich zur Seite und sagte, du gehörst nicht in meine Klasse, du bist viel zu intelligent. Aber von nun an ging ich wieder gerne zur Schule.

Zu Hause spitzte sich die Lage zu und wir hatten nur noch Streit. Ständig sagte nun meine Pflegemutter, du sagst, oder machst das nur, weil ich nicht deine richtige Mutter bin. Das stimmte zwar nicht, wir waren nur zu Grundverschieden. Als ich es dann satt hatte, sagte ich einfach einmal ja, genau.

Ich wurde nun manchmal richtig zornig, schrie herum und warf mit Gegenständen. Meine Pflegeltern waren hilflos. Nie erhoben sie die Hand gegen mich. Meine Pflegemutter schaute mich dann nur mit ihrem Hundeblick an. Ich wurde auch immer frecher. Ich suchte meine Grenzen, aber es gab keine. Ich erwartete immer eine Ohrfeige, oder sonst eine Bestrafung. Da sie mir keinen Einhalt geboten, fing ich an sie zu verachten. Nachts lag ich dann lange wach und dabei hatte ich immer die gleichen schlimmen Gedanken. Wo kam ich her, wer waren meine Eltern. Ich bereute auch meine Ausbrüche und betete, lieber Gott hilf mir, dass ich nicht mehr so böse gegen mein Pflegeeltern bin, denn ich kann ja froh sein, dass sie mich aufnahmen und mir ein Heim gaben. Aber es half alles nichts, ich flippte wieder aus. Ich wusste selber nicht warum und was mit mir geschah. Es war einfach stärker als ich. Gerne hätte ich jemandem meine Nöte anvertraut, aber ich hatte ja niemand und ich durfte ja auch nicht darüber reden.

Wenn Mama für ein paar Tage zu uns kam, sass sie immer bei der Pflegemutter in der Küche, wenn diese kochte. Die Zwei schimpften dann über Griti, was sie wieder gemacht oder auch nicht gemacht hatte. Ich bekam alles mit und in meinen Augen war Griti eine ganz, ganz schlechte Frau. Sie log, stahl und trieb es mit Männern. Inzwischen war sie aber verheiratet, hatte drei Kinder und schaute jeden Tag nach Mama und machte ihr Besorgungen. Mama hatte ein offenes Bein und war froh über ihre Hilfe. Ihre zwei eigenen Söhne und die Tochter kümmerten sich ja nie um sie.  

Als ich aus der Schule kam, absolvierte ich ein Haushaltlehrjahr in Aarau. Die Familie war sehr nett. Ich schlief zu Hause und am Sonntag hatte ich frei. Zuerst musste ich lernen mit Messer und Gabel zu essen, denn zu Hause gab es keine Tischmanieren. Vater ass wie ein, na ja. Auch wieder ein Streitpunkt, der dazu führte, dass ich alleine in der Stube ass. Ich schloss mit einer guten Prüfung ab und wollte nun eine Lehre beginnen. Aber immer hiess es, das kannst du nicht lernen, du kannst kein Französisch. Dann entschloss ich mich für ein Welschlandjahr. Pflegeeltern waren froh, war ich doch wieder für ein Jahr vom Tisch. Ich kam dann zu einem alten Ehepaar, das einen Gemischtwaren Laden führte. Dort musste ich nur putzen und im Keller Kaffee, Zucker und Mehl abfüllen. Der Mann redete nur Deutsch mit mir und so lernte ich kein Wort Französisch.  Der versprochene Familienanschluss blieb aus und ich sass jeden Abend und an den Sonntagen allein in meinem spärlich eingerichteten Zimmer. Heimweh kannte ich bis anhin nicht, aber nun wusste ich wie schlimm es sein konnte. Dazu kam noch der Hunger, denn es kam sehr wenig auf den Tisch und das meiste bekam der Hausherr.  Zigaretten waren dann meine letzte Rettung. In meiner Not rief ich dann Griti in Biel an, denn trotz der schlechten Meinung die ich von ihr hatte, konnte ich mit ihr reden. Sie packte die Chance und lud mich für das nächste Wochenende zu sich ein. Ich könne bei Mama schlafen. Froh nicht wieder allein im Zimmer zu sitzen, nahm ich die Einladung  an. Als ich dann aber zu Mama wollte, liessen sie mich nicht gehen und ich musste bei ihnen im Ehebett schlafen. Obwohl sie mich in Ruhe liessen, konnte ich kein Auge zu tun. Als ich dann Mama fragte, warum ich nicht bei ihr schlafen durfte, wusste sie von nichts. Natürlich vernahm es meine Pflegemutter und verbot mir jeglichen Kontakt mit Griti. Diese gab jedoch nicht so schnell auf und lud mich wieder ein. Diesmal aber für einen Einkaufsbummel in Biel. Da konnte ich nicht nein sagen, denn ich wollte mir eine lange Hose, die gerade in Mode kamen, kaufen. So fuhr ich an meinem freien Nachmittag voller Vorfreude nach Biel. Griti holte mich beim Bahnhof ab und dann besuchten wir ein Kaufhaus nach dem andern. Leider fand ich keine Hosen, denn meine Beine waren einfach zu lang. Immer wieder hörte ich von Griti, du hast die gleichen langen Beine wie ich. Mich wunderte es, aber ich ging nicht weiter darauf ein. Nun brauchten wir eine Pause und suchten ein Selbstbedienungs  Restaurant in einem der Kaufhäuser auf. Diese waren gerade in Mode gekommen, hatten aber erstmal nur Stehtische. Griti holte uns etwas zu trinken, stellte es vor mich hin und sagte, ich bin deine Mutter. Ich wusste nicht wie mir geschah. Was sie noch sagte weiss ich nicht mehr und wie ich auch wieder nach Malleray kam war mir ein Rätsel. Die nächsten Tage lief ich wie in Trance herum. Der Schock sass tief. Ausgerechnet diese schlechte Frau war meine Mutter, darum war ich auch so schlecht. Ich wollte nun nur noch nach Hause zu meinen  Pflegeeltern.  Ich rief meine Pflegemutter an, dass ich am Samstag kommen würde. In Biel hatte ich lange keinen Anschluss und so besuchte ich den Bruder meiner Pflegemutter, der mit seiner Familie am Bahnhofplatz wohnte. Als es Zeit war begleitete mich meine Cousine zum Zug. Dieser fuhr jedoch ohne mich ab. Warum ich nicht einstieg war mir ein Rätsel. Wieder zurück zur Tante, liess diese mich nicht mehr gehen. Sie richtete mir in der Stube das Sofa und als ich im Bett lag, setzte sie sich zu mir und fragte mich nach meinem Befinden. Ich sagte es gehe mir gut, konnte sie aber nicht anschauen, denn ich war den Tränen nah. Meine Pflegemutter holte mich am Bahnhof ab. Sie wusste Bescheid, denn die Tante hatte sie angerufen und ihr gesagt, dass ich es nun wüsste. Ihre Begrüssung war recht kühl und ich sehnte mich doch so sehr nach einer tröstenden Umarmung. Aber es kam noch schlimmer. Kaum hatten wir den Bahnhof hinter uns gelassen fing sie an auf mich ein zu reden. Jetzt will sie dich wieder, jetzt da du Geld verdienst und vorher hat sie sich nicht um dich gekümmert. Ich dachte, wenn sie doch nur aufhören würde. Als wir an der Kirche vorbei kamen sah ich zum Glockenturm hinauf in der Hoffnung, meine Tränen würden dann nicht die Wangen runter kullern. Die Pflegemutter merkte aber nicht, wie schlecht es mir ging. Am Abend brachte sie mich wieder zur Bahn. Nun wusste ich was ich zu tun hatte. Ich musste meine Stelle kündigen und so schnell wie möglich Geld verdienen, damit ich diesen armen Leuten alles wieder retour zahlen konnte. Ich fand nämlich einmal im Stubenbuffet ein Heft in dem alle Kosten die ich verursacht hatte aufgeschrieben waren und im Estrich stand ein riesiger Stapel leerer Muttermilchersatz Büchsen. Meine Pflegemutter wies mich nicht nur einmal darauf hin, dass die alle für mich gewesen wären. Ich konnte also keine Lehre machen. Ich fand dann eine Stelle in einem Büro als Hilfskraft. Jeden Samstag waren meine Cousinen und ich auf irgendeiner Tanzfläche anzutreffen, denn ich tanzte fürs Leben gern. Einen Freund wollte ich jedoch keinen, denn ich hatte Angst vor den Männern. Ich wollte nicht, dass mir dasselbe wie Mutter und Grossmutter passierte, den Aufgeklärt war ich nicht. Ich wusste nur, was so unter uns Mädchen geredet wurde.  Zwar war ich einmal bis über beide Ohren verliebt, aber der Kerl wollte nichts von mir wissen. So bildete ich mir ein, dass ich mit so einer Mutter sowieso nie einen Mann finden würde. Inzwischen war ich eine jungen Frau geworden und glich immer mehr meiner leiblichen Mutter. Ich hasste mich deswegen, brachte es mir doch nur wieder Aerger ein. Meinen beiden Tanten, die bisher immer nett zu mir waren, konnte ich nun nichts mehr recht machen. Sie standen mir nun feindselig gegenüber. Griti konnte es gut mit ihren Männern und diese mochten sie auch. Da ich nun aber so wie sie aussah, bangten sie wieder um ihre Männer.  Ich wusste aber damals noch nicht, dass Griti meine leibliche Mutter war und konnte ihre Reaktionen nicht verstehen.

Dann lernte ich Erich meinen Mann kennen. Er imponierte mir, weil er nicht immer nach meiner Geige tanzte und sich getraute mir zu widersprechen. Ich vertraute ihm, denn er war elf Jahre älter als ich und somit reifer als die gleichaltrigen Jungs. Dass er immer meine Pflegeeltern verteidigte, wenn ich Ärger mit ihnen hatte, steckte ich einfach weg. Ich wusste, dass ich nur von meinen Pflegeeltern wegkam, wenn ich heiratete. Die Situation zu Hause spitzte sich immer mehr zu und manchmal hielt ich es fast nicht mehr aus. Am Anfang unserer Beziehung beichtete ich Erich von meiner leiblichen Mutter. Das kostete mich grosse Ueberwindung, denn ich hatte grosse Angst, dass er nun nichts mehr von mir wissen wollte, aber er lachte nur und sagte, das wüsste er längst. Als ich dann meinen 20. Geburtstag hinter mir hatte und es zu Hause wieder mal ganz besonders schlimm war, stellte ich Erich vor die Wahl, entweder wir heiraten oder ich laufe davon, ich halte das nicht mehr länger aus. Da er von seinem Lohn als Coiffeur keine Familie ernähren konnte, nahm ich die Sache in die Hand und suchte uns einen Coiffeursalon. Es dauerte nicht lange und wir hatten zwei Angebote. Da wir kein Auto besassen fuhren wir an einem Sonntag mit der Eisenbahn von einem Salon zum andern um sie zu besichtigen. Voller Eindrücke kamen wir zu Hause an und wollten den Pflegeeltern von unseren Erlebnisse erzählen. Diese wollten jedoch nichts wissen, sondern lieber Fernseh schauen. Von nun an sassen wir immer in meinem Zimmer um unsere Pläne zu besprechen. Wir entschieden uns für den Salon im Toggenburg. Ein alter Salon mit einer schäbigen Einrichtung integriert in einer Altwohnung, die schon lange keinen Farbanstrich mehr erhalten hatte. Der Zins war annehmbar und wir waren nur glücklich etwas Eigenes zu haben. Dann ging alles sehr schnell. Wir kündigten unsere Stellungen auf zwei Monate, suchten Möbel aus und organisierten die Hochzeit. Am Tag vor der Hochzeit zügelten wir, denn Erich musste bis dahin arbeiten. Am Samstag war dann die Hochzeit und am Sonntag fuhren wir voll bepackt mit Blumen und Geschenken mit der Bahn ins Toggenburg. Dort erwartete uns eine böse Ueberraschung denn die Wohnung war eiskalt. Das Feuer war im Ofen erstickt.

Meterhoch lag der Schnee um das Haus und auf dem Flachdach. Wir wussten noch nicht, was unter dem Schnee alles verborgen war. Nun kämpften wir erst mal um Kunden, denn unserer Vorgängerin hatte keine Existenz und musste deshalb aufhören. Für mich begann nun ein neuer Lebensabschnitt. Während Erich der Chef war, ging ich ihm zur Hand. Ich lernte schnell und war bei den Kunden beliebt. Nun zeigten sich aber sehr schnell die Mängel dieser Altwohnung. Als das Tauwetter einsetzte, tropfte das Wasser im Schlafzimmer von der Decke und wir mussten sämtliche zur Verfügung stehende Gefässe aufstellen. Nun tropfte es im dreivierteltackt und an schlafen war nicht mehr zu denken.  Erich steckte dann Stecknadeln in die undichten Stellen und befestigte einen Faden daran, der bis in die Eimer reichte. (Wir hatten das in einem Bond Film gesehen und fanden es trotz allem noch lustig). Die Eisblumen an den Vorfenstern waren verschwunden und auch dort lief das Wasser herunter. Als ich mich bei einem der Hausbesitzer beschwerte (das Haus gehörte zwei Brüdern, aber der eine ein Fabrikant wollte nichts mit uns zu tun haben), hiess es, wir müssten halt das Dach vom Schnee befreien.

Wir heizten die ganze Wohnung von der Küche aus mit Kohlen und im Salon war ein Kachelofen. Die Heizung musste auch erneuert werden und man versprach uns eine Gasheizung, aber nichts geschah. Das erste Jahr ging vorbei und unser Geschäft lief inzwischen sehr gut. Wieder fiel haufenweise Schnee. Ich erwartete nun unser erstes Kind und mir war ständig übel. Da ich auch zu wenig Blut hatte, überfiel mich auch immer wieder der Schwindel. Ich weigerte mich nun auf das Dach zu steigen um den Schnee über das Geländer zu werfen, und so mussten sie einen Dachdecker beauftragen. Es wurde Herbst, ohne dass wir die versprochene Heizung erhielten. Mein Termin rückte näher und näher.  Dann mussten wir plötzlich die Stube räumen und konnten nur noch die Küche und das Schlafzimmer benutzen. Am Montag sollte nun endlich die Heizung installiert werden. Durch das herum tragen der Möbel setzten bei mir die Wehen ein. Anstatt bei mir zu bleiben, ging Erich ins Rest. jassen. Als er dann um Mitternacht nach Hause kam, hatte ich schon in kurzen Abständen Wehen. Er aber ging ins Bett und schimpfte, was ich denn machen würde wenn es richtig los gehe, wenn ich mich jetzt schon so wehleidig anstelle, ich solle gefälligst ins Bett kommen. Als ich mich hinlegen wollte, wurde mir schlecht und dann brach mir das Wasser.  Nun stand er aber eilig auf, rief ein Taxi und fuhr mit mir ins Krankenhaus. Kaum angekommen, war unser Sohn auch schon auf der Welt. Während ich im Krankenhaus lag, waren die Handwerker fleissig am Werk und als ich nach Hause kam, war die Wohnung schön warm. Es war mir aber keine Ruhe vergönnt, denn nun hiess es wieder Möbel herumtragen und im Geschäft mithelfen. Im Nov. Konnte ich mich dann auf eine Woche Ruhe freuen, denn wir fuhren zu meinen Pflegeeltern in den Rombach. Da diese aber auch nur die Stube beheizen konnten, holte sich Erich eine Erkältung. Wir schliefen alle in meinem alten Zimmer und so war es unvermeidlich, dass auch unser Kleiner einen Schnupfen bekam.

Nach zwei Jahren wollte ich nun endlich wieder mal ein neues Kleid. Erich gab mir Geld und erbot sich bei Thomas zu bleiben. Meine Pflegemutter wollte aber unbedingt mit mir kommen. Als wir an der Bushaltestelle warteten, kam die Freundin meiner Pflegemutter und fing an mich zu beschimpfen. Sie drohte mir Thomas weg zu nehmen, wenn ich nicht besser auf ihn aufpassen würde. Ich brachte kein Wort heraus und war froh, dass nun endlich der Bus kam. Im Kleidergeschäft drängte sich meine Pflegemutter vor und bevor ich der Verkäuferin meinen Wunsch vorbringen konnte, rief sie, sie muss ein Kleid haben. Die Verkäuferin schaute mich nur lange so komisch an, brachte mir dann aber drei Kleider in die Kabine. Alle drei passten, aber mir gefiel natürlich das Teuerste und zum Missfallen meiner Pflegemutter, die natürlich auch in der Kabine war, kaufte ich es. Anstatt eines gemütlichen Nachmittags, endete er in einem Frusttag. Zu Hause angekommen erzählte ich Erich alles und so packten wir zusammen und brachen die Ferien ab. Wieder wollte mir die Pflegemutter den Kleinen wegnehmen. Kaum zu Hause angekommen, ging es diesem aber wieder viel besser.

Durch die neue Heizung tropfte es im darauffolgenden Winter sogar bis in den Hauseingang und im Kinderzimmer lief das Wasser die Wände runter. Inzwischen hatte ich längst bemerkt, dass sich Erich immer drückte, wenn es etwas zu beanstanden gab. So drohte ich den Hausmeistern mit der Polizei, wenn sie nichts unternehmen würden, Das wirkte und im Frühling wurde das Flachdach endlich erneuert.  Nach und nach stieg dann die Waschmaschine, der Kochherd und auch der Kühlschrank aus. Wieder war ich es, die mit den Hausmeistern verhandeln musste. Die Geräte waren sicher bald 40 Jahre alt und die Waschmaschine stand manchmal bis zu einem Meter hoch im Wasser, weil der Ablauf zu hoch angelegt war. Trotz allem Ärger gefiel es uns in dieser Wohnung und zwei Jahre nach Thomas bekamen wir noch die Zwillinge Markus und Monika. Nachdem unser Vertrag abgelaufen war, wollte ich nicht mehr in diesem veralteten Salon arbeiten.  Zuerst musste ich aber Erich davon überzeugen, denn er scheute wieder die Verhandlung mit den Hausmeistern. Nach vielen Hürden waren sie damit einverstanden und wir einigten uns, dass sie den Raum renovieren und wir die Möbel übernehmen würden. Ich bestellte alle Handwerker, damit sie mit dem Architekten alles vor Ort besprechen konnten.  Als ich nach dem letzten Telefonat den Hörer auflegte, lachte mich Erich aus und meinte, bilde dir ja nicht ein, dass da einer kommt.  Aber es klappte prima und ich war stolz. Endlich hatte ich auch mal etwas auf die Reihe gekriegt. Da ich seit einiger Zeit gesundheitliche Probleme hatte, war ich im Krankenhaus für die Entfernung der Mandeln und anschliessend einer Auskratzung angemeldet. Wir brachten unsere drei Kindern zu meinen Pflegeeltern. Anschliessend fuhren wir wieder nach Hause und ich räumten den Salon aus. Am andern Tag fuhr ich mit der Bahn nach St. Gallen ins Krankenhaus. Der Trakt in dem ich untergebracht wurde war noch sehr alt und im Zimmer standen 6 Betten.  Nach der OP verschwand meine Bettnachbarin und setzte sich mit zwei Männern in die Sitzgruppe an Ende des Flurs. Sie forderte mich zwar auf mit zu kommen, ich getraute mich jedoch nicht. Wenn ich die Toilette aufsuchte, musste ich an ihnen vorbei und als mich beim zweiten Mal einer der Männer fragte, warum ich mich denn nicht zu ihnen setzte, dachte ich ja warum eigentlich nicht. Sofort verwickelte er mich in ein Gespräch und wollte wissen, wieviel Kinder ich hätte. Als ich sagte drei, meinte er, haben sie einmal nicht aufgepasst. Nun war der Bann gebrochen. Er war ein richtiger Clown und wir lachten viel. Nach dem Abendessen trafen wir uns wieder und als die Nachtschwester ihren Dienst antrat, nahm sie ihre Strickarbeit und besuchte ihre Kollegin im oberen Stockwerk. Erst als sie um 12 Uhr wieder runterkam und uns im Spass ausschimpfte, wenn Mutter nicht da ist gehen die Kinder nicht ins Bett, legten wir uns schlafen. Ungern wechselte ich nach drei Tagen in ein anderes Haus. Wieder einmal kam ich vom Krankenhaus nach Hause und musste Möbel schleppen und das Haus putzen, denn wir hatten zusätzlich im ganzen Haus neue Fenster erhalten. Es schien, als hätten sie mir im Krankenhaus nicht nur die Mandeln rausgenommen. Ich war plötzlich erwachsen geworden und sah nun meinen Mann mit andern Augen. Aber ich hatte den Schock meiner Herkunft noch immer nicht überwunden. Denn ich hatte ja niemand mit dem ich reden konnte. Erich wollte von diesem Gejammer nichts hören. Auch vermisste ich seine Zärtlichkeit. Wenn es mir nicht gut ging, hätte ich mir einfach eine kleine tröstende Umarmung von ihm gewünscht. Ich versuchte es ihm zu erklären, aber er wollte nichts wissen. Bei ihm gab es nur eine Umarmung, wenn er Sex wollte. Als es mir einmal wieder schlecht ging, bemerkte es ein Handwerker und legte mir tröstend die Hand auf die Schulter. Da bekam ich es mit der Angst, denn ich merkte wie Empfänglich ich war. Ich hatte ja eine schlechte Mutter und ich wollte nicht so sein wie sie, aber mein Blut war verdorben. Ich ging von nun an jedem Kontakt mit Männern aus dem Weg, denn ich wusste wie schwach ich war. Mein neuer Hausarzt sah mich an und meinte, sie haben ganz andere Probleme ich sehe es ihnen an der Nasenspitze an. Er bot mir an mit mir zu reden, was ich dann auch gerne tat. Nun konnte ich mir endlich alles von der Seele reden.  Er konnte mir mein schlechtes Gewissen, das mich nach jedem Besuch meiner Pflegeltern plagte, nehmen.  Meine Pflegemutter verstand es immer wieder mich mit ihren Hundeblicken strafend an zu schauen, auch bezichtigte sie mich eine schlechte Ehefrau zu sein, nur weil Erich seine Kleider selbst aussuchte und wenn ich keine Zeit hatte auch selbst einen Kaffee machte. Nach diesen Gesprächen ging es mir bedeutend besser. Ich wusste nun wie ich mich zu verhalten hatte. Dann erkrankte mein Pflegevater an Krebs. Meine Pflegemutter liess niemand zu ihm, auch ich durfte ihn nicht besuchen. Wenn ich sie fragte, wie es ihm gehe, gab sie mir keine Auskunft.  Ich rief dann seinen behandelnden Arzt an und dieser riet mir ihn schnell zu besuchen, denn es gehe ihm sehr schlecht, er werde wohl nicht mehr lange leben.  Trotz des Verbotes meiner Pflegemutter besuchten wir ihn im Krankenhaus. Ich wollte, dass er seine Grosskinder nochmals sah, denn er hatte immer grosse Freude an ihnen. Eine Woche später schlief er für immer ein. An der Beerdigung schimpfte die Pflegemutter, ich hätte ihn besser früher besucht und nicht erst jetzt an seiner Beerdigung. Ich dankte im Stillen meinem Arzt, denn sie konnte mir nun nicht mehr ein schlechtes Gewissen einreden. Wenn sie uns nun besuchte, sass sie in meiner Küche wenn ich kochte und wie damals als uns Mama besuchte, beschimpfte sie meine leibliche Mutter. Obwohl ich für meine Mutter nie warme Gefühle aufbrachte, konnte ich ihr, seit ich selber Kinder hatte, nachfühlen was es hiess ein Kind weg zu geben. Als nun meine Pflegemutter wieder mal los schimpfte, war es plötzlich zu viel für mich. Gestärkt durch meinen Arzt sagte ich ihr nun meine Meinung. Es täte mir weh, wenn sie immer über meine Mutter herzöge, denn ich hätte ja ihr Blut. Auch wäre sie und ihre beiden Brüder um kein Haar besser. Alle hätten heiraten müssen. Sie und ihre Schwägerinnen hätten Glück gehabt, dass ihre Männer sie geheiratet hätten, während meine Mutter das Pech hatte an einen verheirateten Mann geraten zu sein. Darauf besuchte sie uns ein Jahr lang nicht mehr. Als sie wieder erschien, jammerte sie, sie hätte wegen mir einen Nervenzusammenbruch erlitten. Ich lachte sie dann aus und entgegnete, nachdem ich alles von euch zu anhören bekam, hätte ich mehrere Zusammenbrüche haben können. Kurze Zeit später rief mich meine Mutter an und erzähle mir Freudenstrahlend, dass meine Pflegemutter sie besucht hätte. Von nun an hatte ich Ruhe. Aber in all den Jahren passierte immer wieder etwas, dass meine Gefühle zu meiner Pflegemutter absterben liessen.

Inzwischen hatte einer der Brüder das Haus übernommen. Wieder lief unser Vertrag aus und bevor wir einen neuen abschliessen konnten verstarben die Besitzer innert einer Woche. Die Erben drei Töchter wollten uns nicht mehr unter Vertrag nehmen. Da unsere Kinder jedoch alle in die Ausbildung kamen, brauchten wir eine Sicherheit.  Wieder war ich es, die vorgeschickt wurde. Sie versprachen dann mit uns zu reden, aber als es soweit war, wollten sie wieder nichts wissen. Ich setzte mich nochmals mit einer der Töchter in Verbindung. Sie war dann sehr freundlich, lud uns in ihre Ferienwohnung ein, stellte uns Wein auf und erzählte, dass der Willensvollstrecker ihres Vaters keinen Vertrag mit uns machen wolle, sie aber nochmals mit ihm reden würde. Ich fragte sie dann nach dem Namen des Anwalts, den sie mir auch bereitwillig mitteilte. Wir hatten unseren Hauseingang auf der anderen Seite des Hauses und als wir um die Ecke bogen schimpfte mein Mann los, das wären doch nette Leute und sie würde ja jetzt mit dem Anwalt reden. Ich sah das aber ganz anders, ich war ja auch nicht in Alkohollaune. Am andern Tag rief ich den Anwalt an und erfuhr, dass er Dement war und die Akten einem andern Anwalt abgeben habe. Die Sekretärin gab mir dessen Tel. Nr. Der Anwalt war erstaunt und fragte mich, was ich denn wolle und wer ich überhaupt sei.  Dann stellte sich heraus, dass er von dem Haus im Toggenburg und dessen Mietern nichts wusste. Er verstand aber unsere Lage und diktierte mir einen Brief, den ich dann an alle drei Schwestern und auch an ihn versandte. Nun erhielten wir wieder einen Vertag über 5 Jahre. Aber leider wurden wir nicht in Ruhe gelassen. Nach zwei Jahren wurden uns Geschäft und Wohnung gekündigt.  Sie konnten uns aber nicht rausschmeissen, denn der Vertrag galt auch für alle. Das Haus gehörte nun nur noch einer der Töchter, einer Frau Löhrer. Sie liess keine Gelegenheit aus im Dorf zu erzählen, dass sie uns gekündigt hätte. Wir brachten aber noch drei Jahre unser Einkommen und doch verliessen uns Kundinnen.  Beim Einkaufen und auch im Geschäft vielen immer wieder Bemerkungen. Mit der Zeit wurde es aber ruhiger, denn die Leute glaubten es wäre alles nur an ein Gerücht. Für Frau Löhrer wurde es zu ruhig und so rief sie unseren Sohn Thomas an seiner Lehrstelle an und wollte ihn aushorchen. Er stellte sich aber gottlob Unwissend. Es waren harte fünf Jahre mit immer neuen Schikanierereien Seitens Frau Löhrer. Wieder durfte ich mit niemandem darüber reden und Erich hüllte sich auch in Schweigen.  Wie immer wenn es Probleme gab, steckte er den Kopf in den Sand. Es lag wieder an mir eine neue Bleibe zu suchen. Alle Geschäfte waren aber nur kurzfristig zu mieten und so mussten wir uns noch fast drei Jahre lang gedulden. Ich schlief nicht mehr und wurde immer trauriger. Ich wollte nicht weg und unsere lieben Kundinnen im Stich lassen, denn sie waren mir ans Herz gewachsen. Sie vertrauten mir immer all ihre Sorgen an und ich kannte all ihre Familiengeschichten. Sie holten bei mir Ratschläge und ich auch bei ihnen. Wir hatten aber auch ganz lustige Stunden mit einander in denen wir viel lachten und scherzten. Erich war der Zuhörer und ich die Plaudertasche. Aber wehe wenn ich etwas sagte, das ihm nicht passte, dann schimpfte er Abends mit mir. Endlich fanden wir im Rheintal ein altes Geschäftshaus. Die Söhne waren inzwischen ausgezogen und die Tochter mussten wir im Toggenburg zurücklassen. Sie war noch in der Ausbildung. Es war höchste Zeit, denn Erich hatte die ganze Sache krank gemacht.

Eigentlich waren wir schon zu alt für einen Neuanfang und im Rheintal ist es sehr schwer Fuss zu fassen. Die Leute gingen uns aus dem Weg und die die uns gut gesinnt waren, wollten ja nicht mit uns gesehen werden. Schon bald stand fest, dass ich mir eine Arbeit suchen musste. Nun kam dieser Frust wieder hoch, weil ich keine Lehre machen konnte. Ich landete in der Fabrik und musste Schichtarbeit leisten. Als einzige Schweizerin hatte ich es am Anfang nicht leicht. Aber ich fing auch dort an zu kämpfen. Schon meine erste Abrechnung stimmte nicht. Es stellte sich heraus, dass auch bei den andern Mitarbeiter/innen immer ein wenig Zeit abgezogen wurde, sie aber nie reklamierten. Ich aber stand schon nach der ersten Abrechnung im Büro und verlangte eine Erklärung. Von nun an stimmte alles und meine Achtung stieg bei den andern. Nach anfänglichen Schwierigkeiten war ich bald die schnellste Arbeiterin und wurde nun auch von der Schichtleiterin geschätzt. Es war die Hölle für mich stundenlang zwischen diesen Maschinen zu sitzen und Autoteile zu putzen, aber ich machte das Beste daraus und nahm es mit Humor und so arbeitete bald alle gerne mit mir zusammen. Der Stundenlohn war sehr klein und ich arbeitete auch am Samstag um etwas mehr zu verdienen. Am Sonntag lag ich meistens krank im Bett, weil mir der Schichtwechsel zu schaffen machte. Nach neun Monaten fand ich dann endlich Arbeit in einem Büro. Ich war die Sekretärin des Disponenten und teilte mit ihm das Büro. Beim Vorstellungsgespräch wurde ich gefragt, ob ich die grobe Art der Rheintaler ertragen könne. Ich wusste nicht genau, was damit gemeint war, sollte es aber bald erfahren. Mein Chef hatte eine Freundin im Betrieb und tel. jeden Morgen mit ihr. Wenn ich dann zur Arbeit kam fühlte er sich gestört. Er war dann sehr grob zu mir. Ich war noch in der Probezeit und wollte die Stelle nicht verlieren, also verhielt ich mich ruhig. Er aber tel. fortan im Büro seines Freundes. Nun musste ich ihm etwas Dringendes ausrichten und fand ihn wieder am Tel. Als ich eintrat explodierte er, aber ich hielt mich auch nicht mehr zurück und so entstand ein nicht gerade leiser Dialog. Eigentlich konnte er ein ganz netter Kerl sein. Durch seine Frau, mit der ich Kontakt hatte, erfuhr ich, dass er als einziger Junge unter vier Schwestern eine nicht gerade leichte Kindheit hatte. Er war nur ein lieber Knabe, wenn er arbeitete. Sein Vater war recht böse und seine Mutter getraute sich nicht zu wehren. Ich führte dann einmal ein sehr ernstes Gespräch mit ihm und sprach ihn auf seine Kindheit an. Seine Chauffeure liefen ihm auch ständig davon, weil er nur mit ihnen nur schimpfte. Ich riet ihm diese auch einmal zu loben, wenn sie etwas Gutes gemacht hätten, dann würden sie sich auch mehr Mühe geben und siehe da, er hörte auf mich. Als dann die Wirtschaftskrise kam und die Aufträge immer mehr ausblieben, wurden etliche Angestellte entlassen. Leider gehörte ich auch dazu und obwohl sich mein Chef sehr für mich einsetzte, konnte er nichts erreichen und so musste auch ich gehen. Erich getraute ich eine ganze Woche lang nichts von meiner Kündigung zu erzählen, denn ich hatte Angst vor seiner Reaktion. Diese blieb dann auch nicht aus. Ich hatte ihm damals von meinem Streit mit dem Chef erzählt und so gab der mir die Schuld, weil ich mich gewehrt hatte. Ich hätte mir eine paar tröstende Worte und eine kleine Umarmung gewünscht, aber wieder vergeblich. Nun war es recht schwer wieder Arbeit zu finden. Vom Arbeitsamt aus, musste ich jede noch so schlecht bezahlte Arbeit annehmen. Meistens waren diese Stellen nur vorüber gehend. Das Arbeitsamt befand sich im Gemeindehaus. Im Gang standen eine Reihe Stühle mit wartenden Arbeitslosen. Manchmal musste man sehr lange warten, bis man an der Reihe war. Wenn ich dann endlich wieder nach Hause kam wurde ich wieder ausgeschimpft, weil ich so lange weg war. Ich viel immer tiefer in Depressionen. Eine Kundin merkte meine Not und holte mich von Erich weg, denn dieser liess mich nicht mehr aus dem Haus. Ich sass immer den ganzen Tag in der Wohnung, nicht fähig einer Arbeit nach zu gehen. Am Abend wunderte ich mich, dass ich noch lebte. Ich bekam es mit der Angst und flehte Erich auf Knien an, mir doch zu helfen. Er sagte nur das kann ich nicht und las ruhig weiter in seinem Buch, während ich neben ihm lag und weinte. Wenn er nur die Hand ein wenig auf meine Schulter gelegt hätte, wäre das tröstend gewesen, aber nichts geschah. Nie fragte er, wie es mir gehe, oder was mich so traurig machte. Dann erfuhr ich, dass mein ehemaliger Hausarzt in St. Gallen als Physiater praktizierte. Ich fasste mir ein Herz und suchte ihn auf. Er kannte ja mich und meine Familie schon von früher.  Er stellte mich dann vor die Wahl. Entweder sie gehen von diesem Mann weg, oder sie bleiben und gehen zu Grunde. Oder aber, sie bleiben und hören nun endlich auf ihr Gefühl und machen was ihnen guttut und nicht was andere von ihnen verlangen.  Für mich kam aber eine Scheidung nicht in Frage, denn ich liebte meinen Mann noch immer, wenn nun auch auf eine andere Weise. Für mich war er eher wie ein Vater, denn seit die Kinder aus dem Haus waren, war ich sein Kind. Er war ein treusorgender Vater, trank nicht und schlug uns auch nicht. Nein diesen Mann konnte ich nicht im Stich lassen. Ich blieb also bei ihm und versuchte so gut es ging meinen Bedürfnissen gerecht zu werden. Als er anfing auch im Bett an mir herum zur nörgeln zog ich kurzerhand ins Gästezimmer. Nun fragte ich nicht mehr, darf ich laufen gehen, sondern sagte nur, ich gehe dann weg. Er der nie laut wurde, fing nun plötzlich an auszurufen und drohte mir sogar mit Schläge. Er war völlig hilflos, denn er merkte dass ich ihm immer mehr entglitt und bekam es mit der Angst. Die Gespräche mit dem Arzt öffneten mir die Augen. Er las mein Horoskop und konnte mir vieles aus meiner Kindheit klarlegen. So auch, dass ich mein ganzes Leben lang immer nur Theater gespielt hatte um zuerst meinen Pflegeeltern und danach meinem Mann zu gefallen. Er erklärte mir auch, wie ich mich zu Hause zu verhalten hatte um eine Veränderung zu bewirken. Ferner nahm er mir den Glauben ein schlechter Mensch zu sein, weil ich das Blut meiner Mutter hatte. Nach ein paar Sitzungen war ich ein anderer Mensch. Ich sah plötzlich was alles schief gelaufen war und fing an mich zu wehren. Es war ein harter Kampf, aber es lohnte sich. Ich stellte Erich zur Rede und Erklärte ihm, dass ich wohl bei ihm bleiben würde, aber meine Freiheit wolle.  Es blieb eigentlich alles beim Alten, aber ich ging und kam von nun an wann ich wollte ohne lange zu fragen darf ich. Als ich im Geschäft arbeitete fuhr er immer mit mir an Ausstellungen und half mir, wenn ich selber meine Bilder ausstellte. Nun wollte er aber plötzlich nichts mehr wissen und als ich fragte warum, meinte er, ich würde ihm ja auch nicht mehr im Geschäft helfen. Dabei arbeitete ich die ganze Woche lang und der Lohn kam auf ein gemeinsames Konto um davon die Rechnungen zu bezahlen. Ich hatte ein Sackgeld zur Verfügung für meine persönlichen Bedürfnisse. Im Zorn rief ich dann, ich würde nun lernen Auto zu fahren. Wenn ich etwas sagte, dann machte ich es auch und das wusste Erich. Eigentlich wollte ich ja gar nicht und tat sehr schwer damit. Erich fuhr dann viel mit mir herum und hatte eine Engelsgeduld, glaubte aber, ich müsste schon so gut fahren wie er. Nun fühlte ich mich endlich frei und es ging mir auch wieder viel besser. Ich hatte die Depression ohne Medikamente überstanden. Das Leben fing endlich für mich an. Ich leitete die Turnstunden des Frauenturnvereins, gründete mit ein paar Gleichgesinnten einen Flohmarkt, spielte im Freilichttheater mit und der Gemeindeammann holte mich in die Museumskommission. Erich hatte sich nun an die neue Situation gewöhnt und die Streitereien wurden immer seltener. Zwischendurch verfiel der aber immer wieder in das alte Muster und ich ärgerte mich dann über mich selber, weil ich immer wieder darauf  herein viel. Zweimal hatte ich eine Arbeitsstelle bei der mich mein Chef versuchte übers Ohr zu hauen. Aber ich war nun eine starke Frau geworden und liess mir nichts mehr gefallen. So brachte ich Beide vor Gericht und gewann. Die letzten zehn Jahre vor der Pension arbeitete ich in einem Kleidergeschäft. Wieder durfte ich etwas Neues lernen. Ich liebte den Kontakt mit den Kunden und die Kunden mochten mich auch. Ich arbeitete 50 - 60 Prozent. In der Freizeit zog es mich immer in den Wald. Meistens kam ich mit kleinen Schätzen der Natur nach Hause und an Weihnachten sass ich dann Stundenlang in unserer Werkstatt im Estrich und bastelte Adventsgestecke die ich zum Teil verschenkte. So konnte ich meine Batterien wieder aufladen. Ich war nun ganz zufrieden. Da ich nie so richtig Liebe erfahren durfte, vermisste ich sie auch nicht. Bei einem dieser Ausflüge in den Wald, traf ich einen Holzer. Mein Ehemaliger Chef war tödlich verunglückt und so schlug er für seine Witwe Brennholz. Wir wechselten ein paar belanglose Worte. Es stellte sich heraus, dass er der Cousin meines ehemaligen Chefs war. Ich hatte mit der Witwe, Ottilie ist ihr Name, immer schon guten Kontakt. Sie arbeitete auch und so holte ich ihren Hund und nahm ihn mit auf meine Streifzüge. Baldo liebte ich vom ersten Moment an und auch er bekam vor Freude kaum Luft, wenn er mich kommen sah. So traf ich Martin hin und wieder bei Ottilie, oder wenn er im Wad arbeitete. Er war mir von Anfang an sympathisch und ich ihm auch, was ich jedoch lange nicht bemerkte. Seine humorvolle und fröhliche Art sprach mich an. Später arbeiteten wir miteinander im Flohmarkt Rest. Hie und da fuhr er an unserem Haus vorbei und winkte mir fröhlich zu. Bald merkte ich, wie mir diesem kurzen Augenblicke guttaten. War mein Mann früher schon Wortkarg, hatte er jetzt kein nettes Wort mehr für mich. Wir halfen einander immer noch wenn es Nötig war. Er wollte ja schon immer, dass ich es gut hatte, was mir aber gut tat, das bestimmte er. So ging es immer weiter. Die Woche durch Arbeit und am Sonntag ein gemeinsamer Spaziergang, schweigend wie immer. Danach frönte ich meinen Hobbys. Ich redete mir ein, dass ich zufrieden bin und wollte eigentlich nicht viel mehr. Erst die kurzen Begegnungen mit Martin öffneten mir die Augen. Nach einem gemeinsamen Abendessen mit den Flomarktkolleg/innen lud er mich noch auf einen kleinen Absacker ein. So fuhren wir in den nächsten Ort in eine Kellerbar. Wir plauderten über dies und jenes und ich fühlte mich wohl in seiner Gesellschaft. Es war nicht die Wirkung des Alkohols, der mich trunken machte, denn ich trinke nie welchen. Auch am andern Tag hielten die Glücksgefühle immer noch an. Seit ich Erich kennen lernte, war ich nie mehr von einem Mann eingeladen worden. Er sagte einmal zu mir, schau dich nur an, du würdest nie wieder einen Mann finden. So schlimm konnte ich doch wirklich nicht aussehen, denn nun war es doch passiert und ich wurde eingeladen. Von nun an waren wir wie zwei Magnete. Immer öfters liefen wir uns zufällig über den Weg, aber wir wussten Beide, dass es eigentlich gar keine Zufälle waren. Wir schafften von Anfang an Klarheit. Er hatte drei Kinder und würde seine Familie nie verlassen und auch ich machte ihm klar, dass ich bei meinem Mann bleiben würde. Das war auch gut so, denn wenn wir frei gewesen wären, hätte er mehr gewollt. Ich aber hätte ein zusammen sein mit ihm für immer nicht vorstellen können. Wir hatten Beide unsere Eigenheiten und die hätten unweigerlich zu Reibereien geführt. So aber konnten wir uns auf ein Wiedersehen freuen. So eine schöne Freundschaft. Für mich war er der kleine Bruder, den ich nie hatte. Mit ihm konnte ich lachen, manchmal auch streiten und Blödsinn machen. Bei ihm konnte ich so sein wie ich war, ohne dass er an mir herumnörgelte. Inzwischen ging er bei uns ein und aus und gehörte fast zur Familie. Wir arbeiteten viel zusammen. Er auch auch sehr kreativ und so entstanden viele schöne Dinge. Wenn ich wieder auf meinen Streifzügen im Walde voller Ideen nach Hause kam, meinem Mann meine Pläne unterbreitete und um seine Hilfe bat, denn ich durfte seine Maschinen nicht benützen, winkte er ab und sagte, das geht nicht. Martin aber meinte nur, kein Problem, stand wenig später vor der Türe und half mir dabei. Seit ich Erich nicht mehr im Geschäft half, blieb auch seine Hilfe aus. Auch die Ausflüge an Ausstellungen, die er früher ohne weiteres mit mir unternahm, konnte ich vergessen.  Auch Erich genoss es, wenn Martin uns überall zur Seite stand und immer öfters sagte er, frag Martin ob er uns helfen will.  Wenn er bei grossen Arbeiten mithalf bezahlten wir ihn, denn ich wollte nicht, dass er sich ausgenutzt vorkam. Bei kleineren Hilfen, buck ich ihm einen Kuchen, denn seine Frau konnte weder kochen noch backen.  So setzten wir mit viel Spass auf zwei Seiten des Hauses einen neuen Buchenhaag, oder verlegten einen neuen Stubenboden. Erich half  zwar mit, war aber immer mürrisch, denn wir hatten bei der Arbeit viel Spass und lachten viel, was ihm nicht passte. Das kannte ich aber nur zu gut, denn als unser jüngerer Sohn noch keine Freundin hatte und er hie und da nach Hause kam, hatten wir immer riesigen Spass und machten Blödsinn. Dann kam er auch immer und schimpfte uns aus. Aber nicht nur der Spass und das Lachen brachte Martin wieder in mein Leben. Durch ihn verlor ich meine Selbst Zweifel und lernte an mich zu glauben. Er machte mir Komplimente und merkte sofort, wenn ich traurig war, oder mich etwas beschäftigte. Dann nahm er mich einfach kurz in die Arme und dann ging es mir wieder viel besser. Wir redeten oder schimpften nie über unsere Ehepartner, aber die Themen gingen uns nie aus. Was ich ganz lustig fand, wir tauschten auch Rezepte aus, denn er musste öfters kochen. Natürlich stritten wir auch, denn er war es gewohnt, dass er immer im Recht war. Dann sagte ich einfach tschau, ich habe zu Hause genug Aerger, ich brauche keine Streitereien. Wenn er dann so dastand, Schuldbewusst, den Kopf hängen lassend, hätte ich ihn am liebsten in den Arm genommen. Aber es ging nie lange, dann rief er an und fragte ganz lieb, kann ich dir etwas helfen. Ich denke, das ist Liebe, wenn man hilft, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Das war ganz Neu für mich. Als ich ihn einmal fragte, warum er mir so ohne weiteres zur Seite Stand und half, meinte er, ich helfe gerne wo es nötig ist. Ich glaube, er war auch nicht glücklich in seiner Ehe und so tat uns Beiden dieses gemeinsame kreative arbeiten gut. Weihnachten stand vor der Türe und wir hatten wieder tausend Ideen. Er wollte einen Baum fällen und mit dem Holz wollten wir wieder Dekorationen basteln. Ich merkte aber, dass es ihm nicht mehr so gut ging. Er, der immer herumhastete, wirkte plötzlich müde. Darauf angesprochen gestand er mir, dass ihn Schmerzen in der Brust plagten. Sofort schickte ich ihn zum Arzt, er aber tat es als Nervenschmerzen ab. Da suchte ich seine Frau auf, aber auch die lachte mich aus und meinte, der hat nur sonst ein Weh-Wehchen und ausserdem hätte er eine gute Lebensversicherung abgeschlossen. Drei Tage später am 1. Nov. an meinem Geburtstag machte ich eine Torte und erwartete ihn und seine Frau wie jedes Jahr zum Kaffee, aber niemand erschien. Ich rief dann seine Frau an und vernahm, dass er auf einer Bergwanderung sei. Am andern Tag kam eine Kundin aus dem Dorf und erzählte mir, dass sie Martin tot geborgen hätten, er hatte einen Sekundentod erlitten. Ich wusste nicht wie mir geschah. Ich durfte mir nichts anmerken lassen und musste weiterhin lächelnd Kunden bedienen. Ich war nicht fähig zu weinen, war wie erstarrt und hatte schlaflose Nächte. Wenn ich dann doch in einen unruhigen Schlaf verfiel, quälten mich seltsame Träume. So hörte ich Martin vor meinem Fenster klagen, verstand aber seine Worte nicht. Wenn ich dann aus dem Fenster schaute, sah ich ihn auf seinem Fahrrad in den Himmel verschwinden. Ein andermal war ich auf der Bergstrasse unterwegs, als er mit dem Auto neben mir anhielt und mich bat einzusteigen. Als ich mich weigerte lachte er und fuhr auch wieder geradewegs in den Himmel. Noch heute, 13 Jahre nach seinem Tod, habe ich immer denselben Traum. Ich sehe sein Haus, das jedoch umgebaut war und er kommt wieder nach Hause. Auf meine Frage, wo er denn so lange gewesen sei, lachte er und meinte, in der Fremde. Wenn ich dann erwache, brauche ich immer eine Weile um mich zurecht zu finden und glaube zuerst wirklich, dass er wieder da ist. Nach seinem Tod stürzte ich mich in die Arbeit. Inzwischen pensioniert, half ich beim Kulissenbau im Freilichttheater und spielte auch mit. Danach baute ich mit dem Museumskurator ein altes Bauernhaus zurück, in eine Zeit da es weder Wasser noch Strom gab. Mir war keine Arbeit zu viel, auch wenn sie noch so schmutzig war. So malte ich Wände, putzte Stall und Heustock und nähte Vorhänge. Nun durfte ich 10 Jahre lang die Besucher mit viel Witz und Humor durch das Haus führen und bekam wieder langsam Spass am Leben. Die Besucher liebten meine Art und so kam ich immer müde aber glücklich nach Hause. Im Herzen schmerzt es immer noch und ich kann Fredi nicht vergessen. Nach seinem Tod schlich sich bei mir eine Nervenkrankheit ein. Ich kann immer weniger gut laufen und gehe inzwischen am Stock, denn mir fehlt das Gleichgewicht und meine Beine werden mit der Zeit lahm. Mein Arzt meinte, ich hätte zu viel erlebt und das wäre nun der Preis dafür. Wir verkauften unser liebgewonnenes Haus und zogen in eine kleinere Wohnung. Dieser Verkauf löste bei meinem Mann, inzwischen 87 Jahre alt, eine Demenz aus. Ich Pflege ihn zu Haus mit Hilfe der Spitex. Immer noch kann ich meiner geliebten Arbeit im Museum nachgehen jedoch nun ohne Führungen und so meine Batterien wieder ein wenig aufladen und für kurze Zeit alles vergessen. Die neue Museumsbetreuerin ist so alt wie mein Sohn, aber wir verstehen uns prima und haben auch viel Spass bei der Arbeit und lachen viel. Mein Humor hat mich in all den Jahren immer wieder gerettet. Ich merke auch, dass die Menschen gern in meiner Gesellschaft sind, da ich immer zu Spässen aufgelegt bin. Wenn ich mich wohl fühle, kann ich die Menschen einen ganzen Abend lang unterhalten. Erich passt das natürlich nicht und er beklagte sich, dich kennen alle Leute um mich bemerkt keiner. Im Gegensatz zu mir, ist er eher Menschenscheu. Wenn ich des Nachts im Bett liege und der Schlaf nicht kommen will, plagen mich düstere Zukunftsängste und dann frage ich Martin, warum musstet du so früh auf deine letzte Reise? Was habe ich getan, dass ich nun nur noch durchs Leben schleichen kann, denn meine Beine werden immer schwächer. Auch mein geliebtes Theater spielen musste ich aufgeben und so lebe ich in Erinnerungen an meine Lieblingsrolle als etwas verrückte Grossmutter.

Meine Pflegemutter war inzwischen mit 92 Jahren verstorben. Nach der Beerdigung kam der Pfarrer zu mir und meinte, jetzt sind sie erlöst. Er kannte sie wohl auch.  Die Nachbarn standen mir bei der Beerdigung und danach bei der Auflösung des Haushalts tatkräftig zur Seite. Sie meinten, ich sei ja immer ein anständiges nettes Mädchen gewesen und eine Nachbarin sagte zu mir, du hast alles gehabt, nur keine Liebe. So war es für mich trotz allem eine schöne Beerdigung.

Wenn auch mein Leben nicht so rosig verlaufen ist, gab es doch manchmal auch schöne Momente. Mein Pflegevater der, als ich klein war nichts mir anfangen konnte, mich nie herzte oder auf den Schoss nahm, lernte mich Fahrrad fahren. Er sass auf dem Gepäckträger und wenn er dann plötzlich neben mir herlief und in die Hände klatschte, stürzte ich. Als ich dann fahren konnte, nahm er mich mit auf sonntägliche Velotouren. Als leidenschaftlicher Fischer, fuhren wir immer an irgendein Gewässer und beobachteten die Fische. Noch heute halte ich an jedem See oder Fluss nach Fischen Ausschau und dabei kommt mir immer mein Pflegevater in den Sinn und ich denke dann, hier würde es ihm auch gefallen. Das schönste Erlebnis mit ihm war immer der Muttertag, denn dann fuhren wir in den Wald um für die Pflegemutter einen Strauss Maiglöckchen zu pflücken.

Ich hoffe mit dieser Niederschrift endlich zur Ruhe zu kommen, denn je älter ich werde, je mehr holt mich die Vergangenheit wieder ein. Als meine leibliche Mutter starb, fand meine Stiefschwester im Nachlass Gegenstände die darauf hinwiesen, dass sie einen sehr lockeren Lebenswandel geführt hatte und es mit der Treue nicht immer so genau nahm. Zuerst waren wir geschockt, aber dank meinem Arzt, kam ich sehr schnell über diesen Schrecken hinweg und sagte mir, das war ihr Leben. Auch meiner Pflegemutter habe ich ihre Herzlosigkeit und Kälte längst verziehen, denn sie konnte wohl nicht anders handeln, ich wusste ja nicht, was alles in ihrem Leben schieflief. Ich bin stolz auf unsere drei tollen und fleissigen Kinder und unseren lieben Grosskindern, denn dass sie so gut geraten sind, ist in der heutigen Zeit nicht Selbstverständlich und ich danke Gott dafür. Mit grosser Freude durfte ich nun auch noch die Geburt unserer
Ein Geschwisterchen
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7.  Ein Geschwisterchen

Ich wünschte mir so sehr ein Geschwisterchen. Als meine Tante dann nochmals ein Kind erwartete, weinte ich, denn die hatten ja schon vier nur ich bekam kein Geschwisterchen. Dabei hatte meine Mutter mir ja gezeigt, wo die kleinen Kinder herkamen, aber das ist wieder eine andere Geschichte.In der Fabrik, in der mein Vater arbeitete, gab es einen Ausschussladen. Wenn ich nun neuen Schuhe brauchte, schauten wir zuerst dort nach. Neben der Fabrik stand ein grosses weisses Haus. Als wir nun wieder mal den Laden aufsuchten zeigte meine Mutter auf das Haus und sagte, hier machen sie die kleinen Kinder. Natürlich wollte ich sofort hin um eines zu kaufen. Warum sie das sagte, war mir später ein Rätsel.

Die böse Frau
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8.  Die böse Frau

Da mich nie jemand besuchen durfte, war ich gewohnt alleine zu spielen. Meine Spielsachen waren auf einem Schrank in Schachteln verstaut. Mutter holte mir dann das gewünschte herunter und nach dem Spielen wurden sie wieder eingepackt. An einem sonnigen Frühlingstag sass ich auf dem Vorplatz und spielte mit meinen Puppen, als plötzlich eine fremde Frau vor mir stand zu mir herunterschaute und mich dabei auslachte. Was so ein grosses Mädchen spielt noch mit Puppen, schäme dich. Dann verschwand sie durch die Schopftür in den oberen Stock. Ich wollte mich aber nicht schämen und packte die Puppen zusammen. Mutter wunderte sich, dass ich schon wieder mit dem spielen aufhörte.  Ich erzählte ihr dann von der bösen Frau und es stellte sich heraus, dass es die Schwester von Tante Nelly war und dass diese nun immer hier wohnen würde. Mir ahnte Schlimmes, was dann leider auch eintraf. Mit Puppen spielte ich von da an nur noch selten und nur im Haus.
Der arme Vater
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9.  Der arme Vater

In der Stube hatte ich eine Ecke zum Spielen. Dort baute ich mit meinen Bauklötzchen Häuser, Burgen und Türme. Ich bat dann Mutter immer, sie solle es stehen lassen. Aber wenn ich wieder kam, war alles weggeräumt. Ich glaube es hat noch nie so viele Erdbeben gegeben, wie in meiner Kindheit!
An einem schwülen Sommertag spielte ich wieder auf dem Stubenboden, den draussen war es viel zu heiss. Plötzlich verdunkelte sich der Himmel und ein heftiges Gewitter brach los. Mutter befahl mir auf zu räumen, aber ich wollte nicht. Ich konnte recht zwängelen und stampfen und ich sah nicht ein, warum ich schon aufhören musste zu spielen. Plötzlich regnete es in Strömen. Wahre Sturzbäche kamen vom Himmel. Fasziniert sah ich aus dem Fenster, wie draussen auf der Strasse das Wasser in Bächen lief, denn die Gullis konnten nicht mehr alles schlucken. Da läutete das Tel. und kurze Zeit später kam Vater nach Hause. Mutter rannte nervös herum, half Vater die Feuerwehrs Uniform anzuziehen und dann war er auch schon wieder weg. Sie mussten einen Bach wehren, der vom Berg her Geröll und Holz brachte und über die Ufer trat. Als Vater weg war, schimpfte mich die Mutter aus. Der arme Vater muss bei diesem Wetter draussen sein, wenn ihm etwas passiert, bist du schuld, denn du bist so ein böses Mädchen. Schnell räumte ich nun meine Spielsachen weg, setzte mich ans Fenster und betete, lieber Gott pass auf Vater auf, damit ihm nichts passiert, ich will auch nie wieder ein böses Mädchen sein. Gottlob kam er nach für mich endlosen Stunden wieder heil nach Hause.
Sie drohte mir auch damit, mich in ein Kinderheim stecken. Ich durfte aber das Kinderheim in unserer Strasse anschauen und hatte dort sogar für kurze Zeit eine Freundin.  Leider konnten wir uns nur durch den Drahtzaun unterhalten, da schlief die Freundschaft wieder ein. Mir gefiel das Heim, denn alle Mädchen waren so nett und auch die Betreuerinnen. So gab ich Mutter zur Antwort, dass ich sehr gerne dorthin gehen würde. Da hörten die Drohungen endlich auf.

Tante Ida
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10.  Tante Ida
Da war noch diese Tante Ida. Sie war die Schwester von Mama und wohnte in unserer Nähe. Während Mama eine warmherzige liebevolle Frau war, war Tante Ida das pure Gegenteil. Eine unzufriedene gehässige egoistische Person. Auch ihre Ehe war Kinderlos geblieben und ihr Charakter glich dem meiner Mutter. Sie hasste meine leibliche Mutter und somit mochte sie auch mich nicht. Das Begriff ich aber erst viel später, als ich erfuhr wer meine leibliche Mutter war. Wenn meine Mutter sie besuchte, musste ich immer mit. Dann sassen wir in der guten Stube am Stubentisch. Eine sterile, Stube mit gehäckelten Deckelis auf den Sessellehnen. Ich sass auf der einen Seite am Tisch und starrte auf meine Hände. Mutter und Tante mir gegenüber. Wie es so ist, bei kinderlosen Ehepaaren, sie wussten am besten wie man Kinder erzieht. Dann ging es auch schon wieder los. Sie fixierte mich mit ihrem giftigen Blick und schimpfte mich aus. Was ich doch für ein ungehorsames Mädchen sei, ich müsse unbedingt meiner Mutter besser gehorchen. Mutter sagte kein Wort, sondern schaute mich nur mit ihrem strafenden Hundeblick an. Der Nachmittag schien endlos zu dauern. Ich durfte mich nicht vom Fleck rühren. Dann endlich ging die Haustüre und Onkel Howald kam nach Hause. Nun hielt mich nichts mehr auf dem Stuhl. Ich rannte ihm freudenstrahlend entgegen und auch er freute sich sehr. Onkel Howald sah aus wie Papa Moll. Klein rund und mir einer Glatze. Er strahlte immer über das ganze Gesicht. Ich liebte ihn und er mich. Er nahm mich dann bei der Hand und zusammen gingen wir in seine Schreinerwerkstatt. Dort roch es so herrlich nach Holz und überall lagen Sägespäne herum. Er zeigte mir all seine Maschinen, gab mir eine Papiertüte und ich durfte sie mit Abfallklötzchen füllen. Diese Klötzchen besitze ich heute noch. Sie liegen in unserem Bauernmuseum im Kinderzimmer in der Spielecke. Immer wenn ich Führungen mache und sie sehe, habe ich liebe Gedanken an Onkel Howald. Natürlich besuchte Tante Ida auch uns. Wenn sie dann an der Haustüre klingelte, verdrückte ich mich durch die Hintertüre und versteckte mich auf dem Holzschopf. Dort blieb ich dann, bis die Luft wieder rein war. Ich hielt mich sehr gerne dort auf und zog mich auch dorthin zurück, wenn ich traurig war. Von Grossmutter lagen dort noch zwei Bilder mit Schutzengeln. Sie behüteten zwei kleine Kinder, die drohten über den Abgrund zu stürzen. Diese Bilder schaute ich immer wieder an. Sie spendeten mir Trost und ich fragte mich öfters, wo denn mein Schutzengel geblieben sei. Im Sommer suchte ich in der Wiese oberhalb des Hauses nach vierblätterigen Kleeblättern, die ich dann sorgfältig presste und aufbewahrte. Immer wenn ich eines fand, glaubte ich fest daran, dass nun alles wieder gut wird. Noch heute schaue ich an jedem Wegrand nach dem Glücksklee und glaube auch an seine glückliche Wirkung.
Waschtag
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11.  Waschtag
Da wir keine Waschküche besassen, konnte meine Mutter die Bettwäsche nur vom Frühling bis im Herbst auf dem Vorplatz im grossen Waschherd, waschen. Die Leibwäsche wurde in einem Kessel auf dem Holzherd in der Küche ausgekocht und alles andere wurde von Hand gewaschen. Am ersten schönen Frühlingstag holten dann mein Vater und der Onkel den grossen Waschherd auf den Vorplatz. Die Tante aus dem Nachbarsort kam dann mit ihrem Fahrrad vollbeladen mit ihrer Schmutzwäsche und auch Tante Nelly vom oberen Stock brachte ihre Wäsche. Unten wurde der Kochherd eingefeuert und oben die Leintücher ausgekocht. Schon bald flatterten die ersten an den extra gespannten Wäscheleinen im Frühlingswind. Für die drei Frauen war es ein harter, für mich jedoch ein Freudentag, denn Tante Berta brachte nicht nur ihre Wäsche, sondern auch ihre Kinder mit. So hatte ich wieder  einmal jemand zum spielen. Wir bauten dann fleissig Wasserleitungen aus den Löwenzahnstengeln, denn Wasser war für einmal genug vorhanden. 
Am Ende des Tages stand dann nur noch ein grosser Wascheimer gefüllt mit Spülwasser, das man später zum tränken der Blumen benutzte, auf dem Vorplatz.



I
Nur kleine Fische
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12.  Nur kleine Fische
Das Hobby meines Vaters war die Fischerei. Jede freie Minute verbrachte er an den Ufern des nahen Kanals und versuchte sein Glück. Am Sonntag stand er früh auf und verschwand an den Kanal. Gegen Mittag  erschien er meistens aber mit leeren Händen wieder und legte sich auf dem Sofa schlafen, bis meine Mutter zum Mittagessen rief. Nach dem Essen machte er wieder seinen Mittagsschlaf, während Mutter und ich die Küchen aufräumten und danach ging es wieder an den Kanal. Auch mein Onkel Ernst, der Mann von Tante Berta, kam mit dem Fahrrad angefahren und holte seine Fischerutensilien, die er bei uns deponiert hatte. 
Tante Berta, meine Mutter und wir Kinder  begaben sich dann auf einen Sonntagsspaziergang, der meistens am Kanal entlang führte. Bei uns zu Hause warteten wir dann auf unsere Väter. Wir Kinder waren die  Beute gespannt. Leider wurde ich jedes mal aufs Neue enttäuscht. Während Onkel Ernst grosse Exemplare in seinem Netz vorweisen konnte, brachte mein Vater nur ein paar kleine Fische nach Hause. Ich wusste ja damals nicht, dass er nur auf Edelfische, also Egli und Forellen aus war. Die grossen Exemplare entliess er wieder in die Freiheit, oder verschenkte sie. Mein Onkel hatte aber viele hungrige Mäuler zu stopfen und besserte so den Speiseplan etwas auf. Die Fische wurden dann am Brunnen vor dem Haus geputzt und ausgenommen. Die Innereien kamen zur Freude aller Katzen aus der Nachbarschaft, auf den Miststock. Weniger Freude hatte meine Mutter, denn als Dank hinterliessen sie eklige Häuflein in ihrem Gemüsebeet. Sie schimpfte dann wie ein Rohrspatz über diese Saukatzen. Ich hatte noch nie ein solches Tier gesehen und wusste nicht, ob sie die Sau, oder die Katze unserer Nachbarin meinte.
Vater geht baden
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13.  Vater geht baden
An einem späten Sonntagnachmittag hatten wir uns wieder einmal alle auf unserem Vorplatz zusammen gefunden. Die Väter waren mit ihrer Beute vom fischen zurück, die Fische geputzt und ausgenommen. Meine Aufgabe war es, die Männer mit Bier zu versorgen. Ein paar Meter weiter die Strasse runter verkaufte eine ältere Frau Bier über die Gasse. Dort holze ich dann jeweils vier Flaschen und bekam von Frau Scherer, so hiess die Frau immer noch ein Bonbon. Mehr als vier Flaschen konnte ich nicht tragen, denn es waren grosse Glasflaschen und nicht gerade leicht. Da mein Vater keinen Sitzplatz mehr fand, setzte er sich kurzerhand auf den Rand des Waschzubers und verlor beinahe das Gleichgewicht. Natürlich lachten alle aber einen Augenblick später bekamen die am nächsten sitzenden eine gratis Dusche, denn mein Vater hatte sich nun tatsächlich in den Zuber fallen lassen. Allgemeines Gelächter, nur meine Mutter fand das gar nicht so lustig. Als er dann mit den tropfnassen langen Hosen in der Küche stand und sich bald eine Wasserlache um seine Füsse bildete, bekam ihr Gesicht eine sehr ungesunde Farbe und ihr Mund war nur noch ein Strich. 
Sonntagsspaziergänge
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13.  Vater geht baden

Sonntagsspaziergänge
Jedes Jahr konnten die Ortsbürger im Frühling ein Holzlos ziehen. Nun galt es im Wald den Holzstoss mit der richtigen Nr. zu suchen und später nach Hause zu holen. Der ganze Clan machte sich also an einem Sonntag auf den Weg. Die Mütter hatten einen Zvieri eingepackt und eines der Kinder hatte seinen Ball dabei. War das Holz gefunden, setzte man sich an den Waldrand. Die Mütter verteilten ihren Proviant und danach tollten wir Kinder auf der Wiese herum und spielten Fussball oder auch ein anderes Ballspiel. Ganz lustig fanden wir es, wenn die Väter auch mit spielten. Nur mein Vater wollte nie mit machen und das ärgerte mich.
Einmal liess ich aber nicht locker und hatte Erfolg. Er spielte tatsächlich mit, jedoch nicht lange, da landete er mit dem Knie in einem der Maushaufen. Seine schöne Sonntagshose (er war der Einzige der Sonntagskleider trug) sah natürlich demensprechend aus. Mutter sagte wieder nichts, aber ihr Gesicht sprach Bände. Immer wenn der ganze Clan am Sonntag über Land wanderten, musste ich meine Sonntagskleider tragen. Wenn dann meine Cousinen herum tollten und durch den Wald sprangen, musste ich schön brav neben der Mutter ein her gehen. Sie versprach mir dann allerhand, aber ich wollte nur mit den andern herum tollen. 
Wenn ich dann gegen ihren Willen mit den andern im Wald herum sprang, stolperte ich ganz sicher über eine Wurzel und viel hin. Ich viel immer hin. Ueber jeden Gehsteig, über jeden Stein, einfach über jede Erhöhung. Ich wurde dann immer als Tolpatsch der seine Füsse nicht richtig anheben kann, ausgeschimpft. Dass ich eine Fehlstellung der Augen hatte und das Gehirn mir falsche Signale sandte, das merkte niemand. Es wäre eine Operation der Augen nötig gewesen, aber das hätte wieder Unkosten verursacht. Auch die Entfernung der Mandeln liess man bleiben und so hatte ich ständig Halsschmerzen. Erst als ich mich selber entscheiden konnte, kamen sie raus.
Blumen pflücken
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13.  Vater geht baden

Blumen pflücken
Wenn  wir im Frühling über Land wanderten, schlug mein Herz höher, wenn ich Blumen pflücken durfte. Auf einem dieser Sonntagsausflüge kamen wir an einer Weide vorbei und auf der ganzen Wiese wiegten sich die Schlüsselblumen sanft im Wind. Mein Herz jauchzte. Meine Cousinen waren schon unter dem Stacheldrahtzaun durch gekrochen, aber ich durfte nicht, denn ich hatte ja die Sonntagskleider an. Sei noch zu vermerken, dass meine Cousinen gar keine Sonntagskleider besassen, jedoch immer sauber gekleidet waren. Onkel Ernst, sah meine Not und hielt mir den Stacheldraht hoch, damit ich auch unten durch kriechen konnte. Als ich beinahe durch war, packte er mich am Rock und rief halt, du bist hängen geblieben. 
Mir wurde heiss und kalt, warum hatte ich nur nicht auf Mutter gehört. Als ich mich umdrehte und das lachende Gesicht meines Onkels sah, musste auch ich lachen. Mein Onkel hatte mich am Rock festgehalten. Er machte immer solche Spässe mit mir, darum liebte ich ihn auch.
Namensänderung
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13.  Vater geht baden

Namensänderung
Damit ich keine Fragen stellte, liessen meine Eltern vor der Einschulung meinen Nachnamen ändern. Ich erinnere mich noch ganz genau daran.  Wir fuhren nach Biel auf ein Amt. Im Vorzimmer nahmen mich zwei junge Frauen in Empfang, während die Eltern mit einem Herrn in einem andern Büro verschwanden, gaben sie mir Bonbons und liessen mich auf ihren Schreibmaschinen schreiben. Ich fand das herrlich. Als meine Eltern mit dem Herrn wieder erschienen, fuhren wir geradewegs  nach Hause. Es war schon dunkel, als wir vom Bahnhof am Kanal entlang nach Hause liefen. Ich hüpfte voraus, denn ich fand es spannend bei Nacht draussen zu sein. Plötzlich drehte ich mich um und rief meinen Eltern zu, heute habt ihr meinen Namen gekauft. Die Eltern schauten sich ganz komisch an, aber für mich war die Sache damit erledigt. Wie ich das mitbekam war allen ein Rätsel. 
Ferien bei Mama
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13.  Vater geht baden

Ferien bei Mama

In den Schulferien holte mich Mama immer bei meinen Eltern ab. Wir fuhren dann mit dem Zug von Aarau nach Biel. Vor dem Bahnhof in Biel stand eine Personenwaage. Dort wurde ich jedes mal gewogen. Mama musste dann 20 Rappen in den Schlitz stecken und schon kam ein Kärtchen mit einem Bildchen mit einem Schiff oder Flugzeug und meinem Gewicht darauf heraus. Am Ende der Ferien wieder die gleiche Prozedur, denn Mama wollte wissen, ob ich zugenommen habe. Nur ein dicker Kind war auch ein gesundes Kind. 
Das Essen bei Mama war auch herrlich. Da gab es süsse Omeletten, zum Frühstück ein Stück Brot, dick mit Butter bestrichen und darauf eine dicke Schicht Zucker. Auch über den Salat wurde Zucker gestreut. Das mochte ich dann weniger, konnte aber zu Hause der Mutter brühwarm erzählen, was ich da alles zu Essen bekam, was sie dann weniger freute.
Auf der einen Seite der Küche stand ein langer Tisch und auf der andern Seite der Abwaschtrog und ein Gasherd. An diesem  Gasherd machte dann Mama ihr Brenneisen heiss und rückte mir damit Wellen ins Haar, denn meine Haare waren ganz glatt. (Schnittlauchlocken). Aus lauter Angst, sie könnten wieder verschwinden, konnte ich dann kaum schlafen. Ich habe mir immer so sehr Locken gewünscht. Mutter sagte dann immer zu mir, nur wenn du auch brav bist, bekommst krauses Haar. Ich gab mir solche Mühe, aber es klappte einfach nicht. Viel zu Spät wurde mir bewusst, das Mutter ja Dauerwellen hatte. 
Mama hatte auch einen blauen Wellensittich, der Füseli hiess. Am Abend durfte ich ihn dann fliegen lassen. Er setzte sich immer auf die Schulter von Mama und sie sagte  zu ihm, komm Füseli, wir schmusen ein wenig zusammen, worauf er sie ganz zart in den Mundwinkel pickte. Er sagte nur ein Wort, dudidudi. Das jedoch leierte er dann endlos herunter und ich wunderte mich, dass er nie Luft holen musste. Auch die langen Zöpfe von Mama durfte ich ausbürsten und wieder neu flechten. Ueber die Sihl, unter der Häuserreihe durch, kam man in das schöne Städtchen Nidau. Dort in der Apotheke  durfte ich  Mamas Medikamente holen, denn sie hatte ein offenes Bein. Ich freute mich immer darauf, denn ich bekam dort immer ganz kleine Segelschiffchen aus Kunststoff in allen Farben geschenkt. Diese sammelte ich Leidenschaftlich. Ich liebte den Mann von Tante Gritli. Er machte auch immer Spässe mit mir. Onkel Alfonsgenannt Fongsi, arbeitete bei der Gemeinde und so besuchten Tante Griti und ich ihn immer bei der Arbeit. Am 6. Dez. 
fuhren die Gemeindearbeiter als Chläuse verkleidet auf einem Heuwagen durch das Städtchen und warfen den Kindern Lebkuchen und Süssigkeiten zu. Ich freute mich natürlich, aber so richtig geheuer war mir nicht dabei. Ich hatte grossen Respekt vor Chläusen. Später, als ich in die Schule musste, konnte ich natürlich nicht mehr daran teilnehmen. Mama schickte uns dann immer Lebkuchen mit einem Berner Bär darauf. Für Mutter einen grossen und für Vater und mich je einen Kleinen. Ich konnte nicht verstehen, warum Mutter einen grossen erhielt und war Eifersüchtig, obwohl eigentlich niemand dieses trockene Gebäck mochte.
Mein eigenes Fahrrad
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13.  Vater geht baden

Mein eigenes Fahrrad

Mein Vater lernte mich Fahrradfahren. Er sass dabei auf meinem Gepäckträger und gab mir so Sicherheit. Ich lernet schnell, hatte aber nicht den Mut alleine zu fahren. Da stand mein Vater auf, rannte  eben mir her und klatschte in die Hände. Ich erschrak dermassen, dass er mich auffangen musste, sonst wäre ich hin gefallen. Da ich kein eigenes Fahrrad hatte, musste ich immer Mutter um Erlaubnis fragen, wenn ich fahren wollte. Auch durfte ich es ja niemandem ausleihen. Endlich Sommerferien und Mama holte mich wieder ab. Kaum angekommen, kam Tante Griti zu Besuch und zusammen mit den beiden Frauen musste ich unbedingt in den Keller. Ganz aufgeregt zeigten sie unter die Treppe denn dort stand ein Fahrrad. Ich konnte mein Glück kaum fassen, als sie mir sagten, das gehört nun dir.  Zu dieser Zeit wurde eine Schnellstrasse von Biel nach Bern gebaut. Sie führte nah an Mamas Wohnung vorbei und die erste Etappe war schon fertig gestellt. Ich konnte also nach  Herzenslust ohne Gefahr auf dieser Strecke herum fahren. Das waren  richtig tolle Ferien.
Moritz
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13.  Vater geht baden

Moritz
Moritz hiess mein kleiner Kater. Wir hatten im Schopf ein Plumsklo mit einem Kippfenster. Da der Schopf etwas tiefer lag, war unter dem Fenster ebenerdig Wiese. Eines Morgens begehrte ein junges Kätzchen jämmerlich Einlass. Es hatte sich verirrt und fand seine Mutter nicht mehr. Natürlich wollte ich es behalten, aber meine Mutter fand schnell heraus wohin es gehörte und ich musste es zurück bringen. Die Frau versprach mir dann, dass ich es, wenn es keine Muttermilch mehr brauchte behalten dürfe. Nun musste ich nur noch Mutter überstimmen, denn sie mochte keine Katzen, was ich aber damals noch nicht wusste. Nach ein paar Wochen durfte ich dann das Kätzchen holen und taufte es auf den Namen Moritz. Leider hatte es kein schönes Leben bei uns. Ich hatte  noch keine Erfahrung mit Katzen und es belehrte mich auch niemand, aber ich liebte meinen Moritz über alles. Wenn er in der Küche war, bekam er von meinem Vater einen Tritt und auf das alte, abgewetzte Sofa meiner Grossmutter durfte er auch nicht. Er hatte nur ein kurzes Leben, denn als ich von den Ferien bei Mama wieder nach Hause kam suchte ich ihn vergebens. Mutter sagte nur, er hatte Durchfall, wir mussten ihn töten. Als ich um ihn weinte und mir keine Katze mehr erlaubt wurde, versprach mir Mutter einen Wellensitich. Mama würde mir ihren Vogelkäfig geben, wenn Füseli nicht mehr lebte. Ich musste dann noch lange warten bis es soweit war, aber ich bekam dann doch meinen blauen Füseli. Aber nicht nur ich hatte Freude an ihm. Der Nachbarsjunge kam immer wieder und wollte das Vödeli schauen. Er konnte das g noch nicht sagen und ersetzte es immer durch ein d. Eines Tages erklärte er uns, wenn ich dann Vögeli sagen kann, bekomme ich auch ein Vödeli.
Du bist ja nur ein Waisenkind
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13.  Vater geht baden

Du bist ja nur ein Waisenkind
Eines Tages, ich war in der vierten Klasse, rief ein jüngeres Mädchen, als es an mir vorbei ging, du hast ja nicht einmal eine richtige Mutter, bist ja nur ein Waisenkind. Ich wusste nicht was das sein sollte und lief sofort zu Mutter. Ihre Antwort war, das stimmt nicht, wir sind deine richtigen Eltern. Hau dem Mädchen eine runter und sage ihr, das wäre für das Waisenkind, was ich dann am nächsten Morgen mit gutem Gewissen auch machte. Das Mädchen zeigte keine Reaktion, hatte aber einen Bruder der in meiner Klasse war. Am andern Tag rannten mir nach der Schule alle Knaben von meiner Klasse hinter her und schlugen auf mich ein. Eine Frau die dazu kam, gebot ihnen Einhalt und so konnte ich entwischen. Am andern Tag wollte ich vor lauter Angst nicht mehr zur Schule. Die Mutter glaubte mir nicht, aber nun war sie machtlos. Erst als sie mir versprach mich nach der Schule abzuholen, machte ich mich auf den Weg. Auch diesmal rannte mir wieder die ganze Klasse hinterher, aber als sie meine Mutter entdeckten, machten sie kehrt.  Doch diese hatte genug gesehen und sprach nun mit dem Lehrer. Am andern Tag mussten alle Knaben aufstehen und als der Lehrer nach dem Grund fragte, wusste keiner warum sie mich verdroschen. Auch von meiner Cousine musste ich dann hören, dass ich nicht die richtige Mutter hätte. Diesmal fragte ich meine Mutter nicht mehr, denn ich kannte ja ihre Antwort. Ein Mädchen aus der Klasse, mit dem ich sonst keinen engeren Kontakt hatte, denn sie wohnte am andern Ende des Dorfes, lud mich eines Tages zu sich ein. Sie wollte etwas mit mir basteln. Ich freute mich sehr, wunderte mich aber gleichzeitig über ihre Einladung. Als ich ankam, führte sie mich in ihren Wintergarten und fragte mich geradeheraus, ob ich wisse, dass ich nicht die richtigen Eltern hätte. Nun stellte ich Mutter zur Rede und sie musste Farbe bekennen. Ich brach in Tränen aus. Nicht weil ich Pflegeeltern hatte, das änderte nichts an der ganzen Sache, sondern weil Mutter mich immer wieder angelogen hatte. Meine Mutter, die, wenn sie glaubte ich hätte sie angelogen nicht mehr mit mir sprach und mir immer wieder predigte man darf nicht Lügen sonst bekommt man ein schwarzes Herz, diese Mutter hatte mich immer wieder belogen. Ich hatte ihr immer geglaubt und zu ihr aufgeschaut und nun diese Enttäuschung. Für mich brach eine Welt zusammen. Natürlich wollte ich nun wissen, wer meine leibliche Eltern waren und da kam schon die nächste Lüge. Sie wisse es nicht und ich dürfte es auch gar nicht wissen. Ich dürfe mit niemandem darüber reden. Sie liess mich im Glauben, meine Eltern seien verstorben. Als der Lehrer die Impfausweise verteilte, war auf meinem anstelle des Namens ein dicker schwarzer Balken und darüber mein Nachname Bircher. Ich radierte solange, bis ich den darunter stehenden Namen lesen konnte. Nun wusste ich, dass ich früher Simon hiess. Dieses Wissen behielt ich für mich, denn ich traute meiner Mutter nicht mehr.
Von da an wollte ich nicht mehr Meieli sein, sondern gab überall meinen richtigen Namen Annemarie an. Für die Pflegemutter blieb ich dann aber Maia.
Du darfst nicht hier sein
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13.  Vater geht baden

Du darfst nicht hier sein
Wernerli war inzwischen in einem schwierigen Alter.  Es musste immer alles nach seinem Kopf gehen und die Eltern liessen ihm auch immer alles durch. Wenn das Wetter schön war, sass ich gerne vor der Schule ein wenig auf der Bank auf dem Vorplatz. Wernerli schaute vom Küchenfenster aus auf mich hinunter und rief immer wieder, geh da weg das ist unsere Bank, hier darfst du nicht sitzen.  Mutter rief sofort komm rein und die Tante, Wernerli hör auf. Aber Lea, die böse Frau stand neben ihm und so wurde er mutiger und spuckte mir auf den Kopf. Ein paar Tage später, ich kam von der Schule nach Hause, hatte meine Hausaufgaben erledigt und wollte auf der Bank sitzend eine Handarbeit machen. Mutter und Tante waren im etwas oberhalb angelegten Garten beschäftigt. Wieder kam Werneli und rief geh da weg, geh weg, das ist unser Hausplatz. Wieder schickte mich Mutter rein, aber ich wollte bei dem schönen Wetter nicht in der Stube sitzen, ich hatte auch das recht  draussen zu sein. Da fing Wernerli an mich mit Steinen zu bewerfen. Ich wich ihnen aus und ging langsam Rückwärts den Hang hinauf. Inzwischen war Lea nach Hause gekommen. Sie baute sich mit verschränkten Armen auf dem Vorplatz auf und beobachtete das Ganze. Ich wich den Steinen aus und drohte Wernerli, wenn du mich triffst, bekommst du von mir eine saftige Ohrfeige. Sofort rief Lea, sie darf dir nichts tun, ich bin ja hier. Da sprang er auf mich zu, holte mit dem Schuh aus und  kickte mich ins Schienbein. Dann machte er kehrt und rannte den Hügel runter. Lea rief, Wernerli komm zu mir, ich aber war schneller, holte ihn ein und haute ihm eine runter, dann überquerte ich den Vorplatz und ging ins Haus. Kaum war ich in der Küche, packte mich Lea von hinten und drosch auf mich ein. Ich drehte mich um, fasste mit beiden Händen in ihre Haare und wenn Mutter nicht dazwischen gekommen wäre, hätte ich ihr Büschelweise Haare ausgerissen. Von nun an musste ich immer ins Haus, wenn sie nach Hause kam. Ich habe nie wieder ein Wort mit dieser Frau gesprochen.
Was ich erst später vernahm, die Nachbarn hatten das ganze beobachtet und waren entsetzt über das verhalten dieser Frau. 
Verliebt in den Lehrer
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14.  Verliebt in den Lehrer
In den Lehrer der 6. Klasse waren alle Mädchen verliebt und die Knaben gingen für ihn durchs Feuer. Er war jung, sportlich und sah gut aus. Sein Fehler war, er konnte nicht streng mit uns sein uns so versuchten wir ihn immer um den Finger zu wickeln, was uns  manchmal auch gelang. In der Turnstunde durften  wir im Sommer bei gutem Wetter in die Badi. Auch bei zweifelhaftem Wetter nahmen wir dann immer die Badesachen mit in die Schule. Meistens war die Turnstunde am Ende des Unterrichts oder nach der Pause.
Wieder einmal sah es nach Regen aus. Da wir wussten das der Lehrer nein sagen würde, fragten wir gar nicht erst, sondern packten unsere Badesachen und rannten los. Die Badi war ca. 20 Minuten von der Schule entfernt. Wir rannten so schnell wir konnten und bis der Lehrer nach der Pause merkte, dass seine Schüler verschwunden waren, hatten wir die  Badi fast erreicht, als er mit dem Fahrrad angefahren kam. Natürlich brachte er es nicht übers Herz, uns wieder retour zu schicken und so badeten wir dann im kurz darauf einsetzenden Regen, was uns natürlich überhaupt nichts ausmachte. 
Martin Ruf hatte bevor er sich zum Lehrer umschulen liess, eine Lehre als Goldschmied absolviert. Er war eigentlich Künstler und er hatte auch schon ein Buch illustriert. In unserer freien Zeit durften wir freiwillig schöne Gegenstände mit ihm anfertigen. Meistens nutzten nur wir Mädchen dieses Angebot. Herr Ruf mochte mich, denn als mich einmal die Jungs auslachten wurde er recht zornig und schimpfte sie aus. 
Später, als ich längst aus der Schule war, erteilte er meinem Cousin freiwillig zu Hause Unterricht, denn dieser hatte eine Wachstumsstörung und durfte ein Jahr lang das Bett nicht mehr verlassen. Als er das erste mal kam, klingelte er aus versehen an unserer Haustüre. Als ich dann plötzlich vor ihm stand, waren wir beide recht verlegen. Meiner Mutter, die dazu kam erklärte er, er hätte mich immer gern gemocht. Das schmeichelte mir natürlich sehr. Dank ihm musste mein Cousin keine Klasse wiederholen und schaffte sogar die Prüfung in die höhere Schule. Danach verloren wir uns aus den Augen. Er hatte noch während meiner Schulzeit geheiratet, später die Schule verlassen  und ein Kunststipendium beantragt. Er arbeitete als freischaffender Künstler weiter und er gab gleichzeitig  an der Kantonsschule in Aarau Unterricht im zeichnen 
Mobbing in der Schule
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14.  Verliebt in den Lehrer

Mobbing in der Schule

Ich besuchte inzwischen die Sekundarschule, aber ich hatte auch dort Schwierigkeiten. Ich war nicht dumm, obwohl ich immer etwas anderes zu hören bekam, nur dieses verflixte Französisch machte mir zu schaffen. Ich lernte zwar zu Hause viel, aber in der Schule war dann einfach alles wieder weg. Die Lehrerin war eine ältliche Jungfer, die gerne einen Mann gehabt hätte. Sie lief ständig zum Gaudi der Schüler den jungen Lehrern nach. Ein Junge, der schon fast ein Mann war und ich, die ich auch schon fast eine junge Frau war, schikanierte sie wo sie nur konnte. Ich war sonst in allen Fächern gut, aber sie fand bei den Prüfungsarbeiten immer etwas um mir auf die Noten zu drücken. Bei den Aufsätzen sagte sie, meine Mutter hätte sie geschrieben und gab mir die schlechteste Note. Beim Rechnen behauptete sie ich hätte dem Mädchen hinter mir die Lösungen zu gespielt und wieder bekam ich, obwohl Fehlerfrei, die schlechteste Note. So ging es immer weiter. Ich wusste, mit diesem Notendurchschnitt blieb ich sitzen. Ich klopfte dann beim Lehrer meiner alten Klasse an die Türe und sagte zu ihm, ich möchte wieder zu ihnen in die Klasse kommen. Er lächelte, denn ich glaube er verstand mich. So warf sie den Jungen und mich hinaus. Wir waren noch nicht lange beim andern Lehrer, da nahm er mich zur Seite und sagte, du gehörst nicht in meine Klasse, du bist viel zu intelligent. Aber von nun an ging ich wieder gerne zur Schule.

Zu Hause spitzte sich die Lage zu und wir hatten nur noch Streit. Ständig sagte nun meine Pflegemutter, du sagst, oder machst das nur, weil ich nicht deine richtige Mutter bin. Das stimmte zwar nicht, wir waren nur zu Grundverschieden. Als ich es dann satt hatte, sagte ich einfach einmal ja, genau.

Ich wurde nun manchmal richtig zornig, schrie herum und warf mit Gegenständen. Meine Pflegeltern waren hilflos. Nie erhoben sie die Hand gegen mich. Meine Pflegemutter schaute mich dann nur mit ihrem Hundeblick an. Ich wurde auch immer frecher. Ich suchte meine Grenzen, aber es gab keine. Ich erwartete immer eine Ohrfeige, oder sonst eine Bestrafung. Da sie mir keinen Einhalt geboten, fing ich an sie zu verachten. Nachts lag ich dann lange wach und dabei hatte ich immer die gleichen schlimmen Gedanken. Wo kam ich her, wer waren meine Eltern. Ich bereute auch meine Ausbrüche und betete, lieber Gott hilf mir, dass ich nicht mehr so böse gegen mein Pflegeeltern bin, denn ich kann ja froh sein, dass sie mich aufnahmen und mir ein Heim gaben. Aber es half alles nichts, ich flippte wieder aus. Ich wusste selber nicht warum und was mit mir geschah. Es war einfach stärker als ich. Gerne hätte ich jemandem meine Nöte anvertraut, aber ich hatte ja niemand und ich durfte ja auch mit niemandem reden. 

Besuch von Mama
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14.  Verliebt in den Lehrer

Besuch von Mama
Wenn Mama für ein paar Tage zu uns kam, sass sie immer bei der Pflegemutter in der Küche, wenn diese kochte. Die Zwei schimpften dann über Griti, was sie wieder gemacht oder auch nicht gemacht hatte. Ich bekam alles mit und in meinen Augen war Griti eine ganz, ganz schlechte Frau. Sie log, stahl und trieb es mit Männern. Inzwischen war sie aber verheiratet, hatte drei Kinder und schaute jeden Tag nach Mama und machte ihr Besorgungen. Mama hatte ein offenes Bein und war froh über ihre Hilfe. Ihre zwei eigenen Söhne und die Tochter kümmerten sich ja nie um sie.
Im Welschland
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15.  Im Welschland
Nach der Schule machte ich zuerst ein Haushaltlehrjahr.  Danach hätte ich gerne die Kunstschule besucht, aber leider konnten sich das meine Pflegeeltern nicht leisten. Auch eine Lehre als Schaufensterdekorateurin kam nicht in Frage, denn ich konnte ja kein französisch. Da entschloss ich mich für ein Welschlandjahr, denn ich wollte unbedingt eine Lehre machen. Meine Pflegelgtern waren froh, war ich doch wieder für ein Jahr vom Tisch. Ich kam dann zu einem alten Ehepaar, das einen Gemischtwaren Laden führte. Dort musste ich nur putzen und im Keller Kaffee, Zucker und Mehl abfüllen. Der Mann redete nur Deutsch mit mir und so lernte ich kein Wort Französisch.  Der versprochene Familienanschluss blieb aus und ich sass jeden Abend und an den Sonntagen allein in meinem spärlich eingerichteten Zimmer. Heimweh kannte ich bis anhin nicht, aber nun wusste ich wie schlimm es sein konnte. Dazu kam noch der Hunger, denn es kam sehr wenig auf den Tisch und das meiste bekam der Hausherr.  Zigaretten waren dann meine letzte Rettung. In meiner Not rief ich dann Griti in Biel an, denn trotz der schlechten Meinung die ich von ihr hatte, konnte ich mit ihr reden. Sie packte die Chance und lud mich für das nächste Wochenende zu sich ein. Ich könne bei Mama schlafen. Froh nicht wieder allein im Zimmer zu sitzen, nahm ich die Einladung an. Als ich dann aber zu Mama wollte, liessen sie mich nicht gehen und ich musste bei ihnen im Ehebett schlafen. Obwohl sie mich in Ruhe liessen, konnte ich kein Auge zu tun. Als ich danach Mama fragte, warum ich nicht bei ihr schlafen durfte, wusste sie von nichts. Natürlich vernahm es meine Pflegemutter und verbot mir von nun an jeglichen Kontakt mit Griti. Diese gab jedoch nicht so schnell auf und lud mich wieder ein. Diesmal aber für einen Einkaufsbummel in Biel. Da konnte ich nicht nein sagen, denn ich wollte mir eine lange Hose, die gerade in Mode kamen, kaufen. So fuhr ich an meinem freien Nachmittag voller Vorfreude nach Biel. Griti holte mich beim Bahnhof ab und dann besuchten wir ein Kaufhaus nach dem andern. Leider fand ich keine Hosen, denn meine Beine waren einfach zu lang. Immer wieder hörte ich von Griti, du hast die gleichen langen Beine wie ich. Mich wunderte es, aber ich ging nicht weiter darauf ein. Nun brauchten wir eine Pause und suchten ein Selbstbedienungs  Restaurant in einem der Kaufhäuser auf. Diese waren gerade in Mode gekommen, hatten aber erstmal nur Stehtische. Griti holte uns etwas zu trinken, stellte es vor mich hin und sagte, ich bin deine Mutter. Ich wusste nicht wie mir geschah. Was sie noch sagte weiss ich nicht mehr und wie ich auch wieder nach Malleray kam war mir ein Rätsel. Die nächsten Tage lief ich wie in Trance herum. Der Schock sass tief. Ausgerechnet diese schlechte Frau war meine Mutter, darum war ich auch so schlecht. Ich wollte nun nur noch nach Hause zu meinen  Pflegeeltern.  Ich rief meine Pflegemutter an, dass ich am Samstag kommen würde. In Biel hatte ich lange keinen Anschluss und so besuchte ich den Bruder meiner Pflegemutter, der mit seiner Familie am Bahnhofplatz wohnte. Als es Zeit war begleitete mich meine Cousine zum Zug. Dieser fuhr jedoch ohne mich ab. Warum ich nicht einstieg war mir ein Rätsel. Wieder zurück zur Tante, liess diese mich nicht mehr gehen. Sie richtete mir in der Stube das Sofa und als ich im Bett lag, setzte sie sich zu mir und fragte mich nach meinem Befinden. Ich sagte es gehe mir gut, konnte sie aber nicht anschauen, denn ich war den Tränen nah. Meine Pflegemutter holte mich in Aarau am Bahnhof ab. Sie wusste Bescheid, denn die Tante hatte sie angerufen und ihr gesagt, dass ich es nun wüsste. Ihre Begrüssung war recht kühl und ich sehnte mich doch so sehr nach einer tröstenden Umarmung. Aber es kam noch schlimmer. Kaum hatten wir den Bahnhof hinter uns gelassen fing sie an auf mich ein zu reden. Jetzt will sie dich wieder, jetzt da du Geld verdienst und vorher hat sie sich nicht um dich gekümmert. Ich dachte, wenn sie doch nur aufhören würde. Als wir an der Kirche vorbei kamen sah ich zum Glockenturm hinauf in der Hoffnung, meine Tränen würden dann nicht die Wangen runter kullern. Die Pflegemutter merkte aber nicht, wie schlecht es mir ging. Am Abend brachte sie mich wieder zur Bahn. Nun wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich musste meine Stelle kündigen und so schnell wie möglich Geld verdienen, damit ich diesen armen Leuten alles wieder retour zahlen konnte. Ich fand nämlich einmal im Stubenbuffet ein Heft in dem alle Kosten die ich verursacht hatte aufgeschrieben waren und im Estrich stand ein riesiger Stapel leerer Muttermilchersatz Büchsen. Meine Pflegemutter wies mich immer wieder darauf hin, dass die alle für mich gewesen wären. Ich konnte also keine Lehre machen und fand dann eine Stelle in einem Büro als Hilfskraft.
Erich
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16.  Erich

Dann lernte ich Erich meinen Mann kennen. Er imponierte mir, weil er nicht immer nach meiner Geige tanzte und sich getraute mir zu widersprechen. Ich vertraute ihm, denn er war elf Jahre älter als ich und somit reifer als die gleichaltrigen Jungs. Dass er immer meine Pflegeeltern verteidigte, wenn ich Ärger mit ihnen hatte, steckte ich einfach weg. Ich wusste, dass ich nur von meinen Pflegeeltern wegkam, wenn ich heiratete. Die Situation zu Hause spitzte sich immer mehr zu und manchmal hielt ich es fast nicht mehr aus. Am Anfang unserer Beziehung beichtete ich Erich von meiner leiblichen Mutter. Das kostete mich grosse Ueberwindung, denn ich hatte solche Angst, dass er nun nichts mehr von mir wissen wollte, aber er lachte nur und sagte, das wüsste er längst. Als ich dann meinen 20. Geburtstag hinter mir hatte und es zu Hause wieder mal ganz besonders schlimm war, stellte ich Erich vor die Wahl, entweder wir heiraten oder ich laufe davon, ich halte das nicht mehr länger aus. Da er von seinem Lohn als Coiffeur keine Familie ernähren konnte, nahm ich die Sache in die Hand und suchte uns einen Coiffeursalon. Es dauerte nicht lange und wir hatten zwei Angebote. Da wir kein Auto besassen fuhren wir an einem Sonntag mit der Eisenbahn von einem Salon zum andern um sie zu besichtigen. Voller Eindrücke kamen wir am Abend wieder zu Hause an und wollten den Pflegeeltern von unseren Erlebnisse erzählen. Diese wollten jedoch nichts wissen, sondern lieber Fernseh schauen. Von nun an sassen wir immer in meinem Zimmer um unsere Pläne zu besprechen. Wir entschieden uns für den Salon im Toggenburg. Ein alter Salon mit einer schäbigen Einrichtung integriert in einer Altwohnung, die schon lange keinen Farbanstrich mehr erhalten hatte. Der Zins war annehmbar und wir waren nur glücklich etwas Eigenes zu haben. Dann ging alles sehr schnell. Wir kündigten unsere Stellungen auf zwei Monate, suchten Möbel aus und organisierten die Hochzeit. Am Tag vor der Hochzeit zügelten wir, denn Erich musste bis dahin arbeiten. Am Samstag war dann die Hochzeit und am Sonntag fuhren wir voll bepackt mit Blumen und Geschenken mit der Bahn ins Toggenburg. Dort erwartete uns eine böse Ueberraschung denn die Wohnung war eiskalt. Das Feuer war im Ofen erstickt. Meterhoch lag der Schnee um das Haus und auf dem Flachdach. Wir wussten noch nicht, was unter dem Schnee alles verborgen war. Nun kämpften wir erst mal um Kunden, denn unserer Vorgängerin hatte keine Existenz und musste deshalb aufhören. Für mich begann nun ein neuer Lebensabschnitt. 

Geburt von Thomas
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17.  Geburt von Thomas

Während Erich der Chef war, ging ich ihm zur Hand. Ich lernte schnell und war bei den Kunden beliebt. Nun zeigten sich aber sehr bald die Mängel dieser Altwohnung. Als das Tauwetter einsetzte, tropfte das Wasser im Schlafzimmer von der Decke und wir mussten sämtliche zur Verfügung stehende Gefässe aufstellen. Nun tropfte es im dreivierteltackt und an schlafen war nicht mehr zu denken.  Erich steckte dann Stecknadeln in die undichten Stellen und befestigte einen Faden daran, der bis in die Eimer reichte. Wir hatten das in einem Bond Film gesehen und fanden es trotz allem noch lustig. Die Eisblumen an den Vorfenstern waren verschwunden und auch dort lief das Wasser herunter. Als ich mich bei einem der Hausbesitzer beschwerte (das Haus gehörte zwei Brüdern, aber der eine ein Fabrikant wollte nichts mit uns zu tun haben), hiess es, wir müssten halt das Dach vom Schnee befreien. Wir heizten die ganze Wohnung von der Küche aus mit Kohlen und im Salon war ein Kachelofen. Die Heizung musste auch erneuert werden und man versprach uns eine Gasheizung, aber nichts geschah. Das erste Jahr ging vorbei und unser Geschäft lief inzwischen sehr gut. Wieder fiel haufenweise Schnee. Ich erwartete nun unser erstes Kind und mir war ständig übel. Da ich auch zu wenig Blut hatte, überfiel mich auch immer wieder der Schwindel. Ich weigerte mich nun auf das Dach zu steigen um den Schnee über das Geländer zu werfen, und so mussten sie einen Dachdecker beauftragen. Es wurde Herbst, ohne dass wir die versprochene Heizung erhielten. Mein Termin rückte näher und näher.  Dann mussten wir plötzlich die Stube räumen und konnten nur noch die Küche und das Schlafzimmer benutzen. Am Montag sollte nun endlich die Heizung installiert werden. Durch das herum tragen der Möbel setzten bei mir die Wehen ein. Anstatt bei mir zu bleiben, ging Erich ins Rest. jassen. Als er dann um Mitternacht nach Hause kam, hatte ich schon in kurzen Abständen Wehen. Er aber ging ins Bett und schimpfte, was ich denn machen würde wenn es richtig los gehe, wenn ich mich jetzt schon so wehleidig anstelle, ich solle gefälligst ins Bett kommen. Als ich mich hinlegen wollte, wurde mir schlecht und dann brach mir das Wasser. Nun stand er aber eilig auf, rief ein Taxi und fuhr mit mir ins Krankenhaus. Kaum angekommen, war unser Sohn auch schon auf der Welt. Während ich im Krankenhaus lag, waren die Handwerker fleissig am Werk und als ich nach Hause kam, war die Wohnung schön warm. Es war mir aber keine Ruhe vergönnt, denn nun hiess es wieder Möbel herumtragen und im Geschäft mithelfen. Im Nov. Konnte ich mich dann auf eine Woche Ruhe freuen, denn wir fuhren zu meinen Pflegeeltern in den Rombach. 

Schlechte Mutter
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18.  Schlechte Mutter
Da diese aber auch nur die Stube beheizen konnten, holte sich Erich eine Erkältung. Wir schliefen alle in meinem alten Zimmer und so war es unvermeidlich, dass auch unser Kleiner einen Schnupfen bekam. Nach zwei Jahren wollte ich nun endlich wieder mal ein neues Kleid. Erich gab mir Geld und erbot sich bei Thomas zu bleiben. Meine Pflegemutter wollte aber unbedingt mit mir kommen. Als wir an der Bushaltestelle warteten, kam die Freundin meiner Pflegemutter und fing an mich zu beschimpfen. Sie drohte mir Thomas weg zu nehmen, wenn ich nicht besser auf ihn aufpassen würde. Ich brachte kein Wort heraus und war froh, dass nun endlich der Bus kam. Im Kleidergeschäft drängte sich meine Pflegemutter wieder vor und bevor ich der Verkäuferin meinen Wunsch vorbringen konnte, rief sie, sie muss ein Kleid haben. Die Verkäuferin schaute mich nur lange so komisch an, brachte mir dann aber drei Kleider in die Kabine. Alle drei passten, aber mir gefiel natürlich das Teuerste und zum Missfallen meiner Pflegemutter, die natürlich auch in der Kabine dabei war, kaufte ich es. Anstatt eines gemütlichen Nachmittags, endete er in einem Frusttag. Zu Hause angekommen erzählte ich Erich alles und so packten wir zusammen und brachen die Ferien ab. Wieder wollte mir die Pflegemutter den Kleinen wegnehmen. Kaum zu Hause angekommen, ging es diesem aber wieder viel besser.
Trauriger Abschied
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19.  Trauriger Abschied
Als unsere Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, absolvierte ich nebenbei einen dreijährigen Fernkurs an der Kunstschule in Zürich und danach nahm ich noch ein paar Unterrichtstunden beim Künstler Val Rixen um mich mit den Oelfarben besser vertraut zu machen. Als ich meine ersten Bilder mit ein wenig Stolz fertig gemalt hatte, sah ich per Zufall ein Bild von Martin Ruf in der Zeitung. Er hatte ein wunderschönes Kunstobjekt geschaffen und war damit beschäftigt es zu montieren.  Ich nahm allen Mut zusammen und schrieb ihm einen Brief und freute mich riesig, dass es sogar antwortete. So entstand ein reger Briefwechsel. Ich erzählte ihm von meinen Kunstversuchen und durfte sogar ein 
Bild zur Kritik senden. Etwa zweimal im Jahr rief ich ihn an und am Neujahr bekam ich immer ein Selbstgestaltetes Neujahrskunstwerk von ihm.  Wenn es mir nicht so gut ging, heiterten mich seine tröstenden Worte immer auf. Als ich wieder einmal anrief und fragte wie es ihm gehe, erzählte er mir, dass er an Krebs erkrankt sei und gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde.  
Er bewohnte ein altes Pfarrhaus in Fahrwangen und ich durfte ihn einmal besuchen. Er war gerade in Pension gegangen und überall standen wunderschöne Blumensträusse herum. Mir war es etwas eng ums Herz, denn ich dachte eher an eine Beerdigung. Er zeigte Erich und mir dann das ganze wunderschön gepflegte Haus und erzählte uns von seinen Plänen. Er war gerade im Begriff nochmals ein Atelier zu bauen. Er wisse zwar nicht, ob er es überhaupt noch bauchen könne, denn von den die Aerzten aus gesehen, sollte er schon lange tot sein. Er aber gab nicht auf und arbeitete wie wild an neuen Kunstwerken für eine Ausstellung. Dann erkrankte seine geliebte Frau an ALS. Liebevoll pflegte er sie, bis er nicht mehr konnte. Ihm plagten inzwischen heftige Rückenschmerzen und so musste er sie in ein Pflegeheim geben. Er besuchte sie alle Tage und litt mit ihr. Sie musste sehr Schlimmes durch machen und konnte am Schluss nicht mal mehr reden und es war einen Erlösung, als sie dann endlich die letzte Reise antreten durfte. Da sie keine Kinder hatten, lebte Martin noch eine Weile ganz alleine in diesem grossen Haus. Als ich wieder mal anrufen wollte, um zu fragen wie es ihm gehe, nahm niemand mehr ab. Ich  befürchtete das Schlimmste, probierte es aber immer wieder. Endlich am Ostersamstag nahm er meinen Anruf entgegen. Er tönte unendlich traurig und erklärte mir, er käme gerade von der Reha, aber es hätte ihm nicht geholfen. Ich kann nicht mehr, ich bin ganz alleine habe starke Schmerzen und kann mich nicht mal mehr alleine anziehen. Nach Ostern ist Schluss. Ich habe noch ein neues Badezimmer bestellt und die Handwerker kommen nach Ostern. Das muss ich noch erledigen, denn sie haben ja das Material bestellt. Ich sage dir jetzt für immer Adieu das ist unser letztes Tel. Das waren seine letzten Worte und ich wusste keine Antwort, denn ich verstand ihn ja so gut. Etwas später bekam ich eine schöne von ihm gestaltete Karte mit der traurigen Nachricht, dass er nun verstorben und schon Beerdigt sei. Obwohl ich es ja wusste, machte es mich doch sehr traurig denn nun hatte ich einen lieben Freund verloren.
Renovieren
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20.  Renovieren
Durch die neue Heizung tropfte es im darauffolgenden Winter sogar bis in den Hauseingang und im Kinderzimmer lief das Wasser die Wände runter. Inzwischen hatte ich längst bemerkt, dass sich Erich immer drückte, wenn es etwas zu beanstanden gab. So drohte ich den Hausmeistern mit der Polizei, wenn sie nichts unternehmen würden, Das wirkte und im Frühling wurde das Flachdach endlich erneuert. Nach und nach stieg dann die Waschmaschine, der Kochherd und auch der Kühlschrank aus. Wieder war ich es, die mit den Hausmeistern verhandeln musste. Die Geräte waren sicher bald 40 Jahre alt und die Waschmaschine stand manchmal bis zu einem Meter hoch im Wasser, weil der Ablauf zu tief angelegt war. Trotz allem Ärger gefiel es uns in dieser Wohnung und zwei Jahre nach Thomas bekamen wir noch die Zwillinge Markus und Monika. Nachdem unser Vertrag abgelaufen war, wollte ich nicht mehr in diesem veralteten Salon arbeiten.  Zuerst musste ich aber Erich davon überzeugen, denn er scheute wieder die Verhandlung mit den Hausmeistern. Nach vielen Hürden waren sie damit einverstanden und wir einigten uns, dass sie den Raum renovieren und wir die Möbel übernehmen würden. Ich bestellte alle Handwerker, damit sie mit dem Architekten alles vor Ort besprechen konnten.  Als ich nach dem letzten Telefonat den Hörer auflegte, lachte mich Erich aus und meinte, bilde dir ja nicht ein, dass da einer kommt.  Aber es klappte prima und ich war stolz. Endlich hatte ich auch mal etwas auf die Reihe gekriegt. Da ich seit einiger Zeit gesundheitliche Probleme hatte, war ich im Krankenhaus für die Entfernung der Mandeln und gleich danach einer Auskratzung angemeldet. Wir brachten unsere drei Kindern zu meinen Pflegeeltern. Anschliessend fuhren wir wieder nach Hause und ich räumte den Salon aus. Am andern Tag fuhr ich mit der Bahn nach St. Gallen ins Krankenhaus. Der Trakt in dem ich untergebracht wurde war noch sehr alt und im Zimmer standen 6 Betten.  Nach der OP verschwand meine Bettnachbarin und setzte sich mit zwei Männern in die Sitzgruppe am Ende des Flurs. Sie forderte mich zwar auf mit zu kommen, ich getraute mich jedoch nicht. Wenn ich die Toilette aufsuchte, musste ich an ihnen vorbei und als mich beim zweiten Mal einer der Männer fragte, warum ich mich denn nicht zu ihnen setzte, dachte ich ja warum eigentlich nicht. Sofort verwickelte er mich in ein Gespräch und wollte wissen, wieviel Kinder ich hätte. Als ich sagte drei, meinte er, haben sie einmal nicht aufgepasst. Nun war der Bann gebrochen. Er war ein richtiger Clown und wir lachten viel. Nach dem Abendessen trafen wir uns wieder und als die Nachtschwester ihren Dienst antrat, nahm sie ihre Strickarbeit und besuchte ihre Kollegin im oberen Stockwerk. Erst als sie um 12 Uhr wieder runterkam und uns im Spass ausschimpfte, wenn Mutter nicht da ist gehen die Kinder nicht ins Bett, legten wir uns schlafen. Ungern wechselte ich nach drei Tagen in einen andern Trakt. Wieder einmal kam ich vom Krankenhaus nach Hause und musste Möbel schleppen und das Haus putzen, denn wir hatten zusätzlich im ganzen Haus neue Fenster erhalten.
Endlich erwachsen
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21.  Endlich erwachsen
Es schien, als hätten sie mir im Krankenhaus nicht nur die Mandeln rausgenommen. Ich war plötzlich erwachsen geworden und sah nun meinen Mann mit andern Augen. Aber ich hatte den Schock meiner Herkunft noch immer nicht überwunden. Denn ich hatte ja niemand mit dem ich reden konnte. Erich wollte von diesem Gejammer nichts hören. Auch vermisste ich seine Zärtlichkeit. Wenn es mir nicht gut ging, hätte ich mir einfach eine kleine tröstende Umarmung von ihm gewünscht. Ich versuchte es ihm zu erklären, aber er wollte nichts wissen. Bei ihm gab es nur eine Umarmung, wenn er Sex wollte. Als es mir einmal wieder schlecht ging, bemerkte es ein Handwerker und legte mir tröstend die Hand auf die Schulter. Da bekam ich es mit der Angst, denn ich merkte wie Empfänglich ich war. Ich hatte ja eine schlechte Mutter und ich wollte nicht so sein wie sie, aber mein Blut war verdorben. Ich ging von nun an jedem Kontakt mit Männern aus dem Weg, denn ich wusste wie schwach ich war. Mein neuer Hausarzt sah mich an und meinte, sie haben ganz andere Probleme ich sehe es ihnen an der Nasenspitze an. Er bot mir an mit mir zu reden, was ich dann auch gerne tat. Nun konnte ich mir endlich alles von der Seele reden.  Er konnte mir mein schlechtes Gewissen, das mich nach jedem Besuch meiner Pflegeltern plagte, nehmen.  Meine Pflegemutter verstand es immer wieder mich mit ihren Hundeblicken strafend an zu schauen, auch bezichtigte sie mich eine schlechte Ehefrau zu sein, nur weil Erich seine Kleider selbst aussuchte und wenn ich keine Zeit hatte auch selbst einen Kaffee machte. Nach diesen Gesprächen ging es mir bedeutend besser. Ich wusste nun wie ich mich zu verhalten hatte. Dann erkrankte mein Pflegevater an Krebs. Meine Pflegemutter liess niemand zu ihm, auch ich durfte ihn nicht besuchen. Wenn ich sie fragte, wie es ihm gehe, gab sie mir keine Auskunft.  Ich rief dann seinen behandelnden Arzt an und dieser riet mir ihn schnell zu besuchen, denn es gehe ihm sehr schlecht, er werde wohl nicht mehr lange leben.  Trotz des Verbotes meiner Pflegemutter besuchten wir ihn im Krankenhaus. Ich wollte, dass er seine Grosskinder nochmals sah, denn er hatte immer grosse Freude an ihnen. Eine Woche später schlief er für immer ein. An der Beerdigung schimpfte die Pflegemutter, ich hätte ihn besser früher besucht und nicht erst jetzt an seiner Beerdigung. Ich dankte im Stillen meinem Arzt, denn sie konnte mir nun nicht mehr ein schlechtes Gewissen einreden. Wenn sie uns nun besuchte, sass sie in meiner Küche wenn ich kochte und wie damals als uns Mama besuchte, beschimpfte sie meine leibliche Mutter. Obwohl ich für meine Mutter nie warme Gefühle aufbrachte, konnte ich ihr, seit ich selber Kinder hatte, nachfühlen was es hiess ein Kind weg zu geben. Als nun meine Pflegemutter wieder mal los schimpfte, war es plötzlich zu viel für mich. Gestärkt durch meinen Arzt sagte ich ihr nun meine Meinung. Es täte mir weh, wenn sie immer über meine Mutter herzöge, denn ich hätte ja ihr Blut. Auch wäre sie und ihre beiden Brüder um kein Haar besser. Alle hätten heiraten müssen. Sie und ihre Schwägerinnen hätten Glück gehabt, dass ihre Männer sie geheiratet hätten, während meine Mutter das Pech hatte an einen verheirateten Mann geraten zu sein. Darauf besuchte sie uns ein Jahr lang nicht mehr. Als sie wieder erschien, jammerte sie, sie hätte wegen mir einen Nervenzusammenbruch erlitten. Ich lachte sie dann aus und entgegnete, nachdem ich alles von euch zu anhören bekam, hätte ich mehrere Zusammenbrüche haben können. Kurze Zeit später rief mich meine leibliche Mutter an und erzähle mir Freudenstrahlend, dass meine Pflegemutter sie besucht hätte. Von nun an hatte ich Ruhe. Aber in all den Jahren passierte immer wieder etwas, dass meine Gefühle zu meiner Pflegemutter immer mehr absterben liessen.
Kampf um die Existenz
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22.  Kampf um die Existenz
Inzwischen hatte einer der Brüder das Haus übernommen. Wieder lief unser Vertrag aus und bevor wir einen neuen abschliessen konnten verstarben die Besitzer innert einer Woche. Die Erben, drei Töchter wollten uns nicht mehr unter Vertrag nehmen. Da unsere Kinder jedoch alle in die Ausbildung kamen, brauchten wir eine Sicherheit.  Wieder war ich es, die vorgeschickt wurde. Sie versprachen dann mit uns zu reden, aber als es soweit war, wollten sie wieder nichts wissen. Ich setzte mich nochmals mit einer der Töchter in Verbindung. Sie war dann sehr freundlich, lud uns in ihre Ferienwohnung ein, stellte uns Wein auf und erzählte, dass der Willensvollstrecker ihres Vaters keinen Vertrag mit uns machen wolle, sie aber nochmals mit ihm reden würde. Ich fragte sie dann nach dem Namen des Anwalts, den sie mir auch bereitwillig mitteilte. Wir hatten unseren Hauseingang auf der anderen Seite des Hauses und als wir um die Ecke bogen schimpfte mein Mann los, das wären doch nette Leute und sie würde ja jetzt mit dem Anwalt reden. Ich sah das aber ganz anders, ich war ja auch nicht in Alkohollaune. Am andern Tag rief ich den Anwalt an und erfuhr, dass er Dement war und die Akten einem andern Anwalt abgeben habe. Die Sekretärin gab mir dessen Tel. Nr. Der Anwalt war erstaunt und fragte mich, was ich denn wolle und wer ich überhaupt sei.  Dann stellte sich heraus, dass er von dem Haus im Toggenburg und dessen Mietern nichts wusste. Er verstand aber unsere Lage und diktierte mir einen Brief, den ich dann an alle drei Schwestern und auch an ihn versandte. Nun erhielten wir wieder einen Vertag über 5 Jahre. Aber leider wurden wir nicht in Ruhe gelassen. Nach zwei Jahren wurden uns Geschäft und Wohnung gekündigt. Sie konnten uns aber nicht rausschmeissen, denn der Vertrag galt auch für sie. Das Haus gehörte nun nur noch einer der Töchter. Diese liess keine Gelegenheit aus im Dorf zu erzählen, dass sie uns gekündigt hätte. Wir brachten aber noch drei Jahre unser Einkommen und doch verliessen uns Kundinnen.  Beim Einkaufen und auch im Geschäft vielen immer wieder Bemerkungen. Mit der Zeit wurde es aber ruhiger, denn die Leute glaubten, es wäre alles nur an ein Gerücht. Für Frau Hartmann wurde es zu ruhig und so rief sie unseren Sohn Thomas an seiner Lehrstelle an und wollte ihn aushorchen. Er stellte sich aber gottlob Unwissend. Es waren harte fünf Jahre mit immer neuen Schikanierereien Seitens Frau Hartmann. Wieder durfte ich mit niemandem darüber reden und Erich hüllte sich auch in Schweigen.  Wie immer wenn es Probleme gab, steckte er den Kopf in den Sand. Es lag wieder an mir eine neue Bleibe zu suchen. Alle Geschäfte waren aber nur kurzfristig zu mieten und so mussten wir uns noch fast drei Jahre lang gedulden. Ich schlief nicht mehr und wurde immer trauriger. Ich wollte nicht weg und unsere lieben Kundinnen im Stich lassen, denn sie waren mir ans Herz gewachsen. Sie vertrauten mir immer all ihre Sorgen an und ich kannte all ihre Familiengeschichten. Sie holten bei mir Ratschläge und ich auch bei ihnen. Wir hatten aber auch ganz lustige Stunden mit einander in denen wir viel lachten und scherzten. Erich war der Zuhörer und ich die Plaudertasche. Aber wehe wenn ich etwas sagte, das ihm nicht passte, dann schimpfte er Abends mit mir.
Umzug ins Rheintal
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23.  Umzug ins Rheintal
Endlich fanden wir im Rheintal ein altes Geschäftshaus. Die Söhne waren inzwischen ausgezogen und die Tochter mussten wir im Toggenburg zurücklassen. Sie war noch in der Ausbildung. Es war höchste Zeit, denn Erich hatte die ganze Sache krank gemacht.
Eigentlich waren wir schon zu alt für einen Neuanfang und im Rheintal ist es sehr schwer Fuss zu fassen. Die Leute gingen uns aus dem Weg und die die uns gut gesinnt waren, wollten ja nicht mit uns gesehen werden. Schon bald stand fest, dass ich mir eine Arbeit suchen musste. Nun kam dieser Frust wieder hoch, weil ich keine Lehre machen konnte. Ich landete in der Fabrik und musste Schichtarbeit leisten. Als einzige Schweizerin hatte ich es am Anfang nicht leicht. Aber ich fing auch dort an zu kämpfen. Schon meine erste Abrechnung stimmte nicht. Es stellte sich heraus, dass auch bei den andern Mitarbeiter/innen immer ein wenig Zeit abgezogen wurde, sie aber nie reklamierten. Ich aber stand schon nach der ersten Abrechnung im Büro und verlangte eine Erklärung. Von nun an stimmte alles und meine Achtung stieg bei den andern. Nach anfänglichen Schwierigkeiten war ich bald die schnellste Arbeiterin und wurde nun auch von der Schichtleiterin geschätzt. Es war die Hölle für mich stundenlang zwischen diesen lärmenden Maschinen zu sitzen und Autoteile zu putzen, aber ich machte das Beste daraus und nahm es mit Humor und so arbeitete bald alle gerne mit mir zusammen. Der Stundenlohn war sehr klein und ich arbeitete auch am Samstag um etwas mehr zu verdienen. Am Sonntag lag ich meistens krank im Bett, weil mir der Schichtwechsel zu schaffen machte. Nach neun Monaten fand ich dann endlich Arbeit in einem Büro. Ich war die Sekretärin des Disponenten und teilte mit ihm das Büro. Beim Vorstellungsgespräch wurde ich gefragt, ob ich die grobe Art der Rheintaler ertragen könne. Ich wusste nicht genau, was damit gemeint war, sollte es aber bald erfahren. Mein Chef hatte eine Freundin im Betrieb und tel. jeden Morgen mit ihr. Wenn ich dann zur Arbeit kam fühlte er sich gestört. Er war dann sehr grob zu mir. Ich war noch in der Probezeit und wollte die Stelle nicht verlieren, also verhielt ich mich ruhig. Er aber tel. fortan im Büro seines Freundes. Nun musste ich ihm etwas Dringendes ausrichten und fand ihn wieder am Tel. Als ich eintrat explodierte er, aber ich hielt mich nun auch nicht mehr zurück und so entstand ein nicht gerade leiser Dialog. Eigentlich konnte er ein ganz netter Kerl sein. Durch seine Frau, mit der ich Kontakt hatte, erfuhr ich, dass er als einziger Junge unter vier Schwestern eine nicht gerade leichte Kindheit hatte. Er war nur ein lieber Knabe, wenn er arbeitete. Sein Vater war recht böse und seine Mutter getraute sich nicht zu wehren. Ich führte dann einmal ein sehr ernstes Gespräch mit ihm und sprach ihn auf seine Kindheit an. Seine Chauffeure liefen ihm auch ständig davon, weil er nur mit ihnen schimpfte. Ich riet ihm diese auch einmal zu loben, wenn sie etwas Gutes gemacht hätten, dann würden sie sich auch mehr Mühe geben und siehe da, er hörte auf mich. Als dann die Wirtschaftskrise kam und die Aufträge immer mehr ausblieben, wurden etliche Angestellte entlassen. Leider gehörte ich auch dazu und obwohl sich mein Chef sehr für mich einsetzte, konnte er nichts erreichen und so musste auch ich gehen. Erich getraute ich eine ganze Woche lang nichts von meiner Kündigung zu erzählen, denn ich hatte Angst vor seiner Reaktion. Diese blieb dann auch nicht aus. Ich hatte ihm damals von meinem Streit mit dem Chef erzählt und so gab der mir die Schuld, weil ich mich gewehrt hatte. Ich hätte mir eine paar tröstende Worte und eine kleine Umarmung gewünscht, aber wieder vergeblich. Nun war es recht schwer wieder Arbeit zu finden. Vom Arbeitsamt aus, musste ich jede noch so schlecht bezahlte Arbeit annehmen. Meistens waren diese Stellen nur vorüber gehend. Das Arbeitsamt befand sich im Gemeindehaus. Im Gang standen eine Reihe Stühle mit wartenden Arbeitslosen. Manchmal musste man sehr lange warten, bis man an der Reihe war. Wenn ich dann endlich wieder nach Hause kam wurde ich wieder ausgeschimpft, weil ich so lange weg war. Ich viel immer tiefer in Depressionen.
Beim Physiater
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24.  Beim Physiater
Eine Kundin bemerkte meine Not und holte mich von Erich weg, denn dieser liess mich nicht mehr aus dem Haus. Ich sass immer den ganzen Tag in der Wohnung, nicht fähig einer Arbeit nach zu gehen. Am Abend wunderte ich mich, dass ich noch lebte. Ich bekam es mit der Angst und flehte Erich auf Knien an, mir doch zu helfen. Er sagte nur das kann ich nicht und las ruhig weiter in seinem Buch, während ich neben ihm lag und weinte. Wenn er nur die Hand ein wenig auf meine Schulter gelegt hätte, wäre das tröstend gewesen, aber nichts geschah. Nie fragte er, wie es mir gehe, oder was mich so traurig machte. Dann erfuhr ich, dass mein ehemaliger Hausarzt in St. Gallen als Physiater praktizierte. Ich fasste mir ein Herz und suchte ihn auf. Er kannte ja mich und meine Familie schon von früher. Er stellte mich dann vor die Wahl. Entweder sie gehen von diesem Mann weg, oder sie bleiben und gehen zu Grunde. Oder aber, sie bleiben und hören nun endlich auf ihr Gefühl und machen was ihnen guttut und nicht was andere von ihnen verlangen.  Für mich kam aber eine Scheidung nicht in Frage, denn ich liebte meinen Mann noch immer, wenn nun auch auf eine andere Weise. Für mich war er eher wie ein Vater, denn seit die Kinder aus dem Haus waren, war ich sein Kind. Er war ein treusorgender Vater, trank nicht und schlug uns auch nicht. Nein diesen Mann konnte ich nicht im Stich lassen. Ich blieb also bei ihm und versuchte so gut es ging meinen Bedürfnissen gerecht zu werden. Als er anfing auch im Bett an mir herum zur nörgeln zog ich kurzerhand ins Gästezimmer. Nun fragte ich nicht mehr, darf ich laufen gehen, sondern sagte nur, ich gehe dann weg. Er der nie laut wurde, fing nun plötzlich an mich zu beschimpfen und drohte mir sogar mit Schlägen. Er war völlig hilflos, denn er merkte dass ich ihm immer mehr entglitt und bekam es mit der Angst. Die Gespräche mit dem Arzt öffneten mir die Augen. Er las mein Horoskop und konnte mir vieles aus meiner Kindheit klarlegen. So auch, dass ich mein ganzes Leben lang immer nur Theater gespielt hatte um zuerst meinen Pflegeeltern und danach meinem Mann zu gefallen. Er erklärte mir auch, wie ich mich zu Hause zu verhalten hatte um eine Veränderung zu bewirken. Ferner nahm er mir den Glauben ein schlechter Mensch zu sein, weil ich das Blut meiner Mutter hatte. Nach ein paar Sitzungen war ich ein anderer Mensch. Ich sah plötzlich was alles schief gelaufen war und fing an mich zu wehren. Es war ein harter Kampf, aber es lohnte sich. Ich stellte Erich zur Rede und Erklärte ihm, dass ich wohl bei ihm bleiben würde, aber meine Freiheit wolle.  Es blieb eigentlich alles beim Alten, aber ich ging und kam von nun an wann ich wollte ohne lange zu fragen darf ich. Als ich im Geschäft arbeitete fuhr er immer mit mir an Ausstellungen und half mir, wenn ich selber meine Bilder ausstellte. Nun wollte er aber plötzlich nichts mehr wissen und als ich fragte warum, meinte er, ich würde ihm ja auch nicht mehr im Geschäft helfen. Ich arbeitete inzwischen wieder die ganze Woche lang  und der Lohn kam auf ein gemeinsames Konto um davon die Rechnungen zu bezahlen. Ich hatte ein Sackgeld zur Verfügung für meine persönlichen Bedürfnisse. Im Zorn rief ich dann, ich würde nun lernen Auto zu fahren. Wenn ich etwas sagte, dann machte ich es auch und das wusste Erich. Eigentlich wollte ich ja gar nicht und tat sehr schwer damit. Erich fuhr dann viel mit mir herum und hatte eine Engelsgeduld, glaubte aber, ich müsste schon so gut fahren wie er. Nun fühlte ich mich endlich frei und es ging mir auch wieder viel besser. Ich hatte die Depression ohne Medikamente überstanden. Das Leben fing endlich für mich an.
Neuanfang
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24.  Beim Physiater

Neuanfang
Ich leitete die Turnstunden des Frauenturnvereins, gründete mit ein paar Gleichgesinnten einen Flohmarkt, spielte im Freilichttheater mit und der Gemeindeammann holte mich in die Museumskommission. Erich hatte sich nun an die neue Situation gewöhnt und die Streitereien wurden immer seltener. Zwischendurch verfiel er aber immer wieder in das alte Muster und ich ärgerte mich dann über mich selber, weil ich wieder darauf herein viel. Zweimal hatte ich eine Arbeitsstelle bei der mich mein Chef versuchte übers Ohr zu hauen. Aber ich war nun eine starke Frau geworden und liess mir nichts mehr gefallen. So brachte ich Beide vor Gericht und gewann. Die letzten zehn Jahre vor der Pension arbeitete ich in einem Kleidergeschäft. Wieder durfte ich etwas Neues lernen. Ich liebte den Kontakt mit den Kunden und die Kunden mochten mich auch. Ich arbeitete 50 - 60 Prozent. In der Freizeit zog es mich immer in den Wald. Meistens kam ich mit kleinen Schätzen der Natur nach Hause und an Weihnachten sass ich dann Stundenlang in unserer Werkstatt im Estrich und bastelte Adventsgestecke die ich zum Teil verschenkte. So konnte ich meine Batterien wieder aufladen. Ich war nun ganz zufrieden. Da ich nie so richtig Liebe erfahren durfte, vermisste ich sie auch nicht. Bei einem dieser Ausflüge in den Wald, traf ich einen Holzer. Mein Ehemaliger Chef war tödlich verunglückt und so schlug er für seine Witwe Brennholz. Wir wechselten ein paar belanglose Worte. Es stellte sich heraus, dass er der Cousin meines ehemaligen Chefs war. Ich hatte mit der Witwe Ottilie immer schon guten Kontakt. Sie arbeitete auch und so holte ich ihren Hund und nahm ihn mit auf meine Streifzüge. Baldo liebte mich vom ersten Moment an und bekam vor Freude kaum Luft, wenn er mich kommen sah. So traf ich Fredi hin und wieder bei Ottilie, oder wenn er im Wad arbeitete. Er war mir von Anfang an sympathisch und ich ihm auch, was ich jedoch lange nicht bemerkte. Seine humorvolle und fröhliche Art sprach mich an. Später arbeiteten wir miteinander im Flohmarkt Rest. Hie und da fuhr er an unserem Haus vorbei und winkte mir fröhlich zu. Bald merkte ich, wie mir diesem kurzen Augenblicke guttaten. War mein Mann früher schon Wortkarg, hatte er jetzt kein nettes Wort mehr für mich. Wir halfen einander immer noch wenn es Nötig war. Er wollte ja schon immer, dass ich es gut hatte, was mir aber gut tat, das bestimmte er. So ging es immer weiter. Die Woche durch Arbeit und am Sonntag ein gemeinsamer Spaziergang, schweigend wie immer. Danach frönte ich meinen Hobbys. Ich redete mir ein, dass ich zufrieden bin und wollte eigentlich nicht viel mehr.
Ein guter Freund
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25.  Ein guter Freund
Die kurzen Begegnungen mit Fredi öffneten mir die Augen. Nach einem gemeinsamen Abendessen mit den Flomarktkolleg/innen lud er mich noch auf einen kleinen Absacker ein. So fuhren wir in den nächsten Ort in eine Kellerbar. Wir plauderten über dies und jenes und ich fühlte mich wohl in seiner Gesellschaft. Es war nicht die Wirkung des Alkohols, der mich trunken machte, denn ich trinke nie welchen. Auch am andern Tag hielten die Glücksgefühle immer noch an. Seit ich Erich kennen lernte, war ich nie mehr von einem Mann eingeladen worden. Er sagte einmal zu mir, schau dich nur an, du würdest nie wieder einen Mann finden. So schlimm konnte ich doch wirklich nicht aussehen, denn nun war es doch passiert und ich wurde eingeladen.  Für mich war er der kleine Bruder, den ich nie hatte. Mit ihm konnte ich lachen, manchmal auch streiten und Blödsinn machen. Bei ihm konnte ich so sein wie ich war, ohne dass er an mir herumnörgelte. Inzwischen ging er bei uns ein und aus und gehörte fast zur Familie. Wir arbeiteten viel zusammen. Er war auch auch sehr kreativ und so entstanden viele schöne Dinge. Wenn ich wieder auf meinen Streifzügen im Walde voller Ideen nach Hause kam, meinem Mann meine Pläne unterbreitete und um seine Hilfe bat, denn ich durfte seine Maschinen nicht benutzen, winkte er ab und sagte, das geht nicht. Fredi aber meinte nur, kein Problem, stand wenig später vor der Türe und half mir dabei. Seit ich Erich nicht mehr im Geschäft half, blieb auch seine Hilfe aus. Auch die Ausflüge an Ausstellungen, die er früher ohne weiteres mit mir unternahm, konnte ich vergessen.  Auch Erich genoss es, wenn Fredi uns überall zur Seite stand und immer öfters sagte er, frag Fredi ob er uns helfen will.  Wenn er bei grossen Arbeiten mithalf bezahlten wir ihn, denn ich wollte nicht, dass er sich ausgenutzt vorkam. Bei kleineren Hilfen, buck ich ihm einen Kuchen, denn seine Frau konnte weder kochen noch backen. So setzten wir mit viel Spass auf zwei Seiten des Hauses einen neuen Buchenhaag, oder verlegten einen neuen Stubenboden. Erich half  zwar mit, war aber immer mürrisch, denn wir hatten bei der Arbeit viel Spass und lachten viel, was ihm nicht passte. Das kannte ich aber nur zu gut, denn als unser jüngerer Sohn noch keine Freundin hatte und er hie und da nach Hause kam, hatten wir immer riesigen Spass und machten Blödsinn. Dann kam er auch immer und schimpfte uns aus. Aber nicht nur der Spass und das Lachen brachte Fredi wieder in mein Leben. Durch ihn verlor ich meine Selbst Zweifel und lernte an mich zu glauben. Er machte mir Komplimente und merkte sofort, wenn ich traurig war, oder mich etwas beschäftigte. Dann nahm er mich einfach kurz in die Arme und dann ging es mir wieder viel besser. Wir redeten oder schimpften nie über unsere Ehepartner, aber die Themen gingen uns nie aus. Was ich ganz lustig fand, wir tauschten auch Rezepte aus, denn er musste öfters kochen. Natürlich stritten wir auch, denn er war es gewohnt, dass er immer im Recht war. Dann sagte ich einfach tschau, ich habe zu Hause genug Aerger, ich brauche keine Streitereien. Wenn er dann so dastand, Schuldbewusst, den Kopf hängen lassend, hätte ich ihn am liebsten in den Arm genommen. Aber es ging nie lange, dann rief er an und fragte ganz lieb, kann ich dir etwas helfen. Ich denke, das ist Liebe, wenn man hilft, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Das war ganz Neu für mich. Als ich ihn einmal fragte, warum er mir so ohne weiteres zur Seite Stand und half, meinte er, ich helfe gerne wo es nötig ist. Ich glaube, er war auch nicht so ganz glücklich in seiner Ehe und so tat uns Beiden dieses gemeinsame kreative arbeiten gut. Weihnachten stand vor der Türe und wir hatten wieder tausend Ideen. Er wollte einen Baum fällen und mit dem Holz wollten wir wieder Dekorationen basteln. Ich merkte aber, dass es ihm nicht mehr so gut ging. Er, der immer herumhastete, wirkte plötzlich müde. Darauf angesprochen gestand er mir, dass ihn Schmerzen in der Brust plagten. Sofort schickte ich ihn zum Arzt, er aber tat es als Nervenschmerzen ab. Da suchte ich seine Frau auf, aber auch die lachte mich aus und meinte, der hat nur sonst ein Weh-Wehchen und ausserdem hätte er eine gute Lebensversicherung abgeschlossen. Drei Tage später am 1. Nov. an meinem Geburtstag machte ich eine Torte und erwartete ihn und seine Frau wie jedes Jahr zum Kaffee, aber niemand erschien. Ich rief dann seine Frau an und vernahm, dass er auf einer Bergwanderung sei. Am andern Tag kam eine Kundin aus dem Dorf und erzählte mir, dass sie Fredi tot geborgen hätten, er hatte einen Sekundentod erlitten. Ich wusste nicht wie mir geschah. Ich durfte mir nichts anmerken lassen und musste weiterhin lächelnd Kunden bedienen.
Albträume
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26.  Albträume
Ich war nicht fähig zu weinen, war wie erstarrt und hatte schlaflose Nächte. Wenn ich dann doch in einen unruhigen Schlaf verfiel, quälten mich seltsame Träume. So hörte ich Fredi vor meinem Fenster klagen, verstand aber seine Worte nicht. Wenn ich dann aus dem Fenster schaute, sah ich ihn auf seinem Fahrrad in den Himmel verschwinden. Ein andermal war ich auf der Bergstrasse unterwegs, als er mit dem Auto neben mir anhielt und mich bat einzusteigen und ich mich weigerte, lachte er und fuhr auch wieder geradewegs in den Himmel. Noch heute, 13 Jahre nach seinem Tod, habe ich immer denselben Traum. Ich sehe sein Haus, das jedoch umgebaut ist und er kommt wieder nach Hause. Auf meine Frage, wo er denn so lange gewesen sei, lachte er und meinte, in der Fremde. Wenn ich dann erwache, brauche ich immer eine Weile um mich zurecht zu finden und glaube zuerst wirklich, dass er wieder da ist.
Das Leben geht weiter
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27.  Das Leben geht weiter
Nach seinem Tod stürzte ich mich in die Arbeit. Inzwischen pensioniert, half ich beim Kulissenbau im Freilichttheater und spielte auch mit. Danach baute ich mit dem Museumskurator ein altes Bauernhaus zurück, in eine Zeit da es weder Wasser noch Strom gab. Mir war keine Arbeit zu viel, auch wenn sie noch so schmutzig war. So malte ich Wände, putzte Stall und Heustock und nähte Vorhänge. Nun durfte ich 10 Jahre lang die Besucher mit viel Witz und Humor durch das Haus führen und bekam wieder langsam Spass am Leben. Die Besucher liebten meine Art und so kam ich immer müde aber glücklich nach Hause. Im Herzen schmerzt es immer noch und ich kann Fredi nicht vergessen. Nach seinem Tod schlich sich bei mir eine Nervenkrankheit ein. Ich kann immer weniger gut laufen und gehe inzwischen am Stock, denn mir fehlt das Gleichgewicht und meine Beine werden mit der Zeit lahm. Mein Arzt meinte, ich hätte zu viel erlebt und das wäre nun der Preis dafür. Wir verkauften unser liebgewonnenes Haus und zogen in eine kleinere Wohnung. Dieser Verkauf löste bei meinem Mann, inzwischen 88 Jahre alt, eine Demenz aus. Ich Pflege ihn zu Haus mit Hilfe der Spitex. Immer noch kann ich meiner geliebten Arbeit im Museum nachgehen jedoch nun ohne Führungen und so meine Batterien wieder ein wenig aufladen und für kurze Zeit alles vergessen. Die neue Museumsbetreuerin ist so alt wie mein Sohn, aber wir verstehen uns prima und haben auch viel Spass bei der Arbeit und lachen viel. Mein Humor hat mich in all den Jahren immer wieder gerettet. Ich merke auch, dass die Menschen gern in meiner Gesellschaft sind, da ich immer zu Spässen aufgelegt bin. Wenn ich mich wohl fühle, kann ich die Menschen einen ganzen Abend lang unterhalten. Erich passt das natürlich nicht und er beklagte sich, dich kennen alle Leute um mich bemerkt keiner. Im Gegensatz zu mir, ist er eher Menschenscheu. Wenn ich des Nachts im Bett liege und der Schlaf nicht kommen will, plagen mich düstere Zukunftsängste und dann frage ich Fredi, warum musstet du so früh auf deine letzte Reise? Was habe ich getan, dass ich nun nur noch durchs Leben schleichen kann, denn meine Beine werden immer schwächer. Auch mein geliebtes Theater spielen musste ich aufgeben und so lebe ich in Erinnerungen an meine Lieblingsrolle als etwas verrückte Grossmutter.
Nun sind sie erlöst
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28.  Nun sind sie erlöst
Im Alter von  92 Jahren starb meine Pflegemutter. Sie starb so wie sie gelebt hat, kalt und in denn letzten Stunden alleine. An einem Sonntag brach sie zusammen. Sie wollte wohl noch um Hilfe rufen, schaffte es aber nicht mehr bis zum Tel. Da niemand mehr mit ihr verkehren wollte, bemerkte erst am drauf folgenden Donnerstag eine aufmerksame Nachbarin das etwas nicht stimmte. 
Da niemand einen Schlüssel zur Wohnung besass, musste die Polizei die Türe aufbrechen. 
Sie lebte noch und erkannte auch die Nachbarin, die bei ihr blieb bis der Krankenwagen eintraf. Als ich um 20.00 Uhr von der Arbeit nach Hause kam, rief mich meine Tanzte an und berichtete was passiert war. Den Arzt, den ich dann sofort anrief, bestätigte mir, dass sie wohl bei Bewusstsein war und auch Antworten könne, es aber nicht gut um sie stand. Ich müsse sofort kommen, denn es wäre gut, wenn jemand bei ihr wäre, der ihr vertraut war. Ich musste aber zuerst die Termine unserer Kunden absagen und auch auf meiner Arbeitsstelle Bescheid geben, versprach aber jemand, den sie gut kannte vorbei zu schicken. Die einzige Bekannte, die noch mit ihr Kontakt hatte, war bereit, sie am Freitag zu besuchen. Kaum hatte ich alles organisiert, rief der Arzt an und teilte  mir mit, dass meine Pflegemutter verstorben war. 
Es hört sich herzlos an, dass ich nicht sofort zu ihr eilte, aber ich hatte fast keinen Kontakt mehr mit ihr. Sie freute sich nie über unseren Besuch, sondern war froh, wenn wir bald wieder abreisten. Das letzte Gefühl erlosch wohl an jener Weihnacht, als wir alle an Grippe erkrankt im Bett lagen. Wie immer hatten wir sie eingeladen, als uns am Abend vorher eine Grippe wie aus dem Nichts erwischte und wir uns mit Fieber ins Bett legen mussten. Ich wollte ihr absagen, aber Erich meinte, dann kann sie uns wenigstens Tee kochen. Als sie ankam und von unserer Erkrankung erfuhr, machte sie kehrt und fuhr wieder nach Hause. Vorher setzte sie sich aber noch an den Tisch und wartete bis ich ihr gekocht und geschöpft hatte. Die Kinder weinten, als sie erfuhren dass die Grossmutter ohne sie zu Begrüssen wieder weg war. Als ich sie das letzte mal besuchte, kam sie mir sehr verändert vor. Sie fragte nach unseren Kindern, was sie Jahrelang nie gemacht hatte. Zuletzt bedankte sie sich noch für unseren Besuch. Das war auch neu. Auch dem Pfarrer und den Nachbarn viel ihre plötzliche Freundlichkeit auf. 
Das Gespräch mit dem Pfarrer vor der Beerdigung war sehr Aufschlussreich. Er hatte nicht im Sinn sie in seiner Predigt schön zu reden, sondern schilderte sie, so wie sie war. Eine Bekannte meinte dann, er hat sie treffend beschrieben. Ihre letzte Ruhe bekam sie im Gemeinschaftsgrab. Bei der Beisetzung der Urne legte mir der Pfarrer die Hand auf die Schulter und sagte, nun sind sie erlöst. Die Nachbarn standen mir bei der Auflösung des Haushalts hilfreich zur Seite. Ich hatte die Befürchtung, dass sie mir feindlich gesinnt wären, weil ich fast nie nach Hause kam, aber sie verstanden mich vollkommen. Als ich einen Nachbarn fragte, warum er mir so tatkräftig helfe, meinte er, du warst immer ein liebes, anständiges Mädchen und eine andere Nachbarin meinte, du hattest alles nur keine Liebe. Ich war erstaunt, wie die Nachbarn immer alles beobachtet hatten. So habe ich, trotz des traurigem Anlasses, die Beerdigung in schöner Erinnerung.
Nachwort
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29.  Nachwort
Ich hoffe mit dieser Niederschrift endlich zur Ruhe zu kommen, denn je älter ich werde, je mehr holt mich die Vergangenheit wieder ein. Als meine leibliche Mutter starb, fand meine Stiefschwester im Nachlass Gegenstände die darauf hinwiesen, dass sie einen sehr lockeren Lebenswandel geführt hatte und es mit der Treue nicht immer so genau nahm. Zuerst waren wir geschockt, aber dank meinem Arzt, kam ich sehr schnell über diesen Schrecken hinweg und sagte mir, das war ihr Leben. Auch meiner Pflegemutter habe ich ihre Herzlosigkeit und Kälte längst verziehen, denn sie konnte wohl nicht anders handeln, ich wusste ja nicht, was alles in ihrem Leben schief lief. Ich bin stolz auf unsere drei tollen und fleissigen Kinder und unseren lieben Grosskindern, denn dass sie so gut geraten sind, ist in der heutigen Zeit nicht Selbstverständlich und ich danke Gott dafür. Mit grosser Freude durfte ich nun auch noch die Geburt unserer Urenkelin  erleben.
Jetzt sind sie erlöst
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30.  Jetzt sind sie erlöst
Mit 92 Jahren starb meine Pflegemutter. Sie starb so wie sie gelebt hat, kalt und in denn letzten Stunden alleine. An einem Sonntag brach sie zusammen. Sie wollte wohl noch um Hilfe rufen, schaffte es aber nicht mehr bis zum Tel. Da niemand mehr mit ihr verkehren wollte, bemerkte erst am Donnerstag eine aufmerksame Nachbarin das etwas nicht stimmte. 
Da niemand einen Schlüssel zur Wohnung besass, musste die Polizei die Türe aufbrechen. 
Sie lebte noch und erkannte auch die Nachbarin, die bei ihr blieb bis der Krankenwagen eintraf. Als ich um 20.00 Uhr von der Arbeit nach Hause kam, rief mich ihre Schwägerin an und berichtete was passiert war. Den Arzt, den ich dann sofort kontaktierte, bestätigte mir, dass sie wohl bei Bewusstsein war und auch Antworten könne, es aber nicht gut für sie aussehe. Ich müsse sofort kommen, denn es wäre gut, wenn jemand bei ihr wäre, der ihr vertraut war. ich musste aber zuerst die Termine unserer Kunden absagen und auch auf meiner Arbeitsstelle Bescheid geben, versprach aber jemand, den sie gut kannte vorbei zu schicken. Die einzige Bekannte, die noch mit ihr Kontakt hatte, war bereit, sie am Freitag zu besuchen. Kaum hatte ich alles organisiert, rief der Arzt an und teilte  mir mit, dass meine Pflegemutter verstorben war. 
Es hört sich herzlos an, dass ich nicht sofort zu ihr eilte, aber ich hatte fast keinen Kontakt mehr mit ihr. Sie freute sich nie über unseren Besuch, sondern war froh, wenn wir bald wieder abreisten. Das letzte Gefühl erlosch wohl an jener Weihnacht, als wir alle an Grippe erkrankt im Bett lagen. Wie immer hatten wir sie eingeladen, als uns am Abend vorher eine Grippe wie aus dem Nichts erwischte und wir uns mit Fieber ins Bett legen mussten. Ich wollte ihr absagen, aber Erich meinte, dann kann sie uns wenigstens Tee kochen. Als sie ankam und von unserer Erkrankung erfuhr, machte sie kehrt und fuhr wieder nach Hause. Vorher setzte sie sich aber noch an den Tisch und wartete bis ich ihr gekocht und geschöpft hatte. Die Kinder weinten, als sie erfuhren dass die Grossmutter ohne sie zu Begrüssen wieder weg war. 
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